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Dokumente in der Rubrik Krankenhausrecht
Hier finden Sie aktuelle Entscheidungen und Hinweise zum Krankenhausplanungsrecht, Krankenhausfinanzierungsrecht und zu Schiedsstellenentscheidungen.![]() |
Vor einer Behandlungsmaßnahme muss eine rechtzeitige Aufklärung erfolgen, wobei eine „Sperrfrist“ gesetzlich nicht vorgesehen ist | |
Die Aufklärung des Patienten* gem. § 630e BGB muss so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann. Eine „Sperrfrist“, deren Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit der Einwilligung führt, existiert dabei nicht. Entscheidend ist, ob der Patient unter den jeweils gegebenen Umständen ausreichend Gelegenheit hat, frei darüber zu entscheiden, ob er sich der beabsichtigten medizinischen Maßnahme unterziehen möchte oder nicht. *Die Bezeichnung Patient umfasst i.Folg. alle Geschlechter BGH, Urteil vom 20.12.2022, VI ZR 375/21 – Grundsätze zur Aufklärung gem. § 630e BGB, rechtzeitige Aufklärung, Bedenkzeit des Patienten, Einwilligung in den ärztlichen Eingriff , gesetzliche Sperrfrist, Selbstbestimmungsaufklärung – Sehr geehrte Damen und Herren, der BGH hat die Anforderungen an die „Rechtzeitigkeit“ einer Aufklärung gem. § 630e BGB mit diesem Urteil konkretisiert. Der aufklärende Behandler muss demnach nicht eine bestimmte zeitliche Frist einhalten, damit die Aufklärung als rechtzeitig bewertet werden kann. Vielmehr muss im konkreten Einzelfall die Möglichkeit des Patienten bestanden haben, frei über die medizinischen Maßnahmen zu entscheiden und hierin einzuwilligen. Sachverhalt Der klagende Patient litt im Jahr 2013 an chronisch rezidivierenden Ohrentzündungen und Paukenergüssen. Er wurde vom behandelnden Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde im Hinblick auf eine mögliche Ohroperation (Mastoidektomie) in die HNO-Klinik des von der Beklagten betriebenen Klinikums überwiesen und dort untersucht. Dem Kläger wurde im Krankenhaus geraten, in einem ersten Schritt zur Optimierung der Nasenluftpassage die Nasenscheidewand begradigen und die Nebenhöhlen sanieren zu lassen. Am 1. November 2013 wurde der Kläger von einer Ärztin über die Risiken des beabsichtigten Eingriffs aufgeklärt. Im Anschluss an das Aufklärungsgespräch unterzeichnete er das Formular zur Einwilligung in den ärztlichen Eingriff. Am 4. November 2013 wurde der Kläger stationär aufgenommen und der Eingriff durchgeführt. Intraoperativ trat eine stärkere arterielle Blutung auf. Postoperativ war der Kläger nicht erweckbar. Im CT zeigte sich eine Hirnblutung. Bei der daraufhin erfolgten neurochirurgischen Intervention wurde festgestellt, dass es bei dem Eingriff zu einer Verletzung der Dura, der vorderen Hirnschlagader und zu einer Durchtrennung des Riechnervs links gekommen war. Der Kläger wurde in der Folgezeit umfassend stationär und ambulant behandelt. Mit der Behauptung, die Operation vom 4. November 2013 sei fehlerhaft vorbereitet und durchgeführt worden und er sei unzureichend aufgeklärt worden, hat der Kläger die Beklagte auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des Schadens aus der ärztlichen Behandlung durch die Beklagte dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, da es an einer wirksamen Einwilligung fehle. Mit der Revision begehrte die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der BGH hat das Urteil des Oberlandesgerichts nun aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Entscheidungsgründe Der BGH ist der Ansicht, dass mit der Begründung des Oberlandesgerichts ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht bejaht werden könne. Die Aufklärung sei inhaltlich ausreichend gewesen. Die Einwilligung des Klägers sei wirksam, auch wenn dem Kläger aus seiner Sicht keine ausreichende Bedenkzeit gem. § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB zwischen der Aufklärung über die Risiken des Eingriffs und der Entscheidung über die Einwilligung eingeräumt worden sei. Die Bestimmung des § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB enthalte kein Erfordernis, wonach zwischen Aufklärung und Einwilligung ein bestimmter Zeitraum liegen müsse. Die Vorschrift kodifiziere vielmehr die bisherige Rechtsprechung, der zufolge der Patient vor dem beabsichtigten Eingriff so rechtzeitig aufgeklärt werden müsse, dass er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahrnehmen könne. Laut § 630d BGB sei der Behandelnde verpflichtet, vor Durchführung einer medizinischen Maßnahme die Einwilligung des Patienten einzuholen. Die Vorschrift § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB regele dabei die Anforderungen an die Aufklärung des Patienten in zeitlicher Hinsicht. Nach dieser Vorschrift müsse die Aufklärung so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen könne. Bereits nach dem Wortlaut und der Stellung im Gesetz beziehe sich die Bestimmung allein auf den Zeitpunkt, zu dem das Aufklärungsgespräch stattzufinden habe. Danach müsse die Aufklärung rechtzeitig vor dem Eingriff erfolgen. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll mit dieser Regelung keine inhaltliche Änderung der Rechtslage verbunden sein, sondern lediglich die bisherige Rechtsprechung wiedergegeben werden. Im Einklang mit dieser Rechtsprechung sehe § 630 e BGB keine vor der Einwilligung einzuhaltende „Sperrfrist“ vor, deren Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit der Einwilligung führen würde. Die Vorschrift enthalte kein Erfordernis, wonach zwischen Aufklärung und Einwilligung ein bestimmter Zeitraum liegen müsse. Vielmehr fordere die Vorschrift eine Aufklärung, die die Möglichkeit zu einer reflektierten Entscheidung des Patienten gewährleiste. Die Aufklärung müsse zu einem Zeitpunkt erfolgen, in dem der Patient noch in vollem Besitz seiner Erkenntnis- und Entscheidungsfreiheit sei. Die Aufklärung dürfe auch nicht erst so kurz vor dem Eingriff erfolgen, dass der Patient wegen der in der Klinik bereits getroffenen Operationsvorbereitungen unter einen unzumutbaren psychischen Druck gerate oder unter dem Eindruck stehe, sich nicht mehr aus einem bereits in Gang gesetzten Geschehensablauf lösen zu können. Entscheidend sei, ob der Patient unter den jeweils gegebenen Umständen ausreichend Gelegenheit habe, innerlich frei darüber zu entscheiden, ob er sich der beabsichtigten medizinischen Maßnahme unterziehen wolle oder nicht. Zu welchem konkreten Zeitpunkt ein Patient nach ordnungsgemäßer - insbesondere rechtzeitiger - Aufklärung seine Entscheidung über die Erteilung oder Versagung seiner Einwilligung treffe, sei seine Sache. Sehe er sich bereits nach dem Aufklärungsgespräch zu einer wohlüberlegten Entscheidung in der Lage, sei es sein gutes Recht, die Einwilligung sofort zu erteilen. Wünsche er dagegen noch eine Bedenkzeit, so könne von ihm grundsätzlich erwartet werden, dass er dies gegenüber dem Arzt zum Ausdruck bringe und von der Erteilung einer - etwa im Anschluss an das Gespräch erbetenen - Einwilligung zunächst absehe. Es könne von ihm grundsätzlich verlangt werden, zu offenbaren, wenn ihm der Zeitraum für eine besonnene Entscheidung nicht ausreiche. Tue er dies nicht, so könne der Arzt grundsätzlich davon ausgehen, dass er keine weitere Überlegungszeit benötige. Eine andere Beurteilung sei allerdings - sofern medizinisch vertretbar - dann geboten, wenn für den Arzt erkennbare konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben seien, dass der Patient noch Zeit für seine Entscheidung benötige. Die Einwilligung in den ärztlichen Eingriff sei schließlich nicht an eine bestimmte Form gebunden. Sie könne ausdrücklich erfolgen oder sich konkludent aus den Umständen und dem gesamten Verhalten des Patienten ergeben. So könne eine Einwilligung anzunehmen sein, wenn sich der Patient bewusst der Behandlung unterzieht. Anmerkungen Der BGH geht bei seiner Entscheidung von einem grundsätzlich mündigen Patienten aus, der nach selbst gewählter Bedenkzeit entscheiden könne, ob er in eine bestimmte medizinische Maßnahme einwilligen will. Eine „Sperrfrist“ ist gesetzlich nicht vorgesehen. Der behandelnde Arzt oder das Krankenhaus müssen keine besonderen Zeitfenster für die Entscheidung zur Einwilligung garantieren. Der BGH hat damit die Rechtsposition der Behandler gestärkt, indem er die Selbstbestimmung des Patienten als wesentlichen Gradmesser herangezogen hat. Insoweit muss eine Behandler nur an einer Einwilligung zweifeln, wenn erkennbare konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Patient noch Zeit für seine Entscheidung gebraucht hätte. Unbeschadet dessen empfiehlt sich, bei dem Patienten konkret nachzufragen, ob er für seine Einwilligungsentscheidung für den beabsichtigten Eingriff noch weitere Überlegungszeit brauche; dies sollte dann auch entsprechend dokumentiert werden. |
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letzte Änderung: 24.05.2023 11:48:17 |
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Beschränkte Amtsermittlungspflicht des Gerichts im Falle einer durch die Krankenkasse unterlassenen MDK-Einzelfallprüfung | |
Unterlässt eine Krankenkasse die Beauftragung des MDK mit einer Einzelfallprüfung, kann es zwar einen später gerichtlich geltend gemachten Vergütungsanspruch eines Krankenhauses wirksam bestreiten und gerichtlich überprüfen lassen. Es besteht aber eine beschränkte Amtsermittlungspflicht des Gerichts. Dies führt dann zu einem Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot. Insoweit darf ein Krankenhaus die an sich nach § 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG gebotene Mitwirkung zur Aufklärung des Sachverhalts verweigern. BSG, Urteil vom 22.06.2022, B 1 KR 19/21 R – MDK-Prüfverfahren, unterlassene Einzelfallprüfung, beschränkte Amtsermittlungspflicht des Gerichts, Beweiserhebungs- und –Beweisverwertungsverbot , Beweiswürdigung– Sehr geehrte Damen und Herren, vorliegend hatte das BSG zu entscheiden, ob die von der Krankenkasse unterlassene Einzelfallprüfung zu einem Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot von Krankenunterlagen führt. Es hat dies bejaht, da in diesem Fall die Amtsermittlungspflicht des Gerichts beschränkt sei. Sachverhalt Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses und behandelte im Jahr 2018 einen Patienten mit einer bariatrischen Operation vollstationär. Die von der Klägerin in Rechnung gestellte Vergütung beglich die beklagte Krankenkasse nicht. Der Patient hatte bereits 2017 vergebens diese Leistung bei der Beklagten beantragt. Das angerufene Sozialgericht hat die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Ob die vollstationäre Behandlung des Patienten erforderlich gewesen sei, lasse sich nicht feststellen. Mangels (fristgerechter) Einleitung eines Prüfverfahrens nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V sei die Beklagte mit dem Einwand fehlender Erforderlichkeit der Operation und des stationären Aufenthalts ausgeschlossen. Die nur im Verhältnis zum Patienten bereits 2017 bestandskräftig ergangene Leistungsablehnung der Beklagten berühre den klägerischen Vergütungsanspruch gegen die Beklagte nicht. Das BSG hat die Revision der Beklagten gegen das LSG-Urteil zugelassen und die Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Entscheidungsgründe Die Revision ist nach Ansicht des BSG zulässig und begründet. Das LSG habe im Ergebnis zu Recht angenommen, dass hier die bestandskräftige Ablehnung des vom Patienten im Jahr 2017 gestellten Kostenübernahmeantrages die Zahlungsverpflichtung der Beklagten nicht von vornherein ausschließe. Das BSG könne aber auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht entscheiden, ob der Klägerin der geltend gemachte Vergütungsanspruch zustehe. Dies erfordere Feststellungen dazu, ob die bariatrische Operation erforderlich gewesen sei. Der Verzicht auf das Prüfverfahren schließe die Beklagte mit Einwänden gegen den Vergütungsanspruch nicht grundsätzlich aus, beschränke jedoch die Amtsermittlungspflicht des Gerichts und sei bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Eine Krankenkasse sei trotz der Nichtdurchführung eines Prüfverfahrens nach § 275 Abs 1c SGB V von Rechts wegen nicht daran gehindert, das Vorliegen der Sachleistungsvoraussetzungen im konkreten Fall und damit den Vergütungsanspruch des Krankenhauses wirksam zu bestreiten und dies gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Beklagte sei dabei nicht verpflichtet gewesen, ein der Ausschlussfrist des § 275 Abs 1c Satz 2 SGB V und den Ausschlussfristen der Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs 1c SGB V gemäß § 17c Abs 2 KHG (PrüfvV 2016) unterliegendes Prüfverfahren durchzuführen. Es obliege der Beurteilung der jeweiligen Krankenkasse, ob sie für die Prüfung der Abrechnung eine Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus für erforderlich erachte. Aus Sicht der Krankenkasse sei die Eröffnung eines Prüfverfahrens nach § 275 Abs 1 Nr 1 i. V. m. Abs 1c SGB V nur erforderlich, wenn sie Fragen nach der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung oder der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes nicht abschließend beantworten könne. Dies sei dann der Fall, wenn die Krankenkasse zusätzlich zu den Abrechnungsdaten nach § 301 SGB V und ihren sonstigen Erkenntnissen weitere Unterlagen des Krankenhauses für erforderlich halte, die das Krankenhaus nach § 276 Abs 2 Satz 2 SGB V auf Anforderung zwar dem MDK übermitteln müsse, nicht aber der Krankenkasse. Ohne das Prüfverfahren nach der PrüfvV sei der Krankenkasse - vermittelt durch den MDK - und später dem Gericht lediglich der Zugriff auf die Behandlungsunterlagen des Krankenhauses verwehrt. Der Beklagten stehe es frei, den Vergütungsanspruch der Klägerin aus jeglichem Grund zu bestreiten und mit anderen Beweismitteln als den Behandlungsunterlagen der Klägerin zu widerlegen. Damit sei es u. a. zulässig, dass eine Krankenkasse, gestützt auf Erkenntnisse, die sie durch Befragung des Patienten, Informationen durch andere Behörden oder auf andere Art und Weise gewonnen habe, den Vergütungsanspruch ganz oder teilweise bestreite. Bestehe nach dem Vortrag der Krankenkasse im Vergütungsstreit Anlass zu weiteren Ermittlungen, beschränke die Ausschlussfrist des § 275 Abs 1c Satz 2 SGB V die grundsätzliche Pflicht der Sozialgerichte, über vergütungsrechtlich relevante Umstände der Krankenhausbehandlung Beweis zu erheben, dazu Behandlungsunterlagen des Krankenhauses beizuziehen und diese in der Beweiswürdigung zu berücksichtigen, auf die von der Krankenkasse vorgetragenen Einwände. Das Vertrauen der Krankenhäuser in den zügigen Abschluss der Abrechnung sei besonders geschützt. Sie sollen nach Ablauf der 6-Wochen-Frist nicht mehr mit Prüfungen i. S. von § 275 Abs 1c Satz 4 SGB V rechnen müssen. Dieser Schutz solle auch nicht dadurch unterlaufen werden können, dass anstelle des Prüfverfahrens nach der PrüfvV die Sozialgerichte erstmals über medizinische Fragen zur Berechtigung des Vergütungsanspruchs entscheiden und dazu umfangreich Beweis erheben. Daraus ergebe sich ein Beweiserhebungsverbot, welches die Amtsermittlungspflicht des § 103 SGG begrenze. Bei unzulässiger Erhebung von Beweisen bestehe ein Beweisverwertungsverbot für Behandlungsunterlagen des Krankenhauses oder vergleichbare Erkenntnisse. Insoweit bestehe für das Krankenhaus ein Recht zur Verweigerung der an sich nach § 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG gebotenen Mitwirkung zur Aufklärung des Sachverhalts. Die sich aus der berechtigten Verweigerung der Mitwirkung ergebende Beweisnot des Krankenhauses sei durch Beweiserleichterungen bis zur Umkehr der Beweislast zu begegnen. Aufgrund der Beweiserleichterungen zugunsten des Krankenhauses ergeben sich für die Krankenkassen gesteigerte Darlegungsanforderungen. Bleiben relevante Tatsachen für die von der Krankenkassen erhobenen Einwände unaufklärbar, gehen verbleibende Zweifel zu ihren Lasten. Anmerkungen Mit dieser Entscheidung hat das BSG die Rechtsposition der Krankenhäuser gestärkt. Die unterlassene Einzelfallprüfung führt zu einem Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot von Krankenunterlagen und zur Beschränkung der Amtsermittlungspflicht des Gerichts. Bei der Übersendung von Krankenunterlagen an das Gericht sollte bei fehlender Einzelfallprüfung von Seiten des Krankenhauses sorgfältig geprüft werden, ob dies sachdienlich ist. Gegebenenfalls sollte man sich auf das Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot berufen oder einen ausdrücklichen Vorbehalt erklären. |
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Datum: 17.05.2023 11:20:29 Grösse: 0.00 KByte |
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Ein Krankenhaus hat den sachlichen Grund einer notwendigen Verlegung im Streitfall darzulegen und nachzuweisen, wenn es nicht die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs der Krankenkasse riskieren will | |
Eine Verlegung kann trotz der damit verbundenen Vergütungsabschläge zu höheren Gesamtbehandlungskosten für die Krankenkasse führen. Deshalb bedarf es hierfür eines sachlichen Grundes, den das Krankenhaus im Streitfall darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat. Als sachliche Gründe kommen vor allem in Betracht: Zwingende medizinische Gründe, zwingende Gründe in der Person des Versicherten sowie übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern (§ 1 Abs. 1 KHG). Liegt kein sachlicher Grund für die Verlegung vor, kann ein Schadensersatzanspruch der Krankenkasse nach § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit§ 280 Absatz 1 BGB wegen einer Verletzung der sich aus § 12 Absatz 1 und § 109 Absatz 4 Satz 2 SGB V sowie § 17c Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 KHG ergebenden Pflichten des Krankenhauses in Betracht kommen. BSG, Urteil vom 07.03.2023, B 1 KR 4/22 R – Verlegung, Darlegungs- und Beweislast, Pflichtverletzung von § 17c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KHG, Schadensersatzanspruch nach § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 280 Absatz 1 BGB, mehrstufiges Krankenhausversorgungssystem – Sehr geehrte Damen und Herren, nach dieser Entscheidung des BSG trifft das Krankenhaus die Darlegungs- und Beweislast für den sachlichen Grund einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus. Im vorliegenden Fall zieht das BSG sogar einen Schadensersatzanspruch der Krankenkasse nach § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 280 Absatz 1 BGB wegen einer eventuell ungerechtfertigten Verlegung in Betracht. Sachverhalt Das klagende Universitätsklinikum behandelte die Patientin im Mai 2017 vollstationär. Am 18. Mai 2017 wurde sie aus dem Universitätsklinikum in ein wohnortnahes Krankenhaus verlegt und dort noch bis zum 26. Mai 2017 stationär weiterbehandelt. Das Universitätsklinikum stellte der beklagten Krankenkasse für die Behandlung der Patientin 4.319,55 Euro in Rechnung und berücksichtigte dabei einen Verlegungsabschlag in Höhe von 1.657,48 Euro. Das wohnortnahe Krankenhaus berechnete für die eigene stationäre Behandlung der Versicherten 2.806,57 Euro. Die Krankenkasse beglich die Rechnung des Universitätsklinikums und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung mit der Durchführung eines Prüfverfahrens. Im Ergebnis dieser Prüfung rechnete die Krankenkasse 1.147,76 Euro mit einer anderen unstrittigen Forderung des Universitätsklinikums auf. Zur Begründung der Aufrechnung machte sie geltend, die Verlegung sei medizinisch nicht notwendig gewesen. Die Patientin hätte im Universitätsklinikum bis zur Entlassung weiterbehandelt werden können und müssen. Dann hätte sie (die Krankenkasse) insgesamt für die stationäre Behandlung in den beiden Krankenhäusern 1147,76 Euro weniger vergüten müssen. Das Sozialgericht hat die Krankenkasse zur Zahlung von 1.447,76 Euro (1.147,76 Euro zuzüglich 300 Euro Aufwandspauschale) nebst Zinsen verurteilt. Das Landessozialgericht hat die Berufung der Krankenkasse zurückgewiesen. Die Krankenkasse habe weder einen öffentlich-rechtlichen Erstattungs- noch einen Schadensersatzanspruch. Sie könne nicht geltend machen, die Verlegung in das wohnortnahe Krankenhaus sei medizinisch nicht notwendig gewesen. Für einen solchen Einwand gebe es in den Abrechnungsbestimmungen keine Rechtsgrundlage. Das BSG hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen. Entscheidungsgründe Das BSG ist der Ansicht, dass hier ein Schadensersatzanspruch der Krankenkasse nach § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 280 Absatz 1 BGB wegen einer Verletzung der sich aus § 12 Absatz 1 und § 109 Absatz 4 Satz 2 SGB V sowie § 17c Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 KHG in Betracht kommen könnte. Eine Verlegung führe regelmäßig zu höheren Gesamtbehandlungskosten für die Krankenkasse. Eine Verlegung bedürfe daher eines sachlichen Grundes, den das Krankenhaus im Streitfall darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen habe. Als sachliche Gründe für eine Verlegung kommen zwingende medizinische Gründe, zwingende Gründe in der Person des Patienten sowie übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern (§ 1 Absatz 1 KHG) in Betracht. Sollte ein Schadensersatzanspruch zu bejahen sein, wäre die Krankenkasse auch nicht zur Zahlung einer Aufwandspauschale verpflichtet. Ob vorliegend ein Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen das Universitätsklinikum bestehe, könne das BSG auf der Grundlage der vom Landessozialgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Es kam daher zur Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung. Anmerkungen Gegenwärtig liegt nur der Terminbericht des BSG-Urteils vor. Diese Entscheidung macht jedoch die besondere Bedeutung eines sachlichen Grundes für die Verlegung deutlich. Dies können u. a. zwingende medizinische Gründe, zwingende Gründe in der Person des Patienten aber auch übergeordnete Gründe gemäß § 1 Abs. 1 KHG sein. In einem mehrstufigen Krankenhausversorgungssystem kann nach dem BSG-Urteil die Verlegung aus einem Krankenhaus einer höheren Stufe (z. B. Maximalversorger) in ein Krankenhaus einer niedrigeren Stufe (z. B. Grundversorger) gerechtfertigt sein, wenn und soweit die besonderen Mittel des Krankenhauses der höheren Stufe für die Behandlung nicht mehr notwendig sind und die dortigen Versorgungskapazitäten für andere Patienten benötigt werden. Nach meiner Auffassung kommt dem letzten, vom BSG angeführten Grund zur Verlegung besondere Bedeutung zu. |
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Datum: 11.05.2023 08:31:31 Grösse: 0.00 KByte |
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Die Kodierung von Prozeduren knüpft an den jeweils definierten Eingriff an | |
Die Kodierung von Prozeduren knüpft an den vom jeweiligen OPS-Kode definierten Eingriff an und nicht an das mit der Behandlung insgesamt verfolgte Ziel. Dabei ist jeder durchgeführte Eingriff möglichst mit einem OPS-Kode abzubilden. Hierbei ist zwischen Prozeduren und Prozedurenkomponenten (als unselbstständige Bestandteile einer Prozedur) zu unterscheiden. BSG, Urteil vom 24.01.2023, B 1 KR 6/22 R – Kodierung von Prozeduren, DKR P001f , Behandlungsziel, durchgeführter Eingriff, Prozedurenkomponente, Abgrenzung Prozedurenkomponenten zu Prozeduren – Sehr geehrte Damen und Herren, in dieser Entscheidung hat sich das BSG detailliert mit dem Wortlaut der DKR P001f auseinandergesetzt, um die Bedeutung des Ziels bzw. des durchgeführten Eingriffs bei der Kodierung einer Prozedur herauszuarbeiten. Sachverhalt Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses und behandelte im Jahr 2016 einen Patienten. Zur Verbesserung der Nasenatmung begradigten die Ärzte die Nasenscheidenwand, entfernten einen Teil des in die Nasenhöhle ragenden Oberkieferknochens, verkleinerten beidseits die untere Nasenmuschel und verlagerten diese. Die Klägerin kodierte bei der Abrechnung u. a. den OPS 5-214.6 (Plastische Korrektur des Nasenseptums mit Resektion) und 5-771.10 (Resektion eines Gesichtsschädelknochens, partielle Maxilla, ohne Rekonstruktion). Nach Einholung eines MDK-Gutachtens verrechnete die beklagte Krankenkasse einen Teilbetrag. Die Teilresektion des Knochens sei integraler Bestandteil des OPS 5-214.6 und als Prozedurenkomponente nicht gesondert zu kodieren. Das angerufene Sozialgericht hat die Zahlungsklage der Klägerin abgewiesen. Das LSG hat diese Entscheidung aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Das Krankenhaus der Klägerin habe für die partielle Maxillektomie den OPS 5-771.10 kodieren dürfen. Nach den ärztlichen Stellungnahmen sei die Abtragung des Knochensporns nicht zwingender Bestandteil der Operation an der unteren Nasenmuschel. Es handele sich daher um eine eigenständige Prozedur und nicht lediglich um die Komponente einer anderen Prozedur. Das BSG hat die Revision der beklagten Krankenkasse gegen das LSG-Urteil zurückgewiesen. Entscheidungsgründe Das BSG ist der Auffassung, dass das LSG zutreffend entschieden habe, wonach das klägerische Krankenhaus für die durchgeführte Abtragung des Knochensporns am Kieferknochen (partielle Maxillektomie) den OPS 5-771.10 habe kodieren dürfen. Bei der Maxillektomie handele es sich um eine kodierfähige Prozedur. Im Zusammenhang mit einer Nasenscheidenwandkorrektur und einer Verkleinerung der Nasenmuscheln sei sie als signifikante Prozedur gesondert zu verschlüsseln. Sie sei keine unselbständige Prozedurenkomponente. Die Kodierung von Prozeduren knüpfe nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) an den vom jeweiligen OPS-Kode definierten Eingriff an und nicht an das mit der Behandlung insgesamt verfolgte Ziel. Es sei weder jeder einzelne Handgriff zu kodieren noch werden alle zur Erreichung des Behandlungsziels erforderlichen Maßnahmen insgesamt in einem OPS-Kode zusammengefasst. Jeder durchgeführte Eingriff sei möglichst mit einem OPS-Kode abzubilden. Es seien grundsätzlich „alle signifikanten Prozeduren“ zu kodieren. Nicht gesondert zu kodieren seien in der Regel Komponenten einer Prozedur (DKR P001f). Die partielle Maxillektomie stelle eine signifikante Prozedur im Sinne der DKR P001f dar und sei mit dem Kode 5-771.1** im OPS abgebildet. Die hiernach ergebene Kodierfähigkeit der partiellen Maxillektomie sei dabei nicht nach der DKR P001f ausgeschlossen, da sie nicht nur Teil einer anderen durchgeführten Prozedur sei (Prozedurenkomponente). Nach dem Wortlaut der DKR P001f werde eine Prozedur „vollständig mit all ihren Komponenten“ beschrieben. Prozeduren seien nach dem Wortsinn Behandlungsverfahren, d. h. Verfahrensweisen, die sich jeweils aus einer Mehrzahl von Verfahrensschritten oder Verfahrenselementen zusammensetzen. Welche Schritte und Elemente dies seien, richte sich nach den Regeln der ärztlichen Kunst. Prozedurenkomponenten seien unselbstständige Bestandteile einer Prozedur. Nach dem Wortsinn sei eine Komponente ein Bestandteil eines Ganzen. Sie könne beschrieben werden als Ausschnitt, Baustein, Bestandteil, Glied, Segment oder Teilelement der medizinischen Verfahrensweise. Die Abgrenzung erfolge jeweils bezogen auf den medizinischen Einzelfall. Nach dem Wortlaut der DKR P001f sei eine eingriffsverwandte diagnostische Maßnahme „ebenso“ nicht gesondert zu kodieren, wenn sie „regelhaft Bestandteil“ der Eingriffsprozedur sei. Aus dem Wort „ebenso“ ergebe sich, dass dies in gleicher Weise allgemein für Prozeduren mit regelhaften Komponenten auch dann gelte, wenn die regelhafte Komponenten grundsätzlich auch als eigenständige Prozeduren kodiert werden können. Dies stehe im Einklang mit der Regelung in DKR P001f, dass individuelle Komponenten – also auch regelhafte Komponenten – einer bereits kodierten Prozedur nicht noch einmal gesondert verschlüsselt werden. Was regelhafter Bestandteil einer im OPS benannten Prozedur sei, könne sich nur nach den Regeln der ärztlichen Kunst bestimmen, soweit die Kodierregeln und der OPS keine ausdrücklichen Vorgaben machen. Die durchgeführte partielle Maxillektomie war eine eigenständig zu kodierende Maßnahme und nicht nur Teil einer anderen durchgeführten Prozedur. Sie war nach den Regeln der ärztlichen Kunst weder regelhafter Bestandteil der Nasenseptum-Korrektur noch der Operationen an der unteren Nasenmuschel. Anmerkungen Das BSG hat nunmehr klargestellt, dass nicht das Ziel oder der Zweck bei der Kodierung einer Prozedur entscheidend ist, sondern der vom jeweiligen OPS-Kode definierte Eingriff. Durch dieses Urteil gibt das BSG Hinweise für das korrekte Vorgehen bei der Kodierung von Prozeduren und zur Abgrenzung zu Prozedurenkomponenten. |
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Datum: 09.05.2023 11:41:34 Grösse: 0.00 KByte |
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Ausschluss eines Anspruchs auf Aufwandspauschale | |
Es besteht kein Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale gem. § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V, wenn das Prüfverfahren durch ein Fehlverhalten des Krankenhauses veranlasst worden ist. Ein solcher Anspruch scheidet aus, wenn das Krankenhaus seine Pflicht verletzt, auf Verlangen der Krankenkasse eine medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der Krankenhausbehandlung zu geben und es dadurch das Prüfverfahren veranlasst hat. BSG, Urteil vom 07.03.2023, B 1 KR 11/22 R – Aufwandspauschale gem. § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V, Fehlverhalten eines Krankenhauses, Verlangen einer medizinischen Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der Krankenhausbehandlung, Veranlassung des Prüfverfahrens, Datenschutz – Sehr geehrte Damen und Herren, das BSG hat seine bisherige Rechtsprechung zum Ausschluss des Anspruchs auf Zahlung einer Aufwandspauschale aufgrund eines Fehlverhaltens eines Krankenhauses bestätigt. Unter einem derartigen Fehlverhalten versteht das BSG nun auch die Fallgestaltung, dass das Krankenhaus dem Verlangen der Krankenkasse nicht nachkommt, eine medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer abzugeben und dadurch die Prüfung veranlasst wurde. Sachverhalt Das klagende Krankenhaus behandelte eine Patientin der beklagten Krankenkasse im Dezember 2019 stationär. Im Januar 2020 rechnete das Krankenhaus die Behandlung ab. Im Februar 2020 bat die Krankenkasse um eine medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer. Das Krankenhaus gab an, der Zustand der Patientin sei aus medizinischer Sicht noch nicht gut genug gewesen, um eine Entlassung vornehmen zu können. Weitere Details dürften aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht in dieser Form erörtert werden. Hierfür stehe der Krankenkasse das Prüfungsverfahren (§§ 275 ff SGB V) zur Verfügung. Nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung beglich die Krankenkasse die Rechnung des Krankenhauses in voller Höhe. Die Forderung des Krankenhauses auf Zahlung einer Aufwandspauschale wies die Krankenkasse jedoch mit der Begründung zurück, sie habe auf ihre Anfrage hin keine medizinischen Informationen erhalten. Die Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung sei daher durch das Krankenhaus veranlasst worden. Das Sozialgericht hat der Klage stattgegeben und die Krankenkasse zu Zahlung von 300 Euro nebst Verzugszinsen verurteilt. Auf die Berufung der Krankenkasse hat das Landessozialgericht die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale scheide aus. Die Klägerin habe durch ihre Weigerung, auf Anfrage eine medizinische Begründung wegen Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer abzugeben, Anlass für die Beauftragung des MD gegeben. Die Krankenkasse habe ihrerseits nicht treuwidrig gehandelt. Das BSG hat die Revision der Klägerin gegen das LSG-Urteil zurückgewiesen. Entscheidungsgründe Der Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale scheide laut dem BSG aus, wenn das Krankenhaus seine Pflicht verletzt habe, auf Verlangen der Krankenkasse eine medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der Krankenhausbehandlung zu geben und es dadurch das Prüfverfahren veranlasst habe. Die Krankenkasse sei nach § 301 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB V berechtigt gewesen, bei Überschreiten der voraussichtlichen Verweildauer vom Krankenhaus eine medizinische Begründung zu verlangen. Hieraus ergebe sich die entsprechende Pflicht des Krankenhauses. Weder die Kürze der Frage, noch Beschränkungen der elektronischen Übermittlungsmöglichkeit noch Gründe des Datenschutzes rechtfertigten die Nichtangabe der medizinischen Begründung. Der Krankenkasse sei es nicht wegen eines eigenen Fehlverhaltens verwehrt, sich auf die Pflichtverletzung des Krankenhauses zu berufen. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, vor Beauftragung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung einen Kurzbericht vom Krankenhaus einzuholen. Sie habe auch nicht wegen fehlender Fälligkeit der Vergütungsforderung von der Beauftragung des Medizinischen Dienstes absehen und das Risiko eines gerichtlichen Verfahrens eingehen müssen. Anmerkungen Gegenwärtig liegt der Terminsbericht vor. Danach müssen die Krankenhäuser auf Verlangen der Krankenkasse eine medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer abgeben. Dies geht aus § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V verpflichtend hervor. Andernfalls verlieren sie ihren Anspruch auf die Aufwandspauschale, wenn durch dieses Fehlverhalten die Prüfung veranlasst wurde. |
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Datum: 04.05.2023 08:16:59 Grösse: 0.00 KByte |
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Versorgungsbedarfsprüfung für eine nicht an das Krankenhaus angebundene PIA nach § 118 Abs. 4 SGB V | |
Beim Ermächtigungsantrag auf Betrieb einer- nicht an das Krankenhaus angebundenen- psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) nach § 118 Abs. 4 i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 SGB V müssen konkrete Angaben zum bestehenden Versorgungsbedarf für diesen Patientenkreis gemacht werden. Insoweit ist eine Versorgungsbedarfsprüfung erforderlich. BSG, Urteil vom 29.06.2022, B 6 KA 3/21 R -Nicht an ein Krankenhaus angebundene PIA, Ermächtigung gem. § 118 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB V, Versorgungsbedarfsprüfung- Sehr geehrte Damen und Herren, zum Antrag auf Ermächtigung eines Betriebes einer nicht an ein Krankenhaus angebundenen psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) nach § 118 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB V hat das BSG festgestellt, dass konkrete Angaben zum Versorgungsbedarf erforderlich sind. Dies setze eine Versorgungsbedarfsprüfung voraus. Sachverhalt Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses für Psychiatrie und Neurologie einschließlich einer PIA. Ihr Antrag zum Betrieb einer weiteren PIA auf der Grundlage von § 118 Abs. 4 SGB V in einer Wohneinrichtung für psychisch beeinträchtigte Menschen wurde vom Zulassungsausschuss nach Durchführung der Bedarfsabfrage abgelehnt. Der Antrag des Krankenhauses bezog sich auf diejenigen Patienten, die wegen Art, Schwere oder Dauer ihre Erkrankung auf die Behandlung in einer PIA angewiesen sind (§ 118 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB V). Der beklagte Berufungsausschuss wies den klägerischen Widerspruch hiergegen zurück, da die Ermächtigung nicht notwendig sei. Es bestünden bereits entsprechende Versorgungsangebote. Die erst- und zweitinstanzlichen Klagen blieben erfolglos. Der Bedarf der Bewohner der Wohneinrichtung sei durch die bereits bestehenden PIAs sichergestellt. Die Klägerin könne nicht damit gehört werden, dass es den Bewohnern krankheitsbedingt nicht zumutbar sei, die bestehenden PIAs alleine aufzusuchen. Die klägerische Revision hat das BSG nunmehr zurückgewiesen, da die Vorinstanzen die Erteilung der Ermächtigung zur Recht verneint hätten. Entscheidungsgründe Gemäß § 118 Abs. 4 SGB V sind Krankenhäuser vom Zulassungsausschuss auch dann zur ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung zu ermächtigen, wenn die Versorgung durch räumlich und organisatorisch nicht angebundene Einrichtungen der Krankenhäuser erfolge, soweit und solange die Ermächtigung notwendig sei, um eine Versorgung sicherzustellen. Die setze eine Versorgungsbedarfsprüfung zwingend voraus. Vorliegend handelt es sich um schwer psychisch erkrankte Patientinnen und Patienten, die von dem Angebot der niedergelassenen Ärzte regelmäßig nicht erreicht werden. Für die Versorgungsbedarfsprüfung sei maßgeblich, ob das Angebot der bereits ermächtigten PIAs ausreiche, einen bestehenden Bedarf dieser Patientinnen und Patienten zu decken. Hier haben die Zulassungsgremien davon ausgehen dürfen, dass hinreichende Kapazitäten in den eigenen Einrichtungen der Klägerin vorhanden seien. Die Zulassungsgremien überschreiten daher – soweit auch die Erreichbarkeit mit dem ÖPNV sichergestellt sei – ihren Beurteilungsspielraum im Regelfall nicht, wenn sie die Ablehnung einer Ermächtigung nach § 118 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB V damit begründen, dass Behandlungsmöglichkeiten in anderen, weniger als 25 Kilometer vom Wohnort der potentiellen Patienten entfernten Institutsambulanzen bestehen. Eine zeitliche Unzumutbarkeit sei erst bei einer Fahrzeit von über 1 Std. gegeben. Anmerkung Die Grundsatzentscheidung des BSG gibt konkrete Hinweise zur Versorgungsbedarfsprüfung, die im Rahmen des § 118 Abs. 4 SGV V erfolgen muss. So sollten, soweit bekannt, alle verfügbaren Informationen zu fehlenden Behandlungskapazitäten schon im Verwaltungsverfahren vorgetragen werden, insbesondere sollte dargelegt werden, dass bestehende PIAs den Versorgungsbedarf nicht abdecken können. Ergänzend wird es erforderlich sein, dass der Zulassungsausschuss abfragt, ob bei bestehenden PIAs im Umfeld freie Kapazitäten bestehen oder die Möglichkeit gegeben ist, das Behandlungsangebot auszuweiten. Hierfür sind nur reale, nicht dagegen potenzielle Versorgungsangebote zu berücksichtigen. § 118 Abs. 1 Satz 2 SGB V enthält zwei unterschiedliche Tatbestände. Die erste Alternative bezieht sich auf die Patientinnen und Patienten, die wegen Art, Schwere oder Dauer ihre Erkrankung auf eine PIA angewiesen sind. Die zweite Alternative bezieht sich auf Patientinnen und Patienten, die wegen zu großer Entfernung zu geeigneten Ärzten auf eine Behandlung in einer PIA angewiesen sind. Von den Krankenhäusern ist daher im Vorfeld zu prüfen, auf welche Alternative der Antrag auszurichten ist. Der Antrag kann sich auch auf beide Alternativen beziehen. |
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Datum: 02.05.2023 09:30:48 Grösse: 0.00 KByte |
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Qualitätsgebot bei der Implantation von Coils | |
Die Einlage von Coils zur Behandlung eines Lungenemphysems entsprach im Jahr 2016 als neue Behandlungsmethode (noch) nicht dem gesetzlichen Qualitätsgebot. Ein evidenzgestützter Konsens einer großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute über diese Methode lag noch nicht vor. Auch fehlte ein entsprechender Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses. In Betracht kommt jedoch ein Vergütungsanspruch für Potentialleistungen aus § 137 c Abs. 3 SGB V. BSG, Urteil vom 13.12.2022, B 1 KR 33/21 R - Coils-Implantation, allgemeines Qualitätsgebot, Einschränkung des allgemeinen Qualitätsgebots, Potentialleistungen, Vergütungsanspruch aus § 137c Abs. 3 SGB V – Sehr geehrte Damen und Herren, nach der Auffassung des BSG entsprach die Einlage von Spiralen in die Lunge (sog. Coils) zur bronchoskopischen Lungenvolumenreduktion im Jahr 2016 noch nicht den allgemeinen Qualitätsanforderungen des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V, weil hinsichtlich dieser Methode zur Behandlung eines Lungenemphysems noch kein Konsens der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute bestand. Sachverhalt Im vorliegenden Fall wurden einem Patienten im klagenden Krankenhaus im Jahr 2016 zur Behandlung einer schwerstgradig chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung mit funktional relevantem Lungenemphysem Coils in die Lunge implantiert. Die beklagte Krankenkasse verweigerte hierbei die vollständige Vergütung. Das angerufene Sozialgericht hat der Klage auf Zahlung der vollständigen Vergütung stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte dann ein Teilanerkenntnis abgegeben. Das zuständige Landessozialgericht hat die übrige Klage jedoch abgewiesen, da die Implantation von Coils nicht dem allgemeinen Qualitätsgebot entsprochen habe. Hiergegen richtete sich nun die Revision der Klägerin. Das BSG hat der Revision stattgegeben, das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben und die Sache an das Landessozialgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Entscheidungsgründe Das BSG ist der Auffassung, dass es nicht abschließend darüber entscheiden könne, ob die Implantation von Coils im konkreten Fall zu vergüten ist. Ein Vergütungsanspruch setze grundsätzlich voraus, dass die Behandlung – hier die Implantation von Coils – dem maßgeblichen Qualitätsgebot entsprochen habe. Die Behandlungsmethode sei im Zeitpunkt der Behandlung im Jahr 2016 zwar nicht durch einen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) vom GKV-Leistungskatalog ausgenommen worden, der Patient habe aber auch keinen Anspruch auf die Versorgung aufgrund einer Richtlinie des GBA gehabt. Der Beschluss des GBA vom 20.12.2018 finde vorliegend keine Anwendung, weil die dortige Richtlinie erst nach der streitgegenständlichen Behandlung in Kraft getreten sei. Mit diesem Beschluss hatte der GBA die bronchoskopische Lungenvolumenreduktion mittels Einlage von Coils beim schweren Lungenemphysem mit einem pulmonalen Residualvolumen von mindestens 225 % vom Soll in die Anlage I der Richtlinie „Methoden Krankenhausbehandlung“ aufgenommen. Laut dem BSG habe die Anwendung von Coils beim schweren Lungenemphysem im Behandlungszeitpunkt nicht den allgemeinen Qualitätsanforderungen des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V und auch nicht dem Maßstab grundrechtsorientierter Leistungsauslegung nach § 2 Abs. 1a SGB V genügt. Nach § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Dies erfordere für die Untersuchungs- und Behandlungsmethoden den vollen Nutzennachweis im Sinne eines evidenzgestützten Konsenses der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute. Diesem Maßstab habe die bronchoskopische Lungenvolumenreduktion mittels Einlage von Coils im Jahr 2016 nicht entsprochen. In Betracht komme aber ein Anspruch nach Maßgabe des § 137c Abs. 3 SGB V, der das allgemeine Qualitätsgebot partiell einschränke. An die Stelle des allgemeinen Qualitätsgebots trete dort der Potentialmaßstab. Über den Anspruch könne das BSG aber mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden. Gemäß § 137c Abs. 3 SGB V dürfen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der GBA bisher keine Entscheidung getroffen hat, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Patienten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig sind. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung noch nicht abgeschlossen ist. Anmerkungen Durch dieses Urteil hat das BSG Klarheit über die Beurteilung der Implantation von Coils im Jahr 2016 geschaffen. Als Vergütungsanspruch kommt insoweit der Anspruch aus § 137 c Abs. 3 SGB V für Potentialleistungen in Betracht. Dieser schränkt das allgemeine Qualitätsgebot partiell ein. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich bei der neuen Methode um eine erforderliche Behandlungsalternative handelt. Solange eine Standardtherapie zur Verfügung steht, ist dies nicht der Fall. |
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Datum: 06.04.2023 09:15:01 Grösse: 0.00 KByte |
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Voraussetzungen zum Betrieb einer „isolierten PIA“ nach § 118 Abs. 4 SGB V | |
Der Antrag auf Ermächtigung zum Betrieb einer isolierten psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) nach § 118 Abs. 4 SGB V darf nicht deshalb zurückgewiesen werden, weil keine Ausweisung des geplanten Standortes im Krankenhausplan vorliegt. BSG, Urteil vom 29.06.2022, B 6 KA 13/21 R - PIA, Ermächtigung gem. § 118 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB V, keine räumliche Anbindung – Sehr geehrte Damen und Herren, zum Antrag auf Ermächtigung eines Betriebes einer psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) hat das BSG erläutert, dass eine fehlender räumliche Anbindung an ein Krankenhaus oder eine Tagesklinik für die Frage der Ermächtigung unwesentlich ist. Somit ist auch eine „isolierte PIA“ ermächtigungsfähig. Sachverhalt Die klagende Trägerin eines Krankenhauses betrieb an drei Standorten u. a. psychiatrische Kliniken und den Kliniken angeschlossene psychiatrische Tageskliniken. An allen Standorten wurden auch psychiatrische Institutsambulanzen (PIAs) betrieben. Der geplante Standort für eine weitere PIA war jedoch nicht für die Klägerin als Krankenhausstandort im Krankenhausplan erfasst. Der Antrag der Klägerin, ihr die Ermächtigung zum Betrieb einer weiteren PIA als Außenstelle zu erteilen, lehnte der Zulassungsausschuss mit der Begründung ab, dass es an der erforderlichen Aufnahme des entsprechenden Standortes in den Krankenhausplan fehle. Der beklagte Berufungsausschuss wies den klägerischen Widerspruch hiergegen zurück. Eine Ermächtigung könne nur erteilt werden, wenn im Krankenhausplan an dem Standort der PIA auch eine Außenstelle des Krankenhauses aufgenommen sei. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht hat auf die Berufung der Klägerin hin den Beschluss des Beklagten aufgehoben und den Beklagten verurteilt, den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Laut dem Landessozialgericht könne nach § 118 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB V eine psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung durch eine PIA als Außenstelle auch dann erfolgen, wenn die Institutsambulanz nicht räumlich und organisatorisch an das betreibende Krankenhaus angebunden sei. Die Revision des Beklagten hat das BSG zurückgewiesen, da das Landessozialgericht den Beschluss zu Recht aufgehoben und den Beklagten zu Recht zur Neubescheidung verurteilt habe. Entscheidungsgründe Das BSG vertritt die Auffassung, dass die Ermächtigung zum Betrieb einer PIA auch bei fehlender räumlicher Anbindung an ein Krankenhaus oder eine Tagesklinik möglich sei. Die Rechtsgrundlage der Ermächtigung zum Betrieb einer PIA ergebe sich aus § 118 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB V. Die geplante PIA am streitgegenständlichen Standort erfülle zwar selbst nicht die Voraussetzungen für eine Ermächtigung gem. § 118 Abs. 1 S. 1 SGB V. So handele es sich hierbei weder um ein Krankenhaus im Sinne des § 107 Abs. 1 SGB V noch bestehe ein räumlicher Zusammenhang mit weiteren Kliniken oder betriebenen Tageskliniken. Gemäß § 118 Abs. 4 SGB V seien Krankenhäuser vom Zulassungsausschuss aber dann zur ambulant psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung zu ermächtigen, wenn die Versorgung durch räumlich und organisatorisch nicht angebundene Einrichtungen der Krankenhäuser erfolge, soweit und solange die Ermächtigung notwendig sei, um eine Versorgung sicherzustellen. Ein rechtlicher Anknüpfungspunkt dafür, dass eine Ermächtigung nach § 118 Abs. 4 SGB V von der Ausweisung einer existierenden stationären Einrichtung der Klägerin am geplanten Standort im Krankenhausplan abhängen könne, lasse sich dem Krankenhausfinanzierungsgesetz oder den landesrechtlichen Vorschriften der Krankenhausplanung nicht entnehmen. Eine solche Anforderung ergebe sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus der Gesetzesentwicklung oder dem Sinn und Zweck der Ermächtigung von Institutsambulanzen. So sei die fehlende räumliche Anbindung an das Krankenhaus zwar Voraussetzung einer Ermächtigung gem. § 118 Abs. 4 SGB V. Dem Wortlaut sei aber nicht zu entnehmen, dass sich die räumliche Entfernung lediglich auf den Hauptstandort des Krankenhauses beziehen würde. Auch die Formulierung „organisatorisch nicht angebunden“ weise in die gleiche Richtung. Schließlich könne auch dem Begriff „Einrichtungen der Krankenhäuser“ aus § 118 Abs. 4 SGB V nicht entnommen werden, dass die Einrichtung, durch welche ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Leistungen erbracht werden, nur eine im Krankenhausplan berücksichtigte Einrichtung sein könne, in der bereits (teil-) stationäre Leistungen erbracht werden. Ein „Einrichtung“ könne somit auch eine „isolierte PIA“ sein. Ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, wonach am geplanten Standort der PIA bereits eine im Krankenhausplan ausgewiesene stationäre Einrichtung existieren müsse, lasse sich der Gesetzeshistorie nicht entnehmen. Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der Versorgungsverbesserung spreche vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber im Falle eines festgestellten Versorgungsbedarfs gerade auch einer PIA ohne jegliche Anbindung an ein Krankenhaus der vollstationären Versorgung oder an eine autonome Tagesklinik einen Anspruch auf Ermächtigung gewähren wolle. Anmerkungen Das BSG hat klargestellt, dass auch eine sogenannte „isolierte PIA“ möglich ist. Demnach kann ein Antrag auf Ermächtigung des Betriebs einer PIA nicht mit dem Argument zurückgewiesen werden, dass es an der räumlichen Anbindung der PIA an ein Krankenhaus oder eine Tagesklinik fehlt. Einer Ausweisung der „isolierten PIA“ im Krankenhausplan sei nicht erforderlich. Mit dieser Entscheidung hat das BSG die besondere Bedeutung der PIA- insbesondere auch einer „isolierten PIA“ nach § 118 Abs. 4 SGB V - und ihren Auftrag zur ambulanten Behandlung von Patienten mit schweren Krankheitsbildern (wie schizophrenen Psychosen, Suchterkrankungen und psychischen Alterskrankheiten) dargelegt, die in der Vergangenheit oftmals nur unzureichend oder gar nicht ambulant medizinisch versorgt wurden. Die ambulante Behandlung solcher Patienten wurde damit gesichert und weiter gestärkt. |
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Datum: 31.03.2023 10:53:49 Grösse: 0.00 KByte |
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Voraussetzungen der Anerkennung als Hochschulambulanz und der Vergütung | |
Eine mit einer Universität kooperierende Ambulanz muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um als Hochschulambulanz im Sinne von § 117 Abs. 1 S. 1 SGB V gelten zu können. Hierzu zählt, dass sie organisatorisch, sachlich und personell in der Lage sein muss, den mit Forschung und Lehre verbundenen Zweck einer Hochschulambulanz zu erfüllen und gleichzeitig die Untersuchung und Behandlung von Patienten mit auch komplexen Krankheitsbildern sicherzustellen. Dabei sei laut dem BSG unverzichtbar, dass die wissenschaftlich-medizinische Leitung der kooperierenden Einrichtung durch eine Person erfolge, die den entsprechenden Lehrstuhl der Hochschule innehabe. BSG, Urteil vom 17.11.2022, B 6 KA 9/21 R – Hochschulambulanz gem. § 117 Abs. 1 S. 1 SGB V, Vergütungsgrundsätze, Grundsatz der Beitragssatzstabilität, Aufgaben der Schiedsstelle – Sehr geehrte Damen und Herren, in dieser Entscheidung beleuchtet das BSG, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, um eine Hochschulambulanz im Sinne von § 117 Abs. 1 S. 1 SGB V annehmen zu dürfen. Hierbei betont das BSG die besondere Bedeutung von Hochschulkliniken für die Forschung und Lehre. Sachverhalt Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses und betreibt dort Ambulanzen auf den Gebieten der Orthopädie und Rheumatologie in Kooperation mit einer Universität. Mit einer Vergütungsvereinbarung aus dem Jahr 2017 wurde bezüglich der Vergütung für die Untersuchung und Behandlung der Patienten eine einheitliche Fallpauschale von 84,50 € bei 15.500 Fällen kalenderjährig vereinbart. Nach dem Scheitern der Vergütungsvereinbarungen für die Jahre 2018 und 2019 beantragte die Klägerin bei der beklagten Schiedsstelle die Festsetzung getrennter (höherer) Fallpauschalen. Die beigeladenen Krankenkassen traten dem entgegen. Gründe für Kostenänderungen seien nicht dargelegt worden. Die geforderte Vergütung liege auch weit über der Vergütungshöhe, die für das Jahr 2018 mit anderen vergleichbaren Hochschulambulanzen vereinbart worden sei. Die Beklagte setzte wegen der Bindung an den Grundsatz der Beitragsstabilität eine geringere Fallpauschale fest. Das erstinstanzlich zuständige Landessozialgericht hob den von der Klägerin angegriffenen Schiedsspruch der Beklagten auf und verpflichtete die Beklagte über den klägerischen Antrag neu zu entscheiden. Die Beigeladenen erhoben hiergegen Revision vor dem BSG. Das BSG hat die Entscheidung des Landessozialgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Entscheidungsgründe Das BSG ist der Auffassung, dass zunächst das Landessozialgericht feststellen müsse, ob es sich bei der streitgegenständlichen Ambulanz um eine Hochschulambulanz handele. Dies sei im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs inzident zu prüfen. Ob das Landessozialgericht den Status einer Hochschulambulanz Orthopädie zur Recht angenommen habe, lasse sich anhand der von ihm getroffenen Feststellungen nicht überprüfen. Hochschulambulanzen werden in § 117 Abs. 1 S. 1 SGB V legal definiert als Ambulanzen, Institute und Abteilungen der Hochschulkliniken. Hochschulkliniken seien Krankenhäuser, die gemäß § 108 Nr. 1 SGB V nach landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulklinik anerkannt seien. Dazu zähle das Klinikum der mit dem klägerischen Krankenhaus kooperierenden Universität, welches als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben werde. Denn in der Errichtung einer Hochschulklinik nach Maßgabe des jeweiligen Hochschul- oder Hochschulklinikgesetzes des Landes liege regelmäßig ihre Anerkennung nach dem Landesrecht im Sinne des § 108 Nr. 1 SGB V. Von der Anerkennung des Universitätsklinikums durch das Landesrecht zu unterscheiden sei jedoch die Frage, ob eine konkrete Einrichtung Teil der Hochschulklinik sei und damit die dort betriebene Ambulanz als Hochschulambulanz im Sinne des § 117 Abs. 1S. 1 SGB V anzusehen sei. Eine Ambulanz könne dabei auch dann eine Hochschulambulanz sein, wenn der rechtsfähige Träger nicht die Hochschulklinik selbst, sondern eine dritte, mit der Hochschulklinik vertraglich verbundene juristische Person sei. Sollen die ärztlichen Leistungen einer Hochschulambulanz in Kooperation mit einem Krankenhaus erbracht werden, müsse die kooperierende Einrichtung jedoch gewissen Mindestanforderungen genügen, um den Aufgaben einer Hochschulambulanz gerecht zu werden. Sie müsse organisatorisch, sachlich und personell in der Lage sein, den mit Forschung und Lehre verbundenen Zweck einer Hochschulambulanz im erforderlichen Umfang zu erfüllen und auf fachärztliche Überweisungen die Untersuchung und Behandlung von Patienten mit schweren und komplexen Krankheitsbildern oder seltenen Erkrankungen sicherzustellen. Zugleich sei es unverzichtbar, dass die wissenschaftliche-medizinische Leitung der kooperierenden Einrichtung durch eine Person erfolge, die den Lehrstuhl der Hochschule innehabe. Diese Person müsse in ihrer Funktion als Lehrstuhlinhaber/-in die Leitungskompetenz haben und Gesamtverantwortung in fachlich-medizinischer Hinsicht in der Hochschulambulanz tragen. Dies erfordere, dass die Person selbst keinen medizinisch-fachlichen Weisungen des Trägers der Einrichtung unterliege und als leitende Person der Fachambulanz der Hochschulklinik das Weisungsrecht nicht nur gegenüber dem wissenschaftlichen, sondern auch gegenüber dem in der Krankenversorgung tätigen Personal in dem hierfür notwendigen Umfang ausüben könne. Anmerkungen Laut BSG fällt eine kooperierende, externe Einrichtung nur dann in den Kreis der Hochschulambulanzen gem. § 117 SGB V, wenn diese Einrichtung auch der besonderen hochschulrechtlichen Bedeutung der Lehre und Forschung genügt und insbesondere die weisungsfreie Arbeit einer entsprechenden lehrstuhlführende Person gewährleistet ist. Mit dem Urteil stärkt das BSG die Stellung der bisherigen Hochschulambulanzen und arbeitet ihre besondere Rolle heraus. Ergänzend macht das BSG Ausführungen zur Bemessung der Vergütung einer Hochschulambulanz, die der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung entspricht (2 stufiges Prüfverfahren) und stellt zusätzlich die Ermittlungsaufgaben der Schiedsstelle heraus. Danach hätte die Schiedsstelle die Hochschulambulanz auffordern müssen, die Kosten der Ambulanz und deren Entwicklung im Verhältnis zu den Vorjahren darzulegen. |
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Datum: 24.03.2023 12:25:04 Grösse: 0.00 KByte |
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Kündigung eines Versorgungsauftrages | |
Das BSG hat seine bisherige Rechtsprechung zum Rechtscharakter einer Kündigung von Versorgungsverträgen mit den Krankenhäusern gem. § 110 SGB V aufgegeben. Danach erfolgt die Kündigung nicht durch einen Verwaltungsakt, sondern durch eine einseitige öffentlich-rechtliche Willenserklärung. BSG, Urteil vom 13.12.2022, B 1 KR 37/21 R – Kündigung gem. § 110 SGB V, keine Kündigung durch Verwaltungsakt, Nebeneinanderbestehen von echtem und fiktivem Versorgungsvertrag – Sehr geehrte Damen und Herren, durch diese neue Rechtsprechung ändert sich die rechtliche Einordnung der Kündigung gem. § 110 SGB V. Bislang ging das BSG davon aus, dass ein Verwaltungsakt erforderlich sei. Nunmehr wird eine Willenserklärung angenommen, wie sie auch für den Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge erforderlich ist. Sachverhalt Die Klägerin ist Trägerin einer Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin und schloss 2004 mit den beklagten Landesverbänden der Krankenkassen und der Ersatzkassen einen Versorgungsvertrag nach § 109 Abs. 1 SGB V über 15 Betten auf dem Fachgebiet Psychotherapeutische Medizin, welcher von der zuständen Landesbehörde auch genehmigt wurde. Die Beklagten kündigten 2013 diesen Versorgungsvertrag mittels Verwaltungsakt, da die 15 Betten für eine bedarfsgerechte Krankenhausbehandlung nicht erforderlich seien. Mit der zwischenzeitlich erfolgten Aufnahme des Krankenhauses mit 35 Betten in den Krankenhausplan sei der Versorgungsvertrag durch einen fiktiven Versorgungsvertrag ersetzt worden. Die zuständige Landesbehörde genehmigte die Kündigung. Den gegen die Kündigung gerichteten Widerspruch der Klägerin wiesen die Beklagten zurück. Das angerufene Sozialgericht wies die Klage als unzulässig zurück, weil es an einem Rechtsschutzbedürfnis fehle. Die Klägerin sei wegen des fiktiven Versorgungsvertrages durch die Kündigung nicht beschwert. Das Landessozialgericht hatte die Berufung der Klägerin dagegen zurückgewiesen, da kein Kündigungsgrund vorliege. Die Revision der Klägerin hiergegen war erfolgreich. Demnach sind die Urteile des Landessozialgerichts und des Sozialgerichts sowie der Bescheid der Beklagten aufzuheben. Entscheidungsgründe Laut dem BSG sei der Bescheid der Beklagten rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagten seien bereits nicht befugt gewesen, über die Kündigung des Versorgungsvertrages durch einen Verwaltungsakt zu entscheiden. Ein Handeln durch Verwaltungsakt sei nur zulässig, wenn diese Handlungsform durch Gesetz gestattet sei. An einer solchen Ermächtigung fehle es aber. Durch diese Rechtsauffassung ändert das BSG seine bisherige Rechtsauffassung. Die Kündigung hätte laut dem BSG durch eine einseitige öffentlich-rechtliche Willenserklärung erfolgen müssen. Dem Wortlaut der wesentlichen Vorschrift § 110 SGB V lassen sich – auch im Wege der Auslegung – keine Anhaltspunkte für eine Verwaltungsaktbefugnis der Beklagten entnehmen. Auch aus der Gesetzgebungsgeschichte und dem System von Kranken- und Pflegeversicherung ergebe sich nichts anderes. Den gesetzlichen Regelungen der §§ 109, 110 SGB V lassen sich auch keine Anhaltspunkte für ein Über- und Unterordnungsverhältnis entnehmen. Das Gesetz gebe vielmehr als alleinige Handlungsform für die Begründung der Zulassung des Krankenhauses den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages vor. Es stelle die Beteiligten insofern gleichgeordnet gegenüber. Die Einordnung der Kündigung eines Versorgungsvertrages als Verwaltungsakt würde dem Bedürfnis der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zwar besser Rechnung tragen. Die spezifischen verfahrensrechtlichen Regelungen für Verwaltungsakte seien jedoch Ausfluss eines Über- und Unterordnungsverhältnisses. Effektiver Rechtsschutz werde zukünftig durch die Möglichkeit einer Feststellungsklage und gegebenenfalls einer einstweiligen Anordnung gewährleistet. Ein ohne Verwaltungsaktbefugnis ergangener „gesetzloser“ Verwaltungsakt sei stets rechtswidrig und damit aufzuheben. Schließlich geht das BSG in einem obiter dictum davon aus, dass hinsichtlich der Behandlungseinheiten des Krankenhauses ein echter und ein fiktiver Versorgungsvertrag nicht nebeneinander Bestand haben können. So spreche vieles dafür, dass die 15 Betten, auf die sich der Versorgungsvertrag bezog, in den Krankenhausplan überführt worden und zu Planbetten geworden seien. Anmerkungen Durch die Änderung der höchstrichterlichen Auffassung zum Rechtscharakter der Kündigung gem. § 110 SGB V hat das BSG seine bisherige Rechtsauffassung aufgeben und geht nunmehr richtigerweise von einer einseitigen öffentlich-rechtlichen Willenserklärung aus. Somit ist zukünftig gegen eine Kündigung nicht mehr gerichtlich die Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt statthaft, sondern nur die Feststellungklage. Es bleibt abzuwarten, welche darauf aufbauenden Rechtsfragen in Zukunft vom BSG neu bewertet werden müssen. Meine Kanzlei für Medizinrecht berät und vertritt Sie in allen Angelegenheiten „Rund ums Krankenhaus“. Dies umfasst u.a. Beratung und Vertretung in allen sozialgerichtlichen Klageverfahren einschließlich Erörterungsverfahren und Begleitung in den Budget- und Entgeltverhandlungen und anschließenden Schiedsstellenverfahren. Nähere Einzelheiten können Sie der Homepage der Kanzlei für Medizinrecht entnehmen. Wir sind bundesweit tätig. |
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Datum: 17.03.2023 10:32:51 Grösse: 0.00 KByte |
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Kodierung von mehreren OPS-Kodes | |
Kodierung von mehreren OPS-Kodes Die Kodierung von Prozeduren knüpft nach den Deutschen Kodierrichtlinien an den vom jeweiligen OPS-Kode definierten Eingriff an und nicht an das mit der Behandlung insgesamt verfolgte Ziel. Für die Kodierung ist maßgeblich, ob eine eigenständige Prozedur durchgeführt wurde oder lediglich eine Komponente einer anderen Prozedur. Dies richtet sich letztendlich nach den Regeln der ärztlichen Kunst für die Ausführung des jeweiligen, durch den OPS-Kode konkret definierten, Behandlungsverfahrens. BSG , Urteil vom 24. 01. 2023, AZ B 1 KR 6/22, R. – Kodierung mehrerer OPS–Kodes, monokausale Kodierung, Nasenseptum-Korrektur, Operation an der unteren Nasenmuschel, partielle Maxillektomie-
Sehr geehrte Damen und Herren, vorliegend streiten die Parteien, ob nebeneinander mehrere Kodes verschlüsselt werden durften oder ob ein vom Krankenhaus angegebener Kode lediglich Komponente eines anderen Kodes war. Das BSG bestätigte die Rechtsauffassung des Krankenhauses und der vorhergehenden Instanz. Sachverhalt Die Klägerin behandelte einen Patienten im Jahr 2016 stationär. Es wurde eine Nasenseptum – Korrektur, eine Operation an der unteren Nasenmuschel und eine partielle Maxillektomie (Abtragung des Knochensporns am Kieferknochen) durchgeführt. Dementsprechend hat die Klägerin neben dem OPS-Kode 5-214.6 und OPS Kode 5-215.2/5 - 215.4 auch den OPS Kode 5-771.10 (partielle Maxillektomie) verschlüsselt. Dies führt zur DRG D25D (mäßig komplexe Eingriffe an Kopf und Hals außer bei bösartige Neubildung ohne äußerst schwere CC). Der von der Beklagten beauftragte MDK vertrat die Auffassung, dass die Resektion von Teilen des Gesichtsschädelknochens integraler Bestandteil des OPS 5 - 214.6 gewesen sei. Dies Folge aus dem Grundsatz der monokausalen Kodierung. Ausgehend hiervon könne nur die Fallpauschale D38Z, die geringer bewertet sei, abgerechnet werden. In der ersten Instanz wurde die Klage abgewiesen, auf die Berufung der Klägerin wurde die Entscheidung des SG vom LSG aufgehoben. Das BSG bestätigte die Rechtsauffassung der Klägerin und des LSG Baden-Württemberg. Entscheidungsgründe Das vom BSG bestätigte Urteil des LSG Baden-Württemberg geht davon aus,, dass die Abtragung des Knochensporns (OPS-Kode 5-771.10) nicht zwingend Bestandteil der Operation an der unteren Nasenmuschel gewesen sei. Medizinisch handele es sich bei der partiellen Maxillektomie nicht um einen Eingriff an der unteren Nasenmuschel und auch nicht um einen notwendigen Bestandteil der unteren Nasenmuschel. Der Processus frontalis maxillae und die untere Nasenmuschel sind individuell ausgeprägt und können jeweils eigenständig zu einer Nasenatmungsbehinderung beitragen. Sie werden daher eigenständig operativ therapiert. Sie werden je nach klinischer Situation isoliert oder auch kombiniert operativ therapiert (LSG, Urteil vom 22.03.2022, Az.: L 11 KR 597/21, Rdz 60). Anmerkung Zwar gilt das Grundprinzip, dass die Abbildung eines durchgeführten Eingriffs mit einem Kode vorzunehmen ist. Werden jedoch mehrere Eingriffe während einer Operation durchgeführt, hängt die Verschlüsselung davon ab, ob der zusätzlich in Ansatz gebrachte OPS-Kode Komponente einer anderen Prozedur ist. Dies wiederum richtet sich nach den Regeln der ärztlichen Kunst, also nach dem im OPS-Kode konkret angegebenen Behandlungsverfahren. Diesbezüglich stellt das BSG heraus, dass die Kodierung von Prozeduren nach den deutschen Kodierrichtlinien an den vom jeweiligen OPS-Kode definierten Eingriff anknüpft und nicht an das mit der Behandlung insgesamt verfolgte Ziel. |
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Datum: 08.03.2023 08:30:24 Grösse: 0.00 KByte |
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Neuer AOP- Vertrag mit Kontextfaktoren wirft viele Fragen auf Sehr geehrte Damen und Herren, erst kürzlich wurde von der Selbstverwaltung auf Bundesebene der neue AOP- Vertrag verabschiedet und wirft bereits jetzt viele Fragen auf. Ich möchte Sie daher auf den beigefügten Fachaufsatz von Dr. med. Heinz- Georg Kaysers, Dr. med. Andreas Stockmanns und Dr. Jürgen Freitag aufmerksam machen, die sich eingehend mit den Kontextfaktoren im AOP- Katalog unter dem Titel „Kontextfaktoren im AOP- Katalog § 115 b SGB V – Alles nur ein großes Missverständnis !? “ befassen. Wir werden die weitere Entwicklung beobachten, insbesondere, wie sich die Krankenkassen bezüglich der von den Autoren aufgeworfenen Fragestellungen verhalten werden.
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Datum: 13.02.2023 15:02:41 Grösse: 338.79 KByte |
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Vergütung für ein Sozialpädiatrisches Zentrum | |
Die Bemessung der Vergütung für ein Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ) erfolgt nach den Grundsätzen, die das BSG mit Urteil vom 13.05.2015 (B 6 KA 20/14 R) aufgestellt hat. Dies bedeutet, dass ein zweistufiges Prüfungsschema Anwendung findet. Danach hat der Träger des SPZ mittels einer Prognose, die bei wirtschaftlicher Betriebsführung voraussichtlich entstehenden Personal- und Sachkosten plausibel und nachvollziehbar darzulegen. Insoweit liegt die Darlegungs- und Substantiierungslast beim Träger der Einrichtung. In einem zweiten Schritt ist dann zu prüfen, ob der nachvollziehbar begründete Kostenansatz des SPZ unter Wirtschaftlichkeitsaspekten einem Vergleich mit den Kostenansätzen anderer SPZ standhält, soweit sie vergleichbar sind. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist ein Vergütungssatz nach § 120 Abs. 2 SGB V für den Zeitraum 2022 in Höhe von 612,40 € je Patient/Quartal gerechtfertigt. Schiedsstellenbeschluss vom 05.12.2022 Sehr geehrte Damen und Herren, erfahrungsgemäß sind die Kostenträger bei der Festlegung des Vergütungssatzes für ein SPZ sehr restriktiv. Sie sind grundsätzlich nur bereit, einen einmal vereinbarten Vergütungssatz nur mit der Veränderungsrate nach § 71 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB V fortzuschreiben. Insoweit bleibt nur der Weg zur Schiedsstelle. In dem von uns vertretenen Verfahren setzte sich die Schiedsstelle eingehend und überzeugend mit der Kalkulation der Kosten des SPZ auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG auseinander. Sie legte daher einen Vergütungssatz in Höhe von 612,40 € für das Jahr 2022 fest. Sachverhalt Die Vertragsparteien hatten seit über 25 Jahren nicht mehr über den Vergütungssatz des SPZ verhandelt. In diesem Zeitraum hatte sich sowohl die Leistungs- als auch die Kostenstruktur erheblich verändert, so dass das SPZ die Kostenträger zur Verhandlung anhand einer Neukalkulation aufforderte, um einen angemessenen Vergütungssatz zu vereinbaren und die Versorgung der Patienten im SPZ weiter zu gewährleisten. Dazu waren die Kostenträger nicht bereit und verwiesen auf den Grundsatz der Beitragssatzstabilität, der nur eine Anhebung von 2,29 % zulasse. In einem außerordentlich gut begründeten, umfassenden und klaren Schiedsspruch wies die Schiedsstelle die Auffassung der Kostenträger zurück und setzte auf der Grundlage der Kalkulation des SPZ – unter Abzug bestimmter Positionen – die Vergütung in Höhe von 612,40 € (Quartalspauschale, je Patient) fest. Entscheidungsgründe Bezüglich der Ausgangsfrage, ob die Vergütung des SPZ nur mit der Veränderungsrate nach § 71 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB V fortgeschrieben werden dürfe, bezieht sich die Schiedsstelle darauf, dass diese gesetzliche Regelung auf dem sogenannten Jährlichkeitsprinzip beruhe. Im vorliegenden Fall hätten die Vertragsparteien zuletzt vor mehr als 25 Jahren unter vollkommen anderen Verhältnissen, was sowohl die Personal- und Sachkosten wie Größe, Fallzahlen und Leistungsstruktur des SPZ eine Vergütung vereinbart. Insoweit könne nicht an eine „Vorjahresvereinbarung“ angeknüpft werden. Die Schiedsstelle kommt daher zu dem Schluss, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität mit der Beschränkung der Vergütungshöhe auf die Veränderungsrate des Jahres 2022 bei der vorliegenden Sachlage weder rechtliche noch tatsächliche Wirkung entfalte. Zudem könne der Ansatz der Kostenträger auch nicht die notwendige medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten auf der Grundlage der erteilten Ermächtigung gewährleisten. Der von den Kostenträgern vorgelegte „externe Vergleich“ genüge nicht den Anforderungen, die das BSG in seiner Grundsatzentscheidung aufgestellt habe. Die Kostenträger stellten überwiegend auf Vergütungswerte ab, die auch vor mehr als 25 Jahren vereinbart worden seien und seitdem nicht mehr mit den jeweiligen Veränderungen der Personal- und Sachkosten angepasst wurden. Der Vergleich sei daher bereits im Ansatz ungeeignet, Aufschluss über die dem aktuellen Kostenniveau entsprechende Vergütungshöhe zu geben. Die Schiedsstelle setzt sich eingehend und umfangreich mit der Anwendung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB V auseinander. Da letztmalig vor mehr als 25 Jahren die Vergütung verhandelt wurde, kommt dieser Grundsatz nicht zur Anwendung, da keine relevante Vorjahresvereinbarung besteht, an die angeknüpft werden kann. Dies könne nur dann der Fall sein, wenn die letzte Vereinbarung ein oder zwei Jahre zurückliegt. Letztlich hält die Schiedsstelle die Fortschreibung des zuletzt vor mehr als 25 Jahren vereinbarten Vergütungssatzes mit 2,29 % für ungeeignet, die Leistungsfähigkeit des SPZ im Jahr 2022 zu gewährleisten. Im Schiedsspruch wird herausgestellt, dass die vorgelegte Kalkulation des SPZ den Anforderungen an eine plausible und nachvollziehbare Prognose der voraussichtlich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise erforderlichen Kosten genüge (erster Prüfungsschritt). Bezüglich der kalkulierten Personalkosten bestätigte die Schiedsstelle die Notwendigkeit, im beantragten Umfang ärztliches und sonstiges Personal zur Versorgung des spezifischen Patientenklientels des SPZ einzusetzen. Dem „externen Vergleich“ der Kostenträger, die lediglich Vergütungssätze anführten, die auch zeitlich sehr weit zurücklagen, erteilte die Schiedsstelle eine Absage. Dieser externe Vergleich würde auch nicht den Anforderungen des BSG genügen (zweiter Prüfungsschritt). Die Träger der SPZ sollten vor dem Hintergrund dieser Schiedsstellenentscheidung prüfen, ob und inwieweit sich die Leistungs- und Kostenstruktur ihres SPZ verändert hat. Liegen die vereinbarten Vergütungssätze weit zurück, sollte der Weg zur Schiedsstelle nicht gescheut werden. |
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Datum: 26.01.2023 12:20:51 Grösse: 0.00 KByte |
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Ein Krankenhaus muss für den Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale keine gesonderte Begründung abgeben, auch wenn es sich bei der ursprünglichen Behandlung um einen Eingriff aus dem AOP-Katalog gehandelt hat. Die etwaige Begründungspflicht hat zwar zur Folge, dass die Abrechnung des Krankenhauses nicht fällig wird und die Prüffristen des § 275 SGB V nicht zu laufen beginnen. Sie stellt aber keine Voraussetzung für den Anspruch aus § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V (a.F.) dar. SG Detmold, Urteil vom 08.11.2021, S 16 KR 2320/21 - Aufwandspauschale, Begründungspflicht - Sehr geehrte Damen und Herren, zur immer wieder aufkommenden Forderung der Krankenkassen, dass auch beim Zahlungsanspruch der Aufwandspauschale eine gesonderte Begründungspflicht erforderlich sei, hat das Sozialgericht Detmold nun klar zugunsten der Krankenhäuser Stellung bezogen. Hierbei handelte es sich bei der zugrundeliegenden Behandlung um einen Eingriff aus dem AOP-Katalog. Sachverhalt Das von uns vertretene Krankenhaus behandelte einen Versicherten der beklagten Krankenkasse vom 16.10.2017 bis zum 19.10.2017 stationär und rechnete hierfür insgesamt 2.323,61 € ab. Hierbei handelte es sich um einen Eingriff aus dem AOP-Katalog. Die Krankenkasse zahlte diesen Betrag vollständig und leitete eine Prüfung durch den MDK ein. Sie beauftragte den MDK mit der Prüfung der Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung. Der MDK bestätigte die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung für den gesamten Behandlungszeitraum. Zu einer Minderung des Rechnungsbetrages kam es nicht. Das Krankenhaus forderte daher von der Krankenkasse die Zahlung der Aufwandspauschale gem. § 27S Abs. 1c S. 3 SGB V (a.F.) in Höhe von 300,00 €. Dem kam die Krankenkasse jedoch nicht nach. Das angerufene Sozialgericht Detmold hat dem Krankenhaus nun Recht gegeben und die Krankenkasse zur Zahlung der Aufwandspauschale verurteilt. Entscheidungsgründe Das SG vertritt die Auffassung, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Anspruchs zur Zahlung der Aufwandspauschale gem. § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V (a.F.) vorlagen. Der Anspruch auf die Aufwandspauschale setzt nach Auffassung des SG voraus, dass (1) die Krankenkasse eine Abrechnungsprüfung durch den MDK im Sinne des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V veranlasst hat, (2) dem Krankenhaus durch eine Anforderung von Sozialdaten durch den MDK gemäß § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V ein Aufwand entstanden ist, (3) die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt hat und (4) das Prüfverfahren nicht durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung seitens des Krankenhauses veranlasst wurde (BSG, Urt. v. 28.11.2013, B 3 KR 4/13 R, Rn. 13, juris). Entgegen der Ansicht der Krankenkasse sei der Anspruch nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Krankenhaus das Prüfverfahren durch eine etwaige fehlende Begründung der stationären Behandlungsnotwendigkeit bei der ansonsten regelhaft ambulant zu erbringenden Leistung veranlasst habe. Der Anspruch auf die Zahlung einer Aufwandspauschale scheide zwar aus, wenn die Krankenkasse durch eine offensichtlich und nachweislich fehlerhafte Abrechnung des Krankenhauses zum Prüfverfahren nach § 275 SGB V veranlasst worden sei. Soweit die Krankenkasse jedoch die Auffassung vertritt, dass die offensichtliche Fehlerhaftigkeit der Abrechnung sich daraus ergebe, dass das Krankenhaus in den nach § 301 SGB V zu übermittelnden Datensätze keine Begründung für die Erforderlichkeit der stationären Behandlung der Versicherten mitgeteilt habe, obwohl es sich um eine regelhaft ambulant zu erbringende Leistung gehandelt habe, folgt das Gericht dieser Auffassung nicht. Richtig sei, dass das Krankenhaus bei Eingriffen aus dem AOP-Katalog die Notwendigkeit der stationären Behandlung gegenüber der Krankenkasse auf Anforderung gesondert zu begründen habe. Rechtsfolge eines Verstoßes sei nach der Rechtsprechung des BSG, dass die Abrechnung des Krankenhauses nicht fällig werde und die Prüffristen des § 275 SGB V nicht zu laufen beginne. Diese Rechtsprechung zur Fälligkeit der Hauptforderung ist nach Auffassung des Gerichts aber auf den Anspruch des Krankenhauses auf Zahlung der Aufwandspauschale nicht übertragbar. Der Krankenkasse wäre es laut dem SG vor der Einleitung des Prüfverfahrens zumutbar gewesen, das Krankenhaus zu einer ergänzenden Begründung der stationären Behandlung aufzufordern, wenn sich die stationäre Behandlung nicht bereits aus den übermittelten Datensätzen ergibt. Der unmittelbaren Einschaltung des MDK bedurfte es dann nicht. Anmerkung Das Urteil des SG Detmold erteilt der von den Krankenkassen angeführten Forderung nach einer zusätzlichen Begründungspflicht hinsichtlich der Aufwandspauschale bei Eingriffen aus dem AOP-Katalog eine klare Absage. Das Gericht hat deutlich gemacht, dass die Krankenkassen bei Zweifeln an der ausreichenden Begründung der stationären Behandlungsnotwendigkeit bereits im Vorfeld eine gesonderte Begründung bei den Krankenhäusern anfordern müssen. Wenn die Krankenkassen dieses zumutbare Verhalten unterlassen, können sie nicht mehr auf der Ebene der Aufwandspauschale auf eine gesonderte Begründung bestehen. Diese Rechtsauffassung dürfte auch auf die aktuelle Regelung in § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V übertragbar sein, da dessen Wortlaut mit dem Wortlaut der Vorschrift § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V (a.F.) identisch ist.
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Datum: 12.12.2022 16:41:06 Grösse: 0.00 KByte |
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Fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten | |
Versicherte dürfen nicht entlassen werden, wenn – etwa durch eine medizinisch gebotene Diagnostik oder eine sonstige gebotene medizinische Intervention im weitesten Sinne – in einem überschaubaren Zeitraum 1. Klarheit darüber geschaffen werden kann, ob eine Fortsetzung der stationären Behandlung medizinisch geboten ist, und 2. ggf. die Fortsetzung der Behandlung aus medizinischen Gründen auch tatsächlich erfolgen kann. In der Regel ist ein Zeitraum von zehn Tagen ab der Entscheidung über die Entlassung bis zur Fortsetzung der Behandlung noch als überschaubar anzusehen und wahrt damit noch das erforderliche Behandlungskontinuum. BSG, Urteil vom 26.04.2022, B 1 KR 14/21 R -Fallzusammenführung, fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten, Wirtschaftlichkeitsgebot, Beurlaubung, Behandlungskontinuum – Sehr geehrte Damen und Herren, nach wie vor ist zwischen Krankenhaus und Krankenkasse umstritten, ob und bei welcher Fallgestaltung eine Fallzusammenführung aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebotes erforderlich ist. Mit dem vorliegenden Urteil präzisiert das BSG seine bisherigen Grundsätze zur Fallzusammenführung. Sachverhalt Eine Patientin wurde im Krankenhaus der Klägerin vom 05.05 bis 11.5.2011 stationär wegen der Abklärung von Blutabgängen zur Diagnostik und Therapie aufgenommen. Dabei wurde bei der Diagnose ein Analkarzinom festgestellt. Die Patientin wurde einen Tag vor der interdisziplinären Tumorkonferenz entlassen und zur Umsetzung der Ergebnisse am 19.05.2011 zur laparoskopischen Sigmoideostoma-Anlage (künstlicher Darmausgang) und Adhäsiolyse (operatives Lösen von bindegeweblichen Verwachsungen, hier im Bauchraum) sowie zur Implantation eines Ports für eine anschließende Radiochemotherapie erneut stationär aufgenommen und am 31.05.2011 entlassen. Für die stationäre Krankenhausbehandlung rechnete das Krankenhaus zwei Fallpauschalen ab: Für den ersten Aufenthalt die DRG G60B und für den zweiten Aufenthalt die DRG G18B. Der von der Krankenkasse beauftragte MDK kam zur Auffassung, dass von einem einheitlichen Behandlungsfall auszugehen sei und somit nur die DRG G18B abzurechnen sei. Die Beklagte Krankenkasse verrechnete daraufhin den bereits gezahlten Betrag für die DRG G60B. Die Vorinstanzen gaben dem Krankenhaus Recht und verurteilten die beklagte Krankenkasse zur Zahlung. Auf die Revision der beklagten Krankenkasse hob das BSG die Urteile auf und wies die Klage ab. Entscheidungsgründe Zunächst konstatiert das BSG, dass das Krankenhaus die Vergütung sachlich – rechnerisch zutreffend abgerechnet habe. Der Fallzusammenführung auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FPV 2011 stehe die Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 2 FPV 2011 entgegen. Danach erfolge keine Fallzusammenführung, wenn einer der Krankenhausaufenthalte mit einer Fallpauschale abgerechnet werden kann, die bei Versorgung in einer Hauptabteilung in Spalte 13 des Fallpauschalenkatalogs gekennzeichnet ist. Dies sei bei der DRG G60B der Fall. Nach der entsprechenden Fußnote 4, erfolge eine Fallzusammenführung bei Wiederaufnahme in dasselbe Krankenhaus nicht. Allerdings gelte auch in diesem Fall das Wirtschaftlichkeitsgebot. Werde dem nicht Rechnung getragen, beschränke sich der Anspruch auf die Vergütung, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre. Das Krankenhaus habe die Pflicht, bei der Behandlungsplanung auch die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativverhaltens zu prüfen und die Behandlungsplanung ggf. daran auszurichten. Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit erfordere, dass bei Existenz verschiedener, gleich zweckmäßiger und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind. Nur die geringere Vergütung sei wirtschaftlich. Das Wirtschaftlichkeitsgebot gelte auch bei den preisrechtlichen Regelungen der FPV 2011. Aufgrund ihrer Stellung in der Normenhierarchie seien sie nicht in der Lage, das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 und des § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V einzuschränken. Eine spezifische gesetzliche Ermächtigung zu einer solchen Einschränkung zulasten der Krankenkassen fehle den Vertragsparteien des § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG. Unter Anwendung des Wirtschaftlichkeitsgebots hätten für das Krankenhaus nur zwei Alternativen zur Verfügung gestanden: Entweder hätte die stationäre Behandlung fortgesetzt werden müssen oder es hätte eine Beurlaubung erfolgen müssen. In beiden Fällen wäre lediglich die DRG G18B abrechenbar gewesen. Dies war somit die wirtschaftliche Alternative. Dabei geht das BSG davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von 10 Tagen ab der Entscheidung über die Entlassung bis zur Fortsetzung der Behandlung noch als überschaubar anzusehen ist und damit noch das erforderliche Behandlungskontinuum wahre. Vorliegend sei die Behandlung innerhalb von weniger als 10 Tagen, nämlich nach 8 Tagen in Umsetzung der Empfehlung der Tumorkonferenz fortgesetzt worden. Insoweit hätte als Behandlungsalternative die Fortsetzung der Behandlung bzw. eine Beurlaubung in Betracht gezogen werden müssen. Anmerkungen Das Urteil des BSG reiht sich in seine Entscheidungen zum fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhalten ein. Danach ist bei der Behandlungsplanung zu prüfen, ob es wirtschaftlichere Behandlungsalternativen gibt, die zu einer geringeren Vergütung führen. Neu in diesem Urteil ist ein angenommener Regelzeitraum von 10 Tagen ab der Entscheidung über die Entlassung bis zur Fortsetzung der Behandlung. Diesen Zeitraum sieht das BSG als Behandlungskontinuum an. Dies ist wohl so zu verstehen, dass eine Fortsetzung der Behandlung (oder eine Beurlaubung) angezeigt ist, wenn die Wiederaufnahme innerhalb dieses Zeitraumes von 10 Tagen erfolgt. In diesem Fall könne unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots nur 1 Fallpauschale abgerechnet werden. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Entscheidung des BSG noch ein Altfall zu Grunde lag. Ab dem 01.01.2019 findet § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG Anwendung. Dort heißt es: „In anderen als den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen ist eine Fallzusammenführung insbesondere aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zulässig“. Die Entscheidung des BSG müsste daher unter Zugrundlegung der nun bestehenden gesetzlichen Regelung ab 01.01.2019 anders ausfallen. |
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Datum: 07.11.2022 12:02:26 Grösse: 0.00 KByte |
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Zum zeitlichen Anwendungsbereich von Entscheidungen des Schlichtungsausschusses | |
Die Entscheidungen des Schlichtungsausschusses nach §19 KHG finden grundsätzlich nur Anwendung auf zukünftige Behandlungsfälle. Ausnahme hiervon sind Krankenhausabrechnungen, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entscheidung Gegenstand einer Prüfung durch den MD nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind. Diese Ausnahmeregelung gilt nicht, wenn die Krankenkasse dem Krankenhaus bereits ihre leistungsrechtliche Entscheidung mitgeteilt hat; in diesem Fall sind die Abrechnungen nicht mehr Gegenstand einer Prüfung durch den MD. BSG, Urteil vom 22.06.2022, B 1 KR 31/21 R -Schlichtungsausschuss auf Bundesebene, Entscheidungen, zeitlicher Anwendungsbereich, Gegenstand einer Prüfung durch den MD – Sehr geehrte Damen und Herren, der Schlichtungsausschuss auf Bundesebene erlässt normative Regelungen, die als Kodierregeln für Krankenkassen, Krankenhäuser und MD verbindlich sind. Diese gelten grundsätzlich erst für die Zukunft mit Ausnahme für Behandlungsfälle, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entscheidung des Schlichtungsausschusses Gegenstand einer MD Prüfung sind. Vorliegend befasst sich das BSG mit der Frage, wann diese Ausnahme greift. Sachverhalt Das klagende Krankenhaus behandelte eine Versicherte im Januar 2015 vollstationär wegen einer hochgradigen Aortenklappenstenose. Sie hatte eine angeborene bikuspidale Aortenklappe. Hierfür stellte das Krankenhaus der Krankenkasse die Vergütung nach der DRG F03E in Rechnung. Als Hauptdiagnose verschlüsselte es den ICD Kode Q23.0 (angeborene Aortenklappenstenose). Die Krankenkasse beauftragt den MDK mit einer Prüfung. Dieser ersetzte den ICD Kode durch I35.0 (Aortenklappenstenose), was zur niedriger bewerteten DRG F03F führte. In der Folge verrechnete die Krankenkasse den aus ihrer Sicht überzahlten Betrag. Im Rahmen des Klageverfahrens änderte das Krankenhaus die Hauptdiagnose in Q 23.1 (angeborene Aortenklappeninsuffizienz). Die Krankenkasse stützte sich im Klageverfahren u.a. auf eine Entscheidung des Schlichtungsausschusses nach § 19 KHG vom 25.11.2020. Dieser habe entschieden, dass bei der vorliegenden Fallgestaltung der ICD Kode I 35.0 anzuwenden sei. Entscheidungsgründe Das BSG befasste sich u.a. mit dem zeitlichen Anwendungsbereich von Entscheidungen des Schlichtungsausschusses. Der Entscheidung des Schlichtungsausschusses komme grundsätzlich nur Wirkung für die Zukunft zu. Diese Entscheidungen gelten bezüglich der Abrechnung bzw. Prüfung erst für Patientinnen und Patienten, die ab dem ersten Tag des übernächsten auf die Veröffentlichung der Entscheidung folgenden Monats in das Krankenhaus aufgenommen werden. Eine Ausnahme hierzu stelle die Regelung dar, wonach Entscheidungen des Schlichtungsausschusses für Krankenhausabrechnungen anzuwenden sind, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entscheidung bereits Gegenstand einer Prüfung durch den MD nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind.(§ 19 Abs. 4 Satz 3 KHG). Gegenstand einer Prüfung durch den MD seien nicht mehr Abrechnungsfälle, für die die Krankenkasse eine leistungsrechtliche Entscheidung getroffen habe. Irrelevant sei zudem, ob über die Abrechnung noch ein sozialgerichtlicher Rechtsstreit anhängig sei. Das BSG kommt daher zu dem Schluss, dass die Entscheidung des Schlichtungsausschusses vom 25.11.2020 (KDE 585) bereits aus diesem Grund vorliegend keine Anwendung finden könne. Anmerkungen Die Entscheidung des BSG zum zeitlichen Anwendungsbereich der Entscheidungen des Schlichtungsausschusses ist uneingeschränkt zu begrüßen. Bereits der Wortlaut von § 19 Abs. 4 Satz 3 KHG spricht dafür, den zeitlichen Anwendungsbereich der Entscheidungen des Schlichtungsausschusses eng zu fassen. Das Prüfverfahren des MD endet spätestens mit Erstellung des Gutachtens und der Mitteilung des Ergebnisses der Begutachtung an die Krankenkasse (§ 277 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Nur bis zu diesem Zeitpunkt kann auch der MD das Ergebnis eine Entscheidung des Schlichtungsausschusses in seiner Prüfung berücksichtigen. Danach ist das Prüfverfahren des MD beendet.
Der Potentialmaßstab von § 137c Abs. 3 SGB V geht als lex specialis dem allgemeinen Qualitätsgebot vor. Dabei gilt folgender Potentialmaßstab: 1. muss es sich um eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung handeln, 2. darf keine andere Standardbehandlung verfügbar sein und 3. muss die Leistung das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten. BSG, Urteil vom 26.04.2022, B 1 KR 20/21 R -Liposuktion, Lipödem III, Erp-RL, allgemeines Qualitätsgebot, Potentialleistungen, Potentialmaßstab, neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, § 137c Abs. 3 SGB V– Sehr geehrte Damen und Herren, im vorliegenden Fall ging es darum, ob eine Patientin Anspruch hat, die Kosten für stationäre Liposuktionen zur Behandlung des Lipödems Stadium III erstattet zu bekommen. Das BSG hat hierzu die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch im Einzelnen dargelegt. Sachverhalt Die Klägerin war eine Patientin, die vier stationäre Liposuktionen an Armen und Beinen durchführen ließ (wegen Lipödem Stadium III). Insgesamt belief sich der Erstattungsanspruch auf über 13.000 €. Die Krankenkasse lehnte mit Bescheid den Erstattungsanspruch ab; der Widerspruch war erfolglos. Die dagegen gerichtete Klage war in erster und zweiter Instanz erfolglos. Das BSG wies auf die Revision der Klägerin die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück. Entscheidungsgründe Zunächst stellt das BSG fest, dass der Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einer Liposuktion nicht durch einen Beschluss des GBA von vornherein aus dem GKV Leistungskatalog ausgeschlossen ist. Allerdings könne die Klägerin sich nicht auf die Richtlinienmethoden der Krankenhausbehandlung des GBA stützen, wonach vorgesehen ist, dass die Liposuktion bei Lipödem im Stadium III zu den Methoden gehört, die für die Versorgung mit Krankenhausbehandlung erforderlich sind. Diese Richtlinie sei erst nach der letzten Behandlung in Kraft getreten (mit Wirkung vom 07.12.2019). Der Erstattungsanspruch der Patientin könne jedoch aus § 137c Abs. 3 SGB V hergeleitet werden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: „Versicherte haben außerhalb eines auf einer Erp – RL beruhenden Erprobungsverfahren vor dessen inhaltlicher Konkretisierung Anspruch auf neue Untersuchungs – und Behandlungsmethoden nur im Rahmen eines individuellen Heilversuchs, wenn es 1. um eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Standardbehandlung verfügbar ist und wenn 3. die Leistung das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet.“ (BSG, aaO, Rdz 16). Da das LSG hierzu keine Feststellungen getroffen hatte, wurde die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen. Anmerkungen Das BSG hat mit diesem Urteil seine bisherige Rechtsprechung zum Potentialbegriff und zum Potentialmaßstab des §137c Abs. 3 SGB V erneut bestätigt. Danach unterliegt der Potentialmaßstab erheblichen Einschränkungen (siehe vorstehendes Zitat). Diese Einschränkungen im Rahmen der Rechtsfortbildung gehen auf das Urteil des BSG vom 25.03.2021, B KR 25/20 R, zurück. Diese Anspruchsvoraussetzungen sind sehr eng gefasst und werden nur in seltenen Einzelfällen erfüllbar sein. Ob dies der Intention des Gesetzgebers entspricht, kann hier dahingestellt bleiben. Gegebenenfalls wäre eine gesetzliche Präzisierung erforderlich. |
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Datum: 30.09.2022 09:40:16 Grösse: 0.00 KByte |
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Vorsicht Verjährung! | |
Vorsicht Verjährung! Sehr geehrte Damen und Herren, für Vergütungsansprüche der Krankenhäuser aus dem Jahr 2018 gilt die vierjährige Verjährungsfrist. Diese verjähren zum 31.12.2022. Für Vergütungsansprüche der Krankenhäuser und öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche der gesetzlichen Krankenkassen gilt seit dem 01.01.2019 die verkürzte Verjährungsfrist von zwei Jahren (§ 109 Abs. 5 Satz 1 SGB V i.d.F. PpSG). Dies bedeutet, dass Krankenhäuser Vergütungsansprüche aus dem Jahr 2020 ebenfalls nur bis zum 31.12.2022 geltend machen können. Dies gilt auch für Krankenhausbehandlungskosten, die zunächst bezahlt und im Jahr 2020 von den Krankenkassen nachträglich mit unstreitigen Forderungen verrechnet wurden. Aus anwaltlicher Vorsicht wollte ich Sie darauf rechtzeitig hinweisen.
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Datum: 29.09.2022 15:38:50 Grösse: 0.00 KByte |
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Erbringt ein „Nichtarzt“ stationäre Krankenhausleistungen, die dem Arztvorbehalt unterliegen, fehlt ein Rechtsgrund für die Vergütung und die Krankenkasse hat einen Anspruch gegen das Krankenhaus auf Rückzahlung der geleisteten Vergütung. | |
Erbringt ein „Nichtarzt“ stationäre Krankenhausleistungen, die dem Arztvorbehalt unterliegen, fehlt ein Rechtsgrund für die Vergütung und die Krankenkasse hat einen Anspruch gegen das Krankenhaus auf Rückzahlung der geleisteten Vergütung. BSG, Urteil vom 26.04.2022, B 1 KR 26/21 R -Leistungserbringung durch einen „Nichtarzt“, Approbation, Erstattungsanspruch, Rückzahlung, Schadensersatz- Sehr geehrte Damen und Herren, Gelegentlich „schleichen“ sich „Nichtärzte“ in den Krankenhausbetrieb unter Vorlage von falschen Unterlagen ein. Wird dies nachträglich aufgedeckt, stellt sich die Frage, ob der Krankenkasse aufgrund der Leistungen des „Nichtarztes“, die Grundlage der Abrechnung waren, ein Rückerstattungsanspruch von geleisteten Vergütungen zusteht. Das BSG hat dies bejaht. Sachverhalt Das Krankenhaus beschäftigte in einem Zeitraum von etwa sieben Jahren einen „Nichtarzt“. Die Anstellung als Assistenzarzt und später als Facharzt erfolgte auf Grund einer Approbationsurkunde, die ihm von der zuständigen Behörde ausgestellt wurde. Die betreffende Person hatte jedoch weder eine ärztliche Prüfung noch eine Facharztprüfung abgelegt. Die im Rahmen des Approbationsverfahrens vorgelegten Unterlagen waren gefälscht. Nachdem dies der Behörde bekannt wurde, nahm sie die Approbation bestandskräftig zurück. Die betreffende Person wurde unter anderem wegen Körperverletzung in 336 Fällen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Die klagende Krankenkasse forderte daraufhin in 14 Fällen die geleistete Vergütung für die Krankenhausbehandlung zurück, an der der „Nichtarzt“ mitgewirkt hatte. In zweiter Instanz wurde der Klage stattgegeben. Die Revision des Krankenhauses führte zur Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung. Entscheidungsgründe Zunächst geht das BSG davon aus, dass der Krankenkasse kein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Krankenhaus zusteht. Es geht davon aus, dass das Krankenhaus auf die Richtigkeit der erteilten Approbation vertrauen konnte. Es war nicht verpflichtet, die Approbation eigenständig zu überprüfen. Allerdings bejahte das BSG einen Erstattungsanspruch der Krankenkasse, da ein Rechtsgrund für die Vergütung fehlte, da ein „Nichtarzt“ stationäre Krankenhausleistungen erbracht hatte, die dem Arztvorbehalt unterliegen. Das BSG lässt sich davon leiten, dass die Erbringung ärztlicher Leistungen nur approbierten Heilbehandlern nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB V vorbehalten ist. Wird dagegen verstoßen, liege eine Verletzung des Qualitätgebotes vor mit der Folge, dass die Krankenhausbehandlung insgesamt nicht wirtschaftlich und damit nicht zu vergüten sei. § 15 Abs. 1 SGB V enthalte eine spezifische Ausprägung des Qualitäts – und Wirtschaftlichkeitsgebotes im Sinne der §§ 2 Abs. 1 Satz 3,12 Abs. 1 SGB V. Bei der Krankenhausbehandlung handele es sich um eine komplexe Gesamtleistung, so dass sich die Auswirkungen des Einsatzes eines „Nichtarztes“ nicht monetär bewerten lassen. Der Verstoß gegen eine Mindestqualitätsanforderung infiziere daher im Regelfall die gesamte Leistung. Wurden allerdings eigenständige und abgrenzbare Krankenhausleistungen erbracht, die in keinerlei Beziehung zum Verstoß gegen das Qualitätsgebot stehen, besteht hierfür ein Vergütungsanspruch. Eine abgrenzbare Krankenhausleistung in diesem Sinne könnte zum Beispiel bei der Behandlung von interkurrenten Erkrankungen vorliegen, an der der „Nichtarzt“ nicht beteiligt war. Da es hierfür an Feststellungen durch das LSG fehlte, wies das BSG die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück. Anmerkungen Zunächst ist festzuhalten, dass das BSG einen Schadensersatzanspruch verneinte, da das Krankenhaus auf die erteilte Approbation vertrauen konnte. Etwas anderes könnte gelten, wenn das Krankenhaus nicht überprüft hatte, ob der „Nichtarzt“ eine Approbationsurkunde besitzt. Letztendlich weist das BSG das Gesamtrisiko der Krankenhausbehandlung unter Beteiligung eines „Nichtarztes“ dem Krankenhaus zu, auch wenn das Krankenhaus dies aufgrund der vorgelegten Urkunden nicht erkennen konnte. Dies wird besonders deutlich in dem vorliegenden Fall, bei dem der „Nichtarzt“ in 336 Fällen mitgewirkt hatte. Die finanziellen Folgen können also gravierend sein. Angesichts dieser Dimension ist eher fraglich, ob ein Schadensersatzanspruch gegenüber dem „Nichtarzt“ durchgesetzt werden kann. Dem Krankenhaus verbleibt allerdings noch die Möglichkeit, ggf. gegenüber dem Land Amtshaftungsansprüche geltend zu machen, wenn eine Pflichtverletzung nachweisbar ist. Dies war allerdings nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. |
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Datum: 06.09.2022 08:50:59 Grösse: 0.00 KByte |
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Eine nicht im Krankenhaus erbrachte ärztliche Leistung, für die auch keine Einrichtungen, Mittel und Dienste des Krankenhauses eingesetzt wurden, ist keine Krankenhausleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG. | |
Eine nicht im Krankenhaus erbrachte ärztliche Leistung, für die auch keine Einrichtungen, Mittel und Dienste des Krankenhauses eingesetzt wurden, ist keine Krankenhausleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG. Die ärztliche Behandlung auch durch nicht fest angestellte Ärztinnen und Ärzte ist auf die Leistungserbringung im Krankenhaus beschränkt. (BSG, aaO, Rdz 17). Krankenhäuser können ausnahmsweise im Einzelfall und unter Berücksichtigung ihrer eigenen Leistungsfähigkeit Leistungen Dritter veranlassen, die Ihnen dann als allgemeine Krankenhausleistungen zugerechnet werden. Eine die eigene Leistungsfähigkeit des Krankenhauses ersetzende, regelmäßige und planvolle Einbeziehung Dritter in die Erbringung wesentlicher allgemeiner Krankenhausleistungen ist davon jedoch nicht gedeckt. (BSG, aaO, Rdz 29). Für die im Versorgungsauftrag ausgewiesenen Bereiche wie Fachabteilungen, Zentren, Fachprogramme etc. hat das Krankenhaus die räumliche, apparative und personelle Ausstattung zur Erbringung der wesentlichen Leistungen selbst vorzuhalten. Wesentlich sind dabei alle Leistungen, die in der ausgewiesenen Fachabteilung regelmäßig notwendig sind – mit Ausnahme unterstützender und ergänzender Leistungen, wie etwa Laboruntersuchungen oder radiologische Untersuchungen. (BSG, aaO, Rdz 34). Wesentliche Leistungen des Versorgungsauftrages müssen vom Krankenhaus selbst erbracht werden können. Allerdings bedeutet dies nicht, dass jedes Krankenhaus jegliche Leistung, die vom Versorgungsauftrag umfasst wäre, immer selbst erbringen können muss (BSG, aaO, Rdz 34). BSG, Urteil vom 26.04.2022 , B 1 KR 15 /21 R Auslagerung von Leistungen an Dritte, Versorgungsauftrag, wesentliche Leistungen, Kooperation, unterstützende und ergänzende Leistungen – Sehr geehrte Damen und Herren, wir hatten bereits auf der Grundlage des Terminberichts und der Pressemitteilung des BSG über das Urteil vom 26.04.2022 berichtet. Aus den Urteilsgründen ergibt sich nunmehr ein wesentlich differenzierteres und klareres Bild. Sachverhalt Das klagende Krankenhaus ist u.a mit einer Abteilung für Strahlentherapie in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen worden. Nachdem es diese Abteilung geschlossen hatte, kooperierte es aufgrund eines Vertrages mit einer in unmittelbarer Nähe zum Krankenhaus befindlichen ambulanten Strahlentherapiepraxis. In diesem Rahmen behandelte das Krankenhaus eine bei der Beklagten versicherte Patientin wegen ambulant nicht beherrschbarer Schmerzen. Die in der Strahlentherapiepraxis der Vertragsärzte zuvor ambulant durchgeführte Bestrahlung wurde während der Dauer der stationären Behandlung im Oktober 2010 fortgesetzt. Die hierfür angesetzte Vergütung des Krankenhauses zahlte die Krankenkasse nur teilweise. Sie kürzte den Vergütungsanspruch in Höhe der strahlentherapeutischen Leistungen. Im Gegensatz zu den Vorinstanzen wies das BSG die Klage ab. Entscheidungsgründe Ausgangspunkt des Urteils ist die Fragestellung, ob die Leistungen der Strahlentherapiepraxis, die außerhalb des Krankenhauses erbracht wurden, allgemeine Krankenhausleistungen des Krankenhauses im Sinne des § 2 Abs. 2 KHEntgG sind. Dabei unterscheidet das BSG rechtlich zwei Fragenkomplexe: Die erste Fragestellung geht dahin, ob die externen Leistungen der Strahlentherapiepraxis als allgemeine Krankenhausleistungen angesehen werden können. Dies hat das BSG verneint. Es geht davon aus, dass eine Krankenhausleistung nur dann vorliegt, wenn Einrichtungen, Mittel und Dienste des Krankenhauses von den Ärzten in Anspruch genommen wurden. Die Hinzuziehung nicht fest angestellter Ärzte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG sei zwar zulässig, beschränke sich aber auf die Leistungserbringung im Krankenhaus. (BSG, aaO, Rdz 17). Im vorliegenden Fall fehle es sowohl an der Behandlung im Krankenhaus als auch am Einsatz von Mitteln des Krankenhauses. Die zweite Fragestellung, mit der sich das BSG auseinandersetzt, betrifft die Hinzuziehung Dritter nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG („vom Krankenhaus veranlasste Leistungen Dritter“). Die Hinzuziehung Dritter sei eine gesetzlich vorgesehene Ausnahme vom Grundsatz, wonach Krankenhäuser über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende therapeutische und diagnostische Möglichkeiten verfügen müssen; sie müssen auch die notwendigen, vorwiegend ärztlichen und pflegerischen Leistungen mit jederzeit verfügbarem Personal erbringen können. Krankenhäuser können lediglich im Einzelfall und unter Berücksichtigung ihrer eigenen Leistungsfähigkeit Leistungen Dritter veranlassen, die ihnen dann als allgemeine Krankenhausleistungen zugerechnet werden können. Eine die eigene Leistungsfähigkeit des Krankenhauses ersetzende, regelmäßige und planvolle Einbeziehung Dritter in die Erbringung wesentlicher allgemeiner Krankenhausleistungen sei jedoch nicht zulässig. Ein überwiegendes oder vollständiges Auslagern wesentlicher ärztlicher Leistungen sei daher nicht zulässig. (BSG, aaO, Rdz 29/30). Im Ergebnis kommt das BSG zu dem Schluss, dass wesentliche Leistungen des Versorgungsauftrages vom Krankenhaus selbst erbracht werden müssen. Für die mit dem Versorgungsauftrag zugewiesenen Bereiche (z.B. Fachabteilungen, Zentren, Fachprogramme) habe das Krankenhaus die räumliche, apparative und personelle Ausstattung zur Erbringung der wesentlichen Leistungen selbst vorzuhalten. Als wesentlich angesehen werden dabei alle Leistungen, die in der ausgewiesenen Fachabteilung regelmäßig notwendig sind – mit Ausnahme unterstützender und ergänzender Leistungen (z.B. Laboruntersuchungen oder radiologische Leistungen). (BSG, aaO, Rdz 34) Da das Krankenhaus die gesamte Fachabteilung Strahlentherapie ausgelagert hatte, handelt es sich nicht um eine vergütungsfähige allgemeine Krankenhausleistung. Im Ergebnis wurde daher die Klage des Krankenhauses abgewiesen. Anmerkungen Zunächst ist festzuhalten, dass das BSG eine Kooperation mit niedergelassenen Ärzten, die nicht im Krankenhaus angestellt sind, nicht ausschließt. Allerdings geht das BSG davon aus, dass die Leistungserbringung der sogenannten Honorarärzte auf die Leistungserbringung im Krankenhaus beschränkt ist. Es sollte daher der bestehende Kooperationsvertrag dahingehend überprüft werden, ob diese Anforderung erfüllt wird. Des Weiteren gibt das BSG den Hinweis, dass der Kooperationsvertrag die jederzeitige Verfügbarkeit des zur Erfüllung des Versorgungsauftrages notwendigen ärztlichen Personals im Krankenhaus absichern sollte. Anschließend wirft das BSG die Frage auf, ob das Krankenhaus die Leistungen Dritter (hier der Strahlentherapiepraxis) nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG in Anspruch nehmen durfte. Dabei lässt sich das BSG von der Auffassung leiten, dass Krankenhäuser grundsätzlich über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende therapeutische und diagnostische Möglichkeiten sowie über das entsprechende Personal verfügen müssen. Hierzu stelle § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG eine Ausnahmevorschrift dar, die im Einzelfall Anwendung finde. Dabei zieht das BSG eine wesentliche Grenzlinie. Eine die eigene Leistungsfähigkeit des Krankenhauses ersetzende, regelmäßige und planvolle Einbeziehung Dritter in die Erbringung wesentlicher allgemeiner Krankenhausleistungen sei von dieser Ausnahmevorschrift nicht gedeckt (BSG, aaO, Rdz 29). Letztlich hängt es für die rechtliche Beurteilung davon ab, ob die Hinzuziehung Dritter sich auf wesentliche Leistungen des Versorgungsauftrages bezieht. Der Blickwinkel des BSG ist dabei nicht auf die einzelne DRG Fallpauschale gerichtet, sondern auf den Versorgungsauftrag als solchen, also auf die planerische Zuweisung von Fachabteilungen, Zentren, Fachprogrammen. Allerdings gibt das BSG hierfür keine Abgrenzungskriterien an die Hand, wonach beurteilt werden könnte, wann es sich um eine wesentliche Leistung einer Fachabteilung handelt und wann nicht. Dies wird sich auch in dieser allgemeinen Form nicht beurteilen lassen, da auch die Krankenhausplanung von Land zu Land unterschiedlich ist. Einen gewissen Aufschluss gibt jedoch das vom BSG angeführte Beispiel: Werde einem Krankenhaus der Grundversorgung der Versorgungsauftrag „Innere Medizin“ zugewiesen, werde die Stentimplantation nicht als wesentliche Leistung angesehen. Die Kooperation mit einem anderen Krankenhaus, in das die Patienten für diese Leistung verbracht werden, stelle die Leistungsfähigkeit des Krankenhauses nicht grundsätzlich infrage (BSG, aaO, Rdz 34). Daraus kann man den Schluss ziehen, je weiter ein Versorgungsauftrag planerisch erteilt wurde, je eher ist es möglich, Leistungen Dritter für einzelne Leistungskomplexe in Anspruch zu nehmen. Unbeschadet dessen kommt natürlich weiterhin in Betracht, honorarärztliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, wenn diese Leistungen im Krankenhaus selbst durchgeführt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG). Es bleibt daher abzuwarten, wie sich die Kasuistik der Sozialgerichte zu der Abgrenzung und Bestimmung “wesentlicher Leistungen“ unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG entwickelt. |
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Datum: 13.07.2022 15:29:45 Grösse: 0.00 KByte |
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LVRC-Verfahren (bronchoskopische Lungenvolumenreduktion mittels Coils) besaßen im Jahr 2016 das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative Die bronchoskopische Lungenvolumenreduktion mittels Coils war im Jahr 2016 eine zulässige Behandlungsmethode, die nach vorliegenden Studien eine medizinisch anerkannte Methode war. Aufgrund der drei publizierten Studien REVOLVENS, RENEW und RESET gelangt das SG für das Saarland zu der Ansicht, dass es einen Hinweis auf einen Nutzen bei einer Lungenvolumenreduktion mittels Coils bei der Symptomatik der Atemnot gab. SG für das Saarland, Gerichtsbescheid vom 01.06.2022, Aktenzeichen S 45 KR 536/20 – Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative, vollstationär, bronchoskopische Lungenvolumenreduktion mittels Coils, Erprobungsrichtlinie – Sehr geehrte Damen und Herren, bei neuen Behandlungsmethoden besteht die Gefahr, dass die Krankenkassen deren Abrechnung aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht akzeptieren wollen. Bei der bronchoskopischen Lungenvolumenreduktion mittels Coils handelte es sich im Jahr 2016 um eine solche neue Behandlungsmethode. Nun hat das Sozialgericht für das Saarland festgestellt, dass es sich (zumindestens) ab 2016 hierbei um eine Behandlungsmethode gehandelt hat, die nach den vorliegenden Studien das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative gem. §137c Abs. 3 SGB V hat. Sachverhalt Ein Patient wurde Anfang 2016 zur bronchoskopischen Lungenvolumenreduktion mittels Coils (LVRC-Verfahren) stationär in der Klinik der Klägerin aufgenommen und der entsprechende Eingriff durchgeführt. Der eingeschaltete MDK lehnte die Indikation für die durchgeführte Operation später ab und stellte fest, dass die vorhandenen konservativen Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft worden seien. Das SG gab dem von uns vertretenen Krankenhaus Recht und verurteilte die beklagte Krankenkasse zur Zahlung in voller Höhe. Entscheidungsgründe Das SG stellte fest, dass das LVRC-Verfahren im Jahr 2016 das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative besessen hatte. Nach § 137c Abs. 1 SGB V überprüft der G-BA Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standards der medizinischen Erkenntnisse erforderlich ist. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der G-BA eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e SGB V. In § 137c Abs. 3 SGB V wird dabei bestimmt, dass Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der G-BA bisher keine Entscheidung nach § 137c Abs. 1 SGB V getroffen hat, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden dürfen, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig sind. Der Anwendungsbereich von Potentialleistungen sei zur Gewährung eines ausreichenden Patientenschutzes für den Fall einer noch nicht existierenden Erprobungsrichtlinie wegen des transitorischen, auf eine abschließende Klärung ausgerichteten Methodenbewertungsverfahrens eng auszulegen. Versicherte hätten danach vor Erlass einer Erprobungsrichtlinie Anspruch auf neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, wenn es sich um innovative Methoden zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung handele, für die im Einzelfall keine weitere Standardbehandlung verfügbar sei. Das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative ergebe sich insbesondere dann, „wenn zumindest so aussagefähige wissenschaftliche Unterlagen vorliegen, dass auf dieser Grundlage eine Studie geplant werden könne, die eine Bewertung des Nutzens der Methode auf einem ausreichend sicheren Erkenntnisniveau erlaubt“ (§ 14 Abs. 4 Verfahrensordnung G-BA). Betrachte man die im Frühjahr 2016 bereits verfügbare Studienlage, so haben zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere offene Multizenterstudien sowie auch drei randomisierte kontrollierte Studien vorgelegen. Aufgrund der publizierten Studien REVOLVENS und RESET (und danach die RENEW Studie von Mai 2016) gelangte das SG für das Saarland zu der Ansicht, dass es einen Hinweis auf einen Nutzen bei einer Lungenvolumenreduktion mittels Coils bei der Symptomatik der Atemnot gab. Hinsichtlich des Auftretens von (schwerwiegenden) Lungenentzündungen und des Auftretens einer Hämoptyse bestand ein Hinweis auf einen Effekt zu Gunsten der Lungenvolumenreduktion mittels Implantation von Coils im Vergleich zu der Kontrollgruppe. Anmerkung Das SG für das Saarland hat in seiner Entscheidung die an das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative zu stellenden Anforderungen auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung des BSG ausführlich angewendet. Das BSG hatte seine bisherige Rechtsprechung, wonach außerhalb von Erprobungsrichtlinien für den Anspruch Versicherter auf Krankenhausbehandlungen auch nach Inkrafttreten des § 137c Abs. 3 SGB V für die dabei eingesetzten Methoden ein voller Nutzennachweis im Sinne eines evidenzgestützten Konsenses der großen Mehrheit der einschlägigen Fachliteratur verlangt wurde, mit Urteil vom 25. März 2021 (B 1 KR 25/20 R – juris RdNr. 30 m.w.N. zur früheren Rechtsprechung) explizit aufgegeben. Nach dieser Entscheidung wird es somit für die Krankenkassen in Zukunft schwierig sein, LVRC-Verfahren, die ab 2016 angewendet werden, abzulehnen. Voraussetzung ist hierbei, dass die Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, die Methode insofern medizinisch indiziert und notwendig ist. Des Weiteren muss eine schwerwiegende Erkrankung bei dem Patienten (der Patientin) vorliegen und die Behandlungsalternative erforderlich sein. Eine solche schwerwiegende Erkrankung liegt nach der Rechtsprechung dann vor, wenn eine Erkrankung gegeben ist, die dem Grunde nach einen Anspruch aus § 2 Abs. 1a SGB V begründen kann, also lebensbedrohlich ist oder regelmäßig tödlich endet. Darüber hinaus können auch solche Erkrankungen einen Leistungsanspruch begründen, die zu einer zulassungsüberschreitenden Anwendung berechtigt, also solche, die die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigen. An der Erforderlichkeit einer Behandlungsalternative fehlt es, solange eine Standardtherapie zur Verfügung steht. Eine Standardtherapie ist dann nicht verfügbar, wenn alle in Betracht kommenden Standardbehandlungen kontraindiziert sind oder sich als unwirksam erwiesen haben. Das Urteil ist hier wiedergegeben. |
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Datum: 13.07.2022 10:08:24 Grösse: 2,985.43 KByte |
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Abrechnung einer teilstationären Behandlung anstelle einer vollstationären Behandlung | |
Abrechnung einer teilstationären Behandlung anstelle einer vollstationären Behandlung Das Krankenhaus kann die Vergütung beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre. Dies gilt auch, wenn das Krankenhaus anstelle einer zweckmäßigen, erforderlichen und ausreichenden teilstationären Behandlung eine ebenfalls zweckmäßige, aber nicht erforderliche vollstationäre Behandlung durchgeführt hatte. BSG, Urteil vom 26.04.2022, Aktenzeichen B 1 KR 5/21 R – fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten, vollstationär, teilstationär, Nachrang vollstationäre Krankenhausbehandlung- Sehr geehrte Damen und Herren, über die bereits bestehende Kasuistik hinaus hat das BSG für die Anwendung der Grundsätze des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens eine weitere Fallgestaltung hinzugefügt. Dies betrifft die Abrechnung der teilstationären Behandlung anstelle einer medizinisch nicht notwendigen vollstationären Behandlung. Sachverhalt Ein Patient wurde wegen einer Suchterkrankung in der Klinik für Psychatrie und Psychotherapie der Klägerin vollstationär behandelt. Ursprünglich kam der eingeschaltete MDK zur Auffassung, es hätte eine ambulante Behandlung ausgereicht; im Laufe des Klageverfahrens ging der MDK davon aus, dass eine teilstationäre Behandlung ausreichend gewesen wäre. Das SG verurteilte die beklagte Krankenkasse auf der Grundlage des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens zur Zahlung eines Teilbetrages. Das LSG änderte das Urteil und wies die Klage ab. Die Revision des Krankenhauses führte zur Aufhebung des Urteils des LSG und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung. Entscheidungsgründe Das BSG stellt heraus, dass die Grundsätze des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens auch im Verhältnis zwischen vollstationärer und teilstationärer Behandlung Anwendung finden. Auch hier sei es gerechtfertigt, dass das Krankenhaus für die wegen des Nachrangverhältnisses nicht erforderliche vollstationäre Behandlung diejenige Vergütung beanspruchen kann, die es für die erforderliche und ausreichende teilstationäre Behandlung hätte abrechnen können (BSG .aaO, Rdz 20). Die vollstationäre Behandlung sei nicht erforderlich, wenn das Behandlungsziel durch teilstationäre Behandlung erreicht werden kann. Dieser Nachrang der vollstationären gegenüber der teilstationären Behandlung stelle lediglich eine besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebotes dar. Entscheidend sei dabei, dass beide Behandlungsmöglichkeiten in dem konkreten Behandlungsfall zur Erreichung des Behandlungsziels gleichermaßen geeignet bzw. zweckmäßig waren. Des Weiteren ist maßgeblich, dass das Krankenhaus berechtigt gewesen ist, die fiktive wirtschaftliche Leistung selbst zu erbringen und gegenüber der Krankenkasse unmittelbar abzurechnen. Anmerkung Das BSG bezieht nunmehr eine weitere Fallgestaltung in die Anwendung der Grundsätze des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens ein. Das Prüfungsschema bleibt wie bisher: Zunächst ist zu prüfen, ob die vollstationäre und die teilstationäre Krankenhausbehandlung gleichermaßen zweckmäßig waren, um das Behandlungsziel zu erreichen. Sind beide Behandlungsformen gleichermaßen geeignet, hat das Krankenhaus die kostengünstigere Variante zu wählen. Insoweit kommt es nach dem BSG-Urteil darauf an, in welchem Umfang und für welche Dauer eine teilstationäre Krankenhausbehandlung voraussichtlich erforderlich gewesen wäre. Dabei ist auf den im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens - und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes abzustellen. Es bleibt spannend, wenn die teilstationäre Krankenhausbehandlung im Ergebnis teurer als die vollstationäre Behandlung ausfallen sollte. Dann wäre wohl die vollstationäre Behandlung im Ergebnis die preiswertere Behandlungsalternative. |
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Datum: 30.06.2022 10:39:24 Grösse: 0.00 KByte |
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Gewöhnung und Entwöhnung von der maschinellen Beatmung | |
Gewöhnung und Entwöhnung von der maschinellen Beatmung
1. Die Gewöhnung an die maschinelle Beatmung iSd DKR 1001h setzt die erhebliche Einschränkung oder den Verlust der Fähigkeit voraus, über einen längeren Zeitraum vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atmen zu können. Hierfür genügt nicht, dass die Beatmung als solche medizinisch notwendig ist. Nicht erforderlich ist eine Adaption des Patienten an den Respirator oder eine beatmungsbedingte Schwächung der Atemmuskulatur.
2. Die Entwöhnung setzt neben der vorbeschriebenen Gewöhnung ein methodisch geleitetes Vorgehen zur Beseitigung der Abhängigkeit von der maschinellen Beatmung voraus.
3. Die Amtsermittlungspflicht des SG verlangt, dass nicht nur auf die Patientendokumentation zurückgegriffen wird. Bestehen nach Auswertung und Bewertung der Patientendokumentation noch Zweifel, muss das SG den Sachverhalt ergänzend aufklären, etwa durch Vernehmung der behandelnden Ärzte und der behandelten Versicherten.
BSG Urteil vom 10.03.2022, B 1 KR 35/20 R
-Maschinelle Beatmung, DKR 1001h Gewöhnung, Entwöhnung, Dokumentation, Aufklärung durch SG, objektive Beweislast-
Sehr geehrte Damen und Herren,
über das vorgenannte Urteil des BSG hatten wir Sie bereits anhand des Terminsberichts informiert. Inzwischen liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor, die weitere Aufschlüsse geben.
Die Gewöhnung an die maschinelle Beatmung setzt „die erhebliche Einschränkung oder den Verlust der Fähigkeit, über einen längeren Zeitraum vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atmen zu können“ voraus. Eine Adaption des Patienten an den Respirator oder eine beatmungsbedingte Schwächung der Atemmuskulatur ist hierfür nicht erforderlich.
Das Gericht muss neben der Feststellung der Gewöhnung auch Feststellungen zum Vorliegen der Entwöhnung treffen. Entwöhnung ist nach der Rechtssprechung des BSG „ein methodisch geleitetes Vorgehen zur Beseitigung der erheblichen Einschränkung oder des Verlustes der Fähigkeit, über einen längeren Zeitraum vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atmen zu können (…). Der intensivmedizinisch versorgte Patient (…) muss vom Beatmungsgerät durch den Einsatz einer Methode der Entwöhnung entwöhnt worden sein, weil zuvor eine Gewöhnung an die maschinelle Beatmung eingetreten war (….).“ BSG, aaO, Rdz 9.
Des Weiteren hat sich das BSG mit der Aufklärungspflicht der Tatsacheninstanzen befasst. Diesbezüglich hat das BSG festgestellt, dass zunächst von der Dokumentation auszugehen ist, diese aber allein nicht maßgeblich ist. Verbleiben nach tatrichterlicher Aufklärung Zweifelsfragen, ist der Sachverhalt durch das Tatsachengericht ergänzend aufzuklären, zum Beispiel durch Vernehmung der behandelnden Ärzte oder des behandelten Versicherten. Letztendlich trägt jedoch das Krankenhaus für die Erfüllung der Abrechnungsvoraussetzungen die objektive Beweislast.
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