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Dokumente in der Rubrik Vergütungsrecht


Kostenerstattungsanspruch nach § 1922 BGB i. V. m. § 13 Abs. 2 SGB V
 

Stirbt ein Patient, der die Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählt hatte, vor Begleichung der Behandlungsrechnung, schließt dies einen Kostenerstattungsanspruch seiner Erben gegen die Krankenkasse nicht aus.

 

BSG, Urteil vom 25.06.2024, B 1 KR 39/22 R

 

– Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 2 SGB V, Gesamtrechtsnachfolge gem. § 1922 Abs. 1 BGB, Teleologische Reduktion von §§ 56, 58, 59 SGB I

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG hat eine Klarstellung zur Anwendung von §§ 56, 58, 59 SGB I im Fall der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V bei Erben eines verstorbenen Patienten getroffen. Danach stehen diese Normen, welche die Sonderrechtsnachfolge im Falle des Todes des Patienten und den Ausschluss von Leistungen regeln, einem Übergang der vom Patienten zu Lebzeiten erworbenen fälligen Kostenerstattungsansprüche und Anwartschaften auf Kostenerstattung auf den Rechtsnachfolger nicht entgegen. Damit wird den Erben höchstrichterlich die Möglichkeit garantiert, die Behandlungskosten eines verstorbenen Patienten, der die Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählt hatte, bei der Krankenkasse geltend zu machen.

 

Sachverhalt

 

Die Klägerin ist Witwe und Erbin des bis zu seinem Tod bei der beklagten Krankenkasse versicherten Patienten. Der Patient hatte gegenüber der Beklagten anstelle der Sach- und Dienstleistungen Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 2 SGB V gewählt. Im April 2019 verstarb der Patient während einer stationären Behandlung. Im Juni 2019 legte die Klägerin bei der Beklagten Rechnungsbelege für verschiedene Behandlungskosten vor und begehrte deren Erstattung.

 

Mit dem Begehren auf Kostenerstattung hatte die Klägerin sowohl bei der Beklagten als auch vor dem Sozialgericht keinen Erfolg. Das daher angerufene LSG verurteilte die Beklagte, die Behandlungskosten des verstorbenen Patienten zu vergüten. Der Anspruch auf Kostenerstattung sei mit dem Tod des Patienten nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Klägerin übergegangen und nicht nach § 59 SGB I erloschen. Die Vorschrift § 59 SGB I regelt, dass Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen mit dem Tod des Berechtigten erlöschen. Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen gem. § 59 S. 2 SGB I, wenn sie im Zeitpunkt des Todes weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist.

 

Zwar seien laut dem LSG die Ansprüche im Zeitpunkt des Todes weder festgestellt noch sei ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig gewesen. Ein derartiges Verständnis der Norm sei jedoch verfassungswidrig. Es gebe keinen sachlichen Grund dafür, dass im Erbfall zwar die Zahlungsverpflichtungen des Patienten aus den von ihm geschlossenen Behandlungsverträgen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Klägerin übergehen, seine Erstattungsansprüche gegen die Beklagte nach § 13 Abs. 2 SGB V aber erloschen seien. § 59 S. 2 SGB I sei im Wege der teleologischen Reduktion so auszulegen, dass Kostenerstattungsansprüche nach § 13 Abs. 2 SGB V von dieser Norm nicht erfasst seien.

 

Hiergegen legte die Beklagte Revision ein.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG hat die Revision zurückgewiesen. Zu Recht habe das LSG die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Der Klägerin stehen Kostenerstattungsansprüche nach § 1922 Abs. 1 BGB i. V. m. § 13 Abs. 2 SGB V gegen die Beklagte zu.

 

Als Rechtsnachfolgerin habe die Klägerin grundsätzlich nur Ansprüche geltend machen können, die dem Patienten zu Lebzeiten zugestanden haben. Der Patient habe medizinische Leistungen in Anspruch genommen, aus denen er im Fall seines Überlebens eine Erstattung hätte verlangen können. Ein Kostenerstattungsanspruch sei daraus allerdings zu seinen Lebzeiten nur insoweit erwachsen, als er Vergütungsforderungen von zugelassenen Leistungserbringern für Leistungen im Rahmen des Leistungskatalogs bereits beglichen habe. Für den Kostenerstattungsanspruch eines Rechtsnachfolgers gegen die Beklagte genüge es aber, dass der verstorbene Patient insoweit eine Rechtsposition im Sinne einer Anwartschaft auf Kostenerstattung erlangt habe, die nach seinem Tod zum Vollrecht erstarken könne. Sowohl die Kostenerstattungsansprüche als auch die Anwartschaften auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gehen dabei im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 Abs. 1 BGB auf den Rechtsnachfolger über.

 

Die Vorschrift § 13 Abs. 2 SGB V sehe vor, dass sich Patienten für das Kostenerstattungsverfahren entscheiden können. Das Nähere des Verfahrens haben die Krankenkassen in ihren Satzungen zu regeln gem. § 13 Abs 2 Satz 9 SGB V. Die Satzung der Beklagten setze für die Fälligkeit des Kostenerstattungsanspruchs voraus, dass die jeweilige Rechnung beglichen worden sei. Könne ein Patient nicht die Bezahlung der Rechnung nachweisen, dürfe die Beklagte die Kostenerstattung ablehnen. Nach ständiger BSG-Rechtsprechung entstehe ein Kostenerstattungsanspruch nämlich erst, wenn dem Patienten Kosten entstanden seien.

 

Der Tod des Patienten vor Begleichung der Rechnung schließe einen Kostenerstattungsanspruch seiner Rechtsnachfolger gegen die Beklagte jedoch nicht aus. Die Vorschriften §§ 56, 58, 59 SGB I stehen laut dem BSG einem Übergang auf den Rechtsnachfolger der vom Patienten zu Lebzeiten erworbenen fälligen Kostenerstattungsansprüche und Anwartschaften auf Kostenerstattung nicht entgegen, da diese Regelungen keine Anwendung auf die Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V finden. Der Ausschluss der Sach- und Dienstleistungen von der Vererbung beruhe im Wesentlichen darauf, dass es sich um höchstpersönliche Leistungen handle. Das sei bei einem Freistellungsanspruch nicht der Fall. Er sei vielmehr eine Vorstufe zum Erstattungsanspruch, der entstehe, wenn die Forderung vom Patienten selbst beglichen werde. Der Erstattungsanspruch sei wiederum ein Geldleistungsanspruch. Die Anwartschaft auf Kostenerstattung bleibe somit erhalten und könne beim Rechtsnachfolger zum Vollrecht erstarken, wenn das Versicherungsverhältnis durch den Tod des Patienten ende und die noch fehlenden Voraussetzungen (hier die Begleichung einer wirksamen und fälligen Vergütungsforderung) vorliegen. Die Vergütungspflicht müsse daher nicht bereits zu Lebzeiten des Patienten fällig und erfüllt gewesen sein, um bei seinem Rechtsnachfolger den Kostenerstattungsanspruch nach § 1922 BGB i. V. m. § 13 Abs. 2 SGB V entstehen zu lassen.

 

Anmerkungen

 

Das BSG hat die Rechtsposition der Erben gegenüber den Krankenkassen gestärkt. Die den Patienten durch Gesetz eingeräumte Möglichkeit, Kostenerstattung zu wählen, darf nicht dadurch ausgehöhlt werden, dass diese Patienten immer dann keine Leistungen zu Lasten der Krankenkassen in Anspruch nehmen können, wenn die Begleichung einer Rechnung und deren Vorlage nicht mehr während der Zeit der Mitgliedschaft (wie z. B. im Falle des eigenen Todes) realisierbar ist. Nichts anderes kann laut dem BSG wegen des allgemeinen Gleichheitssatzes für den Fall der Rechtsnachfolge von Todes wegen gelten. Es bleibt auch hier dabei, dass für die grundsätzliche Leistungspflicht der Krankenkassen allein der Zeitpunkt der tatsächlichen Inanspruchnahme der Leistung entscheidend ist.

 

Maßgeblich ist, dass zu Lebzeiten des Patienten ein der Sachleistung entsprechender Beschaffungsvorgang erfolgt ist, da Patienten, die Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V gewählt haben, sich medizinische Leistungen von zugelassenen Leistungserbringern selbst beschaffen.

 

  Datum: 11.11.2024 08:25:32
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Schadensersatzanspruch wegen Verlegung ohne sachlichen Grund (II.)
 

Eine medizinisch mögliche Weiterbehandlung im eigenen Krankenhaus hat grundsätzlich Vorrang gegenüber einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus. In diesem Fall ist nicht zu prüfen, ob eine Verlegung wirtschaftlicher gewesen wäre. Wenn ein Krankenhaus einen Patienten* ohne sachlichen Grund verlegt, dann trägt es in der Regel das Risiko der hierdurch verursachten Mehrkosten. Eine solche schuldhafte Pflichtverletzung des Krankenhauses kann insoweit zu einem Schadensersatzanspruch der jeweiligen Krankenkasse führen. Als sachlicher Grund kommen hierfür in Betracht: Zwingende medizinische Gründe, zwingende Gründe in der Person des Patienten sowie übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern (§ 1 Abs. 1 KHG).

 

*Die Bezeichnung Patient umfasst i. Folg. alle Geschlechter

 

BSG, Urteil vom 16.05.2024, B 1 KR 29/22 R

 

Verlegung, sachlicher Grund, Pflichtverletzung, Schadensersatzanspruch, Wirtschaftlichkeitsgebot, Vorrang einer medizinisch möglichen Weiterbehandlung –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

wir hatten Sie bereits in unserem Newsletter vom 04.07.2024 anhand des Terminsberichts über diese Entscheidung des BSG informiert. Nunmehr liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor.

 

Sachverhalt

 

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung im Zusammenhang mit einer Verlegung.

 

Das klagende Krankenhaus behandelte den bei der Beklagten krankenversicherten Patienten seit Februar 2016 stationär und verlegte ihn im März 2016 in ein anderes Krankenhaus zur Weiterbehandlung mittels Radiotherapie. Der Kläger stellte der Beklagten insgesamt 23.003,45 € in Rechnung, welche die Beklagte zunächst beglich, dann aber einen Teilbetrag in Höhe von 11.087,88 € mit einer unstreitigen Forderung verrechnete, weil die Verlegung unwirtschaftlich gewesen sei. Wäre die Bestrahlung im Haus des Klägers durchgeführt worden, hätten sich die Gesamtbehandlungskosten um den verrechneten Betrag verringert.

 

Das Sozialgericht hat die Beklagte zur vollständigen Zahlung nebst Zinsen verurteilt. Das LSG hat die Berufung der Beklagten hiergegen zurückgewiesen. Es war der Ansicht, dass dem Kläger der vollständige Rechnungsbetrag zugestanden habe. Die Voraussetzungen für einen Verlegungsabschlag seien nicht erfüllt gewesen. Der Beklagten stehe auch kein Schadensersatzanspruch zu.

 

Die Revision der Beklagten hatte teilweise Erfolg, da das BSG das LSG-Urteil aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen hat.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG konnte über die Klage nicht abschließend entscheiden. Zwar stehe der Beklagten kein Erstattungsanspruch zu, da der in Rechnung gestellte Vergütungsanspruch zu Recht bestanden habe. Das LSG müsse aber noch prüfen, ob der Beklagten ein Schadensersatzanspruch nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V i. V. m. § 280 Abs 1 BGB zustanden haben könnte, mit dem sie gegenüber der unstreitigen Forderung des Klägers habe aufrechnen dürfen.

 

Auf das zwischen einem zugelassenen Krankenhaus und einer Krankenkasse durch die stationäre Behandlung des versicherten Patienten begründete öffentlich-rechtliche Schuldverhältnis sei § 280 Abs 1 BGB anzuwenden. Aus den Pflichten dieses Schuldverhältnisses sei abzuleiten, dass Krankenhäuser weder die Aufnahme von Patienten ohne sachlichen Grund ablehnen noch deren Verlegung in ein anderes Krankenhaus ohne sachlichen Grund vornehmen dürfen.

 

Nach den gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Behandlungspflicht komme der medizinisch möglichen Weiterbehandlung im eigenen Haus grundsätzlich ein Vorrang gegenüber einer grundlosen Verlegung zu. Als sachliche Gründe für eine Verlegung kommen zwingende medizinische Gründe, zwingende Gründe in der Person des Patienten und übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern in Betracht.

 

In einem mehrstufigen Krankenhausversorgungssystem könne die Verlegung wie im vorliegenden Fall aus einem Krankenhaus einer höheren Stufe in ein Krankenhaus einer niedrigeren Stufe gerechtfertigt sein, wenn und soweit es zur Behandlung des Patienten der besonderen Mittel des Krankenhauses der höheren Stufe nicht (mehr) bedarf und die dortigen Versorgungskapazitäten aktuell für andere Patienten benötigt werden oder für eventuelle neue Patienten eine Behandlungsreserve bereitgehalten werden müssen.

 

Mit einer Verlegung, die durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sei, verletze das Krankenhaus keine Pflicht. Es müsse dazu keine Wirtschaftlichkeitsüberlegungen anstellen. Gebe es für eine Verlegung jedoch keinen sachlichen Grund, verletze das verlegende Krankenhaus regelmäßig schuldhaft seine Behandlungspflicht und – falls es dadurch zu Mehrkosten für die jeweiligen Krankenkasse gekommen sei – auch das Wirtschaftlichkeitsgebot. Nur wenn das grundlos verlegende Krankenhaus aufgrund sorgfältiger Abschätzung ausnahmsweise habe davon ausgehen dürfen, dass die Verlegung keine Mehrkosten verursachen werde, scheide eine schuldhafte Pflichtverletzung aus, auch wenn die Mehrkosten trotzdem entstanden seien.

 

Die Pflicht zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit einer sachgrundlosen Verlegung stelle dabei keine übertriebenen Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des verlegenden Krankenhauses dar, da es – soweit kein sachlicher Grund für die Verlegung gegeben sei – den Patienten im eigenen Haus weiter behandeln könne, ohne Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit anstellen zu müssen. Die Weiterbehandlung im eigenen Haus erfordere nämlich grundsätzlich nicht die Prüfung, ob eine Verlegung insgesamt wirtschaftlicher sein könnte.

 

Anmerkungen

 

Das BSG betont den aus der Behandlungspflicht folgenden grundsätzlichen Vorrang einer medizinisch möglichen Weiterbehandlung im eigenen Haus gegenüber einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus. Ein Krankenhaus hat laut dem BSG im eigenen Interesse die Wirtschaftlichkeit einer Verlegung vorab sorgfältig zu prüfen. Die sorgfältig durchgeführte Wirtschaftlichkeitsprüfung hat das Krankenhaus im Streitfall gerichtlich darzulegen und zu belegen. Dies entspricht laut dem BSG der Beweislastregel des § 280 Abs 1 Satz 2 BGB, nach der das Vertretenmüssen desjenigen, der eine Pflichtverletzung begeht, widerlegbar vermutet wird.

 

Ein Krankenhaus muss daher die durch eine unbegründete Verlegung verursachten Mehrkosten tragen, es sei denn, dass es trotz sorgfältiger Wirtschaftlichkeitsprüfung ausnahmsweise davon ausgehen durfte, dass die Verlegung keine Mehrkosten bei der jeweiligen Krankenkasse verursachen würde.

 

  Datum: 08.11.2024 08:16:38
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Der OPS-Kode 8-980 (intensivmedizinische Komplexbehandlung) verlangt eine tägliche und persönliche Anwesenheit der Behandlungsleitung auf der Intensivstation an sieben Tagen in der Woche
 

Die Kodierung einer intensivmedizinischen Komplexbehandlung gemäß OPS 8-980 verlangt als Mindestmerkmal eine Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“. Der Begriff Behandlungsleitung erfordert laut dem BSG, dass ein solcher Facharzt zumindest einmal täglich persönlich auf der Intensivstation anwesend sein muss (auch am Wochenende und an Feiertagen). Im Übrigen muss eine durchgehende Rufbereitschaft bestehen. Eine nur wochentägliche Anwesenheit genügt nicht.

 

BSG, Urteil vom 25.06.2024, B 1 KR 20/23 R

 

– OPS 8-980 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung), zeitliche Dimension der Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG hat die Anforderungen an die Kodierung und Abrechnung des OPS 8-980 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung) in zeitlicher Hinsicht drastisch ausgeweitet. Die Besonderheiten der intensivmedizinischen Behandlung begründen aus Sicht des BSG besondere Anforderungen an die Behandlungsleitung. Daher wird vom BSG die einmal tägliche und persönliche Anwesenheit des Facharztes mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“, welcher die Behandlungsleitung inne hat, auf der Intensivstation verlangt.

 

Sachverhalt

 

Das zugelassene Krankenhaus des Klägers behandelte den bei der beklagten Krankenkasse versicherten Patienten vom 28.12.2015 bis zum 04.02.2016 aufgrund einer Gelbsucht sowie einer bösartigen Neubildung des Nierenbeckens. Der Kläger rechnete den Behandlungsfall gegenüber der Beklagten mit der DRG L36Z ab und verschlüsselte hierbei den OPS 8-980.20 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung <Basisprozedur>: 553 bis 1104 Aufwandspunkte). Nachdem die Beklagte diese Rechnung beglichen hatte, beauftragte sie den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung mit der Prüfung der Abrechnung. Schließlich führte die Beklagte eine Verrechnung durch, da die für die Kodierung des OPS 8-980 erforderliche lückenlose Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ an Wochenenden, Feiertagen und in der Urlaubszeit für den streitigen Behandlungszeitraum nicht belegt sei, was zur DRG L09C führe.

 

Die hiergegen erhobene Klage wurde sowohl vom zuständigen Sozialgericht als auch vom Landessozialgericht abgewiesen. Laut dem Landessozialgericht erfordere die Behandlungsleitung des OPS 8-980 durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“, dass ein solcher auch an Wochenenden und Feiertagen täglich persönlich im Krankenhaus anwesend sei. Die beiden auf der Intensivstation des Klägers dienstplanmäßig tätigen Fachärzte mit dieser Zusatzweiterbildung seien ausweislich der vorgelegten Dienstpläne in der Zeit vom 08.01.2016 15:30 Uhr bis 11.01.2016 7:00 Uhr nicht im Dienst gewesen und hätten damit eine Behandlungsleitung nicht wahrnehmen können. Auch eine Rufbereitschaft oder sonstige Maßnahmen zur Ermöglichung einer persönlichen Anwesenheit der Behandlungsleitung hätten nicht bestanden.

 

Hiergegen legte der Kläger Revision ein.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG hat die Revision zurückgewiesen. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht zu. Die Kodierung einer intensivmedizinischen Komplexbehandlung gemäß OPS 8-980 verlange als Mindestmerkmal u. a. eine Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“. Dies erfordere, dass ein solcher Facharzt zumindest einmal täglich persönlich auf der Intensivstation anwesend sei und im Übrigen eine durchgehende Rufbereitschaft bestehe. Dies folge aus einer eng am Wortlaut orientierten und durch systematische Erwägungen unterstützten Auslegung des OPS 8-980. Für den Begriff „Behandlungsleitung“ existiert weder im OPS selbst noch an anderer Stelle ein normativ-determiniertes Begriffsverständnis. Auch der einheitliche wissenschaftlich-medizinische Sprachgebrauch führe zu keinem zwingenden Begriffsverständnis.

 

Bei der daher gebotenen Auslegung nach dem allgemeinsprachlichen Begriffskern unter ergänzender Berücksichtigung systematischer Erwägungen folge laut dem BSG aus dem Wort „Behandlungsleitung“ – und nicht bloß „Behandlung unter Leitung“ oder „Team unter Leitung“ , dass es um eine gesteigerte Verantwortung für die unmittelbare Behandlung der Patienten und nicht nur um die Verantwortung für die Organisation und das Funktionieren der Behandlungseinheit gehe. Eine derartige Verantwortung könne aber nur bei persönlicher Anwesenheit eines über die geforderten Qualifikationen verfügenden, seine Behandlungsleitung für die Dauer der Behandlung tatsächlich ausübenden Facharztes wahrgenommen werden. Der konkrete zeitliche Umfang und die Modalitäten der erforderlichen persönlichen Anwesenheit (auf der Station, im Krankenhaus bzw. am Standort des Krankenhauses, in Rufbereitschaft) können dabei nicht für sämtliche Prozeduren einheitlich festgelegt werden, sondern nur unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen der jeweiligen Behandlung.

 

Wenn es wie beim OPS 8-980 an einer solchen Konkretisierung fehle, sei unter Berücksichtigung der Besonderheiten der in dem jeweiligen Kode beschriebenen Behandlung zu bestimmen, welche Anforderungen an die Anwesenheit und Erreichbarkeit der Behandlungsleitung zu stellen seien, um die fachlich-inhaltliche Verantwortung für die Versorgung der Patienten ausüben und die Leistungen und ärztlichen Tätigkeiten an den Patienten planen, koordinieren und überwachen zu können.

 

Die Besonderheiten der intensivmedizinischen Behandlung begründen besondere Anforderungen an die Behandlungsleitung. Zutreffend haben die Vorinstanzen insofern darauf hingewiesen, dass auf einer Intensivstation lebensbedrohlich erkrankte und akut behandlungsbedürftige Patienten regelmäßig auch am Wochenende aufzunehmen seien und dass sich bei bereits aufgenommenen Patienten relevante Veränderungen unabhängig von Wochentag und Uhrzeit ergeben können. Behandlungsleitende Entscheidungen können deshalb auch unvorhergesehen zu jeder Zeit kurzfristig erforderlich werden. Die Übernahme der fachlich-inhaltlichen Verantwortung für die Versorgung der Patienten, wie sie von der Behandlungsleitung gefordert werde, erfordere daher gegenüber anderen – besser planbaren – Behandlungen ein deutlich höheres Maß an persönlicher Anwesenheit und Erreichbarkeit. Eine nur wochentägliche Anwesenheit, wie sie etwa bei der multimodalen Schmerztherapie als ausreichend angesehen werde, genüge insofern nicht. Eine über die geforderte Qualifikation verfügende und mit der Behandlungsleitung betraute Person müsse vielmehr an jedem Tag der Woche - auch am Wochenende - persönlich auf der Intensivstation zumindest kurzzeitig anwesend sein, um sich einen Überblick über den Zustand der dort behandelten Patienten zu verschaffen und eventuelle Anpassungen des Behandlungsplans anzuordnen. Während der übrigen Zeiten müsse zumindest eine Rufbereitschaft bestehen.

 

Anmerkungen

 

Es ist allen Krankenhäusern dringend anzuraten, ihre zukünftige Dienstplanung für die Intensivstationen an diesem Urteil auszurichten. Demnach müssen die zur Behandlungsleitung vorgesehenen Fachärzte mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ einmal täglich persönlich auf der Intensivstation anwesend sein, damit eine intensivmedizinische Komplexbehandlung abgerechnet werden kann. Daneben muss eine durchgehende Rufbereitschaft eingerichtet sein.

 

Nur so kann den nun vom BSG aufgestellten Anforderungen an die gesteigerte Verantwortung für die unmittelbare Behandlung der Patienten auf der Intensivstation Rechnung getragen werden.

 

Die Entscheidung des BSG ist nicht widerspruchsfrei. Nach ständiger Rechtsprechung – und so auch im Urteil - geht das BSG davon aus, dass bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen sind, diese mit der Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG, aaO Rdz. 14). Darüber geht das BSG hinweg, wenn es nunmehr eigenständig eine zeitliche Dimension für die Anwesenheit der Behandlungsleitung vorgibt. Diese zeitliche Dimension ist nicht ansatzweise im OPS-Kode angesprochen. Zudem zitiert das BSG auszugsweise die Hinweise für die Benutzung des OPS-Kode ab der Version 2021: „Für die Behandlungsleitung kann kodespezifisch der Umfang für die Anwesenheit und Teilnahme an den Teambesprechungen festgelegt werden.“(BSG, aaO Rdz 18). Dabei lässt es außer Acht, dass das BfArM rückwirkend zum 01.01.2021 (also ab 2021) folgende Klarstellung gegeben hat: „Mit der Behandlungsleitung sind keine Vorgaben zur Anwesenheit, Patientenkontakten und Teilnahme an den Teambesprechungen oder Visiten verbunden, sofern keine kodespezifischen Vorgaben hierzu bestehen.“

 

Es hätte daher ausgereicht, dass das BSG im Rahmen eines obiter dictum gegenüber den Vertragsparteien angeregt hätte, künftig die Anwesenheitszeiten der Behandlungsleitung festzulegen. Denkbar ist jedoch auch, dass das BSG ab dem 01.01.2021 die Klarstellungen des BfArM zu Grunde legt. Eine konkrete Aussage hierzu fehlt jedoch im besprochenen Urteil. Nunmehr stellt die Behandlungsleitung im OPS 8-890 ein Strukturmerkmal dar.

 

  Datum: 10.10.2024 11:39:57
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Eine Aufrechnung nach der Übergangsvereinbarung der PrüfvV ist für den Übergangszeitraum mit höherrangigem Recht vereinbar
 

Die in der Übergangsvereinbarung der PrüfvV für einen Übergangszeitraum geregelte Weitergeltung der Aufrechnungsmöglichkeit ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Vorschrift § 109 Abs. 6 S. 3 SGB V erlaubt nicht nur die Vereinbarung von Ausnahmen zum Aufrechnungsverbot, sondern lässt auch abweichende Regelungen grundsätzlich zu.

 

BSG, Urteil vom 28.08.2024, B 1 KR 18/23 R

 

– Aufrechnungsverbot nach § 109 Abs. 6 S. 1 SGB V, Aufrechnungsmöglichkeit nach der Übergangsvereinbarung der PrüfvV vom 10.12.2019 –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG hat die Gültigkeit der Regelungen der Prüfverfahrensvereinbarung vom 03.02.2016 (im Folgenden: PrüfvV) und die Übergangsvereinbarung zur PrüfvV vom 10.12.2019 unterstrichen und damit konkludent auch die Rechtsposition der Deutschen Krankenhausgesellschaft und des GKV-Spitzenverbandes gestärkt.

 

Nach § 10 PrüfvV war eine Krankenkasse berechtigt, einvernehmlich festgestellte oder nach § 8 PrüfvV mitgeteilte Erstattungsansprüche mit einem unstreitigen Leistungsanspruch des Krankenhauses aufzurechnen. Durch die Übergangsvereinbarung vom 10.12.2019 wurde die Gültigkeit der Regelungen der PrüfvV verlängert. Die Übergangsvorschriften galten dabei auch für die Überprüfung von denjenigen Patienten, die ab dem 01.01.2020 in ein Krankenhaus aufgenommen worden waren.

 

Gleichzeitig wurde § 109 SGB V am 01.01.2020 um einen Absatz 6 ergänzt, wonach gegen die Forderungen von Krankenhäusern, die aufgrund der Versorgung von ab dem 01.01.2020 aufgenommenen Patientinnen und Patienten entstanden sind, Krankenkassen grundsätzlich nicht mit Ansprüchen auf Rückforderung geleisteter Vergütungen aufrechnen können. Die Aufrechnung ist nur ausnahmsweise möglich, wenn die Forderung der Krankenkasse vom Krankenhaus nicht bestritten wird oder rechtskräftig festgestellt wurde. Jedoch können laut § 109 Abs. 6 S. 3 SGB V in der PrüfvV (als Vereinbarung nach § 17c Absatz 2 Satz 1 KHG ) abweichende Regelungen vorgesehen werden.

 

Im Urteil vom 28.08.2024 musste sich das BSG mit der Problematik dieser sich auf den ersten Blick widersprechenden Vorschriften für den Zeitraum ab dem 01.01.2020 auseinandersetzen.

 

Sachverhalt

 

Der bei der Beklagten versicherte Patient war im Jahr 2021 im klägerischen Krankenhaus stationär behandelt worden, was von der Klägerin entsprechend in Rechnung gestellt worden war. Diese Rechnung vergütete die Beklagte zunächst vollständig. Am 01.12.2021 erklärte die Beklagte die Aufrechnung unstrittiger Behandlungskosten mit der Forderung aus dem Behandlungsfall, nachdem der beauftrage MDK zu dem Ergebnis gelangt war, dass eine stationäre Krankenhausbehandlung medizinisch nicht notwendig gewesen sei. Die Klägerin erhob hiergegen Klage vor dem zuständigen Sozialgericht, da die Abrechnung im Behandlungsfall korrekt kodiert worden sei.

 

Das Sozialgericht verurteilte daraufhin die Beklagte antragsgemäß und stellt fest, dass keine wirksame Aufrechnung vorgelegen habe.

 

Der Aufrechnung durch die Beklagte stehe nach Ansicht des Sozialgerichts ein gesetzliches Aufrechnungsverbot entgegen. Eine vertragliche Ausnahme greife nicht. Im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung am 01.12.2021 habe das gesetzliche Aufrechnungsverbot des § 109 Abs. 6 SGB V existiert. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung sei auch nicht von der gesetzlichen Ausnahme des § 109 Abs. 6 S. 2 SGB V gedeckt, da die Forderung nicht unbestritten oder rechtskräftig festgestellt worden sei.

 

Gemäß § 109 Abs. 6 S. 3 SGB V können in der Vereinbarung nach § 17c Abs. 2 S. 1 KHG zwar abweichende Regelungen vorgesehen werden. Nicht mit § 109 Abs. 6 S. 1 SGB V vereinbar sei aber eine vertragliche Vereinbarung, die das ab dem 01.01.2020 bestehende gesetzliche Aufrechnungsverbot generell ausheble.

 

Für die Beurteilung der vorliegenden Sachlage sei mithin unbeachtlich, dass nach dem eindeutigen Wortlaut der Übergangsprüfverfahrensvereinbarung vom 10.12.2019 eine generelle Aufrechnung weiterhin über den 01.01.2020 hinaus zulässig sein solle. Die am 01.12.2021 erklärte Aufrechnung der Beklagten verstoße gegen das gesetzliche Aufrechnungsverbot des § 109 Abs. 6 Satz 1 SGB V. Die Klägerin habe daher einen Anspruch auf Zahlung der Forderung.

 

Hiergegen legte die Beklagte Revision ein.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Das BSG hob das Sozialgerichtsurteil auf und wies die Sache an das Sozialgericht zurück.

 

Der von der Beklagten erklärten Aufrechnung stehe nicht das Aufrechnungsverbot nach § 109 Abs. 6 S. 1 SGB V entgegen. Die in der Übergangsvereinbarung der PrüfvV für einen Übergangszeitraum geregelte Weitergeltung der Aufrechnungsmöglichkeit nach der Prüfverfahrensvereinbarung 2016 sei mit höherrangigem Recht vereinbar. § 109 Abs. 6 S. 3 SGB V erlaube nicht nur die Vereinbarung von Ausnahmen zum Aufrechnungsverbot, sondern lasse abweichende Regelungen grundsätzlich zu. Damit überlasse der Gesetzgeber die Realisierung des Aufrechnungsverbots letztlich den Vereinbarungspartnern, stärke aber durch die Normierung des Aufrechnungsverbots die Verhandlungsposition der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Die Vereinbarung, das Aufrechnungsverbot übergangsweise zu suspendieren, überschreite die Grenzen des den Vertragsparteien der Prüfverfahrensvereinbarung zugewiesenen normvertraglichen Gestaltungsspielraums jedenfalls nicht. Das BSG könne aber auf Grundlage der Feststellungen des Sozialgerichts nicht abschließend entscheiden, ob der Beklagten der aufgerechnete Erstattungsanspruch zustanden habe.

 

Anmerkungen

 

Gegenwärtig liegt nur der Terminsbericht vor. Jedoch wird bereits daraus deutlich, dass das BSG die Regelungen der Übergangsprüfverfahrensvereinbarung vom 10.12.2019 als rechtmäßig und für mit höherrangigem Recht vereinbar erachtet.

 

§ 109 Abs. 6 S. 3 SGB V erlaubt somit nach dem BSG nicht nur die Vereinbarung von Ausnahmen zum Aufrechnungsverbot gem. § 109 Abs. 6 S. 1 SGB V, sondern gibt den Vertragsparteien das Recht, abweichende Regelungen zu erlassen- wie hier die weitere Aufrechnungsmöglichkeit für einen bestimmten Zeitraum.

 

  Datum: 09.10.2024 09:09:09
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Anspruch auf Aufwandspauschale bei Anerkenntnis des Vergütungsanspruchs durch die Krankenkasse
 

Der Anspruch auf die Aufwandspauschale entsteht, sobald eine Abrechnungsminderung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise faktisch ausgeschlossen ist. Dies ist bei einem Anerkenntnis im gerichtlichen Verfahren der Fall. Es gilt auch hier die zweijährige Verjährungsfrist.

 

BSG, Urteil vom 28.08.2024, B 1 KR 23/23 R

 

Aufwandspauschale gem. § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V a. F., zweijährige Verjährungsfrist nach § 109 Abs. 5 S. 1 SGB V analog

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG hat seine bisherige Rechtsprechung zur Aufwandspauschale bestätigt, wonach das MD-Prüfergebnis für den Anspruch auf die Aufwandspauschale unbeachtlich ist, wenn es im nachfolgenden Gerichtsverfahren keine Bestätigung des geminderten Betrags gibt (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 24/14 R –, juris Rn. 10). Wenn demnach eine Krankenkassen den Vergütungsanspruch im gerichtlichen Verfahren gegen sich anerkennt, kann sie den Anspruch auf Aufwandspauschale nicht mit dem Argument verweigern, dass das Krankenhaus diesen Anspruch früher hätte fordern bzw. einklagen müssen.

 

Sachverhalt

 

Das klägerische Krankenhaus hatte eine bei der Beklagten versicherte Patientin im Jahr 2016 stationär behandelt. Mit der Rechnung für diese Behandlung forderte der Kläger von der Beklagten eine Vergütung in Höhe von 3.141,42 €. Die Beklagte bezahlte die Rechnung zunächst vollständig und leitete eine Prüfung der Verweildauer durch den MD (damals noch MDK) ein. Der MD führte in seinem Gutachten aus, dass die Abrechnung fehlerhaft gewesen sei. Im Jahr 2017 verrechnete die Beklagte daher 1.659,54 € mit unstreitigen klägerischen Forderungen aus anderen Behandlungsfällen. Der Kläger erhob hiergegen Klage vor dem zuständigen Sozialgericht. Der Rechtsstreit endete im November 2020 durch die klägerische Annahme des von der Beklagten erklärten Anerkenntnisses.

 

Im Jahr 2021 stellte der Kläger der Beklagten die Aufwandspauschale gem. § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V in der damals geltenden Fassung vom 23.12.2016 (im Folgenden a. F.) in Höhe von 300,00 € in Rechnung. Die Beklagte wies den Anspruch auf die Aufwandspauschale zurück. Sie war der Ansicht, dass der Kläger die Aufwandspauschale im Rahmen des vorherigen gerichtlichen Vergütungsverfahrens hätte miteinklagen müssen. Nun sei der Anspruch verjährt.

 

Der Kläger erhob daher beim zuständigen Sozialgericht Klage auf Zahlung der Aufwandspauschale nebst Zinsen. Der Anspruch aus § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V a. F. auf die Aufwandspauschale sei nicht verjährt, denn die Verjährungsfrist habe erst mit Abschluss des gerichtlichen Verfahrens und nicht mit Erstellung des MD-Gutachtens oder im Zeitpunkt der Behandlung der Patientin zu laufen begonnen. Entstanden sei der Anspruch erst mit dem Abschluss des Gerichtsverfahrens. Erst dann habe objektiv festgestanden, dass die ursprüngliche Abrechnung insgesamt rechtmäßig gewesen sei. Nach dem Wortlaut des § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V löse erst eine Prüfung, die nicht zu einer Reduzierung des Abrechnungsbetrages führe, die Aufwandspauschale aus. Damit werde eindeutig auf das Ergebnis der Prüfung abgestellt.

 

Das zuständige Sozialgericht hat die Beklagte zur Zahlung der Aufwandspauschale nebst Zinsen verurteilt. Das angerufene Landessozialgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen legte die Beklagte Revision ein.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG hat die Revision zurückgewiesen. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Zahlungsanspruch der Aufwandspauschale zu. Der klägerische Anspruch gemäß § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V a. F. sei bei der Klageerhebung im Jahr 2021 nicht verjährt gewesen. Der Anspruch sei erst mit dem Zugang des von der Beklagten abgegebenen Anerkenntnisses im November 2020 entstanden. Der Anspruch auf die Aufwandspauschale entstehe, sobald eine Abrechnungsminderung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise jedenfalls faktisch ausgeschlossen sei. Der Eintritt einer Abrechnungsminderung sei ausgeschlossen, wenn die Krankenkasse wie hier in einem gerichtlichen Verfahren den ungeminderten Abrechnungsbetrag anerkannt habe. Die Beklagte habe im November 2020 unstreitig ein Anerkenntnis abgegeben. Damit sei auch der Anspruch auf die Aufwandspauschale entstanden. Die für die Aufwandspauschale analog geltende zweijährige Verjährungsfrist nach § 109 Abs. 5 S. 1 SGB V habe am 31.12.2022 geendet und sei bei der Klageerhebung somit nicht abgelaufen gewesen.

 

Anmerkungen

 

Gegenwärtig liegt nur der Terminsbericht vor.

 

Danach hat das BSG erneut klargestellt, dass es bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung für die Entstehung des Zahlungsanspruchs der Aufwandspauschale nicht auf das Ergebnis des MD-Gutachtens oder die leistungsrechtliche Entscheidung der Krankenkasse ankommt. Vielmehr entsteht der Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale im Fall eines gerichtlichen Vergütungsverfahrens erst mit dessen rechtskräftiger Beendigung. Erst zu diesem Zeitpunkt kann ein Krankenhaus erkennen, dass eine Abrechnungsminderung faktisch ausgeschlossen ist und ihm daher eine Aufwandspauschale zusteht. Dies gilt z.B. bei einem vollen Anerkenntnis des Vergütungsanspruches durch die beklagte Krankenkasse.

 

  Datum: 09.10.2024 08:58:57
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Landesrechtliche Regelungen nach § 112 SGB V für Vergütungstatbestände sind außerhalb der bundesrechtlichen Finanzierungs-Vorschriften unzulässig
 

Die Regelung einer materiell-rechtlichen Vergütung in einem Landesvertrag nach § 112 SGV V außerhalb des bundeseinheitlichen Finanzierungrechts ist nichtig.  Die bundesrechtlichen Vergütungsvorschriften sind abschließend. Eine eigenständige Vergütung einer Erstuntersuchung in einem Landesvertrag ist nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 112 Abs 2 SGB V (Hamburg) gedeckt.

 

BSG, Urteil vom 25.06.2024, B 1 KR 12/23 R

 

– Vergütung Erstuntersuchung, vorstationäre Behandlung gem. § 115a SGB V, § 4 Abs. 6 Satz 3 Landesvertrag (Hamburg), Ermächtigungsgrundlage des § 112 Abs. 2 SGB V, Krankenhausbehandlung nach § 39 Abs. 1 SGB V

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG hat mit seiner neusten Entscheidung klargestellt, dass die Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen bundesrechtlich abschließend geregelt sind. Entgelte, die in bundesrechtlichen Vorschrift nicht aufgeführt sind, dürfen für allgemeine Krankenhausleistungen nicht abgerechnet werden. Erbrachte Leistung wie Aufnahme- oder Erstuntersuchungen können somit nur als vorstationäre Behandlung gem. § 115a SGB V abgerechnet werden, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt werden.

 

Sachverhalt

 

Ein Versicherter der beklagten Krankenkasse kam im Januar 2018 aufgrund einer Kopfverletzung in die Notaufnahme des klägerischen Krankenhauses. Eine vertragsärztliche Verordnung von Krankenhausbehandlung lag nicht vor. In der Aufnahmeuntersuchung diagnostizierten die Krankenhausärzte eine Gehirnerschütterung. Sie empfahlen die stationäre Aufnahme zur weiteren neurologischen Überwachung. Der Patient lehnte die weitere Behandlung trotz medizinischer Notwendigkeit jedoch ab und verließ das Krankenhaus entgegen ärztlichem Rat.

 

Die Klägerin rechnete den Aufenthalt des Patienten nach den Grundsätzen für eine vorstationäre Behandlung ab. Die Beklagte verweigerte die Zahlung, weil es an einer für die Abrechnung einer vorstationären Behandlung erforderlichen vertragsärztlichen Verordnung von Krankenhausbehandlung gefehlt habe. Die Klägerin hielt dem entgegen, der in Hamburg geltende „Vertrag Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (§ 112 Absatz 1 SGB V zu § 112 Absatz 2 Nr. 1 SGB V)“ vom 19.12.2002 (im Folgenden: Landesvertrag) lasse die Abrechnung als vorstationäre Behandlung ohne Einweisung zu, wenn der Patient nach der Erstuntersuchung die notwendige stationäre Behandlung eigenmächtig ablehne.

 

Das angerufene SG hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Das LSG hat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Die von der Klägerin durchgeführte Erstuntersuchung sei gemäß § 4 Abs 6 Satz 3 Landesvertrag „wie“ eine vorstationäre Behandlung abzurechnen. Danach müssen - vergleichbar einer Rechtsfolgenverweisung - nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen einer vorstationären Krankenhausbehandlung vorliegen; die Leistung werde lediglich nach den für diese Behandlung geltenden Sätzen vergütet. Die landesvertragliche Regelung verletze kein Bundesrecht. Insbesondere halte sie sich im Rahmen der den Vertragsparteien nach § 112 SGB V eingeräumten Regelungskompetenz. Sie betreffe nicht ambulante vertragsärztliche Leistungen, sondern die zur allgemeinen Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V gehörende Aufnahmeuntersuchung.

 

Hiergegen legte die Beklagte Revision ein. Sie rügt dabei eine Verletzung von § 115a SGB V. Die Vorschrift definiere den Begriff der vorstationären Behandlung. Sie setze eine ärztliche Einweisung voraus und diene als Annex der vollstationären Versorgung entweder ihrer Vorbereitung oder der Prüfung, ob diese erforderlich sei. Die Voraussetzungen hätten nicht vorgelegen. Eine Aufnahmeuntersuchung könne nicht gesondert, sondern nur als Bestandteil stationärer Behandlung oder im Fall einer ambulanten Notfallbehandlung durch die Notfallpauschale abgerechnet werden. Krankenhäuser seien stets verpflichtet, die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung zu prüfen.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG hat der Revision stattgegeben, die vorinstanzlichen Urteile aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht zu. Es fehle an einer wirksamen Rechtsgrundlage. § 4 Abs. 6 Satz 3 Landesvertrag sei nicht mit Bundesrecht vereinbar und daher nichtig. Auch auf eine andere Rechtsgrundlage könne der Anspruch nicht gestützt werden.

 

Die in § 112 Abs. 1 SGB V genannten Vertragspartner auf Landesebene seien nicht ermächtigt, über die bundesrechtlich abschließend festgelegten Entgeltarten hinausgehende Entgelttatbestände für allgemeine Krankenhausleistungen festzulegen. Eine eigenständige Vergütung der Erstuntersuchung gem.§ 4 Abs. 6 Satz 3 Landesvertrag sei nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 112 Abs. 2 SGB V gedeckt und stehe nicht im Einklang mit den bundesrechtlichen Vorgaben.

 

Der auf die Ermächtigungsgrundlage des § 112 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGB V gestützte Landesvertrag begründe laut dem LSG durch § 4 Abs. 6 Satz 3 einen Entgelttatbestand, wenn ein Patient nach der Erstuntersuchung die notwendige stationäre Behandlung eigenmächtig ablehnt. Die bis dahin erbrachten Leistungen seien laut dem LSG grundsätzlich wie eine vorstationäre Leistung zu vergüten, falls eine Verordnung gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V nicht vorliegt. Somit handele sich um eine eigenständige Vergütungsregelung für die Erstuntersuchung.

 

Die vom LSG gefundene Auslegung der landesvertraglichen Regelung sei für das BSG zwar grundsätzlich verbindlich, da es sich bei den Regelungen des Landesvertrages um Vorschriften handle, deren Geltungsbereich sich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstrecken würden.

 

Die Vereinbarung eines eigenen Entgelttatbestandes wie für die Aufnahme- oder Erstuntersuchungen sei aber von der Ermächtigungsgrundlage des § 112 Abs. 2 SGB V nicht gedeckt. § 112 Abs. 2 SGB V enthalte keine entsprechende Öffnungsklausel. Das Regelungssystem schließe die vertragliche Begründung eines eigenständigen Vergütungstatbestandes aus. Die gesetzliche Definition der Arten der Krankenhausbehandlung in § 39 Abs. 1 SGB V sei abschließend und durch eine Regelung in einem Vertrag nach § 112 SGB V nicht erweiterbar. Die Vertragspartner der Landesverträge seien nicht ermächtigt, über die bundesrechtlich abschließend festgelegten Entgeltarten hinausgehende Entgelttatbestände für unselbstständige Bestandteile allgemeiner Krankenhausleistungen der DRG-Krankenhäuser festzulegen.

 

Auch soweit das LSG davon ausgehe, dass eine Aufnahmeuntersuchung im Sinne des § 4 Abs. 6 Satz 3 Landesvertrag ein vergütungsrechtlich zulässiger verselbstständigter Teil einer teil- oder vollstationärer Behandlung sei, verstoße dies gegen § 7 KHEntgG. § 7 KHEntgG regle bundesrechtlich abschließend den Katalog von Entgelten für allgemeine Krankenhausleistungen. Entgelte, die in dieser Vorschrift nicht aufgeführt seien, dürfen für allgemeine Krankenhausleistungen nicht abgerechnet werden.

 

Hier habe mangels vertragsärztlicher Verordnung die von der Klägerin erbrachte Leistung nicht als vorstationäre Behandlung gem. § 115a SGB V abgerechnet werden können.

 

Anmerkungen

 

Aufgrund der eindeutigen Entscheidung des BSG ist eine Berufung auf landesvertragliche Vorschriften zur eigenständigen Vergütung von Aufnahme- oder Erstuntersuchungen nicht mehr möglich. Soweit nunmehr eine Abrechnung dieser Untersuchungen erfolgen soll, müssen die Voraussetzungen einer vorstationären Behandlung gem. § 115a SGB V (u.a. Verordnung von Krankenhausbehandlung, Prüfung der Notwendigkeit der vorstationären Behandlung) vollständig erfüllt sein.

 

  Datum: 27.08.2024 09:15:20
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Vereinbarung eines Untersuchungstermins für den Patienten kann bei der Entlassplanung zwingend sein
 

Wenn es die Umstände des Einzelfalls erfordern, ist ein Krankenhaus verpflichtet, die für die Erhaltung der Gesundheit eines Patienten elementaren Anschluss- und Abschlussuntersuchungen selbst zu veranlassen. Ein Krankenhaus muss gerade zum Schutz eines neugeborenen Patienten in Absprache mit den Eltern frühzeitig Kontakt mit dem weiterbehandelnden (Fach-)Arzt aufnehmen und für einen rechtzeitigen Termin für die weitere Untersuchung des Patienten sorgen.

 

BGH, Urteil vom 04.06.2024, VI ZR 108/23

 

– Anforderungen an das erforderliche Entlassmanagement gem. § 39 Abs. 1a SGB V, Befunderhebungsfehler, Beweislastumkehr gem. § 630h Abs. 5 Satz 2 BGB

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der BGH hat in einer aktuellen Entscheidung vom 04.06.2024 klargestellt, dass eine Erblindung eines Frühgeborenen einem Krankenhausträger rechtlich vorgeworfen werden kann, wenn nicht nur versäumt wurde, die Risiken der Erblindung korrekt einzuschätzen, sondern auch keine ausreichende Veranlassung durch das Krankenhaus von entsprechend erforderlichen Untersuchungen nach der Entlassung erfolgt ist. Dies kann bedeuten, dass im Rahmen des Entlassmanagements auch die Vereinbarung eines Untersuchungstermins durch das Krankenhaus selbst erfolgen muss.

 

Sachverhalt

 

Der Kläger wurde im Juli 2016 in der 25. Schwangerschaftswoche in der gynäkologischen Klinik der Beklagten geboren und in der dortigen Klinik für Kinder- und Jugendmedizin versorgt. Beim Kläger bestand ein besonderes Risiko für eine Frühgeborenen-Retinopathie samt sich daraus entwickelnder Netzhautablösung. Aus diesem Grund erfolgten regelmäßige augenärztliche Untersuchungen. Diese ergaben keine Hinweise auf eine Frühgeborenen-Retinopathie. Im Oktober 2016 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen. Der errechnete reguläre Geburtstermin des Klägers wäre der 10. November 2016 gewesen. Die Beklagte empfahl dabei eine augenärztliche Kontrolle in drei Monaten.

 

Am 24. November 2016 wurde beim Kläger in einer anderen Klinik eine Frühgeborenen-Retinopathie diagnostiziert. Das rechte Auge des Klägers war nicht mehr zu behandeln (vollständige Erblindung). Das linke Auge wies eine hochgradige Sehbehinderung auf. Der Beklagten wurde vorgeworfen, die erneute augenärztliche Kontrolle erst nach drei Monaten empfohlen zu haben. Die Abschlussuntersuchung hätte zum errechneten Geburtstermin erfolgen müssen. Bei rechtzeitiger Kontrolle wären die Retinopathie und die Sehschäden verhindert worden.

 

Das angerufene Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 130.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Es hat die Ersatzverpflichtung der Beklagten in Bezug auf zukünftige immaterielle und materielle Schäden festgestellt. Hiergegen hat die Beklagte Revision eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

 

Der BGH hat das Berufungsurteil des Oberlandesgericht aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Er war aber der Auffassung, dass die Versäumnisse der Beklagten in der gebotenen Gesamtbetrachtung als Befunderhebungsfehler zu qualifizieren seien mit der Folge, dass dem Kläger die in § 630h Abs. 5 Satz 2 BGB angeordnete Beweislastumkehr zu Gute komme. Unterlasse es ein Arzt, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, liege der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in der unterbliebenen Befunderhebung. Denn die standardwidrig verspätete Erhebung eines Befundes stehe einer Nichterhebung gleich. Die Beklagte sei somit unter den Umständen des Streitfalls verpflichtet gewesen, eine weitere Kontrolluntersuchung der Augen des Klägers rechtzeitig zu veranlassen.

 

Der Krankenhausträger sei gemäß § 39 Abs. 1a SGB V verpflichtet gewesen, im Rahmen der bestehenden Versorgungsstruktur für eine sachgerechte Anschlussversorgung nach der Krankenhausbehandlung zu sorgen. Es sei die Aufgabe des Krankenhauses, in einem Entlassplan die medizinisch unmittelbar erforderlichen Anschlussleistungen festzulegen. Vor diesem Hintergrund sei die Beklagte unter den Umständen des Streitfalls verpflichtet gewesen, die für die Erhaltung der Sehkraft des Klägers elementare augenärztliche Abschlussuntersuchung zu veranlassen. Die Beklagte hätte zum Schutz des ihr anvertrauten Klägers zumindest in Absprache mit den Eltern frühzeitig Kontakt mit einem weiterbehandelnden Augenarzt aufnehmen und für einen rechtzeitigen Termin für die Untersuchung des Klägers, beispielsweise durch Vereinbarung eines Untersuchungstermins, sorgen müssen.

 

Anmerkungen

 

Das BSG hat mit dieser Entscheidung die Patientenrechte gestärkt und gleichzeitig seine ständige Rechtsprechung fortgeführt. Neu ist insoweit die konkrete Forderung des BGH an die Krankenhausträger, im Rahmen der Entlassplanung auch eine weitere Behandlung nötigenfalls vollständig zu organisieren und insoweit für die Vereinbarung eines Untersuchungstermins selbst zu sorgen. Wie der BGH aber festgestellt hat, orientiert sich die Verantwortlichkeit und der Maßstab an die durchzuführenden Entlassmaßnahmen stets an den Umständen des jeweiligen Einzelfalls. Somit kann im Rahmen der Entlassplanung auch von einem Krankenhausträger nur das Verhalten verlangt werden, das aufgrund der jeweiligen medizinischen Gründen des Einzelfalls geboten ist. Dennoch wird durch diese Entscheidung die Bedeutung einer gewissenhaften und rechtzeitigen Entlassplanung besonders deutlich.

 

  Datum: 23.08.2024 08:56:49
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Pflege durch qualifiziertes Personal als medizinisches Erfordernis eines Krankenhausaufenthaltes bei Fehlen einer Sonderpflegeeinrichtung
 

Wenn ein stark pflegebedürftiger Patient nach einer Krankenhausbehandlung entlassen werden müsste, jedoch keine geeignete medizinische Sonderpflegeeinrichtung den Patienten anschließend aufnehmen kann, dann darf der Patient bis zur Aufnahme in eine geeignete Einrichtung stationär im Krankenhaus verbleiben. In diesem Fall scheitert die unmittelbare Entlassung des Patienten nicht an einem unzureichenden Entlassmanagement des Krankenhauses, sondern an mit der Behandlung zusammenhängenden Gründen.

 

SG Wiesbaden, Gerichtsbescheid vom 18.07.2024, S 18 KR 143/21

 

– Entlassmanagement gem. § 39 Abs. 1a SGB V, medizinisches Erfordernis einer nahtlosen Pflege durch qualifiziertes Personal, keine anderweitig verfügbare Pflegealternative –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das Sozialgericht Wiesbaden hat bestätigt, dass ein stark pflegebedürftiger Patient auch nach dem eigentlichen Ende der Behandlung im Krankenhaus weiter behandelt werden darf, wenn eine frühere Aufnahme in eine Sonderpflegeeinrichtung tatsächlich nicht möglich ist. Die spätere Entlassung ist dann nicht auf ein mangelhaftes Entlassmanagement des Krankenhauses zurückzuführen, sondern auf das besondere Pflegebedürfnis des Patienten, welches ein selbstständiges medizinisches Erfordernis für die weitere Krankenhausbehandlung darstellt.

 

Sachverhalt

 

Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Patient befand sich in der Zeit vom 27.05.2019 bis zum 14.10.2019 im klägerischen Krankenhaus zur vollstationären Behandlung. Da keine geeignete Sonderpflegeeinrichtung zur Verfügung stand, konnte der Patient erst am 14.10.2019 entlassen werden, obwohl der klägerische Sozialdienst bereits seit dem 26.09.2019 nach einer geeigneten Anschlusspflege gesucht und hierfür mehrere Sonderpflegeheime angeschrieben hatte. Mit Rechnung vom 28.10.2019 bezifferte die Klägerin die Behandlungskosten in Höhe von 191.795,76 € u. a. mit einem Langliegerzuschlag (59 Tage) sowie dem Zusatzentgelt ZE D002 (Hochaufwendige Pflege bei Erwachsenen). Die Beklagte zahlte zunächst die klägerische Rechnung und beauftragte dann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung der Abrechnung. Mit Gutachten vom 02.11.2020 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass die stationäre Krankenhausbehandlung um 12 Tage (03.10.2019 bis 14.10.2019) hätte abgekürzt werden können. Laut dem MDK habe der Sozialdienst früher eine Verlegung des Patienten in eine ambulante Behandlung unter Gewährleistung pflegerischer Versorgung herbeiführen können. Am 10.11.2019 verrechnete daher die Beklagte einen Betrag in Höhe von 16.323,34 € mit weiteren unstreitigen Forderungen der Klägerin.

 

Im Auftrag der Klägerin erhoben wir daraufhin Klage, welcher am 18.07.2024 stattgegeben wurde.

 

Entscheidungsgründe

 

Das SG Wiesbaden war der Auffassung, dass der Klägerin der geltend gemachte Vergütungsanspruch auch in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 03.10.2019 bis zum 14.10.2019 zugestanden habe und die Beklagte mit unstreitigen Forderungen nicht habe verrechnen dürfen.

 

Endet ein zunächst bestehender stationärer Behandlungsbedarf i. S. d § 39 Abs. 1 SGB V, bedürfe es einer Phase der Entlassung, die durch das Entlassungsmanagement geprägt sei. Nach § 39 Abs. 1a SGB V umfasse die Krankenhausbehandlung ein Entlassmanagement zur Unterstützung einer sektorenübergreifenden Versorgung der Patienten beim Übergang in die Versorgung nach der Krankenhausbehandlung. Unter dieser Voraussetzung habe in dem streitgegenständlichen Behandlungszeitraum für die weitere vollstationäre Krankenhausbehandlung ein medizinisches Erfordernis bestanden, weil die Entlassung aufgrund der gebotenen Sonderpflege, u. a. wegen eines absaugpflichtigen Tracheostomas, nur bei nahtloser Pflege durch qualifiziertes Personal in einer Sonderpflegeeinrichtung möglich gewesen sei.

 

Die Beklagte könne sich insoweit nicht darauf berufen, dass nach der BSG-Rechtsprechung kein Anspruch auf stationäre Behandlung bestehe, wenn der Patient zur Sicherstellung der ambulanten Behandlung einer Betreuung durch medizinische Hilfskräfte in geschützter Umgebung bedürfe und eine dafür geeignete Einrichtung außerhalb des Krankenhauses nicht zur Verfügung stehe. Dem stehe laut dem SG Wiesbaden in dem streitgegenständlichen Fall entgegen, dass vorliegend die Betreuung durch eine examinierte Pflegefachkraft und nicht durch eine medizinische Hilfskraft geboten gewesen sei. Soweit der MDK ohne nähere Begründung behauptet habe, dass der Aufenthalt anhand der vorliegenden Unterlagen um 12 Tage hätte abgekürzt werden können, habe die Klägerin substantiiert und nachvollziehbar dargelegt, dass eine frühere Verlegung des Patienten in eine Sonderpflegeeinrichtung im Rahmen des Entlassmanagements i. S. d. § 39 Abs. 1a SGB V nicht möglich gewesen sei. Die Klägerin habe zeitnah sechs Sonderpflegeheime im Umkreis von 50 Kilometern angeschrieben. Die zeitnahe Entlassung des Patienten sei daher nicht an einem unterbliebenen oder unzureichenden klägerischen Entlassmanagement, sondern an mit der Behandlung zusammenhängenden Gründen gescheitert.

 

Anmerkungen

 

Unabhängig vom Anspruch auf Übergangspflege im Krankenhaus für längstens zehn Tage gem. § 39e SGB V besteht ein Anspruch des Krankenhaus auf Behandlungsvergütung, wenn die Pflegebedürftigkeit ein selbstständiges medizinisches Erfordernis darstellt und den weiteren Aufenthalt auch nach dem vorgesehenen Behandlungsende begründet hat. Ein stark pflegebedürftiger Patient soll somit nicht notgedrungen in ungeeignete Einrichtungen ohne entsprechend qualifiziertes Personal entlassen werden müssen, nur weil die Weiterbehandlung im Krankenhaus nicht von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert werden würde. Somit stärkt diese Entscheidung nicht nur die Rechte der Krankenhäuser, sondern auch die Patientenrechte von stark pflegebedürftigen Menschen.

 

  Datum: 06.08.2024 12:08:20
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Anwendbarkeit der GOÄ bei ambulanten Leistungen im Krankenhaus bei Selbstzahlern
 

Der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) setzt nicht voraus            , dass der Vertragspartner des Patienten* ein Arzt* ist, sondern dass die Vergütung für die beruflichen Leistungen eines Arztes geltend gemacht wird. Die GOÄ findet daher auch dann Anwendung, wenn der Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person wie einem Krankenhausträger abgeschlossen wurde und ambulante Leistungen durch Ärzte erbracht wurden, die nur im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses tätig wurden und mit dem (selbstzahlenden) Patienten keine Vertragsbeziehung eingegangen sind. Pauschale Vergütungsvereinbarungen sind unzulässig.

 

*Die Bezeichnung Patient oder Arzt umfasst i. Folg. alle Geschlechter

 

BGH, Urteil vom 04.04.2024, III ZR 38/23

 

– Vergütung nach GOÄ, Selbstzahler, bei juristischen Personen angestellte Ärzte, pauschale Vergütungsvereinbarung, Formnichtigkeit –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der BGH hat mit dieser Entscheidung der mehr als 40 Jahre alten Verordnungsbegründung, wonach die GOÄ nicht für Leistungen durch Einrichtungen wie Krankenhäuser gelte, eine Absage erteilt und hiermit die Patientenrechte gestärkt. Demnach haben Patienten auch als Selbstzahler ein Recht auf eine Vergütung der ärztlichen Leistung, die die GOÄ zu Grunde legt. Pauschale Vergütungsvereinbarungen sind danach unzulässig. 

 

Sachverhalt

 

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer ambulanten Leistung mittels sog. Cyberknife-Verfahren.

 

Der gesetzlich krankenversicherte Kläger befand sich beim beklagten Universitätsklinikum wegen eines Prostatakarzinoms in ärztlicher Behandlung. Kläger und Beklagte vereinbarten, dass das innovative Cyberknife-Verfahren zur Anwendung kommen sollte. Das Cyberknife ist ein aus einem kompakten Linearbeschleuniger bestehendes Bestrahlungsgerät, das eine hochenergetische Präzisionsbestrahlung von Tumoren ermöglicht. Die Behandlung wird in der Regel ambulant durchgeführt. Das Verfahren war in dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) für gesetzlich krankenversicherte Patienten nicht enthalten und gehörte daher grundsätzlich nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Die Beklagte verfügte auch nicht über eine Ermächtigung gemäß § 116b SGB V, das Verfahren im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung anwenden zu dürfen.

 

Im März 2020 lehnte die klägerische Krankenkasse gegenüber dem Kläger die Kostenbeteiligung am Cyberknife-Verfahren ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch samt Klage blieb erfolglos. Die Beklagte informierte den Kläger daneben über eine zusätzliche Ablehnung des Antrags der Beklagten auf Kostenübernahme im Rahmen einer Einzelfallentscheidung und teilte mit, dass der Kläger für die Kosten selbst aufkommen müsse, wenn er die Cyberknife-Behandlung wünsche. Der Kläger unterzeichnete sodann im April 2020 eine pauschale Vergütungsvereinbarung, mit der er bestätigte, die anfallenden Kosten in Höhe von 10.633,00 € nach erfolgter Behandlung zu begleichen. Daraufhin wurde die Cyberknife-Behandlung ambulant durchgeführt.

 

Im Juli 2020 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm eine ordnungsgemäße Rechnung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zu stellen. Die Beklagte berechnete dem Kläger sodann mit der Leistungsbezeichnung „Cyberknife Komplexleistung III“ einen Pauschalbetrag in Höhe von 10.633 €, den der Kläger anschließend vollständig bezahlte. Der Kläger machte danach aber geltend, die Beklagte habe ihn pflichtwidrig nicht darüber aufgeklärt, dass andere gesetzliche Krankenkassen die Kosten für eine Cyberknife-Behandlung übernähmen. Ihm wäre ein Wechsel zu einer dieser Krankenkassen vor dem Behandlungsbeginn ohne weiteres möglich gewesen. Als Pauschalpreisvereinbarung widerspreche die Kostenübernahmeerklärung außerdem den Bestimmungen der GOÄ.

 

Das angerufene Landgericht hat die Beklagte zur Rückzahlung des erhaltenen Honorars nebst Zinsen verurteilt. Nachdem die eingelegte Berufung hiergegen erfolglos blieb, legte die Beklagte Revision ein. Die Revision der Beklagten blieb nunmehr ebenfalls erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

 

Der BGH war der Ansicht, dass die Revision unbegründet sei.

 

Eine wirtschaftliche Aufklärung über die gesetzlichen Krankenkassen, welche die Kosten einer Cyberknife-Behandlung übernähmen, habe die Beklagte zwar nicht geschuldet, da in der im April 2020 vom Klägerin unterzeichneten Kostenübernahmeerklärung die voraussichtlichen Kosten angegeben worden seien. Eine Informationspflicht zur umfassenden wirtschaftlichen Beratung des Patienten besteht insoweit nicht.

 

Der Kläger habe aber einen Anspruch auf Rückzahlung der Vergütung in Höhe von 10.633,00 € nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, da die Kostenübernahmeerklärung als Pauschalpreisvereinbarung wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 GOÄ gemäß § 125 BGB nichtig sei. Die GOÄ sei auch auf durch einen angestellten Arzt erbrachte ambulante Leistungen einer juristischen Person anwendbar. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 GOÄ, der auf die beruflichen Leistungen der Ärzte abstelle und nicht zwischen selbständigen und angestellten Ärzten differenziere. Es sei auch äußerst fernliegend, dass die Vergütungsgestaltung ambulanter Behandlungen durch bei juristischen Personen angestellte Ärzte nach dem Willen des Gesetzgebers ohne Regelungen bleiben solle. Nach dem Sinn und Zweck der GOÄ handle es sich hierbei um ein für alle Ärzte zwingendes Preisrecht, welches den Interessen der Ärzte und der zur Zahlung verpflichteten Patienten Rechnung tragen solle. Zudem bestünde eine erhebliche Missbrauchsgefahr, wenn sich Ärzte allein durch die Gründung einer juristischen Person der Bindung an die GOÄ zum Nachteil des Patienten entziehen könnten. Die von einem Arzt im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses erbrachten ambulanten Behandlungsmaßnahmen seien dabei der juristischen Person, die die Behandlung gegenüber dem Patienten vertraglich schulde, selbst aber keine Leistung „persönlich“ erbringen könne, zuzurechnen, so dass die Voraussetzungen einer persönlichen Leistungserbringung im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ erfüllt seien.

 

Die Formnichtigkeit der Pauschalpreisvereinbarung sei vorliegend auch nicht ausnahmsweise wegen treuwidrigen Verhaltens des Patienten gemäß § 242 BGB unbeachtlich. Denn die Beklagte hätte die durchgeführte Cyberknife-Behandlung hilfsweise nach der GOÄ (im Wege der Analogberechnung) abrechnen können, wozu sie der Kläger im Juli 2020 ausdrücklich aufgefordert habe. Gemäß § 6 Abs. 2 GOÄ können nämlich selbständige Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen worden seien, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden.

 

Anmerkungen

 

Der BGH widerspricht mit diesem Urteil der bislang teilweise in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung, wonach eine juristische Person als Leistungserbringer und Behandelnder nicht verpflichtet sei, ihre Leistungen gegenüber Selbstzahlern nach der GOÄ abzurechnen und somit freie Preise vereinbaren könne. Laut dem BGH muss auch ein Krankenhaus oder ein MVZ nunmehr selbst bei in der GOÄ nicht aufgeführten ambulanten Leistungen gegenüber einem selbstzahlenden Patienten auf Grundlage der GOÄ im Wege der Analogberechnung abrechnen.

 

Vom BGH nicht behandelt wurde die Frage, ob und inwieweit das Krankenhaus berechtigt war, die ambulante Leistung zu erbringen.

 

  Datum: 05.07.2024 12:12:43
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Ständige Anwesenheit der Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ im OPS 8-980
 

Die im OPS 8-980 verlangte Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ erfordert bei einer intensivmedizinischen Behandlung, dass ein solcher Facharzt zumindest einmal täglich persönlich auf der Intensivstation anwesend ist und im Übrigen eine durchgehende Rufbereitschaft besteht.

 

BSG, Urteil vom 25.06.2024, B 1 KR 20/23 R

 

– OPS 8-980, Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“, tägliche Anwesenheit, Rufbereitschaft–

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG legt in seiner aktuellen Entscheidung vom 25.06.2024 an das Mindestmerkmal des OPS 8-980 „Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin"“ stringente Anforderungen hinsichtlich der Anwesenheit der zuständigen Behandlungsleitung an.

 

Sachverhalt

 

Im klägerischen Krankenhaus wurde eine an einer Gelbsucht und einer bösartigen Neubildung des Nierenbeckens leidende Patientin von Dezember 2015 bis Februar 2016 vollstationär behandelt. Der Kläger rechnete den Behandlungsfall gegenüber der beklagten Krankenkasse nach Maßgabe der Fallpauschale L36Z ab und verschlüsselte hierfür den Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 8-980.20 für eine intensivmedizinische Komplexbehandlung (Basisprozedur).

 

Die Beklagte zahlte den sich daraus ergebenden vollständigen Rechnungsbetrag nur unter Vorbehalt und verrechnete nach durchgeführter MDK-Prüfung einen Teilbetrag mit anderen unstreitigen Forderungen des Klägers. Die Beklagte machte geltend, die für die Kodierung des OPS 8-980 erforderliche lückenlose Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ an Wochenenden, Feiertagen und in der Urlaubszeit sei für den streitigen Behandlungszeitraum nicht belegt. Die Vergütung berechne sich deshalb nach der geringer bewerteten Fallpauschale L09C.

 

Die daraufhin eingelegte Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Landessozialgericht hat zur Begründung ausgeführt, dass die vom OPS 8-980 verlangte Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ erfordere, dass ein solcher auch an Wochenenden und Feiertagen täglich persönlich im Krankenhaus anwesend sei. Die beiden auf der Intensivstation des Klägers dienstplanmäßig tätigen Fachärzte mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ seien ausweislich der von dem Kläger vorgelegten Dienstpläne in einem Zeitraum von Freitagnachmittag bis Montagfrüh nicht im Dienst gewesen und hätten damit in dieser Zeit eine Behandlungsleitung nicht wahrnehmen können. Auch eine Rufbereitschaft oder sonstige Maßnahmen zur Ermöglichung einer persönlichen Anwesenheit der Behandlungsleitung hätten nicht bestanden.

 

Mit seiner Revision rügte der Kläger eine Verletzung des OPS 8-980. Das BSG hat die Revision des Klägers jedoch nun zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG ist der Ansicht, dass die im OPS 8-980 (Version 2015) verlangte Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ erfordere, dass ein solcher Facharzt zumindest einmal täglich persönlich auf der Intensivstation anwesend sei und im Übrigen eine durchgehende Rufbereitschaft bestehe. Dies folge laut dem BSG aus einer eng am Wortlaut orientierten und durch systematische Erwägungen unterstützten Auslegung des OPS 8-980. Dabei seien auch die Besonderheiten der intensivmedizinischen Behandlung zu berücksichtigen, bei der behandlungsleitende Entscheidungen auch unvorhergesehen zu jeder Zeit kurzfristig erforderlich werden können. Danach sei das Mindestmerkmal in dem streitigen Behandlungsfall nicht erfüllt gewesen. Die beiden im Krankenhaus des Klägers seinerzeit auf der Intensivstation dienstplanmäßig tätigen Fachärzte mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ seien während der Behandlung von Freitagnachmittag bis Montagfrüh beide nicht im Dienst gewesen und haben damit eine Behandlungsleitung nicht wahrnehmen können.

 

Anmerkungen

 

Gegenwärtig liegt nur der Terminsbericht vor. Das Urteil des BSG überrascht, da im OPS-Kode 8-980 (Version 2015) keine Anwesenheitszeiten der Behandlungsleitung vorgesehen sind.

 

Das BSG vermischt das Mindestmerkmal der Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin"“ mit dem separaten Mindestmerkmal „Eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation muss gewährleistet sein“. Es wird vom Wortlaut explizit nur eine ständige ärztliche Anwesenheit, aber gerade keine Anwesenheit der Behandlungsleitung verlangt. Noch nicht erkennbar ist, ob sich das BSG mit der Klarstellung des BfArM gem. § 295 Abs. 1 Satz 8 und § 301 Abs. 2 Satz 6 SGB V auseinandergesetzt hat, die ab 01.01.2021 gilt. Das BfArM hatte klargestellt, dass mit der Behandlungsleitung in den jeweiligen OPS-Kodes keine Vorgaben zur Anwesenheit, Patientenkontakten und Teilnahme an den Teambesprechungen oder Visiten verbunden sind, es sei denn es bestehen kodespezifische Vorgaben. Es ist daher zurzeit noch offen, ob das BSG Urteil auch für die Zeiträume ab 01.01.2021 Anwendung findet. Insoweit kommt es auf die schriftlichen Urteilsgründe an, die noch nicht vorliegen.

 

Kurzfristig könnte auf die geänderten Anforderungen an den OPS 8-980 evtl. durch die formale Übertragung der Behandlungsleitung auf mehrere Fachärzte mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ reagiert werden.

 

Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werden wir Sie weiter informieren.

 

  Datum: 04.07.2024 11:54:09
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Schadensersatzanspruch wegen Verlegung ohne sachlichen Grund
 

Eine medizinisch mögliche Weiterbehandlung im eigenen Krankenhaus hat grundsätzlich Vorrang gegenüber einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus. In diesem Fall sei nicht zu prüfen, ob eine Verlegung wirtschaftlicher gewesen wäre. Wenn ein Krankenhaus einen Patienten* ohne sachlichen Grund verlegt, dann trägt es in der Regel das Risiko der hierdurch verursachten Mehrkosten. Eine solche schuldhafte Pflichtverletzung des Krankenhauses kann insoweit zu einem Schadensersatzanspruch der jeweiligen Krankenkasse führen. Als sachlicher Grund kommen hierfür in Betracht: Zwingende medizinische Gründe, zwingende Gründe in der Person des Patienten sowie übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern (§ 1 Abs. 1 KHG).

 

*Die Bezeichnung Patient umfasst i. Folg. alle Geschlechter

 

BSG, Urteil vom 16.05.2023, B 1 KR 29/22 R

 

Verlegung, sachlicher Grund, Pflichtverletzung, Schadensersatzanspruch, Wirtschaftlichkeitsgebot, Vorrang einer medizinisch möglichen Weiterbehandlung –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG hat seine jüngste Rechtsprechung gemäß der Entscheidung vom 07.03.2023 (B 1 KR 4/22 R) zu der Schadensersatzpflicht eines Krankenhauses im Falle einer unberechtigten Verlegung und damit einhergehender Mehrkosten bestätigt. Wir hatten Sie über dieses Urteil vom 07.03.2023 bereits in unseren Newsletter vom 11.05.2023 und vom 30.06.2023 informiert.

 

Sachverhalt

 

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung im Zusammenhang mit einer Verlegung.

 

Das klagende Universitätsklinikum behandelte den bei der Beklagten krankenversicherten Patienten seit Februar 2016 vollstationär wegen einer Wirbelkörperfraktur als Folge einer malignen Tumorerkrankung mit multiplen Metastasen und verlegte ihn im März 2016 in ein anderes Krankenhaus zur Weiterbehandlung mittels Radiotherapie, die dort bis zum 23.03.2016 durchgeführt wurde und zur Abrechnung einer Fallpauschale führte, die hier nicht streitig ist.

 

Der Kläger stellte der Beklagten daraufhin insgesamt 23.003,45 € in Rechnung, welche die Beklagte zunächst beglich. Später verrechnete sie einen Teilbetrag in Höhe von 11.087,88 € mit einer unstreitigen klägerischen Forderung, weil die Verlegung unwirtschaftlich gewesen sei. Wäre die Bestrahlung im Haus des Klägers durchgeführt worden, hätten sich die Gesamtbehandlungskosten um den verrechneten Betrag verringert.

 

Das Sozialgericht hat die Beklagte zur vollständigen Zahlung nebst Zinsen verurteilt. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Das LSG war der Ansicht, dass dem Kläger der vollständige Rechnungsbetrag zugestanden habe. Die Voraussetzungen für einen Verlegungsabschlag seien nicht erfüllt gewesen. Die eng am Wortlaut auszulegenden Abrechnungsbestimmungen erforderten nicht, dass die Verlegung medizinisch notwendig sei. Das Wirtschaftlichkeitsgebot werde allein durch die Vertragsparteien nach § 17b Absatz 2 Satz 1 KHG konkretisiert. Die Grundsätze des fiktiven wirtschaftlichen Alternativerhaltens ständen dem nicht entgegen, weil erst nachträglich erkennbar sei, ob die Verlegung höhere Kosten verursache. Der Beklagten stehe auch kein Schadensersatzanspruch zu. Die Verlegung von einem Krankenhaus der Maximalversorgung in ein Krankenhaus der Regel- oder Schwerpunktversorgung sei nicht durch ökonomische Interessen veranlasst, sondern sachgerecht und zweckmäßig, wenn die vom Maximalversorger vorgehaltene besondere personelle und apparative Ausstattung nicht mehr benötigt werde.

 

Die Revision der Beklagten hatte nun teilweise Erfolg, da das BSG das LSG-Urteil aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen hat.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG war der Ansicht, dass dem Kläger zwar der streitige Vergütungsanspruch in voller Höhe zugestanden habe, denn ein Verlegungsabschlag sei nicht zu berücksichtigen und der Vergütungsanspruch sei bei einer Verlegung nicht davon abhängig, ob diese notwendig gewesen sei.

 

Das BSG konnte aber anhand der bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden, ob der Beklagten eventuell ein Schadensersatzanspruch zustehe. In Fortführung der Rechtsprechung zu den Grundlagen und Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs der Krankenkasse im Zusammenhang mit einer Verlegung (siehe Bundessozialgerichtsurteil vom 07.03.2023 (B 1 KR 4/22 R)) betont das BSG den aus der Behandlungspflicht folgenden grundsätzlichen Vorrang einer medizinisch möglichen Weiterbehandlung im eigenen Haus gegenüber einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus.

 

Aufgrund dieses Vorrangverhältnisses erfordere eine Weiterbehandlung im eigenen Haus grundsätzlich nicht eine Prüfung, ob eine Verlegung wirtschaftlicher gewesen wäre. Eine solche Wirtschaftlichkeitsprüfung sei laut dem BSG auch dann nicht erforderlich, wenn die Verlegung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sei. Neben zwingenden medizinischen Gründen könne eine Verlegung auch durch zwingende Gründe in der Person des Patienten oder - beispielsweise in einem mehrstufigen Krankenhausversorgungssystem - durch übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung gerechtfertigt sein.

 

Wenn ein Krankenhaus einen Patienten aber ohne sachlichen Grund verlegt, dann trage es in der Regel das Risiko der dadurch verursachten Mehrkosten. Eine schuldhafte (Behandlungs-)Pflichtverletzung des Krankenhauses scheidet in einem solchen Fall nur dann aus, wenn das grundlos verlegende Krankenhaus trotz sorgfältiger Wirtschaftlichkeitsprüfung ausnahmsweise davon ausgehen durfte, die Verlegung werde keine Mehrkosten verursachen. Nicht entscheidend sei demgegenüber, ob das verlegende Krankenhaus die entstehenden Kosten im Einzelnen im Voraus abschätzen konnte.

 

Anmerkungen

 

Gegenwärtig liegt lediglich der Terminsbericht vor. Danach muss ein Krankenhaus die durch eine unbegründete Verlegung verursachten Mehrkosten tragen, es sei denn, dass es trotz sorgfältiger Wirtschaftlichkeitsprüfung ausnahmsweise davon ausgehen durfte, dass die Verlegung keine Mehrkosten bei der jeweiligen Krankenkasse verursachen würde.

 

Insoweit gilt die bisherige Rechtsprechung zum (verschuldensabhängigen) Schadensersatzanspruch der Krankenkasse nach § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 280 Absatz 1 BGB wegen einer ungerechtfertigten Verlegung weiter fort.

 

  Datum: 24.05.2024 09:58:53
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Unterschrift unter der Abrechnungs-Sammelerklärung
 

Soweit der Honorarverteilungsmaßstab einer Kassenärztlichen Vereinigung verlangt, dass eine Abrechnungs-Sammelerklärungen nur durch den ärztlichen Leiter eines MVZ zu unterschreiben ist, genügt die alleinige Unterschrift des Geschäftsführer des MVZ nicht und die Einrichtung verliert insoweit ihren Honoraranspruch. Derartige Formvorschriften sind mit höherrangigem Recht vereinbar.

 

BSG, Urteil vom 13.12.2023, B 6 KA 15/22 R

 

– Honorarverteilung gem. § 87b Abs 1 Satz 2, Abs 2 SGB V, Honorarverteilungsmaßstab, Garantiefunktion der Unterschrift bei der Abrechnungs-Sammelerklärung

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG hatte sich mit der Frage nach der „richtigen“ Unterschrift auf der Abrechnungs-Sammelerklärung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) zu befassen, wobei die Rechtsprechung des BSG nicht nur für ein MVZ, sondern auch für Vertragsärzte und Krankenhäuser interessant ist.

 

Sachverhalt

 

Die Klägerin betrieb ein MVZ. Mit Bescheid vom 14.02.2014 hatte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) die Honorarbescheide für die Quartale 2/2013 und 3/2013 aufgehoben und das gesamte Honorar (insgesamt 135.819,69 Euro) zurückgefordert, da die Abrechnungs-Sammelerklärungen nicht - wie es ihr Honorarverteilungsmaßstab (HVM) verlangt - vom ärztlichen Leiter des MVZ unterschrieben worden war, sondern nur vom klägerischen Geschäftsführer. Den von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies die Beklagte zurück.

 

Klage und Berufung hiergegen blieben ebenfalls erfolglos. Laut dem LSG habe die Beklagte die Honorarbescheide berichtigen und die gezahlten Honorare zurückfordern dürfen. Die Abrechnungen seien formal fehlerhaft gewesen, weil die Abrechnungs-Sammelerklärungen nicht durch den ärztlichen Leiter des MVZ unterzeichnet worden seien, sondern von dem klägerischen Geschäftsführer, der selbst weder angestellter Arzt des MVZ noch Vertragsarzt gewesen sei. Das im HVM geregelte Unterschriftserfordernis sei hierbei mit höherrangigem Recht vereinbar. Träger der vertragsärztlichen Zulassung und der damit verbundenen Rechte und Pflichten sei das MVZ. Der ärztliche Leiter trage dabei die Verantwortung für die ärztliche Steuerung der Betriebsabläufe und die Gesamtverantwortung gegenüber der KÄV.

 

Mit der Revision rügte die Klägerin eine Verletzung von § 87b Abs 1 Satz 2, Abs 2 SGB V. Nach dieser Vorschrift sei die Beklagte aus Sicht der Klägerin lediglich ermächtigt, in ihrem HVM Regelungen über die Modalitäten der Honorarverteilung zu treffen, etwa Regelungen über die Form und den Zeitpunkt der Abrechnung. Dies beinhalte jedoch nicht das Recht, die Anspruchsberechtigung als solche zu regeln, so dass bei einem MVZ ausschließlich der ärztliche Leiter die Unterschrift unter der Abrechnungs-Sammelerklärung zu leisten habe.

 

Das BSG hat die erhobene klägerische Revision zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG war der Ansicht, dass der Bescheid vom 14.2.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides weder formell noch materiell rechtswidrig gewesen sei. Die Beklagte habe die Honorarabrechnungen des MVZ für die Quartale 2/2013 und 3/2013 zutreffend vollständig aufgehoben, da die von dem MVZ eingereichten Abrechnungs-Sammelerklärungen nicht von einem ärztlichen Leiter unterzeichnet gewesen seien.

 

Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung sei § 106a Abs 2 SGB V. Danach stelle die KÄV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen fest. Die insofern durchgeführte Abrechnungsprüfung ziele auf die Feststellung ab, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots - erbracht und abgerechnet worden seien.

 

Die Befugnis zu Richtigstellungen bestehe dabei auch für bereits erlassene Honorarbescheide und bedeute eine (teilweise) Rücknahme des Honorarbescheides. Die Auffassung des LSG sei nicht zu beanstanden. Vertragsärztliche Leistungen müssen nicht nur rechtmäßig erbracht, sondern auch rechtmäßig abgerechnet werden. Auch eine ordnungsgemäß erbrachte Leistung könne damit Gegenstand einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung sein, wenn bei ihrer Abrechnung - mit Ausnahme bloßer Formvorschriften ohne materiellen Gehalt - Regelungen des Vertragsarztrechts verletzt worden seien.

 

Laut den Regelungen der HVM sei durch die Unterschrift zu bestätigen, dass der Unterzeichner die Verantwortung für die Erfüllung der Abrechnungsvoraussetzungen trage, weil er sie selbst erfülle oder sich von deren Erfüllung persönlich überzeugt habe. Bei einem MVZ und bei Krankenhäusern sei dabei die Unterschrift des ärztlichen Leiters erforderlich. Aus Sicht des BSG führe sogar ohne explizite Regelung im HVM das Fehlen einer Unterschrift oder die Unterschrift einer unzuständigen Person unter der Abrechnungs-Sammelerklärung zur zwingenden sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarabrechnung, da die Abgabe einer ordnungsgemäßen Abrechnungs-Sammelerklärung keine Formvorschrift, sondern vielmehr eine eigenständige Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs auf Vergütung der erbrachten Leistungen sei.

 

Wenn die Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung mangels (korrekter) Unterschrift gar nicht erst entstanden sei und somit eine Voraussetzung für die Festsetzung des Honoraranspruches fehle, sei der auf der Honorarabrechnung beruhende Honorarbescheid rechtswidrig. Auch entspreche es der ständigen BSG-Rechtsprechung, dass die KÄV im HVM Regelungen zu den Modalitäten der Abrechnung gemäß § 87b Abs 1 Satz 2 treffen dürfe. Das Erfordernis im HVM, die Abrechnungs-Sammelerklärung eines MVZ von dessen ärztlichem Leiter unterschreiben zu lassen, verstoße insbesondere nicht gegen höherrangiges Recht. Anders als der nichtärztliche Geschäftsführer eines MVZ habe der ärztliche Leiter die medizinische Fachkompetenz, die ihn zur Überprüfung befähigt, ob die von den einzelnen Ärzten angegebenen Behandlungsvorgänge so stattgefunden haben können und somit als Grundlage für eine stimmige Quartalsabrechnung taugen. Mit seiner Unterschrift erkläre der Unterzeichner, dass nach eigener Überprüfung die Angaben in der Abrechnungs-Sammelerklärung zutreffend seien.

 

Anmerkungen

 

Diese BSG-Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass die formellen Voraussetzungen für die Entstehung eines Vergütungsanspruchs ebenso zu beachten sind wie materielle Voraussetzungen.

 

Bei einem MVZ und bei Krankenhäusern ist die Unterschrift des ärztlichen Leiters unter der Abrechnungs-Sammelerklärung zwingend erforderlich, soweit dies von den Regelungen des Honorarverteilungsmaßstabs der jeweils zuständigen KÄV verlangt wird. Andernfalls darf die Vergütung versagt oder bereits erlassenen Honorarbescheide wieder zurückgenommen und das gesamte Honorar zurückgefordert werden.

 

  Datum: 23.05.2024 08:55:10
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Fehlende medizinische Begründung bei AOP-Eingriffen und Rücksichtnahmepflicht der Krankenkassen
 

Die stationäre Behandlungsnotwendigkeit bei grundsätzlich ambulant erbringbaren Eingriffen nach dem AOP-Katalog kann sich auch aus mitgeteilten Nebendiagnosen oder Begleiterkrankungen ergeben. Einer weiteren medizinischen Begründung bedarf es in diesen Fällen dann nicht. Daneben kann eine Krankenkasse aufgrund der Rücksichtnahmepflicht aus § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB vor Beauftragung des MD verpflichtet sein, das jeweilige Krankenhaus ausdrücklich aufzufordern, eine medizinische Begründung oder einen Kurzbericht zu übersenden.

 

LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.01.2024, L 10 KR 7/22 KH

 

Aufwandspauschale gem. § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V, § 115b SGB V (AOP-Katalog), Mitteilungspflicht aus § 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V, Rücksichtnahmepflicht aus § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB, Anforderung einer medizinische Begründung oder eines Kurzbericht durch die Krankenkassen –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

da mehrere Krankenkassen immer häufiger damit argumentieren, dass sie nach dem BSG-Urteil vom 07.03.2023 (B 1 KR 11/22 R) generell keine Pflicht mehr zur Anforderung einer medizinischen Begründung oder eines Kurzbericht bei Eingriffen nach dem AOP-Katalog treffe, sollte diesem Einwand mit Bezug auf das folgende LSG-Urteil zukünftig entgegengetreten werden. In dieser Entscheidung hat das LSG dem häufigen Einwand der Krankenkassen widersprochen, wonach bei AOP-Eingriffen stets eine medizinische Begründung erforderlich und daher (auch bei einem für das Krankenhaus positiven MD-Gutachten) keine Aufwandspauschale gem. § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V zu entrichten sei.

 

Sachverhalt

 

Das von uns vertretene Krankenhaus (Klägerin) führte bei einer Patientin eine Arthroskopie mit Teilresektion des Innen- und Außenmeniskus, Reduktion des Hoffa-Körpers sowie Glättung des Knorpels durch. Nach einem regelhaftem Operationsverlauf zeigten sich bei der Patientin postoperativ eine Kreislaufderegulation sowie eine verstärkte Blutung, woraufhin die Klägerin sie zur Beobachtung stationär aufnahm. Die Klägerin machte gegenüber der beklagten Krankenkasse keine näheren Angaben zum Grund der Aufnahme, nachdem sie bereits mit der Abrechnung als Nebendiagnose u. a. eine Komplikation infolge des Eingriffes (T81.0 „Blutung und Hämatom als Komplikation eines Eingriffes, andernorts nicht klassifiziert“) kodiert hatte.

 

Die Beklagte beglich zwar die klägerische Rechnung, teilte der Klägerin aber mit, dass die abgerechnete Leistung nach dem Katalog ambulant durchführbarer Operationen, sonstiger stationsersetzender Eingriffe und stationsersetzender Behandlungen gemäß § 115b SGB V (AOP-Katalog) grundsätzlich ambulant zu erbringen und eine vollstationäre Krankenhausbehandlung nur indiziert sei, wenn sich im konkreten Einzelfall zwingende medizinische Gründe dafür ergäben, dass die besonderen Mittel eines Krankenhauses notwendig und ambulante Behandlungsmaßnahmen nicht ausreichend oder nicht möglich seien. Die Klägerin habe daher bereits zum Zeitpunkt der Abrechnung die medizinischen Gründe für die Abrechnung mitteilen müssen.

 

Der sodann von der Beklagten beauftragte MD kam zu dem Ergebnis, dass sich im Verlauf des Operationstages Schmerz mit vermehrter Förderung durch die bei der Operation eingelegte Redon-Drainage und eine Kreislaufdepression ergeben habe. Angesichts dessen sei die postoperative stationäre Aufnahme plausibel. Die Abrechnung der Klägerin sei daher korrekt gewesen.

 

Die Klägerin forderte daraufhin von der Beklagten die Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 €. Dies lehnte die Beklagte ab. Die Prüfung habe sie eingeleitet, da die abgerechnete Leistung regelhaft der ambulanten Versorgung zuzuordnen sei. Die Klägerin sei ihrer Pflicht, die stationäre Behandlungsbedürftigkeit zu begründen, nicht nachgekommen. Aus diesem Grund lehne die Beklagte die Zahlung der Aufwandspauschale ab.

 

Die Klägerin erhob deshalb Klage vor dem Sozialgericht, welches die Beklagte zur Zahlung der Aufwandspauschale verurteilte. Laut dem Sozialgericht habe eine fehlerhafte Abrechnung hier nicht vorgelegen und sei auch von der Beklagten nicht geltend gemacht worden. Aus Sicht des Gerichts sprechen auch erhebliche Gründe dafür, dass die Klägerin vorliegend keine näheren Angaben zum Grund der Aufnahme machen musste, nachdem sie bereits mit der Abrechnung in einer Nebendiagnose u. a. eine Komplikation infolge des Eingriffs kodiert habe.

 

Gegen diese Entscheidung legte die Beklagte Berufung ein. Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Berufung jedoch zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Das LSG Nordrhein-Westfalen entschied, dass die Klägerin die MD-Prüfung nicht durch eine fehlerhafte Abrechnung veranlasst habe. Zwar führe nicht nur eine fehlerhafte Abrechnung zum Fortfall des Anspruchs auf Aufwandsentschädigung, sondern auch ein anderes Fehlverhalten des Krankenhauses, das ursächlich für eine MD-Beauftragung sei.

 

Vorliegend bestünden laut dem LSG aber erhebliche Bedenken, ob die Abrechnung der Klägerin tatsächlich fehlerhaft gewesen sei. Eine Abrechnung sei dann fehlerhaft, wenn ein Krankenhaus seine Mitteilungspflichten aus § 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V verletze und insbesondere einen Aufnahmegrund nicht mitteile. Zur hiernach gebotenen Information gehöre auch, dass das Krankenhaus in den Fällen, in denen regelhaft eine ambulante Behandlung ausreichend sei, nicht nur eine Aufnahmediagnose benenne, die die ärztliche Behandlung rechtfertigen könne, sondern auch Angaben zu Begleiterkrankungen oder zu sonstigen Gründen mache, die Anlass für die stationäre Versorgung des Patienten hätten geben können. Ohne solche Angaben, warum ausnahmsweise eine stationäre Behandlung erforderlich gewesen sei, würden Informationen über den „Grund der Aufnahme“ fehlen i. S. d. § 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V und damit eine zentrale Angabe, die eine Krankenkasse für die Abrechnungsprüfung benötige.

 

Zwar habe die Klägerin hier der Beklagten den Grund der Aufnahme weder ausdrücklich in den nach § 301 SGB V übermittelten Daten mitgeteilt noch habe sie eine medizinische Begründung eingereicht.

 

Aus Sicht des LSG habe die Klägerin vorliegend aber keine näheren Angaben zum Grund der Aufnahme machen müssen, nachdem sie bereits eine Komplikation infolge des Eingriffs als Nebendiagnose kodiert habe. Ergänzende Angaben seien immer dann entbehrlich, wenn sich die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung bereits aus den Angaben zu Begleiterkrankungen ergebe. Allein der Umstand, dass überhaupt eine Komplikation kodiert worden sei, belege, dass der Eingriff nicht „regelhaft“ verlaufen sei.

 

Letztlich sei die Frage der Fehlerhaftigkeit für das LSG hier aber nicht ausschlaggebend. Denn selbst wenn die Abrechnung der Klägerin fehlerhaft gewesen wäre, wäre es der Beklagten nach § 241 Abs. 2 BGB (Rücksichtnahmepflicht) jedenfalls verwehrt gewesen, sich gegenüber dem Anspruch auf die Aufwandspauschale hierauf zu berufen. Unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalls habe die Beklagte vielmehr gegen die ihr obliegenden Rücksichtnahmepflichten verstoßen, indem sie unmittelbar den MD beauftragt habe, obwohl sie stattdessen auch nur eine medizinische Begründung nachfordern bzw. einen Kurzbericht nach den Vorschriften des Sicherstellungsvertrages hätte einholen können.

 

Es sei in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass die Vertragsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen in partnerschaftlicher Weise zu gegenseitiger Rücksichtnahme nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichte und dass diese Sonderrechtsbeziehung auch wechselseitig bestehende Ansprüche begrenzen könne.

 

Da die Beklagte zusätzlich sogar davon ausgegangen sei, dass die Rechnung nicht fällig gewesen sei, erschließe sich nicht ohne Weiteres, weshalb sie dennoch den MD unmittelbar beauftragt habe, anstatt zunächst einen Kurzbericht bzw. eine medizinische Begründung bei der Klägerin anzufordern.

 

Das LSG wolle mit alledem nicht sagen, dass die Krankenkassen vor Beauftragung des MD stets oder auch nur regelmäßig eine medizinische Begründung oder einen Kurzbericht bei dem Krankenhaus anzufordern hätten, um nicht gegebenenfalls ihre Rücksichtnahmepflichten zu verletzen. Entscheidend seien insoweit allein die Umstände des jeweiligen Einzelfalls.

 

Dass die Beklagte berechtigt gewesen sei, unmittelbar den MD einzuschalten, bedeute aber nicht, dass sie sich nicht im Rahmen des § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB entgegenhalten lassen müsse, dass sie dies getan habe, obwohl ihr mit der Anforderung eines Kurzberichts bzw. einer medizinischen Begründung mildere Mittel zur Verfügung gestanden haben.

 

Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verlange insoweit keine andere Beurteilung. In dem von der Beklagten angeführten Urteil vom 07.03.2023 (B 1 KR 11/22 R) habe das Bundessozialgericht vielmehr selbst ausgeführt, dass der Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale ausscheide, wenn das Krankenhaus seine Pflicht verletzt habe, auf Verlangen der Krankenkassen [!] eine medizinische Begründung für die Dauer der Krankenhausbehandlung zu geben, und es dadurch das Prüfverfahren veranlasst habe.

 

Vorliegend habe die Beklagte aber weder eine medizinische Begründung noch einen Kurzbericht angefordert, sondern unmittelbar und sehenden Auges eine MD-Abrechnungsprüfung veranlasst.

 

Anmerkungen

 

Das LSG hat klargestellt, dass ein Krankenhaus gem. § 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V bei AOP-Eingriffen nicht nur die Aufnahmediagnosen, sondern auch Angaben zu Begleiterkrankungen oder zu sonstigen Gründen machen muss, die Anlass für die stationäre Versorgung des Patienten gaben bzw. hätte geben können. Ergänzende Angaben können jedoch dann entbehrlich sein, wenn sich die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung bereits aus den Abrechnungsdaten oder anderen Mitteilungen ergibt.

 

Ob diese Angaben im Einzelfall zur Begründung der stationären Behandlungsnotwendigkeit genügen, muss im Zweifelsfall ein Gericht entscheiden.

 

Gleichzeitig hat das LSG die BSG-Rechtsprechung insoweit konkretisiert, dass die Krankenkassen nicht generell von der Anforderung einer medizinischen Begründung oder eines Kurzbericht beim Krankenhaus absehen können.

 

Vielmehr betraf laut dem LSG das BSG-Urteil vom 07.03.2023 (B 1 KR 11/22 R) ausdrücklich nur den Fall, dass von einem Krankenhaus auf Verlangen der Krankenkassen eine medizinische Begründung für die Dauer der Krankenhausbehandlung gefordert wird. Somit kann nicht von einer generellen Pflicht der Krankenhäuser zur Abgabe einer medizinischen Begründung ausgegangen werden.

Das LSG machte aber deutlich, dass die Krankenkassen vor Beauftragung des MD nicht immer oder regelmäßig eine medizinische Begründung oder einen Kurzbericht bei dem Krankenhaus anfordern müssen, um nicht ihre Rücksichtnahmepflichten aus § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB zu verletzen. Entscheidend seien vielmehr die Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Es verbleibt somit eine „rechtliche Grauzone“.

  Datum: 22.05.2024 10:00:43
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Der GKV – Spitzenverband ermittelt auf falscher Grundlage die Prüfquote für die Krankenhäuser
 

Der GKV-Spitzenverband hat festgelegt, dass die Krankenkassen bei ihrer Meldung das Datum der ersten leistungsrechtlichen Entscheidung zu Grunde legen müssen. Im Hinblick auf die Regelungen in § 275c SGB V ist dies rechtswidrig.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

aus der konkreten Beratung von Krankenhäusern wissen wir, dass der GKV-Spitzenverband den gesetzlichen Krankenkassen vorgibt, die Anzahl abgeschlossener Prüfungen (AP) und die Anzahl unbeanstandeter Schlussrechnungen (US) auf der Grundlage der Leistungsentscheidung durch die Krankenkasse im zu betrachtenden Quartal zu melden. Wörtlich heißt es hierzu in einem Schreiben an unsere Rechtsanwaltskanzlei: „Für die Zuordnung zum betrachteten Quartal ist das Datum der ersten leistungsrechtlichen Entscheidung der Krankenkasse maßgeblich. … Auf den Zugang der leistungsrechtlichen Entscheidung beim Krankenhaus kommt es für die Meldung der Krankenkasse an den GKV-Spitzenverband nicht an.“

 

Diese Meldepraxis verstößt gegen die gesetzlichen Vorschriften in § 275c SGB V. So regelt § 275c Abs. 2 Satz 4 SGB V, dass die quartalsbezogene Prüfquote vom GKV-Spitzenverband für jedes Quartal auf der Grundlage der Prüfergebnisse des vorvergangenen Quartals ermittelt wird. Die näheren Regelungen stellen auf den Anteil unbeanstandeter Abrechnungen durch den Medizinischen Dienst geprüfter Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlungen ab. Auch die Vorschrift für die Veröffentlichung dieser Daten und der zulässigen Prüfquote beziehen sich auf die Prüfung durch den Medizinischen Dienst. Das Abstellen des GKV-Spitzenverbandes auf die danach folgende erste leistungsrechtliche Entscheidung ist somit unzulässig. Diese können sogar von dem MD Prüfergebnis abweichen.

 

Durch diese Ermittlungspraxis werden die Prüfquote und die darauf basierenden Aufschlagszahlungen („Strafzahlungen“) im Endergebnis verfälscht.  Dies kann für das einzelne Krankenhaus sehr nachteilig sein.

 

Empfehlung

 

Wir empfehlen, gegen die Festlegung der Prüfquote (Bescheid des GKV-Spitzenverbandes im Wege der Allgemeinverfügung) Widerspruch einzulegen und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung bei Gericht zu erwirken, da nach § 275c Abs. 5 Satz 1 SGB V der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat. Wird dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung Rechnung getragen, würde die festgestellte Prüfquote zunächst keine Rechtswirkung entfalten. Über das weitere Procedere beraten wir Sie gerne.

 

  Datum: 11.03.2024 14:22:11
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Warnhinweis: 1–Monatsfrist für den Widerspruch gegen die Ermittlung der Prüfquote durch den GKV- Spitzenverband
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

bekanntlich veröffentlicht der GKV-Spitzenverband die zulässige quartalsbezogene Prüfquote, die für die Prüfung von Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlung durch den MD gilt, auf seiner Homepage. Diese veröffentlichte Prüfquote für jedes Krankenhaus ist auch maßgebend für die Höhe der Strafzahlung nach § 275 c Abs. 3 SGB V.

 

Seit dem 3. Quartal 2023 ist der GKV- Spitzenverband dazu übergegangen, der Veröffentlichung der ermittelten Prüfquoten eine Rechtbehelfsbelehrung beizufügen (Anlage). Dies bedeutet, dass Krankenhäuser, die Bedenken gegen die richtige Ermittlung der Prüfquote haben, fristgerecht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Prüfquote durch den GKV-Spitzenverband Widerspruch einlegen müssen. Die Bedenken können sich nach hier vorliegenden Erfahrungen daraus ergeben, dass die einzelnen Krankenkassen die Angaben gegenüber dem GKV-Spitzenverband bezüglich der Schlussrechnungen, die unbeanstandet geblieben sind, nicht richtig und/oder nicht vollständig gemacht haben. Dieser Frage lohnt sich in jedem Falle nachzugehen, wenn die in § 275 c Abs. 2 Satz 4  SGB V aufgeführten Schwellenwerte tangiert werden, also es bei richtiger Angabe zu einer niedrigeren Prüfquote als ausgewiesen kommen würde.  

 

In diesen Fällen empfiehlt es sich, zur Fristwahrung zunächst Widerspruch einzulegen, wobei die Begründung nachgeholt werden kann. Dabei ist zu beachten, dass die Einlegung des Widerspruchs durch E-Mail nicht ausreichend ist. Es empfiehlt sich daher, den Widerspruch per Post mittels Einschreiben/ Rückschein an die Postadresse des GKV-Spitzenverband zu senden, damit man einen Zugangsnachweis hat (GKV-Spitzenverband, Reinhardtstraße 28, 10117 Berlin). Für die sach-und fachgerecht zu fertigende Begründung sollte anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden.

 

Die nächste Veröffentlichung der Prüfquoten durch den GKV-Spitzenverband erfolgt voraussichtlich Ende Februar 2024.

 

  letzte Änderung: 23.02.2024 11:29:28
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Verweigerung der Zahlung der Krankenhausvergütung durch die KK
 

1) Vorrangig für die Kodierung von Diagnosen ist das Systematische Verzeichnis. Das Alphabetische Verzeichnis unterstützt lediglich die Verschlüsselung.

 

2) Den KK ist es nicht verwehrt, die Zahlung der Krankenhausvergütung zu verweigern, wenn und soweit für sie feststeht, dass der Vergütungsanspruch nicht besteht. Die KK ist weder verpflichtet, ein Prüfverfahren durchzuführen noch muss sie sich auf den Erstattungsanspruch verweisen lassen. Mit der Verweigerung der Zahlung gehen die KK jedoch Risiken ein.

 

BSG, Urteil vom 12.12.2023, Az: B 1 KR 1/23 R

 

- Verschlüsselung von Diagnosen, Systematisches Verzeichnis, Alphabetisches Verzeichnis, Vorrang, Verweigerung der Zahlung, Risiken der KK, kompensatorisches Beschleunigungsgebot

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

vordergründig geht es in dem Urteil des BSG um das Verhältnis des Systematischen Verzeichnisses zum Alphabetischen Verzeichnis der ICD-10-GM Klassifikation. Dabei kommt dem Systematischen Verzeichnis Vorrang zu. Der wichtigste Teil des Urteils befasst sich jedoch mit der Zahlungsfrist und den daraus resultierenden Folgen, wenn die KK die Zahlung verweigert. Ein in seinen gravierenden Auswirkungen noch nicht abschätzbares Urteil.

 

Sachverhalt

 

Eine Patientin wurde im Krankenhaus der Klägerin im Frühjahr 2014 u.a. wegen einer Rechtsherzinsuffizienz behandelt. Als Hauptdiagnose wurde I50.01 (sekundäre Rechtsherzinsuffizienz) und als Nebendiagnose u.a. R09.2 (Atemstillstand) verschlüsselt. Das Krankenhaus stellte am 07.04.2014 der KK die DRG F62A in Rechnung. Die beklagte KK leistete lediglich Teilzahlung auf der Grundlage der DRG F62B und beauftragte den SMD mit einer Prüfung. Dieser kam zur Auffassung, dass die Nebendiagnose R09.2 nicht belegt sei. Die KK teilte sodann dem Krankenhaus unter Bezugnahme auf das SMD Gutachten mit, dass ein darüber hinausgehender Zahlungsanspruch nicht bestehe. Dieses Schreiben ging dem Krankenhaus am 07.10.2014 zu.

 

Das SG hat die KK zur Restzahlung verurteilt; auf die Berufung der KK wurde die Entscheidung des SG vom LSG aufgehoben und die Klage abgewiesen- bis auf den Anspruch des Krankenhauses auf Verzugszinsen für den Zeitraum vom 23.04. bis 07.10.2014. Die Revision des Krankenhauses blieb erfolgslos.

 

Entscheidungsgründe

 

Zunächst musste das BSG entscheiden, wie zu verfahren ist, wenn das Alphabetische Verzeichnis in Widerspruch zum Systematischen Verzeichnis der ICD – 10- GM steht. Hierzu stellt das BSG fest, dass das Alphabetische Verzeichnis lediglich die Verschlüsselung nach dem Systematischen Verzeichnis unterstützt. Somit kommt Letzterem bei Widersprüchlichkeiten Vorrang zu.

 

Entscheidend war vorliegend, dass nach den Feststellungen des LSG weder ein Atemstillstand noch ein Herz-Lungen- Versagen vorlag. Somit konnte die Nebendiagnose R09.2 nach dem Systematischen Verzeichnis nicht kodiert werden.

 

Des Weiteren  musste sich das BSG mit dem Argument befassen, dass der Code J 96 in seinem Exklusivum auf den Atemstillstand  (R09.2) bei respiratorischer Insuffizienz hinweist. Diese Auffassung hat das BSG zurückgewiesen mit dem Argument, für systematische Erwägungen sei nur Raum, soweit der Wortlaut des in Rede stehenden Codes kein eindeutiges Ergebnis liefere.

 

Kerninhalt der weiteren Urteilsgründe war jedoch die Fragestellung, welche Bedeutung der Zahlungsfrist für die Krankenhausvergütung zukommt. Das Krankenhaus hatte insoweit eingewandt, dass eine Kürzung der Rechnung durch die KK nicht zulässig gewesen sei, da sie innerhalb der bestehenden Zahlungsfrist keine substantiierten und der Höhe nach bezifferten Einwände geltend gemacht hat.

 

Zunächst geht das BSG davon aus, dass es der KK verwehrt ist, die Begleichung der Krankenhausrechnung unter Hinweis auf eine noch nicht abgeschlossene MD Prüfung zu verweigern. Steht jedoch für die Krankenkasse fest, dass der Vergütungsanspruch nicht besteht, kann sie die Zahlung verweigern. Der Kernsatz des BSG lautet hierzu: „Die KK ist weder verpflichtet, ein Prüfverfahren durchzuführen (…) noch muss sie sich auf die Geltendmachung eines Erstattungsanspruches verweisen lassen“ (BSG, aaO, Rdz 31).

 

Ergänzend weist das BSG auf die Risiken für die KK hin, wenn sie die Zahlung der Krankenhausvergütung verweigert. Unterliegt die KK im Rechtsstreit, muss sie Verzugszinsen zahlen und ggf. Schadensersatz an das Krankenhaus leisten. Verzichtet die KK sogar auf ein Prüfverfahren durch den MD, beschränkt sich die Amtsermittlungspflicht des Gerichts. Somit wäre die Erhebung und Verwertung derjenigen Daten, die nur im Rahmen des Prüfverfahrens durch den MD erhoben werden können, dem Gericht verwehrt. Daraus können für das Krankenhaus Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr resultieren.

 

Anmerkungen

 

Das BSG hat richtigerweise dem Systematischen Verzeichnis Vorrang vor dem Alphabetischen Verzeichnis der ICD-10-GM zuerkannt.

 

Für die tägliche Praxis der Abrechnung sind jedoch die Ausführungen des BSG zur Zahlungsverweigerung durch die KK wichtiger. Auch wenn das BSG zunächst davon ausgeht, dass der Vorleistungspflicht des Krankenhauses die fristgerechte Zahlung der KK entspricht (sog. kompensatorisches Beschleunigungsgebot), relativiert es im Folgenden die Zahlungsverpflichtung der KK. Besteht aus Sicht der KK ein Einwand bezüglich der Rechnung, kann sie die Zahlung verweigern oder nur Teilzahlung leisten. Sie muss nicht erst auf das Ergebnis des MD Gutachtens abwarten, sondern kann sich bereits vorher auf bestimmte Einwände beziehen und diese sogar erst im Laufe des Gerichtsverfahrens „spezifizieren“.  Nach den Urteilsgründen muss die KK nicht einmal zwingend ein Prüfverfahren durch den MD einleiten. Damit wird den KK „Tür und Tor“ geöffnet, Einwände zu erheben, seien sie berechtigt oder nicht berechtigt, um zunächst keine Zahlung leisten zu müssen. Somit läuft auch der postulierte Grundsatz des kompensatorischen Beschleunigungsgebotes ins Leere. 

 

Gewiss weist das BSG auf die Risiken der Zahlungsverweigerung durch die KK hin. Diese sind jedoch wesentlich geringer als das Risiko das das Krankenhaus trägt. Im Grunde geht die KK nur das Risiko ein, Verzugszinsen zahlen zu müssen, bei dem Krankenhaus steht jedoch die ganze Liquidität auf dem Spiel. Hinzukommt, dass das Krankenhaus bei Zahlungsverweigerung den Klageweg beschreiten muss und nicht die KK (siehe Aufrechnungsverbot nach § 109 Abs. 6 Satz 1 SGB V).  Die Verhältnisse werden also ins Gegenteil verkehrt.

 

  Datum: 15.02.2024 07:56:46
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BSG gibt enge Auslegung zur kurzzeitigen Notfallbehandlung auf (Schockraum-Urteil)
 

Die konkludente stationäre Aufnahme eines Patienten liegt bei einer kurzzeitigen Notfallbehandlung und anschließender zeitnaher Verlegung in ein anderes Krankenhaus dann vor, wenn der Einsatz der krankenhausspezifischen personellen und sächlichen Ressourcen im erstangegangenen Krankenhaus eine hohe Intensität aufweist. Die kurzzeitige Notfallbehandlung auf einer Schlaganfallstation dürfte im Regelfall eine stationäre Aufnahme begründen (Indizwirkung).

 

BSG, Urteil vom 29.08.2023, Az: B 1 KR 15/22 R

 

- vorstationäre Behandlung, stationäre Aufnahme, kurzzeitige Notfallbehandlung, Verlegung, Schlaganfalleinheit, Schockraum-

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Rechtsprechung des BSG ging bisher bei einer kurzzeitigen Notfallbehandlung davon aus, dass hier eine ambulante Notfallbehandlung anzunehmen ist, auch wenn parallel zur Aufnahmediagnostik personelle und sächliche Ressourcen des Krankenhauses in hohem Maß erforderlich waren (Schockraum Urteil vom 18.05.2021, Az.: B 1 KR 11/20 R). Diese enge Auslegung gibt das BSG ausdrücklich auf und lässt nunmehr für eine konkludente stationäre Aufnahme auch eine kurzzeitige Notfallbehandlung im erstangegangenen Krankenhaus bei zeitnaher Verlegung in ein anderes Krankenhaus unter bestimmten Voraussetzungen ausreichen.

 

Sachverhalt

 

Ein Patient wurde in das Krankenhaus der Klägerin notfallmäßig durch den Rettungsdienst wegen Verdacht auf Schlaganfall eingeliefert. Der Zeitablauf der durchgeführten Maßnahmen im Krankenhaus stellte sich wie folgt dar:

 

16:44 Uhr Einlieferung

ab 16:45 Uhr Einleitung schlaganfallspezifischer diagnostischer Maßnahmen; Feststellung eines akuten Hirnenfarktes.

 

17:07 Uhr Lysetherapie

 

17:45 Uhr Verlegung in ein anderes Krankenhaus zur Durchführung einer Thrombektomie und Fortsetzung der Lysetherapie

 

Für die ergriffenen Maßnahmen rechnete das Krankenhaus die Fallpauschale DRG B 70I (Aproplexie, ein Belegungstag) ab. Die beklagte Krankenkasse schaltete den MDK ein. Dieser kam zur Auffassung, dass eine prästationäre Behandlung vorgelegen habe. Daraufhin verrechnete die Krankenkasse den ursprünglich gezahlten Rechnungsbetrag mit einer anderen Forderung.

 

Die erhobene Klage des Krankenhauses blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Das BSG hob die beiden Urteile auf und verurteilte die Krankenkasse zur Zahlung.

 

Entscheidungsgründe

 

Ausgangspunkt des Urteils ist die ständige Rechtsprechung des BSG, wonach als Aufnahme die organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses verstanden wird. Dies ist immer der Fall, wenn der Patient auf Grund des Behandlungsplanes mindestens einen Tag und eine Nacht ununterbrochen im Krankenhaus versorgt werden soll. Dabei kommt es nicht auf die tatsächliche, sondern auf die prognostizierte Behandlungsdauer zum Zeitpunkt der Aufnahmeentscheidung an. Eine einmal auf Grundlage der Aufnahmeentscheidung des Krankenhausarztes erfolgte physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Krankenhaus-Versorgungssystem kann grundsätzlich nicht rückwirkend entfallen (BSG, aaO, Rdz 14).

 

Die Aufnahmeentscheidung erfolgt konkludent nach außen hin durch die Einweisung auf eine bestimmte Station, die Zuweisung eines Bettes oder durch Erstellen entsprechender Aufnahmeunterlagen  oder Ähnliches dokumentiert. Die Aufnahmeentscheidung muss dabei weder ausdrücklich erklärt noch förmlich dokumentiert werden (BSG, aaO, Rdz 15, 16).

 

In der Folge nimmt das BSG von seiner engen Auslegung von § 39 SGB V Abstand, wie sie im Schockraum Urteil zum Ausdruck kam (BSG, Urteil vom 18.05.2021, Az.: B1 KR 11/20). Das BSG hatte bisher eine ambulante Notfallbehandlung angenommen, auch wenn die personellen und sächlichen Mittel des Krankenhauses in hohem Maße in Anspruch genommen wurden. Es kommt zur Auffassung, dass eine konkludente stationäre Aufnahme in das Krankenhaus bei einer kurzzeitigen Notfallbehandlung und nachfolgender Verlegung in ein anderes Krankenhaus vorliegt, wenn der Einsatz der krankenhausspezifischen personellen und sächlichen Ressourcen eine hohe Intensität aufweist. Die hohe Intensität kann sich auch aus dem Einsatz verschiedener und in ihrem engen zeitlichen und örtlichen Verbund nur stationär verfügbarer diagnostischer Maßnahmen ergeben (BSG, aaO, Rdz 18, 21). 

 

Im vorliegenden Fall geht das BSG davon aus, dass die kurzzeitige Notfallbehandlung auf einer Schlaganfallstation im Regelfall eine stationäre Aufnahme begründet (Indizwirkung).

 

Anmerkungen

 

Die damalige Entscheidung des BSG aus 2021 (Schockraum Urteil) hatte die Fachwelt überrascht, da man davon ausgehen konnte, dass eine Notfallbehandlung in einem Schockraum die intensivste Form der Krankenhausbehandlung darstellen kann. Umso erfreulicher, dass das BSG von der sehr engen Auslegung nunmehr Abstand nimmt. Entscheidend ist nunmehr, ob der Einsatz kurzzeitiger Maßnahmen (hier während 1 Stunde), hohe Intensität aufweist. Dies umfasst diagnostische und/oder therapeutische Maßnahmen, die ambulant nicht in gleicher Weise regelhaft verfügbar sind.

Abschließend gibt das BSG noch einen Hinweis für künftige Abrechnungen von kurzzeitigen vollstationären Notfallbehandlungen mit Verlegung des Patienten. Der Vergütungsanspruch werde erst dann fällig, wenn aus den mit der Abrechnung  mitgeteilten Daten der konkrete intensive Mitteleinsatz deutlich werde. Nicht immer reiche hierzu die Kodierung von OPS- und Diagnoseschlüsseln aus. Die Krankenhäuser sollten daher den intensiven Mitteleinsatz dokumentieren und der Krankenkasse mitteilen. Für den Fall, dass der geplante intensive Mitteleinsatz nicht verwirklicht werden konnte, muss der Behandlungsplan dargestellt und erläutert werden und dargelegt werden, dass er noch Verwirklichungschancen hatte und warum es nicht zu seiner Durchführung kam.

  Datum: 13.02.2024 10:49:29
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Auslegung der DKR D002f – Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes
 

Liegen bei Aufnahme ins Krankenhaus mehrere Leiden objektiv vor, die stationär behandlungsbedürftig sind, sind diese zur Bestimmung der Hauptdiagnose nach dem Grad ihres Ressourcenverbrauchs zu gewichten. Der höhere Ressourcenverbrauch bestimmt die Hauptdiagnose. Das gilt unabhängig davon, welche Leiden bei der Aufnahmeuntersuchung erkannt wurden oder erkennbar waren.

 

BSG, Urteil vom 29.08.2023, Az.: B 1 KR 25/22 R

 

- Mehrere Leiden, Bestimmung Hauptdiagnose, Veranlassung des stationären Aufenthalts, DKR D002f, Ressourcenverbrauch-

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

werden Patienten im Rahmen des stationären Krankenhausaufenthaltes wegen verschiedener Leiden behandelt, stellt sich die Frage nach der zu kodierenden Hauptdiagnose. Die Grundregel ist in der DKR D002f enthalten. Dabei hat nach Auffassung des BSG eine objektive Betrachtungsweise zu erfolgen, die ex-post anzustellen ist.

 

Sachverhalt

 

Eine Patientin wurde bei dem klagenden Krankenhaus vom 22.11.2013 bis 02.01.2014 stationär behandelt. Die Aufnahme erfolgte wegen einer neu aufgetretenen Schwäche des Nervus facialis links und Dysarthrie (kombinierte Sprech- und Stimmstörung) bei Schlaganfallverdacht. Zur Entfernung eines unter der harten Hirnhaut liegendem Blutergusses wurde die Schädeldecke eröffnet und der Bluterguss entfernt. Im Verlauf der weiteren stationären Behandlung wurde bei der Patientin am 09.12.2013 eine hochgradige Enge der Aortenklappe diagnostiziert. Daraufhin wurde am 18.12.2013 eine Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) durchgeführt. Die Aortenklappenstenose bestand bei der Patientin schon längere Zeit.

 

Das Krankenhaus kodierte als Hauptdiagnose die Aortenklappenstenose (ICD-10-GM I35.0). Dies steuerte die DRG F98Z (Komplexe minimalinvasive Operationen an Herzklappen) an. Diese wurde der Abrechnung zu Grunde gelegt.

 

Der von der beklagten Krankenkasse eingeschaltete MDK setzte als Hauptdiagnose ICD-10-GM I62.02 (Subdurale Blutung < nichttraumatisch > chronisch) an.  Entscheidend sei die DKR D002f, die auf den Zeitpunkt der Aufnahme abstelle. Eine zum Zeitpunkt der Aufnahme nicht erkannte Erkrankung könne nicht als Hauptdiagnose kodiert werden. Es komme ausschließlich auf die Hauptdiagnose an, die Veranlassung für die stationäre Aufnahme gegeben habe. Dies führe daher zu der DRG B02D (Komplexe Kraniotomie), die geringer vergütet werde.

 

Die Vorinstanzen gaben dem Krankenhaus recht. Das BSG wies die Revision der Krankenkasse zurück.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG legt die DKR D002f wie folgt aus: Der zentrale Begriff in der DKR D002f sei die „Veranlassung“ des stationären Krankenhausaufenthaltes. Damit sei die ursächliche Auslösung des stationären Behandlungsgeschehens gemeint.

 

Die DKR D002f enthalte als weiteres Definitionsmerkmal der Hauptdiagnose den Begriff „nach Analyse“. Dieser Begriff stelle allein auf die objektive ex-post-Betrachtung der Aufnahmegründe am Ende der Krankenhausbehandlung ab. Auf die ex-ante vorliegenden Informationen bei Aufnahme des Patienten komme es nicht an. Maßgeblich sei allein die objektiv zutreffende ex-post-Betrachtung.

 

Für den zu entscheidenden Fall stellt das BSG fest, dass objektiv zum Zeitpunkt der Aufnahme zwei Leiden vorgelegen hatten, die stationär behandlungsbedürftig waren. Da es auf die objektive Beurteilung ankomme, sei nicht relevant, welche Leiden bei der Aufnahmeuntersuchung erkannt wurden bzw. erkennbar gewesen sind (BSG, aaO, Rdz 19). Die Veranlassung des stationären Aufenthalts sei nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht subjektiv ex-ante, sondern objektiv ex-post zu beurteilen.

 

Da zum Zeitpunkt der Aufnahme der Patientin bereits eine Aortenklappenstenose objektiv vorgelegen habe, sei die Kodierung der Hauptdiagnose ICD-10-GM I35.0 und die Abrechnung des Krankenhaus richtig, insbesondere weil das Krankenhaus für die TAVI mehr Ressourcen  als für die Bohrlochtrepanation mit Hämatomevakuation verbrauchte.

 

Anmerkungen

 

Nach dem Urteil kommt es für die Kodierung der Hauptdiagnose ausschließlich auf die objektive Behandlungssituation zum Zeitpunkt der Aufnahme in das Krankenhaus an, die ex-post („nach Analyse“) festzulegen ist. Nicht relevant ist, ob die Erkrankung von dem aufnehmenden Arzt bereits erkennbar gewesen ist. Kommen zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme zwei oder mehrere Hauptdiagnosen in Betracht, sei für die Bestimmung der Hauptdiagnose der höhere Ressourcenverbrauch maßgeblich. Die zeitliche Abfolge der stationären Behandlung spiele dagegen keine Rolle.

 

  Datum: 02.02.2024 07:59:57
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Keine Strafzahlung vor dem 01.01.2022
 

Es ist nicht zulässig, für eine vor dem 01.01.2022 eingeleitete Rechnungsprüfung von den Krankenhäusern eine Aufschlagszahlung nach § 275 c Abs. 3 SGB V zu erheben.

 

BSG, Urteil vom 19.10.2023, B 1 KR 8/23 R

 

– Aufschlagszahlung, Strafzahlung, Einleitung der Rechnungsprüfung, leistungsrechtliche Entscheidung der KK-

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

wir hatten Sie bereits anhand des Terminsberichts über die Grundsatzentscheidung des BSG zeitnahe informiert. Nunmehr liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor.

 

Sachverhalt

 

Das Krankenhaus behandelte im September 2020 eine Patientin, die bei der beklagten Krankenkasse versichert war. Die Krankenkasse bezahlte zunächst die Krankenhausrechnung und beauftragte anschließend am 10.12.2020 den MD mit einer Prüfung. Mit Gutachten vom 01.02.2022 kam der MD zur Auffassung, dass die Rechnung zu kürzen sei. Den daraus resultierenden Erstattungsanspruch der KK akzeptierte das Krankenhaus, nicht aber die geltend gemachte Aufschlagszahlung von 300,00 €, die mit Bescheid von Seiten der KK geltend gemacht wurde. Der Widerspruch des Krankenhauses blieb erfolglos. Das angerufene SG hob den Bescheid auf und ließ die Sprungrevision zum BSG zu. Dieses bestätigte die Auffassung des Krankenhauses.

 

Entscheidungsgründe

 

Zunächst stellt das BSG heraus, dass die Auslegung von § 275 c Abs.3 SGB V nach den allgemein anerkannten Auslegungsmethoden zu erfolgen hat. Das für Vergütungsvorschriften geltende Erfordernis einer strengen Wortauslegung greife hier nicht (BSG, aaO, Rdz 20).

 

 Aus dem bloßen Wortlaut von § 275 c Abs.3 SGB V ergebe sich kein Hinweis auf die zeitliche Anwendbarkeit. Dieser beziehe sich auf die Erfüllung der Verpflichtung zur Zahlung („Ab dem Jahr 2022“), nicht auf die Entstehung dieser Verpflichtung.

 

Allerdings bestehe nach der inneren Systematik der Regelungen von § 275 c Abs. 2 und 3  SGB V ein untrennbarer Zusammenhang  zwischen Rechnungsprüfung, Prüfquote und Aufschlagzahlungen. In den Jahren 2020 und 2021 habe eine feste Prüfquote von 5 % bzw. 12,5 % bestanden. Erst ab dem Jahr 2022 sei eine dynamisierte Prüfquote und Aufschlagszahlung eingeführt worden. Für die Zuordnung einer Prüfung zur geltenden Prüfquote ist der Zeitpunkt der Prüfungseinleitung gem. § 275 c Abs.2 Satz 3 SGB V maßgeblich (BSG, aaO, Rdz 25). Die Höhe der Aufschlagzahlung ist nach der Gesetzteskonzeption von der krankenhausindividuellen quartalsbezogenen Prüfquote abhängig. Der von der KK für maßgeblich gehaltene Zeitpunkt der leistungsrechtlichen Entscheidung würde dazu führen, dass für Prüfungen, die innerhalb fester Prüfquoten (vor dem 01.01.2022) durchgeführt werden, später eine Aufschlagszahlung erhoben würde, für die keine Berechnungsregel existiere (BSG, aaO, Rdz 28).

 

Anmerkungen

 

Das BSG hat § 275 c Abs.3 SGB V einer umfassenden Prüfung nach den Auslegungsregeln für Gesetze unterzogen und kommt nach systematischer Auslegung zu dem Schluss, dass ein untrennbarer Zusammenhang zwischen Rechnungsprüfung, Prüfquote und Aufschlagszahlung (Strafzahlung) bestehe. Dieses System gelte erst ab 01.01.2022 und fände für den Zeitraum fester Prüfquoten keine Anwendung. Es komme daher nicht auf die leistungsrechtliche Entscheidung, sondern auf die Einleitung der Rechnungsprüfung an, die nach außen durch die Vergabe des Prüfauftrages der KK an den MD entstehe.

 

Ein kleiner Seitenhieb kommt in der Begründung zum Schluss zum Ausdruck. Danach sei bereits in der Gesetzesbegründung zum COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz vom 27.03.2020 der Hinweis enthalten, dass durch die Streichung des Aufschlags für die Jahre 2020 und 2021 Mindereinnahmen in Höhe von rund 370 Millionen Euro für die KK zu erwarten seien.

 

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nunmehr ab dem 29.12.2022 die Strafzahlung nicht mehr durch Bescheid, sondern im Wege elektronischer Datenübertragung geltend gemacht wird.

 

  Datum: 19.01.2024 08:32:52
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Bedeutung der S2-Leitlinie bei der Abrechnung der extrakorporalen Photopherese (ECP)
 

Die Durchführung der ECP erfordert die Mittel eines Krankenhauses und ist daher nur stationär erbringbar.

 

SG Detmold, Urteil vom 30.10.2023, S 16 KR 574/22- nicht rechtskräftig-

 

– Stationäre Behandlungsnotwendigkeit der extrakorporalen Photopherese, S2-Leitlinie ECP

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

in einer aktuellen Entscheidung musste sich das Sozialgericht Detmold mit der medizinischen Notwendigkeit einer stationären Behandlung bei einer extrakorporalen Photopherese (ECP) befassen. Es hat dies uneingeschränkt auf Grundlage der S2- Leitlinie ECP bejaht.

 

Sachverhalt

 

Eine Patientin erhielt im November 2019 im klägerischen Krankenhaus an zwei Tagen ihren dritten Zyklus einer Extrakorporalen Photopherese (ECP) nach einer Lungentransplantation im Jahr 2016.

 

Die beklagte Krankenkasse beglich zunächst die hierfür in Rechnung gestellte Vergütung und beauftragte dann den Medizinischen Dienst mit einer Abrechnungsprüfung. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die medizinische Notwendigkeit der stationären Behandlung nicht vorgelegen habe; die ECP hätte ambulant durchgeführt werden können. Daraufhin rechnete die Beklagte mit einer unstreitigen Forderung gegenüber der Klägerin auf.

 

Die von uns vertretene Klägerin erhob Klage vor dem Sozialgericht Detmold und bekam nun Recht.

 

Entscheidungsgründe

 

Das Sozialgericht Detmold entschied, dass die Aufrechnung nicht rechtmäßig war. Die stationäre Durchführung des dritten Zyklus der ECP-Behandlung sei medizinisch erforderlich gewesen.

 

Bei der ECP-Behandlung handelt es sich um ein Verfahren, bei dem die weißen Blutzellen durch eine Zellseparation, eine sogenannte Apherese, in einen Beutel gesammelt werden. Die Zellen werden anschließend mit einem Medikament versetzt, welches die Zellen empfindlich für UV -Licht macht und danach mit UV- A Licht bestrahlt. Durch diese Bestrahlung werden die Zellen zu verschiedenen Wirkmechanismen beeinflusst und in ihrer negativen Immunantwort gehemmt. Die bestrahlten Zellen werden dem Patienten als Infusion dann zurück transfundiert. Die ECP-Behandlung dauert mehrere Stunden und findet immer an zwei aufeinanderfolgenden Tagen statt (so wörtlich SG Detmold).

 

Im vorliegenden Fall schloss sich das Sozialgericht Detmold dem gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten an. Der Sachverständige hatte eine ambulante Erbringung der ECP für unmöglich gehalten und bezog sich hierbei auf die geltende konsentierte S2-Leitlinie ECP.

 

So ergebe sich aus der S2-Leitlinie ECP, dass die ECP-Einheit unter der Leitung eines Facharztes mit klinischer Erfahrung und der Durchführung und Indikationsstellung der ECP sowie nachgewiesener Geräteeinweisung und Behandlungsschulung erfolgen solle. Aus den weiteren Anforderungen bezüglich personeller, gerätetechnischer sowie räumlicher Anforderungen folge, dass diese nur durch Krankenhäuser erbracht werden könne. Der Aufwand übersteige auch in zeitlicher Hinsicht die Möglichkeiten einer ambulanten Durchführbarkeit. Sowohl die Nachbeobachtung könne viel Zeit in Anspruch nehmen als auch die Stabilisierung des Blutdrucks. Die Behandlung selbst dauere ebenfalls bis zu vier Stunden. Es bedürfe daher die Mittel eines spezialisierten Zentrums im Sinne eines Krankenhauses.

 

Darüber hinaus ergebe sich hier die stationäre Behandlungsbedürftigkeit für das Gericht auch aus der konkreten Durchführung der Behandlung. Hier wurde ein spezielles Portsystem verwendet, welches die hohe Blutflussrate überhaupt ermöglichte. Aufgrund der Verwendung dieses speziellen Portsystems sowie der Behandlung an zwei aufeinander folgenden Tagen sei im vorliegenden Fall die stationäre Behandlung erforderlich gewesen. Der große venöse Zugang, der die hohe Blutflussrate ermöglichte, berge das Risiko einer Infektion. Bei der Patientin war das Risiko auch besonders erhöht, da sie aufgrund ihrer transplantierten Lunge mit Immunsuppressivern behandelt wurde.

 

Anmerkungen

 

Der Verweis in diesem Urteil des Sozialgerichts Detmold auf den Inhalt der geltenden S2-Leiflinie ECP gilt auch über den dort  entschiedenen Einzelfall hinaus. Liegen  die Voraussetzungen der S2-Leitlinie ECP vor, muss man von einer regulären stationären Behandlungsnotwendigkeit ausgehen.

 

Insoweit war die Auffassung des MD von vornherein fragwürdig, der in Verkennung der S2 -Leitlinie ECP von einer ambulanten Behandlungsmöglichkeit ausging und auch den schlechten Allgemeinzustand der Patientin verkannte.

 

  Datum: 21.12.2023 08:07:59
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Kein eigenes Fehlverhalten bei nur eingeschränkter Auswahlmöglichkeit von Schlüsselkennzahlen zur Benennung des Entlassungsgrundes
 

Kann ein Krankenhaus einen Entlassungsgrund nicht eindeutig der Krankenkasse mitteilen, da es für den jeweiligen Grund keine entsprechende, rahmenvertraglich vereinbarte Schlüsselkennzahl gibt, stellt dies keine fehlerhafte Angabe dar, die als Veranlassung einer MD-Prüfung angesehen werden kann.

 

Sozialgericht Detmold, Urteil vom 16.11.2023, S 24 KR 298/23- nicht rechtskräftig

 

–Aufwandspauschale gem. § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V a. F., Fehlverhalten eines Krankenhauses, Abrechnung mit Schlüsselkennzahlen, Entlassungsgrund, Entlassung auf eigenen Wunsch –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

in einem aktuellen Urteil des Sozialgerichts Detmold wurde verdeutlicht, dass ein vom Krankenhaus nicht korrekt übermittelter Entlassungsgrund für den Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale unschädlich ist, wenn das Krankenhaus nicht in der Lage war, eine Schlüsselkennzahl zu wählen, die den Entlassungsgrund inhaltlich korrekt und eindeutig widerspiegelte.

 

Sachverhalt

 

Das von uns vertretende Krankenhaus hatte im August 2019 einen Patienten behandelt und eine entsprechende Rechnung für diesen Behandlungsfall gestellt. Der Patient war hierbei bereits unmittelbar vor dieser Behandlung bei der Klägerin stationär behandelt worden, hatte aber auf „eigenen Wunsch“ hin das Krankenhaus wieder verlassen. Die beklagte Krankenkasse war daher der Ansicht, dass eine gemeinsame Abrechnung der Behandlungsfälle unter Anwendung der Wiederaufnahmeregelung der Fallpauschalenvereinbarung hätte erfolgen müssen und leitete ein Prüfverfahren durch den Medizinischen Dienst (MD) ein. Dieser kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die klägerische (getrennte) Abrechnung korrekt gewesen sei. Eine Fallzusammenführung sei nicht möglich gewesen. Die Wiederaufnahme sei hier zwar aufgrund einer Komplikation erfolgt. Diese habe aber nur auftreten können, weil der Patient die entsprechende Behandlung im Erstaufenthalt abgelehnt habe und auf eigenen Wunsch letztendlich entlassen worden sei.

 

Die Klägerin stellte der Beklagten daraufhin wegen der erfolgten MD-Prüfung, die nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt hatte, eine Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € in Rechnung. Die Beklagte lehnte die Zahlung ab, da von der Klägerin nicht der korrekte Entlassungsgrund im Vorgängerfall angegeben worden sei. Sie hätte sonst die Möglichkeit einer Fallzusammenführung nicht prüfen lassen.

 

Das angerufene Sozialgericht Detmold hat der Klage nunmehr stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung der Aufwandspauschale verurteilt.

 

Entscheidungsgründe

 

Das Sozialgericht Detmold ist der Ansicht, dass die erforderlichen Voraussetzungen von § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V a.F. hier vorgelegen haben. Der Anspruch auf die Aufwandspauschale setze voraus, dass die Krankenkasse eine Abrechnungsprüfung durch den MD im Sinne des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V veranlasst habe, dem Krankenhaus durch eine Anforderung von Sozialdaten durch den MD gemäß § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V ein Aufwand entstanden sei, die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt habe und das Prüfverfahren nicht durch eine nachweislich fehlerhafte Angabe seitens des Krankenhauses veranlasst worden sei.

 

Dem Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale könne hier entgegen der Ansicht der Beklagten nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs wegen eines eigenen klägerischen Fehlverhaltens entgegengehalten werden. Insbesondere habe die Klägerin das Prüfverfahren nicht durch fehlerhafte Angaben veranlasst.

 

Es könne nicht positiv festgestellt werden, dass die Klägerin im Wege der elektronischen Übermittlung unrichtige Angaben zum Entlassungsgrund vorgenommen habe.

 

Zu den Pflichtangaben gem. § 301 SGB V gehören u. a. der Tag und die Uhrzeit sowie der Grund für die Entlassung. Hierbei werden Schlüsselkennzahlen verwendet. Neben „Behandlung regulär beendet“ („01“) finde sich „Behandlung aus sonstigem Grund beendet“ („03“) sowie „Behandlung gegen ärztlichen Rat beendet“ („04“). Ein Schlüsselkennzeichen für „Behandlung auf eigenen Wunsch beendet“ bzw.  „Entlassung auf eigenen Wunsch“ gebe es nicht.

 

Dass die Klägerin die Art der Entlassung nicht weiter „aufschlüsseln“ konnte, verletze keine Obliegenheitspflicht, sondern sei strukturell bedingt. Die rahmenvertraglich vereinbarten Schlüsselkennzahlen böten keine Möglichkeit die „Entlassung auf eigenen Wunsch“ speziell abzubilden.

 

Anmerkungen

 

Das Urteil hebt hervor, dass nicht jede „Ungenauigkeit“ der Abrechnungsgrundlagen den Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale entfallen lässt. Gerade in Fällen, in denen ein Krankenhaus infolge der vorgegebenen Schlüsselkennzahlen nicht in der Lage ist, den jeweiligen Einzelfall spezifisch in der Abrechnung abzubilden, besteht keine andere Option zur Darstellung des Behandlungsfalles. Dies kann daher nicht als fehlerhafte Angabe gewertet werden, die zu einer MD- Prüfung Veranlassung geben könnte.

 

  Datum: 19.12.2023 08:48:30
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Abrechenbarkeit einer durch Dritte (Vertragsärzte) ausgeführten Strahlentherapie als allgemeine Krankenhausleistung gem. § 2 Abs 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG
 

Bei der Strahlentherapie handelt es sich zwar um eine allgemeine Krankenhausleistung, die ein Krankenhaus auch durch Dritte erbringen kann. Dies führt aber nicht automatisch dazu, dass die Prozedur kodierfähig wird, wenn ihre Erbringung nicht vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst ist.

 

BSG, Urteil vom 29.08.2023, B 1 KR 18/22 R

 

– Allgemeine Krankenhausleistung durch Dritte gem. § 2 Abs 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG, Unterscheidung zwischen allgemeinen und  kodierfähigen  Krankenhausleistungen, Versorgungsauftrag, Verbot vertragsärztlicher Parallelbehandlung –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

in diesem Urteil des BSG wird streng zwischen allgemeinen und  kodierfähigen  Leistungen unterschieden. Für die Kodierfähigkeit von Leistungen des Krankenhauses und damit für die Abrechnung ist der Versorgungsauftrag des Krankenhauses maßgeblich.

 

Sachverhalt

 

Das klägerische Krankenhaus war im Krankenhausplan H. für 2015 u. a. mit dem Fachgebiet „Innere Medizin“ aufgenommen worden. Das Fachgebiet „Strahlentherapie“ wird in diesem Krankenhausplan eigens ausgewiesen. Die Klägerin verfügte über keine Abteilung für Strahlentherapie.

 

Eine bei der beklagten Krankenkasse versicherte Patientin war an einem metastasierenden Gebärmutterkrebs erkrankt und befand sich im Jahr 2015 vor der stationären Aufnahme deswegen in ambulanter Strahlentherapie eines Vertragsarztes. Im Juli 2015 wurde die Patientin bei der Klägerin wegen des Gebärmutterkrebses vollstationär behandelt, wobei die zuvor ambulant begonnene Strahlentherapie fortgesetzt und der Beklagten mit der Fallpauschale E08C (Strahlentherapie etc.) in Rechnung gestellt wurde. Nach Abrechnung des stationären Aufenthaltes durch die Klägerin gegenüber der Beklagten zahlte diese nur einen Teilbetrag und teilte mit, dass die Klägerin nicht berechtigt gewesen sei, die vom Vertragsarzt durchgeführten strahlentherapeutischen Leistungen abzurechnen. Diese seien vielmehr in alleiniger Verantwortung und Organisation der Praxis erbracht worden. Zudem habe die Klägerin keinen Versorgungsauftrag für die Strahlentherapie.

 

Das angerufene Sozialgericht hat die Beklagte zur Zahlung der restlichen Vergütung verurteilt. Das LSG hat die hiergegen erhobene Berufung der Beklagten zurückgewiesen, da die strahlentherapeutischen Behandlungen vom Versorgungsauftrag der Klägerin für „Innere Medizin“ umfasst seien.

 

Die Beklagte legte sodann gegen das LSG-Urteil Revision beim BSG ein.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG gelangt zu dem Ergebnis, dass die Revision begründet und die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung verurteilt worden sei. Die geltend gemachte Vergütung scheitere daran, dass die Klägerin keinen Versorgungsauftrag für die Erbringung strahlentherapeutischer Leistungen habe und daher nicht zur entsprechenden Abrechnung berechtigt gewesen sei.

 

Bei der Strahlentherapie handele es sich zwar um eine allgemeine Krankenhausleistung. Sie sei aber nicht als Prozedur kodierfähig gewesen, weil ihre Erbringung nicht vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst gewesen sei.

 

Nach § 2 Abs 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG gehöre zu den allgemeinen Krankenhausleistungen auch die vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig seien.

 

Die Klägerin trage während der stationären Behandlung trotz der Hinzuziehung von Dritten für die Patientin die Gesamtbehandlungsverantwortung. Die Leistung des Hinzugezogenen stelle sich auch nach außen als Leistung der Klägerin gegenüber der Patientin dar. Zum Anspruch der Patientin auf eine stationäre Behandlung gehöre auch die Abdeckung ihres akuten, ohne die stationäre Aufnahme ambulant abzudeckenden Behandlungsbedarfs. Hierzu sei die Klägerin verpflichtet.

 

Die von der Klägerin veranlasste Strahlentherapie durch einen Vertragsarzt sei jedoch nicht kodierfähig gewesen. Vom Krankenhaus veranlasste Leistungen Dritter seien nur dann als eigenständige Operationen und Prozeduren nach dem OPS kodierfähig, wenn das Krankenhaus sie nach dem Inhalt seines Versorgungsauftrags auch selbst habe erbringen dürfen. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen, da der Klägerin der Versorgungsauftrag „Strahlentherapie“ planerisch nicht zugewiesen wurde.

 

Der Begriff der kodierfähigen Leistungen sei enger als der Begriff der - mit der Fallpauschale abgegoltenen - allgemeinen Krankenhausleistungen, zu deren Erbringung das Krankenhaus verpflichtet sei und zu denen auch veranlasste Leistungen Dritter gehören.

 

Hier habe die Klägerin keinen Versorgungsauftrag besessen, Leistungen der Strahlentherapie selbst mit eigener personeller und sächlicher Ausstattung durchzuführen.

 

Anmerkungen

 

Das Urteil des BSG überrascht, da es einerseits das Krankenhaus verpflichtet, den akuten Behandlungsbedarf der Patientin abzudecken, einschließlich der bestehenden strahlentherapeutischen Behandlungsbedürftigkeit. Andererseits sieht sie für diese strahlentherapeutischen Leistungen keine Vergütung vor. Diesen Widerspruch löst das BSG nicht auf. Das eigene Unbehagen des BSG kommt am Ende des Urteils zum Ausdruck, wonach der Gesetzgeber Strahlentherapieleistungen, die nicht für sich genommen stationär erbracht werden müssen, dem ambulanten Sektor zuweisen und eine vergleichbare Ausnahmeregelung wie bei der Dialyse schaffen könnte.

 

Bedenken gegen das Urteil bestehen auch deshalb, weil sich das BSG darüber hinwegsetzt, dass das LSG Hamburg ausdrücklich den Versorgungsauftrag für strahlentherapeutische Leistungen im Rahmen der Fachabteilung Innere Medizin bejaht hatte (LSG Hamburg, Urt. v. 23.06.2022-             L 1 KR 60/21, juris Rdz. 51). Bereits das SG hatte im Einzelnen durch Auslegung des Krankenhausplans und des Feststellungsbescheides vom 27.01.2015 festgestellt, dass die strahlentherapeutischen Leistungen vom Versorgungsauftrag umfasst waren. Nach der Rechtsprechung des BSG ist es an diese Feststellungen gebunden, da landesrechtliche Bestimmungen nicht einer revisionsrechtlichen Kontrolle unterliegen. Dies erkennt zwar auch das BSG an, verkürzt jedoch die Auslegung der Vorinstanzen auf die Indikationsstellung und  Koordination strahlentherapeutischer Leistungen. Demgegenüber hat das LSG – auch unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Vorinstanz – uneingeschränkt den Versorgungsauftrag auch für strahlentherapeutische Leistungen bejaht.

 

Hinzukommt, dass zwei adäquate Lösungsmöglichkeiten auf der Hand liegen:

 

Es wäre möglich gewesen, der Auffassung des LSG Hamburg, aaO, zu folgen und die strahlentherapeutischen Leistungen als ergänzende Leistungen zur Hauptbehandlungsleistung (hier: Chemotherapie) einzuordnen und damit zu vergüten (LSG Hamburg, aaO, juris Rdz 51).

 

Dies vor allem auch, weil das BSG das Krankenhaus verpflichtet, im Rahmen seiner  Gesamtverantwortung diese Behandlungsleistungen durchzuführen.

Eine weitere Lösungsmöglichkeit folgt aus § 8 Abs. 1 Satz 3 KHEntgG. Danach dürfen Entgelte für die Behandlung von Notfallpatienten – auch außerhalb des Versorgungsauftrages – abgerechnet werden. In der Medizin wird als Notfall jede Situation eines Patienten bezeichnet, die die sofortige medizinische Behandlung erfordert, um schwere Schäden zu verhindern (Quelle: DocCheck.com). Das BSG hat vorliegend den akuten Behandlungsbedarf mit strahlentherapeutischen Leistungen ausdrücklich bejaht (BSG, aaO, Rdz. 15). Es hätte daher nahe gelegen, den Vergütungsanspruch nach § 8 Abs. 1 Satz 3 KHEntgG zu bejahen.

  Datum: 18.12.2023 11:20:10
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Die Strafzahlung nach § 275 c Abs. 3 Satz 1 SGB V ist erst ab dem Jahr 2022 gerechtfertigt.
 

Die Strafzahlung nach § 275 c Abs. 3 Satz 1 SGB V ist erst ab dem Jahr 2022 gerechtfertigt. Entscheidend ist hierfür die Einleitung der Rechnungsprüfung nicht die leistungsrechtliche Entscheidung der KK. Liegt die Einleitung der Rechnungsprüfung vor dem 01.01.2022 kommt keine Strafzahlung in Betracht.

 

BSG-Urteil vom 19.10.2023, Az.: B 1 KR 8/23 R

 

-Strafzahlung, Einleitung Prüfverfahren, leistungsrechtliche Entscheidung-

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Krankenkassen verlangten flächendeckend Strafzahlungen, auch wenn der Prüfauftrag vor dem 01.01.2022 erteilt wurde. Sie vertraten die Auffassung, dass es auf die leistungsrechtliche Entscheidung ankomme, die im Jahr 2022 erfolgte. Das BSG hat dem „einen Riegel“ vorgeschoben und den Krankenhäusern Recht gegeben.

 

Sachverhalt

 

Die beklagte KK hatte durch Bescheid eine Strafzahlung auf der Grundlage von § 275 c Abs. 3 Satz 1 SGB V festgesetzt. Sie berief sich auf ihre leistungsrechtliche Entscheidung, die im Jahr 2022 erfolgte. Die Beauftragung des MD erfolgte jedoch bereits 2020.

 

Die Klinik hat hiergegen Widerspruch und Klage eingereicht. Sie vertrat die Auffassung, die Strafzahlung könne erst für Prüfungsaufträge ab dem 01.01.2022 Anwendung finden.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG hat nunmehr endgültig entschieden, dass es auf den Zeitpunkt der Einleitung des Prüfverfahrens ankommt und nicht auf die leistungsrechtliche Entscheidung. Sie begründet dies mit dem systematischen Zusammenhang zwischen Rechnungsprüfung, Prüfquote und Strafzahlung. In den Jahren 2020 und 2021 gab es keine quartalsbezogenen Prüfquoten. Für die Zuordnung der Prüfung zur Prüfquote ist der Zeitpunkt der Einleitung der Prüfung maßgeblich. Für die Strafzahlung ist daher auch auf diesen Zeitpunkt abzustellen. 

 

Anmerkungen

 

Das Urteil des BSG ist in sich schlüssig begründet worden. Die Auffassung der KK wurde eindeutig zurückgewiesen.  Sie war unserer Auffassung nach von vornherein nicht vertretbar.

 

  Datum: 13.11.2023 08:47:08
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Vorsicht Verjährung!
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

für Vergütungsansprüche der Krankenhäuser und öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche der gesetzlichen Krankenkassen gilt seit dem 01.01.2019 die verkürzte Verjährungsfrist von zwei Jahren (§ 109 Abs. 5 Satz 1 SGB V i.d.F. PpSG). Krankenhäuser können somit Vergütungsansprüche aus dem Jahr 2021 nur bis zum 31.12.2023 geltend machen. 

 

Dies gilt auch für Krankenhausbehandlungskosten, die zunächst bezahlt und im Jahr 2021 von den Krankenkassen nachträglich mit unstreitigen Forderungen verrechnet wurden.

Aus anwaltlicher Vorsicht wollte ich Sie darauf rechtzeitig hinweisen.

  Datum: 09.11.2023 14:07:50
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Die Versorgung gesunder Neugeborener im Rahmen von § 24 f Satz 3 SGB V / Verlegungsabschlag
 

Die Versorgung gesunder Neugeborener im Rahmen von § 24 f  Satz 3 SGB V stellt keine Aufnahme i.S. von § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV (2015) dar. Sie bedeutet lediglich eine Nebenleistung zur Entbindung und / oder Krankenhausbehandlung der Mutter. Im Falle der Verlegung ist kein Verlegungsabschlag anzusetzen, da es an einer organisatorischen Eingliederung als Patient in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses fehlt.

 

BSG-Urteil vom 29.06.2023, Az.: B 1  KR 20/22 R

 

- Gesundes Neugeborene, Versorgung nach § 24 f Satz 3 SGB V, organisatorische Eingliederung, Patient, Verlegungsabschlag -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

im vorliegenden Fall hat sich das BSG mit der Frage auseinandergesetzt, ob bei Verlegung eines gesunden Neugeborenen ein Verlegungsabschlag anzusetzen ist. Es hat dies verneint.

 

Sachverhalt

 

Der gesunde Säugling wurde vom 19.- 20.09.2015 im Krankenhaus der Klägerin versorgt. Er wurde in ein anderes Krankenhaus mit der Diagnose Z76.2 (Gesundheitsüberwachung und Betreuung eines anderen gesunden Säuglings und Kindes) verlegt, in dem er geboren wurde und in dem sich seine Mutter zur stationären Behandlung befand.

 

Die Klägerin rechnete die Fallpauschale P67C ohne Verlegungsabschlag ab. Die beklagte Krankenkasse vertrat die Auffassung, dass ein Verlegungsabschlag berücksichtigt werde müsse und verrechnete daher einen Betrag in Höhe von 1.123,04 € mit anderen unstreitigen Rechnungen der Klägerin.

 

Die Vorinstanzen und das BSG gaben der Klägerin Recht und verurteilten die beklagte Krankenkasse zur Zahlung.  

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG stellt darauf ab, ob eine Verlegung stattgefunden hat. Maßgeblich hierfür ist eine stationäre Aufnahme, d.h. eine organisatorische Eingliederung als Patient in das spezifische Versorgungssystem des anderen Krankenhauses. Rechtsgrundlage für die Versorgung gesunder Neugeborener ist § 24 f Satz 3 SGB V, wobei Unterkunft, Pflege und Verpflegung gewährt wird. Dabei handelt es sich nicht um die Aufnahme eines Patienten, sondern lediglich um eine Nebenleistung zur Entbindung und / oder Krankenhausbehandlung. Der Säugling wurde nicht zur eigenen stationären Behandlung in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses organisatorisch eingegliedert, sondern er war gesund und es erfolgte lediglich eine „Gesundheitsüberwachung und Betreuung eines anderen gesunden Säuglings und Kindes“. Ein Verlegungsabschlag kommt daher nicht in Betracht.

 

Anmerkungen

 

Das BSG setzt einen Verlegungsabschlag nur dann an, wenn ein Patient in das spezifische Versorgungssystem des anderen Krankenhauses eingegliedert wurde. Die Aufnahmeentscheidung für den Patienten ist daher das maßgebliche Kriterium. Diese wird nach außen regelmäßig durch die Einweisung auf eine bestimmte Station, die Zuweisung eines Bettes oder das Erstellen entsprechender Aufnahmeunterlagen und Ähnliches dokumentiert (so: BSG, aaO, Rdz. 31). Die Versorgung eines gesunden Neugeborenen ist lediglich eine Nebenleistung, ähnlich wie die Mitaufnahme einer Begleitperson. Insoweit scheidet nach dem Urteil des BSG  ein Verlegungsabschlag von vornherein aus.

 

  Datum: 27.09.2023 08:15:22
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Für Behandlungsfälle aus dem Jahr 2015 greift das Aufrechnungsverbot aus § 15 Absatz 4 Satz 2 LV-NRW
 

Für Behandlungsfälle aus dem Jahr 2015 greift das Aufrechnungsverbot aus § 15 Absatz 4 Satz 2 LV-NRW für Erstattungsforderungen, die sich aus einer nur sachlich falschen Abrechnung des Krankenhauses ergeben. Die PrüfvV 2014 war im Jahr 2015 auf eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung nicht anwendbar und steht somit dem Aufrechnungsverbot für solche Fälle aus dem Jahr 2015 nicht entgegen.

 

BSG-Urteil vom 11.05.2023, Az.: B 1 KR 14/22 R

 

- Nordrhein-westfälischer Landesvertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung (LV-NRW), normenvertragliches Aufrechnungsverbot gem. § 15 Absatz 4 Satz 2 LV-NRW, § 112 Absatz 2 Satz 1 Nr 1 Buchstabe b SGB V -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das vom BSG festgestellte Aufrechnungsverbot aus § 15 Absatz 4 Satz 2 LV-NRW wird nur in Ausnahmefällen, die bereits bei Gerichten anhängig sind,  Anwendung finden. Des Weiteren zeigt die Entscheidung die Grenzen der revisionsrechtlichen Auslegung von Landesverträgen auf. Haben Regelungen aus einem Landesvertrag keine Landesgrenzen-überschreitende Wirkung, hat das LSG (und nicht das BSG) „das letzte Wort“.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelte im Jahr 2015 einen Patienten. Die entsprechende Rechnung wurde durch die beklagte Krankenkasse beglichen. Nachdem der beauftragte Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) aber zu dem Ergebnis gelangte, dass eine andere DRG abzurechnen sei, rechnete die Beklagte den Differenzbetrag mit unstreitigen Vergütungsansprüchen der Klägerin auf. Die Klägerin bestritt die Rechtmäßigkeit dieser Aufrechnung und erhob Klage. Das Sozialgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung des Aufrechnungsbetrages. Das zuständige Landessozialgericht wies die Berufung der Beklagten hiergegen zurück. Das BSG hat die Auffassung der Vorinstanzen bestätigt.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG ist der Auffassung, dass der Aufrechnung ein wirksames, sich aus § 15 Absatz 4 Satz 2 des nordrhein-westfälischen Landesvertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung (LV-NRW) ergebendes Aufrechnungsverbot entgegenstehe. Der LV-NRW gelte weiter, obwohl er gekündigt wurde. Das BSG könne als Revisionsgericht die landesvertragliche Regelung nicht selbst auslegen. Ein auf Landesebene geltender Vertrag stelle kein revisibles Recht im Sinne von § 162 SGG dar. Die Regelungen des LV-NRW seien gemäß § 112 Absatz 2 Satz 2 SGB V für die Krankenkassen und die zugelassenen Krankenhäuser im Land unmittelbar verbindlich. Ihr Anwendungsbereich erstrecke sich aber nicht über den Bezirk eines Berufungsgerichts hinaus. Das Landessozialgericht habe dem Landesvertrag in § 15 Absatz 4 LV-NRW ein Aufrechnungsverbot für Erstattungsforderungen der Krankenkassen entnommen, die auf einer nur sachlich falschen Abrechnung durch die Krankenhäuser beruhen. Die sich aus § 15 Absatz 4 Satz 2 LV-NRW ergebende Rechtsfolge sei mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Vereinbarung in einem Landesvertrag über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung, die die Aufrechnung gegen Vergütungsforderungen des Krankenhauses verbiete - wie hier § 15 Absatz 4 Satz 2 LV-NRW -, sei bei einer im Jahr 2015 erfolgten MDK-Prüfung außerhalb des Anwendungsbereichs der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) mit höherrangigem Recht vereinbar gewesen.

 

Die Vorschrift § 112 Absatz 2 Satz 1 Nr 1 Buchstabe b SGB V ermächtige zu Regelungen, ob und in welchem Umfang anstelle der geschuldeten Leistung - hier der Vergütung - ein Erfüllungssurrogat treten könne. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfasse diese Vorschrift auch Verrechnungsmodalitäten.

 

Schließlich stehe eine Aufrechnungsregelung nach der PrüfvV 2014 dem im Landesvertrag geregelten Aufrechnungsverbot nicht entgegen. Die PrüfvV 2014 sei im Jahr 2015 auf eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung nicht anwendbar gewesen.

 

Anmerkungen

 

Die Feststellungen zum Aufrechnungsverbot aus § 15 Absatz 4 Satz 2 LV-NRW betreffen nur Alt- Behandlungsfälle aus Nordrhein-Westfalen und nur aufgerechnete Erstattungsforderungen, die auf einer sachlich falschen Abrechnung beruhen. Somit sollte bei den bereits eingeklagten Altfällen geprüft werden, ob das Aufrechnungsverbot dort Anwendung findet.

 

Die PrüfvV 2022 sieht nur noch in einigen wenigen Ausnahmefällen eine Aufrechnung vor (siehe im Einzelnen § 11 PrüfvV 2022: vom Krankenhaus nicht bestrittene, geeinte oder rechtskräftig festgestellte Erstattungsforderungen der Krankenkassen).

 

  Datum: 25.09.2023 08:53:36
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Die Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots im Zusammenhang mit Entlassungen und Wiederaufnahmen
 

Die Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebots im Zusammenhang mit Entlassungen und Wiederaufnahmen in dasselbe Krankenhaus ist auf Grund der Regelung in § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntG seit dem 01.01.2019 abschließend den Vertragsparteien der FPV zugewiesen. Die Vertragsparteien der FPV haben in § 2 Abs. 2 FPV eine ermächtigungskonforme Regelung getroffen. Für die vom BSG entwickelten Grundsätze des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens, die darüber hinausgehen, besteht seit dem 01.01.2019 kein Raum.

 

BSG-Urteil vom 11.05.2023, Az.: B 1 KR 10/22 R

 

- Fallzusammenführung gem. § 2 Absatz 2 FPV, § 8 Absatz 5 Sätze 1 und 3 KHEntgG, fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Frage der Erforderlichkeit einer Fallzusammenführung ist ein Dauerstreitthema zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen. Das BSG hat mit seinem Urteil vom 11.05.2023 bestätigt, dass seit dem 01.01.2019 § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG Anwendung findet, wonach in anderen als den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen eine Fallzusammenführung insbesondere aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebotes nicht mehr zulässig ist.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelte vom 09.10.2019 bis zum 18.10.2019 einen Patienten wegen anhaltender Durchfälle, wobei ein Rektumkarzinom mit Metastasen und weitere Erkrankungen diagnostiziert wurden. Als Operationstermin war der 24.10.2019 geplant. Der Patient wurde am 23.10.2019 erneut aufgenommen und planmäßig am 24.10.2019 operiert. Hierbei wurde festgestellt, dass das Karzinom nicht operabel war. Der Patient wurde daraufhin am 05.11.2019 in die hausärztliche Behandlung entlassen.

 

Die Klägerin stellte der beklagten Krankenkasse für den Aufenthalt vom 09.10.2019 bis zum 18.10.2019 auf Grundlage der DRG G60B einen Betrag in Höhe von 1.909,27 Euro und für den Aufenthalt vom 23.10.2019 bis zum 05.11.2019 auf Grundlage der DRG G18C einen Betrag in Höhe von 8.489,36 Euro in Rechnung. Die Beklagte beglich diese Rechnung nicht und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Durchführung einer Prüfung. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass eine Fortsetzung der im Rahmen des ersten Aufenthaltes noch nicht abgeschlossenen Behandlung möglich gewesen wäre, da die Wiederaufnahme zur Operation bereits beim ersten Aufenthalt geplant gewesen sei. Die Beklagte war daher der Ansicht, dass statt einer Entlassung eine Beurlaubung hätte erfolgen müssen, weshalb die Behandlungsfälle zusammenzuführen seien.

 

Die Klägerin erhob Klage, da sie ihre getrennte Abrechnung für korrekt hielt. Nach Klageerhebung zahlte die Beklagte zwar einen Teilbetrag, blieb im Übrigen jedoch bei der Ansicht, dass eine Fallzusammenführung hätte erfolgen müssen.

 

Das Sozialgericht hatte die Beklagte zur weiteren Zahlung verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte das zuständige Landessozialgericht zurückgewiesen. Das Krankenhaus habe beide Behandlungsfälle korrekt abgerechnet. Die Voraussetzungen einer Fallzusammenführung hätten nicht vorgelegen. Die Beklagte könne nicht geltend machen, dass die Klägerin den Patienten unwirtschaftlich behandelt und somit nur Anspruch auf diejenige Vergütung habe, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre.

 

Das BSG hat die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG ließ sich von folgenden Erwägungen leiten:

 

Gemäß § 8 Absatz 5 Satz 3 KHEntgG soll eine Fallzusammenführung bzw. eine Vergütungskürzung nach Maßgabe eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens nur noch in den entweder vom Gesetzgeber selbst oder von den Vertragsparteien in der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) festgelegten Fällen stattfinden. Die Vorschrift § 8 Absatz 5 Satz 1 KHEntgG ordne eine Fallzusammenführung für den Fall an, dass Patienten wegen einer Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung innerhalb der oberen Grenzverweildauer wieder aufgenommen werden. Die Vertragsparteien der FPV regeln hierzu „Näheres oder Abweichendes“. Diesen gesetzlichen Vorgaben trage § 2 Absatz 2 FPV hinreichend Rechnung.

 

Den Regelungen zur Wiederaufnahme liegen dabei auch Erwägungen der Praktikabilität zugrunde. Es solle eine Lösung gefunden werden, die im täglichen Abrechnungsgeschäft auch bei hohen Fallzahlen praktikabel und von Krankenhäusern und Krankenkassen mit wenig Aufwand umzusetzen sei. Insoweit werde zugunsten der Praktikabilität des Abrechnungssystems auf eine Überprüfung der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots in jedem einzelnen Behandlungsfall verzichtet.

 

Eine individuelle, auf den einzelnen Behandlungsfall bezogene Prüfung der Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots scheide danach aus. Dies gelte aber nicht, wenn für die Entlassung im konkreten Einzelfall überhaupt kein nachvollziehbarer sachlicher Grund ersichtlich sei und diese offensichtlich allein dazu diene, missbräuchlich eine weitere Fallpauschale zu generieren. Ein solcher Fall liege hier jedoch nicht vor.

 

Anmerkungen

 

Das BSG stützt sich nunmehr auf § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG, der ab dem 01.01.2019 Anwendung findet. Für die zeitlich davor liegenden Fallgestaltungen gilt nach wie vor die Beachtung der Grundsätze des BSG zum fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhalten. § 8 Abs. 5 Satz 2 KHEntgG weist den Vertragsparteien der FPV abschließend die Kompetenz zu, die Fallgestaltungen für eine Fallzusammenführung zu normieren. Dies haben sie in § 2 FPV vorgenommen. § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG bestimmt hierzu: „In anderen als den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen ist eine Fallzusammenführung insbesondere aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zulässig“. Daher ist für die bisherige Rechtsprechung des BSG bezüglich der Anwendung des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens ab 01.01.2019 kein Raum mehr. Einzige Ausnahme hiervon ist, wenn die Vorgehensweise des Krankenhauses rechtsmissbräuchlich ist.

 

  Datum: 22.09.2023 08:36:57
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Eine teilstationär arbeitende psychiatrische Tagesklinik stellt ein Krankenhaus gemäß § 107 Abs. 1 SGB V dar, auch wenn es ein unselbständiger Teil eines größeren, über mehrere Standorte verfügenden Krankenhauses ist.
 

Eine teilstationär arbeitende psychiatrische Tagesklinik stellt ein Krankenhaus gemäß § 107 Abs. 1 SGB V dar, auch wenn es ein unselbständiger Teil eines größeren, über mehrere Standorte verfügenden Krankenhauses ist. Die Qualifizierung als Krankenhaus setzt weder eine rechtliche Selbständigkeit noch eine eigenständige Wirtschaftsführung voraus. Damit hat die Trägerin der Tagesklinik Anspruch auf eine Ermächtigung nach § 118 Abs. 1 SGB V zum Betrieb einer psychiatrischen Institutsambulanz (PIA).

BSG Urteil vom 23.03.2023, Az.: B 6 KA 7/22 R

-Definition Krankenhaus, psychiatrische Tagesklinik, PIA, Ermächtigung, unselbständiger Teil eines Krankenhauses -

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Erteilung einer Ermächtigung zur ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung von Versicherten auf der Grundlage von § 118 Abs. 1 SGB V hängt von der Qualifizierung als psychiatrisches Krankenhaus ab. Vorliegend ging es darum, ob die psychiatrische Tagesklinik als Krankenhaus gemäß § 118 Abs. 1 SGB V einzuordnen ist und damit eine PIA Zulassung erhält. Dies hat das BSG uneingeschränkt bejaht.

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt ein großes Zentrum für Psychiatrie mit 600 Betten und Plätzen an mehreren Standorten. U.a. betreibt sie eine vom Hauptstandort 45 km entfernte Tagesklinik auf dem Fachgebiet der Kinder – und Jugendpsychiatrie / - psychotherapie mit aktuell 14 Plätzen.  Das Zentrum  für Psychotherapie ist in den Krankenhausplan des Landes Baden-  Württemberg durch Feststellungsbescheid aufgenommen worden. In den Krankenhausdatenblättern, die Bestandteil des Bescheides sind, heißt es bezüglich der Tagesklinik: „ Satellit ZfP W1“ mit 10 tagesklinischen Plätzen für Kinder – und Jugendpsychiatrie / - psychotherapie.

Der Zulassungsausschuss lehnte die Ermächtigung auf der Grundlage von § 118 Abs. 1 SGB  V ab und erteilte nur eine befristete Ermächtigung gemäß § 118 Abs. 4 SGB V (betrifft räumlich und organisatorisch nicht angebundene Einrichtungen). Hiergegen hat die Klägerin erfolglos Widerspruch und Klage eingelegt.

Das BSG hat der Auffassung der Klägerin Rechnung getragen und den Ursprungsbescheid insoweit aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Zunächst stellt das BSG heraus, dass auch eine Tagesklinik als Krankenhaus qualifiziert werden kann. Des Weiteren stellt es fest, dass die psychiatrische Tagesklinik ein Krankenhaus i. S. von § 107 Abs. 1 SGB V darstellt. Dieser Einordnung als Krankenhaus steht nicht entgegen, dass die Tagesklinik nicht als vollkommen unabhängige, eigenständige Einrichtung, sondern als Teil eines größeren, über mehrere Standorte verfügenden Krankenhauses in den Krankenhausplan aufgenommen wurde. Die Bezeichnung als „Satellit“ sei unschädlich. Die Tagesklinik stehe fachlich- medizinisch unter ärztlicher Leitung, arbeite mit entsprechenden diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten nach wissenschaftlich anerkannten Methoden. In der Tagesklinik sei das erforderliche ärztliche, Pflege-, Funktions – und medizinisch – technische Personal verfügbar. Auch Unterbringung sowie Verpflegung seien für die Patienten in ausreichendem – einer Tagesklinik entsprechendem – Umfang gewährleistet. Unerheblich sei, dass die Tagesklinik ein unselbständiger Teil einer größeren Einrichtung ist. Die Qualifizierung als Krankenhaus setzt weder eine rechtliche Selbständigkeit noch eine eigenständige Wirtschaftsführung voraus (BSG, aaO, Rdz. 19).

Aus der Qualifizierung der Tagesklinik als Krankenhaus folge der Anspruch auf Ermächtigung nach § 118 Abs. 1 SGB V (PIA).

Anmerkungen

Der Auffassung des BSG ist uneingeschränkt zuzustimmen. Die Irritationen der Vorinstanzen sind letztlich auf die saloppe Formulierung im Bescheid als „Satellit“ zurückzuführen. Dies ist – wie das BSG richtigerweise betont- kein juristischer Begriff. Es wird daher empfohlen, bei den Feststellungsbescheiden der Behörden darauf hinzuwirken, dass juristisch klare Formulierungen gewählt werden. Dies kann bereits im Anhörungsverfahren vor Erlass der Feststellungsbescheide erfolgen. Bestehen Unklarheiten sollte auf eine Klarstellung Wert gelegt werden. Schließlich stellt der Feststellungsbescheid den Rahmen und die Grenzen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses dar (§ 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 BPflV, § 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KHEntgG).

  letzte Änderung: 06.07.2023 08:02:33
 
Ausschluss eines Anspruchs auf Aufwandspauschale
 

Es besteht kein Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale gem. § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V, wenn das Prüfverfahren durch ein Fehlverhalten des Krankenhauses veranlasst worden ist. Hierunter fällt auch die unzureichende Beantwortung einer Anfrage der Krankenkasse zur medizinischen Begründung der Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer. Eine solche unzureichende Beantwortung stellt einen Verstoß gegen die Informationspflicht nach § 301 SGB V dar.

BSG, Urteil vom 07.03.2023, B 1 KR 11/22 R

– Aufwandspauschale gem. § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V, Fehlverhalten eines Krankenhauses, Verlangen einer medizinischen Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der Krankenhausbehandlung, Veranlassung des Prüfverfahrens, Datenschutz –

Sehr geehrte Damen und Herren,

über das vorgenannte Urteil des BSG hatten wir Sie bereits anhand des Terminsberichts informiert. Inzwischen liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor, die weitere Aufschlüsse geben.

Das BSG hat seine bisherige Rechtsprechung zum Ausschluss des Anspruchs auf Zahlung einer Aufwandspauschale um den Fall erweitert, dass das Krankenhaus dem Verlangen der Krankenkasse nicht nachkommt, eine medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer abzugeben und dadurch die Prüfung des Medizinischen Dienstes veranlasst wurde.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus behandelte eine Patientin der beklagten Krankenkasse im Dezember 2019 stationär. Im Januar 2020 rechnete das Krankenhaus die Behandlung ab. Im Februar 2020 bat die Krankenkasse um eine medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer. Das Krankenhaus gab an, der Zustand der Patientin sei aus medizinischer Sicht noch nicht gut genug gewesen, um eine Entlassung vornehmen zu können. Weitere Details dürften aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht in dieser Form erörtert werden. Hierfür stehe der Krankenkasse das Prüfungsverfahren (§§ 275 ff SGB V) zur Verfügung.

Nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung beglich die Krankenkasse die Rechnung des Krankenhauses in voller Höhe. Die Forderung des Krankenhauses auf Zahlung einer Aufwandspauschale wies die Krankenkasse jedoch mit der Begründung zurück, sie habe auf ihre Anfrage hin keine medizinischen Informationen erhalten. Die Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung sei daher durch das Krankenhaus veranlasst worden.

Das Sozialgericht hat der Klage stattgegeben und die Krankenkasse zu Zahlung von 300 Euro nebst Verzugszinsen verurteilt. Auf die Berufung der Krankenkasse hat das Landessozialgericht die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale scheide aus. Die Klägerin habe durch ihre Weigerung, auf Anfrage eine medizinische Begründung wegen Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer abzugeben, Anlass für die Beauftragung des MD gegeben. Die Krankenkasse habe ihrerseits nicht treuwidrig gehandelt.

Das BSG hat die Revision der Klägerin gegen das LSG-Urteil zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das BSG hat in seiner Entscheidung verdeutlicht, dass eine Pflichtverletzung eines Krankenhauses dem Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale entgegenstehen kann. Dies ergebe sich laut dem BSG bereits daraus, dass das Verfahren der Prüfung nach § 275c Abs. 1 SGB V effizient und konsensorientiert ausgestaltet sein solle.

Die Krankenkassen, der Medizinische Dienst und die Krankenhäuser sollen das Prüfverfahren in konstruktiver Zusammenarbeit durchführen. Bei der Abrechnungsprüfung sollen Konflikte durch das Prüfverfahren vermieden und gerichtliche Auseinandersetzungen vermieden werden.

Das klagende Krankenhaus habe unter Verstoß gegen die Informationspflicht nach § 301 SGB V unzureichend die Anfrage der beklagten Krankenkasse beantwortet und keine medizinische Begründung zur Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer gegeben. Die Krankenkassen seien nach § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V jedoch berechtigt, bei Überschreiten der gemeldeten voraussichtlichen Verweildauer von dem Krankenhaus eine medizinische Begründung zu verlangen. Gleichzeitig ergebe sich aus § 301 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V die ausdrücklich angeordnete Pflicht des Krankenhauses, eine medizinische Begründung an die Krankenkasse zu übermitteln.

Das Krankenhaus sei hierbei verpflichtet, eine inhaltliche Begründung zu liefern, welche konkreten medizinischen Sachverhaltsumstände zum längeren Behandlungsverlauf geführt haben. Wenn das Krankenhaus keine derartige medizinische Begründung abgebe, genüge es den Anforderungen nicht.

Für die Anforderung einer Begründung reiche es hingegen aus, wenn die Krankenkasse das Verlangen auch ohne erläuternde Ausführungen äußere. Eine Antwort müsse hierbei elektronisch oder – wie in § 301 Abs. 1 S. 2 SGB V ausdrücklich klargestellt - in nicht maschinenlesbarer Form ausführlich formuliert an die Krankenkasse übermittelt werden. Auch Gründe des Datenschutzes rechtfertigen das Unterlassen einer medizinischen Begründung nicht.

Eine Krankenkasse sei in einem solchen Fall auch nicht verpflichtet, vor der Beauftragung des Medizinischen Dienstes einen Kurzbericht vom Krankenhaus einzuholen.

Im vorliegenden Fall war das BSG der Ansicht, dass sich aus dem rheinland-pfälzischen Landesvertrag nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SGB V keine Rechtspflicht ergebe, einen Kurzbericht anzufordern. Vielmehr sei der Krankenkasse nur die Möglichkeit eingeräumt worden, einen Kurzbericht einzuholen („Kann-Vorschrift“). Verletze ein Krankenhaus diese (fälligkeitsbegründenden) Informationspflichten, schließe dies nicht die Berechtigung der Krankenkasse aus, den Sachverhalt vorgerichtlich mit den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten aufzuklären. Eine Krankenkasse handle daher nicht pflichtwidrig, wenn sie nach dem gescheiterten Verlangen einer medizinischen Begründung den Medizinischen Dienst einschalte.  

Anmerkungen

Aus den Urteilsgründen wird deutlich, dass das BSG von einer streng einzuhaltenden Pflicht der Krankenhäuser zur Beantwortung einer Anfrage der Krankenkasse zur medizinischen Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer ausgeht. Datenschutzprobleme sieht das BSG in diesem Zusammenhang nicht.

Es ist daher jedem Krankenhaus anzuraten entsprechende Anfragen der Krankenkassen ernst zu nehmen und medizinisch zu begründen. Andernfalls kann die Krankenkasse den Medizinischen Dienst ohne Umwege beauftragen. Bestätigt dieser in seiner Begutachtung die Abrechnung des Krankenhauses, ist das Krankenhaus nicht berechtigt, die Zahlung der Aufwandspauschale gem. § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V von der Krankenkasse zu verlangen. Die  fehlende oder unzureichende Beantwortung derartiger Anfragen stellt nämlich ein das Prüfverfahren verursachendes Fehlverhalten des Krankenhauses dar und schließt damit den Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale gem. § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V aus.

  Datum: 05.07.2023 09:19:49
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Vergütungsrechtliche Konsequenz einer wahrheitswidrigen Angabe im Transplantationsverfahren
 

Einem Krankenhaus steht ein Vergütungsanspruch für eine Transplantation zu, auch wenn transplantationsrechtliche Regelungen zur Übermittlung der für die Organzuteilung (Allokation) erforderlichen Angaben verletzt wurden. Eine wahrheitswidrige Angabe stellt nämlich keinen Verstoß gegen das Qualitätsgebot dar.

BSG, Urteil vom 07.03.2023, B 1 KR 3/22 R

– Angaben zur Organallokation, wahrheitswidrige Angaben,  Transplantationsgesetz, qualitätssichernde Zielrichtung, Qualitätsgebot, Schadensersatzanspruch –

Sehr geehrte Damen und Herren,

das BSG musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob ein Verstoß gegen die Meldepflicht gegenüber der Eurotransplant International Foundation und damit eine nachweislich falsche Angabe im Transplantationsverfahren den Vergütungsanspruch eines Krankenhauses hinsichtlich der erfolgten Transplantation entfallen lässt. Dies hat es verneint. 

Sachverhalt

Das beklagte Krankenhaus transplantierte in den Jahren 2010 und 2011 zwei Patienten jeweils eine Spenderleber. Beide Patienten waren zu dieser Zeit bei der klagenden Krankenkasse krankenversichert.

Nach einem anonymen Hinweis im Juli 2011 erstattete das Krankenhaus selbst Strafanzeige gegen einen dort von Oktober 2008 bis Ende 2011 im Bereich der Transplantationschirurgie beschäftigten leitenden Oberarzt. Im Zuge der staatsanwaltlichen Ermittlungen stellte sich heraus, dass verantwortliche Mitarbeiter des Krankenhauses falsche Meldungen an die Eurotransplant International Foundation, die zentrale Vermittlungsstelle für Organspenden, vorgenommen hatten, um auf diese Weise die eigenen Patienten auf einem höheren Wartelistenplatz zu positionieren.

Im Falle der bei der Klägerin versicherten Patienten waren wahrheitswidrige Angaben zu vorangegangenen Dialysebehandlungen getätigt worden. Dies hatte dazu geführt, dass die Patienten nach dem für die Erstellung der einheitlichen Warteliste maßgeblichen MELD-Score einen höheren Platz auf der Warteliste erhielten.

Das gegen den leitenden Oberarzt wegen Verdachts des versuchten Totschlags und der Körperverletzung vor dem LG Göttingen geführte Strafverfahren endete am 06.05.2015 mit einem Freispruch, welchen der BGH mit Urteil vom 28.06.2017 bestätigte.

Das Sozialgericht verurteilte das Krankenhaus zur Rückzahlung von 157.159,31 Euro nebst Zinsen. Der Krankenkasse stehe ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch auf Rückzahlung der Vergütungen zu. Obwohl die durchgeführten Transplantationen in beiden Fällen unstreitig medizinisch indiziert und von den behandelnden Ärzten nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen worden seien, seien sie im Rechtssinn nicht erforderlich gewesen.

Das LSG hat das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Bei der Meldung der Daten an die Eurotransplant International Foundation handele es sich nicht um eine formale oder inhaltliche Voraussetzung der Entstehung eines Vergütungsanspruchs für die stationäre Krankenhausbehandlung des Transplantationspatienten. Auch die Erforderlichkeit der stationären Leistungen entfalle nicht. Ein Verstoß gegen die Meldepflichten gegenüber der Eurotransplant International Foundation habe keinen Einfluss auf die Eignung und Qualität der erbrachten Transplantationen.

Das BSG hat die Revision der Krankenkasse gegen das Urteil des LSG zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das BSG hielt die Revision für unbegründet. Die Klägerin habe keinen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung der geleisteten Vergütungen, denn sie habe die Vergütungen nicht ohne Rechtsgrund erbracht. Der Vergütungsanspruch für die medizinisch erforderliche Transplantation eines im vorgesehenen Verfahren zugeteilten Organs entfalle nicht dadurch, dass das Krankenhaus falsche Angaben zur Dringlichkeit der Transplantation an die Vermittlungsstelle gemeldet habe. Hier seien transplantationsrechtliche Regelungen zur Übermittlung der für die Allokation erforderlichen Angaben verletzt worden. Hierin liege aber kein Verstoß gegen das Qualitätsgebot, denn die hier verletzten Allokationsregelungen dienen nicht der Qualitätssicherung im System der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese Regelungen haben nicht die Funktion einer präventiven Risikominderung, sondern dienen der Herstellung von Verteilungsgerechtigkeit im Hinblick auf knappe medizinische Ressourcen. Wahrheitswidrige Angaben zur Dringlichkeit einer an sich medizinisch indizierten Transplantation lassen die krankenversicherungsrechtliche Notwendigkeit nicht entfallen.

Das BSG verkenne nicht, dass das Vertrauen in ein gerechtes Verteilungssystem für Spenderorgane durch Manipulationen nachhaltig beschädigt werde und dies dessen Funktionsfähigkeit insgesamt potentiell gefährde. Für die Voraussetzungen eines Vergütungsanspruchs spielen diese Gerechtigkeitserwägungen nach dem hier maßgeblichen Recht aber keine Rolle.

Der Krankenkasse stehe auch kein Schadensersatzanspruch zu, da die Allokationsregelungen des Transplantationsgesetzes nicht die Interessen der Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung schützen.

Anmerkungen

In dieser Entscheidung hat das BSG trennscharf zwischen der Verletzung einer Vorschrift des Transplantationsgesetzes und der Verletzung einer Vorschrift des SGB V unterschieden.

Der Anspruch auf Krankenbehandlung richtet sich danach, welche Behandlung unter Beachtung des Qualitätsgebots gem. § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V und des umfassenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend ist, um das angestrebte Behandlungsziel zu erreichen.

Einzelne Vorschriften des Transplantationsgesetzes können zwar der Beachtung dieses Qualitätsgebots dienen. Dies war im vorliegenden Fall jedoch nicht der Fall. Kommt es daher zur Verletzung einer Vorschrift des Transplantationsgesetzes, ist es für die Frage der Behandlungsvergütung entscheidend, ob der verletzten Vorschrift eine qualitätssichernde Zielrichtung zukommt. Dies war hier nicht der Fall. 

  Datum: 04.07.2023 08:38:46
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Nachweis des sachlichen Grundes bei Verlegung
 

Eine Verlegung kann trotz der damit verbundenen Vergütungsabschläge zu höheren Gesamtbehandlungskosten für die Krankenkasse führen. Deshalb bedarf es hierfür eines sachlichen Grundes, den das Krankenhaus im Streitfall darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat. Als sachliche Gründe kommen vor allem in Betracht: Zwingende medizinische Gründe, zwingende Gründe in der Person des Patienten* sowie übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern (§ 1 Abs. 1 KHG).

*Die Bezeichnung Patient umfasst i. Folg. alle Geschlechter

BSG, Urteil vom 07.03.2023, B 1 KR 4/22 R

– Verlegung, sachlicher Grund, Darlegungs- und Beweislast, Pflichtverletzung, Schadensersatzanspruch, Wirtschaftlichkeitsgebot, mehrstufiges Krankenhausversorgungssystem –

Sehr geehrte Damen und Herren,

das BSG hat die Darlegungs- und Beweislast für den sachlichen Grund für eine Verlegung in ein anderes Krankenhaus dem verlegenden Krankenhaus auferlegt. Im vorliegenden Fall zieht das BSG sogar einen Schadensersatzanspruch der Krankenkasse nach § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 280 Absatz 1 BGB wegen einer eventuell ungerechtfertigten Verlegung in Betracht.

Sachverhalt

Das klagende Universitätsklinikum behandelte die Patientin im Mai 2017 vollstationär. Am 18. Mai 2017 wurde sie aus dem Universitätsklinikum in ein wohnortnahes Krankenhaus verlegt und dort noch bis zum 26. Mai 2017 stationär weiterbehandelt. Das Universitätsklinikum stellte der beklagten Krankenkasse für die Behandlung der Patientin 4.319,55 Euro in Rechnung und berücksichtigte dabei einen Verlegungsabschlag in Höhe von 1.657,48 Euro. Das wohnortnahe Krankenhaus berechnete für die eigene stationäre Behandlung der Versicherten 2.806,57 Euro. Die Krankenkasse beglich die Rechnung des Universitätsklinikums und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung mit der Durchführung eines Prüfverfahrens. Im Ergebnis dieser Prüfung rechnete die Krankenkasse 1.147,76 Euro mit einer anderen unstrittigen Forderung des Universitätsklinikums auf. Zur Begründung der Aufrechnung machte sie geltend, die Verlegung sei medizinisch nicht notwendig gewesen. Die Patientin hätte im Universitätsklinikum bis zur Entlassung weiterbehandelt werden können und müssen. Dann hätte sie (die Krankenkasse) insgesamt für die stationäre Behandlung in den beiden Krankenhäusern 1147,76 Euro weniger vergüten müssen.

Das Sozialgericht hat die Krankenkasse zur Zahlung von 1.447,76 Euro (1.147,76 Euro zuzüglich 300 Euro Aufwandspauschale) nebst Zinsen verurteilt. Das Landessozialgericht hat die Berufung der Krankenkasse zurückgewiesen. Die Krankenkasse habe weder einen öffentlich-rechtlichen Erstattungs- noch einen Schadensersatzanspruch. Sie könne nicht geltend machen, die Verlegung in das wohnortnahe Krankenhaus sei medizinisch nicht notwendig gewesen. Für einen solchen Einwand gebe es in den Abrechnungsbestimmungen keine Rechtsgrundlage.

Das BSG hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Das BSG ist der Ansicht, dass ein Schadensersatzanspruch der Krankenkasse nach § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 280 Absatz 1 BGB in Betracht kommen könnte, wenn und soweit die Verlegung des Patienten ohne sachlichen Grund erfolgt sei und der Krankenkasse hierdurch Mehrkosten entstanden seien.

Eine Verlegung führe regelmäßig zu höheren Gesamtbehandlungskosten für die Krankenkasse und bedürfe daher eines sachlichen Grundes, den das verlegende Krankenhaus im Streitfall darzulegen und ggf. zu beweisen habe.

Als sachliche Gründe für eine Verlegung kommen zwingende medizinische Gründe, zwingende Gründe in der Person des Patienten sowie übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern (§ 1 Absatz 1 KHG) in Betracht.

Zwingende Gründe können etwa die Entfernung des Krankenhauses von nächsterreichbaren Verwandten oder anderen Bezugspersonen, die Störung des Vertrauensverhältnisses zum Krankenhaus, relevante religiöse Bedürfnisse sowie ähnliche Belange des Patienten sein, die einen Verbleib in dem bisherigen Krankenhaus auch in Anbetracht der damit voraussichtlich verbundenen Mehrkosten für die Krankenkasse als unzumutbar erscheinen lassen.

Allein der Umstand, dass das aufnehmende Krankenhaus näher am Wohnort des Patienten gelegen sei, rechtfertigte aber die mit einer Verlegung regelmäßig verbundenen erheblichen Mehrkosten nicht. Insofern müssen weitere Umstände hinzukommen, etwa dass in dem verlegenden Krankenhaus eine erforderliche Betreuung durch die sorgeberechtigten Eltern oder durch eine aus medizinischen Gründen erforderliche Begleitperson nicht möglich oder erheblich erschwert sei.

In einem mehrstufigen Krankenhausversorgungssystem könne die Verlegung aus einem Krankenhaus einer höheren Stufe (insbesondere Spezialklinik oder Maximalversorger) in ein Krankenhaus einer niedrigeren Stufe (insbesondere Krankenhaus der Grund- oder Regelversorgung) aus übergeordneten Gründen der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern gerechtfertigt sein, wenn und soweit es zur Behandlung des Patienten der besonderen Mittel des Krankenhauses der höheren Stufe nicht (mehr) bedürfe und die dortigen Versorgungskapazitäten für andere Patienten benötigt würden. Dies habe im Streitfall das verlegende Krankenhaus darzulegen und zu beweisen.

Bei der Entscheidung über die Verlegung müsse zumindest eine überschlägige prognostische Schätzung der Mehrkosten durch das Krankenhaus erfolgen. Dies sei auch bei der Prüfung des Vertretenmüssens des verlegenden Krankenhauses gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB zu berücksichtigen.

Eines besonderen sachlichen Grundes bedürfe es dagegen nicht, wenn und soweit durch die Verlegung für die Krankenkasse keine Mehrkosten entstehen.

Es komme für den Vergütungsanspruch des Krankenhauses nicht darauf an, ob im vorliegenden Fall die Verlegung in das wohnortnahe Krankenhaus medizinisch notwendig gewesen sei. Die medizinische Notwendigkeit der Verlegung sei keine zusätzliche Vergütungsvoraussetzung für den Anspruch des aufnehmenden Krankenhauses bei erfolgter Verlegung des Patienten. Das gelte in gleicher Weise auch für das verlegende Krankenhaus.

Der Begriff der Verlegung werde in § 1 Abs 1 Satz 4 FPV 2017 definiert und setze lediglich voraus, dass der Patient innerhalb von 24 Stunden aus einem Krankenhaus entlassen und in ein anderes Krankenhaus aufgenommen werde. Von weiteren Voraussetzungen mache die Regelungen der FPV 2017 die getrennte Abrechnung eines Verlegungsfalles durch das verlegende und das aufnehmende Krankenhaus nicht abhängig, insbesondere nicht von einer medizinischen Notwendigkeit oder einer Zweckmäßigkeit der Verlegung.

Verstöße gegen die Behandlungspflicht eines zugelassenen Krankenhauses können sich auf den Vergütungsanspruch aber nur auswirken, wenn dieser bei pflichtgemäßem Vorgehen geringer ausgefallen wäre. Pflichtverletzungen des Leistungserbringers, die den Vergütungsanspruch des Krankenhauses nicht tangieren, sondern lediglich an anderer Stelle für die Krankenkasse höhere Kosten verursachen, rechtfertigen keine allgemeinen Vergütungskürzungen, sondern allenfalls einen (verschuldensabhängigen) Schadensersatzanspruch gemäß § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V i. V. m. § 280 Abs 1 BGB.

Anmerkungen

Das BSG Urteil zeigt die rechtlichen Konsequenzen bei einer Verlegung ohne nachweisbaren sachlichen Grund auf. Eine solche Verlegung ohne sachlichen Grund kann auch zu einem verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch nach § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 280 Absatz 1 BGB führen, wenn dadurch die Vergütung der Krankenkasse insgesamt höher ausfällt.

Es wird daher empfohlen, im Falle einer Verlegung die hierfür auschlaggebenden sachlichen Gründe in der Krankenakte zu dokumentieren. Dabei kann man sich gut an den im BSG Urteil aufgeführten akzeptierten sachlichen Gründen orientieren  (BSG Urteil, aaO, Rdz 41-47).

  Datum: 30.06.2023 08:23:22
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Auswirkung des Versäumens der Ausschlussfrist gem. § 8 Satz 3 PrüfvV (2014)
 

Wenn es eine Krankenkasse versäumt, die wesentlichen Gründe, warum eine Leistung nicht in vollem Umfang wirtschaftlich oder die Abrechnung nicht korrekt war, innerhalb von neun Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige einem Krankenhaus mitzuteilen, kann sich die Krankenkasse in einem späteren gerichtlichen Verfahren nicht mehr auf die Einwendungen zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung berufen.

Sozialgericht für das Saarland, Gerichtsbescheid vom 05.04.2023, S 1 KR 969/18 (rechtskräftig)

- OPS 8-981 (neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls), neunmonatige Ausschlussfrist nach § 8 Satz 3 PrüfvV (2014), späterer Ausschluss von Einwendungen -

Sehr geehrte Damen und Herren,

in dem Rechtsstreit einer Krankenkasse mit dem von uns vertretenen Krankenhaus ging es um die Anwendung der Ausschlussfrist nach § 8 Satz 3 PrüfvV (2014).

Das SG hat entschieden, dass eine Krankenkasse die formellen Vorschriften der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV 2014) einhalten muss, wenn sie sich auf das (vermeintliche) Fehlen von Voraussetzungen einer OPS-Prozedur berufen will. Die Ausschlussfrist von neun  Monaten in § 8 Satz 3 PrüfvV (2014) gilt hierbei auch für später erhobene Einwendungen zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung. Bei Versäumen dieser Ausschlussfrist kann sich eine Krankenkasse im gerichtlichen Verfahren nicht mehr nachträglich  auf derartige Einwendungen berufen.

Sachverhalt

Die Beteiligten stritten über die Abrechnung einer stationären Krankenhausbehandlung im Jahr 2016. Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse. Die Beklagte ist Trägerin eines zugelassenen Krankenhauses. Zur Abrechnung kam hierbei unter Zugrundelegung der Prozedur OPS 8-981 (neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls) die DRG B69C.

Die Klägerin beglich zunächst die Abrechnung. Nach Einleitung einer Überprüfung der Abrechnung durch den MDK bestätigte der MDK die neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls.

Dennoch hat die Klägerin im Jahr 2018 Klage erhoben und machte mit dieser einen vermeintlichen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch geltend, da aus Sicht der Klägerin die Beklagte zu Unrecht ihrer Abrechnung die Prozedur OPS 8-981 zugrunde gelegt habe.

Die Klägerin trug vor, dass die der Prozedur zugrundeliegenden Strukturvoraussetzungen durch das Krankenhaus der Beklagten nicht erfüllt würden. So verlange die Prozedur u. a., dass das Krankenhaus einen unmittelbaren Zugang zu neurochirurgischen Notfalleingriffen sowie zu gefäßchirurgischen und interventionell-neuroradiologischen Behandlungsmaßnahmen aufweise. Dies bedinge, dass jeweils eine eigene Abteilung im Hause des Krankenhauses vorhanden sei oder dieses einen Kooperationspartner habe, der in höchstens halbstündiger Transportentfernung ansässig sei. Diese Voraussetzungen jedoch würden vom  Krankenhaus der Beklagten nicht erfüllt.

Das Sozialgericht für das Saarland hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das Sozialgericht für das Saarland ist der Ansicht, dass die Klägerin der Abrechnung die von ihr erhobenen Einwendungen nicht (mehr) entgegenhalten könne.

Nach § 8 der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Prüfverfahrensvereinbarung habe in den Fällen, in denen eine Abrechnungsprüfung durch den MDK stattgefunden habe, die Krankenkasse dem Krankenhaus ihre abschließende Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung und den daraus folgenden Erstattungsanspruch mitzuteilen. Wenn die Leistung nicht in vollem Umfange wirtschaftlich oder die Abrechnung nicht korrekt gewesen sei, seien die wesentlichen Gründe darzulegen. Die Mitteilungen nach Satz 1 und 2 haben innerhalb von 9 Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige nach § 6 Absatz 3 zu erfolgen. Die Regelung des Satzes 3 wirke als Ausschlussfrist.

Berücksichtigt man, dass die Einleitung des Prüfverfahrens im Jahr 2016 erfolgt sei, sei die aus § 8 PrüfvV (2014) folgende Ausschlussfrist im Jahr 2018 abgelaufen gewesen, so dass die Klägerin mit diesen Einwendungen nicht mehr gehört werden könne.

Die Klägerin habe bezüglich der Prozedur OPS 8-981 umfassend einen Prüfauftrag erteilt. Eine Einschränkung auf nur einen Teil der umfassend beinhalteten Leistungs- und Strukturmerkmale sei nicht erfolgt. Demgemäß habe der MDK auch ausdrücklich das Vorliegen der Mindestmerkmale insgesamt bestätigt und wörtlich ausgeführt: „Strukturprüfung erfolgt.“

Soweit sich die Klägerin zur Prüfung von Strukturmerkmalen des MDK bedient habe, obwohl dies nicht zwingend erforderlich sei, müsse sie sodann aber auch die geltenden Verfahrensregelungen der PrüfvV (2014) gegen sich gelten lassen.

Somit sei die Klägerin mit ihren erhobenen Einwendungen gegen die Abrechnung ausgeschlossen.

Anmerkung

Das SG  hat mit seiner zutreffenden Entscheidung die Konsequenzen einer MDK- Prüfung und die Beachtung der Ausschlussfrist nach § 8 PrüfvV (2014) bekräftigt. Die in § 8  Satz 3 PrüfvV (2014) vorgesehene Ausschlussfrist findet uneingeschränkt Anwendung, selbst wenn die MDK-Prüfung insoweit nicht erforderlich war, aber durch die Krankenkasse dennoch eingeleitet wurde. Werden entsprechende Einwände nicht fristgerecht geltend gemacht, können sie im anschließenden Gerichtsverfahren nicht verwertet werden.

  Datum: 29.06.2023 14:40:51
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Vor einer Behandlungsmaßnahme muss eine rechtzeitige Aufklärung erfolgen, wobei eine „Sperrfrist“ gesetzlich nicht vorgesehen ist
 

Die Aufklärung des Patienten* gem. § 630e BGB muss so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann. Eine „Sperrfrist“, deren Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit der Einwilligung führt, existiert dabei nicht. Entscheidend ist, ob der Patient unter den jeweils gegebenen Umständen ausreichend Gelegenheit hat, frei darüber zu entscheiden, ob er sich der beabsichtigten medizinischen Maßnahme unterziehen möchte oder nicht.

*Die Bezeichnung Patient umfasst i.Folg. alle Geschlechter

BGH, Urteil vom 20.12.2022, VI ZR 375/21

– Grundsätze zur Aufklärung gem. § 630e BGB, rechtzeitige Aufklärung, Bedenkzeit des Patienten, Einwilligung in den ärztlichen Eingriff , gesetzliche Sperrfrist, Selbstbestimmungsaufklärung –

Sehr geehrte Damen und Herren,

der BGH hat die Anforderungen an die „Rechtzeitigkeit“ einer Aufklärung gem. § 630e BGB mit diesem Urteil konkretisiert. Der aufklärende Behandler muss demnach nicht eine bestimmte zeitliche Frist einhalten, damit die Aufklärung als rechtzeitig bewertet werden kann. Vielmehr muss im konkreten Einzelfall die Möglichkeit des Patienten bestanden haben, frei über die medizinischen Maßnahmen zu entscheiden und hierin einzuwilligen.

Sachverhalt

Der klagende Patient litt im Jahr 2013 an chronisch rezidivierenden Ohrentzündungen und Paukenergüssen. Er wurde vom behandelnden Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde im Hinblick auf eine mögliche Ohroperation (Mastoidektomie) in die HNO-Klinik des von der Beklagten betriebenen Klinikums überwiesen und dort untersucht. Dem Kläger wurde im Krankenhaus geraten, in einem ersten Schritt zur Optimierung der Nasenluftpassage die Nasenscheidewand begradigen und die Nebenhöhlen sanieren zu lassen. Am 1. November 2013 wurde der Kläger von einer Ärztin über die Risiken des beabsichtigten Eingriffs aufgeklärt. Im Anschluss an das Aufklärungsgespräch unterzeichnete er das Formular zur Einwilligung in den ärztlichen Eingriff. Am 4. November 2013 wurde der Kläger stationär aufgenommen und der Eingriff durchgeführt. Intraoperativ trat eine stärkere arterielle Blutung auf. Postoperativ war der Kläger nicht erweckbar. Im CT zeigte sich eine Hirnblutung. Bei der daraufhin erfolgten neurochirurgischen Intervention wurde festgestellt, dass es bei dem Eingriff zu einer Verletzung der Dura, der vorderen Hirnschlagader und zu einer Durchtrennung des Riechnervs links gekommen war. Der Kläger wurde in der Folgezeit umfassend stationär und ambulant behandelt.

Mit der Behauptung, die Operation vom 4. November 2013 sei fehlerhaft vorbereitet und durchgeführt worden und er sei unzureichend aufgeklärt worden, hat der Kläger die Beklagte auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz des Schadens aus der ärztlichen Behandlung durch die Beklagte dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, da es an einer wirksamen Einwilligung fehle.

Mit der Revision begehrte die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Der BGH hat das Urteil des Oberlandesgerichts nun aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Der BGH ist der Ansicht, dass mit der Begründung des Oberlandesgerichts ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht bejaht werden könne. Die Aufklärung sei inhaltlich ausreichend gewesen. Die Einwilligung des Klägers sei wirksam, auch wenn dem Kläger aus seiner Sicht keine ausreichende Bedenkzeit gem. § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB zwischen der Aufklärung über die Risiken des Eingriffs und der Entscheidung über die Einwilligung eingeräumt worden sei.

Die Bestimmung des § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB enthalte kein Erfordernis, wonach zwischen Aufklärung und Einwilligung ein bestimmter Zeitraum liegen müsse. Die Vorschrift kodifiziere vielmehr die bisherige Rechtsprechung, der zufolge der Patient vor dem beabsichtigten Eingriff so rechtzeitig aufgeklärt werden müsse, dass er durch hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener Weise wahrnehmen könne.

Laut § 630d BGB sei der Behandelnde verpflichtet, vor Durchführung einer medizinischen Maßnahme die Einwilligung des Patienten einzuholen. Die Vorschrift § 630e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB regele dabei die Anforderungen an die Aufklärung des Patienten in zeitlicher Hinsicht. Nach dieser Vorschrift müsse die Aufklärung so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen könne. Bereits nach dem Wortlaut und der Stellung im Gesetz beziehe sich die Bestimmung allein auf den Zeitpunkt, zu dem das Aufklärungsgespräch stattzufinden habe. Danach müsse die Aufklärung rechtzeitig vor dem Eingriff erfolgen. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll mit dieser Regelung keine inhaltliche Änderung der Rechtslage verbunden sein, sondern lediglich die bisherige Rechtsprechung wiedergegeben werden.

Im Einklang mit dieser Rechtsprechung sehe § 630 e BGB keine vor der Einwilligung einzuhaltende „Sperrfrist“ vor, deren Nichteinhaltung zur Unwirksamkeit der Einwilligung führen würde. Die Vorschrift enthalte kein Erfordernis, wonach zwischen Aufklärung und Einwilligung ein bestimmter Zeitraum liegen müsse. Vielmehr fordere die Vorschrift eine Aufklärung, die die Möglichkeit zu einer reflektierten Entscheidung des Patienten gewährleiste.

Die Aufklärung müsse zu einem Zeitpunkt erfolgen, in  dem der Patient noch in vollem Besitz seiner Erkenntnis- und Entscheidungsfreiheit sei. Die Aufklärung dürfe auch nicht erst so kurz vor dem Eingriff erfolgen, dass der Patient wegen der in der Klinik bereits getroffenen Operationsvorbereitungen unter einen unzumutbaren psychischen Druck gerate oder unter dem Eindruck stehe, sich nicht mehr aus einem bereits in Gang gesetzten Geschehensablauf lösen zu können. Entscheidend sei, ob der Patient unter den jeweils gegebenen Umständen ausreichend Gelegenheit habe, innerlich frei darüber zu entscheiden, ob er sich der beabsichtigten medizinischen Maßnahme unterziehen wolle oder nicht.

Zu welchem konkreten Zeitpunkt ein Patient nach ordnungsgemäßer - insbesondere rechtzeitiger - Aufklärung seine Entscheidung über die Erteilung oder Versagung seiner Einwilligung treffe, sei seine Sache. Sehe er sich bereits nach dem Aufklärungsgespräch zu einer wohlüberlegten Entscheidung in der Lage, sei es sein gutes Recht, die Einwilligung sofort zu erteilen. Wünsche er dagegen noch eine Bedenkzeit, so könne von ihm grundsätzlich erwartet werden, dass er dies gegenüber dem Arzt zum Ausdruck bringe und von der Erteilung einer - etwa im Anschluss an das Gespräch erbetenen - Einwilligung zunächst absehe. Es könne von ihm grundsätzlich verlangt werden, zu offenbaren, wenn ihm der Zeitraum für eine besonnene Entscheidung nicht ausreiche. Tue er dies nicht, so könne der Arzt grundsätzlich davon ausgehen, dass er keine weitere Überlegungszeit benötige.

Eine andere Beurteilung sei allerdings - sofern medizinisch vertretbar - dann geboten, wenn für den Arzt erkennbare konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben seien, dass der Patient noch Zeit für seine Entscheidung benötige.

Die Einwilligung in den ärztlichen Eingriff sei schließlich nicht an eine bestimmte Form gebunden. Sie könne ausdrücklich erfolgen oder sich konkludent aus den Umständen und dem gesamten Verhalten des Patienten ergeben. So könne eine Einwilligung anzunehmen sein, wenn sich der Patient bewusst der Behandlung unterzieht.

Anmerkungen

Der BGH geht bei seiner Entscheidung von einem grundsätzlich mündigen Patienten aus, der nach selbst gewählter Bedenkzeit entscheiden könne, ob er in eine bestimmte medizinische Maßnahme einwilligen will. Eine „Sperrfrist“ ist gesetzlich nicht vorgesehen. Der behandelnde Arzt oder das Krankenhaus müssen keine besonderen Zeitfenster für die Entscheidung zur Einwilligung garantieren. Der BGH hat damit die Rechtsposition der Behandler gestärkt, indem er die Selbstbestimmung des Patienten als wesentlichen Gradmesser herangezogen hat. Insoweit muss eine Behandler nur an einer Einwilligung zweifeln, wenn erkennbare konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Patient noch Zeit für seine Entscheidung gebraucht hätte.

Unbeschadet dessen empfiehlt sich, bei dem Patienten konkret nachzufragen, ob er für seine Einwilligungsentscheidung für den beabsichtigten Eingriff noch weitere Überlegungszeit brauche; dies sollte dann auch entsprechend dokumentiert werden.

  letzte Änderung: 24.05.2023 11:48:17
 
Beschränkte Amtsermittlungspflicht des Gerichts im Falle einer durch die Krankenkasse unterlassenen MDK-Einzelfallprüfung
 

Unterlässt eine Krankenkasse die Beauftragung des MDK mit einer Einzelfallprüfung, kann es zwar einen später gerichtlich geltend gemachten Vergütungsanspruch eines Krankenhauses wirksam bestreiten und gerichtlich überprüfen lassen. Es besteht aber eine beschränkte Amtsermittlungspflicht des Gerichts. Dies führt dann zu einem Beweiserhebungs- und  Beweisverwertungsverbot. Insoweit darf ein Krankenhaus die an sich nach § 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG gebotene Mitwirkung zur Aufklärung des Sachverhalts verweigern.

BSG, Urteil vom 22.06.2022, B 1 KR 19/21 R

– MDK-Prüfverfahren, unterlassene Einzelfallprüfung, beschränkte Amtsermittlungspflicht des Gerichts, Beweiserhebungs- und –Beweisverwertungsverbot , Beweiswürdigung–

Sehr geehrte Damen und Herren,

vorliegend hatte das BSG zu entscheiden, ob die von der Krankenkasse unterlassene Einzelfallprüfung zu einem Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot von Krankenunterlagen führt. Es hat dies bejaht, da in diesem Fall die Amtsermittlungspflicht des Gerichts beschränkt sei.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses und behandelte im Jahr 2018 einen Patienten mit einer bariatrischen Operation vollstationär. Die von der Klägerin in Rechnung gestellte Vergütung beglich die beklagte Krankenkasse nicht. Der Patient hatte bereits 2017 vergebens diese Leistung bei der Beklagten beantragt. Das angerufene Sozialgericht hat die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Ob die vollstationäre Behandlung des Patienten erforderlich gewesen sei, lasse sich nicht feststellen. Mangels (fristgerechter) Einleitung eines Prüfverfahrens nach § 275 Abs 1 Nr 1 SGB V sei die Beklagte mit dem Einwand fehlender Erforderlichkeit der Operation und des stationären Aufenthalts ausgeschlossen. Die nur im Verhältnis zum Patienten bereits 2017 bestandskräftig ergangene Leistungsablehnung der Beklagten berühre den klägerischen Vergütungsanspruch gegen die Beklagte nicht.

Das BSG hat die Revision der Beklagten gegen das LSG-Urteil zugelassen und die Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nach Ansicht des BSG zulässig und begründet. Das LSG habe im Ergebnis zu Recht angenommen, dass hier die bestandskräftige Ablehnung des vom Patienten im Jahr 2017 gestellten Kostenübernahmeantrages die Zahlungsverpflichtung der Beklagten nicht von vornherein ausschließe. Das BSG könne aber auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht entscheiden, ob der Klägerin der geltend gemachte Vergütungsanspruch zustehe. Dies erfordere Feststellungen dazu, ob die bariatrische Operation erforderlich gewesen sei.

Der Verzicht auf das Prüfverfahren schließe die Beklagte mit Einwänden gegen den Vergütungsanspruch nicht grundsätzlich aus, beschränke jedoch die Amtsermittlungspflicht des Gerichts und sei bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen.

Eine Krankenkasse sei trotz der Nichtdurchführung eines Prüfverfahrens nach § 275 Abs 1c SGB V von Rechts wegen nicht daran gehindert, das Vorliegen der Sachleistungsvoraussetzungen im konkreten Fall und damit den Vergütungsanspruch des Krankenhauses wirksam zu bestreiten und dies gerichtlich überprüfen zu lassen. Die Beklagte sei dabei nicht verpflichtet gewesen, ein der Ausschlussfrist des § 275 Abs 1c Satz 2 SGB V und den Ausschlussfristen der Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs 1c SGB V gemäß § 17c Abs 2 KHG (PrüfvV 2016) unterliegendes Prüfverfahren durchzuführen.

Es obliege der Beurteilung der jeweiligen Krankenkasse, ob sie für die Prüfung der Abrechnung eine Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus für erforderlich erachte. Aus Sicht der Krankenkasse sei die Eröffnung eines Prüfverfahrens nach § 275 Abs 1 Nr 1 i. V. m. Abs 1c SGB V nur erforderlich, wenn sie Fragen nach der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung oder der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes nicht abschließend beantworten könne.

Dies sei dann der Fall, wenn die Krankenkasse zusätzlich zu den Abrechnungsdaten nach § 301 SGB V und ihren sonstigen Erkenntnissen weitere Unterlagen des Krankenhauses für erforderlich halte, die das Krankenhaus nach § 276 Abs 2 Satz 2 SGB V auf Anforderung zwar dem MDK übermitteln müsse, nicht aber der Krankenkasse. Ohne das Prüfverfahren nach der PrüfvV sei der Krankenkasse - vermittelt durch den MDK - und später dem Gericht lediglich der Zugriff auf die Behandlungsunterlagen des Krankenhauses verwehrt. Der Beklagten stehe es frei, den Vergütungsanspruch der Klägerin aus jeglichem Grund zu bestreiten und mit anderen Beweismitteln als den Behandlungsunterlagen der Klägerin zu widerlegen. Damit sei es u. a. zulässig, dass eine Krankenkasse, gestützt auf Erkenntnisse, die sie durch Befragung des Patienten, Informationen durch andere Behörden oder auf andere Art und Weise gewonnen habe, den Vergütungsanspruch ganz oder teilweise bestreite.

Bestehe nach dem Vortrag der Krankenkasse im Vergütungsstreit Anlass zu weiteren Ermittlungen, beschränke die Ausschlussfrist des § 275 Abs 1c Satz 2 SGB V die grundsätzliche Pflicht der Sozialgerichte, über vergütungsrechtlich relevante Umstände der Krankenhausbehandlung Beweis zu erheben, dazu Behandlungsunterlagen des Krankenhauses beizuziehen und diese in der Beweiswürdigung zu berücksichtigen, auf die von der Krankenkasse vorgetragenen Einwände. Das Vertrauen der Krankenhäuser in den zügigen Abschluss der Abrechnung sei besonders geschützt. Sie sollen nach Ablauf der 6-Wochen-Frist nicht mehr mit Prüfungen i. S. von § 275 Abs 1c Satz 4 SGB V rechnen müssen. Dieser Schutz solle auch nicht dadurch unterlaufen werden können, dass anstelle des Prüfverfahrens nach der PrüfvV die Sozialgerichte erstmals über medizinische Fragen zur Berechtigung des Vergütungsanspruchs entscheiden und dazu umfangreich Beweis erheben. Daraus ergebe sich ein Beweiserhebungsverbot, welches die Amtsermittlungspflicht des § 103 SGG begrenze. Bei unzulässiger Erhebung von Beweisen bestehe ein Beweisverwertungsverbot für Behandlungsunterlagen des Krankenhauses oder vergleichbare Erkenntnisse.

Insoweit bestehe für das Krankenhaus ein Recht zur Verweigerung der an sich nach § 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG gebotenen Mitwirkung zur Aufklärung des Sachverhalts.

Die sich aus der berechtigten Verweigerung der Mitwirkung ergebende Beweisnot des Krankenhauses sei durch Beweiserleichterungen bis zur Umkehr der Beweislast zu begegnen. Aufgrund der Beweiserleichterungen zugunsten des Krankenhauses ergeben sich für die Krankenkassen gesteigerte Darlegungsanforderungen. Bleiben relevante Tatsachen für die von der Krankenkassen erhobenen Einwände unaufklärbar, gehen verbleibende Zweifel zu ihren Lasten.

Anmerkungen

Mit dieser Entscheidung hat das BSG die Rechtsposition der Krankenhäuser gestärkt. Die unterlassene Einzelfallprüfung führt zu einem Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot   von Krankenunterlagen und zur Beschränkung der Amtsermittlungspflicht des Gerichts.

Bei der Übersendung von Krankenunterlagen an das Gericht sollte bei fehlender Einzelfallprüfung  von Seiten des Krankenhauses sorgfältig geprüft werden, ob dies sachdienlich ist. Gegebenenfalls sollte man sich auf das Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot berufen oder einen ausdrücklichen Vorbehalt erklären.

  Datum: 17.05.2023 11:20:29
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Ein Krankenhaus hat den sachlichen Grund einer notwendigen Verlegung im Streitfall darzulegen und nachzuweisen, wenn es nicht die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs der Krankenkasse riskieren will
 

Eine Verlegung kann trotz der damit verbundenen Vergütungsabschläge zu höheren Gesamtbehandlungskosten für die Krankenkasse führen. Deshalb bedarf es hierfür eines sachlichen Grundes, den das Krankenhaus im Streitfall darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen hat. Als sachliche Gründe kommen vor allem in Betracht: Zwingende medizinische Gründe, zwingende Gründe in der Person des Versicherten sowie übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern (§ 1 Abs. 1 KHG). Liegt kein sachlicher Grund für die Verlegung vor, kann ein Schadensersatzanspruch der Krankenkasse nach § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit§ 280 Absatz 1 BGB wegen einer Verletzung der sich aus § 12 Absatz 1 und § 109 Absatz 4 Satz 2 SGB V sowie § 17c Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 KHG ergebenden Pflichten des Krankenhauses in Betracht kommen.

BSG, Urteil vom 07.03.2023, B 1 KR 4/22 R

– Verlegung, Darlegungs- und Beweislast, Pflichtverletzung von § 17c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KHG, Schadensersatzanspruch nach § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 280 Absatz 1 BGB, mehrstufiges Krankenhausversorgungssystem –

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach dieser Entscheidung des BSG trifft das Krankenhaus die Darlegungs- und Beweislast für den sachlichen Grund einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus. Im vorliegenden Fall zieht das BSG sogar einen Schadensersatzanspruch der Krankenkasse nach § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 280 Absatz 1 BGB wegen einer eventuell ungerechtfertigten Verlegung in Betracht.

Sachverhalt

Das klagende Universitätsklinikum behandelte die Patientin im Mai 2017 vollstationär. Am 18. Mai 2017 wurde sie aus dem Universitätsklinikum in ein wohnortnahes Krankenhaus verlegt und dort noch bis zum 26. Mai 2017 stationär weiterbehandelt. Das Universitätsklinikum stellte der beklagten Krankenkasse für die Behandlung der Patientin 4.319,55 Euro in Rechnung und berücksichtigte dabei einen Verlegungsabschlag in Höhe von 1.657,48 Euro. Das wohnortnahe Krankenhaus berechnete für die eigene stationäre Behandlung der Versicherten 2.806,57 Euro. Die Krankenkasse beglich die Rechnung des Universitätsklinikums und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung mit der Durchführung eines Prüfverfahrens. Im Ergebnis dieser Prüfung rechnete die Krankenkasse 1.147,76 Euro mit einer anderen unstrittigen Forderung des Universitätsklinikums auf. Zur Begründung der Aufrechnung machte sie geltend, die Verlegung sei medizinisch nicht notwendig gewesen. Die Patientin hätte im Universitätsklinikum bis zur Entlassung weiterbehandelt werden können und müssen. Dann hätte sie (die Krankenkasse) insgesamt für die stationäre Behandlung in den beiden Krankenhäusern 1147,76 Euro weniger vergüten müssen.

Das Sozialgericht hat die Krankenkasse zur Zahlung von 1.447,76 Euro (1.147,76 Euro zuzüglich 300 Euro Aufwandspauschale) nebst Zinsen verurteilt. Das Landessozialgericht hat die Berufung der Krankenkasse zurückgewiesen. Die Krankenkasse habe weder einen öffentlich-rechtlichen Erstattungs- noch einen Schadensersatzanspruch. Sie könne nicht geltend machen, die Verlegung in das wohnortnahe Krankenhaus sei medizinisch nicht notwendig gewesen. Für einen solchen Einwand gebe es in den Abrechnungsbestimmungen keine Rechtsgrundlage.

Das BSG hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Das BSG ist der Ansicht, dass hier ein Schadensersatzanspruch der Krankenkasse nach § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 280 Absatz 1 BGB wegen einer Verletzung der sich aus § 12 Absatz 1 und § 109 Absatz 4 Satz 2 SGB V sowie § 17c Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 KHG in Betracht kommen könnte.

Eine Verlegung führe regelmäßig zu höheren Gesamtbehandlungskosten für die Krankenkasse. Eine Verlegung bedürfe daher eines sachlichen Grundes, den das Krankenhaus im Streitfall darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen habe. Als sachliche Gründe für eine Verlegung kommen zwingende medizinische Gründe, zwingende Gründe in der Person des Patienten sowie übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern (§ 1 Absatz 1 KHG) in Betracht.

Sollte ein Schadensersatzanspruch zu bejahen sein, wäre die Krankenkasse auch nicht zur Zahlung einer Aufwandspauschale verpflichtet.

Ob vorliegend ein Schadensersatzanspruch der Krankenkasse gegen das Universitätsklinikum bestehe, könne das BSG auf der Grundlage der vom Landessozialgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Es kam daher zur Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

Anmerkungen

Gegenwärtig liegt nur der Terminbericht des BSG-Urteils vor. Diese Entscheidung macht jedoch die besondere Bedeutung eines sachlichen Grundes für die Verlegung deutlich. Dies können u. a. zwingende medizinische Gründe, zwingende Gründe in der Person des Patienten aber auch übergeordnete Gründe gemäß § 1 Abs. 1 KHG sein. In einem mehrstufigen Krankenhausversorgungssystem kann nach dem BSG-Urteil die Verlegung aus einem Krankenhaus einer höheren Stufe (z. B. Maximalversorger) in ein Krankenhaus einer niedrigeren Stufe (z. B. Grundversorger) gerechtfertigt sein, wenn und soweit die besonderen Mittel des Krankenhauses der höheren Stufe für die Behandlung nicht mehr notwendig sind und die dortigen Versorgungskapazitäten für andere Patienten benötigt werden. Nach meiner Auffassung kommt dem letzten, vom BSG angeführten Grund zur Verlegung besondere Bedeutung zu.

  Datum: 11.05.2023 08:31:31
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Die Kodierung von Prozeduren knüpft an den jeweils definierten Eingriff an
 

Die Kodierung von Prozeduren knüpft an den vom jeweiligen OPS-Kode definierten Eingriff an und nicht an das mit der Behandlung insgesamt verfolgte Ziel. Dabei ist jeder durchgeführte Eingriff möglichst mit einem OPS-Kode abzubilden. Hierbei ist zwischen Prozeduren und Prozedurenkomponenten (als unselbstständige Bestandteile einer Prozedur) zu unterscheiden.

BSG, Urteil vom 24.01.2023, B 1 KR 6/22 R

– Kodierung von Prozeduren, DKR P001f , Behandlungsziel, durchgeführter Eingriff, Prozedurenkomponente, Abgrenzung Prozedurenkomponenten zu Prozeduren –

Sehr geehrte Damen und Herren,

in dieser Entscheidung hat sich das BSG detailliert mit dem Wortlaut der DKR P001f auseinandergesetzt, um die Bedeutung des Ziels bzw. des durchgeführten Eingriffs bei der Kodierung einer Prozedur herauszuarbeiten. 

Sachverhalt

Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses und behandelte im Jahr 2016 einen Patienten. Zur Verbesserung der Nasenatmung begradigten die Ärzte die Nasenscheidenwand, entfernten einen Teil des in die Nasenhöhle ragenden Oberkieferknochens, verkleinerten beidseits die untere Nasenmuschel und verlagerten diese. Die Klägerin kodierte bei der Abrechnung u. a. den OPS 5-214.6 (Plastische Korrektur des Nasenseptums mit Resektion) und 5-771.10 (Resektion eines Gesichtsschädelknochens, partielle Maxilla, ohne Rekonstruktion). Nach Einholung eines MDK-Gutachtens verrechnete die beklagte Krankenkasse einen Teilbetrag. Die Teilresektion des Knochens sei integraler Bestandteil des OPS 5-214.6 und als Prozedurenkomponente nicht gesondert zu kodieren.

Das angerufene Sozialgericht hat die Zahlungsklage der Klägerin abgewiesen. Das LSG hat diese Entscheidung aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Das Krankenhaus der Klägerin habe für die partielle Maxillektomie den OPS 5-771.10 kodieren dürfen. Nach den ärztlichen Stellungnahmen sei die Abtragung des Knochensporns nicht zwingender Bestandteil der Operation an der unteren Nasenmuschel. Es handele sich daher um eine eigenständige Prozedur und nicht lediglich um die Komponente einer anderen Prozedur.

Das BSG hat die  Revision der beklagten Krankenkasse gegen das LSG-Urteil zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Das BSG ist der Auffassung, dass das LSG zutreffend entschieden habe, wonach das klägerische Krankenhaus für die durchgeführte Abtragung des Knochensporns am Kieferknochen (partielle Maxillektomie) den OPS 5-771.10 habe kodieren dürfen.

Bei der Maxillektomie handele es sich um eine kodierfähige Prozedur. Im Zusammenhang mit einer Nasenscheidenwandkorrektur und einer Verkleinerung der Nasenmuscheln sei sie als signifikante Prozedur gesondert zu verschlüsseln. Sie sei keine unselbständige Prozedurenkomponente.

Die Kodierung von Prozeduren knüpfe nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) an den vom jeweiligen OPS-Kode definierten Eingriff an und nicht an das mit der Behandlung insgesamt verfolgte Ziel. Es sei weder jeder einzelne Handgriff zu kodieren noch werden alle zur Erreichung des Behandlungsziels erforderlichen Maßnahmen insgesamt in einem OPS-Kode zusammengefasst. Jeder durchgeführte Eingriff sei möglichst mit einem OPS-Kode abzubilden. Es seien grundsätzlich „alle signifikanten Prozeduren“ zu kodieren. Nicht gesondert zu kodieren seien in der Regel Komponenten einer Prozedur (DKR P001f).

Die partielle Maxillektomie stelle eine signifikante Prozedur im Sinne der DKR P001f dar und sei mit dem Kode 5-771.1** im OPS abgebildet. Die hiernach ergebene Kodierfähigkeit der partiellen Maxillektomie sei dabei nicht nach der DKR P001f ausgeschlossen, da sie nicht nur Teil einer anderen durchgeführten Prozedur sei (Prozedurenkomponente).

Nach dem Wortlaut der DKR P001f werde eine Prozedur „vollständig mit all ihren Komponenten“ beschrieben. Prozeduren seien nach dem Wortsinn Behandlungsverfahren, d. h. Verfahrensweisen, die sich jeweils aus einer Mehrzahl von Verfahrensschritten oder Verfahrenselementen zusammensetzen. Welche Schritte und Elemente dies seien, richte sich nach den Regeln der ärztlichen Kunst. Prozedurenkomponenten seien unselbstständige Bestandteile einer Prozedur. Nach dem Wortsinn sei eine Komponente ein Bestandteil eines Ganzen. Sie könne beschrieben werden als Ausschnitt, Baustein, Bestandteil, Glied, Segment oder Teilelement der medizinischen Verfahrensweise. Die Abgrenzung erfolge jeweils bezogen auf den medizinischen Einzelfall. Nach dem Wortlaut der DKR P001f sei eine eingriffsverwandte diagnostische Maßnahme „ebenso“ nicht gesondert zu kodieren, wenn sie „regelhaft Bestandteil“ der Eingriffsprozedur sei. Aus dem Wort „ebenso“ ergebe sich, dass dies in gleicher Weise allgemein für Prozeduren mit regelhaften Komponenten auch dann gelte, wenn die regelhafte Komponenten grundsätzlich auch als eigenständige Prozeduren kodiert werden können. Dies stehe im Einklang mit der Regelung in DKR P001f, dass individuelle Komponenten – also auch regelhafte Komponenten – einer bereits kodierten Prozedur nicht noch einmal gesondert verschlüsselt werden. Was regelhafter Bestandteil einer im OPS benannten Prozedur sei, könne sich nur nach den Regeln der ärztlichen Kunst bestimmen, soweit die Kodierregeln und der OPS keine ausdrücklichen Vorgaben machen.

Die durchgeführte partielle Maxillektomie war eine eigenständig zu kodierende Maßnahme und nicht nur Teil einer anderen durchgeführten Prozedur. Sie war nach den Regeln der ärztlichen Kunst weder regelhafter Bestandteil der Nasenseptum-Korrektur noch der Operationen an der unteren Nasenmuschel.

Anmerkungen

Das BSG hat nunmehr klargestellt, dass nicht das Ziel oder der Zweck bei der Kodierung einer Prozedur entscheidend ist, sondern der vom jeweiligen OPS-Kode definierte Eingriff. Durch dieses Urteil gibt das BSG Hinweise für das korrekte Vorgehen bei der Kodierung von Prozeduren und zur Abgrenzung zu Prozedurenkomponenten.

  Datum: 09.05.2023 11:41:34
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Ausschluss eines Anspruchs auf Aufwandspauschale
 

Es besteht kein Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale gem. § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V, wenn das Prüfverfahren durch ein Fehlverhalten des Krankenhauses veranlasst worden ist. Ein solcher Anspruch scheidet aus, wenn das Krankenhaus seine Pflicht verletzt, auf Verlangen der Krankenkasse eine medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der Krankenhausbehandlung zu geben und es dadurch das Prüfverfahren veranlasst hat.

BSG, Urteil vom 07.03.2023, B 1 KR 11/22 R

– Aufwandspauschale gem. § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V, Fehlverhalten eines Krankenhauses, Verlangen einer medizinischen Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der Krankenhausbehandlung, Veranlassung des Prüfverfahrens, Datenschutz –

Sehr geehrte Damen und Herren,

das BSG hat seine bisherige Rechtsprechung zum Ausschluss des Anspruchs auf Zahlung einer Aufwandspauschale aufgrund eines Fehlverhaltens eines Krankenhauses bestätigt. Unter einem derartigen Fehlverhalten versteht das BSG nun auch die Fallgestaltung, dass das Krankenhaus dem Verlangen der Krankenkasse nicht nachkommt, eine medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer abzugeben und dadurch die Prüfung veranlasst wurde.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus behandelte eine Patientin der beklagten Krankenkasse im Dezember 2019 stationär. Im Januar 2020 rechnete das Krankenhaus die Behandlung ab. Im Februar 2020 bat die Krankenkasse um eine medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer. Das Krankenhaus gab an, der Zustand der Patientin sei aus medizinischer Sicht noch nicht gut genug gewesen, um eine Entlassung vornehmen zu können. Weitere Details dürften aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht in dieser Form erörtert werden. Hierfür stehe der Krankenkasse das Prüfungsverfahren (§§ 275 ff SGB V) zur Verfügung.

Nach Einholung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung beglich die Krankenkasse die Rechnung des Krankenhauses in voller Höhe. Die Forderung des Krankenhauses auf Zahlung einer Aufwandspauschale wies die Krankenkasse jedoch mit der Begründung zurück, sie habe auf ihre Anfrage hin keine medizinischen Informationen erhalten. Die Einschaltung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung sei daher durch das Krankenhaus veranlasst worden.

Das Sozialgericht hat der Klage stattgegeben und die Krankenkasse zu Zahlung von 300 Euro nebst Verzugszinsen verurteilt. Auf die Berufung der Krankenkasse hat das Landessozialgericht die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale scheide aus. Die Klägerin habe durch ihre Weigerung, auf Anfrage eine medizinische Begründung wegen Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer abzugeben, Anlass für die Beauftragung des MD gegeben. Die Krankenkasse habe ihrerseits nicht treuwidrig gehandelt.

Das BSG hat die Revision der Klägerin gegen das LSG-Urteil zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Der Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale scheide laut dem BSG aus, wenn das Krankenhaus seine Pflicht verletzt habe, auf Verlangen der Krankenkasse eine medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der Krankenhausbehandlung zu geben und es dadurch das Prüfverfahren veranlasst habe. Die Krankenkasse sei nach § 301 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB V berechtigt gewesen, bei Überschreiten der voraussichtlichen Verweildauer vom Krankenhaus eine medizinische Begründung zu verlangen. Hieraus ergebe sich die entsprechende Pflicht des Krankenhauses. Weder die Kürze der Frage, noch Beschränkungen der elektronischen Übermittlungsmöglichkeit noch Gründe des Datenschutzes rechtfertigten die Nichtangabe der medizinischen Begründung. Der Krankenkasse sei es nicht wegen eines eigenen Fehlverhaltens verwehrt, sich auf die Pflichtverletzung des Krankenhauses zu berufen. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, vor Beauftragung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung einen Kurzbericht vom Krankenhaus einzuholen. Sie habe auch nicht wegen fehlender Fälligkeit der Vergütungsforderung von der Beauftragung des Medizinischen Dienstes  absehen und das Risiko eines gerichtlichen Verfahrens eingehen müssen.

Anmerkungen

Gegenwärtig liegt der Terminsbericht vor. Danach müssen die Krankenhäuser auf Verlangen der Krankenkasse eine medizinische Begründung für die Überschreitung der voraussichtlichen Verweildauer abgeben. Dies geht aus § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V verpflichtend hervor. Andernfalls verlieren sie ihren Anspruch auf die Aufwandspauschale, wenn durch dieses Fehlverhalten die Prüfung veranlasst wurde.

  Datum: 04.05.2023 08:16:59
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Versorgungsbedarfsprüfung für eine nicht an das Krankenhaus angebundene PIA nach § 118 Abs. 4 SGB V
 

Beim Ermächtigungsantrag auf Betrieb einer- nicht an das Krankenhaus angebundenen- psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) nach § 118 Abs. 4 i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 SGB V  müssen konkrete Angaben zum bestehenden Versorgungsbedarf für diesen Patientenkreis gemacht werden. Insoweit ist eine Versorgungsbedarfsprüfung erforderlich.

BSG, Urteil vom 29.06.2022, B 6 KA 3/21 R

-Nicht an ein Krankenhaus angebundene  PIA, Ermächtigung gem. § 118 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB V, Versorgungsbedarfsprüfung-

Sehr geehrte Damen und Herren,

zum Antrag auf Ermächtigung eines Betriebes einer nicht an ein Krankenhaus angebundenen  psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) nach § 118 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB V hat das BSG festgestellt, dass konkrete Angaben zum Versorgungsbedarf erforderlich sind. Dies setze eine Versorgungsbedarfsprüfung voraus.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses für Psychiatrie und Neurologie einschließlich einer PIA. Ihr Antrag zum Betrieb einer weiteren PIA auf der Grundlage von § 118 Abs. 4 SGB V  in einer Wohneinrichtung für psychisch beeinträchtigte Menschen wurde vom Zulassungsausschuss nach Durchführung der Bedarfsabfrage abgelehnt. Der Antrag des Krankenhauses bezog sich auf diejenigen Patienten, die wegen Art, Schwere oder Dauer ihre Erkrankung auf die Behandlung in einer PIA angewiesen sind (§ 118 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB V). Der beklagte Berufungsausschuss wies den klägerischen Widerspruch hiergegen zurück, da die Ermächtigung nicht notwendig sei. Es bestünden bereits entsprechende Versorgungsangebote.

Die erst- und zweitinstanzlichen Klagen blieben erfolglos. Der Bedarf der Bewohner der Wohneinrichtung sei durch die bereits bestehenden PIAs sichergestellt. Die Klägerin könne nicht damit gehört werden, dass es den Bewohnern krankheitsbedingt nicht zumutbar sei, die bestehenden PIAs alleine aufzusuchen.

Die klägerische Revision hat das BSG nunmehr zurückgewiesen, da die Vorinstanzen die Erteilung der Ermächtigung zur Recht verneint hätten.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 118 Abs. 4 SGB V sind Krankenhäuser vom Zulassungsausschuss auch dann zur ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung zu ermächtigen, wenn die Versorgung durch räumlich und organisatorisch nicht angebundene Einrichtungen der Krankenhäuser erfolge, soweit und solange die Ermächtigung notwendig sei, um eine Versorgung sicherzustellen. Die setze eine Versorgungsbedarfsprüfung zwingend voraus.

Vorliegend handelt es sich um schwer psychisch erkrankte Patientinnen und Patienten, die von dem Angebot der niedergelassenen Ärzte regelmäßig nicht erreicht werden. Für die Versorgungsbedarfsprüfung sei maßgeblich, ob das Angebot der bereits ermächtigten PIAs ausreiche, einen bestehenden Bedarf dieser Patientinnen und Patienten zu decken.

Hier haben die Zulassungsgremien davon ausgehen dürfen, dass hinreichende Kapazitäten in den eigenen Einrichtungen der Klägerin vorhanden seien. Die Zulassungsgremien überschreiten daher – soweit auch die Erreichbarkeit mit dem ÖPNV sichergestellt sei – ihren Beurteilungsspielraum im Regelfall nicht, wenn sie die Ablehnung einer Ermächtigung nach § 118 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB V damit begründen, dass Behandlungsmöglichkeiten in anderen, weniger als 25 Kilometer vom Wohnort der potentiellen Patienten entfernten Institutsambulanzen bestehen. Eine zeitliche Unzumutbarkeit sei erst bei einer Fahrzeit von über 1 Std. gegeben.

Anmerkung

Die Grundsatzentscheidung des BSG gibt konkrete Hinweise zur Versorgungsbedarfsprüfung, die im Rahmen des § 118 Abs. 4 SGV V erfolgen muss.  So sollten, soweit bekannt, alle verfügbaren Informationen zu fehlenden Behandlungskapazitäten schon im Verwaltungsverfahren vorgetragen werden, insbesondere sollte dargelegt werden, dass bestehende PIAs den Versorgungsbedarf nicht abdecken können. Ergänzend wird es erforderlich sein, dass der Zulassungsausschuss  abfragt, ob bei bestehenden PIAs im Umfeld freie Kapazitäten bestehen oder die Möglichkeit gegeben ist, das Behandlungsangebot auszuweiten. Hierfür sind nur reale, nicht dagegen potenzielle Versorgungsangebote zu berücksichtigen.

§ 118 Abs. 1 Satz 2 SGB V enthält zwei unterschiedliche Tatbestände. Die erste Alternative bezieht sich auf die Patientinnen und Patienten, die wegen Art, Schwere oder Dauer ihre Erkrankung auf eine PIA angewiesen sind. Die zweite Alternative bezieht sich auf Patientinnen und Patienten, die wegen zu großer Entfernung zu geeigneten Ärzten auf eine Behandlung in einer PIA angewiesen sind. Von den Krankenhäusern ist daher im Vorfeld zu prüfen, auf welche Alternative der Antrag auszurichten ist. Der Antrag kann sich auch auf beide Alternativen beziehen.

  Datum: 02.05.2023 09:30:48
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Ein Arzt muss das Risiko eines Schadenseintritts bei Impfstoffen durch ein defektes Kühlgerät selber tragen und kann das Risiko bzw. den Schaden nicht an die Krankenkassen weitergeben, indem er Ersatzimpfstoffe verordnet.
 

Ein Arzt muss das Risiko eines Schadenseintritts bei Impfstoffen durch ein defektes Kühlgerät selber tragen und kann das Risiko bzw. den Schaden nicht an die Krankenkassen weitergeben, indem er Ersatzimpfstoffe verordnet. Vielmehr hat der Arzt alle denkbaren Vorkehrungen zu treffen, um einen solchen Schadenseintritt zu verhindern und muss ein verbleibendes Restrisiko beispielsweise durch den Abschluss einer entsprechenden Kühlgutversicherung absichern.

BSG, Urteil vom 29.06.2022, B 6 KA 14/21 R

- Regressanspruch, Wirtschaftlichkeitsgebot, Schadenseintritt wegen defektem Kühlgerät –

Sehr geehrte Damen und Herren,

das BSG hat entschieden, dass ein Arzt das Risiko eines Schadenseintritts bei Impfstoffen durch ein defektes Kühlgerät selber trägt. Daher ist eine entsprechende Verordnung von Ersatzimpfstoffen bei den Krankenkassen für die unbrauchbaren Impfstoffe nicht zulässig. Der Arzt hat den Schaden selbst zu tragen.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine kinderärztliche Berufsausübungsgemeinschaft, bezog Impfstoff im Rahmen von Sprechstundenbedarf. Sie stellte eines Tages fest, dass es zu einer mehrstündigen Unterschreitung der vorgesehenen Kühltemperatur gekommen war. Grund hierfür war das Klemmen eines Relais im Regler des Kühlschrankverdichters. Die Klägerin ließ die betroffenen Impfstoffe nach Rücksprache mit den Impfstoffherstellern und mit dem Apotheker, von dem sie die Impfstoffe bezogen hatte, vernichten. Die Fehlfunktion des Kühlschranks und die Vernichtung der Impfstoffe zeigte die Klägerin bei der Rezeptprüfungsstelle und bei der beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung an. In der Folgezeit beschaffte die Klägerin erneut Impfstoff, den sie größtenteils als Ersatz für den vernichteten Impfstoff zulasten der gesetzlichen Krankenkasse im Rahmen des Sprechstundenbedarfs verordnete.

Die Prüfstelle setzte gegen die Klägerin einen Regress in Höhe der Nettoverordnungskosten des ersatzweise beschafften Impfstoffes fest. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin wies der beklagte Beschwerdeausschuss zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Verordnung des ersatzweise beschafften Impfstoffs zulasten der gesetzlichen Krankenkasse unzulässig gewesen sei. Das Risiko für den Untergang von Impfstoff trage der jeweilige Arzt.

Die dagegen erhobene Klage wies das Sozialgericht jedoch ab.

Die von der Klägerin eingelegte Sprungrevision hat das BSG zurückgewiesen, da die ersatzweise Verordnung des Impfstoffes als unwirtschaftliches Verhalten zu werten sei.

Entscheidungsgründe

Das BSG ist der Auffassung, dass das Sozialgericht beanstandungsfrei entschieden habe. Die Rechtsgrundlage des festgesetzten Regresses ergebe sich aus § 13 der im Bezirk der beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung geltenden „Prüfvereinbarung gemäß § 106 SGB V“ i. V. m. § 106 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S.4 SGB V.

Nach § 13 Abs. 1 S. 1 der Prüfvereinbarung prüfe die Prüfstelle auf Antrag, ob der Arzt durch veranlasste oder verordnete oder selbst erbrachte Leistungen im einzelnen Behandlungs- bzw. Verordnungsfall gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen habe. Daneben überwache die Krankenkasse und die Kassenärztliche Vereinigung nach § 106 Abs. 1 S. 1 SGB V die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen.

Die ersatzweise Verordnung des Impfstoffes habe sich als unwirtschaftlich nach § 13 der Prüfvereinbarung i. V. m. § 106 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 S. 4 SGB V a. F. erwiesen.

Der Begriff der „Wirtschaftlichkeit“ bestimme die Relation zwischen dem Kostenaufwand und dem Nutzen in Form des Heilerfolgs. Die Verpflichtung des Vertragsarztes zu wirtschaftlichem Handeln gelte für jedwede ärztliche Tätigkeit.

Die Ersatz-Impfstoffverordnungen seien unzulässig gewesen. Denn diese hätten nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ergehen dürfen. Der dadurch entstandene Kostenaufwand sei unwirtschaftlich, da ihm kein entsprechender Nutzen gegenüberstehe. Der Schaden der Krankenkassen bestehe darin, dass sie erneut Impfstoffe haben zahlen müssen, nachdem die zuvor bereits verordneten und von den Krankenkassen bezahlten Impfstoffe vernichtet worden seien, ohne dass sie den Versicherten zugutegekommen seien.

Soweit der Arzt in seiner Arztpraxis Impfstoffe aufbewahrt, liege es in seinem Verantwortungsbereich, dass die für die Lagerung von Impfstoffen geltenden Vorgaben – insbesondere im Hinblick auf die Kühlung – eingehalten werden. Zwar können technische Fehler eines Medikamentenkühlschranks nie vollständig ausgeschlossen werden. Das Risiko eines Schadenseintritts könne aber der Arzt als Betreiber seiner Praxis in weitem Umfang beeinflussen.

Durch Auswahl, Wartung und Überwachung der Praxisausstattung könne die Gefahr von Sachschäden so gering wie möglich gehalten werden. Hinzu komme, dass der Arzt im gewissen Rahmen Einfluss auf die Menge des gelagerten Impfstoffes habe. In welchem Umfang der Arzt Vorsorge zur Vermeidung eines durch den Ausfall eines Kühlgeräts verursachten Schadens treffe, unterliege allerdings seiner unternehmerischen Entscheidung und könne weder von den Prüfgremien noch von den Krankenkassen im Einzelnen kontrolliert werden.

Bei typisierender Betrachtung, die der Wirtschaftlichkeitsprüfung in gewisser Weise immanent sei, sei es nicht zu beanstanden, die Verantwortung für den Eintritt eines Sachschadens aufgrund rein technischer Fehlfunktionen des Kühlschranks, die zu einer Fehlkühlung von Impfstoffen führen, dem Arzt zuzuweisen. Praxis und Praxisausstattung seien dem Einflussbereich der Krankenkassen entzogen. Insbesondere haben diese in der einzelnen Vertragsarztpraxis keinen Einfluss darauf, welchem Standard angeschaffte technische Geräte entsprechen und wie diese gewartet sowie sonst überwacht werden.

Vor diesem Hintergrund könne der Arzt dem Regressanspruch nicht entgegenhalten, dass das Versagen des technischen Geräts im konkreten Schadensfall nicht zu vermeiden gewesen sei, da es bei der Frage der Wirtschaftlichkeit ärztlicher Verordnungsverhaltens nach ständiger Rechtsprechung nicht auf ein vorwerfbares Verschulden des Arztes ankomme.

Anmerkungen

Das BSG stellt klar, dass bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung durch ihre Typisierung nicht das individuell vorwerfbare Verschulden bei der Frage von Regressansprüchen in den Mittelpunkt gerückt wird. Es macht dabei konkrete Vorschläge, um das Risiko zu minimieren. So spricht sich das BSG für den Abschluss einer entsprechenden Kühlgutversicherung und die Verwendung von Geräten aus, die über spezielle Sicherheitseinrichtung verfügen, die ein Abkühlen auf unter 2° C verhindern können. Beim Ausfall einer solchen Sicherheitseinrichtung komme laut dem BSG unter Umständen eine zivilrechtliche Haftung des Herstellers des Kühlschranks in Betracht.

Es bleibt jedoch in der generellen Verantwortung der jeweiligen Ärzte alle denkbaren Vorkehrungen zu treffen, um Sachschäden zu verhindern. Etwas anderes gilt jedoch in Fällen höherer Gewalt (Naturereignisse, Unterbrechung der allgemeinen öffentlichen Stromversorgung).

  Datum: 17.04.2023 11:40:56
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Qualitätsgebot bei der Implantation von Coils
 

Die Einlage von Coils zur Behandlung eines Lungenemphysems entsprach im Jahr 2016 als neue Behandlungsmethode (noch) nicht dem gesetzlichen Qualitätsgebot. Ein evidenzgestützter Konsens einer großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute über diese Methode lag noch nicht vor. Auch fehlte ein entsprechender Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses. In Betracht kommt jedoch ein Vergütungsanspruch für Potentialleistungen aus § 137 c Abs. 3 SGB V.

BSG, Urteil vom 13.12.2022, B 1 KR 33/21 R

- Coils-Implantation, allgemeines Qualitätsgebot, Einschränkung des allgemeinen Qualitätsgebots, Potentialleistungen, Vergütungsanspruch aus § 137c Abs. 3 SGB V –

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach der Auffassung des BSG entsprach die Einlage von Spiralen in die Lunge (sog. Coils) zur bronchoskopischen Lungenvolumenreduktion im Jahr 2016 noch nicht den allgemeinen Qualitätsanforderungen des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V, weil hinsichtlich dieser Methode zur Behandlung eines Lungenemphysems noch kein Konsens der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute bestand.

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall wurden einem Patienten im klagenden Krankenhaus im Jahr 2016 zur Behandlung einer schwerstgradig chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung mit funktional relevantem Lungenemphysem Coils in die Lunge implantiert. Die beklagte Krankenkasse verweigerte hierbei die vollständige Vergütung.

Das angerufene Sozialgericht hat der Klage auf Zahlung der vollständigen Vergütung stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte dann ein Teilanerkenntnis abgegeben. Das zuständige Landessozialgericht hat die übrige Klage jedoch abgewiesen, da die Implantation von Coils nicht dem allgemeinen Qualitätsgebot entsprochen habe.

Hiergegen richtete sich nun die Revision der Klägerin. Das BSG hat der Revision stattgegeben, das Urteil des Landessozialgerichts aufgehoben und die Sache an das Landessozialgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Das BSG ist der Auffassung, dass es nicht abschließend darüber entscheiden könne, ob die Implantation von Coils im konkreten Fall zu vergüten ist.

Ein Vergütungsanspruch setze grundsätzlich voraus, dass die Behandlung – hier die Implantation von Coils – dem maßgeblichen Qualitätsgebot entsprochen habe.

Die Behandlungsmethode sei im Zeitpunkt der Behandlung im Jahr 2016 zwar nicht durch einen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) vom GKV-Leistungskatalog ausgenommen worden, der Patient habe aber auch keinen Anspruch auf die Versorgung aufgrund einer Richtlinie des GBA gehabt.

Der Beschluss des GBA vom 20.12.2018 finde vorliegend keine Anwendung, weil die dortige Richtlinie erst nach der streitgegenständlichen Behandlung in Kraft getreten sei. Mit diesem Beschluss hatte der GBA die bronchoskopische Lungenvolumenreduktion mittels Einlage von Coils beim schweren Lungenemphysem mit einem pulmonalen Residualvolumen von mindestens 225 % vom Soll in die Anlage I der Richtlinie „Methoden Krankenhausbehandlung“ aufgenommen.

Laut dem BSG habe die Anwendung von Coils beim schweren Lungenemphysem im Behandlungszeitpunkt nicht den allgemeinen Qualitätsanforderungen des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V und auch nicht dem Maßstab grundrechtsorientierter Leistungsauslegung nach § 2 Abs. 1a SGB V genügt.

Nach § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Dies erfordere für die Untersuchungs- und Behandlungsmethoden den vollen Nutzennachweis im Sinne eines evidenzgestützten Konsenses der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute.

Diesem Maßstab habe die bronchoskopische Lungenvolumenreduktion mittels Einlage von Coils im Jahr 2016 nicht entsprochen.

In Betracht komme aber ein Anspruch nach Maßgabe des § 137c Abs. 3 SGB V, der das allgemeine Qualitätsgebot partiell einschränke. An die Stelle des allgemeinen Qualitätsgebots trete dort der Potentialmaßstab. Über den Anspruch könne das BSG aber mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden.

Gemäß § 137c Abs. 3 SGB V dürfen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der GBA bisher keine Entscheidung getroffen hat, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Patienten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig sind. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung noch nicht abgeschlossen ist.

Anmerkungen

Durch dieses Urteil hat das BSG Klarheit über die Beurteilung der Implantation von Coils im Jahr 2016 geschaffen. Als Vergütungsanspruch kommt insoweit der Anspruch aus § 137 c Abs. 3 SGB V für Potentialleistungen in Betracht. Dieser schränkt das allgemeine Qualitätsgebot partiell ein. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es sich bei der neuen Methode um eine erforderliche Behandlungsalternative handelt. Solange eine Standardtherapie zur Verfügung steht, ist dies nicht der Fall.

  Datum: 06.04.2023 09:15:01
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Voraussetzungen zum Betrieb einer „isolierten PIA“ nach § 118 Abs. 4 SGB V
 

Der Antrag auf Ermächtigung zum Betrieb einer isolierten psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) nach § 118 Abs. 4 SGB V darf nicht deshalb zurückgewiesen werden, weil keine Ausweisung des geplanten Standortes im Krankenhausplan vorliegt.

BSG, Urteil vom 29.06.2022, B 6 KA 13/21 R

- PIA, Ermächtigung gem. § 118 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB V, keine räumliche Anbindung –

Sehr geehrte Damen und Herren,

zum Antrag auf Ermächtigung eines Betriebes einer psychiatrischen Institutsambulanz (PIA) hat das BSG erläutert, dass eine fehlender räumliche Anbindung an ein Krankenhaus oder eine Tagesklinik für die Frage der Ermächtigung unwesentlich ist. Somit ist auch eine „isolierte PIA“ ermächtigungsfähig.

Sachverhalt

Die klagende Trägerin eines Krankenhauses betrieb an drei Standorten u. a. psychiatrische Kliniken und den Kliniken angeschlossene psychiatrische Tageskliniken. An allen Standorten wurden auch psychiatrische Institutsambulanzen (PIAs) betrieben. Der geplante Standort für eine weitere PIA war jedoch nicht für die Klägerin als Krankenhausstandort im Krankenhausplan erfasst.

Der Antrag der Klägerin, ihr die Ermächtigung zum Betrieb einer weiteren PIA als Außenstelle zu erteilen, lehnte der Zulassungsausschuss mit der Begründung ab, dass es an der erforderlichen Aufnahme des entsprechenden Standortes in den Krankenhausplan fehle. Der beklagte Berufungsausschuss wies den klägerischen Widerspruch hiergegen zurück. Eine Ermächtigung könne nur erteilt werden, wenn im Krankenhausplan an dem Standort der PIA auch eine Außenstelle des Krankenhauses aufgenommen sei.

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht hat auf die Berufung der Klägerin hin den Beschluss des Beklagten aufgehoben und den Beklagten verurteilt, den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Laut dem Landessozialgericht könne nach § 118 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB V eine psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung durch eine PIA als Außenstelle auch dann erfolgen, wenn die Institutsambulanz nicht räumlich und organisatorisch an das betreibende Krankenhaus angebunden sei.

Die Revision des Beklagten hat das BSG zurückgewiesen, da das Landessozialgericht den Beschluss zu Recht aufgehoben und den Beklagten zu Recht zur Neubescheidung verurteilt habe.

Entscheidungsgründe

Das BSG vertritt die Auffassung, dass die Ermächtigung zum Betrieb einer PIA auch bei fehlender räumlicher Anbindung an ein Krankenhaus oder eine Tagesklinik möglich sei. Die Rechtsgrundlage der Ermächtigung zum Betrieb einer PIA ergebe sich aus § 118 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4 SGB V. Die geplante PIA am streitgegenständlichen Standort erfülle zwar selbst nicht die Voraussetzungen für eine Ermächtigung gem. § 118 Abs. 1 S. 1 SGB V. So handele es sich hierbei weder um ein Krankenhaus im Sinne des § 107 Abs. 1 SGB V noch bestehe ein räumlicher Zusammenhang mit weiteren Kliniken oder betriebenen Tageskliniken.

Gemäß § 118 Abs. 4 SGB V seien Krankenhäuser vom Zulassungsausschuss aber dann zur ambulant psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung zu ermächtigen, wenn die Versorgung durch räumlich und organisatorisch nicht angebundene Einrichtungen der Krankenhäuser erfolge, soweit und solange die Ermächtigung notwendig sei, um eine Versorgung sicherzustellen.

Ein rechtlicher Anknüpfungspunkt dafür, dass eine Ermächtigung nach § 118 Abs. 4 SGB V von der Ausweisung einer existierenden stationären Einrichtung der Klägerin am geplanten Standort im Krankenhausplan abhängen könne, lasse sich dem Krankenhausfinanzierungsgesetz oder den landesrechtlichen Vorschriften der Krankenhausplanung nicht entnehmen.

Eine solche Anforderung ergebe sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus der Gesetzesentwicklung oder dem Sinn und Zweck der Ermächtigung von Institutsambulanzen.

So sei die fehlende räumliche Anbindung an das Krankenhaus zwar Voraussetzung einer Ermächtigung gem. § 118 Abs. 4 SGB V. Dem Wortlaut sei aber nicht zu entnehmen, dass sich die räumliche Entfernung lediglich auf den Hauptstandort des Krankenhauses beziehen würde. Auch die Formulierung „organisatorisch nicht angebunden“ weise in die gleiche Richtung.

Schließlich könne auch dem Begriff „Einrichtungen der Krankenhäuser“ aus § 118 Abs. 4 SGB V nicht entnommen werden, dass die Einrichtung, durch welche ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Leistungen erbracht werden, nur eine im Krankenhausplan berücksichtigte Einrichtung sein könne, in der bereits (teil-) stationäre Leistungen erbracht werden. Ein „Einrichtung“ könne somit auch eine „isolierte PIA“ sein.

Ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, wonach am geplanten Standort der PIA bereits eine im Krankenhausplan ausgewiesene stationäre Einrichtung existieren müsse, lasse sich der Gesetzeshistorie nicht entnehmen. Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der Versorgungsverbesserung spreche vielmehr dafür, dass der Gesetzgeber im Falle eines festgestellten Versorgungsbedarfs gerade auch einer PIA ohne jegliche Anbindung an ein Krankenhaus der vollstationären Versorgung oder an eine autonome Tagesklinik einen Anspruch auf Ermächtigung gewähren wolle.

Anmerkungen

Das BSG hat klargestellt, dass auch eine sogenannte „isolierte PIA“ möglich ist. Demnach kann ein Antrag auf Ermächtigung des Betriebs einer PIA nicht mit dem Argument zurückgewiesen werden, dass es an der räumlichen Anbindung der PIA an ein Krankenhaus oder eine Tagesklinik fehlt. Einer Ausweisung der „isolierten PIA“ im Krankenhausplan sei nicht erforderlich.

Mit dieser Entscheidung hat das BSG die besondere Bedeutung der PIA- insbesondere auch einer „isolierten PIA“ nach § 118 Abs. 4 SGB V - und ihren Auftrag zur ambulanten Behandlung von Patienten mit schweren Krankheitsbildern (wie schizophrenen Psychosen, Suchterkrankungen und psychischen Alterskrankheiten) dargelegt, die in der Vergangenheit oftmals nur unzureichend oder gar nicht ambulant medizinisch versorgt wurden. Die ambulante Behandlung solcher Patienten wurde damit gesichert und weiter gestärkt.

  Datum: 31.03.2023 10:53:49
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Voraussetzungen der Anerkennung als Hochschulambulanz und der Vergütung
 

Eine mit einer Universität kooperierende Ambulanz muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um als Hochschulambulanz im Sinne von § 117 Abs. 1 S. 1 SGB V gelten zu können. Hierzu zählt, dass sie organisatorisch, sachlich und personell in der Lage sein muss, den mit Forschung und Lehre verbundenen Zweck einer Hochschulambulanz zu erfüllen und gleichzeitig die Untersuchung und Behandlung von Patienten mit auch komplexen Krankheitsbildern sicherzustellen. Dabei sei laut dem BSG unverzichtbar, dass die wissenschaftlich-medizinische Leitung der kooperierenden Einrichtung durch eine Person erfolge, die den entsprechenden Lehrstuhl der Hochschule innehabe.

BSG, Urteil vom 17.11.2022, B 6 KA 9/21 R

– Hochschulambulanz gem. § 117 Abs. 1 S. 1 SGB V, Vergütungsgrundsätze,  Grundsatz der Beitragssatzstabilität, Aufgaben der Schiedsstelle –

Sehr geehrte Damen und Herren,

in dieser Entscheidung beleuchtet das BSG, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, um eine Hochschulambulanz im Sinne von § 117 Abs. 1 S. 1 SGB V annehmen zu dürfen. Hierbei betont das BSG die besondere Bedeutung von Hochschulkliniken für die Forschung und Lehre.

Sachverhalt

Die Klägerin ist Trägerin eines Krankenhauses und betreibt dort Ambulanzen auf den Gebieten der Orthopädie und Rheumatologie in Kooperation mit einer Universität. Mit einer Vergütungsvereinbarung aus dem Jahr 2017 wurde bezüglich der Vergütung für die Untersuchung und Behandlung der Patienten eine einheitliche Fallpauschale von 84,50 € bei 15.500 Fällen kalenderjährig vereinbart.

Nach dem Scheitern der Vergütungsvereinbarungen für die Jahre 2018 und 2019 beantragte die Klägerin bei der beklagten Schiedsstelle die Festsetzung getrennter (höherer) Fallpauschalen.

Die beigeladenen Krankenkassen traten dem entgegen. Gründe für Kostenänderungen seien nicht dargelegt worden. Die geforderte Vergütung liege auch weit über der Vergütungshöhe, die für das Jahr 2018 mit anderen vergleichbaren Hochschulambulanzen vereinbart worden sei.

Die Beklagte setzte wegen der Bindung an den Grundsatz der Beitragsstabilität eine geringere Fallpauschale fest.

Das erstinstanzlich zuständige Landessozialgericht hob den von der Klägerin angegriffenen Schiedsspruch der Beklagten auf und verpflichtete die Beklagte über den klägerischen Antrag neu zu entscheiden. Die Beigeladenen erhoben hiergegen Revision vor dem BSG. Das BSG hat die Entscheidung des Landessozialgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Das BSG ist der Auffassung, dass zunächst das Landessozialgericht feststellen müsse, ob es sich bei der streitgegenständlichen Ambulanz um eine Hochschulambulanz handele. Dies sei im Rahmen der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs inzident zu prüfen.

Ob das Landessozialgericht den Status einer Hochschulambulanz Orthopädie zur Recht angenommen habe, lasse sich anhand der von ihm getroffenen Feststellungen nicht überprüfen.

Hochschulambulanzen werden in § 117 Abs. 1 S. 1 SGB V legal definiert als Ambulanzen, Institute und Abteilungen der Hochschulkliniken. Hochschulkliniken seien Krankenhäuser, die gemäß § 108 Nr. 1 SGB V nach landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulklinik anerkannt seien. Dazu zähle das Klinikum der mit dem klägerischen Krankenhaus kooperierenden Universität, welches als rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts betrieben werde. Denn in der Errichtung einer Hochschulklinik nach Maßgabe des jeweiligen Hochschul- oder Hochschulklinikgesetzes des Landes liege regelmäßig ihre Anerkennung nach dem Landesrecht im Sinne des § 108 Nr. 1 SGB V.

Von der Anerkennung des Universitätsklinikums durch das Landesrecht zu unterscheiden sei jedoch die Frage, ob eine konkrete Einrichtung Teil der Hochschulklinik sei und damit die dort betriebene Ambulanz als Hochschulambulanz im Sinne des § 117 Abs. 1S. 1 SGB V anzusehen sei.

Eine Ambulanz könne dabei auch dann eine Hochschulambulanz sein, wenn der rechtsfähige Träger nicht die Hochschulklinik selbst, sondern eine dritte, mit der Hochschulklinik vertraglich verbundene juristische Person sei.

Sollen die ärztlichen Leistungen einer Hochschulambulanz in Kooperation mit einem Krankenhaus erbracht werden, müsse die kooperierende Einrichtung jedoch gewissen Mindestanforderungen genügen, um den Aufgaben einer Hochschulambulanz gerecht zu werden.

Sie müsse organisatorisch, sachlich und personell in der Lage sein, den mit Forschung und Lehre verbundenen Zweck einer Hochschulambulanz im erforderlichen Umfang zu erfüllen und auf fachärztliche Überweisungen die Untersuchung und Behandlung von Patienten mit schweren und komplexen Krankheitsbildern oder seltenen Erkrankungen sicherzustellen.

Zugleich sei es unverzichtbar, dass die wissenschaftliche-medizinische Leitung der kooperierenden Einrichtung durch eine Person erfolge, die den Lehrstuhl der Hochschule innehabe. Diese Person müsse in ihrer Funktion als Lehrstuhlinhaber/-in die Leitungskompetenz haben und Gesamtverantwortung in fachlich-medizinischer Hinsicht in der Hochschulambulanz tragen. Dies erfordere, dass die Person selbst keinen medizinisch-fachlichen Weisungen des Trägers der Einrichtung unterliege und als leitende Person der Fachambulanz der Hochschulklinik das Weisungsrecht nicht nur gegenüber dem wissenschaftlichen, sondern auch gegenüber dem in der Krankenversorgung tätigen Personal in dem hierfür notwendigen Umfang ausüben könne.

Anmerkungen

Laut BSG fällt eine kooperierende, externe Einrichtung nur dann in den Kreis der Hochschulambulanzen gem. § 117 SGB V, wenn diese Einrichtung auch der besonderen hochschulrechtlichen Bedeutung der Lehre und Forschung genügt und insbesondere die weisungsfreie Arbeit einer entsprechenden lehrstuhlführende Person gewährleistet ist. Mit dem Urteil stärkt das BSG die Stellung der bisherigen Hochschulambulanzen und arbeitet ihre besondere Rolle heraus. Ergänzend macht das BSG Ausführungen zur Bemessung der Vergütung einer Hochschulambulanz, die der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung entspricht (2 stufiges Prüfverfahren) und stellt zusätzlich die Ermittlungsaufgaben der Schiedsstelle heraus. Danach hätte die Schiedsstelle die Hochschulambulanz auffordern müssen, die Kosten der Ambulanz und deren Entwicklung im Verhältnis zu den Vorjahren darzulegen.

  Datum: 24.03.2023 12:25:04
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Kündigung eines Versorgungsauftrages
 

Das BSG hat seine bisherige Rechtsprechung zum Rechtscharakter einer Kündigung von Versorgungsverträgen mit den Krankenhäusern gem. § 110 SGB V aufgegeben. Danach erfolgt die Kündigung nicht durch einen Verwaltungsakt, sondern durch eine einseitige öffentlich-rechtliche Willenserklärung.

BSG, Urteil vom 13.12.2022, B 1 KR 37/21 R

– Kündigung gem. § 110 SGB V, keine Kündigung durch Verwaltungsakt, Nebeneinanderbestehen von echtem und fiktivem Versorgungsvertrag –

Sehr geehrte Damen und Herren,

durch diese neue Rechtsprechung ändert sich die rechtliche Einordnung der Kündigung gem. § 110 SGB V. Bislang ging das BSG davon aus, dass ein Verwaltungsakt erforderlich sei. Nunmehr wird eine Willenserklärung angenommen, wie sie auch für den Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge erforderlich ist. 

Sachverhalt

Die Klägerin ist Trägerin einer Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin und schloss 2004 mit den beklagten Landesverbänden der Krankenkassen und der Ersatzkassen einen Versorgungsvertrag nach § 109 Abs. 1 SGB V über 15 Betten auf dem Fachgebiet Psychotherapeutische Medizin, welcher von der zuständen Landesbehörde auch genehmigt wurde.

Die Beklagten kündigten 2013 diesen Versorgungsvertrag mittels Verwaltungsakt, da die 15 Betten für eine bedarfsgerechte Krankenhausbehandlung nicht erforderlich seien. Mit der zwischenzeitlich erfolgten Aufnahme des Krankenhauses mit 35 Betten in den Krankenhausplan sei der Versorgungsvertrag durch einen fiktiven Versorgungsvertrag ersetzt worden. Die zuständige Landesbehörde genehmigte die Kündigung. Den gegen die Kündigung gerichteten Widerspruch der Klägerin wiesen die Beklagten zurück.

Das angerufene Sozialgericht wies die Klage als unzulässig zurück, weil es an einem Rechtsschutzbedürfnis fehle. Die Klägerin sei wegen des fiktiven Versorgungsvertrages durch die Kündigung nicht beschwert.

Das Landessozialgericht hatte die Berufung der Klägerin dagegen zurückgewiesen, da kein Kündigungsgrund vorliege.

Die Revision der Klägerin hiergegen war erfolgreich. Demnach sind die Urteile des Landessozialgerichts und des Sozialgerichts sowie der Bescheid der Beklagten aufzuheben.

Entscheidungsgründe

Laut dem BSG sei der Bescheid der Beklagten rechtswidrig und verletzte die Klägerin in ihren Rechten.

Die Beklagten seien bereits nicht befugt gewesen, über die Kündigung des Versorgungsvertrages durch einen Verwaltungsakt zu entscheiden. Ein Handeln durch Verwaltungsakt sei nur zulässig, wenn diese Handlungsform durch Gesetz gestattet sei. An einer solchen Ermächtigung fehle es aber. Durch diese Rechtsauffassung ändert das BSG seine bisherige Rechtsauffassung.

Die Kündigung hätte laut dem BSG durch eine einseitige öffentlich-rechtliche Willenserklärung erfolgen müssen. Dem Wortlaut der wesentlichen Vorschrift § 110 SGB V lassen sich – auch im Wege der Auslegung – keine Anhaltspunkte für eine Verwaltungsaktbefugnis der Beklagten entnehmen. Auch aus der Gesetzgebungsgeschichte und dem System von Kranken- und Pflegeversicherung ergebe sich nichts anderes.

Den gesetzlichen Regelungen der §§ 109, 110 SGB V lassen sich auch keine Anhaltspunkte für ein Über- und Unterordnungsverhältnis entnehmen. Das Gesetz gebe vielmehr als alleinige Handlungsform für die Begründung der Zulassung des Krankenhauses den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages vor. Es stelle die Beteiligten insofern gleichgeordnet gegenüber.

Die Einordnung der Kündigung eines Versorgungsvertrages als Verwaltungsakt würde dem Bedürfnis der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zwar besser Rechnung tragen. Die spezifischen verfahrensrechtlichen Regelungen für Verwaltungsakte seien jedoch Ausfluss eines Über- und Unterordnungsverhältnisses. Effektiver Rechtsschutz werde zukünftig durch die Möglichkeit einer Feststellungsklage und gegebenenfalls einer einstweiligen Anordnung gewährleistet.

Ein ohne Verwaltungsaktbefugnis ergangener „gesetzloser“ Verwaltungsakt sei stets rechtswidrig und damit aufzuheben.

Schließlich geht das BSG in einem obiter dictum davon aus, dass hinsichtlich der Behandlungseinheiten des Krankenhauses ein echter und ein fiktiver Versorgungsvertrag nicht nebeneinander Bestand haben können. So spreche vieles dafür, dass die 15 Betten, auf die sich der Versorgungsvertrag bezog, in den Krankenhausplan überführt worden und zu Planbetten geworden seien.

Anmerkungen

Durch die Änderung der höchstrichterlichen Auffassung zum Rechtscharakter der Kündigung gem. § 110 SGB V hat das BSG seine bisherige Rechtsauffassung aufgeben und geht nunmehr richtigerweise von einer einseitigen öffentlich-rechtlichen Willenserklärung aus. Somit ist zukünftig gegen eine Kündigung nicht mehr gerichtlich die Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt statthaft, sondern nur die Feststellungklage. Es bleibt abzuwarten, welche darauf aufbauenden Rechtsfragen in Zukunft vom BSG neu bewertet werden müssen.

Gut beraten, kompetent vertreten

Meine Kanzlei für Medizinrecht berät und vertritt Sie in allen Angelegenheiten „Rund ums Krankenhaus“. Dies umfasst u.a. Beratung und Vertretung in allen sozialgerichtlichen Klageverfahren einschließlich Erörterungsverfahren und Begleitung in den Budget- und Entgeltverhandlungen und anschließenden Schiedsstellenverfahren. Nähere Einzelheiten können Sie der Homepage der Kanzlei für Medizinrecht entnehmen. Wir sind bundesweit tätig.

  Datum: 17.03.2023 10:32:51
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Kodierung von mehreren OPS-Kodes
 

Kodierung von mehreren OPS-Kodes

Die Kodierung von Prozeduren knüpft nach den Deutschen Kodierrichtlinien an den vom jeweiligen OPS-Kode definierten Eingriff an und nicht an das mit der Behandlung insgesamt verfolgte Ziel. Für die Kodierung ist maßgeblich, ob eine eigenständige Prozedur durchgeführt wurde oder lediglich eine Komponente einer anderen Prozedur. Dies richtet sich letztendlich nach den Regeln der ärztlichen Kunst für die Ausführung des jeweiligen, durch den OPS-Kode konkret definierten, Behandlungsverfahrens.

BSG , Urteil vom 24. 01. 2023, AZ B 1 KR 6/22, R.

– Kodierung mehrerer OPS–Kodes, monokausale Kodierung, Nasenseptum-Korrektur, Operation an der unteren Nasenmuschel, partielle Maxillektomie-

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

vorliegend streiten die Parteien, ob nebeneinander mehrere Kodes verschlüsselt werden durften oder ob ein vom Krankenhaus angegebener Kode lediglich Komponente eines anderen Kodes war. Das BSG bestätigte die Rechtsauffassung des Krankenhauses und der vorhergehenden Instanz. 

Sachverhalt

Die Klägerin behandelte einen Patienten im Jahr 2016 stationär. Es wurde eine Nasenseptum – Korrektur, eine Operation an der unteren Nasenmuschel und eine partielle Maxillektomie (Abtragung des Knochensporns am Kieferknochen) durchgeführt. Dementsprechend hat die Klägerin neben dem OPS-Kode 5-214.6 und OPS Kode 5-215.2/5 - 215.4 auch den OPS Kode

5-771.10 (partielle Maxillektomie) verschlüsselt. Dies führt zur DRG D25D (mäßig komplexe Eingriffe an Kopf und Hals außer bei bösartige Neubildung ohne äußerst schwere CC).

Der von der Beklagten beauftragte MDK vertrat die Auffassung, dass die Resektion von Teilen des Gesichtsschädelknochens integraler Bestandteil des OPS 5 - 214.6 gewesen sei. Dies Folge aus dem Grundsatz der monokausalen Kodierung. Ausgehend hiervon könne nur die Fallpauschale D38Z, die geringer bewertet sei, abgerechnet werden.

In der ersten Instanz wurde die Klage abgewiesen, auf die Berufung der Klägerin wurde die Entscheidung des SG vom LSG aufgehoben. Das BSG bestätigte die Rechtsauffassung der Klägerin und des LSG Baden-Württemberg.

Entscheidungsgründe

Das vom BSG bestätigte Urteil des LSG Baden-Württemberg geht davon aus,, dass die Abtragung des Knochensporns (OPS-Kode 5-771.10) nicht zwingend Bestandteil der Operation an der unteren Nasenmuschel gewesen sei. Medizinisch handele es sich bei der partiellen Maxillektomie nicht um einen Eingriff an der unteren Nasenmuschel und auch nicht um einen notwendigen Bestandteil der unteren Nasenmuschel. Der Processus frontalis maxillae und die untere Nasenmuschel sind individuell ausgeprägt und können jeweils eigenständig zu einer Nasenatmungsbehinderung beitragen. Sie werden daher eigenständig operativ therapiert. Sie werden je nach klinischer Situation isoliert oder auch kombiniert operativ therapiert (LSG, Urteil vom 22.03.2022, Az.: L 11 KR 597/21, Rdz 60).

Anmerkung

Zwar gilt das Grundprinzip, dass die Abbildung eines durchgeführten Eingriffs mit einem Kode  vorzunehmen ist. Werden jedoch mehrere Eingriffe während einer Operation durchgeführt, hängt die Verschlüsselung davon ab, ob der zusätzlich in Ansatz gebrachte OPS-Kode Komponente einer anderen Prozedur ist. Dies wiederum richtet sich nach den Regeln der ärztlichen Kunst, also nach dem im OPS-Kode konkret angegebenen Behandlungsverfahren. Diesbezüglich stellt das BSG heraus, dass die Kodierung von Prozeduren nach den deutschen Kodierrichtlinien an den vom jeweiligen OPS-Kode definierten Eingriff anknüpft und nicht an das mit der Behandlung insgesamt verfolgte Ziel. 

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 08.03.2023 08:30:24
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Neuer AOP- Vertrag mit Kontextfaktoren wirft viele Fragen auf
 

Neuer AOP- Vertrag mit Kontextfaktoren wirft viele Fragen auf

Sehr geehrte Damen und Herren,

erst kürzlich wurde von der Selbstverwaltung auf Bundesebene der neue AOP- Vertrag verabschiedet und wirft bereits jetzt viele Fragen auf. Ich möchte Sie daher auf den beigefügten Fachaufsatz von Dr. med. Heinz- Georg Kaysers, Dr. med. Andreas Stockmanns und Dr. Jürgen Freitag aufmerksam machen, die sich eingehend mit den Kontextfaktoren im AOP- Katalog unter dem Titel „Kontextfaktoren im AOP- Katalog § 115 b SGB V – Alles nur ein großes Missverständnis !? “ befassen.

Wir werden die weitere Entwicklung beobachten, insbesondere, wie sich die Krankenkassen bezüglich der von den Autoren aufgeworfenen Fragestellungen verhalten werden.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 13.02.2023 15:02:41
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Vergütung für ein Sozialpädiatrisches Zentrum
 

Die Bemessung der Vergütung für ein Sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ) erfolgt nach den Grundsätzen, die das BSG mit Urteil vom 13.05.2015 (B 6 KA 20/14 R) aufgestellt hat. Dies bedeutet, dass ein zweistufiges Prüfungsschema Anwendung findet.

Danach hat der Träger des SPZ mittels einer Prognose, die bei wirtschaftlicher Betriebsführung voraussichtlich entstehenden Personal- und Sachkosten plausibel und nachvollziehbar darzulegen. Insoweit liegt die Darlegungs- und Substantiierungslast beim Träger der Einrichtung. In einem zweiten Schritt ist dann zu prüfen, ob der nachvollziehbar begründete Kostenansatz des SPZ unter Wirtschaftlichkeitsaspekten einem Vergleich mit den Kostenansätzen anderer SPZ standhält, soweit sie vergleichbar sind. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist ein Vergütungssatz nach § 120 Abs. 2 SGB V für den Zeitraum 2022 in Höhe von 612,40 € je Patient/Quartal gerechtfertigt.

Schiedsstellenbeschluss vom 05.12.2022

Sehr geehrte Damen und Herren,

erfahrungsgemäß sind die Kostenträger bei der Festlegung des Vergütungssatzes für ein SPZ sehr restriktiv. Sie sind grundsätzlich nur bereit, einen einmal vereinbarten Vergütungssatz nur mit der Veränderungsrate nach § 71 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB V fortzuschreiben. Insoweit bleibt nur der Weg zur Schiedsstelle. In dem von uns vertretenen Verfahren setzte sich die Schiedsstelle eingehend und überzeugend mit der Kalkulation der Kosten des SPZ auf der Grundlage der Rechtsprechung des BSG auseinander. Sie legte daher einen Vergütungssatz in Höhe von 612,40 € für das Jahr 2022 fest.

Sachverhalt

Die Vertragsparteien hatten seit über 25 Jahren nicht mehr über den Vergütungssatz des SPZ verhandelt. In diesem Zeitraum hatte sich sowohl die Leistungs- als auch die Kostenstruktur erheblich verändert, so dass das SPZ die Kostenträger zur Verhandlung anhand einer Neukalkulation aufforderte, um einen angemessenen Vergütungssatz zu vereinbaren und die Versorgung der Patienten im SPZ weiter zu gewährleisten. Dazu waren die Kostenträger nicht bereit und verwiesen auf den Grundsatz der Beitragssatzstabilität, der nur eine Anhebung von 2,29 % zulasse.

In einem außerordentlich gut begründeten, umfassenden und klaren Schiedsspruch wies die Schiedsstelle die Auffassung der Kostenträger zurück und setzte auf der Grundlage der Kalkulation des SPZ – unter Abzug bestimmter Positionen – die Vergütung in Höhe von 612,40 € (Quartalspauschale, je Patient) fest.

Entscheidungsgründe

Bezüglich der Ausgangsfrage, ob die Vergütung des SPZ nur mit der Veränderungsrate nach § 71 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB V fortgeschrieben werden dürfe, bezieht sich die Schiedsstelle darauf, dass diese gesetzliche Regelung auf dem sogenannten Jährlichkeitsprinzip beruhe. Im vorliegenden Fall hätten die Vertragsparteien zuletzt vor mehr als 25 Jahren unter vollkommen anderen Verhältnissen, was sowohl die Personal- und Sachkosten wie Größe, Fallzahlen und Leistungsstruktur des SPZ eine Vergütung vereinbart. Insoweit könne nicht an eine „Vorjahresvereinbarung“ angeknüpft werden. Die Schiedsstelle kommt daher zu dem Schluss, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität mit der Beschränkung der Vergütungshöhe auf die Veränderungsrate des Jahres 2022 bei der vorliegenden Sachlage weder rechtliche noch tatsächliche Wirkung entfalte.

Zudem könne der Ansatz der Kostenträger auch nicht die notwendige medizinische Versorgung der Patientinnen und Patienten auf der Grundlage der erteilten Ermächtigung gewährleisten.

Der von den Kostenträgern vorgelegte „externe Vergleich“ genüge nicht den Anforderungen, die das BSG in seiner Grundsatzentscheidung aufgestellt habe. Die Kostenträger stellten überwiegend auf Vergütungswerte ab, die auch vor mehr als 25 Jahren vereinbart worden seien und seitdem nicht mehr mit den jeweiligen Veränderungen der Personal- und Sachkosten angepasst wurden. Der Vergleich sei daher bereits im Ansatz ungeeignet, Aufschluss über die dem aktuellen Kostenniveau entsprechende Vergütungshöhe zu geben.

Anmerkungen

Die Schiedsstelle setzt sich eingehend und umfangreich mit der Anwendung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGB V auseinander. Da letztmalig vor mehr als 25 Jahren die Vergütung verhandelt wurde, kommt dieser Grundsatz nicht zur Anwendung, da keine relevante Vorjahresvereinbarung besteht, an die angeknüpft werden kann. Dies könne nur dann der Fall sein, wenn die letzte Vereinbarung ein oder zwei Jahre zurückliegt. Letztlich hält die Schiedsstelle die Fortschreibung des zuletzt vor mehr als 25 Jahren vereinbarten Vergütungssatzes mit 2,29 % für ungeeignet, die Leistungsfähigkeit des SPZ im Jahr 2022 zu gewährleisten.

Im Schiedsspruch wird herausgestellt, dass die vorgelegte Kalkulation des SPZ den Anforderungen an eine plausible und nachvollziehbare Prognose der voraussichtlich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise erforderlichen Kosten genüge (erster Prüfungsschritt). Bezüglich der kalkulierten Personalkosten bestätigte die Schiedsstelle die Notwendigkeit, im beantragten Umfang ärztliches und sonstiges Personal zur Versorgung des spezifischen Patientenklientels des SPZ einzusetzen.

Dem „externen Vergleich“ der Kostenträger, die lediglich Vergütungssätze anführten, die auch zeitlich sehr weit zurücklagen, erteilte die Schiedsstelle eine Absage. Dieser externe Vergleich würde auch nicht den Anforderungen des BSG genügen (zweiter Prüfungsschritt).

Die Träger der SPZ sollten vor dem Hintergrund dieser Schiedsstellenentscheidung prüfen, ob und inwieweit sich die Leistungs- und Kostenstruktur ihres SPZ verändert hat. Liegen die vereinbarten Vergütungssätze weit zurück, sollte der Weg zur Schiedsstelle nicht gescheut werden.

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 26.01.2023 12:20:51
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Ein Krankenhaus muss für den Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale keine gesonderte Begründung abgeben, auch wenn es sich bei der ursprünglichen Behandlung um einen Eingriff aus dem AOP-Katalog gehandelt hat. Die etwaige Begründungspflicht hat zwar zur Folge, dass die Abrechnung des Krankenhauses nicht fällig wird und die Prüffristen des § 275 SGB V nicht zu laufen beginnen. Sie stellt aber keine Voraussetzung für den Anspruch aus § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V (a.F.) dar.

SG Detmold, Urteil vom 08.11.2021, S 16 KR 2320/21

- Aufwandspauschale, Begründungspflicht -

Sehr geehrte Damen und Herren,

zur immer wieder aufkommenden Forderung der Krankenkassen, dass auch beim Zahlungsanspruch der Aufwandspauschale eine gesonderte Begründungspflicht erforderlich sei, hat das Sozialgericht Detmold nun klar zugunsten der Krankenhäuser Stellung bezogen. Hierbei handelte es sich bei der zugrundeliegenden Behandlung um einen Eingriff aus dem AOP-Katalog.

Sachverhalt

Das von uns vertretene Krankenhaus behandelte einen Versicherten der beklagten Krankenkasse vom 16.10.2017 bis zum 19.10.2017 stationär und rechnete hierfür insgesamt 2.323,61 € ab. Hierbei handelte es sich um einen Eingriff aus dem AOP-Katalog.

Die Krankenkasse zahlte diesen Betrag vollständig und leitete eine Prüfung durch den MDK ein.

Sie beauftragte den MDK mit der Prüfung der Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung. Der MDK bestätigte die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung für den gesamten Behandlungszeitraum. Zu einer Minderung des Rechnungsbetrages kam es nicht.

Das Krankenhaus forderte daher von der Krankenkasse die Zahlung der Aufwandspauschale gem. § 27S Abs. 1c S. 3 SGB V (a.F.) in Höhe von 300,00 €. Dem kam die Krankenkasse jedoch nicht nach.

Das angerufene Sozialgericht Detmold hat dem Krankenhaus nun Recht gegeben und die Krankenkasse zur Zahlung der Aufwandspauschale verurteilt.

Entscheidungsgründe

Das SG vertritt die Auffassung, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Anspruchs zur Zahlung der Aufwandspauschale gem. § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V (a.F.) vorlagen.

Der Anspruch auf die Aufwandspauschale setzt nach Auffassung des SG voraus, dass (1) die Krankenkasse eine Abrechnungsprüfung durch den MDK im Sinne des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V veranlasst hat, (2) dem Krankenhaus durch eine Anforderung von Sozialdaten durch den MDK gemäß § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V ein Aufwand entstanden ist, (3) die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt hat und (4) das Prüfverfahren nicht durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung seitens des Krankenhauses veranlasst wurde (BSG, Urt. v. 28.11.2013, B 3 KR 4/13 R, Rn. 13, juris).

Entgegen der Ansicht der Krankenkasse sei der Anspruch nicht dadurch ausgeschlossen, dass das Krankenhaus das Prüfverfahren durch eine etwaige fehlende Begründung der stationären Behandlungsnotwendigkeit bei der ansonsten regelhaft ambulant zu erbringenden Leistung veranlasst habe.

Der Anspruch auf die Zahlung einer Aufwandspauschale scheide zwar aus, wenn die Krankenkasse durch eine offensichtlich und nachweislich fehlerhafte Abrechnung des Krankenhauses zum Prüfverfahren nach § 275 SGB V veranlasst worden sei.

Soweit die Krankenkasse jedoch die Auffassung vertritt, dass die offensichtliche Fehlerhaftigkeit der Abrechnung sich daraus ergebe, dass das Krankenhaus in den nach § 301 SGB V zu übermittelnden Datensätze keine Begründung für die Erforderlichkeit der stationären Behandlung der Versicherten mitgeteilt habe, obwohl es sich um eine regelhaft ambulant zu erbringende Leistung gehandelt habe, folgt das Gericht dieser Auffassung nicht.

Richtig sei, dass das Krankenhaus bei Eingriffen aus dem AOP-Katalog die Notwendigkeit der stationären Behandlung gegenüber der Krankenkasse auf Anforderung gesondert zu begründen habe.

Rechtsfolge eines Verstoßes sei nach der Rechtsprechung des BSG, dass die Abrechnung des Krankenhauses nicht fällig werde und die Prüffristen des § 275 SGB V nicht zu laufen beginne.

Diese Rechtsprechung zur Fälligkeit der Hauptforderung ist nach Auffassung des Gerichts aber auf den Anspruch des Krankenhauses auf Zahlung der Aufwandspauschale nicht übertragbar.

Der Krankenkasse wäre es laut dem SG vor der Einleitung des Prüfverfahrens zumutbar gewesen, das Krankenhaus zu einer ergänzenden Begründung der stationären Behandlung aufzufordern, wenn sich die stationäre Behandlung nicht bereits aus den übermittelten Datensätzen ergibt. Der unmittelbaren Einschaltung des MDK bedurfte es dann nicht.

Anmerkung

Das Urteil des SG Detmold erteilt der von den Krankenkassen angeführten Forderung nach einer zusätzlichen Begründungspflicht hinsichtlich der Aufwandspauschale bei Eingriffen aus dem AOP-Katalog eine klare Absage.

Das Gericht hat deutlich gemacht, dass die Krankenkassen bei Zweifeln an der ausreichenden Begründung der stationären Behandlungsnotwendigkeit bereits im Vorfeld eine gesonderte Begründung bei den Krankenhäusern anfordern müssen.

Wenn die Krankenkassen dieses zumutbare Verhalten unterlassen, können sie nicht mehr auf der Ebene der Aufwandspauschale auf eine gesonderte Begründung bestehen.

Diese Rechtsauffassung dürfte auch auf die aktuelle Regelung in § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V übertragbar sein, da dessen Wortlaut mit dem Wortlaut der Vorschrift § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V (a.F.) identisch ist.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 12.12.2022 16:41:06
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Fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten
 

Versicherte dürfen nicht entlassen werden, wenn – etwa durch eine medizinisch gebotene Diagnostik oder eine sonstige gebotene medizinische Intervention im weitesten Sinne – in einem überschaubaren Zeitraum 1. Klarheit darüber geschaffen werden kann, ob eine Fortsetzung der stationären Behandlung medizinisch geboten ist, und 2. ggf. die Fortsetzung der Behandlung aus medizinischen Gründen auch tatsächlich erfolgen kann. In der Regel ist ein Zeitraum von zehn Tagen ab der Entscheidung über die Entlassung bis zur Fortsetzung der Behandlung noch als überschaubar anzusehen und wahrt damit noch das erforderliche Behandlungskontinuum.

BSG, Urteil vom 26.04.2022, B 1 KR 14/21 R

-Fallzusammenführung, fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten, Wirtschaftlichkeitsgebot, Beurlaubung, Behandlungskontinuum –

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach wie vor ist zwischen Krankenhaus und Krankenkasse umstritten, ob und bei welcher Fallgestaltung eine Fallzusammenführung aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebotes erforderlich ist. Mit dem vorliegenden Urteil präzisiert das BSG seine bisherigen Grundsätze zur Fallzusammenführung.

Sachverhalt

Eine Patientin wurde im Krankenhaus der Klägerin vom 05.05 bis 11.5.2011 stationär wegen der Abklärung von Blutabgängen zur Diagnostik und Therapie aufgenommen. Dabei wurde bei der Diagnose ein Analkarzinom festgestellt. Die Patientin wurde einen Tag vor der interdisziplinären Tumorkonferenz entlassen und zur Umsetzung der Ergebnisse am 19.05.2011 zur laparoskopischen Sigmoideostoma-Anlage (künstlicher Darmausgang) und Adhäsiolyse (operatives Lösen von bindegeweblichen  Verwachsungen, hier im Bauchraum) sowie zur Implantation eines Ports für eine anschließende Radiochemotherapie erneut stationär aufgenommen und am 31.05.2011 entlassen.

Für die stationäre Krankenhausbehandlung rechnete das Krankenhaus zwei Fallpauschalen ab: Für den ersten Aufenthalt die DRG G60B und für den zweiten Aufenthalt die DRG G18B. Der von der Krankenkasse beauftragte MDK kam zur Auffassung, dass von einem einheitlichen Behandlungsfall auszugehen sei und somit nur die DRG G18B abzurechnen sei. Die Beklagte Krankenkasse verrechnete daraufhin den bereits gezahlten Betrag für die DRG G60B.

Die Vorinstanzen gaben dem Krankenhaus Recht und verurteilten die beklagte Krankenkasse zur Zahlung. Auf die Revision der beklagten Krankenkasse hob das BSG die Urteile auf und wies die Klage ab.

Entscheidungsgründe

Zunächst konstatiert das BSG, dass das Krankenhaus die Vergütung sachlich – rechnerisch zutreffend abgerechnet habe. Der Fallzusammenführung auf der Grundlage von § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FPV 2011 stehe die Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 2 FPV 2011 entgegen. Danach erfolge keine Fallzusammenführung, wenn einer der Krankenhausaufenthalte mit einer Fallpauschale abgerechnet werden kann, die bei Versorgung in einer Hauptabteilung in Spalte 13 des Fallpauschalenkatalogs gekennzeichnet ist. Dies sei bei der DRG G60B der  Fall. Nach der entsprechenden Fußnote 4, erfolge eine Fallzusammenführung bei Wiederaufnahme in dasselbe Krankenhaus nicht. Allerdings gelte auch in diesem Fall das Wirtschaftlichkeitsgebot. Werde dem nicht Rechnung getragen, beschränke sich der Anspruch auf die Vergütung, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre.

Das Krankenhaus habe die Pflicht, bei der Behandlungsplanung auch die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativverhaltens zu prüfen und die Behandlungsplanung ggf. daran auszurichten. Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit erfordere, dass bei Existenz verschiedener, gleich zweckmäßiger und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind. Nur die geringere Vergütung sei wirtschaftlich.

Das Wirtschaftlichkeitsgebot gelte auch bei den preisrechtlichen Regelungen der FPV 2011. Aufgrund ihrer Stellung in der Normenhierarchie seien sie nicht in der Lage, das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 und des § 70 Abs. 1 Satz 2 SGB V einzuschränken. Eine spezifische gesetzliche Ermächtigung zu einer solchen Einschränkung zulasten der Krankenkassen fehle den Vertragsparteien des § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG.

Unter Anwendung des Wirtschaftlichkeitsgebots hätten für das Krankenhaus nur zwei Alternativen zur Verfügung gestanden: Entweder hätte die stationäre Behandlung fortgesetzt werden müssen oder es hätte eine Beurlaubung erfolgen müssen. In beiden Fällen wäre lediglich die DRG G18B abrechenbar gewesen. Dies war somit die wirtschaftliche Alternative.

Dabei geht das BSG davon aus, dass in der Regel ein Zeitraum von 10 Tagen ab der Entscheidung über die Entlassung bis zur Fortsetzung der Behandlung noch als überschaubar anzusehen ist und damit noch das erforderliche Behandlungskontinuum wahre. Vorliegend sei die Behandlung innerhalb von weniger als 10 Tagen, nämlich nach 8 Tagen in Umsetzung der Empfehlung der Tumorkonferenz fortgesetzt worden. Insoweit hätte als Behandlungsalternative die Fortsetzung der Behandlung bzw. eine Beurlaubung in Betracht gezogen werden müssen.

Anmerkungen

Das Urteil des BSG reiht sich in seine Entscheidungen zum fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhalten ein. Danach ist bei der Behandlungsplanung zu prüfen, ob es wirtschaftlichere Behandlungsalternativen gibt, die zu einer geringeren Vergütung führen. Neu in diesem Urteil ist ein angenommener Regelzeitraum von 10 Tagen ab der Entscheidung über die Entlassung bis zur Fortsetzung der Behandlung. Diesen Zeitraum sieht das BSG als Behandlungskontinuum an.

Dies ist wohl so zu verstehen, dass eine Fortsetzung der Behandlung (oder eine Beurlaubung) angezeigt ist, wenn die Wiederaufnahme innerhalb dieses Zeitraumes von 10 Tagen erfolgt. In diesem Fall könne unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots nur 1 Fallpauschale abgerechnet werden.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Entscheidung des BSG noch ein Altfall zu Grunde lag. Ab dem 01.01.2019 findet § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG Anwendung. Dort heißt es:              „In anderen als den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen ist eine Fallzusammenführung insbesondere aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zulässig“.

Die Entscheidung des BSG müsste daher unter Zugrundlegung der nun bestehenden gesetzlichen Regelung ab 01.01.2019 anders ausfallen.

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 07.11.2022 12:02:26
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Zum zeitlichen Anwendungsbereich von Entscheidungen des Schlichtungsausschusses
 

 

Die Entscheidungen des Schlichtungsausschusses nach §19 KHG finden grundsätzlich nur Anwendung auf zukünftige Behandlungsfälle. Ausnahme hiervon sind Krankenhausabrechnungen, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entscheidung  Gegenstand einer Prüfung durch den MD nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind. Diese Ausnahmeregelung gilt nicht, wenn die Krankenkasse dem Krankenhaus bereits ihre leistungsrechtliche Entscheidung mitgeteilt hat; in diesem Fall sind die Abrechnungen nicht mehr Gegenstand einer Prüfung durch den MD.

BSG, Urteil vom 22.06.2022, B 1 KR 31/21 R

-Schlichtungsausschuss auf Bundesebene, Entscheidungen, zeitlicher Anwendungsbereich, Gegenstand einer Prüfung durch den MD –

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Schlichtungsausschuss auf Bundesebene erlässt normative Regelungen, die als Kodierregeln für Krankenkassen, Krankenhäuser und MD verbindlich sind. Diese gelten grundsätzlich erst für die Zukunft mit Ausnahme für Behandlungsfälle, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entscheidung des Schlichtungsausschusses Gegenstand einer MD Prüfung sind. Vorliegend befasst sich das BSG mit der Frage, wann diese Ausnahme greift.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus behandelte eine Versicherte im Januar 2015 vollstationär wegen einer hochgradigen Aortenklappenstenose. Sie hatte eine angeborene bikuspidale Aortenklappe.

Hierfür stellte das Krankenhaus der Krankenkasse die Vergütung nach der DRG F03E in Rechnung. Als Hauptdiagnose verschlüsselte es den ICD Kode Q23.0 (angeborene Aortenklappenstenose).

Die Krankenkasse beauftragt den MDK mit einer Prüfung. Dieser ersetzte den ICD Kode durch I35.0 (Aortenklappenstenose), was zur niedriger bewerteten DRG F03F führte. In der Folge verrechnete die Krankenkasse den aus ihrer Sicht überzahlten Betrag.

Im Rahmen des Klageverfahrens änderte das Krankenhaus die Hauptdiagnose in Q 23.1 (angeborene Aortenklappeninsuffizienz). Die Krankenkasse stützte sich im Klageverfahren u.a. auf eine Entscheidung des Schlichtungsausschusses nach § 19 KHG vom 25.11.2020. Dieser habe entschieden, dass bei der vorliegenden Fallgestaltung der ICD Kode I 35.0 anzuwenden sei.

Entscheidungsgründe

Das BSG befasste sich u.a. mit dem zeitlichen Anwendungsbereich von Entscheidungen des Schlichtungsausschusses. Der Entscheidung des Schlichtungsausschusses komme grundsätzlich nur Wirkung für die Zukunft zu. Diese Entscheidungen gelten bezüglich der Abrechnung bzw. Prüfung erst für Patientinnen und Patienten, die ab dem ersten Tag des übernächsten auf die Veröffentlichung der Entscheidung folgenden Monats in das Krankenhaus aufgenommen werden. Eine Ausnahme hierzu stelle die Regelung dar, wonach Entscheidungen des Schlichtungsausschusses für Krankenhausabrechnungen anzuwenden sind, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Entscheidung bereits Gegenstand einer Prüfung durch den MD nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind.(§ 19 Abs. 4 Satz 3 KHG).

Gegenstand einer Prüfung durch den MD seien nicht mehr Abrechnungsfälle, für die die Krankenkasse eine leistungsrechtliche Entscheidung getroffen habe. Irrelevant sei zudem, ob über die Abrechnung noch ein sozialgerichtlicher Rechtsstreit anhängig sei.

Das BSG kommt daher zu dem Schluss, dass die Entscheidung des Schlichtungsausschusses vom 25.11.2020 (KDE 585) bereits aus diesem Grund vorliegend keine Anwendung finden könne.

Anmerkungen

Die Entscheidung des BSG zum zeitlichen Anwendungsbereich der Entscheidungen des Schlichtungsausschusses ist uneingeschränkt zu begrüßen. Bereits der Wortlaut von § 19 Abs. 4 Satz 3 KHG spricht dafür, den zeitlichen Anwendungsbereich der Entscheidungen des Schlichtungsausschusses eng zu fassen. Das Prüfverfahren des MD endet spätestens mit Erstellung des Gutachtens und der Mitteilung des Ergebnisses der Begutachtung an die Krankenkasse (§ 277 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Nur bis zu diesem Zeitpunkt kann auch der MD das Ergebnis eine Entscheidung des Schlichtungsausschusses in seiner Prüfung berücksichtigen. Danach ist das Prüfverfahren des MD beendet.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

Der Potentialmaßstab von § 137c Abs. 3 SGB V geht als lex specialis dem allgemeinen Qualitätsgebot vor.

Dabei gilt folgender Potentialmaßstab:

1. muss es sich um eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung handeln, 2. darf keine andere Standardbehandlung verfügbar sein und 3. muss die Leistung das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten.

BSG, Urteil vom 26.04.2022, B 1 KR 20/21 R

-Liposuktion, Lipödem III, Erp-RL, allgemeines Qualitätsgebot, Potentialleistungen, Potentialmaßstab, neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, § 137c Abs. 3 SGB V–

Sehr geehrte Damen und Herren,

im vorliegenden Fall ging es darum, ob eine Patientin Anspruch hat, die Kosten für stationäre Liposuktionen zur Behandlung des Lipödems Stadium III erstattet zu bekommen.

Das BSG hat hierzu die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch im Einzelnen dargelegt.

Sachverhalt

Die Klägerin war eine Patientin, die vier stationäre Liposuktionen an Armen und Beinen durchführen ließ (wegen Lipödem Stadium III). Insgesamt belief sich der Erstattungsanspruch auf über 13.000 €.

Die Krankenkasse lehnte mit Bescheid den Erstattungsanspruch ab; der Widerspruch war erfolglos. Die dagegen gerichtete Klage war in erster und zweiter Instanz erfolglos. Das BSG wies auf die Revision der Klägerin die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück.

Entscheidungsgründe

Zunächst stellt das BSG fest, dass der Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einer Liposuktion nicht durch einen Beschluss des GBA von vornherein aus dem GKV Leistungskatalog ausgeschlossen ist.

Allerdings könne die Klägerin sich nicht auf die Richtlinienmethoden der Krankenhausbehandlung des GBA stützen, wonach vorgesehen ist, dass die Liposuktion bei Lipödem im Stadium III zu den Methoden gehört, die für die Versorgung mit Krankenhausbehandlung erforderlich sind. Diese Richtlinie sei erst nach der letzten Behandlung in Kraft getreten (mit Wirkung vom 07.12.2019).

Der Erstattungsanspruch der Patientin könne jedoch aus § 137c Abs. 3 SGB V hergeleitet werden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

„Versicherte haben außerhalb eines auf einer Erp – RL beruhenden Erprobungsverfahren vor dessen inhaltlicher Konkretisierung Anspruch auf neue Untersuchungs – und Behandlungsmethoden nur im Rahmen eines individuellen Heilversuchs, wenn es 1. um eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Standardbehandlung verfügbar ist und wenn 3. die Leistung das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet.“ (BSG, aaO, Rdz 16).

Da das LSG hierzu keine Feststellungen getroffen hatte, wurde die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.

Anmerkungen

Das BSG hat mit diesem Urteil seine bisherige Rechtsprechung zum Potentialbegriff und zum Potentialmaßstab des §137c Abs. 3 SGB V erneut bestätigt. Danach unterliegt der Potentialmaßstab erheblichen Einschränkungen (siehe vorstehendes Zitat). Diese Einschränkungen im Rahmen der Rechtsfortbildung gehen auf das Urteil des BSG vom 25.03.2021, B KR 25/20 R, zurück.

Diese Anspruchsvoraussetzungen sind sehr eng gefasst und werden nur in seltenen Einzelfällen erfüllbar sein. Ob dies der Intention des Gesetzgebers entspricht, kann hier dahingestellt bleiben. Gegebenenfalls wäre eine gesetzliche Präzisierung erforderlich.

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 30.09.2022 09:40:16
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Vorsicht Verjährung!
 

Vorsicht Verjährung!

Sehr geehrte Damen und Herren,

für  Vergütungsansprüche der Krankenhäuser aus dem Jahr 2018 gilt die vierjährige Verjährungsfrist. Diese verjähren zum 31.12.2022.

Für Vergütungsansprüche der Krankenhäuser und öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche der gesetzlichen Krankenkassen gilt seit dem 01.01.2019 die verkürzte Verjährungsfrist von zwei Jahren (§ 109 Abs. 5 Satz 1 SGB V i.d.F. PpSG). Dies bedeutet, dass Krankenhäuser Vergütungsansprüche aus dem Jahr 2020 ebenfalls nur bis zum 31.12.2022 geltend machen können.  Dies gilt auch  für Krankenhausbehandlungskosten, die zunächst  bezahlt und im Jahr 2020 von den Krankenkassen nachträglich mit unstreitigen  Forderungen verrechnet  wurden.

Aus anwaltlicher Vorsicht wollte ich Sie darauf rechtzeitig hinweisen.

Gut beraten, kompetent vertreten

 

 

  Datum: 29.09.2022 15:38:50
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Erbringt ein „Nichtarzt“ stationäre Krankenhausleistungen, die dem Arztvorbehalt unterliegen, fehlt ein Rechtsgrund für die Vergütung und die Krankenkasse hat einen Anspruch gegen das Krankenhaus auf Rückzahlung der geleisteten Vergütung.
 

Erbringt ein „Nichtarzt“ stationäre Krankenhausleistungen, die dem Arztvorbehalt unterliegen, fehlt ein Rechtsgrund für die Vergütung und die Krankenkasse hat einen Anspruch gegen das Krankenhaus auf Rückzahlung der geleisteten Vergütung.

BSG, Urteil vom 26.04.2022, B 1 KR 26/21 R

-Leistungserbringung durch einen „Nichtarzt“, Approbation, Erstattungsanspruch, Rückzahlung, Schadensersatz-

Sehr geehrte Damen und Herren,

Gelegentlich „schleichen“ sich „Nichtärzte“ in den Krankenhausbetrieb unter Vorlage von  falschen Unterlagen ein. Wird dies nachträglich aufgedeckt, stellt sich die Frage, ob der Krankenkasse aufgrund der Leistungen des „Nichtarztes“, die Grundlage der Abrechnung waren, ein Rückerstattungsanspruch von geleisteten Vergütungen zusteht. Das BSG hat dies bejaht.

Sachverhalt

Das Krankenhaus beschäftigte in einem Zeitraum von etwa sieben Jahren einen „Nichtarzt“. Die Anstellung als Assistenzarzt und später als Facharzt erfolgte auf Grund einer Approbationsurkunde, die ihm von der zuständigen Behörde ausgestellt wurde. Die betreffende Person hatte jedoch weder eine ärztliche Prüfung noch eine Facharztprüfung abgelegt. Die im Rahmen des Approbationsverfahrens vorgelegten Unterlagen waren gefälscht. Nachdem dies der Behörde bekannt wurde, nahm sie die Approbation bestandskräftig zurück. Die betreffende Person wurde unter anderem wegen Körperverletzung in 336 Fällen zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.

Die klagende Krankenkasse forderte daraufhin in 14 Fällen die geleistete Vergütung für die Krankenhausbehandlung zurück, an der der „Nichtarzt“ mitgewirkt hatte.

In zweiter Instanz wurde der Klage stattgegeben. Die Revision des Krankenhauses führte zur Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Zunächst geht das BSG davon aus, dass der Krankenkasse kein Schadensersatzanspruch gegenüber dem Krankenhaus zusteht. Es geht davon aus, dass das Krankenhaus auf die Richtigkeit der erteilten Approbation vertrauen konnte. Es war nicht verpflichtet, die Approbation eigenständig zu überprüfen.

Allerdings bejahte das BSG einen Erstattungsanspruch der Krankenkasse, da ein Rechtsgrund für die Vergütung fehlte, da ein „Nichtarzt“ stationäre Krankenhausleistungen erbracht hatte, die dem Arztvorbehalt unterliegen.

Das BSG lässt sich davon leiten, dass die Erbringung ärztlicher Leistungen nur approbierten Heilbehandlern nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB V vorbehalten ist. Wird dagegen verstoßen, liege eine Verletzung des Qualitätgebotes vor mit der Folge, dass die Krankenhausbehandlung insgesamt nicht wirtschaftlich und damit nicht zu vergüten sei. § 15 Abs. 1 SGB V enthalte eine spezifische Ausprägung des Qualitäts – und Wirtschaftlichkeitsgebotes im Sinne der §§ 2 Abs. 1 Satz 3,12 Abs. 1 SGB V.

Bei der Krankenhausbehandlung handele es sich um eine komplexe Gesamtleistung, so dass sich die Auswirkungen des Einsatzes eines „Nichtarztes“ nicht monetär bewerten lassen. Der Verstoß gegen eine Mindestqualitätsanforderung infiziere daher im Regelfall die gesamte Leistung.

Wurden allerdings eigenständige und abgrenzbare Krankenhausleistungen erbracht, die in keinerlei Beziehung zum Verstoß gegen das Qualitätsgebot stehen, besteht hierfür ein Vergütungsanspruch. Eine  abgrenzbare Krankenhausleistung in diesem Sinne könnte zum Beispiel bei  der Behandlung von interkurrenten Erkrankungen vorliegen, an der der „Nichtarzt“ nicht beteiligt war.

Da es hierfür an Feststellungen durch das LSG fehlte, wies das BSG die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück.

Anmerkungen

Zunächst ist festzuhalten, dass das BSG einen Schadensersatzanspruch verneinte, da das Krankenhaus auf die erteilte Approbation vertrauen konnte. Etwas anderes könnte gelten, wenn das Krankenhaus nicht überprüft hatte, ob der „Nichtarzt“ eine Approbationsurkunde besitzt. Letztendlich weist das BSG das Gesamtrisiko der Krankenhausbehandlung unter Beteiligung eines „Nichtarztes“ dem Krankenhaus zu, auch wenn das Krankenhaus dies aufgrund der vorgelegten Urkunden nicht erkennen konnte. Dies wird besonders deutlich in dem vorliegenden Fall, bei dem der „Nichtarzt“ in 336 Fällen mitgewirkt hatte. Die finanziellen Folgen können also gravierend sein. Angesichts dieser Dimension ist eher fraglich, ob ein Schadensersatzanspruch gegenüber dem „Nichtarzt“ durchgesetzt werden kann.

Dem Krankenhaus verbleibt allerdings noch die Möglichkeit, ggf. gegenüber dem Land Amtshaftungsansprüche geltend zu machen, wenn eine Pflichtverletzung nachweisbar ist. Dies war allerdings nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits.

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 06.09.2022 08:50:59
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Eine nicht im Krankenhaus erbrachte ärztliche Leistung, für die auch keine Einrichtungen, Mittel und Dienste des Krankenhauses eingesetzt wurden, ist keine Krankenhausleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG.
 

Eine nicht im Krankenhaus erbrachte ärztliche Leistung, für die auch keine Einrichtungen, Mittel und Dienste des Krankenhauses eingesetzt wurden, ist keine Krankenhausleistung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG. Die ärztliche Behandlung auch durch nicht fest angestellte Ärztinnen und Ärzte ist auf die Leistungserbringung im Krankenhaus beschränkt. (BSG, aaO, Rdz 17).

Krankenhäuser können ausnahmsweise im Einzelfall und unter Berücksichtigung ihrer eigenen Leistungsfähigkeit Leistungen Dritter veranlassen, die Ihnen dann als allgemeine Krankenhausleistungen zugerechnet werden. Eine die eigene Leistungsfähigkeit des Krankenhauses ersetzende, regelmäßige und planvolle  Einbeziehung Dritter in die Erbringung wesentlicher allgemeiner Krankenhausleistungen ist davon jedoch nicht gedeckt. (BSG, aaO, Rdz 29).

Für die im Versorgungsauftrag ausgewiesenen Bereiche wie Fachabteilungen, Zentren, Fachprogramme etc. hat das Krankenhaus die räumliche, apparative und personelle Ausstattung zur Erbringung der wesentlichen Leistungen selbst vorzuhalten. Wesentlich sind dabei alle Leistungen, die in der ausgewiesenen Fachabteilung regelmäßig notwendig sind – mit Ausnahme unterstützender und ergänzender Leistungen, wie etwa Laboruntersuchungen oder radiologische Untersuchungen. (BSG, aaO, Rdz 34). 

Wesentliche Leistungen des Versorgungsauftrages müssen vom Krankenhaus selbst erbracht werden können. Allerdings bedeutet dies nicht, dass jedes Krankenhaus jegliche Leistung, die vom Versorgungsauftrag umfasst wäre, immer selbst erbringen können muss (BSG, aaO, Rdz 34).

BSG, Urteil vom 26.04.2022 , B 1 KR 15 /21 R

Auslagerung von Leistungen an Dritte, Versorgungsauftrag, wesentliche Leistungen, Kooperation, unterstützende und ergänzende Leistungen – 

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir hatten bereits auf der Grundlage des Terminberichts und der Pressemitteilung des BSG über das Urteil vom 26.04.2022 berichtet. Aus den Urteilsgründen ergibt sich nunmehr ein wesentlich differenzierteres und klareres Bild. 

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus ist u.a mit einer Abteilung für Strahlentherapie in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen worden. Nachdem es diese Abteilung geschlossen hatte, kooperierte es aufgrund eines Vertrages mit einer in unmittelbarer Nähe zum Krankenhaus befindlichen ambulanten Strahlentherapiepraxis.

In diesem Rahmen behandelte das Krankenhaus eine bei der Beklagten versicherte Patientin wegen ambulant nicht beherrschbarer Schmerzen. Die in der Strahlentherapiepraxis der Vertragsärzte zuvor ambulant durchgeführte Bestrahlung wurde während der Dauer der stationären Behandlung im Oktober 2010 fortgesetzt.

Die hierfür angesetzte Vergütung des Krankenhauses zahlte die Krankenkasse nur teilweise. Sie kürzte den Vergütungsanspruch in Höhe der strahlentherapeutischen Leistungen.

Im Gegensatz zu den Vorinstanzen wies das BSG die Klage ab.

Entscheidungsgründe

Ausgangspunkt des Urteils ist die Fragestellung, ob die Leistungen der Strahlentherapiepraxis, die außerhalb des Krankenhauses erbracht wurden, allgemeine Krankenhausleistungen des Krankenhauses im Sinne des § 2 Abs. 2 KHEntgG sind.

Dabei unterscheidet das BSG rechtlich zwei Fragenkomplexe:

Die erste Fragestellung geht dahin, ob die externen Leistungen der Strahlentherapiepraxis  als allgemeine Krankenhausleistungen angesehen werden können. Dies hat das BSG verneint. Es geht davon aus, dass eine Krankenhausleistung nur dann vorliegt, wenn Einrichtungen, Mittel und Dienste des Krankenhauses von den Ärzten in Anspruch genommen wurden. Die Hinzuziehung nicht fest angestellter Ärzte gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG sei zwar zulässig, beschränke sich aber auf die Leistungserbringung im Krankenhaus. (BSG, aaO, Rdz 17). Im vorliegenden Fall fehle es sowohl an der Behandlung im Krankenhaus als auch am Einsatz von Mitteln des Krankenhauses.

Die zweite Fragestellung, mit der sich das BSG auseinandersetzt, betrifft die Hinzuziehung Dritter nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG („vom Krankenhaus veranlasste Leistungen Dritter“).

Die Hinzuziehung Dritter sei eine gesetzlich vorgesehene Ausnahme vom Grundsatz, wonach Krankenhäuser über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende therapeutische und diagnostische Möglichkeiten verfügen müssen; sie müssen auch die notwendigen, vorwiegend ärztlichen und pflegerischen Leistungen mit jederzeit verfügbarem Personal erbringen können.

Krankenhäuser können lediglich im Einzelfall und unter Berücksichtigung ihrer eigenen Leistungsfähigkeit Leistungen Dritter veranlassen, die ihnen dann als allgemeine Krankenhausleistungen zugerechnet werden können. Eine die eigene Leistungsfähigkeit des Krankenhauses ersetzende, regelmäßige und planvolle Einbeziehung Dritter in die Erbringung wesentlicher allgemeiner Krankenhausleistungen sei jedoch nicht zulässig. Ein überwiegendes oder vollständiges Auslagern wesentlicher ärztlicher Leistungen sei daher nicht zulässig. (BSG, aaO, Rdz 29/30).

Im Ergebnis kommt das BSG zu dem Schluss, dass wesentliche Leistungen des Versorgungsauftrages vom Krankenhaus selbst erbracht werden müssen. Für die mit dem Versorgungsauftrag zugewiesenen Bereiche (z.B. Fachabteilungen, Zentren, Fachprogramme) habe das Krankenhaus die räumliche, apparative und personelle Ausstattung zur Erbringung der wesentlichen Leistungen selbst vorzuhalten. Als wesentlich angesehen werden dabei alle Leistungen, die in der ausgewiesenen Fachabteilung regelmäßig notwendig sind – mit Ausnahme unterstützender und ergänzender Leistungen (z.B. Laboruntersuchungen oder radiologische Leistungen). (BSG, aaO, Rdz 34)

Da das Krankenhaus die gesamte Fachabteilung Strahlentherapie ausgelagert hatte, handelt es sich nicht um eine vergütungsfähige allgemeine Krankenhausleistung. Im Ergebnis wurde daher die Klage des Krankenhauses abgewiesen.

Anmerkungen

Zunächst ist festzuhalten, dass das BSG eine Kooperation mit niedergelassenen Ärzten, die nicht im Krankenhaus angestellt sind, nicht ausschließt. Allerdings geht das BSG davon aus, dass die Leistungserbringung der sogenannten Honorarärzte auf die Leistungserbringung im Krankenhaus beschränkt ist. Es sollte daher der bestehende Kooperationsvertrag dahingehend überprüft werden, ob diese Anforderung erfüllt wird. Des Weiteren gibt das BSG den Hinweis, dass der Kooperationsvertrag die jederzeitige Verfügbarkeit des zur Erfüllung des Versorgungsauftrages notwendigen ärztlichen Personals im Krankenhaus absichern sollte.

Anschließend wirft das BSG die Frage auf,  ob das Krankenhaus die Leistungen Dritter (hier der Strahlentherapiepraxis) nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG in Anspruch nehmen durfte. Dabei lässt sich das BSG von der Auffassung leiten, dass Krankenhäuser grundsätzlich über ausreichende, ihrem Versorgungsauftrag entsprechende therapeutische und diagnostische Möglichkeiten sowie über das entsprechende Personal verfügen müssen. Hierzu stelle § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG eine Ausnahmevorschrift dar, die im Einzelfall Anwendung finde.

Dabei zieht das BSG eine wesentliche Grenzlinie.  Eine die eigene Leistungsfähigkeit des Krankenhauses ersetzende, regelmäßige und planvolle Einbeziehung Dritter in die Erbringung wesentlicher allgemeiner Krankenhausleistungen sei von dieser Ausnahmevorschrift nicht gedeckt (BSG, aaO, Rdz 29).

Letztlich hängt es für die rechtliche Beurteilung davon ab, ob die Hinzuziehung Dritter sich auf wesentliche Leistungen des Versorgungsauftrages bezieht. Der Blickwinkel des BSG ist dabei nicht auf die einzelne DRG Fallpauschale gerichtet, sondern auf den Versorgungsauftrag als solchen, also auf die planerische Zuweisung von Fachabteilungen, Zentren, Fachprogrammen.

Allerdings gibt das BSG hierfür keine Abgrenzungskriterien an die Hand, wonach beurteilt werden könnte, wann es sich um eine wesentliche Leistung einer Fachabteilung handelt und wann nicht. Dies wird sich auch in dieser allgemeinen Form nicht beurteilen lassen, da auch die Krankenhausplanung von Land zu Land unterschiedlich ist. Einen gewissen Aufschluss gibt jedoch das vom BSG angeführte Beispiel: Werde einem Krankenhaus der Grundversorgung der Versorgungsauftrag „Innere Medizin“ zugewiesen, werde die Stentimplantation nicht als wesentliche Leistung angesehen. Die Kooperation mit einem anderen Krankenhaus, in das die Patienten für diese Leistung verbracht werden, stelle die Leistungsfähigkeit des Krankenhauses nicht grundsätzlich infrage (BSG, aaO, Rdz 34). Daraus kann man den Schluss ziehen, je weiter ein Versorgungsauftrag planerisch erteilt wurde, je eher ist es möglich, Leistungen Dritter für einzelne Leistungskomplexe in Anspruch zu nehmen.

Unbeschadet dessen kommt natürlich weiterhin in Betracht, honorarärztliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, wenn diese Leistungen im Krankenhaus selbst durchgeführt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG).

Es bleibt daher abzuwarten, wie sich die Kasuistik der Sozialgerichte zu der Abgrenzung und Bestimmung “wesentlicher Leistungen“ unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG entwickelt.

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 13.07.2022 15:29:45
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LVRC-Verfahren (bronchoskopische Lungenvolumenreduktion mittels Coils) besaßen im Jahr 2016 das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative
 

LVRC-Verfahren (bronchoskopische Lungenvolumenreduktion mittels Coils) besaßen im Jahr 2016 das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative

Die bronchoskopische Lungenvolumenreduktion mittels Coils war im Jahr 2016 eine zulässige Behandlungsmethode, die nach vorliegenden Studien eine medizinisch anerkannte Methode war. Aufgrund der drei publizierten Studien REVOLVENS, RENEW und RESET gelangt das SG für das Saarland zu der Ansicht, dass es einen Hinweis auf einen Nutzen bei einer Lungenvolumenreduktion mittels Coils bei der Symptomatik der Atemnot gab.

SG für das Saarland, Gerichtsbescheid vom 01.06.2022, Aktenzeichen S 45 KR 536/20

Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative, vollstationär, bronchoskopische Lungenvolumenreduktion mittels Coils, Erprobungsrichtlinie

Sehr geehrte Damen und Herren,

bei neuen Behandlungsmethoden besteht die Gefahr, dass die Krankenkassen deren Abrechnung aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht akzeptieren wollen. Bei der bronchoskopischen Lungenvolumenreduktion mittels Coils handelte es sich im Jahr 2016 um eine solche neue Behandlungsmethode. Nun hat das Sozialgericht für das Saarland festgestellt, dass es sich (zumindestens) ab 2016 hierbei um eine Behandlungsmethode gehandelt hat, die nach den vorliegenden Studien das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative gem. §137c Abs. 3 SGB V hat.

Sachverhalt

Ein Patient wurde Anfang 2016 zur bronchoskopischen Lungenvolumenreduktion mittels Coils (LVRC-Verfahren) stationär in der Klinik der Klägerin aufgenommen und der entsprechende Eingriff durchgeführt. Der eingeschaltete MDK lehnte die Indikation für die durchgeführte Operation später ab und stellte fest, dass die vorhandenen konservativen Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft worden seien. Das SG gab dem von uns vertretenen Krankenhaus Recht und verurteilte die beklagte Krankenkasse zur Zahlung in voller Höhe.

Entscheidungsgründe

Das SG stellte fest, dass das LVRC-Verfahren im Jahr 2016 das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative besessen hatte.

Nach § 137c Abs. 1 SGB V überprüft der G-BA Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standards der medizinischen Erkenntnisse erforderlich ist. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der G-BA eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e SGB V.

In § 137c Abs. 3 SGB V wird dabei bestimmt, dass Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der G-BA bisher keine Entscheidung nach § 137c Abs. 1 SGB V getroffen hat, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden dürfen, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig sind.

Der Anwendungsbereich von Potentialleistungen sei zur Gewährung eines ausreichenden Patientenschutzes für den Fall einer noch nicht existierenden Erprobungsrichtlinie wegen des transitorischen, auf eine abschließende Klärung ausgerichteten Methodenbewertungsverfahrens eng auszulegen. Versicherte hätten danach vor Erlass einer Erprobungsrichtlinie Anspruch auf neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, wenn es sich um innovative Methoden zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung handele, für die im Einzelfall keine weitere Standardbehandlung verfügbar sei.

Das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative ergebe sich insbesondere dann, „wenn zumindest so aussagefähige wissenschaftliche Unterlagen vorliegen, dass auf dieser Grundlage eine Studie geplant werden könne, die eine Bewertung des Nutzens der Methode auf einem ausreichend sicheren Erkenntnisniveau erlaubt“ (§ 14 Abs. 4 Verfahrensordnung G-BA).

Betrachte man die im Frühjahr 2016 bereits verfügbare Studienlage, so haben zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere offene Multizenterstudien sowie auch drei randomisierte kontrollierte Studien vorgelegen.

Aufgrund der publizierten Studien REVOLVENS und RESET (und danach die RENEW Studie von Mai 2016) gelangte das SG für das Saarland zu der Ansicht, dass es einen Hinweis auf einen Nutzen bei einer Lungenvolumenreduktion mittels Coils bei der Symptomatik der Atemnot gab. Hinsichtlich des Auftretens von (schwerwiegenden) Lungenentzündungen und des Auftretens einer Hämoptyse bestand ein Hinweis auf einen Effekt zu Gunsten der Lungenvolumenreduktion mittels Implantation von Coils im Vergleich zu der Kontrollgruppe.

Anmerkung

Das SG für das Saarland hat in seiner Entscheidung die an das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative zu stellenden Anforderungen auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung des BSG ausführlich angewendet. Das BSG hatte seine bisherige Rechtsprechung, wonach außerhalb von Erprobungsrichtlinien für den Anspruch Versicherter auf Krankenhausbehandlungen auch nach Inkrafttreten des § 137c Abs. 3 SGB V für die dabei eingesetzten Methoden ein voller Nutzennachweis im Sinne eines evidenzgestützten Konsenses der großen Mehrheit der einschlägigen Fachliteratur verlangt wurde, mit Urteil vom 25. März 2021 (B 1 KR 25/20 R – juris RdNr. 30 m.w.N. zur früheren Rechtsprechung) explizit aufgegeben.

Nach dieser Entscheidung wird es somit für die Krankenkassen in Zukunft schwierig sein, LVRC-Verfahren, die ab 2016 angewendet werden, abzulehnen. Voraussetzung ist hierbei, dass die Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, die Methode insofern medizinisch indiziert und notwendig ist. Des Weiteren muss eine schwerwiegende Erkrankung bei dem Patienten (der Patientin) vorliegen und die Behandlungsalternative erforderlich sein.

Eine solche schwerwiegende Erkrankung liegt nach der Rechtsprechung dann vor, wenn eine Erkrankung gegeben ist, die dem Grunde nach einen Anspruch aus § 2 Abs. 1a SGB V begründen kann, also lebensbedrohlich ist oder regelmäßig tödlich endet. Darüber hinaus können auch solche Erkrankungen einen Leistungsanspruch begründen, die zu einer zulassungsüberschreitenden Anwendung berechtigt, also solche, die die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigen. An der Erforderlichkeit einer Behandlungsalternative fehlt es, solange eine Standardtherapie zur Verfügung steht. Eine Standardtherapie ist dann nicht verfügbar, wenn alle in Betracht kommenden Standardbehandlungen kontraindiziert sind oder sich als unwirksam erwiesen haben.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 13.07.2022 10:08:24
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Abrechnung einer teilstationären Behandlung anstelle einer vollstationären Behandlung
 

Abrechnung einer teilstationären Behandlung anstelle einer vollstationären Behandlung

Das Krankenhaus kann die Vergütung beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre. Dies gilt auch, wenn das Krankenhaus anstelle einer zweckmäßigen, erforderlichen und ausreichenden teilstationären Behandlung eine ebenfalls zweckmäßige, aber nicht erforderliche vollstationäre Behandlung durchgeführt hatte.

BSG, Urteil vom 26.04.2022, Aktenzeichen B 1 KR 5/21 R

– fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten, vollstationär, teilstationär, Nachrang vollstationäre Krankenhausbehandlung-

Sehr geehrte Damen und Herren,

über die bereits bestehende Kasuistik hinaus hat das BSG für die Anwendung der Grundsätze des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens eine weitere Fallgestaltung hinzugefügt. Dies betrifft die Abrechnung der teilstationären Behandlung anstelle einer medizinisch nicht notwendigen vollstationären Behandlung.

Sachverhalt

Ein Patient wurde wegen einer Suchterkrankung in der Klinik für Psychatrie und Psychotherapie der Klägerin vollstationär behandelt. Ursprünglich kam der eingeschaltete MDK zur Auffassung, es hätte eine ambulante Behandlung ausgereicht; im Laufe des Klageverfahrens ging der MDK davon aus, dass eine teilstationäre Behandlung ausreichend gewesen wäre.

Das SG verurteilte die beklagte Krankenkasse auf der Grundlage des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens zur Zahlung eines Teilbetrages. Das LSG änderte das Urteil und wies die Klage ab. Die Revision des Krankenhauses führte zur Aufhebung des Urteils des LSG und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.

Entscheidungsgründe

Das BSG stellt heraus, dass die Grundsätze des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens auch im Verhältnis zwischen vollstationärer und teilstationärer Behandlung Anwendung finden.

Auch hier sei es gerechtfertigt, dass das Krankenhaus für die wegen des Nachrangverhältnisses nicht erforderliche vollstationäre Behandlung diejenige Vergütung beanspruchen kann, die es für die erforderliche und ausreichende teilstationäre Behandlung hätte abrechnen können (BSG .aaO, Rdz 20).

Die vollstationäre Behandlung sei nicht erforderlich, wenn das Behandlungsziel durch teilstationäre Behandlung erreicht werden kann. Dieser Nachrang der vollstationären gegenüber der teilstationären Behandlung stelle lediglich eine besondere Ausprägung des Wirtschaftlichkeitsgebotes dar. Entscheidend sei dabei, dass beide Behandlungsmöglichkeiten in dem konkreten Behandlungsfall zur Erreichung des Behandlungsziels gleichermaßen geeignet bzw. zweckmäßig waren.

Des Weiteren ist maßgeblich, dass das Krankenhaus berechtigt gewesen ist, die fiktive wirtschaftliche Leistung selbst zu erbringen und gegenüber der Krankenkasse unmittelbar abzurechnen.

Anmerkung

Das BSG bezieht nunmehr eine weitere Fallgestaltung in die Anwendung der Grundsätze des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens ein. Das Prüfungsschema bleibt wie bisher:

Zunächst ist zu prüfen, ob die vollstationäre und die teilstationäre Krankenhausbehandlung gleichermaßen zweckmäßig waren, um das Behandlungsziel zu erreichen. Sind beide Behandlungsformen gleichermaßen geeignet, hat das Krankenhaus die kostengünstigere Variante zu wählen. Insoweit kommt es nach dem BSG-Urteil darauf an, in welchem Umfang und für welche Dauer eine teilstationäre Krankenhausbehandlung voraussichtlich erforderlich gewesen wäre. Dabei ist auf den im  Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens - und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes abzustellen. 

Es bleibt spannend, wenn die teilstationäre Krankenhausbehandlung im Ergebnis teurer als die vollstationäre Behandlung ausfallen sollte. Dann wäre wohl die vollstationäre Behandlung im Ergebnis die preiswertere Behandlungsalternative.

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 30.06.2022 10:39:24
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Gewöhnung und Entwöhnung von der maschinellen Beatmung
 

 

Gewöhnung und Entwöhnung von der maschinellen Beatmung

 

1. Die Gewöhnung an die maschinelle Beatmung iSd DKR 1001h setzt die erhebliche Einschränkung oder den Verlust der Fähigkeit voraus, über einen längeren Zeitraum vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atmen zu können. Hierfür genügt nicht, dass die Beatmung als solche medizinisch notwendig ist. Nicht erforderlich ist eine Adaption des Patienten an den Respirator oder eine beatmungsbedingte Schwächung der Atemmuskulatur.

 

2. Die Entwöhnung setzt neben der vorbeschriebenen Gewöhnung ein methodisch geleitetes Vorgehen zur Beseitigung der Abhängigkeit von der maschinellen Beatmung voraus.

 

3. Die Amtsermittlungspflicht des SG verlangt, dass nicht nur auf die Patientendokumentation zurückgegriffen wird. Bestehen nach Auswertung und Bewertung der Patientendokumentation noch Zweifel, muss das SG den Sachverhalt ergänzend aufklären, etwa durch Vernehmung der behandelnden  Ärzte und der behandelten Versicherten.

 

BSG Urteil vom 10.03.2022, B 1 KR 35/20 R

 

-Maschinelle Beatmung, DKR 1001h Gewöhnung, Entwöhnung, Dokumentation, Aufklärung durch SG, objektive Beweislast-

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

über das vorgenannte Urteil des BSG hatten wir Sie bereits anhand des Terminsberichts informiert. Inzwischen liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor, die weitere Aufschlüsse geben.

 

Die Gewöhnung an die maschinelle Beatmung setzt „die erhebliche Einschränkung oder den Verlust der Fähigkeit, über einen längeren Zeitraum vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atmen zu können“ voraus. Eine Adaption des Patienten an den Respirator oder eine beatmungsbedingte Schwächung der Atemmuskulatur ist hierfür nicht erforderlich.

 

Das Gericht muss neben der Feststellung der Gewöhnung auch Feststellungen zum Vorliegen der Entwöhnung treffen. Entwöhnung ist nach der Rechtssprechung des BSG „ein methodisch geleitetes Vorgehen zur Beseitigung der erheblichen Einschränkung oder des Verlustes der Fähigkeit, über einen längeren Zeitraum vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atmen zu können (…). Der intensivmedizinisch versorgte Patient (…) muss vom Beatmungsgerät durch den Einsatz einer Methode der Entwöhnung entwöhnt worden sein, weil zuvor eine Gewöhnung an die maschinelle Beatmung eingetreten war (….).“ BSG, aaO, Rdz 9.

 

Des Weiteren hat sich das BSG mit der  Aufklärungspflicht der Tatsacheninstanzen befasst. Diesbezüglich hat das BSG festgestellt, dass zunächst von der Dokumentation auszugehen ist, diese aber allein nicht maßgeblich ist. Verbleiben nach tatrichterlicher Aufklärung Zweifelsfragen, ist der Sachverhalt durch das Tatsachengericht ergänzend aufzuklären, zum Beispiel durch Vernehmung der behandelnden Ärzte oder des behandelten Versicherten. Letztendlich trägt jedoch das Krankenhaus für die Erfüllung der Abrechnungsvoraussetzungen die objektive Beweislast.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

 

 

  Datum: 09.06.2022 10:34:08
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Auslagerung von wesentlichen Leistungen auf Dritte.
 

 

Auslagerung von wesentlichen Leistungen auf Dritte.

 

Ein Krankenhaus hat für die im Versorgungsauftrag ausgewiesenen Bereiche (z.B. Fachabteilungen, Zentren) die räumliche, apparative und personelle Ausstattung zur Erbringung der wesentlichen Leistungen selbst vorzuhalten.

 

Als wesentlich sind anzusehen alle Leistungen, die in der jeweiligen Fachabteilung regelmäßig notwendig sind – mit Ausnahme unterstützender und ergänzender Leistungen (wie z.B. Laboruntersuchungen oder radiologische Untersuchungen).

 

BSG, Urteil vom 26.04.2022, B 1 KR 15/21 R

 

– Auslagerung von wesentlichen Leistungen, Kooperation mit Vertragsärzten, Leistungen Dritter, unterstützende und ergänzende Leistungen, Laboruntersuchungen, radiologische Untersuchungen, strahlentherapeutische Leistungen, Versorgungsauftrag –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

in einer Grundsatzentscheidung hat sich das BSG mit der Frage befasst, ob Krankenhäuser wesentliche Leistungen ihres Versorgungsauftrages auf Dritte regelmäßig und planvoll auslagern dürfen. Dies hat das BSG verneint. Als Ausnahme hiervon sieht es unterstützende und ergänzende Leistungen an.

 

Diesen Newsletter können Sie auch als Video ansehen. https://youtu.be/LF0Jgs43jbQ

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus ist unter anderem mit einer Abteilung für Strahlentherapie in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen worden. Nachdem es diese Abteilung geschlossen hatte, kooperierte es mit einer in unmittelbarer Nähe zum Krankenhaus befindlichen ambulanten Strahlentherapiepraxis.

 

In diesem Rahmen behandelte das Krankenhaus eine bei der Beklagten versicherte Patientin wegen ambulant nicht beherrschbarer Schmerzen. Die in der Strahlentherapiepraxis der Vertragsärzte zuvor ambulant durchgeführte Bestrahlung wurde während der Dauer der stationären Behandlung fortgesetzt.

 

Die hierfür angesetzte Vergütung des Krankenhauses zahlte die Krankenkasse nur teilweise. Sie kürzte den Vergütungsanspruch in Höhe der strahlentherapeutischen Leistungen.

 

Im Gegensatz zu den Vorinstanzen wies das BSG die Klage ab.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG lässt sich von der Auffassung leiten, dass ein Krankenhaus wesentliche Leistungen nicht regelmäßig und planvoll auf Dritte auslagern darf. Dies erlaube das Gesetz (gemeint ist wohl § 2 Abs. 1 Satz. 1 KHEntgG) nicht. Das Krankenhaus sei verpflichtet, „für die im Versorgungsauftrag ausgewiesenen Bereiche (Fachabteilungen, Zentren, Fachprogramme etc.) die räumliche, apparative und personelle Ausstattung zur Erbringung der wesentlichen Leistungen selbst vorzuhalten.

 

Als wesentlich sieht das BSG alle Leistungen an, die in der jeweiligen Fachabteilung regelmäßig notwendig sind – mit Ausnahme unterstützender und ergänzende Leistungen, wie etwa Laboruntersuchungen oder radiologische Untersuchungen.

 

Es kommt daher zu dem Schluss, dass das Krankenhaus nach der Schließung der Fachabteilung für Strahlentherapie selbst keine strahlentherapeutische Leistungen mehr erbringen konnte. Diese seien für diese Fachabteilung wesentliche Leistungen. Die Zahlungsklage wurde daher in letzter Instanz abgewiesen.

 

Anmerkungen

 

Das Grundsatzurteil des BSG könnte erhebliche Bedeutung für die Kooperation zwischen Krankenhäusern und Vertragsärzten gewinnen. Auf den ersten Blick steht es in Widerspruch zur gesetzlichen Regelung in § 2 Abs. 1  Satz 1 KHEntgG, wonach der Gesetzgeber ausdrücklich bestimmt hat, dass allgemeine Krankenhausleistungen auch durch nicht fest angestellte Ärztinnen und Ärzte erbracht werden dürfen. Diese Regelung wurde mit dem Psych– Entgeltgesetz im Jahr 2012 eingeführt und sollte der Flexibilität der Zusammenarbeit von Krankenhäusern mit niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten dienen (PsychEntgG, BT – Drucksache 17/9992, Seite 26). Gleichzeitig wollte der Gesetzgeber mit dem zulässigen Einsatz von nicht fest angestellten Honorarärzten bei der Erbringung allgemeiner Krankenhausleistungen einer bereits weit verbreiteten Praxis Rechnung tragen.

 

Durch die allgemeine Feststellung des BSG, dass für wesentliche Leistungen vom Krankenhaus die räumliche , apparative und personelle Ausstattung selbst vorzuhalten ist, könnte das Urteil bisher gelebte Kooperationen zwischen Krankenhäusern und Vertragsärzten in Rechtsunsicherheit bringen.

 

Es bleibt zu hoffen, dass das BSG nur eine Einzelfallentscheidung getroffen hat, die nur die komplette Auslagerung einer Fachabteilung betrifft. Andernfalls wäre wiederum der Gesetzgeber aufgerufen, eine Klarstellung vorzunehmen, dass wesentliche Krankenhausleistungen auch von nicht fest angestellten Honorarärzten erbracht werden dürfen, um seinem gesetzgeberischen Willen, wie er in § 2 Abs. 1 Satz. 1 KHEntgG zum Ausdruck kommt, zur Wirksamkeit zu verhelfen.

 

Zur Zeit liegen nur der Terminsbericht und die Presseerklärung des BSG hierzu vor, so dass abzuwarten ist, wie die schriftlichen Urteilsgründe ausfallen.

 

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

 

 

  Datum: 07.06.2022 14:10:33
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Die Entwöhnung von der maschinellen Beatmung setzt die Feststellung einer Gewöhnung voraus
 

 

Die Entwöhnung von der maschinellen Beatmung setzt die Feststellung einer Gewöhnung voraus

 

1. Eine Entwöhnung von der maschinellen (künstlichen) Beatmung setzt die Feststellung voraus, dass eine Gewöhnung eingetreten ist und eine Methode der Entwöhnung angewandt wurde.

 

2. Eine Gewöhnung an die maschinelle Beatmung setzt nach der Rechtsprechung des BSG "die erhebliche Einschränkung oder den Verlust der Fähigkeit, über einen längeren Zeitraum vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atmen zu können" voraus.

 

BSG, Urteil vom 10.3.2022, B 1 KR 35/20 R

 

– Maschinelle Beatmung, DKR 1001 I, Gewöhnung, Entwöhnung, Dokumentation, Aufklärung durch SG, objektive Beweislast –

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

nach wie vor beschäftigt die Gerichte die tatbestandlichen Feststellungen der Gewöhnung und der Entwöhnung bei maschineller Beatmung. In einem weiteren Revisionsverfahren hat das BSG seine Senatsrechtsprechung bekräftigt.

 

Danach setzt die Gewöhnung an die maschinelle Beatmung „die erhebliche Einschränkung oder den Verlust der Fähigkeit, über einen längeren Zeitraum vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atmen zu können“ voraus. Eine Adaption des Patienten an den Respirator oder eine beatmungsbedingte Schwächung der Atemmuskulatur ist hierfür nicht erforderlich.

 

Des Weiteren hat sich das BSG mit der  Aufklärungspflicht der Tatsacheninstanzen befasst. Bezüglich der Entwöhnung hat das BSG festgestellt, dass zunächst von der Dokumentation auszugehen ist, diese aber allein nicht maßgeblich ist. Verbleiben nach tatrichterlicher Aufklärung Zweifelsfragen, ist der Sachverhalt durch das Tatsachengericht ergänzend aufzuklären, zum Beispiel durch Vernehmung der behandelnden Ärzte oder des behandelten Versicherten. Letztendlich trägt jedoch das Krankenhaus für die Erfüllung der Abrechnungsvoraussetzungen die objektive Beweislast.

 

Zurzeit liegt nur der Terminsbericht vom 14.3.2022 vor. Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werde ich weiter berichten.

 

 

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 12.05.2022 11:46:57
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Krankenhäuser bekommen Recht: keine Strafzahlung für Rechnungen vor dem 01.01.2022
 

 

Krankenhäuser bekommen Recht: keine Strafzahlung für Rechnungen vor dem 01.01.2022

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

bekanntlich vertreten Krankenkassen die Auffassung, dass sie den Krankenhäusern auch für Rechnungen vor dem 01.01.2022 eine Strafzahlung (Aufschlag nach § 275 c Abs. 3 SGB V) aufbürden  dürfen. Unterstützt wurden sie dabei vom BMG. Häufig hatten sie daher ihre leistungsrechtliche Entscheidung in das Jahr 2022 gelegt.

 

Diesen Newsletter können Sie auch als Video ansehen. https://youtu.be/gR1K2cP4R9Y.

 

Wir hatten unsere Mandanten darauf hingewiesen, dass diese Vorgehensweise nicht mit Recht und Gesetz zu vereinbaren ist. Für alte Rechnungen dürfen keine Strafzahlungen verlangt werden.

 

Inzwischen liegen einige Entscheidungen der Sozialgerichte vor, die uns Recht geben. Die Beschlüsse des Sozialgerichts Hannover und des Sozialgerichts Mannheim weisen die Auffassung der Krankenkassen im Rahmen eines einstweiligen Rechtschutzverfahrens definitiv zurück. Dabei knüpfen Sie an die Gesetzesbegründung zum MDK Reformgesetz an. Die Festsetzung einer Strafzahlung für Rechnungen vor dem 01.01.2022 wird als rechtswidrig angesehen.  Den Krankenkassen wird an der Vollziehung ihres Bescheides das öffentliche Interesse versagt (SG Hannover, Beschluss vom 18.03.2022, S 76 KR 112 /22 ER;                   SG Mannheim vom 07.04.2022, S 15 KR 382 /22 ER).

 

In einem weiteren Verfahren, in dem wir das Krankenhaus vertreten, ging es um die Frage, ob die Angabe der Strafzahlung im Rahmen des Datenträgeraustauschverfahrens den Charakter eines Verwaltungsaktes hat. Die Krankenkasse hat sich dahingehend eingelassen, dass sie dem keinen Verwaltungsaktcharakter zumisst und die Mitteilung als bloßen Realakt ansieht. Da die Strafzahlung nur durch einen Verwaltungsakt der Krankenkassen umgesetzt werden darf, bedeutet die Einlassung der Krankenkasse, dass sie ihre Mitteilung im Datenträgeraustauschverfahren ohne Rechtsgrundlage vorgenommen hat. Auch dies wäre dann rechtswidrig.

 

Es bleibt also spannend. Meine Empfehlung lautet daher wie bisher auch, wehren sie sich gegen ungerechtfertigte Strafzahlungen! In keinem Fall sollte eine Strafzahlung geleistet werden, wenn die Krankenkassen dies über das Datenträgeraustauschverfahren versuchen.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 11.05.2022 15:55:59
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Beweislast für den Zugang von Unterlagen beim MDK
 

 

Beweislast für den Zugang von Unterlagen beim MDK

 

§ 7 Abs. 2 Satz 3, 4 PrüfvV 2014 enthält eine materielle Präklusionswirkung mit der Folge, dass nicht fristgerecht an den MDK (SMD) übermittelte konkret bezeichnete  Unterlagen als Beweismittel präkludiert  sind. Für die fristgerechte Übermittlung an den MDK (SMD) trägt das Krankenhaus die objektive Beweislast.

 

- Materielle Präklusionswirkung, Anforderung von Unterlagen, MDK, SMD, materiell rechtliche Ausschlussfrist, objektive Beweislast, § 7 Abs. 2 Satz 3, 4 PrüfvV 2014 –

 

BSG, Urteil vom 10.11.2021, B 1 KR 43/20 R

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

Das BSG hat sich in mehreren Entscheidungen mit der Auslegung von § 7 Abs. 2 Satz 3, 4 PrüfvV 2014 befasst und dieser Vorschrift eine materielle Präklusionswirkung zuerkannt. Hierüber hatten wir berichtet. In dieser Entscheidung hat sich das BSG auch mit der Beweislast für den rechtzeitigen Zugang der angeforderten Unterlagen befasst.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelte einen bei der beklagten Krankenkasse Versicherten im Jahr 2015. Die beklagte Krankenkasse zahlte nur einen Teilbetrag und beauftragte den SMD mit einer Vollprüfung. Der SMD forderte konkret bezeichnete Unterlagen am 23.04.2015 an.  Die Unterlagenanforderung des SMD ging spätestens am 28.04.2015 beim Krankenhaus ein. Das Krankenhaus übersandte am 20.05.2015 die angeforderten Unterlagen. Ausweislich des Eingangsstempels des SMD gingen die Unterlagen am 28.05.2015 ein. Ein früherer (fristgerechter) Eingang konnte vom Krankenhaus nicht nachgewiesen werden.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG nahm auf seine bisherigen Entscheidungen Bezug, wonach § 7 Abs. 2 Satz 2 bis 4 PrüfvV 2014 eine materielle Präklusionswirkung aufweist. Die Rechtsfolge davon ist, dass konkret bezeichnete Unterlagen, die vom MDK (SMD) beim Krankenhaus angefordert und nicht innerhalb der vorgeschriebenen 4 Wochenfrist vom Krankenhaus vorgelegt  wurden, als Beweismittel ausscheiden.

 

Des Weiteren ging das BSG der Frage nach, ob die vorgesehene 4 Wochenfrist vom Krankenhaus eingehalten wurde. Dabei kommt es auf den Zugang beim MDK (SMD) an. Vorliegend sprach der Eingangsstempel beim MDK (SMD) für den Zugang am 28.05.2015, somit war die 4 Wochenfrist nicht eingehalten. Das Krankenhaus konnte einen früheren fristgerechten Zugang nicht nachweisen. Die Unerweislichkeit  des fristgerechten Zugangs geht nach dem allgemeinen Grundsatz der objektiven  Beweislast zu Lasten des Krankenhauses.

 

Anmerkungen

 

Das Urteil des BSG reiht sich in die bisherigen Entscheidungen zur materiellen Präklusionswirkung ein. Während die Krankenkassen und teilweise einzelne Sozialgerichte bei § 7 Abs. 2 Satz 2-4 PrüfvV 2014 von einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist ausgingen, beschränkt das BSG die Wirkung auf den Ausschluss einzelner Beweismittel, die nicht fristgerecht vorgelegt wurden. Dies hat zur Folge, dass die Sozialgerichte anhand der fristgerecht vorgelegten Unterlagen oder der vorhandenen Unterlagen unter Außerachtlassung der nicht fristgerecht übermittelten Unterlagen über den Vergütungsanspruch entscheiden. Das Krankenhaus verliert somit nicht von vornherein seinen (Teil-) Vergütungsanspruch.

 

Maßgeblicher Inhalt des Urteils ist vor allem die Frage, wer die objektive Beweislast für die rechtzeitige Übermittlung der Unterlagen trägt. Dabei kommt es auf zwei Zeitpunkte an: einmal auf den Zugang der Anforderung konkret bezeichneter Unterlagen des MDK (SMD) beim Krankenhaus, ein andermal auf den Zugang der übermittelten Unterlagen beim MDK (SM D). Das BSG weist demjenigen die objektive Beweislast zu, in dessen Verantwortungssphäre der Vorgang liegt. Dies bedeutet, dass der MDK (SMD) den Zugang seiner Anforderung beim Krankenhaus  und das Krankenhaus den Zugang der übermittelten Unterlagen beim MDK (SMD) beweisen muss.

 

Das Krankenhaus sollte daher auch den Zugang der Anforderung konkret bezeichneter Unterlagen datumsmäßig erfassen und sicherstellen, dass es einen Nachweis für den Zugang seiner übermittelten Unterlagen hat.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 12.04.2022 12:25:03
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Ein im Landesvertrag nach § 112 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 SGB V vorgesehenes Aufrechnungsverbot verstößt gegen
 

 

 

 

Ein im Landesvertrag nach § 112 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 SGB V vorgesehenes Aufrechnungsverbot verstößt gegen die Regelung in § 9 PrüfvV 2014 und ist nichtig. Infolge der gesetzlichen Ergänzung in § 275 Abs. 1c SGB V durch Anfügung von Satz 4 umfasst der Anwendungsbereich der PrüfvV ab 01.01.2016 auch sachlich – rechnerische Prüfungen.

 

Die Krankenkasse ist nicht gehalten, der Auffassung des MDK zu folgen und darf auch im Rahmen von Abrechnungsprüfungen andere Erkenntnisse aus anderen Quellen verwenden.

 

- Auffälligkeitsprüfung, sachlich-rechnerische Prüfung, Einzelfallprüfung, MDK, Aufrechnungsverbot nach Landesvertrag, PrüfvV 2014 -

 

BSG, Urteil vom 10.11.2021, B 1 KR 36/20 R

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

§ 9 PrüfvV 2014 sah vor, dass ein fristgerecht mitgeteilter Erstattungsanspruch mit einem unstreitigen Leistungsanspruch aufgerechnet werden kann. Damit kollidierte die landesvertragliche Regelung in Hamburg nach § 112 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 SGB V, die in § 11 Abs. 5 ein Aufrechnungsverbot vorsah.

 

Mit dem Urteil vom 10.11.2021 räumte das BSG den bundesrechtlichen Regelungen in der PrüfvV 2014 Vorrang ein und hielt das  landesvertragliche Aufrechnungsverbot für unwirksam (nichtig).

 

Sachverhalt

 

Das Krankenhaus behandelte eine Versicherte der beklagten Krankenkasse im Jahr 2016 und rechnete u. a. die aufwändige intensivmedizinische Komplexbehandlung (OPS-Kode 8-98f.20) ab. Die Krankenkasse beglich  die gestellte Rechnung zunächst, beauftragte jedoch den MDK mit der Prüfung von Behandlungsdauer, Kodierung der Hauptdiagnose sowie der abgerechneten Prozeduren. Der MDK kam zur Auffassung, dass die DRG A36B abzurechnen sei. Das Gutachten enthält den Hinweis: „Aussagen in Gutachten zu OPS – Komplexbehandlungen beziehen sich nicht auf Strukturvorgaben eine OPS Komplexbehandlung“.

 

Anschließend rechnete die beklagte Krankenkasse einen Teilbetrag mit anderweitigen unstreitigen Forderungen des Krankenhauses auf. Es vertrat die Auffassung, das Krankenhaus erfülle nicht die Voraussetzungen des OPS-Kodes 8-98f.20. Dies hätten zwei durchgeführte „Strukturanalysen“ ergeben.

 

In der Folge berief sich das Krankenhaus auf das landesrechtlich geregelte Aufrechnungsverbot.

 

Die Vorinstanzen gaben der Klägerin Recht und verurteilten die Krankenkasse zur Zahlung. Das BSG verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück.

 

Entscheidungsgründe

 

Zunächst prüfte das BSG, ob die Aufrechnung der Krankenkasse zulässig war. Dabei setzte sie sich mit dem landesvertraglichen Aufrechnungsverbot in Hamburg auseinander und kam zu dem Schluss, dass diese Regelung nichtig ist, da sie der in § 9 PrüfvV 2014 vorgesehenen Aufrechnungsmöglichkeit widerspricht. Die Regelung der Vertragsparteien auf Bundesebene habe Vorrang. Nach § 9 Satz 1 PrüfvV 2014 ist die Krankenkasse berechtigt, mit einem nach § 8 PrüfvV 2014 fristgerecht mitgeteilten Erstattungsanspruch mit einem  unstreitigen Leistungsanspruch des Krankenhauses aufzurechnen. Diese Regelung gehe abweichenden landesvertraglichen Regelungen gemäß § 11 PrüfvV 2014 vor.

 

Des Weiteren setzte sich das BSG mit der Frage auseinander, ob sich die Krankenkasse im Rahmen des durchgeführten MDK- Prüfverfahrens auf die Strukturanalysen berufen könne. Es bejahte dies. Die Strukturanalysen, an denen das Krankenhaus freiwillig mitgewirkt habe, unterlägen keinem eigenen Prüfregime. Insoweit fänden  auch hier die Regelungen der PrüfvV 2014 Anwendung. Dies bedeutete auch, dass die Krankenkasse an die in § 8 PrüfvV vorgesehene Frist zur leistungsrechtlichen Entscheidung gebunden sei. Der Strukturvorbehalt des MDK sei irrelevant, da die Krankenkassen im Rahmen der Prüfung weder an das Begutachtungsergebnis des MDK noch an dessen Prüfungsumfang gebunden seien.

 

Da das BSG nicht feststellen konnte, ob eine fristgerechte Aufrechnungserklärung innerhalb von neun Monaten durch die Krankenkasse erfolgt sei, wies  es die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück.

 

Anmerkungen

 

Maßgeblich ist nunmehr für Patientinnen und Patienten, die ab 01.01.2022 aufgenommen worden sind, die Prüfverfahrenvereinbarung vom 22.06.2021 (PrüfvV 2022). Danach ist nur in zwei Fallkonstellationen eine Aufrechnung noch möglich: die Krankenkasse kann lediglich eine vom Krankenhaus nicht bestrittene, geeinte oder eine rechtskräftig festgestellte Erstattungsforderung mit einem unstreitigen Leistungsanspruch des Krankenhauses aufrechnen (§ 11 Abs. 4 Satz 1 PrüfvV 2022). Insoweit trägt die PrüfvV 2022  dem in § 109 Abs. 6 SGB V gesetzlich geregelten Aufrechnungsverbot Rechnung.

 

Des Weiteren sieht nunmehr die Regelung in § 275d SGB V ein eigenständiges Prüfregime für Strukturprüfungen vor. Insoweit ist eine einzelfallbezogene Prüfung nach § 275c Abs. 1 Satz 1 SGB V bezüglich der Einhaltung von Strukturmerkmalen nicht zulässig (siehe § 2 Abs. 1 Satz 3 PrüfvV 2022).

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 07.02.2022 09:55:10
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Vorrang der engen Wortauslegung – Intransparenz beim DIMDI
 

 

Vorrang der engen Wortauslegung – Intransparenz beim DIMDI      

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

wir hatten Sie bereits über die Auffassung des BSG informiert, wonach der im OPS 8-98f verwendete Begriff der Blutbank keine transfusionsmedizinische Expertise voraussetzt.

 

Darüber hinaus legt das BSG auch seine Sichtweise zur Arbeit des DIMDI offen (jetzt: BfArM). Wörtlich führt das BSG aus:

 

„Angesichts dessen, dass Entstehung und Änderung klassifikatorischer Regelungen im Bereich von ICD-10-GM und OPS bislang ein hohes Maß an Intransparenz sowohl hinsichtlich der behördeninternen Organisation des Verfahrens und seiner Beteiligten als auch der behördlichen Dokumentation aufweisen, schließt der Senat auch weiterhin die allgemeine Berücksichtigung entstehungsgeschichtlicher Umstände aus.“

 

Dem nunmehr zuständigen BfArM gibt das BSG auf, Klassifikationen so präzise zu formulieren, dass ihre Bedeutung für den jeweiligen Fachkreis ohne Weiteres ersichtlich ist. Solange es daran fehlt und sich kein eindeutiges fachliches Verständnis des verwendeten Wortes ermitteln lässt, ist der Begriffskern des Wortes maßgeblich, wie er sich nach allgemeinem Sprachgebrauch ergibt. Dies gebietet der Vorrang der engen Wortauslegung (so wörtlich: BSG, Urteil vom 16.08.2021, B 1 KR 11/21 R, juris Rdz. 16, 17).

 

Bei dieser Gelegenheit möchte ich nicht versäumen, Ihnen entspannte Feiertage und ein erfolgreiches, vor allem gesundes neues Jahr zu wünschen.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 23.12.2021 09:38:16
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Startpunkt für die Strafzahlung nach § 275c Abs. 3 SGB V

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

nach wie vor ist umstritten, welcher Anknüpfungszeitpunkt für die Strafzahlungen gilt. Das BMG hat sich jüngst mit Stellungnahmen vom 13.10. und 24.11.2021 hierzu geäußert. Danach sei Anknüpfungszeitpunkt für die Pflicht zur Zahlung eines Aufschlages (Strafzahlung) die ab dem 01.01.2022 ergangene leistungsrechtliche Entscheidung der Krankenkasse, die zu einer Minderung des Rechnungsbetrages führt. Dies hätte zur Folge, dass auch Alt-Rechnungen, die vor dem 01.01.2022 gestellt wurden und für die eine Prüfung veranlasst wurde, eine Strafzahlung auslösen könnten.

 

Nachfolgend wird die Stellungnahme des BMG als kritisch bewertet. Ich komme zu dem Schluss, dass Strafzahlungen nur in Betracht kommen, wenn die MD-Prüfung von der Krankenkasse nach dem 01.01.2022 eingeleitet wurde. Die diesbezügliche rechtliche Stellungnahme bitte ich den nachfolgenden Ausführungen zu entnehmen.

 

§ 275c Abs. 3 SGB V stellt einen  untrennbaren Sach- Zusammenhang zwischen der Prüfquote und dem Aufschlag (Strafzahlung) her. Der Gesetzgeber stellt hierbei auf das Jahr 2022 ab (ab dem Jahr 2022…)

 

Der untrennbare Sachzusammenhang ergibt sich unmittelbar aus § 275c Abs. 3 Satz 1 SGB V. Dort wird im Zusammenhang mit den Strafzahlungen auf einen Anteil unbeanstandeter  Abrechnungen unterhalb von 60 % abgestellt. Diese Regelung ist Folge aus der Einführung der quartalsbezogenen, gestaffelten Prüfquoten. Die quartalsbezogenen Prüfquoten mit unterschiedlichen Prozentsätzen gelten erst ab 01.01.2022, wie sich aus § 275c Abs. 2 Satz 2 SGB V entnehmen lässt. Den engen Zusammenhang zwischen der zulässigen Prüfquote und der Höhe des Aufschlags (Strafzahlung) stellt noch einmal § 275c Abs. 4 Satz 3 Nr. 3 SGB V heraus: In einem Atemzug wird die zulässige Prüfquote nach Abs. 2 und die Höhe des Aufschlags (Strafzahlung) nach Abs. 3 genannt. Die quartalsbezogenen, gestaffelten Prüfquoten und die korrespondierenden Strafzahlungen gelten erstmalig ab dem Jahr 2022 (§ 275c Abs. 2 Satz 2 SGB V), vorher bestand eine feste Prüfquote ohne Strafzahlungen.

Des Weiteren bestimmt § 275c Abs. 2 Satz 3 SGB V, dass die Zuordnung einer Prüfung zu einem Quartal und zu der maßgeblichen quartalsbezogenen Prüfquote sich nach dem Datum der Einleitung der Prüfung richtet.

 

Entgegen der Auffassung des BMG (Schreiben vom 24.11.2021) kommt es nicht auf die leistungsrechtliche Entscheidung der Krankenkasse an. § 275c Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB V nimmt bezüglich der Höhe des Aufschlags auf das erst ab 01.01.2022 geltende quartalsbezogene, gestaffelte Prüfungssystem und die Beanstandung durch den MD Bezug.

 

Dabei geht das BMG fehl in seiner Auffassung, dass das Krankenhaus erst mit der leistungsrechtlichen Entscheidung der Krankenkasse über die Abrechnungsminderung Kenntnis erlangt. Erst recht kann nicht davon gesprochen werden, dass die Beanstandung des MD erst mit der leistungsrechtlichen Entscheidung der Krankenkasse über die Abrechnungsminderung gegenüber dem Krankenhaus wirksam werde.

 

Dies verkennt die durch das MDK-Reformgesetz eingeführte unabhängige Stellung des MD als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Dieser entscheidet autark über die nach seiner Auffassung vorliegende Beanstandung der Rechnung.

 

Des Weiteren soll auch die quartalsbezogene Prüfquote nach der Gesetzeslage (§ 275c Abs. 1 Satz 4 SGB V) „auf der Grundlage der Prüfergebnisse“ ermittelt werden. Dabei sind ausschließlich relevant für die Höhe der Prüfquote der Anteil unbeanstandeter Abrechnungen „durch den Medizinischen Dienst“. Dieser Bezug ist durchgängig für alle Prüfquoten in § 275c Abs. 1 Satz 4 Nr. 1-3 SGB V normiert. In Abhängigkeit davon ergibt sich die Höhe der Strafzahlung.

 

Auch der weitere Ansatz des BMG, dass das Krankenhaus erst durch die leistungsrechtliche Entscheidung der Krankenkasse Kenntnis über die Beanstandung des MD erhält, ist nicht überzeugend. § 277 Abs. 1 SGB V enthält eine Verpflichtung des MD, den sonstigen Leistungserbringern (hier: Krankenhaus) das Ergebnis der Begutachtung mitzuteilen. Dem korrespondiert ein Anspruch des Krankenhauses, vom MD das Ergebnis der Begutachtung zu erfahren. Der MD  ist auch befugt, die erforderlichen Angaben über den Befund mitzuteilen. Somit liegt das BMG in seiner Annahme falsch, das Krankenhaus könne erst durch die leistungsrechtliche Entscheidung der Krankenkasse über das Ergebnis der Prüfung in Kenntnis gesetzt werden.

 

Letztendlich geht es auch nicht um Vertrauensschutz der Krankenhäuser, sondern um die Anwendung gesetzlicher Regelungen.

 

Aufgrund des dargelegten untrennbaren Sach-Zusammenhangs zwischen gestaffelter Prüfquoten und entsprechenden Aufschlägen (Strafzahlung) kommt es daher für die Anwendung der Strafzahlung auf den Zeitpunkt der Einleitung der Prüfung an.

 

Wurde die Prüfung daher vor dem 1.1.2022 eingeleitet, kommt die Strafzahlung nicht zur Anwendung.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 22.12.2021 12:26:56
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Abschied von der Rahmenplanung? § 8 Abs. 2 KHG verlangt von der Krankenhausplanungsbehörde, dass eine Gegenüberstellung des Versorgungsangebots des Krankenhauses
 

 

Abschied von der Rahmenplanung?

§ 8 Abs.  2 KHG verlangt von der Krankenhausplanungsbehörde, dass eine Gegenüberstellung des Versorgungsangebots des Krankenhauses mit dem diesbezüglichen konkreten Versorgungsbedarf vorgenommen wird. Dies gilt auch, wenn der Krankenhausplan nur fachgebietsübergreifende Gesamtbettenzahlen ausweist. Ist auf dieser Grundlage eine Auswahlentscheidung nicht möglich, wäre die Rahmenplanung mit den Regelungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes unvereinbar.

BVerwG, Urteil vom 11.11.2021, 3 C 6.20

Anspruch auf Planaufnahme, Rahmenplanung, fachgebietsübergreifende Gesamtbettenzahlen, Auswahlentscheidung

Sehr geehrte Damen und Herren,

in einer interessanten Grundsatzentscheidung hat sich das Bundesverwaltungsgericht mit der Frage befasst, ob ein Krankenhaus einen Anspruch auf Planaufnahme hat, wenn die Planungsbehörde nur Gesamtbettenzahlen ausweist. Dies hat es vorliegend verneint.

Sachverhalt

Vorliegend geht es um den Krankenhausplan des Freistaates Sachsen. Der Krankenhausplan sah lediglich die Ausweisung von Gesamtbettenzahlen vor, nicht aber die Bettenzahl  je Fachgebiet oder Fachabteilung.

Das klagende Fachkrankenhaus begehrte die Aufnahme in den Krankenhausplan mit der Fachabteilung Geriatrie und 32 Planbetten. Diesen Antrag lehnte die Landesplanungsbehörde ab.

Die Vorinstanzen gaben dem Antrag des Fachkrankenhauses statt. Das OVG hielt es angesichts der bloßen Ausweisung von Krankenhaus – Gesamtbetten für rechtlich nicht möglich, eine Auswahlentscheidung zu treffen. Da es in Sachsen keine Festlegung von Planbetten je Fachabteilung gebe, könnten erforderliche Bettenreduzierungen in anderen Krankenhäusern im Rahmen eine Auswahlentscheidung nicht vorgenommen werden. Die Unmöglichkeit eine Auswahlentscheidung führe zu einem Planaufnahmeanspruch.

Entscheidungsgründe

Das Bundesverwaltungsgericht verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurück.

Es geht davon aus, dass die Planungsbehörde eine Gegenüberstellung des Versorgungsangebots des Krankenhauses mit dem diesbezüglichen konkreten Versorgungsbedarf vorzunehmen hat. Betrifft das Versorgungsangebot einen Bedarf, der von anderen Krankenhäusern nicht befriedigt wird, ist das Krankenhaus, wenn die übrigen Voraussetzungen vorliegen, in den Krankenhausplan aufzunehmen. Ist das Angebot größer als der Bedarf, hat die Krankhausplanungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen eine Auswahlentscheidung zu treffen.

Sollte die – noch nicht ausreichend festgestellte – Annahme des OVG zutreffen, dass auf der Grundlage der Rahmenplanung keine Auswahlentscheidung möglich sei, stünde die Rahmenplanung nicht in Einklang mit § 8 Abs.  2 KHG. Dies führe allerdings nicht zum Anspruch auf Planaufnahme.

Anmerkungen

Das Bundesverwaltungsgericht führt auch bei einer Rahmenplanung seine Rechtsprechung zur Krankenhausplanung fort. Bei der Entscheidung der Krankenhausplanungsbehörde sei – wie bisher auch – der konkrete Versorgungsbedarf zu ermitteln und dem Angebot gegenüber zu stellen. Neu ist, dass dieses Erfordernis auch für eine weite Rahmenplanung Anwendung findet, die gerade keine fachgebietsbezogenen Betten ausweist. Insoweit wird es schwierig sein, die vom BVerwG für erforderlich gehaltene Vergleichsbetrachtung zwischen konkretem Versorgungsbedarf und Bedarfsdeckung durchzuführen. Sollte dies tatsächlich für eine Planungsbehörde nicht möglich sein, geht das BVerwG bereits jetzt davon aus, dass dann die Krankenhausplanung mit den Regelungen des Krankenhausfinanzierungsgesetzes nicht vereinbar wäre.

Dieser deutliche Hinweis des BVerwG könnte den Abschied von einer Rahmenplanung einläuten.

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 03.12.2021 11:17:33
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Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 bis 4 PrüfvV 2014 hat der Medizinische Dienst der Krankenversicherung die Aufgabe, die prüfungsrelevante Unterlagenauswahl selbst durch konkrete Bezeichnungen einzugrenzen.
 

 

Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 bis 4 PrüfvV 2014 hat der Medizinische Dienst der Krankenversicherung die Aufgabe, die prüfungsrelevante Unterlagenauswahl selbst durch konkrete Bezeichnungen einzugrenzen. Nach dieser Regelung in der PrüfvV 2014 muss das Krankenhaus nicht von sich aus weitere Unterlagen übermitteln, die für die Stützung seines Vergütungsanspruches relevant sein können (anders nach der PrüfvV 2016).

 

BSG, Urteil vom 10.11.2021, B 1 KR 22/21 R

 

- Medizinischer Dienst, Unterlagenanforderung, materielle Präklusionswirkung, PrüfvV 2014 -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

in mehreren Entscheidungen hat sich das BSG mit der Unterlagenanforderung des MDK (jetzt MD) und der materiellen Präklusionswirkung nach der Prüfverfahrensvereinbarung befasst.

 

Das BSG sieht eine konkrete Bezeichnungspflicht des MDK hinsichtlich der angeforderten Unterlagen zur Überprüfung von Abrechnungen auf der Grundlage der PrüfvV 2014. Das Krankenhaus muss nicht von sich aus ergänzende nicht angeforderte Unterlagen an den MDK übersenden.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelte einen Versicherten der beklagten Krankenkasse vom 16.2. bis 25.5.2016 stationär und rechnete hierfür insgesamt 22.867,36 Euro auf Grundlage pauschalierter Entgelte für Psychiatrie und Psychosomatik ab. Die Krankenkasse zahlte diesen Betrag zunächst vollständig, leitete anschließend jedoch eine Prüfung durch den MDK ein.

 

Sie beauftragte den MDK mit der Prüfung der Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung für die gesamte Dauer. Der MDK forderte beim Krankenhaus mit Schreiben vom 14.06.2016 verschiedene medizinische Unterlagen an (u. a. körperlicher/psychischer Untersuchungsbefund bei Aufnahme; Anamnese, Aufnahmebefund, Assessments). Das Schreiben enthielt weiter die Aufforderung:

 

"Sollten Sie bei der Durchsicht Ihrer Unterlagen feststellen, dass die angeforderten Unterlagen die für die Begutachtung notwendigen Informationen nicht oder nicht vollständig enthalten, so fügen Sie bitte alle Dokumente bei, die zur Klärung der Frage beitragen können".

 

Das Krankenhaus übersandte daraufhin innerhalb der Frist von vier Wochen die konkret angeforderten Unterlagen. Nicht darunter war der Bericht des psychiatrischen Vorbehandlers und einweisenden Arztes.

 

Der MDK kam nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen zu dem Ergebnis, dass eine ambulante Weiterbehandlung indiziert gewesen wäre. Die Krankenkasse verrechnete daraufhin den zunächst beglichenen Rechnungsbetrag vollständig mit anderweitigen unstreitigen Vergütungsforderungen des Krankenhauses.

 

Im Gerichtsverfahren hat das SG die Patientenakte beigezogen und ein Sachverständigengutachten eingeholt, das die Notwendigkeit der stationären Behandlung bestätigt hat. Die Krankenkasse hat ein weiteres MDK-Gutachten vorgelegt, nach dem die Notwendigkeit der stationären Behandlung auf Grundlage des jetzt vorliegenden Schreibens des einweisenden Arztes in vollem Umfang plausibel sei.

 

Das SG hat die Krankenkasse zur Zahlung verurteilt. Das LSG hat die Berufung der KK zurückgewiesen: Dem Krankenhaus stehe der strittige Vergütungsanspruch zu, da die stationäre Behandlung vom 16.2. bis 25.5.2016 erforderlich gewesen sei. Der Senat stützte sich insoweit auf das Sachverständigengutachten aus dem SG-Verfahren und das bestätigende Gutachten des MDK. Der Vergütungsanspruch sei nicht nach § 7 Abs. 2 PrüfvV 2014 ausgeschlossen. Denn das Krankenhaus habe die angeforderten Unterlagen vollständig und fristgerecht vorgelegt. Der ergänzende Bericht des einweisenden Psychiaters gehöre nicht dazu.

 

Hiergegen legte die Krankenkasse Revision beim BSG ein.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Revision der Krankenkasse hatte keinen Erfolg.

 

Das BSG vertritt die Auffassung, dass sich das LSG auf das vom SG eingeholten Sachverständigengutachten und das anschließend vorgelegte MDK-Gutachten stützen durfte.

 

Ausgangspunkt für das BSG ist die Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 2-4 PrüfvV 2014. Diese Vorschrift regelt die Anforderung von Unterlagen und enthält eine materielle Präklusionswirkung für nicht fristgerechte Übermittlungen von Unterlagen durch das Krankenhaus.

 

Hierbei geht das BSG davon aus, dass konkret bezeichnete Unterlagen, die der MDK im Rahmen eines ordnungsgemäßen Prüfverfahrens angefordert, das Krankenhaus aber nicht innerhalb der Frist von vier Wochen vorgelegt hat, in einem späteren Gerichtsverfahren nicht mehr zur Begründung des Vergütungsanspruchs berücksichtigt werden dürfen. Das Krankenhaus müsse aber nicht von sich aus weitere Unterlagen übermitteln, die für die Stützung seines Vergütungsanspruchs relevant sein könnten.

 

Die PrüfvV 2014 enthalte hierfür, anders als die PrüfvV 2016, keine Regelungen. Es sei daher die Aufgabe des MDK, die prüfungsrelevanten Begründungselemente durch die Unterlagenauswahl selbst einzugrenzen. Welche Unterlagen unter die konkrete Bezeichnung fielen, müsse nach den Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen ermittelt werden.

 

Nach diesen Maßstäben gehörte das Schreiben des einweisenden Arztes nicht zu den angeforderten Unterlagen.

 

Anmerkung

 

Das Urteil des BSG scheint auf den ersten Blick die Krankenhäuser zu stärken. Durch die konkrete Bezeichnungspflicht wird die Bündelung des Streitstoffes für die Überprüfung der Abrechnungen und damit deren beschleunigter Abschluss gefördert.

 

Diese Rechtsprechung bezieht sich aber nur auf Fälle, die noch unter die PrüfvV 2014 fallen. Das BSG hat deutlich erklärt, dass die PrüfvV 2014 diesbezüglich – anders als die PrüfvV 2016 – keine entsprechende Mitwirkungsobliegenheit des Krankenhauses zur Übersendung weiterer Unterlagen vorsieht (s. auch BSG, Urteil vom 10.11.2021 – B 1 KR 16/21 R – Newsletter).

 

Inzwischen wurde die entsprechende Vorschrift in § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV 2022 als Soll-Vorschrift konzipiert und lautet nunmehr:

 

„Dabei soll sowohl der MD die angeforderten Unterlagen konkret benennen als auch das Krankenhaus die aus seiner Sicht zur Erfüllung des konkreten Prüfauftrages erforderlichen Unterlagen ergänzen.“

 

Somit trägt schlussendlich das Krankenhaus die Verantwortung für die vollständige Vorlage von Unterlagen, wenn es nicht das Risiko einer materiellen Präklusion eingehen will.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 30.11.2021 10:36:26
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Die künftige Strafzahlung (Aufschlag) nach § 275 c Abs. 3 Satz 1 SGB V wird durch Bescheid der jeweiligen Krankenkasse in Abhängigkeit von der festgelegten Prüfquote gegenüber dem Krankenhaus festgesetzt.
 

 

Die künftige Strafzahlung (Aufschlag) nach § 275 c Abs. 3 Satz 1 SGB V wird durch Bescheid der jeweiligen Krankenkasse in Abhängigkeit von der festgelegten Prüfquote gegenüber dem Krankenhaus festgesetzt. Rechtsbehelfe sind Widerspruch und Klage.

 

Sehr geehrte Damen Herren,

 

haben Sie sich auch schon einmal überlegt, wie die Krankenkassen künftig an die festgelegte Strafzahlung (im Gesetz vornehm genannt: Aufschlag) kommen?

 

Ein Blick ins Gesetz führt zur Erkenntnis, dass die jeweiligen Strafzahlungen durch Bescheid der Krankenkasse festgesetzt werden sollen. So heißt es in § 275 c Abs. 5 Satz 1 SGB V „Widerspruch und Klage gegen die Geltendmachung des Aufschlags nach Abs. 3 …. haben keine aufschiebende Wirkung“. Also geht der Gesetzgeber davon aus, dass die jeweilige Krankenkasse gegenüber dem Krankenhaus einen Leistungsbescheid auf Strafzahlung erlässt. Insoweit tritt die Krankenkasse als Behörde auf.

 

Die Sache wird jedoch kompliziert: Eine Strafzahlung ist nur dann berechtigt, wenn die Rechnungsprüfung des MD zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt. Hält das Krankenhaus die Minderung nicht für gerechtfertigt und wehrt sich gegen eine Rückzahlungsverpflichtung gegenüber der Krankenkasse, darf die Krankenkasse nach § 109 Abs. 6 Satz 1 SGB V nicht aufrechnen, sondern muss den Klageweg beschreiten. Wird die Klage der Krankenkasse abgewiesen, entfällt auch die Berechtigung für die Strafzahlung.

 

Bei dieser Fallkonstellation hat das Krankenhaus es letztlich mit 2 Klagen zu tun: Es muss sich mit Widerspruch und Klage fristgerecht zunächst gegen die Festsetzung der Strafzahlung wehren, auf der anderen Seite muss die Krankenkasse ihren öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch auf dem Klagewege geltend machen.

 

Es kann aber noch eine dritte Klage hinzukommen: Geht man davon aus, dass das Aufrechnungsverbot nach § 109 Abs. 6 Satz 1 SGB V nur für die Krankenhausvergütungen selbst gilt, könnte die Krankenkasse auf die Idee kommen, die festgesetzte Strafzahlung mit anderen unstreitigen Forderungen aufzurechnen. § 387 BGB (Aufrechnung) steht auch Behörden zur Verfügung. Dann müsste wiederum das Krankenhaus – innerhalb der bestehenden Verjährungsfrist von zwei Jahren – seine Vergütungsansprüche wiederum auf dem Klageweg geltend machen.

 

Eine äußerst kuriose Situation, wonach ein streitiger Abrechnungsfall drei verschiedene Klagen auslösen könnte.

 

Wer hatte sich das wohl ausgedacht?

 

 Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 25.11.2021 11:30:46
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Nach § 7 Abs. 2 Satz 3 bis 5 PrüfvV 2016 hat das Krankenhaus die Obliegenheitspflicht, die aus seiner Sicht zur Erfüllung des konkreten Prüfauftrags erforderlichen Unterlagen zu ergänzen
 

 

Nach § 7 Abs. 2 Satz 3 bis 5 PrüfvV 2016 hat das Krankenhaus die Obliegenheitspflicht, die aus seiner Sicht zur Erfüllung des konkreten Prüfauftrags erforderlichen Unterlagen zu ergänzen. An diese Obliegenheit dürfen jedoch keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden.

 

BSG, Urteil vom 10.11.2021, B 1 KR 16/21 R

 

- Medizinischer Dienst, Unterlagenanforderung, materielle Präklusionswirkung, PrüfvV 2016 -

 

Sehr geehrte Damen Herren,

 

in mehreren Entscheidungen hat sich das BSG mit der Unterlagenanforderung des MDK (jetzt MD) und der materiellen Präklusionswirkung nach der Prüfverfahrensvereinbarung befasst.

 

Erstmals betont das BSG die Obliegenheit des Krankenhauses, ggf. ergänzende Unterlagen dem MDK vorzulegen.

 

Sachverhalt

 

Ein Patient wurde vom 07. bis 08.12.2017 wegen seit Monaten zunehmenden Cephalgien (Kopfschmerzen) im Krankenhaus stationär behandelt. Der Patient war von der Hausärztin eingewiesen worden. Das Krankenhaus führte eine Kernspintomographie durch; gegen ärztlichen Rat verließ der Patient das Krankenhaus am 08.12.2017.

 

Die beklagte Krankenkasse beauftragte den MDK mit der Überprüfung der Notwendigkeit der stationären Behandlung. Der MDK hat das Krankenhaus um Übersendung „sämtlicher prüfungsrelevanter Unterlagen gemäß § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2016, mindestens jedoch um Übersendung der folgenden Unterlagen: Arztbrief(e), prüfrelevante Prozedurenunterlagen, Fieberkurve(n), Pflegedokumentation sowie Verlaufsdokumentation aller Berufsgruppen, Aufnahmedokumentation“ gebeten.

 

Das Krankenhaus übersandte dem MDK alle angeforderten Unterlagen, nicht jedoch die vertragsärztliche Krankenhauseinweisung. Der MDK kam zur Auffassung, die medizinische Notwendigkeit zur Aufnahme des Patienten zur stationären Behandlung sei nicht gegeben.

 

Im Rahmen des Sozialgerichtsverfahrens hat sich der MDK die komplette Krankenhausakte angesehen und kam aufgrund der Einweisung der Hausärztin, die die Dynamik der Beschwerden und den Verdacht eines raumfordernden Prozesses beschrieb und damit die Notwendigkeit einer stationären Überwachung und raschen Diagnostik sah, zur Auffassung, die stationäre Aufnahme des Patienten sei medizinisch erforderlich gewesen.

 

Das SG und das LSG verurteilten die beklagte Krankenkasse zur Zahlung. Das  LSG vertrat dabei die Auffassung, § 7 Abs. 2 PrüfvV 2016 enthalte keine materiell rechtliche Ausschlussfrist. Im Übrigen würde sich eine materiell rechtliche Ausschlussfrist nicht auf Unterlagen erstrecken, die vom MDK nicht ausdrücklich angefordert worden seien. Dies beträfe die Einweisung der Hausärztin ins Krankenhaus, die nicht konkret angefordert worden sei.

 

Hiergegen legte die Krankenkasse Revision beim BSG ein.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG wies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück.

 

Ausgangspunkt für das BSG ist die Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 4-9 PrüfvV 2016. Diese Vorschrift enthalte eine materielle Präklusionswirkung. Die Voraussetzungen der Präklusion nahm das BSG hinsichtlich der Krankenhauseinweisung der Hausärztin an.

 

Dabei geht das BSG davon aus, dass dem Krankenhaus die Obliegenheit zukommt, die aus seiner Sicht zur Erfüllung des konkreten Prüfauftrags des MDK erforderlichen Unterlagen zu ergänzen und dem MDK vorzulegen. Allerdings dürften an diese Obliegenheitspflicht nicht übersteigerte Anforderungen gestellt werden.

 

Die Relevanz der Krankenhauseinweisung hätte das Krankenhaus für die Prüfung durch den MDK erkennen müssen. Das LSG hätte daher im Rahmen seines Urteils die Krankenhauseinweisung nicht berücksichtigen dürfen.

 

Anmerkung

 

Das Urteil des BSG überrascht, da man bisher davon ausgehen konnte, dass dem Krankenhaus lediglich die Möglichkeit eingeräumt wurde, ergänzende Unterlagen dem MDK zur Verfügung zu stellen – ohne dass dies als Obliegenheitspflicht angesehen werden musste.

 

Nunmehr geht das BSG von einer Mitwirkungsobliegenheit des Krankenhauses aus. Dabei unterscheidet es zwei Fallgestaltungen:

 

Bei einem umfassenden Prüfauftrag im Sinne einer sog. Vollprüfung sei für das Krankenhaus schwer abzuschätzen, welche Unterlagen prüfrelevant sein könnten. Zum Ausschluss einer Präklusion müsste dann das Krankenhaus sämtliche Behandlungsunterlagen übersenden; dies widerspreche jedoch dem Ziel eines „effizienten und schlanken Prüfverfahrens“.

 

Bei Prüfaufträgen, die sich punktuell auf einzelne konkrete Fragestellungen beschränken, könnte vom Krankenhaus erwartet werden, dass er eine genauere Durchsicht der in Betracht zu ziehenden Unterlagen vornimmt und ergänzende Unterlagen dem MDK zur Verfügung stellt.

 

Damit wird sich künftig die Auseinandersetzung mit der Krankenkasse auch auf die Frage beziehen, ob eine Vollprüfung erfolgte oder nur einzelne Fragestellungen Gegenstand des Prüfauftrags waren. Letztendlich wird doch die Verantwortung für die weitere Vorlage von Unterlagen auf das Krankenhaus abgewälzt, wenn es nicht das Risiko einer materiellen Präklusion in Kauf nehmen möchte.

 

§ 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV 2016 lautet:

 

„Dabei kann sowohl der MDK die angeforderten Unterlagen konkret benennen als auch das Krankenhaus die aus seiner Sicht zur Erfüllung des konkreten Prüfauftrages erforderlichen Unterlagen ergänzen.“

 

Auch für die PrüfvV 2022 könnte die vorgenannte Entscheidung des BSG relevant werden. In § 7 Abs. 2 Satz 6 PrüfvV 2022 heißt es:

 

„Die vom MD angeforderten und gegebenenfalls vom Krankenhaus ergänzten Unterlagen müssen dem MD innerhalb der Frist des Satzes 5 zugegangen sein“.

 

Auch aus dieser Formulierung könnte das BSG folgern, dass aufgrund der Fristsetzung dem Krankenhaus eine Obliegenheitspflicht zukommt. Um diesem Risiko zu begegnen, sollten daher im Zweifel dem MD zusätzliche Unterlagen zur Verfügung gestellt werden oder zumindest rechtzeitig angefragt werden, ob der MD zur Erfüllung des Prüfauftrages weitere Unterlagen benötigt.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 23.11.2021 16:11:23
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Krankenhausfinanzierungsrecht aktuell - kurz und prägnant -
 

 

Krankenhausfinanzierungsrecht aktuell

 

- kurz und prägnant -

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

bekanntlich sind es nur noch wenige Wochen bis die quartalsbezogene Prüfquote, insbesondere aber auch die damit verbundenen Strafzahlung Anwendung findet.

 

Bereits jetzt zeichnet sich jedoch ein Grundsatzstreit zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern ab.

 

Die Besprechung ist auch als Video „Krankenhausfinanzierungsrecht aktuell - kurz und prägnant“ aufrufbar: https://youtu.be/YydhPFMBhbw

 

So geht der GKV-Spitzenverband davon aus, dass die Strafzahlungen auch für Patient:innen gelten, die vor dem 01.01.2022 aufgenommen wurden.

 

In dieser allgemeinen Form ist dies jedoch nicht richtig.

 

So einfach und apodiktisch wie der GKV-Spitzenverband es meint, ist die Rechtslage nicht.

 

Zunächst wird für jedes Krankenhaus eine Prüfquote für das 1. Quartal 2022 festgelegt. Nur in diesem Rahmen darf die Krankenkasse Prüfungen durch den MD einleiten. Es kommt also auf die Einleitung der Prüfung, sprich: die Beauftragung des MD an.

 

Warum stelle ich das voran: Weil nach § 275c SGB V ein engster Zusammenhang zwischen der Strafzahlung und der Prüfquote besteht. So verweist § 275c Abs. 3 Satz 2 SGB V ausdrücklich auf die Prüfquoten – und der Eingangssatz lautet:

 

Ab dem Jahr 2022…“

 

Für die Strafzahlungen kommt es daher darauf an, wann die Prüfung von der Krankenkasse eingeleitet wurde. Geschah dies vor dem 01.01.2022, wird keine Strafzahlung fällig. Erst mit der Prüfungseinleitung ab 01.01.2022 kann eine Strafzahlung angesetzt werden, wenn der MD die Rechnung beanstandet. Insoweit kommt es daher auf das  Prüfergebnis des MD an, das natürlich auch erst ab 01.01.2022 relevant sein kann.

 

Aufgrund des GKV-Rundbriefes an die Krankenkassen ist zu befürchten, dass die Krankenkassen flächendeckend Strafzahlungen verlangen, auch wenn dies Fälle betrifft, deren Prüfungseinleitung vor dem 01.01.2022 erfolgte.

 

Nehmen Sie in diesem Fall die Strafzahlungen nicht an und wehren Sie sich dagegen.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 22.11.2021 10:01:07
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Eine Blutbank dient der Vorhaltung und Ausgabe von Blutkonserven. Einer transfusionsmedizinischen Expertise bedarf es nicht
 

 

Eine Blutbank dient der Vorhaltung und Ausgabe von Blutkonserven. Einer transfusionsmedizinischen Expertise bedarf es nicht.

BSG, Urteil vom 16.08.2021 B 1 KR 11/21

- Blutbank, OPS-Kode 8-98f (2016), Wortgetreue Auslegung, Allgemeiner Sprachgebrauch -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

in seinem jüngsten Urteil vom 16.08.2021 kommt das BSG zur Auffassung, dass eine Blutbank eine Blutbank ist. Der extensiven Interpretation der Kostenträger und des MDK, die über den Wortlaut hinaus eine transfusionsmedizinische Expertise verlangten, schob das BSG einen Riegel vor.

Sachverhalt

Die klagende Krankenhausträgerin behandelte einen Patienten intensivmedizinisch und rechnete hierfür die DRG A13F ab. Die beklagte Krankenkasse zahlte zunächst, verrechnete jedoch anschließend Den klageweise geltend gemachten Betrag mit anderen unstreitigen Rechnungen. Sie vertrat die Auffassung, das Krankenhaus halte keine Blutbank im Sinne des OPS 8-98f vor. Demgegenüber vertrat die Krankenhausträgerin die Auffassung, hierfür reiche die Vorratshaltung von Blutkonserven aus.

Entscheidung

Wie die Vorinstanzen ging das BSG davon aus, dass der Begriff Blutbank erfüllt sei.

Eine eigenständige Begriffsdefinition enthalte der diesbezügliche OPS-Kode nicht. Es komme daher auf den allgemeinen Sprachgebrauch an, dabei sei auf den engen Wortlaut abzustellen. Somit bedürfe es keiner transfusionsmedizinischen Expertise.

Anmerkung

Die Kostenträger und der MD neigen dazu, OPS-Kodes eigenständig in ihrem Interesse auszulegen. Jüngstes Beispiel ist der Begutachtungsleitfaden des MDS für Strukturprüfungen, der Strukturmerkmalbewertungen (SMB) enthält. Diese wurden in der Version vom 20.08.2021 nunmehr unter Vorbehalt gestellt.

Das BSG hat in dem vorliegenden Fall noch einmal seiner Sichtweise zum Ausdruck verholfen, wonach OPS-Kodes streng an ihrem Wortlaut orientiert anzuwenden sind.

Relevant ist die Entscheidung bezüglich der Blutbank letztmalig für den OPS-Kode 8-98f in der Version 2017.

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 09.09.2021 10:40:01
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Vorsicht Verjährung!
 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

für  Vergütungsansprüche der Krankenhäuser aus dem Jahr 2017 gilt die vierjährige Verjährungsfrist. Diese verjähren zum 31.12.2021.

 

Für Vergütungsansprüche der Krankenhäuser und öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche der gesetzlichen Krankenkassen gilt seit dem 01.01.2019 die verkürzte Verjährungsfrist von zwei Jahren (§ 109 Abs. 5 Satz 1 SGB V i.d.F. PpSG). Dies bedeutet, dass Krankenhäuser Vergütungsansprüche aus dem Jahr 2019 ebenfalls nur bis zum 31.12.2021 geltend machen können.  Dies gilt auch  für Krankenhausbehandlungskosten aus dem Jahr 2018, die zunächst  bezahlt und im Jahr 2019 von den Krankenkassen nachträglich verrechnet  wurden.

 

Aus anwaltlicher Vorsicht wollte ich Sie darauf rechtzeitig hinweisen. Am 01.01.2022 wäre die Klageerhebung für Forderungen aus 2017 und 2019 verspätet.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 07.09.2021 11:14:28
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Präklusionswirkung von § 7 Abs. 5 PrüfvV 2014/2016
 

 

§ 7 Abs. 5 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) in der Version 2014 und 2016 enthält eine materielle Präklusionsregelung. Danach ist die Änderung des nach § 301 SGB V an die Krankenkasse übermittelten Datensatzes grundsätzlich unzulässig. Dies beschränkt sich auf Daten, die Gegenstand des konkreten MDK-Prüfverfahrens gewesen sind. Die dort vorgesehene materielle Präklusionsregelung schließt dagegen Datenänderungen nicht aus, die die nicht vom Prüfgegenstand erfassten Teilen des Datensatzes betreffen. Mit nicht nach § 7 Abs. 5 PrüfvV präkludierten Daten kann der Vergütungsanspruch innerhalb der Grenzen von Verwirkung und Verjährung weiterhin erfolgreich durchgesetzt werden.

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Auslegung der Regelung in § 7 Abs. 5 PrüfvV in der Version 2014 und 2016 ist zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen stark umstritten. Grundsätzlich haben sich die Krankenkassen darauf berufen, dass § 7 Abs. 5 PrüfvV Nachforderungen ausschließt, wenn die vorgesehene 5-Monats-Frist abgelaufen ist. Das BSG hat nunmehr in 3 Verfahren eine vermittelnde Rolle vorgenommen. Auf der einen Seite geht es von einer materiellen Präklusionsregelung aus, auf der anderen Seite beschränkt es die Präklusionswirkung auf die Daten, die Prüfgegenstand des konkreten MDK-Prüfverfahrens gewesen sind.

 

Die Besprechung ist auch als Video „BSG Aktuell kurz und prägnant“ aufrufbar: https://youtu.be/UuP84NlL7qw

 

Sachverhalt

 

Bei der ersten Fallkonstellation rechnete das Krankenhaus die DRG F12G ab (Grundlage: OPS 5-377.2). Die Krankenkasse beauftragte den MDK mit der Überprüfung, ob das Überschreiten der unteren Grenzverweildauer medizinisch begründet sei. Anschließend änderte das Krankenhaus seine ursprüngliche Abrechnung auf der Grundlage der DRG F01G (Grundlage: OPS 5-377.50).

 

Bei der zweiten Fallgestaltung berechnete das Krankenhaus die DRG X05B (Grundlage: Hauptdiagnose ICD-10-GM T14.1). Die Krankenkasse beauftragte den MDK mit der Prüfung, ob das Überschreiten der oberen Grenzverweildauer medizinisch begründet und die Hauptdiagnose korrekt kodiert worden sei. Der MDK sah die Hauptdiagnose T79.3 für gerechtfertigt. Daraus folge die DRG T01C, wodurch ein Überschreiten der oberen Grenzverweildauer nicht mehr vorliege. Daraufhin änderte das Krankenhaus seine Schlussrechnung in Umsetzung der MDK-Prüfung und forderte die zusätzliche Zahlung eines Betrages in Höhe von rund 2.500,00 €.

 

Im dritten Fall berechnete das Krankenhaus die DRG B04D (Grundlage: OPS 9-200.6). Die Krankenkasse beauftragte den MDK mit der Prüfung der Erforderlichkeit der Überschreitung der oberen Grenzverweildauer und des OPS-Kodes 9-200.6. Der MDK kam zur Auffassung, dass der OPS 9-200.5 zu kodieren sei. Daraufhin änderte das Krankenhaus seine ursprüngliche Abrechnung, kodierte neben dem OPS 9.200.5 zusätzlich bislang nicht kodierte Nebendiagnosen und berechnete auf der Grundlage der DRG B04B nunmehr insgesamt einen höheren Betrag.

 

Entscheidungsgründe

 

In allen drei Fällen ging es um die Grundsatzfrage, ob eine Nachforderung des Krankenhauses nach § 7 Abs. 5 PrüfvV (Version 2014 und 2016) ausgeschlossen ist. Im Ergebnis teilt das BSG die Auffassung des Krankenhauses, dass die Nachforderung nicht aufgrund der Regelung in § 7 Abs. 5 PrüfvV ausgeschlossen war. In den ersten beiden Fallgestaltungen wies es die Revision der Krankenkasse zurück und bestätigte einen durchsetzbaren Anspruch des Krankenhauses auf die geltend gemachte weitere Krankenhausvergütung. Bei der dritten Fallgestaltung bestätigte das BSG die Rechtsauffassung des LSG, dass die Nachforderung des Krankenhauses nicht nach § 7 Abs. 5 PrüfvV ausgeschlossen ist. Eine abschließende Entscheidung konnte es jedoch noch nicht treffen.

 

Zunächst befasste sich das BSG mit der Frage, ob die Vereinbarungspartner auf Bundesebene berechtigt waren, im Rahmen des Prüfverfahrens eine Präklusionsregelung zu treffen. Es kommt zu dem Schluss, dass diese Präklusionsregelung durch die Ermächtigungsgrundlage in § 17c Abs. 2 KHG gedeckt ist. An die Verletzung von Mitwirkungspflichten können Rechtsfolgen geknüpft werden, auch die Durchsetzbarkeit des Vergütungsanspruches betreffend.

 

§ 7 Abs. 5 PrüfvV legt das BSG wie folgt aus:

 

Zunächst kommt es zur Auffassung, dass dort eine materielle Präklusionswirkung enthalten ist. Danach sind Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen nur einmalig innerhalb einer vorgegebenen Frist von 5 Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens zulässig. Allerdings schließt dies nach Auffassung des BSG Nachforderungen nur dann aus, soweit es Datensätze betrifft, die Gegenstand des konkreten MDK-Prüfverfahrens gewesen sind. § 7 Abs. 5 PrüfvV schließt dagegen Datenänderungen (Nachforderungen) nicht aus, die nicht vom Prüfgegenstand erfasste Teile des Datensatzes betreffen. Entsprechende Nachforderungen können daher im Rahmen der Grenzen von Verwirkung und Verjährung weiterhin erfolgreich durchgesetzt werden.

 

Anmerkung

 

Wie bereits in einer früheren Entscheidung als obiter dictum angekündigt, kommt das BSG zur Auffassung, dass § 7 Abs. 5 PrüfvV (2014 bzw. 2016) eine materielle Präklusionsregelung enthält. Ganz systemkonform ist dies jedoch nicht, da die Vertragsparteien auf Bundesebene jeweils bei anderen Regelungen in der PrüfvV konkret angegeben haben, wenn eine Ausschlussfrist beabsichtigt ist (siehe z. B. § 8 Satz 4 PrüfvV).

 

In der Folge legt das BSG eine differenzierte Auffassung zugrunde. Danach kommt es letztlich darauf an, was Gegenstand des Prüfverfahrens gewesen ist. Betrifft dies z. B. die Verweildauer einer Krankenhausbehandlung (untere bzw. obere Grenzverweildauer) konkretisiert sich der Prüfgegenstand ausschließlich hierauf. Nachforderungen der Krankenhäuser sind z. B. dann zulässig, wenn nunmehr ein anderer OPS-Kode der Abrechnung zugrunde gelegt wird. Dann ist die Korrektur des Datensatzes (Nachforderung) nicht von der Präklusionswirkung umfasst.

 

Es ist daher in solchen Fällen immer genau zu analysieren, welchen Gegenstand das Prüfverfahren hat.

 

Unbedenklich ist zudem nach Auffassung des BSG, wenn ein Krankenhaus gerade das Prüfergebnis des MDK übernimmt und den 301er-Datensatz unter Zugrundelegung des Prüfergebnisses des MDK korrigiert oder ergänzt. Es nennt dies teleologische Reduktion.

 

Zu beachten ist jedoch, dass nach wie vor eine Nachforderung nur im Rahmen der von der BSG Rechtsprechung vorgegebenen Frist möglich ist. Die Nachforderung ist daher nur bis zum Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Kalenderjahres möglich.

 

 

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 26.05.2021 09:12:25
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Kein Stellvertreter für fachärztliche Behandlungsleitung
 

 

Das Mindestmerkmal im OPS-Kode 8-550 (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung-Version 2016/2017) „Behandlung durch ein geriatrisches Team unter fachärztlicher Behandlungsleitung“ erfordert keine Vertretungsregelung dergestalt, dass zusätzlich ein 2. Facharzt mit der entsprechenden Qualifikation im Bereich Geriatrie in der geriatrischen Einheit tätig ist. Der Wortlaut des Mindestmerkmals stellt auf die konkrete Behandlungssituation im Behandlungszeitraum ab und nicht – hiervon losgelöst – auf strukturelle bzw. personelle Gegebenheiten.

 

Urteil vom Hessischen LSG vom 25.03.2021, Aktenzeichen L 8 KR 731/18 – rechtskräftig

 

- Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung, OPS-Kode 8-550, Mindestmerkmal Behandlungsleitung, Stellvertreter, Strukturmerkmal, Einzelfallprüfung -

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

trotz rückwirkender Klarstellung durch das DIMDI (z. B. zur Durchführung der Teambesprechung) ist die Auslegung des OPS-Kodes 8-550 (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung) zwischen Krankenkassen und Krankenhausträger nach wie vor stark umstritten. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es um ein Grundsatzurteil des Hess. LSG zum Mindestmerkmal „Behandlungsleitung“. Entschieden hat das Hess. LSG die Auffassung der Krankenkasse zurückgewiesen, das Mindestmerkmal „Fachärztliche Behandlungsleitung“ erfordere stets einen 2. Facharzt als Stellvertreter.

 

Sachverhalt

 

In Form einer Sammelklage für drei Patienten machte das klagende Krankenhaus Zahlungsansprüche für die Behandlung von geriatrischen Patienten geltend. Grundlage der Abrechnung ist der OPS-Kode 8-550, der u. a. als Mindestmerkmal die „Behandlung durch ein geriatrisches Team unter fachärztlicher Behandlungsleitung (Zusatzweiterbildung oder Schwerpunktbezeichnung im Bereich Geriatrie erforderlich)“ verlangt.

 

Die Krankenkasse wandte gegen die Rechnungen ein, dass der OPS-Kode 8-550 vorliegend nicht erfüllt sei, da das Krankenhaus nicht durchgängig einen Stellvertreter mit der entsprechenden Qualifikation vorhalte. Nach Auffassung des MDK müsse ein zweiter Facharzt angestellt werden.

 

Das Krankenhaus trat dieser Auffassung entgegen und wies darauf hin, dass der OPS-Kode 8-550 – bereits nach seinem Wortlaut – keine Stellvertreterregelung verlange. Der Krankenhausträger habe die Behandlungsleitung am Standort S dem Oberarzt übertragen, der die entsprechende Qualifikation aufweise. Im Abwesenheitsfall des zuständigen Geriaters werde dieser von dem Chefarzt Geriatrie, der am Standort G tätig ist, vertreten. Vorliegend sei eine Stellvertretung jedoch nicht angezeigt gewesen, da der zuständige Geriater in den Behandlungsfällen anwesend war. Das SG wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin, die von uns vertreten wurde, hob das Hess. LSG den Gerichtsbescheid auf und verurteilte die beklagte Krankenkasse zur Zahlung.

 

Entscheidungsgründe

 

Das Hess. LSG knüpft an das Urteil des SG Aachen vom 07.07.2020 an (Aktenzeichen S 14 KR 516/19, juris) und schließt sich nach eingehender Prüfung vollumfänglich der dort geäußerten Auffassung an. Danach verlange der OPS-Kode 8-550 nicht eine jederzeitige Vertretungsmöglichkeit. Maßgeblich sei nach der Rechtsprechung des BSG der strenge Wortlaut, Bewertungen und Abwägungen seien außen vor zu lassen. Grundsätzlich sei erforderlich, dass Anforderungen im OPS-Kode ausdrücklich benannt werden müssen. Nicht ausdrücklich Aufgenommenes sei grundsätzlich keine Voraussetzung für die Kodierbarkeit. Maßgebend sei, ob die fachärztliche Behandlungsleitung durch den qualifizierten Arzt gerade im konkreten Einzelfall übernommen wurde.

 

Ergänzend verweist das Hess. LSG darauf, dass es bereits nach dem Wortlaut des OPS 8-550 darauf ankomme, ob die Behandlung unter den genannten Bedingungen erfolgt sei. Damit stelle der Wortlaut der Bestimmung auf die konkrete Behandlungssituation im Behandlungszeitraum ab und nicht losgelöst hiervon auf strukturelle bzw. personelle Gegebenheiten. Somit komme es darauf an, ob die qualifizierte geriatrische Behandlungsleitung bzgl. der streitgegenständlichen Abrechnungsfälle im jeweiligen konkreten Einzelfall erfüllt war (so wörtlich Hess. LSG, aaO, Seite 13). Dies hat es vorliegend als erfüllt angesehen.

 

Anmerkungen

 

Mit dem vorliegenden Grundsatzurteil tritt das Hess. LSG Versuchen der Krankenkassen entgegen, den OPS-Kode 8-550 über den Wortlaut hinaus erweiternd auszulegen. Mit Recht weist das Hess. LSG darauf hin, dass nach wie vor die ständige Rechtsprechung des BSG zu beachten ist, wonach Abrechnungsbestimmungen wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematischer Erwägungen auszulegen sind; Bewertungen und Bewertungsrelationen haben außer Betracht zu bleiben (so beispielsweise BSG, Urteil vom 10.03.2015, B 1 KR 4/15 R, juris, Rdz. 13).

 

Soweit nicht das DIMDI bzw. das BfArM konkrete Mindestregelungen in einen OPS-Kode aufgenommen hat, kann nicht entgegen des Wortlauts etwas hineingelesen werden, was nicht im jeweiligen OPS-Kode konkret zum Ausdruck kommt.

 

Bezogen auf die fachärztliche Behandlungsleitung stellt das Hess. LSG zu Recht heraus, dass die fachärztliche Behandlungsleitung patientenbezogen zu beurteilen ist. Eine entsprechende Einzelfallprüfung hat die Krankenkasse nicht veranlasst. Insoweit wurde auch nicht in Frage gezogen, dass in den konkreten Behandlungsfällen die fachärztliche Behandlungsleitung auch ausgeübt wurde.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 20.05.2021 10:51:55
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Potentialleistungen nach § 137c SGB V - Behandlungsalternative
 

 

Potentialleistungen nach § 137c SGB V - Behandlungsalternative

 

Versicherte haben vor Erlass einer Erprobungsrichtlinie Anspruch auf die Versorgung mit Potentialleistungen nur im Rahmen eines individuellen Heilversuches, wenn es 1. um eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Standardbehandlung verfügbar ist und wenn 3. die einschlägigen Regelungen der Verfahrensordnung des G-BA für die Annahme des Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative erfüllt sind. Insoweit hebt der Senat die Rechtsprechung zu § 137c Abs. 3 SGB V auf (zuletzt BSG, Urteil vom 08.10.2019 – B 1 KR 3/19 R).

 

BSG, Urteil vom 25.03.2021, Az.: B 1 KR 25/20 R

 

- Potentialleistungen, Qualitätsgebot, individueller Heilversuch, Verfahrensordnung G-BA, Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative, § 137c Abs. 3 SGB V -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

bekanntermaßen hat der 1. Senat des BSG dem allgemeinen Qualitätsgebot nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V absoluten Vorrang vor der in § 137c Abs. 3 SGB V vorgesehenen Behandlungsalternative eingeräumt. Zuletzt kam diese Rechtsprechung des BSG in der sogenannten „Coil-Entscheidung“ zum Ausdruck. Erfreulicherweise hat nunmehr das BSG diese Rechtsprechung, die contra legem erfolgte, ausdrücklich aufgegeben. Allerdings legt es nunmehr § 137c SGB V restriktiv aus und stellt besondere Anforderungen für Potentialleistungen auf.

Diese Besprechung gibt es auch als Video: BSG Aktuell kurz und prägnant

https://youtu.be/uN9lkmfV880

 

Sachverhalt

 

Im vorliegenden Fall klagte eine Patientin gegen ihre Krankenkasse wegen Erstattung von Kosten für die stationäre Durchführung von Liposuktionen (Fettabsaugungen).

 

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Das LSG stützte sich hierbei auf die Rechtsprechung des BSG, wonach stationäre Liposuktionen nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehören. § 137c Abs. 3 SGB V senke das Qualitätsgebot nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V nicht herab.

 

Das BSG hob die Entscheidungen auf und wies das Verfahren an das LSG zurück.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG stellt heraus, dass es nicht mehr dem allgemeinen Qualitätsgebot nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V Vorrang vor der Regelung in § 137c Abs. 3 SGB V einräumt. Danach kann eine Krankenhausbehandlung durchgeführt werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet und ihre Anwendung nach der Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Die Aufgabe der Rechtsprechung folge „aus dem Wortlaut der Regelung und der Normengeschichte des § 137c SGB V unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien“ (so wörtlich: Terminbericht Nr. 14/21 vom 26.03.2021).

 

Allerdings legt nunmehr das BSG § 137c Abs. 3 SGB V restriktiv aus und stellt folgende Anforderungen auf:

 

„Versicherte haben vor Erlass einer Erprobungsrichtlinie Anspruch auf die Versorgung mit Potentialleistungen nur im Rahmen eines individuellen Heilversuchs, wenn es

 

1. um eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung geht, wenn

 

2. keine andere Standardbehandlung verfügbar ist und wenn

 

3. die einschlägigen Regelungen der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Annahme des Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative erfüllt sind.“ (so wörtlich: Terminbericht Nr. 14/21 vom 26.03.2021).

 

Anmerkungen

 

Der Unterzeichner hat bereits mehrfach bei der Kommentierung der Entscheidungen des BSG die Auffassung vertreten, dass sich der 1. Senat über den klaren Wortlaut, die Entstehungsgeschichte und den Gesetzeswillen bei der Auslegung von § 137c SGB V hinweg setzt. Auch die Änderung in § 137c SGB V durch das GKV-VStG vom 22.12.2011 (BGBl I 2983) wurde nicht weiter beachtet, so dass der Gesetzgeber erneut im Rahmen des Implantateregister-Errichtungsgesetz vom 12.12.2019 (BGBl I S. 2494) seiner Auffassung Geltung verschaffen musste.

 

Es war daher nur noch eine Frage der Zeit, wann das BSG seine Rechtsprechung aufgeben musste. Der Gesetzgeber hat sich insoweit doch als stärkere Kraft erwiesen.

 

Allerdings verfolgt nunmehr das BSG eine restriktive Auslegung von § 137c SGB V und stellt weitere Anforderungen auf. Ob diese im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut, dem Gesetzeswillen, der Gesetzeshistorie und der Gesetzessystematik stehen, kann erst beurteilt werden, wenn die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen.

 

Es bleibt dabei zu hoffen, dass nunmehr das BSG dem Gesetzeswillen, so wie er zuletzt auch durch das Implantateregister-Errichtungsgesetz vom 12.12.2019 zum Ausdruck gekommen ist, ausreichend Rechnung trägt. Danach haben Versicherte ausdrücklich einen Anspruch auf Potentialleistungen. 

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 13.04.2021 10:35:34
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Wirtschaftliches Alternativerhalten - Fallzusammeführung
 

 

Bei der Behandlungsplanung hat das Krankenhaus die Pflicht, auch die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativverhaltens zu prüfen und die Behandlungsplanung ggf. daran auszurichten.

 

BSG, Urteil vom 27.10.2020, B 1 KR 9/20 R

 

- Beurlaubung, Fallzusammenführung, Wirtschaftlichkeitsgebot, fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten, Behandlungsplanung -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

durch die Rechtsprechung des BSG zieht sich wie ein roter Faden der Grundsatz des wirtschaftlichen Alternativverhaltens. Dieser Grundsatz ist bereits bei der Behandlungsplanung zu berücksichtigen. Wird dagegen verstoßen, hat das Krankenhaus nur einen Anspruch auf die Vergütung, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre.

Diese Besprechung gibt es auch als Video: BSG Aktuell kurz und prägnant

https://youtu.be/rEyfWBAV0SE

 

 Sachverhalt

 

Im Juni 2012 wurde der Patient wegen einer postoperativen Wundheilungsstörung mit Vereiterung und Aufweichung im Sprunggelenk behandelt. Nach zunächst konservativer Behandlung wurde zum Erhalt des Unterschenkels die Indikation zur Versteifung des Sprunggelenks gestellt. Allerdings erlitt der Patient zwischendurch eine kardiale Dekompensation, die mit einem Arzneimittel behandelt werden musste. Die Operation konnte vor Abklingen der Medikamenteneinwirkung nicht durchgeführt werden. Der Patient wurde daher entlassen, jedoch fünf Tage später zur Durchführung der Operation wieder aufgenommen.

 

Für die beiden Krankenhausaufenthalte rechnete das klagende Krankenhaus die DRG F54Z (Komplexe oder mehrfache Gefäßeingriffe) sowie die DRG I13B (Bestimmte Eingriffe an Humerus, Tibia, Fibula und Sprunggelenk) ab.

 

Die beklagte Krankenkasse wandte ein, der Patient hätte zwischen dem 1. und dem 2. Krankenhausaufenthalt beurlaubt werden können. Eine Entlassung wäre nicht wirtschaftlich. Es sei von einem einheitlichen Behandlungsfall auszugehen, der nach der DRG-Fallpauschale F21A (Andere OR-Prozeduren bei Kreislauferkrankungen, mit hochkomplexem Eingriff) abzurechnen sei.

 

Nachdem die Krankenkasse in der Zwischenzeit die Rechnungen bezahlt hatte, verrechnete sie den überzahlten Betrag mit anderen unstreitigen Rechnungen der Klägerin. Mit der Klage verlangte das Krankenhaus die Bezahlung der restlichen Vergütung.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG stellt zunächst fest, dass die Abrechnung auf der Grundlage des tatsächlichen Geschehensablaufes – mit Ausnahme der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes – sachlich-rechnerisch zutreffend war. Nach den Bestimmungen der FPV lagen die Voraussetzungen für eine Fallzusammenführung nicht vor. Insoweit teilt das BSG die Auffassung der Vorinstanzen.

 

Allerdings geht das BSG davon aus, dass die Entlassung des Patienten auf der Grundlage der Behandlungsplanung nicht wirtschaftlich gewesen sei. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§§ 12 Abs. 1 Satz 2, 2 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 3, 70 Abs. 1 SGB V).

 

Nach der Gesetzeskonzeption des SGB V gelte das Wirtschaftlichkeitsprinzip uneingeschränkt auch im Leistungserbringerrecht (also auch für die Krankenhäuser).

 

Das Krankenhaus habe daher die Pflicht, bei der Behandlungsplanung auch die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativverhaltens zu prüfen und die Behandlungsplanung ggf. daran auszurichten (BSG, aaO, Rdz. 14).

 

Des Weiteren führt das BSG aus, dass der Nachweis der Wirtschaftlichkeit erfordere, dass bei Existenz verschiedener, gleich zweckmäßiger und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind. Nur die geringere Vergütung sei wirtschaftlich (BSG, aaO, Rdz. 16).

 

Vorliegend sieht das BSG zwei Handlungsalternativen: Eine Möglichkeit wäre für das Krankenhaus gewesen, den Krankenhausaufenthalt fortzuführen (also den Patienten nicht zu entlassen) oder den Patienten für den Zeitraum von 5 Tagen zu beurlauben. Nur diese beiden Möglichkeiten hätten dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprochen.

 

Im Ergebnis geht das BSG daher davon aus, dass das Krankenhaus keinen weiteren Vergütungsanspruch hatte, der über das hinausgehe, was die Krankenkasse letztendlich bezahlt hatte.

 

Anmerkungen

 

Nach wie vor misst das BSG dem Wirtschaftlichkeitsgebot eine überragende Bedeutung zu. Dieses überlagert quasi die normierten Abrechnungskonstellationen nach den Abrechnungsbestimmungen. Dies zeigt der vorliegende Fall sehr deutlich. Das BSG schließt sich ausdrücklich der Auffassung der Vorinstanzen an, wonach keine der Voraussetzungen der FPV vorgelegen hatten, die zu einer Fallzusammenführung geführt hätten.

 

Den Ausweg hiervon findet das BSG im Wirtschaftlichkeitsgebot. Als kleines Trostpflaster bringt das BSG hierbei zum Ausdruck, dass eine mögliche Folge des Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebots auch der Ausschluss von der Vergütung hätte sein können, der Senat aber – wohl aus grundsätzlichen Erwägungen heraus – davon Abstand genommen hat und in Fällen vergleichbarer Art zumindest den Vergütungsanspruch auf der Grundlage des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens konzediert.

 

Einen kleinen Hoffnungsschimmer deutet das BSG in der Auseinandersetzung mit der Regelung in § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG an, die mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz vom 11.12.2018 (BGBl I 2394) eingefügt wurde und zum 01.01.2019 in Kraft getreten ist.

 

Diese Regelung lautet:

 

„In anderen als den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen ist eine Fallzusammenführung insbesondere aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebotes nicht zulässig.“

 

Das BSG kommt zu der Auffassung, dass diese Vorschrift keine rückwirkende Geltung beanspruche, auch wenn in der Gesetzesbegründung von einer Klarstellung ausgegangen werde. Dies binde den Senat nicht. Allerdings ist wohl davon auszugehen, dass für Fallgestaltungen ab 01.01.2019 der unmissverständlichen Regelung in § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG Bedeutung zugemessen wird. Dies kann man aus der Urteilsbegründung entnehmen, in der es heißt:

 

„Sie (lies: § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG) findet daher auf den vorliegenden Abrechnungsfall aus dem Jahr 2012 (noch) keine Anwendung.“

 

In anhängigen Abrechnungsstreitigkeiten für Behandlungen ab dem 01.01.2019 ist daher verstärkt das Augenmerk auf die Regelung in § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG zu richten. Über die vertraglich oder gesetzlich normierten Fallkonstellationen hinaus dürfte eine Fallzusammenführung nunmehr ab 01.01.2019 nicht mehr zulässig sein, auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebotes.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 12.04.2021 11:49:22
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Widerlegung der Mindestmengenprognose durch die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen
 

 

Das Recht auf ein faires Verfahren verlangt in besonderer Weise, dass dem Krankenhausträger vor der Widerlegung seiner Prognose Gelegenheit gegeben wird, erkennbar unvollständige oder unplausible Angaben zu konkretisieren oder zu ergänzen.

 

BSG, Urteil vom 25.03.2021, Az.: B 1 KR 16/20 R

 

 

 

- faires Verfahren, Anhörung, Mindestmengenregelung, Knie-TEP, Prognose, Widerlegung der Prognose, Verwaltungsakt, Anfechtungsklage -

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der Fragenkreis der Mindestmengenregelungen des G-BA beschäftigt nach wie vor die Gerichte. Streitig war bisher auch, ob die Widerlegung der Prognose durch die Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen einen Verwaltungsakt darstellt, der mit der Anfechtungsklage angegriffen werden muss. In seinem Urteil vom 25.03.2021, aaO, bestätigt dies das BSG. Gleichzeitig bringt es zum Ausdruck, dass die Grundsätze des fairen Verfahrens es erforderlich machen, dass der Krankenhausträger vor einer Entscheidung der Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen angehört wird.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus erbrachte im Jahr 2017 bei 52 Patienten eine Kniegelenks-Totalendoprothese (Knie-TEP). Fristgerecht übermittelte das Krankenhaus den beklagten Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen seine Prognose für das Jahr 2020. Es gab an, dass es insgesamt im Jahr 2018 40 Knie-TEP´s, im 2. Halbjahr 2018 und im 1. Halbjahr 2019 insgesamt 43 Knie-TEP´s durchgeführt hatte. Es prognostizierte aufgrund personeller Veränderungen für das Jahr 2020 danach 50 Knie-TEP´s. Demgegenüber widerlegten die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen die Mindestmengenprognose. Dies begründeten sie damit, dass sukzessive eine Leistungsminderung erfolgt sei und der Chefarztwechsel zum 01.08.2019 die Prognose nicht begründen könne. Ergänzend verwiesen die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen darauf, dass von Seiten des Krankenhauses bzgl. einer Kooperation mit einem nicht näher benannten Zuweiser keine weiteren Erläuterungen erfolgt seien, ob und in welcher Form diese Kooperation avisiert sei oder ob bereits vertragliche Bindungen bestünden.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG gab dem Krankenhaus Recht und hob sowohl das Urteil des SG Berlin als auch den Widerlegungsbescheid der Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen auf. Der Widerlegung der Prognose misst das BSG den Charakter eines Verwaltungsaktes zu. Die Anfechtungsklage ist daher auch die richtige Klageart. Nach § 136b Abs. 4 Satz 6 SGB V ist den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen eine hoheitliche Entscheidungskompetenz zugewiesen, die die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes umfasst.

 

Allerdings erkannte das BSG die Widerlegungsentscheidung als formell rechtswidrig an, da von Seiten der Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen das Anhörungsrecht nach § 24 SGB X nicht durchgeführt und auch nicht nachgeholt wurde. Das Recht auf ein faires Verfahren verlange in besonderer Weise, dass dem Krankenhausträger vor der Widerlegung seiner Prognose Gelegenheit gegeben wird, erkennbar unvollständige oder unplausible Angaben zu konkretisieren oder zu ergänzen.

 

Die Widerlegungsentscheidung wurde daher aufgehoben.

 

Anmerkungen

 

Dem Urteil des BSG ist vollständig zuzustimmen. Die Widerlegungsentscheidung der Prognose durch die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen greift in die Leistungsberechtigung des Krankenhauses unmittelbar ein, insoweit bedeutet sie die Regelung eines Einzelfalls gegenüber dem Krankenhaus und hat daher den Charakter eines Verwaltungsaktes.

 

Künftig müssen die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen darauf achten, dass das Anhörungsrecht des Krankenhauses nicht verletzt wird, wenn sie begründete Zweifel an der gestellten Prognoseentscheidung haben. Dies gebietet auch der Grundsatz des fairen Verfahrens, den das BSG herausstellt.

 

Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die fristgerecht gestellte Prognose des Krankenhauses die Leistungsberechtigung des Krankenhauses im Rahmen der Mindestmengen-Leistungen umfasst. Ergeht darauf eine Widerlegungsentscheidung der Landesverbände der Krankenkassen und der Ersatzkassen, empfiehlt es sich, unmittelbar Anfechtungsklage zu erheben. Die Anfechtungsklage hat Suspensiveffekt, so dass das Krankenhaus – zumindest vorläufig – weiter berechtigt ist, die Leistungen, die der Mindestmengenregelung unterliegen, weiter zu erbringen. Dies könnte auch Folgewirkung für das nächste Jahr haben.

 

Zur Zeit liegt nur der Terminsbericht vor. Sollte sich aus den schriftlichen Urteilsgründen weitere Erkenntnisse ergeben, wird hierüber noch berichtet.

 

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 29.03.2021 14:01:17
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Verlegungsabschlag nach § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV
 

 

Eine Verlegung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV (2013) setzt nur voraus, dass ein Versicherter innerhalb von 24 Stunden aus einem Krankenhaus entlassen und in ein anderes Krankenhaus aufgenommen wurde. Ein aktives Handeln des verlegenden Krankenhauses bedarf es hierzu nicht.

 

BSG, Urteil vom 27.10.2020, Az.: B 1 KR 12/20 R

 

- Verlegung, Verlegungsabschlag, Entlassung, Aufnahme in einem anderen Krankenhaus, Minderung der Fallpauschale, 24 Stunden-Zeitraum -

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

in dem Termin am 27.10.2020 befasste sich das BSG in mehreren Fällen mit dem Verlegungsabschlag nach § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV. Dabei legt es eine formale Sichtweise zugrunde, wonach es nur darauf ankomme, dass zwischen der Entlassung aus einem Krankenhaus und der Aufnahme in einem anderen Krankenhaus ein Zeitraum von nicht mehr als 24 Stunden liege (s. zur Rückverlegung, BSG, Urteil vom 27.10.2020, B 1 KR 8/20 R). Die Vorinstanzen hatten dies noch anders gesehen.

 

Die Besprechung ist auch als Video „BSG Aktuell kurz und prägnant“ aufrufbar: https://youtu.be/86K_lHsBNDQ

 

Sachverhalt

 

Ein Patient wurde in einem Krankenhaus stationär behandelt. Hierfür rechnete das Krankenhaus die G48A ab. Der Patient wurde am 01.10.2013 um 12:53 Uhr in gutem Allgemeinzustand in die weitere hausärztliche Betreuung entlassen. Am 02.10.2013 um 10:14 Uhr wurde der Patient wegen einer psychischen Störung zur stationären Behandlung in ein anderes Krankenhaus aufgenommen.

 

Die beklagte Krankenkasse begehrte unter Hinweis auf § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV (2013) einen Verlegungsabschlag und bezahlte daher nur einen Teilbetrag der Rechnung.

 

Das klagende Krankenhaus wehrte sich gegen die Rechnungskürzung und erhob Klage vor dem Sozialgericht. In 1. und 2. Instanz hatte die Klägerin Erfolg.

 

Das BSG vertrat jedoch eine andere Ansicht, hob die Vorentscheidungen auf und wies die Klage ab.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG geht davon aus, dass § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV (2013) eigenständig und losgelöst von einem möglichen „allgemeinen Sprachgebrauch“ den Verlegungsbegriff definiere. Die Formulierung „eine Verlegung im Sinne des Satzes 2 liegt vor (…)“ leite eine Definition und nicht die Einschränkung eines anderweitig definierten oder in anderer Definition vorausgesetzten Begriffs ein. Sonst müsste es z. B. heißen „liegt nur vor“ oder auch „liegt nicht vor, wenn nicht“. Auf den allgemeinen Sprachgebrauch komme es daher nicht an.

 

Zwar gebe es den allgemeinen Sprachgebrauch für den Verlegungsbegriff, der ein aktives Handeln des verlegenden Krankenhauses verlange. Allerdings habe sich die Definition in § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV (2013) davon losgelöst. Danach komme es nur auf den Zeitraum von 24 Stunden zwischen „Entlassung“ und „Aufnahme“ an. Dem „verlegenden“ Krankenhaus komme mithin keine weitergehende Bedeutung als „dem ersten“ Krankenhaus zu (im Gegensatz zum aufnehmenden als „dem zweiten“ Krankenhaus) (BSG, aaO, Rdz. 20).

 

Anmerkungen

 

Das BSG trifft eine von der Krankenhauspraxis losgelöste Entscheidung. Es betont zu sehr den „allgemeinen Sprachgebrauch“, anstelle den üblichen Sprachgebrauch zum Begriff „Verlegung“ in der Krankenhauspraxis zugrunde zu legen.

 

Ein Patient, der nach Hause entlassen wird, wird gerade nicht von einem Krankenhaus in das andere Krankenhaus verlegt. In anderen maßgeblichen Rechtsvorschriften mit Bezug auf die Krankenhausbehandlung wird davon ausgegangen, dass eine Verlegung in Betracht zu ziehen ist, wenn die Behandlung in einem anderen Krankenhaus durch- oder fortzuführen ist. Von diesem krankenhausspezifischen Begriff, der in den Landesverträgen nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V (Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung) angelegt ist, löst sich das BSG vollends (zu dieser Begriffsbestimmung: siehe § 2 Abs. 8 Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V – Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung – Rheinland-Pfalz, § 4 Abs. 1 Vertrag gemäß § 112 Abs. 1 SGB V zu § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V (Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung) Saarland, § 7 Abs. 2 Vertrag über die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V Hessen u. a.). Eine teleologische Reduktion von § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV hätte daher näher gelegen.

 

Es ist daher mehr als zweifelhaft, dass die Vertragsparteien auf Bundesebene in § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV eine eigenständige Begriffsdefinition verwenden wollten. Aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung ist eher zu erwarten, dass das im Krankenhausbereich übliche Begriffsverständnis einer Verlegung zugrunde gelegt werden sollte und nur ein zeitlich vorgegebener Rahmen für den Verlegungszeitraum bestimmt werden sollte, in dem ein Abschlag hinzuzunehmen ist.  

 

Dies wird hier insbesondere deutlich, da die Behandlung wegen akuter Diarrhöen im ersten Krankenhaus abgeschlossen war und daher der Patient in die hausärztliche Behandlung entlassen werden konnte. Die Aufnahme wiederum erfolgte wegen einer psychiatrischen Erkrankung in einer psychiatrischen Fachklinik – also wegen einer grundlegend unterschiedlichen Behandlung.

 

Ausgehend von der Krankenhauspraxis hätte daher nahegelegen, keinen Verlegungsabschlag vorzunehmen.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 26.03.2021 09:47:00
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Die Gewöhnung an das Beatmungsgerät im Sinne der DKR 1001l kann insbesondere darauf beruhen, dass nach dem Beginn der maschinellen Beatmung die Unfähigkeit zur Spontanatmung bereits aufgrund der behandelnden Erkrankung oder erst durch eine Schwächung der Atemmuskulatur infolge der maschinellen Beatmung oder durch ein Zusammenwirken mehrerer Faktoren eintritt. Dabei wird die Gewöhnung definiert als: „Die erhebliche Einschränkung oder den Verlust der Fähigkeit, über einen längeren Zeitraum vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atmen zu können“ (Bestätigung des Urteils des BSG vom 19.12.2017 – B 1 KR 18/17 R).

 

BSG, Urteil vom 17.12.2020 – Az.: B 1 KR 13/20 R

 

- Erfolgreiche Entwöhnung, Spontanatmungsstunden, Periode der Entwöhnung, maschinelle Beatmung -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Weaning-Thematik beschäftigt nach wie vor die Gerichte. Vorliegend ging es um die Fragestellung, ob Spontanatmungsstunden während einer Periode der Entwöhnung berücksichtigt werden durften. Des Weiteren spielte wiederum der Begriff der Gewöhnung eine Rolle.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus hatte einen Patienten wegen zunehmender Atemnot notfallmäßig im Jahr 2015 aufgenommen. Zunächst wurde intermittierend eine nicht-invasive Beatmung vorgenommen. Anschließend wurde ein Heimbeatmungsgerät verordnet und der Patient nach Hause entlassen, wo die intermittierende Beatmung fortgeführt wurde. Während der stationären Behandlung war keine stabile respiratorische Situation erzielt worden. Während des Krankenhausaufenthaltes wurde der Patient 75 Stunden und 20 Minuten beatmet. Unter Berücksichtigung der Spontanatmungszeiten ergaben sich 115 Beatmungsstunden.

 

Nach einer gutachtlichen Stellungnahme des MDK erkannte die beklagte Krankenkasse nur 76 Beatmungsstunden als nachgewiesen an.

 

Während die I. Instanz der Klage des Krankenhauses auf Zahlung stattgab, hob das LSG das erstinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab. Nach Auffassung des LSG sei bereits fraglich, ob überhaupt eine Gewöhnung an den Respirator eingetreten sei. Unabhängig hiervon sei die Beatmung mit Entlassung des Versicherten beendet. Damit können Spontanatmungszeiten während einer Periode der Entwöhnung nicht berücksichtigt werden.

 

Das BSG hob das Urteil des LSG auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück.

 

Entscheidungsgründe

 

Zunächst knüpft das BSG an sein früheres Urteil vom 19.12.2017 (B 1 KR 18/17 R) an. Dort werde die Gewöhnung wie folgt definiert: „Erhebliche Einschränkung oder Verlust der Fähigkeit, über einen längeren Zeitraum vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atmen zu können“. Eine Gewöhnung an das Beatmungsgerät sei nicht an weitere, darüber hinausgehende Voraussetzungen geknüpft. Ergänzend führt jedoch das BSG hierzu aus: „Die „Gewöhnung“ kann insbesondere darauf beruhen, dass nach dem Beginn der maschinellen Beatmung die Unfähigkeit zur Spontanatmung (im Sinne der Definition) bereits aufgrund der behandelnden Erkrankung oder erst durch eine Schwächung der Atemmuskulatur infolge der maschinellen Beatmung oder durch ein Zusammenwirken mehrerer Faktoren eintritt“.

 

Die Auffassung des LSG, die Berücksichtigung der Spontanatmungszeiten setze voraus, dass die Entwöhnung von dem Beatmungsgerät erfolgreich abgeschlossen sein müsse, wies das BSG zurück. Die DKR 1001l enthalte keine Regelung dahingehend, dass Spontanatmungsstunden nur im Rahmen erfolgreicher Entwöhnungen berücksichtigt werden dürften. Darauf käme es vorliegend nicht an.

 

Da das LSG keine Feststellungen getroffen habe, ob die Spontanatmungsstunden in eine Periode der Entwöhnung gefallen sind, wies es die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.

 

Anmerkungen

 

Das BSG stellt inhaltlich auf den „Gewöhnungsbegriff“ in seinem Urteil vom 19.12.2017 (B 1 KR 18/17 R) ab. Ergänzend erläutert es jedoch hierzu, worauf eine Gewöhnung basieren kann. Besteht aufgrund der behandelnden Erkrankung die Unfähigkeit zur Spontanatmung (nach Beginn der maschinellen Beatmung) liegt eine Gewöhnung vor. Das gleiche gilt auch, wenn eine Schwächung der Atemmuskulatur infolge der maschinellen Beatmung eintritt. Auch beide oder weitere Faktoren können zusammen wirken.

 

Deutlich wies das BSG die Auffassung des LSG zurück, die Entwöhnung müsse erfolgreich sein, um die Spontanatmungsstunden in der Periode der Entwöhnung berücksichtigen zu können. Hiervon ist in der DKR 1001l keine Rede.

 

Inzwischen wurde die DKR 1001s erlassen, die eine grundlegende Neukonzeption der Beatmung enthält. Allerdings ist die vom BSG angesprochene Fallgestaltung nach wie vor aktuell für anhängige Vergütungsstreitigkeiten mit Behandlungen bis zum 31.12.2019.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 05.02.2021 09:20:09
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Die Abrechnung der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung mit dem OPS-Kode 8-550 verlangt regelmäßig ein Alter von 70 Jahren, mindestens aber ein Alter von 60 Jahren in Verbindung mit plausibilisierenden Angaben
 

 

Die Abrechnung der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung mit dem OPS-Kode 8-550 verlangt regelmäßig ein Alter von 70 Jahren, mindestens aber ein Alter von 60 Jahren in Verbindung mit plausibilisierenden Angaben. Somit ist eine Mindestaltersgrenze von 60 Jahren für geriatrische Patienten einzuhalten.

 

BSG, Urteil vom 17.12.2020, Az.: B 1 KR 21/20 R

 

- Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung, OPS 8-550, Mindestalter, Regelalter, Verwirkung, öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, Verjährung -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

im vorliegenden Fall hat das BSG seine bisherige Rechtsauffassung bestätigt, dass für die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung regelmäßig ein Alter von 70 Jahren, mindestens aber von 60 Jahren erforderlich ist, wobei es bei älteren Patienten zwischen 60 und 70 noch einer zusätzlichen Begründung bedarf.

 

Sachverhalt

 

Das beklagte Krankenhaus behandelte im Jahr 2011 einen zum Zeitpunkt der Behandlung 55-jährigen Patienten auf der Grundlage des OPS-Kodes 8-550 (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung).

 

Die daraus resultierende Rechnung bezahlte die Krankenkasse. Nachdem das BSG mit Urteil vom 23.06.2015 (B 1 KR 21/14 R) ein Mindestalter von 60 Jahren verlangt hatte, machte die klagende Krankenkasse einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch geltend.

 

In den Vorinstanzen hatte die Klage der Krankenkasse keinen Erfolg. Das LSG vertrat die Auffassung, der OPS-Kode 8-550.1 verlange kein Mindestalter für die Abrechnung einer geriatrischen Behandlung.

 

Das BSG hob die vorinstanzlichen Urteile auf und verurteilte das Krankenhaus zur Rückzahlung.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG geht (nach wie vor) davon aus, dass die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung nur bei Patientinnen und Patienten in Betracht kommt, die im Regelfall 70 Jahre alt sind (Regelalter). Im Ausnahmefall reiche ein Alter von mindestens 60 Jahren (Mindestalter) aus, wenn besondere Umstände vorlägen. Da der Patient zum Zeitpunkt der Behandlung nur 55 Jahre alt war, konnte der OPS-Kode 8-550 nicht kodiert werden.

 

Den Einwand der Klinik, der Anspruch sei verwirkt, wies das BSG zurück. Weder der bloße Zeitablauf noch eine vorbehaltlose Zahlung erfülle den Tatbestand der Verwirkung. Innerhalb der geltenden Verjährungsfrist  könnten die Krankenkassen zu Unrecht gezahlte Vergütungen zurückfordern (öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch). Ein Vertrauenstatbestand konnte sich nicht bilden, da eine langjährige gemeinsame Praxis von Krankenhäusern und Krankenkassen diesbezüglich nicht bestand. Es gab auch keine entsprechende Rechtsprechung des BSG, die von einer Altersgrenze unterhalb von 60 Jahren ausging. Auch das Kompetenzzentrum Geriatrie des MDK ging von einer Altersuntergrenze von 60 Jahren aus. Dies zeige, dass die Frage des Mindestalters bereits thematisiert worden war.

 

Anmerkung

 

Mit dem Urteil bestätigt das BSG seine frühere Rechtsprechung aus dem Jahr 2015. Dies ist bedauerlich, da nach wie vor der OPS-Kode 8-550 keine Altersuntergrenze aufweist. Nimmt man die Mindestmerkmale des OPS-Kodes 8-550 in den Blick, fällt auf, dass dort von „standardisiertem geriatrischen Assessment“ zu Beginn der Behandlung und am Ende der geriatrischen frührehabilitativen Behandlung die Rede ist. Ein besonderer Schwerpunkt ist die aktivierend-therapeutische Pflege und der teamintegrierte Einsatz in bestimmten Therapiebereichen. Eine Altersangabe findet sich dort nicht. Dies sollte den Schluss nahe legen, dass der OPS-Kode 8-550 wortgetreu und funktional im Hinblick auf die Erforderlichkeit der beschriebenen Komplexbehandlung ausgelegt wird. Unabhängig vom biologischen Alter können alterstypische Symptome wie Immobilität, erhöhtes Sturzrisiko, Inkontinenz und kognitive Beeinträchtigung bestehen (siehe hierzu: Univ. Prof. Dr. Monika Lechleitner, Der geriatrische Patient, Österreichische Ärztezeitung vom 30.06.2007, Seite 34 ff.).

 

Leider zeigt auch das BSG-Urteil kein Umdenken im Hinblick auf den Verwirkungstatbestand. Während sich die Krankenkasse bei einer Nachberechnung von Vergütungen des Krankenhauses darauf berufen kann, dass die Nachrechnung bis zum Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Kalenderjahres erfolgen muss (Verwirkungstatbestand für das BSG), kann die Krankenkasse selbst noch innerhalb des vollen Verjährungszeitraums ihre Ansprüche auf Rückerstattung geltend machen. Künftig fällt diese Unwucht jedoch nicht mehr so ins Gewicht, da Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen gemäß § 109 Abs. 5 Satz 1 SGB V nunmehr in zwei Jahren verjähren.

 

Zur Zeit liegt nur der Terminsbericht vor. Ergeben sich aus den schriftlichen Urteilsgründen ergänzende Informationen, werde ich weiter berichten.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 03.02.2021 09:37:13
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Gesetzliche Pflichtversicherung § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V
 

 

Die gesetzliche Pflichtversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V tritt auch dann ein, wenn im maßgeblichen Zeitraum keine Beiträge geleistet wurden oder Beiträge irrtümlich an eine andere Krankenversicherung geleistet wurden.

 

Sozialgericht Koblenz Urteil vom 09.11.2020, Az.: S 2 KR 996/17

 

- Krankenhausbehandlungskosten, gesetzliche Pflichtversicherung, keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall, letzter Versicherer, Auffangpflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, Versicherungswechsel, fehlende Beitragszahlungen -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Problematik der Kostenträgerschaft bei zum Zeitpunkt der Behandlung unklarem Versicherungsstatus ist ein gängiges Problem im Rahmen der Krankenhausabrechnung. Im vorliegenden Fall hat sich das Sozialgericht Koblenz mit der Frage des Bestehens eines (Pflicht-) Versicherungsverhältnisses auseinandergesetzt.

 

Sachverhalt

 

Im Zeitraum vom 23.11.2013 bis zum 30.01.2014 behandelte das klagende Krankenhaus eine Patientin, deren Versicherungsstatus unklar war. Die Patientin bezog im maßgeblichen Zeitraum Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II. Sie befand sich bis zum 05.05.2013 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis und war aufgrund dessen unstrittig bei der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland, der Beklagten zu 2) gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V gesetzlich pflichtversichert. Für den oben aufgeführten Zeitraum stellte die Klägerin der Beklagten zu 2) mit drei Rechnungen einen Betrag in Höhe von insgesamt 12.181,29 € in Rechnung. Die Beklagte zu 2) verweigerte die Zahlung mit dem Hinweis, dass die Patientin kein Versicherungsmitglied sei.

 

Die Klägerin machte ihre Forderung sodann auf dem Klagewege geltend. Im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens wurde durch Anfragen des Gerichts an die Patientin sowie das für die Patientin zuständige Jobcenter Folgendes bekannt: Die Patientin stellte am 25.11.2013 einen Antrag auf ALG II. Seit Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses hatte sie keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall. Im Rahmen des Antragsverfahrens gab die Patientin an, bei der „AOK Rheinland“ mit Sitz in „Koblenz“ versichert zu sein. Darüber hinaus vermerkte sie, dass sie dort immer gewesen sei. Zudem gab sie ihre Krankenversicherungsnummer aus dem bis zum 05.05.2013 bestehenden Versicherungsverhältnis mit der Beklagten zu 2) an.

 

Aufgrund dieser Angaben wurde die Patientin ab dem 23.11.2013 bei der AOK Rheinland/Hamburg, der Beklagten zu 1) versichert.

 

Aufgrund einer Rückfrage der Klägerin hat das Jobcenter im Juli 2015 die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) kontaktiert und gefragt, ob ein Versicherungsverhältnis mit der Patientin bestehe. Beide verneinten dies, sodass die Patientin umgehend rückwirkend bei der Beklagten zu 1) abgemeldet wurde.

 

Vor diesem Hintergrund richtete die Klägerin ihre Klage nunmehr gegen beide Versicherer. Die Beklagte zu 2) vertritt die Auffassung, dass das Versicherungsverhältnis mit dem Beschäftigungsverhältnis geendet habe. Die Patientin habe im Rahmen ihrer Angaben gegenüber dem Jobcenter eine Krankenkassenwahl getroffen und die Beklagte zu 1) als künftige Krankenkasse gewählt. Die Beklagte zu 1) ist der Ansicht, ein Wechsel der Versicherer habe nicht stattgefunden. Die Beklagte zu 2) sei weiterhin der zuständige Versicherer. Aus dem Antrag der Patientin gehe hervor, dass sie weiterhin bei der Beklagten zu 2) versichert sein wollte. Die Zahlungen des Jobcenters an die Beklagte zu 1) als unzuständige Krankenkasse begründe keine Mitgliedschaft. 

 

Entscheidungsgründe

 

Das Sozialgericht hat der Klage des von uns vertretenen Krankenhauses in vollem Umfang stattgegeben und die Beklagte zu 2) zur Zahlung verurteilt. Es stellt klar, dass die Patientin zum Zeitpunkt der stationären Behandlung bei der  Beklagte zu 2) pflichtversichert war. Aufgrund der abhängigen Beschäftigung sei die Patientin dort bis zum 05.05.2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V gesetzlich pflichtversichert gewesen. Nach diesem Zeitpunkt sei dort die Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13a) SGB V eingetreten.

 

Gemäß § 174 Abs. 5 SGB V (in der bis 31.03.2020 gültigen Fassung) werden Versicherungspflichtige nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Mitglied der Krankenkasse oder des Rechtsnachfolgers der Krankenkasse, bei der sie zuletzt versichert waren, andernfalls werden sie Mitglied der von ihnen nach § 173 Abs. 1 SGB V gewählten Krankenkasse. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sind u.a. versicherungspflichtig Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und gemäß Buchstabe a) zuletzt krankenversichert waren. Dies sei bei der Patientin der Fall gewesen.

 

Entgegen der Ansicht der Beklagten zu 2) habe die Patientin keine neue Krankenkassenwahl getroffen. Sie habe zwar nur unzureichend den Namen der Krankenkasse ausgefüllt, sodass frei nach der Namensgebung sowohl die Beklagte zu 1) als auch die Beklagte zu 2) als Krankenkasse in Betracht kämen, allerdings sei unter Würdigung der Gesamtumstände (Angaben zum Sitz der Krankenkasse, Angabe der früheren Versicherungsnummer etc.) davon auszugehen, dass die Patientin die Auffassung vertrat, weiterhin bei der Beklagten zu 2) krankenversichert zu sein.

 

Es sei zudem unerheblich, dass das Jobcenter vorliegend irrtümlicherweise Versicherungsbeiträge an die Beklagte zu 1) abgeführt habe. Allein die Zahlung von Beiträgen an eine unzuständige Krankenkasse begründe keine neue Mitgliedschaft. Auch der Umstand, dass keine Beiträge an die Beklagte zu 2) gezahlt worden seien, sei unerheblich, da in diesem Fall gemäß § 16 Abs. 3 S. 2 SGB V ein Ruhen des Leistungsanspruchs eintrete; davon seien jedoch Leistungen bei akuten Erkrankungen ausgenommen.

 

Anmerkung

 

Das Sozialgericht hat sich in seinem Urteil in klarer und strukturierter Form mit der Thematik des häufig im Rahmen der Krankenhausabrechnung  auftretenden Problemkreises „Bestehen eines Pflichtversicherungsverhältnisses“ auseinandergesetzt. Dabei gibt das Sozialgericht die wesentlichen Normen sowie Voraussetzungen zur Einordnung des Versicherungsverhältnisses wieder und liefert so einen Leitfaden zur Überprüfung, ob ein Patient sich während seines Aufenthaltes in einem Pflichtversicherungsverhältnis befunden hat. Insbesondere ist hervorzuheben, dass im Falle einer nicht geleisteten Beitragszahlung die Pflichtversicherung nicht entfällt, sondern der Leistungsanspruch lediglich ruht. Von diesem Ruhen sind jedoch Leistungen aufgrund akuter Erkrankungen nicht umfasst – eine medizinisch notwendige (teil-)stationäre Behandlung dürfte daher stets von dem Ruhen ausgenommen sein. Ebenfalls hervorzuheben ist, dass eine irrtümliche Beitragszahlung an eine unzuständige Krankenkasse noch keine Mitgliedschaft begründet. 

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

 

 

 

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 20.01.2021 16:50:53
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Die angeborene bikuspidale Aortenklappe fällt auch dann unter ICD-10-GM Q23.1 (Angeborene Aortenklappeninsuffizienz), wenn eine auf ihr beruhende Insuffizienz erst Jahre später auftritt
 

 

Die angeborene bikuspidale Aortenklappe fällt auch dann unter ICD-10-GM Q23.1 (Angeborene Aortenklappeninsuffizienz), wenn eine auf ihr beruhende Insuffizienz erst Jahre später auftritt. Eine zeitliche Obergrenze bis zum Auftreten behandlungsbedürftiger funktioneller Störungen sieht ICD-10-GM Q23.1 als weitere Kodiervoraussetzung nicht vor.

 

BSG, Urteil vom 19.03.2020, Az.: B 1 KR 69/19 B

 

- Bikuspidale Aortenklappe, ICD-10-GM Q23.1, angeborene Fehlbildungen der Aorten- und Mitralklappe, Auslegung DKR, FPV, ICD und OPS -

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

häufig streiten Krankenkassen und Krankenhäuser über die Auslegung normativer Abrechnungsbestimmungen (DKR, FPV, OPS, ICD). Im vorliegenden Fall bekräftigt das BSG die ständige Rechtsprechung des Senats, wonach Abrechnungsbestimmungen stets eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen sind und nimmt zur Auslegung des ICD-10-GM Q23.1 Stellung.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelte einen Patienten stationär und ersetzte u. a. die Aortenklappe durch eine Prothese. Als Hauptdiagnose kodierte das Krankenhaus den ICD-10-GM Q23.1 (Angeborene Aortenklappeninsuffizienz <angeborener Herzklappenfehler mit Rückfluss von Blut aus der Aorta – Hauptschlagader – in die linke Herzkammer und dortigem Blutrückstau >).

 

Die beklagte Krankenkasse beauftragte den MDK mit einer Prüfung. Dieser kam zur Auffassung, dass anstelle des angegebenen ICD der ICD-10-GM I35.2 (Aortenklappenstenose mit Insuffizienz <Herzklappenfehler, der zur Verengung des dadurch ungenügend schließenden Ausflusstraktes im Bereich des Ursprungs der Hauptschlagader führt, mit Rückfluss von Blut aus der Aorta in die linke Herzkammer und dortigem Blutrückstand>). Zwar hätte eine angeborene Fehlbildung der Aortenklappe vorgelegen, diese sei aber erst im Erwachsenenalter behandlungsbedürftig gewesen. Insoweit scheide die Kodierung des ICD-10-GM Q23.1 aus.

 

Die Vorinstanzen verurteilten die beklagte Krankenkasse zur Zahlung und ließen die Revision nicht zu. Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision wies das BSG zurück.

 

Entscheidungsgründe

 

Eingangs betont das BSG seine ständige Rechtsprechung, wonach Abrechnungsbestimmungen „stets eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematischer Erwägungen auszulegen“ sind (BSG, aaO, Rdz. 10). Bewertungen und Bewertungsrelationen haben außer Betracht zu bleiben. Dies gelte auch für Erwägungen, ob die normativen Bestimmungen (hier: ICD-Kode) sachgerecht seien. Auch dies habe nach der ständigen Rechtsprechung des BSG außer Betracht zu bleiben (BSG, aaO, Rdz. 12).

 

Anschließend befasst sich das BSG mit dem (eindeutigen) Wortlaut des ICD-10-GM Q23.1. Der Wortlaut des ICD-10-GM Q23.1 beziehe sich ausdrücklich auf die bikuspidale Aortenklappe. Ohne weitere Voraussetzungen werde dies als Unterfall der „angeborenen Aortenklappeninsuffizienz“ bezeichnet. Eine wie auch immer geartete zeitliche Obergrenze der Behandlung als weitere Kodiervoraussetzung sei dort nicht erwähnt. Die Überschrift zu Q23 sei weit gefasst und umfasse „Angeborene Fehlbildungen der Aorten- und der Mitralklappe“. Die bikuspidale Aortenklappe stelle eine solche angeborene Fehlbildung dar, ohne dass es darauf ankomme, ob sie bereits bei der Geburt in ihrer Funktionsfähigkeit eingeschränkt und/oder behandlungsbedürftig war (BSG, aaO, Rdz. 11).

 

Anmerkungen

 

Der Entscheidung des BSG kommt besonderes Gewicht zu, da es erneut hervorhebt, wie die Abrechnungsbestimmungen (DKR, FPV, OPS, ICD) zu handhaben sind. Nicht immer wird dies von den Krankenkassen beherzigt. Ein Musterbeispiel ist die Auffassung des MDK im vorliegenden Fall, der trotz des eindeutigen Wortlauts des ICD-10-GM Q23.1 eine einschränkende Auslegung verlangt. Die Begründung der Krankenkasse war hierbei, dass es zu einem „Erdrutsch“ kommen würde, wenn man keine zeitliche Obergrenze für die angeborene Aortenklappeninsuffizienz einziehe. Diese Erwägungen betreffen jedoch nicht die Auslegung des ICD-Kodes, wie das BSG zutreffend herausstellt, sondern die Frage der Sachgerechtigkeit. Zuständig für die Pflege der Diagnoseschlüssel ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Auftrag des BMG, das die internationale Klassifikation der Krankheiten herausgibt.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

 

  letzte Änderung: 10.12.2020 15:27:12
 
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Vorsicht Verjährung!

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

liebe Mandantinnen und Mandanten,

 

Krankenhausforderungen für die Behandlung von Patientinnen und Patienten im Jahr 2016 verjähren zum 31.12.2020. Aus anwaltlicher Vorsicht wollte ich Sie darauf rechtzeitig hinweisen – am 01.01.2021 wäre die Klageerhebung zu spät.

 

  Datum: 03.12.2020 09:56:01
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Neues aus der Gesetzgebung – Krankenhaus-Rettungsschirm 2.0
 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die auf kurze Sicht angelegten Gesetzgebungsvorhaben der Bundesregierung sind ungebrochen. Am 18.11.2020 erfolgten die abschließenden Beratungen im Bundestag und Bundesrat über ein 3. Bevölkerungsschutzgesetz. Diese enthalten auch Regelungen für den Krankenhausbereich, die unter dem Titel „Krankenhaus-Rettungsschirm 2.0“ laufen. Mit einer kurzfristigen Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt ist zu rechnen.

 

Die wichtigsten Regelungen für den Krankenhausbereich werden nachstehend kursorisch dargestellt.

 

1. Ausgleichszahlungen für Krankenhäuser wegen Freihaltung von Betten aufgrund der SARS-CoV-2-Pandemie

 

Der bisherige Anspruch der Krankenhäuser auf Ausgleichszahlungen ist am 30.09.2020 ausgelaufen. Durch die unterjährig erlassene Ausgleichszahlung-Anpassungs-Verordnung vom 03.07.2020 wurden vom BMG differenzierte tagesbezogene Pauschalen festgelegt, die in der Anlage zur Verordnung für jedes einzelne Krankenhaus ersichtlich sind.

 

Nach Auslaufen dieser Regelung führt der Gesetzgeber wieder Ausgleichszahlungen für Krankenhäuser ein, die allerdings auf völlig anderen Voraussetzungen als bisher basieren. Die Ausgleichszahlungen sollen die Erlösausfälle der Krankenhäuser abdecken, die in dem Zeitraum vom 18.11.2020 bis zum 31.01.2021 entstehen. Die Ausgleichszahlungen werden vom Bund aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds gezahlt.

 

Die Ausgleichszahlungen richten sich in erster Linie an Krankenhäuser, die nach dem G-BA-Beschluss zu dem gestuften System von Notfallstrukturen in Krankenhäusern vom 19.04.2018 der Stufe 2 (erweiterte Notfallversorgung) und der Stufe 3 (umfassende Notfallversorgung) zugeordnet sind. Des Weiteren hat der Gesetzgeber einen regionalen Bezug hergestellt und den Anspruch auf Ausgleichszahlungen an bestimmte Bedingungen geknüpft.

 

Die Schlüsselrolle kommt dabei den zuständigen Landesbehörden zu. Diese bestimmen letztendlich, welche Krankenhäuser anspruchsberechtigt sind. Dabei geht der Gesetzgeber davon aus, dass die zuständigen Landesbehörden in erster Linie die Krankenhäuser bestimmen und in die Ausgleichszahlungen einbeziehen, die der Notfallstufe 2 bzw. 3 zugeordnet werden. Die übrigen Krankenhäuser können nach der Vorstellung des Gesetzgebers grundsätzlich weiterhin der stationären Regelversorgung von Patienten dienen. Soweit Krankenhäuser noch keine Einstufung in das Notfallstufensystem des G-BA vereinbart haben, können die zuständigen Landesbehörden für die Zwecke der Ausgleichszahlungen eine eigenständige Zuordnung zum Notfallstufensystem vornehmen. Eine ergänzende Rolle kommt hierbei dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu, der seinerseits eine Einstufung der Krankenhäuser nach dem Notfallstufensystem des G-BA zur Verfügung stellt, die allerdings nur seine Sichtweise wiedergibt. Die Einstufung der Landesbehörde hat in diesem Zusammenhang keine präjudizielle Wirkung für die Vertragsparteien.

 

Grundlage der Ausgleichszahlungen sind vom Gesetzgeber vorgegebene Schwellenwerte: Dabei kommt es auf die regionale Verfügbarkeit freier betreibbarer intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten für den Landkreis, für die kreisfreien Städte und bei Stadtstaaten für die Stadtbezirke an. Unterschreitet die regionale Verfügbarkeit freier betreibbarer intensivmedizinischer Behandlungskapazitäten den Schwellenwert von durchschnittlich 25 % an sieben fortlaufenden Tagen ist eine Voraussetzung erfüllt. Der zweite Schwellenwert, der vorliegen muss, ist eine 7-Tage-Inzidenz von über 70 je 100.000 Einwohner in der Region. Dieser wird vom Robert-Koch-Institut über die Gesundheitsämter der zuständigen Landesbehörde übermittelt (einmal wöchentlich).

 

Ergibt sich, dass die vorgenannten Voraussetzungen 14 Tage ununterbrochen nicht mehr vorliegen, hebt die Landesbehörde die Bestimmung des Krankenhauses wieder auf.

 

Der Anspruch auf die Ausgleichszahlungen endet dann am 14. Tag nach der Aufhebung.

 

Die Höhe der Ausgleichszahlungen richtet sich nach dem in § 21 Abs. 2 KHG vorgesehenen System, dem ein Referenzwert (Jahresdurchschnitt 2019 pro Tag voll- oder teilstationär behandelter Patienten) zugrunde liegt. Neu ist allerdings, dass die ausgleichsfähigen Behandlungstage nur zu 90 % berücksichtigt werden. Grundlage der Berechnung ist dann die Anlage 1 der COVID-19-Ausgleichszahlungs-Anpassungs-Verordnung vom 03.07.2020, die in der Anlage 1 die Höhe der Pauschale für das jeweilige Krankenhaus festgelegt hat.

 

Die weitere liebevolle Ausgestaltung des neuen Ausgleichssystems können Sie dem Artikel 2a (Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes) des 3. Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite entnehmen, der § 21 KHG durch die Absätze 1a, 2a und 4a ergänzt hat.

 

2. Ausgleichszahlungen und Pflegepersonaluntergrenzenverordnung

 

Erhalten Krankenhäuser Ausgleichszahlungen aufgrund der Bestimmung durch die zuständige Landesbehörde wird unterstellt, dass sie den Ausnahmetatbestand „Epidemie“ nach der PpUGV nachgewiesen haben.

 

3. Ganzjahres-Minder-Erlösausgleich

 

Nach § 21 Abs. 11 KHG können Krankenhausträger dafür optieren, ob sie einen Ganzjahres-Minder-Erlösausgleich für das Jahr 2020 geltend machen. Nunmehr hat der Gesetzgeber geregelt, dass der Spitzenverband Bund den Vertragsparteien vor Ort die Höhe der geleisteten Ausgleichszahlungen nach § 21 Abs. 1a KHG mitteilt, wenn ein Krankenhausträger verlangt, dass eine Vereinbarung zu einem Ganzjahres-Minder-Erlösausgleich getroffen wird.

 

Bei der Ermittlung der Erlöse für das Jahr 2020 werden sowohl die früheren Ausgleichszahlungen bis 30.09.2020 als auch die neu konzipierten Ausgleichszahlungen ab 18.11.2020 bis einschließlich 31.12.2020 berücksichtigt.

 

4. Weitgehende Ermächtigungen des BMG zum Erlass einer Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Finanzen – ohne Zustimmung des Bundesrats

 

Das Gesetz sieht eine weitgehende Ermächtigung des BMG vor, zu bestimmten krankenhausrelevanten Tatbeständen kurzfristige Änderungen durchzuführen. Dies betrifft u. a. den Kreis der anspruchsberechtigten Krankenhäuser für Ausgleichszahlungen, die Berechnungsmethode der Ausgleichszahlungen, den Zeitraum für die Ausgleichszahlungen, die Vorgaben für den Ganzjahres-Minder-Erlösausgleich für das Jahr 2021.

 

5. Ausweitung der Datenübermittlungspflicht

 

Durch Änderung von § 24 KHG erstreckt der Gesetzgeber nunmehr die Datenübermittlungspflicht von Leistungs- und Abrechnungsdaten an das InEK auf das ganze Jahr 2020 (01.01. bis 31.12.2020). An den in § 24 Abs. 3 KHG vorgesehenen Sanktionen hält der Gesetzgeber fest. Übermittelt ein Krankenhaus die Daten nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig, entsteht für jeden Krankenhausfall ein Abschlag in Höhe von 10,00 €, mindestens jedoch ein Abschlag in Höhe von 20.000,00 € für jeden Standort des Krankenhauses. Ausnahme hiervon: Bei unbilliger Härte für das Krankenhaus.

 

6. Ausnahmen von der Prüfung der Krankenhausrechnungen und von der Prüfung von Strukturmerkmalen

 

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat eine Liste über Mindestmerkmale von OPS-Kodes erstellt, die nach § 25 Abs. 1 KHG von der Prüfung ausgenommen sind. Behandelt ein Krankenhaus SARS-CoV-2 Patienten, darf die Krankenkasse die ordnungsgemäße Abrechnung der erbrachten Krankenhausleistungen nicht mehr dahingehend prüfen, ob die in der Liste des BfArM aufgeführten Mindestmerkmale von OPS-Kodes erfüllt sind. Der bisherige Zeitraum wird verlängert vom 01.11.2020 bis einschließlich 30.06.2021. Klargestellt wird zudem, dass die Ausnahmeregelung sich auf den gesamten Behandlungsfall erstreckt, unabhängig vom Datum der Aufnahme, der Entlassung oder der Verlegung der Patienten.

 

Ab dem 01.01.2021 kann die BfArM-Liste auch Strukturmerkmale aufführen. Bereits jetzt unterscheiden die OPS-Kodes für das Jahr 2021 zwischen patientenbezogenen Mindestmerkmalen und Strukturmerkmalen. Auch im Rahmen der Prüfung von Strukturmerkmalen nach § 275d SGB V wird der Zeitraum bis 30.06.2021 von dem Nachweis der Erfüllung der Strukturmerkmale ausgenommen. Der MD begutachtet dann nicht, ob das Krankenhaus das betreffende Strukturmerkmal einhält.

 

Die näheren Einzelheiten sind in § 25 KHG geregelt.

 

7. Zahlungsfrist für Krankenhausrechnungen: 5 Tage

 

Bisher war die gesetzlich vorgeschriebene Zahlungsfrist für Krankenhausrechnungen von 5 Tagen bis zum 31.12.2020 befristet. Nunmehr sieht § 417 SGB V eine Verlängerung der 5 Tage-Zahlungsfrist bis zum 30.06.2021 vor. Des Weiteren kann das BMG durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates diese Regelung erneut verlängern.

 

Die näheren Einzelheiten ergeben sich aus § 417 SGB V.

 

8. Vorläufiger Pflegeentgeltwert ab 01.01.2021

 

Der Pflegeentgeltwert richtet sich in erster Linie nach der vereinbarten Höhe im Rahmen des Pflegebudgets. Die meisten Krankenhäuser haben noch kein Pflegebudget für das Jahr 2020 vereinbart, so dass der Gesetzgeber die Notwendigkeit sah, eine vorläufige Abrechnungsgröße festzulegen. Insoweit wird der zunächst vorgesehene Pflegeentgeltwert von 146,55 € auf 163,09 € erhöht. Damit wird er an die Entwicklung der Pflegepersonalkosten im Jahr 2020 und 2021 angepasst.

 

Die neue Regelung ist in § 15 Abs. 2a Satz 1 Nr. 3 KHEntgG enthalten. 

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 18.11.2020 17:04:38
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Krankenhausspezifische Regelungen des Krankenhauszukunftsgesetzes vom 23.10.2020 (KHZG) – BGBl. I S. 2208 -
 

 

Krankenhausspezifische Regelungen des Krankenhauszukunftsgesetzes vom 23.10.2020 (KHZG) – BGBl. I S. 2208 -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

ist es nicht schön, dass der Gesetzgeber nun auch die Zukunft der Krankenhäuser regelt. Allerdings betrifft dies nur eine kurzfristige Perspektive und es bleibt noch viel zu tun. Zu große Erwartungen darf man aufgrund des vielversprechenden Titels „Krankenhauszukunftsgesetz“ nicht hegen. Eine Auswahl krankenhausspezifischer Regelungen des KHZG wird nachstehend dargestellt:

 

1. Einrichtung eines Krankenhauszukunftsfonds – Schwerpunkt des KHZG

 

Beim Bundesamt für soziale Sicherung wird ein Krankenhauszukunftsfonds in Höhe von insgesamt 3.000.000.000 € eingerichtet. Die erforderlichen Mittel werden Anfang 2021 vom Bund der Liquidätsreserve des Gesundheitsfonds zugeführt.

 

Der Krankenhauszukunftsfonds dient der Förderung von folgenden Investitionsmaßnahmen in:

 

-  die technische und insbesondere informationstechnische Ausstattung der Notaufnahmen –

 

- die digitale Infrastruktur zur Förderung der internen, innersektoralen und sektorenübergreifenden Versorgung von Patientinnen und Patienten, insbesondere, um die Ablauforganisation, Dokumentation und Kommunikation zu digitalisieren, sowie zur Einführung oder Verbesserung von Telemedizin, Robotik und Hightechmedizin;

 

- die Informationssicherheit und

 

- die gezielte Entwicklung und die Stärkung wettbewerbsrechtlich zulässiger regionaler Versorgungsstrukturen, um die Versorgungsstrukturen sowohl im Normalbetrieb als auch in Krisenzeiten konzeptionell aufeinander abzustimmen.

 

Das jeweilige Land beantragt einen Anteil am Krankenhauszukunftsfonds nach Maßgabe des Königsteiner Schlüssels mit Stand vom 01.10.2018.

 

Bezogen auf die vorgenannten Fördermaßnahmen meldet der Krankenhausträger seinen Förderbedarf beim Land an.

 

Des Weiteren geht die gesetzliche Regelung davon aus, dass das Land, der Krankenhausträger oder beide gemeinschaftlich mindestens 30 % der Fördersumme selbst tragen.

 

Die näheren Einzelheiten ergeben sich aus § 14a KHG.

 

2. Abschlag für die Krankenhäuser nach § 5 Abs. 3h KHEntgG

 

Die Krankenhausstrukturfonds-Verordnung gibt in § 19 in Ergänzung zum Krankenhauszukunftsfonds bestimmte Projekte vor, die ab 01.01.2025 einem Abschlag unterliegen, wenn diese zu diesem Zeitpunkt nicht zur Verfügung stehen. Der Abschlag beträgt 2 % des Rechnungsbetrages für jeden voll- und teilstationären Fall, sofern ein Krankenhaus nicht sämtliche in § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2-6 Krankenhausstrukturfondsverordnung aufgezählten digitalen Dienste bereitstellt. Dies sind folgende Projekte:

 

- die Einrichtung von Patientenportalen

- die Einrichtung einer durchgehenden, strukturierten elektronischen Dokumentation von Pflege- und Behandlungsleistungen

 

- die Einrichtung teil- oder vollautomatisierter klinischer Entscheidungsunterstützersysteme

 

- die Einrichtung eines durchgehenden digitalen Medikationsmanagements

 

- die Einrichtung eines krankenhausinternen digitalen Prozesses zur Anforderung von Leistungen.

 

Welchen Zwecken diese digitalen Einrichtungen dienen, ist in § 19 Krankenhausstrukturfondsverordnung im Einzelnen beschrieben.

 

In Ergänzung dazu haben die Vertragsparteien auf Bundesebene den Auftrag, das Nähere zur Umsetzung des Abschlags zu regeln (gem. § 291a Abs. 7a Satz 3 SGB V). Die Vereinbarung hat auch Regelungen über die konkrete Höhe des Abschlags vorzusehen, wenn z.B. nur teilweise digitale Dienste bereitgestellt wurden.

 

Die näheren Einzelheiten sind in § 5 Abs. 3h KHEntgG geregelt.

 

3. Option des Krankenhausträgers auf einen Ganzjahres-Minder-Erlösausgleich

 

Stellt sich heraus, dass die Erlöse im Jahr 2020 aufgrund des CoronaVirus SARS-CoV-2 gegenüber dem Jahr 2019 zurückgegangen sind, hat der Krankenhausträger einen Anspruch auf Erlösausgleich. Die Regelung nach § 21 Abs. 11 KHG ist als Option ausgestaltet („auf Verlangen eines Krankenhausträgers“). Es entscheidet also der Krankenhausträger, ob er den Anspruch realisieren will bzw. muss. Überdeckungen darf er behalten.

 

Die Höhe des letztendlich dem Krankenhaus zustehenden Gesamtjahres-Minder-Erlösausgleichs hängt jedoch im Wesentlichen von dem auf Bundesebene festgelegten Ausgleichsatz ab. Die Vertragsparteien auf Bundesebene haben nach § 21 Abs. 10 KHG die näheren Einzelheiten für die Ermittlung der Erlöse, die Kriterien für die Berechnung des entstandenen Erlösrückgangs, die Höhe des Ausgleichssatzes und weitere Einzelheiten zum Nachweis der Erfüllung der festgelegten Kriterien zu regeln (§ 21 Abs. 10 Satz 1 Nr. 1-4 KHG).

 

Diesen Auftrag sollen die Vertragsparteien auf Bundesebene bis zum 31.12.2020 erfüllen. Stehen die näheren Einzelheiten, insbesondere die Höhe des Ausgleichssatzes fest, wird der zu ermittelnde Ganzjahres-Erlösrückgang mit dem auf Bundesebene festgelegten Ausgleichsatz multipliziert. Die Abrechnung erfolgt durch Zuschläge auf die Entgelte des laufenden oder eines folgenden Vereinbarungszeitraums.

 

4. Regelungen zum Fixkostendegressionsabschlags 2020 und 2021

 

Der Gesetzgeber stellt nunmehr klar, dass im Jahr 2020 kein Fixkostendegressionsabschlag anfällt.

 

Dies bedeutet:

 

- FDA 2018: Erhebung nur in den Jahren 2018 und 2019 – nicht im Jahr 2020

 

- FDA 2019: Erhebung nur in den Jahren 2019 und 2021 – keine Erhebung im Jahr 2020

 

- FDA 2020: werden in 2020 zusätzliche Leistungen gegenüber dem Jahr 2019 vereinbart, wird ein FDA nur in den Jahren 2021 und 2022 erhoben – für das Jahr 2020 entfällt der FDA

 

- FDA 2021: ob zusätzliche Fallpauschalen vereinbart wurden, ergibt sich aus dem Vergleich zur Vereinbarung mit dem Jahr 2019. Ist dies der Fall wird der FDA in den Jahren 2021, 2022 und 2023 erhoben.

 

Die näheren Einzelheiten ergeben sich aus § 4 Abs. 2a KHEntgG.

 

5. Zuschlag für nicht anderweitig finanzierte Mehrkosten aufgrund des CoronaVirus SARS-CoV-2.

 

Es wird ein Zuschlag zur Finanzierung von nicht anderweitig finanzierten Mehrkosten, die den Krankenhäusern aufgrund des CoronaVirus SARS-CoV-2 im Zusammenhang mit der voll- oder teilstationären Behandlung von Patientinnen und Patienten entstehen, eingeführt. Dies betrifft Patientinnen und Patienten, die vom 01.10.2020 bis einschließlich 31.12.2021 in das Krankenhaus aufgenommen wurden.

 

Die Höhe des Anspruchs ist im Gesetz selbst nicht geregelt. Es ist vielmehr Aufgabe der Vertragsparteien auf Bundesebene, die näheren Vorgaben hierzu zu regeln. Insbesondere ist zu vereinbaren, welche Kosten durch den Zuschlag finanziert werden sollen und welche Anforderungen an den Nachweis der Kosten gestellt werden. Des Weiteren sollen auch Empfehlungen auf Bundesebene gegeben werden, wie die Kosten zu kalkulieren sind.

 

Die näheren Einzelheiten hierzu ergeben sich aus § 5 Abs. 3i KHEntgG.

 

6. Coronaprämie – für Pflegekräfte und andere Beschäftigte

 

Das Gesamt- Finanzierungsvolumen für die Coronaprämie für Pflegekräfte und andere Beschäftigte aufgrund von besonderen Belastungen durch die SARS-CoV-2-Pandemie beträgt insgesamt 100.000.000,-- €.

 

Das Verfahren ist in § 26a KHG minutiös geregelt. Es ist als 3 stufiges Verfahren angelegt:

 

(1) Zugelassene Krankenhäuser, die vom 01.01.2020 bis zum 31.05.2020 durch die voll- oder teilstationäre Behandlung von mit CoronaVirus-SARS-CoV-2 infizierten Patientinnen und Patienten besonders belastet waren, haben für ihre im vorgenannten Zeitraum beschäftigten Pflegekräfte in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen unter näheren Voraussetzungen einen Anspruch auf Auszahlung der entsprechenden Mittel.

 

(2) 100.000.000,-- € Prämienvolumen fließen beim Spitzenverband Bund der Krankenkassen zusammen. Die Berechnungen des krankenhausindividuellen Anspruchs auf Prämien wird vom InEK festgestellt und veröffentlicht. Dies ist am 03.11.2020 erfolgt. Danach kommen 433 KH in den Genuß der Coronaprämie. Das Fördervolumen liegt in einer Bandbreite von rund 44.000,-- € bis zu rd 2,2 Mio € je KH. Auf der Grundlage dieser Veröffentlichung leitet der Spitzenverband Bund der Krankenkassen die entsprechenden Beträge an die anspruchsberechtigten Krankenhäuser weiter.

 

(3) Die Auswahl der Prämienempfänger sowie die Bemessung der individuellen Prämienhöhe entsprechend der Belastung der Pflegekräfte erfolgt durch den Krankenhausträger im Einvernehmen mit der Arbeitnehmervertretung. Neben den Pflegekräften in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen sollen auch andere Beschäftigte, die besonders belastet waren, eine Prämie erhalten.

 

Die Prämien sollen bis zum 31.12.2020 an die vorgesehenen Beschäftigten ausgezahlt werden. Über die zweckentsprechende Verwendung der Mittel ist den Vertragsparteien vor Ort eine Bestätigung des Jahresabschlussprüfers bis zum 30.09.2021 vorzulegen. Nicht zweckentsprechende Mittel sind zurück zu zahlen.

 

Die Einzelheiten hierzu ergeben sich aus § 26a KHG.

 

7. Laufzeit des Krankenhausstrukturfonds

 

Der Krankenhausstrukturfonds wird bis zum 31.12.2024 verlängert. Daneben  erfolgen weitere Änderungen und Ergänzungen im Rahmen der Krankenhausstrukturfonds-Verordnung (Art. 2 KHZG). Die Änderung der Krankenhausstrukturfonds-Verordnung enthält auch die näheren Einzelheiten zur Förderung durch den Krankenhauszukunftsfonds nach § 14a KHG, einschließlich der Abgrenzung beider Fonds.

 

8. Anpassung der Richtlinie zur Personalausstattung in Psychiatrie und Psychosomatik (PPP-RL) durch den GBA.

 

Bisher sah § 136a Satz 9 SGB V Mindestvorgaben für die Zahl der vorzuhaltenden Psychotherapeuten vor, die bettenbezogen ausgestaltet werden sollten. Die Anpassung der PPP-RL soll nunmehr bis zum 30.09.2021 mit Wirkung zum 01.01.2022 durch den GBA erfolgen. Gleichzeitig wird jedoch der Bettenbezug der Mindestvorgaben gestrichen, um die notwendige Flexibilität der Kliniken hinsichtlich vorhandener psychotherapeutischer Ressourcen zu erhalten. Um der jeweiligen konkreten Versorgungs- und Behandlungssituation Rechnung zu tragen, ist nach Auffassung des Gesetzgebers ein abgestufter, subtilerer Maßstab notwendig. Der Gesetzgeber geht in seiner Gesetzesbegründung davon aus, dass der GBA den verlängerten Zeitraum dazu nutzt, eine valide Datenerhebung vorzunehmen und die personellen Mindestvorgaben für die Berufsgruppe der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten auf einer evidenzbasierten Grundlage abzubilden.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 12.11.2020 16:32:19
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IPReG: neue Abschläge, neues Zusatzentgelt
 

 

Intensivpflege – und Rehabilitationsstärkungsgesetz – GKV – IPReG

hier: Regelungen für die Krankenhäuser – neue Abschläge, neues Zusatzentgelt

Sehr geehrte Damen und Herren,

geht es Ihnen auch so: Kaum haben Sie gedacht, Sie hätten eine Übersicht über die aktuellen gesetzlichen Regelungen erhalten, erscheint ein neues Gesetz, dem man zunächst nicht ansieht, dass es auch die Krankenhäuser betrifft. Dies ist bei dem Intensivpflege – und Rehabilitationsstärkungsgesetz – GKV – IPReG der Fall.

Um folgende Regelungen geht es:

(1)     §§ 39 Abs. 1 Satz 6, 39 Abs. 1a Satz 7 SGB V

      § 39 Abs. 1 SGB V wird durch einen Satz 6 ergänzt: Danach gehört zur Krankenhausbehandlung auch eine qualifizierte ärztliche Einschätzung des Beatmungsstatus im Laufe der Behandlung und vor der Verlegung oder Entlassung von Beatmungspatienten.

        Des Weiteren wird die Regelung in § 39 Abs. 1a SGB V durch einen Satz 7 ergänzt: Danach umfasst das Entlassmanagement auch die Verordnung einer erforderlichen Anschlussversorgung durch Krankenhausbehandlung in einem anderen Krankenhaus.

(2)     § 9 Abs. 1a Nr. 8 KHEntgG

         Verstößt ein Krankenhaus gegen die Verpflichtungen aus § 39 Abs. 1 Satz 6 SGB V (Einschätzung des Beatmungsstatus) oder aus § 39 Abs. 1a Satz 7 SGB V (Verordnung einer erforderlichen Anschlussversorgung zur Beatmungsentwöhnung), muss es künftig Abschläge hinnehmen. Dies ist nunmehr durch Ergänzung in § 9 Abs. 1a Nr. 8 KHEntgG geregelt. Danach hat die Bundesebene die Aufgabe, bis zum 31. März 2021 das Nähere zu den Voraussetzungen, zur Höhe und zur Ausgestaltung von Abschlägen für Krankenhäuser zu regeln.

(3)     § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 SGB V

      Im gleichen Atemzug wird § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 SGB V ergänzt. Die Datenübermittlung umfasst nunmehr auch bei der Verlegung von Versicherten, die beatmet werden, die Angabe der aufnehmenden Einrichtung sowie bei der Entlassung von Versicherten, die beatmet werden, die Angabe, ob eine weitere Beatmung geplant ist.

(4)     § 5 Abs. 3f KHEntgG

       Liegt die Bundesvereinbarung über die Festlegung der Höhe und der Ausgestaltung von Abschlägen im Zusammenhang mit den Beatmungs- Regelungen vor, hat das Krankenhaus die Verpflichtung, den Abschlagsbetrag in der Rechnung mindernd auszuweisen. Erfolgt dies im Einzelfall nicht, darf die Krankenkasse den entsprechenden Rechnungsminderungs-Betrag einbehalten (§ 5 Abs. 3f KHEntgG).

(5)     § 6 Abs. 2a KHEntgG

    Ergänzend sieht der Gesetzgeber in § 6 Abs. 2a KHEntgG ein krankenhausindividuelles Zusatzentgelt für eine längerfristige Beatmungsentwöhnung vor, solange noch kein bundeseinheitliches Zusatzentgelt besteht. Das krankenhausindividuelle Zusatzentgelt für längerfristige Beatmungsentwöhnung kann ab dem Jahr 2021 bereits vereinbart werden.

 

Das GKV-IPReG vom 23.10.2020 ist am 28.10.2020 veröffentlicht worden und am 29.10.2020 in Kraft getreten.

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 09.11.2020 14:57:34
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Weaning: Befreiung von Beatmung
 

 

Die Gewöhnung an die maschinelle Beatmung ist keine Voraussetzung für eine Entwöhnung gemäß DKR 1001l (2013). Vielmehr ist die Entwöhnung zu definieren als „Befreiung eines Patienten von der Beatmung“

 

Urteil des Bayerischen LSG vom 26.05.2020, Az.: L 5 KR 273/17 – nicht rechtskräftig

 

- Beatmung, Entwöhnung, Weaning, Spontanatmung, Gewöhnung -

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

im vorliegenden Fall ging es um die Anzahl der Beatmungsstunden und die Berücksichtigung der Zeiten der Entwöhnung. Dabei stellt sich das LSG gegen die Rechtsprechung des BSG.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus hatte einen Patienten wegen rezidivierendem ventilatorischem Versagen bei exazerbierter COPD vom 07.03.2013 bis 25.03.2013 vollstationär behandelt. Der Patient wurde von einem Rettungswagen in das Krankenhaus gebracht und dort vom 07.03. bis 09.03.2013 intensivmedizinisch versorgt mittels nicht-invasiver Beatmung mit intermittierenden Spontanatmungsperioden. Anschließend wurde der Patient am 09.03.2013 in die Innere Medizin verlegt und weiter behandelt bei nochmaliger Übernahme auf der Intensivstation vom 10. bis zum 13.03.2013 ohne Beatmungsbedürftigkeit.

 

Die Klägerin rechnete für die vollstationäre Krankenhausbehandlung die DRG E40B (Krankheiten und Störungen der Atmungsorgane mit Beatmung > 24 Stunden) bei der beklagten Krankenkasse ab.

 

Der von der Beklagten beauftragte MDK kam in seiner Stellungnahme zum Ergebnis, dass lediglich die tatsächlichen Beatmungszeiten zu berücksichtigen seien; es sei daher nur die DRG E65A abzurechnen.

 

Dem trat die Klägerin entgegen und war der Auffassung, der Begriff der Entwöhnung sei in den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) nicht definiert. Entgegen der Auffassung des BSG komme es nach den DKR nicht auf eine Gewöhnung als Voraussetzung an. Eine Entwöhnung von einer künstlichen Beatmung sei bereits dann anzunehmen, wenn diese beginne. Beatmungsfreie Intervalle seien zur Beatmungszeit hinzuzurechnen.

 

Demgegenüber vertrat die Beklagte die Auffassung, dass keine Periode der Entwöhnung angenommen werden könne. Dementsprechend sei nur die tatsächliche Beatmungszeit anzusetzen, nicht jedoch die Phasen der Spontanatmung.

 

Das Sozialgericht gab der Klage statt. Hiergegen legte Beklagte Berufung ein. Das Bayerische LSG bestätigte die I. Instanz.

 

Entscheidungsgründe

 

Das Bayerische LSG lässt sich davon leiten, dass die Dauer der Beatmung mit dem Anlegen der Maske und Einsetzen der maschinellen Beatmung beginnt. Als Ende der Beatmung bestimmt die DKR 1001l u.a. „die Beendigung der Beatmung nach einer Phase der Entwöhnung“.

 

Neben den medizinisch dokumentierten Beatmungsstunden, in denen der Patient mit der Maske beatmet worden ist, sind die Spontanatmungsstunden hinzuzuzählen, wenn der Wechsel von Beatmung und Spontanatmung in einer Phase der Entwöhnung erfolgt. Im speziellen Fall einer Entwöhnung mit intermittierenden Phasen der maschinellen Unterstützung der Atmung durch Masken-CPAP im Wechsel mit Spontanatmung ist eine Anrechnung auf die Beatmungszeit nur möglich, wenn die Spontanatmung des Patienten insgesamt mindestens 6 Stunden pro Kalendertag durch Masken-CPAP unterstützt wurde.

 

Entgegen der Auffassung des BSG (Urteil vom 19.12.2007 – B 1 KR 18/17 R) kommt es nicht auf einen Gewöhnungsprozess an. Die Rechtsprechung des BSG, von einer Gewöhnung könne man nicht ausgehen, wenn ein Patient schon von Anbeginn mittels Maske maschinell beatmet werde, ist nicht tragfähig.

 

Diese von der Rechtsprechung definierten Anforderungen der Entwöhnungsphase finden weder eine Grundlage im Wortlaut der DKR 1001l noch basieren sie auf fachmedizinisch anerkannten Zusammenhängen (Bayerisches LSG, aaO, Rdz. 33).

 

Die DKR 1001l verwenden den Begriff der Entwöhnung nicht. Dieser existiere im Sinne einer Kausalkette Gewöhnung-Entwöhnung im Bereich der Beatmung nicht. Bei der maschinellen Beatmung findet eine Gewöhnung im pathophysiologischen Sinne nicht statt. Grund der künstlichen Beatmung sei immer eine akute Gasaustauschstörung oder Schwächung bzw. Überlastung der Atemmuskulatur (Bayerisches LSG, aaO, Rdz. 33 unter Bezug auf das Positionspapier der DGP und den VPK, Pneumologie 2019, 73: 716 ff).

 

Letztlich kommt das Bayerische LSG zu dem Schluss, dass es für eine Entwöhnung (sog. Weaning von der künstlichen Beatmung) keiner vorherigen Gewöhnung bedarf. Als Definition der Entwöhnung gelte nach internationaler Ansicht die „Befreiung eines Patienten von der Beatmung“.

 

Anmerkungen

 

Das Urteil des BSG vom 19.12.2017, B 1 KR 18/17 R ist sowohl in medizinischen als auch in juristischen Fachkreisen auf größte Bedenken gestoßen und lässt sich insbesondere mit der medizinischen Fachliteratur zum sog. Weaning nicht in Einklang bringen. Inzwischen wurde die DKR 1001s erlassen, die eine grundlegende Neukonzeption der Beatmung enthält. Allerdings ist die vom Bayerischen LSG entschiedene Fragestellung nach wie vor aktuell für anhängige Vergütungsstreitigkeiten mit Behandlungen bis zum 31.12.2019.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 06.11.2020 09:02:22
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Fallzusammenführung/Verlegung
 

 

Eine Rückverlegung nach §§ 1 Abs. 1 Satz 2, 3 Abs. 3 FPV findet auch dann Anwendung, wenn der Patient von dem zweiten Krankenhaus, in das der Patient verlegt wurde, nach Hause entlassen wurde und innerhalb von 24 Stunden wieder in das erste Krankenhaus aufgenommen wurde. Dies folgt aus der Definition der Verlegung in § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV.

 

BSG Urteil vom 27.10.2020, Az.: B 1 KR 8/20 R

 

- Verlegung, Rückverlegung, Entlassung nach Hause, Fallzusammenführung, FPV, Definition Verlegung, Zeitvorgabe 24 Std. -

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

im vorliegenden Rechtsstreit ging es um die Frage, wie der Rechtsbegriff der Verlegung in § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV zu verstehen ist. Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass eine Verlegung nur dann in Betracht zu ziehen ist, wenn die Behandlung in dem verlegenden Krankenhaus noch nicht abgeschlossen sei. Da der Patient im vorliegenden Fall nach Hause entlassen wurde, läge in diesem Sinne keine Verlegung (Rückverlegung) vor.

 

Das BSG hob die Urteile der Vorinstanzen auf und stellte ausschließlich auf die formale zeitliche Definition der Verlegung in § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV ab.

 

Sachverhalt

 

Die bei der Beklagten versicherte Patientin befand sich vom 01.11.2010 bis zum 03.11.2010 in stationärer Behandlung im Krankenhaus der Klägerin (Krankenhaus A). Abgerechnet wurde die DRG L62A.

 

Am 03.11.2010 erfolgte die Verlegung in das Krankenhaus B. Dort verblieb die Patientin zur Krankenhausbehandlung bis zum 11.11.2020. Die Patientin wurde vom Krankenhaus B am 11.11.2020 nach Hause entlassen

 

Am Folgetag (12.11.2010), wurde die Patientin vom Notarzt wegen eines Kollapses erneut in das Krankenhaus A eingewiesen, wo sie wegen einer Gastroenteritis nach antibiotischer Therapie bis zum 10.12.2010 stationär behandelt wurde. Zwischen der Entlassung der Patientin vom Krankenhaus B nach Hause und der Aufnahme im Krankenhaus A lag ein Zeitraum von weniger als 24 Stunden.

 

Für den ersten Krankenhausaufenthalt rechnete die Klägerin die DRG L62A und für den 2. Krankenhausaufenthalt die DRG G67A ab.

 

Die beklagte Krankenkasse verlangte eine Fallzusammenführung und verwies auf die Regelungen in §§ 1 Abs.1 Satz 4, 3 Abs. 3 Satz 1 FPV.

 

Demgegenüber vertrat die Klägerin die Auffassung, es sei zu keiner Rückverlegung gekommen, da die Patientin nach der Beendigung des Krankenhausaufenthaltes im Krankenhaus B nach Hause entlassen worden ist, also nicht in das Krankenhaus der Klägerin verlegt worden ist. Die erneute Aufnahme der Patientin basiere auf einer Einweisung durch den Notarzt aufgrund eines, von dem vorherigen Krankheitsgeschehen völlig losgelösten Krankheitsbildes.

 

Während die Vorinstanzen der Klägerin Recht gaben, hob das BSG die Urteile auf und wies die Klage ab.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG stellt ausschließlich formal auf die zeitliche Definition der Verlegung in § 1 Abs. 1 Satz 4 ab. Dort heißt es:

 

„Eine Verlegung im Sinne des Satzes 2 liegt vor, wenn zwischen der Entlassung aus einem Krankenhaus und der Aufnahme in einem anderen Krankenhaus nicht mehr als 24 Stunden vergangen sind.“

 

Nicht entscheidend sei ein Sachzusammenhang zwischen der ersten Krankenhausbehandlung im Krankenhaus A und dem Grund der erneuten Aufnahme des Patienten. Unerheblich sei auch, dass die Patientin vom Krankenhaus B nach Hause entlassen wurde und anschließend vom Notarzt wegen eines anderen Krankheitsgeschehens (Kollaps) wieder in das Krankenhaus A eingewiesen wurde. Auch in diesem Fall komme es nur darauf an, ob ein Patient nach Entlassung aus einem Krankenhaus in ein anderes Krankenhaus innerhalb von 24 Stunden wieder aufgenommen wurde. Aufgrund des Zeitablaufes sei diese Voraussetzung hier gegeben.

 

Anmerkungen

 

Die Rechtsauffassung des BSG begegnet Bedenken. Das BSG stellt isoliert auf die Regelung in § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV ab. Danach kommt es lediglich auf die Entlassung aus einem Krankenhaus und der Aufnahme in einem anderen Krankenhaus innerhalb von 24 Stunden an. Allerdings nimmt § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV ausdrücklich Bezug auf die Regelung in § 1 Absatz 1 Satz 2 FPV. Dort heißt es:

 

„Im Falle der Verlegung in ein anderes Krankenhaus rechnet jedes beteiligte Krankenhaus eine Fallpauschale ab.“

 

Dem Wortlaut nach muss also eine Verlegung in ein anderes Krankenhaus vorliegen. Vorliegend wurde jedoch die Patientin nicht in ein anderes Krankenhaus (hier vom Krankenhaus B in das Krankenhaus A) (zurück-)verlegt, sondern nach Hause entlassen und anschließend vom Notarzt wieder in das Krankenhaus A eingewiesen. Insoweit überdehnt das BSG die formale Sichtweise nach § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV und blendet aus, dass § 1 Abs. 1 Satz 4 FPV nur eine Zeitvorgabe enthält, wenn eine Verlegung von einem Krankenhaus in das andere erfolgt.

 

Zurzeit liegt nur der Terminsbericht vor. Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werde ich wieder berichten.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 04.11.2020 15:54:36
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Für die Kodierung einer Sepsis, hervorgerufen durch Escherichia coli, reicht ein Pärchen Blutkulturen (aerob und anaerob) aus.
 

 

Für die Kodierung einer Sepsis, hervorgerufen durch Escherichia coli, reicht ein Pärchen Blutkulturen (aerob und anaerob) aus. Soweit die Leitlinien DSG und DIVI für das Vorliegen eines SIRS infektiöser Genese ohne Organkomplikationen u. a. die Abnahme von mindestens 2 Blutkulturen - jeweils aerobes und anaerobes Pärchen - verlangen, stellen diese Leitlinien lediglich eine Empfehlung dar.

 

Urteil des SG Reutlingen vom 08.11.2017, Az.: S 1 KR 2880/16

 

- Leitlinien Fachgesellschaften, Kodierung Sepsis durch Escherichia coli, Blutkulturen, Empfehlung, SIRS-Kriterien (Systemisches infammatorisches Response-Syndrom)

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

basierend auf Leitlinien von Fachgesellschaften vertritt der MDK häufig die Auffassung, diese seien zwingend zu beachten, um eine richtige Kodierung vorzunehmen. Das SG Reutlingen setzt sich im Rahmen der Kodierung der A41.51 Sepsis durch Escherichia coli damit auseinander und stellt fest, dass Leitlinien der Fachgesellschaften im vorliegenden Fall bloßen Empfehlungscharakter haben.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelnde im Februar 2012 eine Patientin in der Klinik für Allgemein/Viszeral- und Gefäßchirurgie. Als Hauptdiagnose verschlüsselte das Krankenhaus die Hauptdiagnose mit A41.51 („Sepsis durch Escherichia coli“) und rechnete auf der Grundlage der Hauptdiagnose die DRG T01B (OR-Prozedur bei infektiösen und parasitären Krankheiten ohne komplexe OR-Prozedur, ohne komplizierende Konstellationen, außer nach Zustand nach Organtransplantation, bei Sepsis) ab.

 

Die beklagte Krankenkasse schaltete den MDK ein, der zum Ergebnis kam, dass die kodierte Sepsis aus den Unterlagen nicht nachvollziehbar sei. Anstelle der Hauptdiagnose A41.51 sei die Hauptdiagnose A49.8 (Sonstige bakterielle Infektionen nicht näher bezeichneter Lokalisationen) anzusetzen. Dies führe zur DRG T01C (OR-Prozedur bei infektiösen und parasitären Krankheiten ohne komplexe OR-Prozedur, ohne komplizierende Konstellationen, außer nach Zustand nach Organtransplantation, außer bei Sepsis).

 

Da die beklagte Krankenkasse den streitgegenständlichen Betrag verrechnete, erhob das Krankenhaus Klage.

 

Entscheidungsgründe

 

Das SG kam zur Auffassung, dass der beklagten Krankenkasse kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zustehe. Die Hauptdiagnose A41.51 sei zu Recht kodiert worden. Richtig sei zwar, dass ausweislich der Patientenakte bei dem Patienten nur ein Pärchen Blutkulturen (aerob und anaerob) abgenommen wurde. Dies stehe allerdings der Diagnose einer Infektion durch Escherichia coli nicht entgegen.

 

Zwar setzen die Leitlinien der DGS und der DIVI im Regelfall voraus, dass 2-3 Pärchen Blutkulturen (von verschiedenen Entnahmeorten) entnommen werden sollten. Aus dem Wortlaut der Leitlinien, die die Begriffe „empfohlen“, „sollten“ verwenden, lasse sich schließen, dass es sich lediglich um eine Empfehlung handele. Somit stellen diese Leitlinien keine zwingenden Voraussetzungen für den mikrobiologischen Nachweis einer Infektion auf. Empfehlungen können nicht als zwingende Vorgabe behandelt werden.

 

Im Übrigen sei den Leitlinien zu entnehmen, dass die Abnahme von mindestens zwei Blutkulturpärchen nur im Falle einer Fall-negativen Befundung erforderlich sei. Vorliegend sei jedoch bereits durch die Abnahme eines Blutkulturpärchens nachgewiesen, dass eine Infektion durch Escherichia coli vorliege. Ergänzend stellt das SG fest, dass auch die erforderlichen zwei Kriterien der Kriteriengruppe II bei SIRS vorgelegen haben. Ausweislich des Entlassberichts lag bei Aufnahme einer Tachykardie vor. Aus den Laborblättern sei zu entnehmen, dass eine massive Leukozytose bei 37.400 mm³ gegeben war. Somit seien aus der Kriteriengruppe II die für das Vorliegen einer Sepsis erforderlichen mindestens zwei geforderten Kriterien erfüllt.

 

Anmerkungen

 

Das Urteil des SG Reutlingen ist erfreulich. Häufig werden Empfehlungen von Fachgesellschaften als zwingende Vorgaben behandelt. Dabei steht fest, dass Fachgesellschaften keine gesetzliche Befugnis haben, Einzelheiten der Kodierung aus medizinischer Sicht festzulegen. Diese Vorgaben müssen sich aus den Abrechnungsbestimmungen selbst ergeben. Die maßgebliche internationale Klassifikation der Krankheiten und der Operationen und Prozeduren-Schlüssel werden vom DIMDI im Auftrag des BMG herausgegeben (nunmehr durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte). Somit haben Fachgesellschaften hierfür keine Regelungskompetenz.

 

Am Ende seines Urteils stellt das SG ergänzend klar, dass es für die Kodierung der Hauptdiagnose A41.51 nicht des Nachweises eines sepsistypischen Patientenmanagements bedarf, auch wenn dies im Regelfall für notwendig erachtet werde. Der Überwachungsaufwand müsse nicht kodiert werden.

 

Abschließend verweist das SG auf die Auffassung des Fachausschusses für ordnungsgemäße Kodierung und Abrechnung (FoKA) der DGfM. Der FoKA habe in seiner ergänzenden Kodierempfehlung A/B-004 vom 24.06.2009 die Kodierung der Sepsis und des SIRS für korrekt gehalten, wenn zwar die Kriterien zur Sepsis und SIRS entsprechend den genannten Leitlinien erfüllt seien, allerdings müsse der Patient keinen Aufenthalt auf einer Intensivstation aufweisen.

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 14.10.2020 10:14:44
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Verwirkung Rückforderung KK
 

 

Krankenkassen können einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ausschließlich bis zum Ende des auf die Rechnungsstellung des Krankenhauses folgenden Kalenderjahres geltend machen (entsprechende Anwendung der Grundsätze des BSG für Nachforderungen des Krankenhauses)

 

Gerichtsbescheid des SG Fulda vom 25.08.2020, Az.: S 4 KR 411/18

 

- öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, Verwirkung, Einwendungen, MDK-Prüfung -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

in vielen Fällen „reizen“ die Krankenkassen die geltende Verjährungsfrist aus und machen zum „Toresschluss“ ihren öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch geltend. Nach der Rechtsprechung des SG Fulda ist jedoch ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Krankenkassen verwirkt, wenn er nicht bis zum Ende des auf die Rechnungsstellung des Krankenhauses folgenden Kalenderjahres geltend gemacht wird.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelte eine Patientin im Oktober/November 2014 vollstationär. Ende November 2014 stellte das Krankenhaus der beklagten Krankenkasse die DRG F48Z in Rechnung. Die Krankenkasse beglich den Rechnungsbetrag und verrechnete dann etwa 4 Jahre später den klageweise geltend gemachten Betrag mit anderen – unstreitigen – Vergütungsforderungen des Krankenhauses. Erst nach Verrechnung beauftragte die Krankenkasse den MDK mit einer Prüfung des streitgegenständlichen stationären Aufenthalts.

 

Das von uns vertretene Krankenhaus berief sich auf die Regelung in § 325 SGB V, wonach die Krankenkasse verpflichtet gewesen wäre, bis zum 09.11.2018 ihren angeblichen Rückzahlungsanspruch gerichtlich geltend zu machen; eine Aufrechnung sei nicht zulässig gewesen.

 

Im Übrigen berief sich das Krankenhaus auf Verwirkung.

 

Entscheidungsgründe

 

Das SG Fulda gab der Klage des Krankenhauses uneingeschränkt Recht. Zunächst stellt das SG Fulda darauf ab, dass nach § 275 Abs. 1c SGB V die MDK-Prüfung innerhalb von sechs Wochen nach Rechnungsstellung hätte eingeleitet werden müssen. Da die Frist offensichtlich von Seiten der Krankenkasse nicht eingehalten worden sei, ist sie mit allen Einwendungen ausgeschlossen.

 

Im Übrigen verwies das SG Fulda auf seine ständige Rechtsprechung, wonach aus Gleichbehandlungsgründen auch die Krankenkassen einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nur innerhalb einer bestimmten Frist geltend machen können. Diese Frist entspreche der Frist, die das BSG für Nachforderungen der Krankenhäuser gesetzt habe. Danach können Krankenhäuser nur bis zum Ende des auf die Rechnungsstellung folgenden Kalenderjahres Nachberechnungen vornehmen. Dieser Gesichtspunkt der Verwirkung gelte auch „umgekehrt“ für die Krankenkassen. Für den vorliegenden Fall bedeute dies, dass die Krankenkasse ihre Einwendungen bis zum 31.12.2015 (Rechnungsstellung November 2014) hätte geltend machen müssen. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch sei daher verwirkt.

 

Anmerkung

 

Dem SG Fulda ist uneingeschränkt zuzustimmen. Es ist nicht einzusehen, warum die Krankenhäuser Nachforderungen nur bis zum Ende des Kalenderjahres, das auf die Rechnungsstellung folgt, geltend machen dürfen, und den Krankenkassen ein weit längerer Zeitraum bis zum Ausschöpfen der Verjährungsfrist zusteht. Der Gesichtspunkt der Verwirkung ist daher nach Auffassung des SG Fulda keine Einbahnstraße und wirkt auch „im umgekehrten Fall“. Dies bedeutet, dass Krankenkassen ihre Einwendungen nur bis zum Ende des Kalenderjahres, das auf die Rechnungsstellung folgt, geltend machen können. Verstreicht dieser Zeitraum ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch verwirkt.

 

Kritisch merkt das SG Fulda insbesondere an, dass die beklagte Krankenkasse „ins Blaue hinein“ aufgerechnet habe, da zum Zeitpunkt der Aufrechnung noch nicht einmal der MDK mit einer Prüfung beauftragt worden war. Der Krankenkasse stand daher zu diesem Zeitpunkt kein Rechtsgrund zur Aufrechnung zur Seite.

 

Der Gerichtsbescheid ist hier wiedergegeben.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 21.09.2020 15:22:37
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Die PrüfvV 2015 (vom 01.09.2014) gilt nicht für die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung
 

 

Die PrüfvV 2015 (vom 01.09.2014) gilt nicht für die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung. Der Anwendungsbereich ist ausschließlich bezogen auf die Auffälligkeitsprüfung/Wirtschaftlichkeitsprüfung. § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2015 betrifft ausschließlich den Zahlungsanspruch des Krankenhauses und trifft keine Regelung für einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Krankenkassen. Für das Vorliegen der Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches trägt die Krankenkasse die ausschließliche Beweislast.

 

Urteil des LSG NRW vom 14.11.2019 – Az.: L 16 KR 929/16

 

- Prüfverfahrensvereinbarung 2015 (PrüfvV 2015), Anwendungsbereich der PrüfvV 2015, sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung, Wirtschaftlichkeitsprüfung/Auffälligkeitsprüfung, § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2015, Anforderung von Unterlagen durch den MDK -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Anwendung der PrüfvV 2015, insbesondere die Frage, ob § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2015 eine materiell-rechtliche Ausschlussregelung enthält, ist zwischen dem Krankenhausbereich und den Krankenkassen stark umstritten. In einer sorgfältig begründeten Entscheidung hat nunmehr das LSG NRW ausführlich dargelegt, dass der Anwendungsbereich der PrüfvV 2015 auf die Wirtschaftlichkeitsprüfung/Auffälligkeitsprüfung beschränkt ist und die PrüfvV 2015 für den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Krankenkassen (nach erfolgter Zahlung) keine Anwendung findet.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelte im Jahr 2015 einen Patienten wegen eines Kehlkopfkarzinoms. Die gestellte Rechnung beglich die beklagte Krankenkasse vollständig.

 

Fristgerecht leitete die Krankenkasse ein Prüfverfahren durch den MDK ein. In der Prüfanzeige bat der MDK das Krankenhaus formularmäßig „um Übersendung sämtlicher Behandlungsunterlagen aller beteiligten Fachabteilungen, die geeignet sind, die Fragestellung der Krankenkasse über den o.g. Aufenthalt bezogen auf die o.g. Auffälligkeiten bzw. den Prüfanlass vollumfänglich zu beantworten; mindestens jedoch den ausführlichen Entlassungsbericht (inkl. Laborparameter) und den/die OP-Bericht(e)“.

 

Das Krankenhaus stellte dem MDK fristgerecht den Entlassungs- und OP-Bericht zur Verfügung. Weitere Unterlagen legte das Krankenhaus nicht vor.

 

Der MDK kam zur Auffassung, dass der stationäre Aufenthalt für einen Zeitraum zwischen Tumorkonferenz und Operation medizinisch nicht notwendig gewesen sei. Daraufhin verrechnete die beklagte Krankenkasse den klageweise geltend gemachten Betrag mit einer anderen unstreitigen Rechnung aus Krankenhausbehandlung.

 

Im Laufe des Gerichtsverfahrens vertrat die Krankenkasse die Auffassung, eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch das Gericht könne im Klageverfahren nicht mehr uneingeschränkt erfolgen. Das Krankenhaus habe dem MDK nicht alle relevanten medizinischen Unterlagen, wie angefordert, übersandt, so dass das Krankenhaus mit medizinischen Einwänden nach der PrüfvV präkludiert sei (§ 7 Abs. 2 Satz 3, 4 PrüfvV 2015).

 

Das Sozialgericht hat auf der Basis eines eingeholten Sachverständigengutachtens der Klage stattgegeben. Das LSG NRW wies die Berufung der beklagten Krankenkasse zurück.

 

Entscheidungsgründe

 

Ausgangspunkt der Entscheidung des LSG NRW ist, dass die beklagte Krankenkasse bezogen auf eine unstreitige Krankenhausrechnung wegen eines angeblich öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch diese Rechnung gekürzt habe. Für die Frage, ob die Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs gegeben sind, trage die Krankenkasse die Beweislast. Dies folge aus dem Grundsatz, dass jeder im Rahmen des anzuwendenden Rechts die Beweislast für Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründet.

 

Des Weiteren setzt sich das LSG NRW damit auseinander, ob der Anwendungsbereich der PRüfvV 2015 für einen angeblichen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch eröffnet ist. Dies verneint es damit, dass das BSG zwischen einer sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung und einer Wirtschaftlichkeits/Auffälligkeitsprüfung unterscheide. Nur für die Wirtschaftlichkeit/Auffälligkeitsprüfung ist die PrüfvV 2015 anzuwenden. Bei der PrüfvV gehe es bei allen Fallgestaltungen um den Zahlungsanspruch des Krankenhauses und nicht um den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Krankenkassen.

 

Unbeschadet dessen setzt sich das LSG NRW mit dem Regelungsgehalt von § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2015 auseinander. Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 PrüfvV 2015 kommt dem MDK die Aufgabe zu, die zur Prüfung notwendigen Patientenunterlagen anzufordern, die er zur Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt. Kommt das Krankenhaus dem nicht nach, hat das Krankenhaus einen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag nach § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2015.

 

Ausgehend von diesen Regelungen verlangt das LSG NRW, dass der MDK die von ihm benötigten Unterlagen konkret bezeichnet. Andernfalls entstünde eine nicht sachgerechte Rechtsunsicherheit. Bei anderer Auslegung wäre das Krankenhaus aus Gründen der Vorsorge regelmäßig gezwungen, in jedem Prüfverfahren durch den MDK die gesamten Patientenunterlagen zu übersenden. Damit würde das Prüfverfahren vielfach unnötigerweise überfrachtet, bei dem dem MDK oftmals Entlassungs- und/oder Operationsberichte zur Beantwortung der mit der Prüfanzeige aufgeworfenen Fragen genügen könnte. Die Auslegung der beklagten Krankenkasse sei nicht praxistauglich und würde einen kaum vertretbaren Mehraufwand für die Krankenhäuser bedeuten. Ausgehend hiervon ist es daher Aufgabe des MDK, die für seine Prüfung erforderlichen Unterlagen genau zu bezeichnen.

 

Anmerkungen

 

Ausgangsüberlegung des LSG NRW ist die rechtliche Einordnung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs der Krankenkasse. Begleicht eine Krankenkasse eine Rechnung des Krankenhauses vollständig, erlischt der Zahlungsanspruch des Krankenhauses. Vertritt im Nachhinein die Krankenkasse die Auffassung, sie habe ganz oder teilweise zu Unrecht gezahlt, kann sie einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch geltend machen. Dieser bezieht sich im Regelfall auf eine nicht strittige Krankenhausrechnung für die Behandlung eines anderen Patienten.

 

Vor diesem Hintergrund wendet sich daher das Krankenhaus mit seinem (Rest?) Zahlungsanspruch gegen die Kürzung einer unstreitigen Rechnung für die Behandlung eines anderen Patienten. Richtigerweise stellt das LSG NRW daher fest, dass für das Vorliegen der Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch die Krankenkasse die volle Beweislast trägt.

 

Bezogen auf die PrüvV befasst sich das LSG NRW mit dem Anwendungsbereich der PrüfvV 2015. Die Anwendung der PrüfvV 2015 kommt nur für die Wirtschaftlichkeits/Auffälligkeitsprüfung durch die Krankenkassen in Betracht. Das BSG geht davon aus, dass eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung (z. B. Prüfung eines OPS-Kodes) einem eigenständigen Prüfregime außerhalb von § 275 Abs. 1c SGB V unterfalle. Hierfür ist der Anwendungsbereich der PrüfvV 2015 nicht eröffnet.

 

Im Ergebnis kommt es daher bei der Entscheidung des LSG NRW nicht darauf an, ob das Krankenhaus gem. § 7 Abs. 2 Satz 2 PrüfvV 2015 die vom MDK angeforderten Patientenunterlagen vollständig vorgelegt hatte. Trotzdem stellt das LSG NRW in seiner Begründung heraus, dass es ausschließlich Aufgabe des MDK ist, die Patientenunterlagen, die er für eine Prüfung benötigt, konkret und eindeutig zu bezeichnen. Eine andere Auslegung sei nicht praxistauglich, weil es Unsicherheit in die Rechtsbeziehungen bei einem Massenverfahren hineintrage.


Das Urteil des LSG NRW ist nicht rechtskräftig, da eine Nichtzulassungsbeschwerde von der unterlegenen Krankenkasse beim BSG erhoben wurde (Az: B 1 KR 34/20 B).

 

 

  letzte Änderung: 21.09.2020 15:38:55
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Notfallleistungen des Krankenhauses
 

 

Bei der Beurteilung der Frage durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV), ob die Voraussetzungen einer Notfallbehandlung im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vorgelegen haben, besteht kein der gerichtlichen Prüfung entzogener Entscheidungsspielraum für die KV. Ohne eine normative Grundlage besteht keine Pflicht des Vertragsarztes (i.S.d. § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V) zur einzelfallbezogenen Begründung der in Ansatz gebrachten Gebührenziffern bereits mit Einreichung der Honorarabrechnung bzw. im Widerspruchsverfahren. Der Vertragsarzt hat auch im gerichtlichen Verfahren noch die Möglichkeit, die Erforderlichkeit der Notfallbehandlung zu begründen.

 

BSG-Urteil vom 26.06.2019, Az. B 6 KA 68/17 R

 

- Notfallambulanz des Krankenhauses, Notfallleistungen, Präklusion, sachlich-rechnerische Richtigstellung, Erstversorgung, Notfallbehandlung -

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

in einigen Fällen vertritt die KV nach wie vor die Auffassung, dass ein Krankenhaus, das im Sinne von § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V im Notfall vertragsärztliche Leistungen erbringt, einem besonderen Begründungszwang unterliegt. Teilweise wird auch die Auffassung vertreten, die Begründung von Art und Umfang der Notfallleistung könnte nur bis zum Ende des Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren geltend gemacht werden. Hierzu liegt bereits seit 2019 das vorgenannte Urteil des BSG vor, das nach wie vor aktuell ist. Das BSG stellt fest, dass auch im Rahmen des sich anschließenden Gerichtsverfahrens der Sachverhalt von den Sozialgerichten aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes zu klären ist und das Krankenhaus nicht ausgeschlossen ist, auch im Sozialgerichtsverfahren eine Begründung von Art und Umfang der Notfallleistungen abzugeben. Dies sollte bei Abrechnungsstreitigkeiten beachtet werden.

 

Sachverhalt

 

Ein Krankenhaus erbrachte im Quartal 2/2014 in seiner Notfallambulanz ambulante Leistungen und berechnete diese unter Vorlage der Notfallscheine gegenüber der KV ab. Die KV kürzte die Honorarabrechnung in Bezug auf laboratoriumsmedizinische und radiologische Leistungen (Kapitel 32 und 34 EBM-Ä) sowie in Bezug auf Leistungen im Rahmen von kleinchirurgischen Eingriffen. Hiergegen legte das Krankenhaus Widerspruch ein. Der Widerspruch wurde von der KV zurückgewiesen.

 

Das SG verurteilte die KV unter Aufhebung des Bescheides dazu, über den Vergütungsanspruch des Krankenhauses unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

 

Hiergegen legte die KV Berufung ein. Diese hob das Urteil des SG auf und wies die Klage ab. Das LSG vertrat die Auffassung, dass das Krankenhaus bei den betreffenden Notfallleistungen die zur Begründung seines Anspruchs dienenden Tatsachen spätestens im Widerspruchsverfahren anzugeben habe. Im gerichtlichen Verfahren sei das Krankenhaus mit entsprechenden Darlegungen ausgeschlossen.

 

Auf die Revision des Krankenhauses hob das BSG das Urteil des LSG auf und wies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück.

 

Entscheidungsgründe

 

Ausgangspunkt für das BSG ist, dass einem Krankenhaus gemäß § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V ein Vergütungsanspruch nur für Notfallbehandlungen zusteht. Notfallleistungen von nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten (hier: Krankenhaus) dürfen nur berechnet werden, wenn die Erkrankung des Patienten aufgrund ihrer Beschaffenheit einer sofortigen Maßnahme bedarf und die Versorgung durch einen Vertragsarzt entsprechend § 76 SGB V nicht möglich und/oder aufgrund der Umstände nicht vertretbar ist. Dabei handelt es sich nur um Notfallleistungen, die auf die Erstversorgung ausgerichtet sind. In einer Krankenhausambulanz dürfen weder reguläre vertragsärztliche Behandlungen durchgeführt werden, die dem Umfang und der Ausrichtung nach über die Notfallversorgung hinausgehen, noch darf das Krankenhaus regulär Sprechstunden anbieten.

 

In diesem Zusammenhang wies es die Auffassung des LSG zurück, dass nur Begründungen bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens berücksichtigt werden dürfen. Vielmehr seien auch die im gerichtlichen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse zu berücksichtigen. Der Krankenhausarzt muss sich zumindest über die Beschwerden des Patienten und dessen Zustand unterrichten, ehe er eine Entscheidung über das weitere Vorgehen trifft. Bereits diese orientierende Befragung und Untersuchung sei eine ärztliche Tätigkeit, die einen Vergütungsanspruch auslöst. Je nach Umständen des Einzelfalles können hierbei auch diagnostische oder therapeutische Maßnahmen erforderlich sein. Ein Vergütungsanspruch besteht für solche diagnostischen und therapeutischen Leistungen nur, wenn sie erforderlich sind, um zu erkennen, ob ein Notfall vorliegt oder die ggf. für eine Erstversorgung des Patienten erforderlich erscheinen. Dabei habe sich die Erstversorgung darauf zu konzentrieren, Gefahren für Leib und Leben abzuwehren sowie unzumutbaren Schmerzen der Patienten zu begegnen sowie die Notwendigkeit einer stationären Behandlung abzuklären. Im Einzelfall können hierzu auch radiologische Untersuchungen und kleinchirurgische Eingriffe gehören. Auch Laboruntersuchen können in Betracht kommen, wenn etwa ein Zusammenhang mit einer chirurgischen Erstversorgung besteht.

 

In diesem Zusammenhang weist das BSG die Auffassung des LSG zurück, das Krankenhaus sei im gerichtlichen Verfahren mit weiteren Begründungen ausgeschlossen. Hierfür gäbe es keine Rechtsgrundlage. Die Grundsätze, die für Wirtschaftlichkeitsprüfungen gelten, fänden vorliegend keine Anwendung. Die KV habe im Gegensatz zu den paritätisch besetzten Prüfgremien bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung keinen Entscheidungsspielraum, der einer gerichtlichen Prüfung entzogen sei.

 

Anmerkungen

 

Das BSG hat nunmehr eindeutig geklärt, dass ein Krankenhaus, das Notfallleistungen abrechnet, nicht ausgeschlossen ist, auch im Laufe eines Rechtsstreites Begründungen zu den Notfallleistungen nachzuholen. Des Weiteren hat es unmissverständlich festgestellt, dass die KV nur bei bestehender Rechtsgrundlage Anforderungen an die Begründung von Notfallleistungen aufstellen darf. Diese müssten zudem eindeutig und verständlich formuliert und mit vertretbarem Aufwand umsetzbar sein. Für den Leistungserbringer müsse immer erkennbar sein, was er in welchem Vordruck bzw. in welchem Feld einer Eingabemaske am Bildschirm einzutragen habe, damit evtl. bestehenden formalen Begründungsanforderungen entsprochen werde. Entsprechende rechtliche Vorgaben, z. B. im Rahmen des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM), bestünden jedoch nicht.

 

Soweit Krankenhäuser noch entsprechende Rechtsstreitigkeiten anhängig haben, wird von hier aus empfohlen, die erbrachten Notfallleistungen noch im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits zu begründen. Wegen des damit verbundenen Aufwandes kommt allerdings auch eine vergleichsweise Einigung in Betracht, wenn sie den Interessen beider Seiten gerecht wird.

 

  letzte Änderung: 16.09.2020 08:31:48
 
Multimodale Schmerztherapie/keine Stellvertretung
 

 

Der OPS-Kode 8-918 (Multimodale Schmerztherapie – Version 2014/2015) erfordert keinen ärztlichen Vertreter für den Verantwortlichen, der die Behandlungsleitung durchführt.

 

Gerichtsbescheid des SG Wiesbaden vom 20.08.2020, Az.: S 18 KR 438/18 – nicht rechtskräftig

 

- Multimodale Schmerztherapie, OPS 8-918, Behandlungsleitung, Verantwortlicher, Vertretungsregelung -

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Krankenkassen fordern grundsätzlich beim OPS-Kode 8-918 (Multimodale Schmerztherapie) einen ärztlichen Vertreter für die ärztliche Behandlungsleitung. Ansonsten verweigern sie die Vergütung der entsprechenden DRG-Fallpauschale (z. B. DRG Z44Z, I42Z). Das SG Wiesbaden hat im vorliegenden Fall mit überzeugender Begründung die grundsätzliche Notwendigkeit einer Vertretungsregelung in der Behandlungsleitung verneint und der Klage des von uns vertretenen Krankenhauses stattgegeben.

 

Sachverhalt

 

In neun Behandlungsfällen hat das Krankenhaus die DRG Z44Z bzw. I42Z abgerechnet, der der OPS-Kode 8-918 (Multimodale Schmerztherapie) zugrunde liegt. Die Behandlungsleitung für die Multimodale Schmerztherapie (Verantwortlicher im Sinne des OPS-Kodes 8-918) wurde von einer Oberärztin durchgeführt, die über die Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerztherapie verfügt. Die Oberärztin ist mit einem Stellenanteil von 70 % in der Klinik angestellt und ist von Montag bis Freitag am Vormittag und an zwei weiteren Tagen in der Woche zusätzlich nachmittags in dem Krankenhaus tätig. Bei Abwesenheit der Oberärztin, die die Behandlungsleitung übernommen hat, wird der OPS-Kode 8-918 von dem Krankenhaus nicht kodiert und nicht abgerechnet. Eine ärztliche Vertretung mit der Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerztherapie hält das Krankenhaus nicht vor.

 

Unter Bezug auf MDK-Gutachten machte die beklagte Krankenkasse einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch für die bereits bezahlten Rechnungen geltend. Hiergegen wandte sich das Krankenhaus mit der Klage. Den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch stützte die beklagte Krankenkasse darauf, dass es an einer vom OPS-Kode 8-918 geforderten Vertretungsregelung fehle.

 

Entscheidungsgründe

 

Das SG Wiesbaden gab dem Krankenhaus Recht. Dabei stützt das SG Wiesbaden seine Rechtsauffassung auf den Wortlaut des OPS-Kodes 8-918 (Version 2014/2015) sowie auf systematische Erwägungen. Der OPS-Kode 8-918 verlange die Durchführung der ärztlichen Behandlungsleitung, d. h. die Überprüfung des Behandlungsverlaufs durch ein standardisiertes therapeutisches Assessment, eine ärztliche Visite oder Teambesprechung und eine interdisziplinäre wöchentliche Teambesprechung. Der Verantwortliche im Sinne des OPS 8-918 müsse die Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerztherapie besitzen. Diese liege hier vor. Weitere Anforderungen auch an die zeitliche Anwesenheit stelle der OPS-Kode 8-918 nicht auf. In den maßgeblichen Behandlungszeiträumen sei die verantwortliche Oberärztin anwesend gewesen. Dies sei durch die Dienstpläne nachgewiesen.

 

Erfordere ein OPS-Kode eine ständige Anwesenheit bzw. eine Vertreterregelung müsse dies aus dem OPS-Kode selbst hervorgehen. Dies ergebe sich z. B. aus dem Vergleich mit dem OPS-Kode 8-980, der eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation erfordere. Eine entsprechende Vorgabe mache der OPS-Kode 8-918 nicht.

 

Da vom OPS-Kode 8-918 keine Vertreterregelung gefordert werde, ist der Klageanspruch des Krankenhauses begründet.

 

Anmerkungen

 

Dem SG Wiesbaden ist vollumfänglich zuzustimmen. Nach wie vor geht die höchstrichterliche Rechtsprechung dahin, dass ein OPS-Kode streng nach seinem Wortlaut und ergänzend höchstens aus dem systematischen Zusammenhang mit anderen OPS-Kodes auszulegen ist. Diese Vorgehensweise hat das SG Wiesbaden beherzigt.

 

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass das SG Wiesbaden sich auch mit den Urteilsinhalten des BSG in den Verfahren B 3 KR 7/12 R und B 3 KR 25/12 R – Urteile vom 18.07.2013) auseinander setzt. Kritisch merkt das SG Wiesbaden zum BSG Urteil vom 18.07.2013 (B 3 KR 7/12 R) an, dass sich selbst eine halbtägige Anwesenheit, die das BSG für erforderlich halte, nicht aus dem OPS-Kode 8-918 ergäbe. Für die Notwendigkeit einer ärztlichen Vertretung des Verantwortlichen ergebe sich aus diesem Urteil nichts. Das weitere Urteil des BSG vom 18.07.2013 (B 3 KR 25/12 R), auf das sich die beklagte Krankenkasse stütze, gebe für den vorliegenden Fall nichts her. Dieses BSG Urteil betreffe den OPS-Kode 8-980 (Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls). Das BSG hatte in dem Verfahren entschieden, dass die ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation nicht durch einen Bereitschaftsdienst erfolgen könne – mehr nicht.

 

Das SG Wiesbaden verweist auch auf Hinweise der SEG 4 der MDK-Gemeinschaft zum OPS-Kode 8-918. Der Begutachtungsleitfaden der SEG 4 (Stand November 2012) gehe auch davon aus, dass beim OPS-Kode 8-918 die Forderung nach einem ständigen Vertreter, der ebenfalls die Zusatzbezeichnung Spezielle Schmerztherapie habe, formal nicht zulässig sei.

 

Die vom SG Wiesbaden angeführten überzeugenden Argumente, insbesondere zur Bewertung der beiden BSG-Urteile vom 18.07.2013, können in den Abrechnungsstreitigkeiten mit den Krankenkassen angeführt werden.

 

Der Gerichtsbescheid ist hier wiedergegeben.

 

 

  Datum: 09.09.2020 12:38:11
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Stationäre Krankenhausbehandlung Schockraum
 

 

Eine Behandlung in der Notfallambulanz eines Krankenhauses stellt auch dann eine stationäre Behandlung dar, wenn der Patient bereits wenige Minuten nach der Ankunft in der Notfallambulanz verstirbt. Einer nach außen dokumentierten Aufnahmeentscheidung des Krankenhausarztes bedarf es in diesem Fall nicht.

 

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil vom 09.07.2020, Az.: L 5 KR 154/19

 

- Krankenhausbehandlungskosten, stationäre Behandlung, stationäres Setting, Eingliederung in das Krankenhausversorgungssystem, Schockraum, Notfallaufnahme -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

im vorliegenden Fall hatte das Landessozialgericht darüber zu entscheiden, ob von einer stationären Krankenhausbehandlung auszugehen ist, wenn der Patient wenige Minuten nach der Ankunft in der Zentralen Notaufnahme des Krankenhauses nach erfolgloser Reanimation verstirbt. Dies hat das Landessozialgericht bejaht und dem Zahlungsanspruch des klagenden Krankenhauses stattgegeben.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelte den bei der Beklagten versicherten Patienten im Schockraum der Zentralen Notaufnahme, nachdem dieser durch den Rettungsdienst unter kardiopulmonaler Reanimation eingeliefert wurde. Beim Eintreffen des Patienten bestand Kammerflimmern, zudem zeigte sich im EKG eine Asystolie sowie echokardiographisch ein Herzstillstand. Der Patient verstarb nach dreiminütiger, erfolgloser Reanimation noch im Schockraum der zentralen Notaufnahme. Das Krankenhaus hat der beklagten Krankenkasse für die stationäre Behandlung die DRG F60B (akuter Myokardinfarkt …) in Höhe von insgesamt 780,99 € in Rechnung gestellt. Die Beklagte verweigerte die Zahlung. Sie vertritt die Auffassung, dass der Patient nicht in das stationäre Setting des Krankenhauses eingebunden gewesen sei und daher keine stationäre Krankenhausbehandlung erfolgt sei.

 

Das Krankenhaus hat seinen Vergütungsanspruch vor dem Sozialgericht Speyer gerichtlich geltend gemacht. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Es vertritt die Auffassung, dass vorliegend keine stationäre Behandlung stattgefunden habe. Die Versorgung im Schockraum als räumlicher Teil der zentralen Notaufnahme könne die fehlende Aufnahmeentscheidung mit den genannten nach außen dokumentierten Umständen nicht ersetzen. Mithin sei keine stationäre Eingliederung des Patienten erfolgt.

 

Das Krankenhaus hat gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Berufung eingelegt, der stattgegeben wurde.

 

Entscheidungsgründe

 

Das Landessozialgericht hat der Berufung des von uns vertretenen Krankenhauses in vollem Umfang stattgegeben und die beklagte Krankenkasse unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils zur Zahlung verurteilt. Es vertritt die Auffassung, dass die Behandlung des Patienten im Schockraum eine stationäre Behandlung darstellt, welche entsprechend von der Krankenkasse zu vergüten ist. Beim Eintreffen des Patienten haben drei Behandlungsteams bereit gestanden, um den Patienten adäquat zu behandeln bzw. weiter zu reanimieren. Der Schockraum der Klägerin, in dem die weitere Behandlung des Patienten stattfand, sei apparativ und personell voll ausgestattet gewesen. Vor diesem Hintergrund sei mithin die Infrastruktur des Krankenhauses zweifelsfrei in Anspruch genommen worden. Da der Patient bereits drei Minuten nach Einlieferung verstarb, sei es nicht mehr zu einer nach außen dokumentierten Aufnahmesituation auf einer Station oder der Intensivstation gekommen. Hieraus könne jedoch nicht geschlossen werden, dass lediglich eine ambulante Behandlung vorlag. Der Patient sei vorliegend mit einem akuten Myokardinfarkt vom Rettungsdient eingeliefert und medizinisch behandelt worden. Bereits in dieser Situation habe ohne Zweifel festgestanden, dass eine weitere Behandlung mit den Mitteln des Krankenhauses medizinisch notwendig ist. Der Umstand, dass der Tod des Patienten bereits im Schockraum eingetreten sei, rechtfertige es nicht, die Behandlung als ambulante Behandlung zu qualifizieren. Auch der Gesichtspunkt, dass die Behandlung sich nicht mehr über die Dauer eines Tages und einer Nacht erstrecken konnte, führe nicht zum Ausschluss einer stationären Behandlung.

 

Anmerkung

 

Das Urteil des Landessozialgerichts ist ein begrüßenswerter Erfolg für die Krankenhäuser und entspricht vollumfänglich der hier vertretenen Rechtsauffassung. Das Landessozialgericht hat eine sachgerechte Entscheidung getroffen, die nunmehr Klarheit für die Qualifizierung derartiger Fälle als „stationäre Behandlung“ bringt.

 

Das Urteil ist auf hier wiedergegeben. 

 

 

  Datum: 08.09.2020 15:20:52
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Dem Erstattungsanspruch der Krankenkassen auf Rückforderung von Aufwandspauschalen, die vor dem 01.01.2015 an die Krankenhäuser gezahlt wurden, steht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen. Den Krankenkassen ist es daher verwehrt, vor dem 01.01.2015 gezahlte Aufwandspauschalen zurückzufordern.

 

BSG Urteil vom 16.07.2020, Az.: B 1 KR 15/19 R

 

- Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1 c Satz 3 SGB V, sachlich-rechnerische Prüfung, Kodierprüfung, Rückerstattung, gezahlte Aufwandspauschalen vor dem 01.01.2015 -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

bekanntlich hatte das BSG mit Urteil vom 01.07.2014 für die sachlich-rechnerischen Prüfungen ein eigenes Prüfregime angenommen. Diese Rechtsprechung führte dazu, dass den Krankenhäusern bei einer sachlich-rechnerischen Prüfung keine Aufwandspauschale zuerkannt wurde. Die Krankenkassen haben daher flächendeckend bereits gezahlte Aufwandspauschalen auch für die Vergangenheit zurückgefordert. Diesem Ansinnen hat nunmehr das BSG einen Riegel vorgeschoben.

 

Sachverhalt

 

Die klagende Krankenkasse hatte im Zeitraum von 2009 bis 2015 in 71 Fällen einer sachlich-rechnerischen Prüfung der Rechnungen des beklagten Krankenhauses durch den MDK durchgeführt. Der MDK kam zum Ergebnis, dass in keinem der Fälle eine Minderung des Abrechnungsbetrages in Betracht kommt. Daraufhin zahlte die Krankenkasse die jeweilige Aufwandspauschale von 300,00 €. Nach Bekanntwerden des Urteils des BSG vom 01.07.2014, wonach dem Krankenhaus keine Aufwandspauschale bei einer sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung zusteht, forderte die Krankenkasse die gezahlten Aufwandspauschalen wieder zurück. Gegen die rückwirkende Anwendung des BSG-Urteils wehrte sich das Krankenhaus. Das LSG gab der klagenden Krankenkasse Recht und verurteilte das Krankenhaus zur Rückerstattung der gezahlten Aufwandspauschalen. Das Krankenhaus legte hiergegen Revision ein und berief sich u. a. auf den Vertrauensschutz.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG gab der Revision des Krankenhauses insoweit statt, da die Rückerstattung von Aufwandspauschalen, die vor dem 01.01.2015 gezahlt wurden, rechtswidrig ist. Der Rückforderung stünde der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen. Dabei bezog sich das BSG auf die durch die frühere Rechtsprechung des BSG gestützte Verwaltungspraxis und das gemeinsame Verständnis zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern, das nicht zwischen der Wirtschaftlichkeitsprüfung und der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung differenziert hatte. Auf diese gemeinsam getragene Verwaltungspraxis konnten die Krankenhäuser vertrauen. Das darauf beruhende Vertrauen wurde erst durch Veröffentlichung des Urteils zum 01.07.2014 Ende des Jahres 2014 erschüttert. Bis zum 31.12.2014 bestand daher für die Krankenhäuser Vertrauensschutz für bereits gezahlte Aufwandspauschalen.

 

Anmerkung

 

Das Urteil des BSG ist bemerkenswert und entspricht der auch hier vertretenen Rechtsauffassung. Selbst das BSG hatte vor Verkündung des Urteils vom 01.07.2014 keine Differenzierung zwischen sachlich-rechnerischer Richtigkeitsprüfung und Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgenommen. Erstmals mit diesem Urteil vom 01.07.2014 entwickelte das BSG ein eigenständiges Prüfregime für die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung.

 

Im Ergebnis haben daher die Krankenkassen keinen Rechtsanspruch auf Rückforderung gezahlter Aufwandspauschalen bis zum 31.12.2014. Nur für den Zeitraum von 01.01.2015 bis zum 31.12.2015 konnten die Krankenkassen einen Erstattungsanspruch geltend machen, also für maximal 1 Jahr. Denn mit Wirkung vom 01.01.2016 wurde durch das KHSG § 275 Abs. 1 c Satz 4 SGB V eingefügt, wonach für jede Prüfung der Abrechnungen eines Krankenhauses die Aufwandspauschale anzusetzen ist, wenn der MDK beauftragt wurde und eine Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus erforderlich ist. Für die Verweigerung der Aufwandspauschale bzw. für die Rückerstattung gezahlter Aufwandspauschalen bei der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung kommt daher nur der Zeitraum vom 01.01.2015 bis 31.12.2015 in Betracht.

 

Mit den besten Grüßen aus Mainz

 

 

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 30.07.2020 11:27:36
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Flash-News
 

 

Neues Zusatzentgelt für Testungen auf das Corona-Virus SARS-CoV-2

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Bundesschiedsstelle hat nunmehr das Zusatzentgelt für Testungen auf das Corona-Virus SARS-CoV-2 im Krankenhaus festgesetzt.

Die Höhe des Zusatzentgeltes ist wie folgt differenziert ausgestaltet:

 

Für den Zeitraum vom 14.05.2020 bis einschließlich 15.06.2020 beträgt es 63,00 €.

 

Für den Zeitraum ab 16.06.2020 beträgt es 52,50 €.

 

Bei der Abrechnung sind folgende wichtige Punkte zu beachten:

 

1.

 

Das Zusatzentgelt kann nur abgerechnet werden für Patientinnen und Patienten während einer voll-/teilstationären oder vorstationären Behandlung. Bei der vorstationären Behandlung nach § 115a SGB V ist zu beachten, dass auch hier im Anschluss an die vorstationäre Behandlung eine stationäre Behandlung erfolgen muss. Das Zusatzentgelt kann damit nicht bei einer Abklärungsuntersuchung vom Krankenhaus abgerechnet werden. Die Abrechnung des Zusatzentgeltes während einer nachstationären Behandlung ist ausgeschlossen worden.

 

2.

 

Für die Abrechnung des Zusatzentgeltes sind folgende Entgeltschlüssel zu verwenden:

 

KHEntgG-Bereich: 76CT9999

 

BPflV-Bereich: C5CT9999

 

3.

 

Die Abrechnung des Zusatzentgeltes kommt nur in Betracht für Patientinnen und Patienten, die ab dem 14.05.2020 in das Krankenhaus aufgenommen wurden/werden. Wurde für Patientinnen und Patienten bereits eine Schlussrechnung ab dem 14.05.2020 ohne Zusatzentgelt übermittelt, kann eine Nachtragsrechnung für das Zusatzentgelt gestellt werden. Hierzu gibt es eine Ergänzungsvereinbarung zwischen DKG und GKV-Spitzenverband, wonach die Abrechnung des Zusatzentgelts bis spätestens zum 30.06.2020 (Rechnungseingang bei der Krankenkasse – statt wie bisher bis 19.06.2020) über eine Nachtragsrechnung möglich ist. Die Möglichkeit einer Stornierung/Neuberechnung bleibt davon unberührt.

 

4.

 

Das betreffende Zusatzentgelt geht weder in das Erlösbudget ein noch unterliegt es den Erlösausgleichen.

 

5.

 

Das Zusatzentgelt umfasst ausschließlich die Testung auf eine Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 durch einen Nukleinsäurenachweis mittels PCR und keine andere Testverfahren. In jedem Fall ist das Datum der Testung (Probeentnahme) in der Abrechnung über den Entgeltzeitraum anzugeben.

 

6.

 

Die Einführung dieses Zusatzentgelts hat auch Auswirkungen auf den DRG-Entgelttarif 2020 für Krankenhäuser im KHEntgG-Bereich und für den PEPP-Entgelttarif 2020 und auf die Rechnungstellung. Die Krankenhausverbände stellen hierzu Muster zur Verfügung.

 

7.

 

Ist die Corona-Testung dem Belegarzt zuzurechnen, wird dieser seine Leistungen gegenüber der KV abrechnen müssen. Kann die Corona-Testung nicht den Leistungen des Belegarztes zugerechnet werden, kann das Krankenhaus jedoch das Zusatzentgelt gegenüber den Krankenkassen abrechnen.

 

Mit den besten Grüßen aus Mainz

 

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 18.06.2020 15:17:11
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Flash-News
 

 

Liste der nicht prüfungsrelevanten Mindestmerkmale von OPS-Kodes

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der Gesetzgeber hat durch § 25 Abs. 2 KHG (idF des Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19.05.2020, BGBl I S. 1018) vorgesehen, dass für den Zeitraum vom 01.04.2020 bis einschließlich 30.06.2020 bestimmte Mindestmerkmale von OPS-Kodes von den Krankenkassen nicht geprüft werden dürfen. Die Abrechnung darf daher in Bezug auf bestimmte Mindestmerkmale von Seiten der Krankenkassen nicht mehr in Frage gestellt werden.

 

Nachdem das DIMDI aufgelöst wurde (siehe Artikel 16a MPEUAnpG vom 28.04.2020 BGBl I, S. 960), hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die betreffende Liste erstellt und veröffentlicht.

 

Bei 10 OPS-Kodes wurden einzelne Mindestmerkmale von der Prüfung ausgenommen. Es wurden also nicht insgesamt OPS-Kodes von der Prüfung ausgeklammert, sondern nur einzelne Mindestmerkmale bestimmter OPS-Kodes, manchmal nur ein einziges Mindestmerkmal.

 

Dies betrifft folgende OPS-Kodes:

 

8-550 Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung

 

8-552 Neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation

 

8-553 Frührehabilitative Komplexbehandlung von Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren

 

8-559 Fachübergreifende und andere Frührehabilitation

 

8-980 Intensivmedizinische Komplexbehandlung (Basisprozedur)

 

8-981 Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls

 

8-987 Komplexbehandlung bei Besiedelung oder Infektion mit multiresistenten Erregern [MRE]

 

8-98b Andere neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls

 

8-98f Aufwendige intensivmedizinische Komplexbehandlung (Basisprozedur)

 

8-98g Komplexbehandlung bei Besiedelung oder Infektion mit nicht multiresistenten isolationspflichtigen Erregern

 

Beispielhaft wurde bei dem OPS-Kode 8-550 (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung) das Mindestmerkmal „Wöchentliche Teambesprechung unter Beteiligung der fachärztlichen Behandlungsleitung (…)“ von einer Prüfung ausgeklammert. Bei dem OPS-Kodes 8-980 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung (Basisprozedur)) wurden zwei Mindestmerkmale von der Prüfung ausgeklammert, so die Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ und die Gewährleistung der ständigen ärztlichen Anwesenheit auf der Intensivstation.

 

Die näheren Einzelheiten, welche Mindestmerkmale der einzelnen OPS-Kodes vorübergehend von einer Prüfung ausgenommen wurden, ist der Veröffentlichung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seiner Internetseite zu entnehmen.

 

Konsequenz dieser Liste ist, dass die Krankenkassen die ordnungsgemäße Abrechnung bezogen auf die in der Liste aufgeführten Mindestmerkmale vom MDK vorübergehend für den Zeitraum vom 01.04.2020 bis 30.06.2020 nicht mehr prüfen lassen dürfen. Auch wenn der Gesetzestext von § 25 KHG etwas unscharf ist, ist davon auszugehen, dass aufgrund der Ausklammerung der betreffenden Mindestmerkmale bei einzelnen OPS-Kodes die Krankenkassen auch von sich aus keine diesbezüglichen Einwände mehr geltend machen können.

 

Die in der Liste nicht aufgeführten Mindestmerkmale einzelner OPS-Kodes unterliegen nach wie vor einer Prüfung durch die Krankenkassen.

 

  Datum: 02.06.2020 14:59:45
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Voraberörterungsverfahren nach § 17c Abs. 2b KHG – Rückwirkende Klarstellung zum 01.01.2020

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

verschiedene Sozialgerichte haben sich bisweilen darauf berufen, dass Klagen, die im Jahr 2020 eingereicht wurden, unzulässig seien, da das Voraberörterungsverfahren nach § 17c Abs. 2b KHG noch nicht durchgeführt worden sei.

 

In der Zwischenzeit ist das Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz (MPEUAnpG) vom 28.04.2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlich worden (BGBl I, Seite 960 ff.).

 

Das MPEUAnpG sieht in Art. 10a eine gesetzliche Klarstellung zu § 17c Abs. 2b Satz 1 KHG vor. Danach gilt das Voraberörterungsverfahren mit den Krankenkassen erst für die Versorgung von Patientinnen und Patienten, die nach Inkrafttreten der Bundesvereinbarung in das Krankenhaus aufgenommen wurden. Es bedarf daher zunächst einer Bundesvereinbarung nach § 17c Abs. 2 Nr. 8 KHG, worin das Verfahren zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern für die einzelfallbezogene Erörterung geregelt wird. Diese liegt noch nicht vor. Das Voraberörterungsverfahren greift erst dann für die Abrechnung von Patientinnen und Patienten, die nach Inkrafttreten der Bundesvereinbarung in das Krankenhaus aufgenommen wurden. Das Datum des Inkrafttretens wird im Bundesanzeiger veröffentlicht.

 

Die vorgenannte Regelung lautet nunmehr in der Fassung des MPEUAnpG wie folgt:

 

„Eine gerichtliche Überprüfung einer Krankenhausabrechnung über die Versorgung von Patientinnen und Patienten, die nach Inkrafttreten der Vereinbarung nach Abs. 2 Satz 5 oder der Festsetzung nach Abs. 2 Satz 6 iVm mit Abs. 2 Satz 5 aufgenommen werden, findet nur statt, wenn vor der Klageerhebung die Rechtmäßigkeit der Abrechnung einzelfallbezogen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus erörtert worden ist.“

 

Der vorbeschriebene Einwand einzelner Sozialgerichte greift zur Zeit nicht. Die Krankenhäuser können daher wegen ungerechtfertigter Kürzung oder Nichtbezahlung von Krankenhausrechnungen direkt Klage gegen die Krankenkassen erheben, ohne dass es eines Voraberörterungsverfahrens bedarf. Zudem ist zu beachten, dass die Neuregelung klarstellt, dass es nach Vorliegen der Bundesvereinbarung nur um Abrechnungen für Patientinnen und Patienten geht, die nach Inkrafttreten der Bundesvereinbarung ins Krankenhaus aufgenommen wurden. 

 

 Gut beraten, kompetent vertreten

 

 

  Datum: 25.05.2020 14:59:42
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Zweites Pandemie-Gesetz BT-Drucks. 19/19216

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der Bundesrat hat am 15.05.2020 dem „Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ zugestimmt, so dass das Gesetz in Kürze in Kraft treten kann.

 

Das Pandemie-Gesetz enthält auch wichtige Regelungen für die Krankenhäuser.

 

Nachstehend werden die wichtigsten Änderungen aufgelistet.

 

1. Differenzierung der Ausgleichszahlungen nach § 21 Abs. 3 KHG

 

Grundsätzlich steht den Krankenhäusern eine tagesbezogene Pauschale in Höhe von 560,00 € als Ausgleich für die Verschiebung bzw. Aussetzung von planbaren Aufnahmen, Operationen und Eingriffen zu. Nunmehr sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, durch Rechtsverordnung des BMG die Höhe der Ausgleichszahlung neu zu gestalten. Maßstab können hierbei die Zahl der Krankenhausbetten oder andere krankenhausbezogene Kriterien sein. Dies kann z. B. auch der CMI sein. Die entsprechende Differenzierung erfolgt durch Rechtsverordnung des BMG und kann sowohl zur Erhöhung als auch zur Absenkung der Ausgleichspauschale führen.

 

2. Überprüfung der wirtschaftlichen Lage der Krankenhäuser – Unterjährige Meldepflicht

 

Das BMG überprüft zum 30.06.2020 die Auswirkungen z. B. der Verschiebung oder Aussetzung planbarer Aufnahmen, Operationen und Eingriffe auf die Lage der Krankenhäuser. Hierzu wird nunmehr eine Datenübermittlungspflicht für die Krankenhäuser bis zum 15.06.2020 vorgesehen. Dies betrifft Patienten, die zwischen dem 01.01.2020 und dem 31.05.2020 nach voll- oder teilstationärer Behandlung aus dem Krankenhaus entlassen wurden. Eine weitere Meldepflicht besteht bis zum 15.10.2020 für Patienten, die zwischen dem 01.01.2020 und dem 30.09.2020 aus dem Krankenhaus entlassen wurden. Die zu meldenden Daten rekrutieren sich aus dem 21er-Datensatz Die Meldung erfolgt an die Datenstelle des InEK. Dieses legt das Nähere zur Datenübermittlung fest und veröffentlicht die Festlegung auf der Internetseite. Die nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitige Übermittlung wird sanktioniert. Für jeden entsprechenden Krankenhausfall ist dann ein Abschlag in Höhe von 10,00 €, mindestens jedoch ein Abschlag in Höhe von 20.000 € für jeden Standort des Krankenhauses zu entrichten, soweit hierdurch für das Krankenhaus keine unbillige Härte entsteht. Was als unbillige Härte anzusehen ist, regelt das InEK. Der Abschlag ist bei den Budgetvereinbarungen mindernd zu berücksichtigen.

 

3. Zusatzentgelt für Testungen auf das Coronavirus im Krankenhaus

 

Erfolgen Testungen auf eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus während voll- oder teilstationärer Behandlung rechnen die Krankenhäuser ein Zusatzentgelt ab. Die Höhe des Zusatzentgeltes wird von den Vertragsparteien auf Bundesebene kurzfristig festgelegt; ersatzweise erfolgt eine Festsetzung durch die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 6 KHG.

 

4. Ausnahme vom Fixkostendegressionsabschlag bei unzumutbarer Härte

 

Der Gesetzgeber nimmt eine Klarstellung von § 4 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 Bst. g) KHEntgG vor. Es wird klargestellt, dass die Vertragsparteien vor Ort die Möglichkeit haben, Leistungen von der Erhebung des Fixkostendegressionsabschlages auszunehmen, um unzumutbare Härten zu vermeiden. Die bisherige Fassung war missverständlich.

 

5. Pflegeentgeltwert

 

Der Gesetzgeber berücksichtigt nunmehr in § 6a Abs. 4 KHEntgG die Situation, dass bereits ein Krankenhaus einen krankenhausindividuellen Pflegeentgeltwert vereinbart hat. Ist dieser krankenhausindividuelle Pflegeentgeltwert niedriger als der vorläufig anzuwendende Pflegeentgeltwert in Höhe von 185,00 €, bleibt es bei der Abrechnung von dem Pflegeentgeltwert in Höhe von 185,00 €. Eine Rückzahlungspflicht für das Jahr 2020 besteht nicht. In dem anderen Fall, dass der krankenhausindividuelle Pflegeentgeltwert über 185,00 € liegt, wird der höhere Pflegeentgeltwert angesetzt.

 

6. Abrechnung des Pflegeentgeltwerts ab 01.01.2021

 

In § 15 Abs. 2a KHEntgG ist nunmehr vorgesehen, dass ab 01.01.2021 der ursprüngliche Pflegeentgeltwert von 146,55 € zur Abrechnung kommt, wenn noch kein krankenhausindividueller Pflegeentgeltwert vereinbart wurde. Damit soll eine möglichst zeitnahe Vereinbarung des Pflegebudgets bewirkt werden.

 

Daraus folgt folgende Abrechnungsfolge (wenn kein krankenhausindividueller Pflegeentgeltwert vereinbart wurde):

 

Vom 01.01. bis 31.03.2020: Pflegeentgeltwert in Höhe von 146,55 €

 

Vom 01.04.2020 bis 31.12.2020: Pflegeentgeltwert in Höhe von 185,00 €

 

Ab 01.01.2021: Pflegeentgeltwert in Höhe von 146,55 €

 

7. Kostenausgleich nach § 6a Abs. 2 Satz 3 KHEntgG

 

Kommt es zu einer Überdeckung der krankenhausindividuellen Pflegepersonalkosten stellt sich die Frage des Kostenausgleichs. Nunmehr wird dargestellt, dass bei einer Überdeckung der krankenhausindividuellen Pflegepersonalkosten kein Kostenausgleich nach § 6a Abs. 2 Satz 3 KHEntgG für das Jahr 2020 stattfindet.

 

8. Anpassung der Vergütungsvereinbarung für sozialpädiatrische Zentren

 

Auch in sozialpädiatrischen Zentren kommt es häufig zu einer Verringerung oder zu einer Veränderung der Leistungen mit negativen Auswirkungen auf die Vergütung. Der Gesetzgeber gibt daher eine Frist von 4 Wochen nach Inkrafttreten des zweiten Pandemie-Gesetzes zur Anpassung der Vergütungsvereinbarungen vor. Damit soll die Leistungsfähigkeit der SPZ für die Dauer der epidemischen Lage gesichert werden.

 

9. Quartalsbezogene Prüfquote 2021

 

Der Gesetzgeber sieht für das Jahr 2021 die quartalsbezogene Prüfquote in Höhe von bis zu 12,5 % vor. Damit wird die quartalsbezogene Prüfquote von 5 % im Jahr 2020 wieder auf 12,5 % angehoben. Maßgeblich für die Zuordnung zu einem Quartal ist das Datum des Eingangs der Schlussrechnung bei der Krankenkasse. Ab dem Jahr 2022 gilt dann die quartalsbezogene Prüfquote je Krankenhaus in Abhängigkeit von dem Anteil unbeanstandeter Rechnungen.

 

10. Strukturprüfungen nach § 275d SGB V

 

Strukturprüfungen finden erst im Jahr 2022 statt. Die Prüfungsbescheinigung des Medizinischen Dienstes ist bis zum 31.12.2021 zu übermitteln. Krankenhäuser, die eines oder mehrere der nachgewiesenen Strukturmerkmale über einen Zeitraum von mehr als einen Monat nicht mehr einhalten konnten, haben dies nunmehr nicht nur den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen, sondern auch dem zuständigen Medizinischen Dienst mitzuteilen.

 

Mit den besten Grüßen und Wünschen aus Mainz

Ihr

 

Friedrich W. Mohr

Fachanwalt für Medizinrecht

 

Gut beraten, kompetent vertreten

 

  Datum: 19.05.2020 15:13:35
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Transportzeit nach OPS-Kode 8-981
 

Entgegen der Auffassung des BSG in seinem Urteil vom 19.06.2018 (B 1 KR 39/17) ist bei der Anwendung des OPS-Kodes 8-981 auch in der Vergangenheit auf die reine Transportzeit und nicht auf die bloße Anforderung des Transportmittels abzustellen.

SG Koblenz, Urteil vom 05.03.2020, Az.: S 1 KR 881/18 (nicht rechtskräftig)

- Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, OPS-Kode 8-981, Transportzeit, Anforderung des Transportmittels, Klarstellung durch das DIMDI -

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Auslegung des OPS-Kodes 8-981 in der Vergangenheit beschäftigt nach wie vor die Sozialgerichte. Im vorliegenden Urteil des SG Koblenz wurde der Auffassung des BSG zur bisherigen Auslegung des OPS-Kodes 8-981 eine direkte Absage erteilt.

Sachverhalt

Das beklagte Krankenhaus verfügt über eine Stroke-Unit mit 4 Betten. Mit zwei Krankenhäusern besteht ein Kooperationsvertrag zur Durchführung von neurochirurgischen sowie gefäßchirurgischen und interventionell-neuroradiologischen Behandlungsmaßnahmen.

Für die Krankenhausbehandlung eines Patienten rechnete die Beklagte die DRG B70A (Apoplexie mit neurologischer Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, mehr als 72 Stunden, mit komplizierender Diagnose) ab. Die klagende Krankenkasse macht einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch geltend, da sie davon ausgeht, dass nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19.06.2018, Az.: B 1 KR 39/17) nicht auf die reine Transportzeit, sondern auf die Anforderung des Transportmittels abzustellen sei.

Demgegenüber hat das beklagte Krankenhaus eingewandt, dass es die vorgesehene Transportzeit von 30 Minuten erfülle. Hierzu hat es u. a. Einsatzprotokolle des Deutschen Roten Kreuzes vorgelegt, die eine Fahrtzeit zwischen 23 und 28 Minuten auswiesen. Ergänzend verwies das beklagte Krankenhaus auf die Corrigenda des DIMDI, die nachträglich klargestellt habe, dass es auf die reine Transportzeit ankomme, nämlich auf die Zeit, die der Patient im Transportmittel verbringe.

Entscheidungsgründe

Das SG Koblenz legt das Verständnis zugrunde, das vor der Entscheidung des BSG vom 19.06.2018 auf breiter Basis bestand. Es weist deutlich die Auffassung des BSG in seinem Urteil vom 19.06.2018 zurück. Würde man die Auffassung des BSG zugrunde legen, die auf die Anforderung des Transportmittels abstelle, bliebe für die Anwendung des OPS-Kode 8-981 kaum ein Raum. Denn bei der Anwendung der Grundsätze des BSG bliebe für die reine Transportzeit in vielen Fällen dann nur noch ein Zeitraum von wenigen Minuten übrig. Es ist nach Auffassung des SG Koblenz nicht vorstellbar, dass dies vom OPS-Kode 8-981 so gemeint sei. Wäre es so, wie sich das BSG es vorstelle, könne der Patient auch direkt in das spezialisierte Krankenhaus eingeliefert werden, das die entsprechenden Fachabteilungen selbst vorhalte.

Das SG Koblenz sieht sich auch bestätigt in seiner Auffassung durch die Reaktionen der Politik und der Krankenhäuser sowie ihrer Verbände auf das BSG-Urteil vom 19.06.2018. Das Urteil sei auf massive Kritik gestoßen und der Gesetzgeber habe den „hierdurch angerichteten Schaden umgehend“ beseitigt.

Das SG Koblenz wies daher die Klage der Krankenkasse zurück.

Anmerkungen

Das Sozialgericht Koblenz hat mit deutlicher Klarheit die verfehlte Auffassung des BSG zur Auslegung der Transportzeit beim OPS-Kode 8-981 zurückgewiesen. Dies ist erfreulich und zeigt auch, dass sich Sozialgerichte eigene Gedanken machen und nicht einfach die kritisch zu beurteilende Rechtsprechung des BSG ungeprüft übernehmen.

Im Ergebnis kam es daher auf die von der klagenden Krankenkasse aufgeworfenen Rechtsfrage, ob das DIMDI berechtigt gewesen sei, Klarstellungen bzw. Änderungen des OPS-Kodes 8-981 nachträglich vorzunehmen, nicht mehr an.

Das Urteil ist auf hier wiedergegeben.

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 11.05.2020 12:14:48
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Die Ärzte des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht verpflichtet, als Medizincontroller des Krankenhauses tätig zu sein
 

Die Ärzte des Medizinischen Dienstes sind bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht verpflichtet, als Medizincontroller des Krankenhauses tätig zu sein. Sie sind nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen.

BSG Urteil vom 19.11.2019, Az.: B 1 KR 10/19 R

- Verjährungsfrist, Verwirkung, Nachforderung des Krankenhauses, Rechnungskorrektur, offensichtlicher ins Auge springender Fehler, Vertrauensschutz -

Sehr geehrte Damen und Herren,

wiederholt hat sich das BSG mit der Frage befasst, ob innerhalb der kurzen Verjährungsfrist von (bisher) 4 Jahren der Grundsatz der Verwirkung Platz greift. Dies hat das BSG im vorliegenden Urteil bestätigt und sich gleichzeitig mit der Frage auseinandergesetzt, wann von einem offensichtlichen Fehler, der ins Auge springt, auszugehen ist, so dass sich die Krankenkasse nicht auf die Verwirkung berufen kann.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus hatte den Patienten wegen einer chronischen Infektion der Herzschrittmachertasche aufgenommen. Sie kodierte u. a. den OPS 5-378.2 (Entfernung, Wechsel und Korrektur eines Herzschrittmachers und Defibrillators (…)) und den OPS-Kode 5-378.ao (Einsatz eines Excimer-Lasers). Die Klägerin berechnete hierfür die DRG F18A und führte in der Rechnung nicht das Zusatzentgelt für den Einsatz eines Excimer-Lasers auf. Die Schlussrechnung datierte vom 11.05.2009. Nachdem die gutachtliche Stellungnahme des MDK vorlag, fiel der Klägerin auf, dass sie das Zusatzentgelt für den Einsatz eines Excimer-Lasers nicht geltend gemacht hatte. Sie erstellte daher am 13.11.2013 eine neue Schlussrechnung, die auch das Zusatzentgelt für den Einsatz des Excimer-Lasers umfasste.

Das Krankenhaus ging hierbei davon aus, dass es sich um einen offensichtlichen, für die Krankenkasse ins Auge springenden Fehler der Abrechnung gehandelt hat, so dass sie berechtigt war, innerhalb der 4-jährigen Verjährungsfrist eine Nachforderung des betreffenden Zusatzentgeltes geltend zu machen.

Die Klage war in den Vorinstanzen erfolglos. Das BSG wies die Revision der Klägerin zurück.

Entscheidungsgründe

Das BSG rückt noch einmal die maßgeblichen Grundsätze für Nachtragsforderungen der Krankenhäuser in den Vordergrund.

Zunächst setzt sich das BSG mit der Zahlungsregelung in § 11 Abs. 2 KHBV (Hamburg) auseinander und hält diese Bestimmung für nichtig. Nach dieser (nichtigen) Regelung können Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art auch nach Bezahlung der Rechnung innerhalb von 6 Monaten geltend gemacht werden. Das gleiche gilt auch für die Nachforderungen der Krankenhäuser. Das BSG stellt heraus, dass eine solche Einschränkung – sowohl für die Krankenkassen als auch für das Krankenhaus – nicht mit geltendem Recht in Einklang steht. Die Krankenkassen seien jederzeit berechtigt, die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung von Krankenhausvergütungen mit Blick auf Leistungsverweigerungsrechte oder nicht verjährter Erstattungsforderungen zu überprüfen. Die Teilnichtigkeit des § 11 Abs. 2 Satz 1 KHBV führe zur Nichtigkeit auch von § 11 Abs. 2 Satz 2 KHBV, der die Nachforderung der Krankenhäuser betrifft.

Anschließend stellt das BSG fest, dass für die Nachforderung des Krankenhauses keine Verjährung eingetreten ist, da sie innerhalb des 4-Jahres-Zeitraumes geltend gemacht wurde. Diese 4-Jahres-Frist gilt sowohl für Ansprüche der Krankenkassen als auch der Krankenhäuser.

Innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist greift nach Auffassung des BSG jedoch der Tatbestand der Verwirkung als Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Die Krankenkasse könne regelhaft darauf vertrauen, dass das Krankenhaus insoweit keine weiteren Nachforderungen erhebe. Dieser Grundsatz bedeute, dass ein Krankenhaus nur Nachforderungen im Rahmen des gerade laufenden bzw. des noch nachfolgenden vollen Haushaltsjahres gegenüber der Krankenkasse geltend machen könne.

Sei dieser Zeitraum abgelaufen, könne nur in seltenen Ausnahmefällen eine Rechnungskorrektur erfolgen. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn ein offensichtlicher, ins Auge springender Korrekturbedarf zu Gunsten des Krankenhauses bestehe, der der Krankenkasse Anlass gibt, von sich aus hierauf hinzuweisen (BSG, aaO, Rdz. 13).

Da der vom BSG zugrunde gelegten Zeitraum für die regelhafte Verwirkung bereits überschritten war, kam es darauf an, ob es sich vorliegend um einen offensichtlichen, ins Auge springenden Korrekturbedarf handelte.

In diesem Zusammenhang präzisiert das BSG seine Vorstellungen, was unter einem offensichtlichen Korrekturbedarf zu verstehen ist. Es führt aus, dass es nicht Aufgabe der Krankenkasse sei, systematisch zu Gunsten des Krankenhauses ein Medizincontrolling vorzunehmen. Es ist der Krankenkasse überlassen, welche Abrechnung sie in welcher Prüftiefe kontrolliert. Die von der Krankenkasse gewählte Prüftiefe der Krankenhausrechnung bestimme, welche Erkenntnisquellen für die Beantwortung der Frage heranzuziehen sind, ob von einem für die Krankenkasse offensichtlichen, ins Auge springenden Korrekturbedarf der Abrechnung auszugehen ist. Prüfe die Krankenkasse lediglich die Schlussrechnung – ohne die nach § 301 SGB V übermittelten Daten hinzuziehen – könne sich der Korrekturbedarf auch nur aus der herangezogenen Schlussrechnung ergeben. Im Übrigen bewirke nicht jede Diskrepanz zwischen Abrechnung und den hierzu übermittelten Daten einen Wegfall des Vertrauenstatbestandes. Der Korrekturbedarf muss vielmehr so offensichtlich sein („ins Auge springen“), dass er auch bei flüchtigem Lesen wahrgenommen wird und keine weitergehenden Überlegungen zu dem Abrechnungsvorgang voraussetzt.

Anmerkungen

Die Ausführungen des BSG zu den Voraussetzungen einer Nachforderung des Krankenhauses entsprechen der bisherigen ständigen Rechtsprechung. Danach kann ein Krankenhaus grundsätzlich nur bis zum Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Kalenderjahres eine Nachforderung stellen. Neu an dem Urteil sind die Ausführungen des BSG, wann von einem offensichtlichen, ins Auge springenden Korrekturbedarf auszugehen ist.

Dabei verfällt das BSG in eine einseitige Sichtweise zu Gunsten der Krankenkassen. Es ist praxisfremd davon auszugehen, dass eine Krankenkasse keinen automatischen Datenabgleich mit den nach § 301 übermittelten Daten vornimmt. Dies ist im Grunde die erste Stufe der Rechnungsprüfung für die Krankenkasse, bevor es sich inhaltlich mit der Schlussrechnung auseinandersetzt. Vorliegend hätte daher das BSG zu einem anderen Ergebnis kommen müssen, da aus dem § 301-Datensatz hervorging, dass im betreffenden Behandlungsfall der Einsatz eines Excimer-Lasers erfolgte. Damit löst es das entsprechende Zusatzentgelt aus.

Letztlich macht das BSG den offensichtlichen, ins Auge springenden Korrekturbedarf nur davon abhängig, mit welchen Daten sich die Krankenkasse beschäftigen möchte. Zudem stellt das BSG auf den „flüchtig lesenden“ Krankenkassenmitarbeiter ab. Damit wird es weder der Krankenkasse als öffentlich-rechtliche Körperschaft noch der Abrechnungsprüfung als solcher gerecht. Dies öffnet der Krankenkasse Tür und Tor, um sich letztlich herauszureden, sie habe sich nur mit bestimmten Details der Abrechnung befasst. Dieser Sachverhalt entzieht sich dann auch der objektiven Kenntnismöglichkeit des Krankenhauses.

Im Ergebnis handelt es sich um ein nicht zufriedenstellendes höchstrichterliches Urteil.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 08.05.2020 09:14:15
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Flash-News
 

Quartalsbezogenes Prüfungssystem nach § 275c SGB V

Festlegung durch den GKV-Spitzenverband

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

durch das MDK-Reformgesetz wurde ein quartalsbezogenes Prüfungssystem vorgegeben. Dabei haben die gesetzlichen Krankenkassen die Pflicht, dem Spitzenverband Bund quartalsbezogen je Krankenhaus die Anzahl der eingegangenen Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlung, die Anzahl der beim Medizinischen Dienst eingeleiteten Prüfungen von Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlung, die Anzahl der durch den Medizinischen Dienst abgeschlossenen Prüfungen von Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlung und die Anzahl der Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlung, die nach der Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt haben und insoweit unbeanstandet geblieben sind, mitzuteilen.

Für jedes einzelne Krankenhaus werden die vorgenannten Daten vom Spitzenverband Bund für jedes betrachtete Quartal ausgewiesen und veröffentlicht. Die näheren Einzelheiten, insbesondere zur Datenlieferungspflicht durch die Krankenkassen, wird vom Spitzenverband Bund festgelegt. Nunmehr liegt die Festlegung des GKV-Spitzenverbandes für die näheren Einzelheiten zur bundeseinheitlichen quartalsbezogenen Auswertung gem. § 275c Abs. 4 SGB V mit Wirkung vom 01.01.2020 vor.

Zunächst haben diese Festlegungen Bedeutung für die Krankenkassen, die die entsprechenden Daten an den GKV-Spitzenverband liefern müssen. Allerdings hat eine Datenlieferung durch die Krankenkassen auch unmittelbare Bedeutung für die Krankenhäuser, da dadurch die quartalsbezogene Prüfquote je Krankenhaus und letztlich der Rechnungsaufschlag (Strafzahlung) bestimmt wird. Die Krankenhäuser sollten daher im Auge behalten, ob das veröffentlichte Ergebnis mit der beim Krankenhaus vorhandenen Datenlage übereinstimmt.

Die Festlegungen des GKV-Spitzenverbandes entwickeln ein sehr differenziertes System, die auch Sonderfälle mit berücksichtigen, wie die Vereinigung von Krankenkassen, die Neugründung von Krankenkassen, die Schließung/Auflösung von Krankenkassen und Fusion/Schließung von Krankenhäusern. Darüber hinaus enthalten die Feststellungen aber auch Besonderheiten, die sich von vornherein nicht als richtig erweisen, da sie über den Gesetzesauftrag nach § 275 Abs. 4 Satz 5 SGB V hinausgehen bzw. rechtlich bedenklich sind.

So geht der GKV-Spitzenverband davon aus, dass Rechnungskorrekturen der Schlussrechnung für vollstationäre Krankenhausbehandlung in einem Folgequartal erneut gezählt werden, auch wenn die vorhergehende Schlussrechnung im Folgequartal storniert wurde. Etwas anderes gilt nur, wenn mit der Rechnungskorrektur im Folgequartal dem Ergebnis einer MDK-Prüfung Rechnung getragen wurde. Diese soll nicht erneut angesetzt werden. Damit greift der GKV-Spitzenverband willkürlich in das Abrechnungssystem ein. Schließlich kann es nur eine Schlussrechnung geben, die für die Abrechnung maßgeblich ist. Nur wenn die Schlussrechnung im betrachteten Quartal storniert wurde, wird sie nicht bei der Datenerhebung berücksichtigt. Dies gilt auch für Schlussrechnungen, die von Krankenkassenseite zurückgewiesen wurden.

Bei der Anzahl der eingeleiteten Prüfungen stellt der GKV-Spitzenverband auf das Datum der Beauftragung des Medizinischen Dienst durch die Krankenkasse (Versand an den MD) ab. Dies ist ungewöhnlich, da es regelmäßig bei einer Beauftragung auf den Zugang beim Empfänger ankommt. Nicht überzeugend ist auch die Regelung, wonach bei einer erneuten Beauftragung des MD, z. B. bei einer Datensatzkorrektur durch das Krankenhaus, keine erneute Zählung als eingeleitete Prüfung erfolgt, selbst wenn eine erneute/geänderte Prüfanzeige an das Krankenhaus übermittelt wurde.

Rechtlich bedenklich ist vor allem, dass als abgeschlossene Prüfung nicht die Erstellung des Gutachtens des MD angesehen wird, sondern es der leistungsrechtlichen Entscheidung der Krankenkasse bedarf. Damit hat die Krankenkasse eine gewisse Steuerungsmöglichkeit, welche abgeschlossenen Prüfungen sie welchem Quartal zuordnen möchte. Dies widerspricht der Regelung in § 275 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 SGB V, wonach es darauf ankommt, ob der MD die Prüfung von Schlussrechnungen abgeschlossen hat. Auf die leistungsrechtliche Entscheidung der Krankenkasse kommt es daher gesetzlich nicht an.

Rechtlich bedenklich ist des Weiteren die Sonderregelung für Krankenhäuser, bei denen im betrachteten Quartal keine Prüfung abgeschlossen wurde. In diesem Fall kann man den Anteil der unbeanstandeten Prüfungen nicht ausweisen. In diesem Fall legt jedoch der GKV-Spitzenverband willkürlich eine Prüfquote von 10 % fest, der auch für den sog. Aufschlag nach § 275c Abs. 3 SGB V maßgeblich ist (25 %-iger Aufschlag).

Durch das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz ist im Bereich der Krankenhäuser eine gewisse Entspannung erfolgt, wonach der Aufschlag (Strafzahlung) erst ab dem Jahr 2022 gilt und auf die Erhebung von Aufschlägen in den Jahren 2020 und 2021 verzichtet wird. Es bleibt also noch die Chance, dass der GKV-Spitzenverband sein Regelwerk nachbessert. Bedauerlicherweise bedarf die Festlegung des GKV-Spitzenverbandes nach § 275c Abs. 4 SGB V nicht der Genehmigung des BMG, jedoch bleibt es dem BMG unbenommen, seine Auffassung hierzu kundzutun und auf Änderungen hinzuwirken.

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 28.04.2020 14:40:40
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Wirtschaftlichkeitsgebot und Aufklärung des Patienten
 

Steht eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung, hat der Versicherte aufgrund grundrechtsorientierter Leistungsauslegung einen Anspruch auf eine andere Behandlungsmethode, die eine nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht. Dies betrifft die Fälle, in denen eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vorliegt. Der Anspruch auf die begehrte Handlung muss auch den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechen, d. h. nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft objektiv erfolgversprechend sein. Hierbei ist eine abstrakte als auch konkret-individuelle Chancen-/Risikoabwägung vorzunehmen und zu prüfen, ob auch andere Methoden diesen Anforderungen genüge. Die so in Betracht zu ziehenden Methoden sind untereinander hinsichtlich Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit zu vergleichen. In besonderen Situationen kann unter Berücksichtigung der therapeutischen Zeitfenster auch ein palliativer Behandlungsansatz dem Wirtschaftlichkeitsgebot besser gerecht werden als ein kurativer Behandlungsansatz. 

Die ordnungsgemäße Aufklärung des Patienten über Chancen und Risiken der Behandlung dient auch der Wahrung des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 Abs. 1 SGB V und hat insoweit Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch des Krankenhauses. Die Aufklärung muss dem Versicherten die Spanne denkbarer Entscheidungen aufzeigen, so dass ihm Für und Wider der Behandlung bewusst sind und er Chancen und Risiken der jeweiligen Behandlung selbstbestimmt abwägen kann.

BSG, Urteil vom 19.03.2020, AZ: B 1 KR 20/19 R

- Grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts, Abwägung zwischen kurativer und palliativer Behandlungsmöglichkeit, Qualitätsgebot, Wirtschaftlichkeitsgebot, Aufklärung des Patienten -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Das Bundessozialgericht hat sich erneut mit der Fragestellung befasst, welchen Leistungsanspruch ein Patient hat, wenn eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht und der Patient eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung aufweist. Neu ist in dem Zusammenhang die Abwägung zwischen einer kurativen Behandlung und einer palliativen Behandlungsmöglichkeit unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots. Dabei misst das BSG der Aufklärung des Patienten über die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten eine besondere Bedeutung zu.

Sachverhalt

In Voraufenthalten wurde bei dem Patienten ein Mantelzelllymphom (eine Form des Lymphdrüsenkrebses) im höchsten Stadium IV diagnostiziert und anschließend behandelt. Vom 17.03. bis 21.04.2010 wurde der Patient zur Durchführung einer allogenen Stammzelltransplantation vollstationäre aufgenommen. Anschließend wurde der Patient am 07.05.2010 notfallmäßig erneut stationär aufgenommen. Der Versicherte verstarb an den Folgen einer Sepsis mit Multiorganversagen sodann am 17.06.2010.

Für die Krankenhausbehandlung stellte die Klägerin die DRG A04C (Knochenmarktransplantation/Stammzelltransfusion) in Rechnung. Die Beklagte beauftragte den MDK mit einem Gutachten. Dieser kam zur Auffassung, dass die allogene Stammzelltransplantation medizinisch nicht notwendig gewesen sei.

Die Vorinstanzen haben die beklagte Krankenkasse zur Zahlung verurteilt. Das Krankenhaus habe Anspruch auf die streitige Vergütung der allogenen Stammzelltransplantation gehabt, da die Voraussetzungen grundrechtsorientierter Leistungsauslegung vorgelegen hätten. Statistisch gesehen habe der Patient seine Aussicht dadurch auf ein 5-Jahres-Überleben durch die allogene Stammzelltransplantation von 29 auf 60 % erhöht. Demgegenüber habe das individuelle Risiko, an der Behandlung zu versterben, wegen des besonders gut geeigneten Spenders nur bei 10 bis 15 % gelegen.

Auf die Revision der beklagten Krankenkasse wurde das Urteil des LSG aufgehoben und der Rechtsstreit an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Entscheidungsgründe

Rechtlicher Ausgangspunkt des BSG ist, dass eine Absenkung von Qualitätsanforderungen in Ausnahmefällen bei einer grundrechtsorientierten Auslegung geboten sein kann (Art. 2 Abs. 1 GG iVm mit dem Sozialstaatsprinzip und Art. 2 Abs. 3 GG). Dies betrifft Fälle, in denen eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vorliegt und für sie eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht. Die andere Behandlungsmethode muss eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf versprechen (BSG, aaO, Rdz. 19).

Auch die begehrte Behandlung muss jedoch den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechen. Dies ist dann der Fall, wenn die anzuwendende Methode nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft objektiv erfolgversprechend ist. Insoweit ist nicht nur eine abstrakte, sondern auch eine konkret-individuelle Chanen-/Risikoabwägung vorzunehmen im Hinblick darauf, ob der voraussichtliche Nutzen der begehrten Behandlungsmethode die möglichen Risiken überwiegt.

In die Prüfung ist mit einzubeziehen, ob bei Anlegen desselben Wahrscheinlichkeitsmaßstabes auch andere Methoden diesen Anforderungen genügen. Diese Methoden sind untereinander hinsichtlich Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit zu vergleichen (BSG, aaO, Rdz. 20).

Auch ein palliativer Behandlungsansatz kann dem Wirtschaftlichkeitsgebot besser gerecht werden, wenn ein dem allgemein anerkannten medizinischen Stand der medizinischen Erkenntnisse noch nicht entsprechender kurativer Behandlungsansatz in Betracht gezogen wird. Dies kann dann der Fall sein, wenn der palliative Behandlungsansatz nach der konkret-individuellen Chancen-/Risikoabwägung bei einer tödlichen Erkrankung einen größeren relativen Überlebensvorteil eröffnet als der als Alternative zu erwägende kurative Behandlungsansatz.

Im Zusammenhang mit der Vergütung misst das BSG auch der ordnungsgemäßen Aufklärung besondere Bedeutung zu. Die ordnungsgemäße Aufklärung habe zwar in erster Linie Bedeutung im zivilrechtlichen Haftungsrecht. Im Recht der GKV diene sie aber auch dazu die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 Abs. 1 SGB V zu wahren. Insoweit hat die Aufklärung auch Auswirkungen auf das Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Aufklärung muss dem Patienten die Spanne denkbarer Entscheidungen aufzeigen, so dass ihm Für und Wider der Behandlung bewusst wird und er Chancen und Risiken der jeweiligen Behandlung selbstbestimmt abwägen kann. Im vorliegenden Fall gehört es daher auch dazu, dass dem Patienten die palliativen Behandlungsmöglichkeiten im Hinblick auf einen relativen Überlebensvorteil und die damit verbleibende Lebensqualität im Vergleich einer mehr oder weniger vagen Aussicht auf Heilung deutlich vor Augen geführt werden (BSG, aaO, Rdz. 36).

Anmerkungen

Das Urteil des BSG hat weitreichende Auswirkungen, wenn Behandlungsmöglichkeiten in Fällen gewählt werden, in denen eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vorliegt. Aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots sind bei der abstrakten und bei der konkret-individuellen Chancen-/Risikoabwägung nicht nur kurative sondern auch palliative Behandlungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen und abzuwägen. Einer palliativen Behandlung ist dann der Vorrang bei einer tödlichen Erkrankung einzuräumen, wenn sie einen größeren relativen Überlebensvorteil eröffnet als der als Alternative in Betracht kommende kurative Behandlungsansatz. Dies kann z. B. dann gegeben sein, wenn der kurative Behandlungsansatz ein höheres Mortalitätsrisiko aufweist, etwa durch die Behandlung selbst, typische Komplikationen und ggf. durch die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls mit tödlichem Ausgang (BSG, aaO, Rdz. 22).

Damit lässt das BSG es aber nicht bewenden, sondern stellt hohe Anforderungen an die Aufklärung des Patienten auch im Zusammenhang mit dem Vergütungsanspruch. Dies ist ein neuer Aspekt. Zwar werde im Sinne einer widerlegbaren Vermutung von einer ordnungsgemäßen Aufklärung bei objektiv medizinisch erforderlichen Behandlungen ausgegangen. Dies gelte jedoch nicht, wenn mit der in Rede stehenden Behandlung ein hohes Risiko schwerwiegender Schäden, insbesondere ein hohes Mortalitätsrisiko verbunden ist. Markant wird dies im BSG-Urteil durch folgende Sätze: „Der Patient muss wissen, auf was er sich einlässt, um abwägen zu können, ob er die Risiken einer solchen Behandlung um deren Erfolgsaussichten willen eingehen will (…) Hierzu gehört, dass ihm auch die palliativen Behandlungsmöglichkeiten im Hinblick auf ein relativen Überlebensvorteil und die damit verbleibende Lebensqualität in Vergleich zu einer mehr oder weniger vagen Aussicht auf Heilung deutlich vor Augen geführt werden.“ (BSG, aaO, Rdz. 36 a.E.)

Für die  ordnungsgemäße Aufklärung trägt das Krankenhaus die Beweislast.

Aus dem Urteil ist zu folgern, dass auch ein Vergütungsanspruch entfallen kann, wenn der Patient nicht im Sinne der Rechtsprechung des BSG ordnungsgemäß und ausreichend aufgeklärt wurde. Die verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten, auch im Hinblick auf einen palliativen Behandlungsansatz, sollten daher in der Aufklärungsdokumentation enthalten sein.

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 27.04.2020 09:13:28
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Flash-News
 

Prüfquote 1. Quartal 2020

Sehr geehrte Damen und Herren,

bekanntlich wurde durch das Covid-19-Krankenhausentlastungsgesetz die maximal zulässige Prüfquote für das Jahr 2020 auf 5 % festgelegt (§ 275c Abs. 2 Satz 1 SGB V).

Es stellt sich nunmehr die Rechtsfrage, ob die maximal zulässige Prüfquote von 5 % auf die Zahl der Schlussrechnungen für das 1. Quartal 2020 oder auf das vorvergangene Quartal (3. Quartal 2019) zu beziehen ist. Die GKV vertritt die Auffassung, dass nach der Rechtslage das vorvergangene Quartal, also das 3. Quartal 2019, für die Prüfquote maßgeblich ist. Dies wohl auch aus dem Gedanken heraus, dass die Zahl der Schlussrechnungen des 3. Quartals 2019 wesentlich höher ist, als die Zahl der Schlussrechnungen im 1. Quartal 2020 (bedingt durch die Pandemie).

Das MDK-Reformgesetz hat in § 275c Abs. 2 Satz 1 SGB V eine feste Prüfquote der bei der einzelnen Krankenkasse je Quartal eingegangenen Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlung vorgesehen. Welche Anzahl von maximal zulässigen Prüfungen möglich ist, richtet sich nach § 275c Abs. 2 Satz 5 2. HS SGB V. Danach ist die veröffentlichte Anzahl der Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlungen, die die einzelne Krankenkasse vom einzelnen Krankenhaus im vorvergangenen Quartal erhalten hat, maßgeblich. Dies wäre dann das 3. Quartal 2019 für die Anzahl der maximal zulässigen Prüfungen der Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlung.

Allerdings steht diese Auffassung der GKV im Gegensatz zur Gesetzesbegründung zu § 275c Abs. 2 SGB V. Das MDK-Reformgesetz ist erst am 01.01.2020 in Kraft getreten, so dass die Anzahl der eingegangenen Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlung erstmals für das 1. Quartal 2020 zu veröffentlichen sind. Diese stehen daher als Basis der Prüfquote erst im Laufe des 2. Quartals 2020 zur Verfügung. Die Gesetzesbegründung ging daher davon aus, dass „Für das 1. Quartal 2020 (…) damit die einzelne Krankenkasse eigenverantwortlich in der Pflicht (ist), die zulässige Prüfquote je Krankenhaus nicht zu überschreiten“.

Wie dem auch sei, letztendlich hat die Deutsche Krankenhausgesellschaft ihre insoweit vertretene Rechtsauffassung zur Seite gelegt, auch um weitere rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Grund hierfür ist wohl auch eine eindeutige Aussage des BMG in Richtung der Auffassung des GKV-Spitzenverbandes.

Empfehlung

Richtig erscheint mir jedoch, dass die Krankenhäuser im Auge behalten, dass die nunmehr zulässige maximale Prüfquote von 5 % der Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlung im 1. Quartal 2020 nicht überschritten wird. Auch hierfür sieht § 275 Abs. 2 Satz 4 1. HS SGB V eine Regelung vor: Danach hat der Medizinische Dienst bei Überschreitung der maximal zulässigen quartalsbezogenen Prüfquote die Prüfung abzulehnen.

Ein Auswahlverfahren der Krankenkassen, welche Prüfung zurückgezogen werden soll, wenn die Prüfquote von maximal 5 % im 1. Quartal 2020 bereits überschritten ist, ist gesetzlich nicht vorgesehen. Nach der gesetzlichen Regelung ist es Aufgabe des Medizinischen Dienstes die Prüfung abzulehnen. Dieser hat daher zu ermitteln, nach der Reihenfolge des Eingangs, wann die maximal zulässige Prüfquote von 5 % von einer Krankenkasse überschritten wurde. Die Prüfaufträge, die über der 5 %-Prüfquote liegen, sind an die Krankenkassen zurückzugeben. Besteht für ein Krankenhaus der begründete Verdacht, dass die 5 %-Prüfquote überschritten wurde, ist daher der MDK aufzufordern, die entsprechenden Prüfaufträge nach Überschreitung der Prüfquote an die jeweilige Krankenkasse zurückzugeben. Hierzu sollte man den Medizinischen Dienst schriftlich auffordern und eine entsprechende Kopie der Krankenkasse zusenden.

 

Gut beraten, kompetent vertreten

  Datum: 21.04.2020 14:12:15
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Flash News
 

Aktivitäten des Gesetzgebers

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

geht es Ihnen auch so: Aufgrund der Aktivitäten der Regierung und des Parlaments verliert man leicht die Übersicht. Deshalb hier kurz eine Darstellung der letzten Änderungen für die Krankenhäuser:

1.

Für das sog. Voraberörterungsverfahren vor Klageerhebung nach § 17 Abs. 2b KHG wird nunmehr klargestellt, dass dies nur gilt für Patienten und Patientinnen, die nach Inkrafttreten der Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien auf Bundesebene über das Verfahren aufgenommen werden. Nach Abschluss der Vereinbarung wird das Datum des Inkrafttretens im Bundesanzeiger bekannt gemacht. Diese Regelung tritt rückwirkend zum 01.01.2020 in Kraft (Artikel 10a, Artikel 17 Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz – MPEUAnpG -noch nicht veröffentlicht-).

Dies bedeutet, dass Krankenhäuser bei nicht bezahlten oder gekürzten Rechnungen unmittelbar Klage einreichen können, ohne vorher den Einzelfall noch einmal mit den Krankenkassen erörtern zu müssen. Dies gilt so lange, bis die Vereinbarung auf Bundesebene in Kraft tritt.

2.

Das DIMDI wird aufgelöst. Die bisherigen Aufgaben des DIMDI, z. B. die Herausgabe der Diagnosen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 Abs. 2 SGB V, werden künftig von dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wahrgenommen. Diese Regelung tritt am 26.05.2020 in Kraft (Artikel 16a, Artikel 17 MPEUAnpG -noch nicht veröffentlicht-).

3.

Bekanntlich wurde durch das COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz der Pflegeentgeltwert nach § 15 Abs. 2a KHEntgG von 146,55 € auf 185,00 € festgelegt. Diese Regelung greift ab 01.04.2020. Dabei spielt das Aufnahmedatum des Patienten keine Rolle. Ggf. muss daher die Berechnung des Pflegeentgeltwertes gesplittet werden: Die Belegungstage bis zum 31.03.2020 werden in Höhe von 146,55 € und die weiteren Belegungstage ab 01.04.2020 dann mit dem höheren Pflegeentgeltwert von 185,00 € abgerechnet. Hierzu gibt es einen Nachtrag zur Fortschreibung der § 301-Vereinbarung mit Wirkung zum 01.04.2020.

4.

Der G-BA hat eine Änderung der Regelung zu einem gestuften System von Notfallstrukturen gemäß § 136c Abs. 4 SGB V vorgenommen. Bisher bestand eine zeitliche Vorgabe für die Aufnahme von beatmungspflichtigen Intensivpatienten auf der Intensivstation innerhalb von 60 Minuten nach Krankenhausaufnahme. Da mit einer konzentrierten Inanspruchnahme der Krankenhäuser aufgrund der COVID-19-Erkrankungen zu rechnen ist, setzt der G-BA die Zeitvorgabe für die Aufnahmebereitschaft für den Zeitraum vom 01.04. bis 31.05.2020 aus. Stattdessen ist in diesem Zeitraum die schnellstmögliche Aufnahmebereitschaft ausreichend (Beschluss des G-BA vom 27.03.2020).

5.

Die Pflegepersonaluntergrenzenverordnung (PpUGV) wurde von dem BMG für den Zeitraum vom 01.03. bis 31.12.2020 ausgesetzt (Erste Verordnung zur Änderung der Pflegepersonaluntergrenzenverordnung). Ausgehend hiervon laufen auch die PpUG-Nachweisvereinbarung und die PpUG-Sanktionsvereinbarung leer, da die PpUG für den vorgenannten Zeitraum keine Anwendung findet.

 

Aufgrund der besonderen Lage ist sicherlich mit einer Fortsetzung der Aktivitäten des Gesetzgebers zu rechnen. Insbesondere der Schnellschuss des COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetzes bedarf dringend einer Nachbesserung.

  Datum: 03.04.2020 10:45:31
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Bundestag beschließt COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz
 

Bundestag beschließt COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der Bundestag hat heute ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Entlastung der Krankenhäuser beschlossen. Die wichtigsten Regelungen, die voraussichtlich morgen den Bundesrat passieren werden, möchte ich wie folgt darstellen:

 

1.    Ausgleichszahlungen aufgrund von Sonderbelastungen:

Krankenhäuser erhalten Ausgleichszahlungen aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds wegen nichtbelegter Betten. Hierfür wird eine tagesbezogene Pauschale in Höhe von 560,00 €/je Patient – voll- bzw. teilstationär – gewährt.

 

Anmerkung:

Für die Ermittlung gilt als Referenzwert die Zahl der im Jahresdurchschnitt 2019 pro Tag voll- oder teilstationär behandelter Patienten. Es gilt der Zeitraum vom 16.03.2020 bis 30.09.2020. Die Ausgleichszahlungen dürfen die Krankenhäuser behalten, sie sind nicht ausgleichsfähig. Die Meldung erfolgt wöchentlich an die zuständige Krankenhausplanungsbehörde. Die Länder übermitteln für alle Krankenhäuser die Beträge an das Bundesamt für Soziale Sicherung. Das Bundesamt für Soziale Sicherung begleicht den Mittelbedarf dem jeweiligen Land. Das Land leitet die erhaltenen Beträge an die Krankenhäuser weiter. Es können auch Abschlagszahlungen erfolgen.

 

2.    Zugelassene Krankenhäuser, die zusätzliche intensivmedizinische Behandlungskapazitäten mit maschineller Beatmungsmöglichkeit schaffen (Aufstellung von Betten oder Einbeziehung von Betten aus anderen Stationen) erhalten einmalig einen Bonus in Höhe von 50.000,00 € aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds/je aufgestelltes oder vorgehaltenes Bett. Die Regelung gilt bis zum 30.09.2020.

 

Anmerkung:

Die Zahlung erfolgt durch das Bundesamt für Soziale Sicherung im Rahmen der Liquiditätshilfe.

 

3.    Krankenhäusern wird eine Pauschale in Höhe von 50,00 € je voll- oder teilstationärer Behandlung zur pauschalen Abgeltung von Preis- und Mengensteigerungen gewährt. Die Regelung gilt zwischen dem 01.04.2020 und 30.06.2020.

 

Anmerkung:

Die Abrechnung des Zuschlags erfolgt gegenüber den Kostenträgern bzw. gegenüber den Patienten.

 

4.    Der vorläufige Pflegeentgeltwert wird in Höhe von 185,00 € festgesetzt. Die Regelung gilt ab dem 01.04.2020.

 

Anmerkung:

Nach wie vor muss ein Pflegebudget verhandelt werden. Liegen die Pflegepersonalkosten über dem Wert von 185,00 € wird die Unterdeckung ausgeglichen. Liegt der krankenhausindividuelle Pflegeentgeltwert unterhalb von 185,00 € verbleiben die Mittel dem Krankenhaus und es sind keine Ausgleichszahlungen für das Jahr 2020 zu leisten.

 

5.    Für die Vereinbarung des Erlösbudgets für das Jahr 2020 ist der Fixkostendegressionsabschlag ausgesetzt.

 

Anmerkung:

Ergeben sich gegenüber der Vereinbarung 2019 zusätzliche Leistungen des Krankenhauses unterliegen diese nicht dem Fixkostendegressionsabschlag. Aus der Begründung ist zusätzlich zu ersehen, dass auch der Fixkostendegressionsabschlag im Jahr 2021 nicht angesetzt werden kann, da es an einer repräsentativen Ausgangsgrundlage im Jahr 2020 fehlt.

 

6.    In Abweichung von § 275c Abs. 2 Satz 1 SGB V gilt eine maximal zulässige Prüfquote von 5 % im Jahr 2020.

 

Anmerkung:

Diese Regelung gilt bereits für das erste Quartal 2020. Es wird daher empfohlen, darauf zu drängen, dass von den Krankenkassen die Prüfquote eingehalten wird. Ggf. muss man sich an den MDK wenden, der bei Überschreitung der Prüfquote den Prüfauftrag nachträglich zurückweisen muss. Die Prüfaufträge sind dann zu streichen.

 

7.    Der sogenannte Abrechnungsaufschlag in Höhe von 10 % bzw. der Mindestbetrag in Höhe von 300,00 € für beanstandete Rechnungen werden für 2020/2021 aufgehoben.

 

Anmerkung:

Die Strafzahlung in Abhängigkeit von den unbeanstandeten Abrechnungen gilt erst ab dem Jahr 2022.

 

8.    Die Strukturprüfung nach § 275d SGB V gilt erst für das Jahr 2022.

 

Anmerkung:

Die Krankenhäuser haben die Bescheinigung des MD erst bis zum 31.12.2021 vorzulegen.

 

9.    Einführung einer gesetzlichen Zahlungsfrist von 5 Tagen nach Rechnungseingang. Diese Regelung gilt bis zum 31.12.2020.

 

Anmerkung:

Die gesetzliche Regelung geht Zahlungsfristen in den Landesverträgen nach § 112 SGB V vor. Erfolgt keine Zahlung der Krankenkassen innerhalb von 5 Tagen nach Rechnungseingang besteht ein Anspruch auf Verzugszinsen. Diese sollten in jedem Fall geltend gemacht werden, wenn die Zahlungsfrist überschritten wird, um die Liquidität des Krankenhauses zu sichern.

 

 Bleiben Sie gesund!

 

  Datum: 26.03.2020 17:06:09
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Flash-News
 

Voraberörterung vor Klageeinreichung gem. § 17c Abs. 2b Satz 1 KHG

Beabsichtigte Klarstellung durch das Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz

Sehr geehrte Damen und Herren,

es bestand bisher rechtliche Unklarheit, ob vor Klageeinreichung das Voraberörterungsverfahren über die Rechtmäßigkeit der Abrechnung durchgeführt werden muss, obwohl die Verfahrensregelungen über die einzelfallbezogene Erörterung noch nicht vorliegen.

Nunmehr hat der Bundestag in 2./3. Lesung das Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz beschlossen, das auch eine Klarstellung zum Voraberörterungsverfahren beinhaltet. Danach ist das Voraberörterungsverfahren vor Klageeinreichung nur für Abrechnungen erforderlich, die sich auf Patientinnen und Patienten beziehen, die nach Inkrafttreten der Verfahrensregelungen aufgenommen wurden. Diese Gesetzesänderung/-klarstellung soll rückwirkend zum 01.01.2020 in Kraft treten. Aller Voraussicht nach wird hierüber der Bundesrat am 03.04.2020 abschließend beraten.

Empfehlung

Die notwendigen Verfahrensregelungen für die Voraberörterung werden aller Voraussicht nach erst zum 01.07.2020 in Kraft treten. Dies bedeutet für die Krankenhäuser, dass sie ohne eine weitere einzelfallbezogene Voraberörterung Klage bei dem Sozialgericht einreichen können. Nach dem 01.07.2020 wird dies sicherlich durch die Verfahrensregelungen erschwert und bürokratisiert. Gleichzeitig entstehen dann ab 01.07.2020 weitere Risiken, wenn nicht alle Einwendungen und Tatsachen geltend gemacht wurden. Fehlende Einwendungen können dann nicht mehr nachgeholt werden.

Ich empfehle daher unbedingt, die verbleibende Zeit bis zum Erlass der Verfahrensregelungen zu nutzen, um offenstehende Rechnungen, die zu Unrecht von Krankenkassen nicht bezahlt oder gekürzt wurden, gerichtlich geltend zu machen.

Für Rücksprachen stehe ich gerne zur Verfügung.

  Datum: 13.03.2020 10:18:30
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Das Krankenhaus hat einen Anspruch auf Preisausgleich für NUB-Entgelte nach § 15 Abs. 3 KHEntgG, auch wenn die NUB-Entgelte erstmals in einem Pflegezeitraum unterjährig festgesetzt/vereinbart wurden
 

Das Krankenhaus hat einen Anspruch auf Preisausgleich für NUB-Entgelte nach § 15 Abs. 3 KHEntgG, auch wenn die NUB-Entgelte erstmals in einem Pflegezeitraum unterjährig festgesetzt/vereinbart wurden.

BVerwG, Urteil vom 05.12.2019, Az.: 3 C 28.17

- Ausgleich von Mindererlösen, Preisausgleich, NUB-Entgelte -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

das BVerwG hat einen seit langem schwelenden Rechtsstreit zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen zu Gunsten des Krankenhauses entschieden. Bisher verweigerten die Krankenkassen regelmäßig den Preisausgleich für NUB-Entgelte, wenn eine Preisfestsetzung erstmals im Laufe des Jahres erfolgte. Das BVerwG hat mit überzeugender Begründung festgestellt, dass auch dann § 15 Abs. 3 KHEntgG Anwendung findet. Somit ist ein Preisausgleich auch bei erstmalig vereinbarten NUB-Entgelten möglich.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus verlangte die Vereinbarung eines Ausgleichsbetrages für NUB-Entgelte für die Jahre 2006, 2007 und 2011, da es mangels rechtzeitiger Genehmigungen diese Entgelte nicht vom Beginn des jeweiligen Pflegesatzzeitraumes abrechnen konnte. Die Schiedsstelle verneinte einen entsprechenden Ausgleich, die Genehmigungsbehörde genehmigte den Schiedsspruch, so dass das Krankenhaus den Klageweg beschritt.

In der ersten Instanz wurde die Genehmigung bestätigt, in der zweiten Instanz wurde der Genehmigungsbescheid aufgehoben. Dagegen richtete sich die zugelassene Revision der beigeladenen Krankenkassen.

Entscheidungsgründe

Das BVerwG geht davon aus, dass die Regelung in § 15 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG auch für NUB-Entgelte unmittelbar Anwendung findet. Diese Vorschrift gilt auch für erstmals vereinbarte oder von der Schiedsstelle festgesetzte NUB-Entgelte nach § 6 Abs. 2 KHEntgG. Dabei geht das BVerwG davon aus, dass krankenhausindividuelle Entgelte, zu denen auch NUB-Entgelte zählen, vom Beginn des neuen Vereinbarungszeitraums regelhaft erhoben werden sollen. § 15 Abs. 3 KHEntgG nehme Bezug auf § 15 Abs. 1 und 2 KHEntgG, in dem der Abrechnungszeitraum geregelt ist. Gleichzeitig werde dort bestimmt, welche Entgelte hilfsweise abzurechnen sind, wenn die neuen Entgelte noch nicht in Kraft getreten sind. § 15 Abs. 3 KHEntgG bzw. die Vorgängervorschriften sehen vor, dass die Differenz zwischen den hilfsweise abgerechneten und den tatsächlich für das Kalenderjahr geltenden Entgelten ausgeglichen wird.

Dieser Rechtsauffassung stehe der Wortlaut von § 15 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG nicht entgegen, wenn er auf die Weitererhebung bisheriger Entgelte abstelle. Der Begriff der bisherigen Entgelte beziehe sich nicht ausschließlich auf das konkret zu vereinbarende Entgelt, sondern spreche die Gesamtheit der bisher geltenden Fallpauschalen und Zusatzentgelte an. Bis zum Inkrafttreten neuer NUB-Entgelte bleiben mithin als Abrechnungsbasis die Entgelte nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KHEntgG maßgeblich.

Schließlich leitet das BVerwG die Anwendung von § 15 Abs. 3 KHEntgG auch aus dem Regelungszweck der Vorschrift ab. Es sei kein Sachgrund ersichtlich, warum nur eine Differenz für bereits vereinbarte NUB ausgeglichen werde, nicht aber der völlige Ausfall des NUB-Entgelts für einen bestimmten unterjährigen Zeitraum (BVerwG, aaO, Rdz. 19).

Anmerkungen

Dem Urteil des BVerwG ist in allen Aspekten zuzustimmen. Es ist in der Tat kein überzeugender Grund erkennbar, warum erbrachte NUB-Leistungen nicht einem Ausgleich nach § 15 Abs. 3 KHEntgG unterliegen sollen. Schließlich sollen auch NUB-Entgelte nach § 6 Abs. 2 KHEntgG für den Pflegesatzzeitraum vereinbart werden (§ 11 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG). Wurden vor der genehmigten Vereinbarung/Festsetzung der Höhe des Entgeltes bereits entsprechende Leistungen erbracht, werden sie nachträglich in den Mindererlösausgleich nach § 15 Abs. 3 KHEntgG einbezogen. 

Mit Recht weist das BVerwG darauf hin, dass sonst ein Krankenhaus davon abgehalten werden könnte, neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden einzusetzen, wenn es damit rechnen muss, dass die erbrachte Leistung nicht mit den für den Vereinbarungszeitraum genehmigten Entgelten vergütet wird. Dies läge nicht im Interesse einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Krankenhausversorgung, die den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen hat (BVerwG, aaO, Rdz. 20).

Das Urteil des BVerwG finden Sie auf dessen Homepage.

  Datum: 09.03.2020 09:09:58
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Flash-News
 

Strukturprüfungen nach § 275d SGB V

Entwurf der Richtlinie des MDS vom 03.02.2020

Sehr geehrte Damen und Herren,

Fasching und Karneval sind vorbei, jetzt beginnt die (tolle) Zeit der Strukturprüfungen durch den MD. Aus dem vorliegenden Entwurf der Richtlinie des MDS über „Regelmäßige Begutachtungen zur Einhaltung von Strukturmerkmalen von OPS-Kodes nach § 275d SGB V“ vom 03.02.2020 haben wir die wichtigsten Inhalte kuratiert.

 

1.

Die Richtlinie dient der Prüfung der Einhaltung von Strukturmerkmalen von OPS-Kodes. Hierzu hat der MDS die OPS und die zu prüfenden Strukturmerkmale festgelegt. Es werden bestimmte Strukturmerkmale der festgelegten OPS-Kodes begutachtet, soweit sie abrechnungsrelevant sein können.

 

2.

Der Entwurf der Richtlinie enthält ein Prüfkonzept, Vorgaben für die Beantragung, Einzelheiten für die Durchführung der Prüfung, die Vorlage von Nachweisen und Unterlagen und die verschiedenen Formen der Dokumentenprüfung durch den MD. Der Entwurf der Richtlinie regelt die Erstellung des Gutachtens, die Herausgabe einer Bescheinigung und deren Gültigkeitsdauer sowie die Bescheidung durch den MD. Der Entwurf der Richtlinie enthält  des Weiteren Regelungen über die Verfahrensweise bei Nichteinhaltung von Strukturmerkmalen, bei Änderungen des Operationen- und Prozedurschlüssels und über die Wiederholungsprüfung, wenn die Strukturmerkmale wieder eingehalten werden können. Das Krankenhaus kann gegen die Entscheidung des MD Widerspruch einlegen.

 

3.

Die Durchführung der Prüfung ist an einen Antrag des Krankenhauses gebunden, der je Standort vorzunehmen ist. Dabei sind alle relevanten OPS-Kodes aufzuführen. Die Begutachtung wird durch den MD durchgeführt, der örtlich für das Krankenhaus zuständig ist. Hierzu gibt die Richtlinie ein Antragsformular vor. In der Richtlinie sind einzuhaltende Fristen vorgegeben. Der Antrag ist spätestens bis zum 30.06.2020 zu stellen, wenn das Krankenhaus die Leistungen bereits erbracht und abgerechnet hat. In diesem Fall soll die Prüfung durch den MD so zeitgerecht erfolgen, dass die Bescheinigung bis zum 31.12.2020 vorliegt. Für die erstmalige Leistungserbringung muss der Antrag bis zum 30.09.2020 gestellt werden, falls das Krankenhaus diese Leistungen ab 01.01.2021 abrechnen bzw. vereinbaren will. Werden diese Fristen vom Krankenhaus nicht eingehalten, kann die Prüfung ggf. nicht zeitgerecht durchgeführt werden (Anlage 1 zur Richtlinie).

 

4.

In der Richtlinie sind alle OPS-Kodes aufgeführt, deren Strukturmerkmale zu prüfen sind. Die Liste enthält OPS-Komplexkodes und weitere OPS-Kodes. Bei verschiedenen OPS-Kodes ist die Angabe der einzelnen Stationen erforderlich, auf denen die Leistung erbracht wird (z. B. OPS 8?550, 8-980, 8-981). Insgesamt sind 53 OPS aufgeführt (Anlage 2 zur Richtlinie).

 

5.

Grundsätzlich hat die Bescheinigung des MD eine zweijährige Gültigkeitsdauer. Die Gültigkeitsdauer beginnt mit dem 01.01. des Jahres, das dem Jahr folgt, in dem die Bescheinigung ausgestellt worden ist. Eine Sonderregelung betrifft den Fall, dass die Bescheinigung erst im Jahr 2021 erteilt werden kann; dann endet die Gültigkeit der Bescheinigung am 31.12.2022.

Daneben gibt es eine Liste von OPS-Kodes, die nur eine einjährige Gültigkeitsdauer ausweisen. Dies sind 17 OPS-Kodes, z. B. OPS 8-550, 8-552, 8-981 (Anlage 3 zur Richtlinie).

 

6.

Korrespondierend zur Liste der zu prüfenden OPS-Kodes enthält die Anlage 4 die Prüfmerkmale der abrechnungsrelevanten OPS-Kodes. Für jeden OPS-Kode werden die Prüfmerkmale festgelegt. Dies bedeutet, dass sich die Prüfung des MD nur auf diese in der Anlage 4 vorgegebenen Prüfmerkmale bezieht. Andere Strukturmerkmale unterliegen nicht der Prüfung. So werden z. B. bei dem OPS-Kode 8-550 (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung) die fachärztliche Behandlungsleitung, das Vorhandensein besonders geschulten Pflegepersonals für die aktivierend-therapeutische Pflege, das Vorhandensein mindestens einer Pflegefachkraft mit strukturierter curricularer geriatriespezifischer Zusatzqualifikation (mind. 180 Stunden, mindestens sechsmonatige Erfahrung in einer geriatrischen Einrichtung) und die Therapiebereiche Physiotherapie/Physikalische Therapie, Ergotherapie, Logopädie/fazioorale Therapie, Psychologie/Neuropsychologie geprüft (Anlage 4 zur Richtlinie).

 

7.

Nach dem Entwurf der Richtlinie hat das Krankenhaus korrespondierend zu den Prüfmerkmalen in Anlage 4 eine Selbstauskunft für den jeweiligen OPS-Kode zu geben. Hierzu ist jeweils ein Selbstauskunftsbogen vorgegeben, der von der Geschäftsführung bestätigt werden muss. Die Angaben im Selbstauskunftsbogen geht über die Prüfmerkmale hinaus. So soll dort, z. B. beim OPS-Kode 8-550 (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung), für alle personengebundenen Qualifikationen und obligatorisch anzuwendenden Pflege-/Therapiebereiche ein Verantwortlicher und ein Stellvertreter benannt werden. Dabei sind die entsprechenden Namen der Ärzte, des besonders geschulten Pflegepersonals, der Pflegefachkraft mit geriatriespezifischer Zusatzqualifikation und die Namen für die Therapiebereiche konkret anzuführen (Anlage 5 zur Richtlinie).

 

8.

Neben dem ausgefüllten Selbstauskunftsbogen muss das Krankenhaus OPS bezogene Vorgaben belegen. Die erforderlichen Unterlagen ergeben sich aus der Anlage 6 zur Richtlinie. Werden Strukturmerkmale durch Kooperationen erfüllt, sieht die Anlage 6 die Vorlage der Kooperations- bzw. Honorarverträge sowie die Qualifikationsnachweise und ggf. die Dienstpläne vor. So muss z. B. beim OPS-Kode 8-550 für den Nachweis der überwiegenden Tätigkeit der fachärztlichen Behandlungsleitung der Arbeitsvertrag des Facharztes vorgelegt werden. Werden Therapiebereiche durch Kooperationspartner abgedeckt, sind die Kooperationsvereinbarungen einschließlich der Qualifikationsnachweise der Therapeuten vorzulegen (Anlage 6 zur Richtlinie).

 

9.

Sind nach Auffassung des MD die Strukturmerkmale erfüllt, stellt der MD eine Bescheinigung aus, dass die Strukturmerkmale eines bestimmten OPS-Kodes eingehalten werden. Diese Bescheinigung weist gleichzeitig die Gültigkeitsdauer aus. Diese Bescheinigung wird im Zusammenhang mit dem Bescheid des MD gegenüber dem Krankenhaus ausgestellt und dient der Vorlage bei den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen (Anlage 7 zur Richtlinie).

Hinweise

Soweit Krankenhäusern die Bescheinigung erst nach dem 31.12.2020 aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen vorliegt, können sie bis zum Abschluss der Strukturprüfung bislang erbrachte Leistungen weiterhin vereinbaren und abrechnen (§ 275d Abs. 4 Satz 2 SGB V). Insoweit sollte darauf geachtet werden, dass die in der Richtlinie vorgegebenen Fristen eingehalten werden.

Wird die Bescheinigung nicht erteilt, kann das Krankenhaus Widerspruch und ggf. Klage einreichen.

In § 275d Abs. 4 SGB V ist eine Übergangsregelung für die erstmalige Prüfung von Strukturmerkmalen enthalten. Aus der Gesetzesbegründung des 14. Ausschusses (BT-Drucks. 19/14871) zu § 275d Abs. 4 SGB V ist zu entnehmen, dass die Krankenhäuser aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Klage die entsprechenden Leistungen weiter vereinbaren und abrechnen dürfen. Wörtlich heißt es: „Der Ausschluss nach § 275d Abs. 4 Satz 1 gilt insofern erst ab dem Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung, die die Nichterfüllung der Strukturvoraussetzungen ausweist.“ Zusätzlich geht die Gesetzesbegründung davon aus, dass vom Krankenhaus erbrachte Leistungen auch dann nicht rückabgewickelt werden, wenn im Rahmen der Strukturprüfung festgestellt wird, dass die Strukturmerkmale zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht erfüllt waren.  

Die Strukturprüfungen haben für das jeweilige Krankenhaus außerordentlich hohe Bedeutung, da sie nicht nur die Abrechnung der Leistungen, sondern auch die Höhe des Erlösbudgets bestimmen. Die enorme Bedeutung wird unterstrichen durch die Vorlage des Selbstauskunftsbogens, der von der Geschäftsführung unterschrieben werden muss. Der Geschäftsführer bestätigt also mit seiner Unterschrift die Richtigkeit der gemachten Angaben. In Zweifelsfällen sollte daher der Rat von Fachanwälten für Medizinrecht bereits bei der Antragstellung hinzugezogen werden. 

Die Richtlinie soll zum 01.05.2020 in Kraft treten. Sollten sich gegenüber dem Entwurf noch Änderungen ergeben, werde ich darüber berichten.

  Datum: 02.03.2020 10:40:21
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Bei einer modularen Endoprothese muss eine gelenkbildende Implantatkomponente aus mindestens drei metallischen Einzelbauteilen bestehen, die in ihrer Kombination die mechanische Bauteilsicherheit der gesamten Prothese gewährleisten
 

Bei einer modularen Endoprothese muss eine gelenkbildende Implantatkomponente aus mindestens drei metallischen Einzelbauteilen bestehen, die in ihrer Kombination die mechanische Bauteilsicherheit der gesamten Prothese gewährleisten. Ist aus medizinischen Gründen eine modulare Hüftgelenkendoprothese nicht erforderlich, weil die Versorgung mit einer einfachen Hüftgelenkendoprothese medizinisch ausreichend ist, verstößt das Krankenhaus gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot, wenn es eine modulare Hüftgelenkendoprothese implantiert.

 

 

Urteil BSG vom 08.10.2019, Az.: B 1 KR 35/18 R

 

 

- Modulare Hüftgelenkendoprothese, einfache Hüftgelenkendoprothese, Hauptkode OPS 5-821,  Zusatzkode OPS 5-829.k, Wirtschaftlichkeitsgebot, Auslegungshinweise -                                                           

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 

das BSG musste sich mit der Frage befassen, wann die Voraussetzungen des Zusatzkodes OPS 5-829.k bei der Implantation einer Hüftgelenksprothese erfüllt sind. Hierzu muss bei einer modularen Endoprothese eine gelenkbildende Implantatkomponente aus mindestens drei metallischen Einzelbauteilen bestehen. Dies hat es im vorliegenden Fall bejaht, allerdings auch betont, dass das Wirtschaftlichkeitsgebot bei der Implantation von modularen Hüftgelenkendoprothesen zu beachten ist.

 

 

Sachverhalt

 

 

Das klagende Universitätsklinikum behandelte eine Patientin wegen einer Schaftlockerung ihrer Hüft-Totalendoprothese, die durch eine periprothetische Fraktur ausgelöst wurde. Das Krankenhaus ersetzte den Femurprothesen-Teil durch eine Endoprothese, bestehend aus Schaft und Hals, verbunden durch eine Schraube (alle Teile waren aus Metall). Das Krankenhaus rechnete gegenüber der beklagten Krankenkasse die DRG I46B (Prothesenwechsel am Hüftgelenk ohne äußerst schwere CC…) sowie das Zusatzentgelt ZE 2013-25 (Modulare Endoprothese) ab.

 

 

Die beklagte Krankenkasse lehnte die Zahlung des Zusatzentgelts ab.

 

 

Das LSG vertrat die Auffassung, das Krankenhaus habe keine aus mindestens drei metallischen Einzelbauteilen bestehende modulare Endoprothese implantiert, wie vom OPS-Kode 5-829.k gefordert wird. Zu den Einzelbauteilen zählten Hals und Schaft als Module, nicht aber die Verbindungsschraube.

 

 

Die Revision des Krankenhauses führte zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an das LSG zur weiteren Sachverhaltsaufklärung.

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

Das BSG geht davon aus, dass bei der Versicherten eine vom OPS 5-829.k erfasste modulare Endoprothese implantiert wurde. Nach dem OPS 5-829.k ist die Implantation einer modularen Endoprothese oder der (Teil-)Wechsel in eine modulare Endoprothese bei knöcherner Defektsituation und ggf. Knochen(teil)ersatz zu kodieren. Bei einer modularen Endoprothese muss eine gelenkbildende Implantatkomponente aus mindestens drei metallischen Einzelbauteilen bestehen, die in ihrer Kombination die mechanische Bauteilsicherheit der gesamten Prothese gewährleisten. Dabei wird der Aufsteckkopf der Endoprothese nicht mitgezählt (BSG, aaO, Rdz. 17).

 

 

Im vorliegenden Fall bejahte das BSG, dass die implantierte Prothese aus drei metallischen Einzelbauteilen an einer gelenkbildenden Implantatkomponente bestand und die mechanische Bauteilsicherheit der Femurendoprothese und damit die Funktionsfähigkeit der vorbestehenden Hüft-Totalendoprothese gewährleistete. Die implantierte Femurendoprothese setzt sich zusammen aus zwei metallischen Teilen, die in ihrer Funktion dem distalen Teil des Femur und dem Collum femoris entsprechen. Die beiden Einzelbauteile bilden zusammen mit dem Aufsteckkopf und der vorimplantierten künstlichen Hüftpfanne das künstliche Hüftgelenk. Der Schaft und der auf ihn gesetzte Hals werden ihrerseits durch eine metallische Schraube als drittes Einzelbauteil dauerhaft zu einem Modularschaft verbunden. Auf eine eigenständige modulare Wertigkeit jedes Einzelbauteils komme es nach dem OPS Kode 5-829.k nicht an, so dass auch eine metallische Schraube, die metallischen Einzelbauteile (Module) verbindet, als metallisches Einzelbauteil zählt (BSG, aaO, Rdz. 18).

 

 

Allerdings fehlte bisher die Feststellung des LSG, dass bei der Patientin eine knöcherne Defektsituation bestand und ggf. ein Knochen(teil)ersatz erfolgte. Dabei muss die modulare Endoprothese die knöcherne Defektsituation kompensieren. Das BSG wies daher die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück.

 

 

Anmerkungen

 

 

Gegen die Auslegung des OPS Kodes 5-829.k durch das BSG bestehen keinerlei Einwände. Besonderes Gewicht erhält das Urteil jedoch durch die Feststellung des BSG, dass für die Auslegung von OPS Kodes frühere Textstufen eines Kodes für die Auslegung völlig unbeachtlich sind. Maßgeblich ist ausschließlich der Wortlaut des OPS, der zum Zeitpunkt der Leistungserbringung gilt. Das BSG begründet das damit, dass es für die Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte an relevanten Äußerungen der den Normenvertrag jährlich schließenden Vertragspartnern fehle. Unbeachtlich sind nach Auffassung des BSG auch OPS-Änderungsvorschläge aus den Reihen der Krankenkassen, der Kostenträger, des MDK, der Leistungserbringer (Medizincontroller) und sonstiger Dritter. Keine Bedeutung misst das BSG auch Auskünften des DIMDI zur Auslegung des OPS zu. Zumindest der letzte Bereich begegnet Bedenken, da das DIMDI nunmehr nach §§ 301 Abs. 2 Satz 4 und 295 Abs. 1 Satz 6 SGB V die gesetzliche Berechtigung hat, bei Auslegungsfragen zum OPS Klarstellungen und Änderungen mit Wirkung auch für die Vergangenheit vorzunehmen, soweit diese nicht zu erweiterten Anforderungen an die Verschlüsselung erbrachter Leistungen führen. Davon hatte es zuletzt  zum OPS Kode 8-550 und 8-981/8-98b am 03.12.2018 Gebrauch gemacht. Ein entsprechender Hinweis des BSG wäre hierzu hilfreich gewesen.

 

 

Zu beachten ist insbesondere die Hervorhebung des Wirtschaftlichkeitsgebots durch das BSG. Aus der Dokumentation der Behandlung sollte daher zweifelsfrei hervorgehen, aus welchen medizinischen Gründen die modulare Hüftgelenkendoprothese notwendig war.

 

 

Das Urteil des BSG hier wiedergegeben.

  Datum: 07.02.2020 10:14:07
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Ein Krankenhaus hat Anspruch auf Vergütung der für den Überbrückungszeitraum zwischen abgeschlossener Krankenhausbehandlung und Verfügbarkeit einer geplanten Anschluss-Reha anfallenden Krankenhausbehandlungskosten
 

 

Ein Krankenhaus hat Anspruch auf Vergütung der für den Überbrückungszeitraum zwischen abgeschlossener Krankenhausbehandlung und Verfügbarkeit einer geplanten Anschluss-Reha anfallenden Krankenhausbehandlungskosten. Dies folgt aus dem Rechtsgedanken des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V, der für Reha-Notfallbehandlungen entsprechende Anwendung findet.

 

 

BSG, Urteil vom 19.11.2019, B 1 KR 13/19 R

 

 

- Reha-Notfallbehandlung, Verfügbarkeit Anschluss-Reha, Wartezeit, Überbrückungszeit, Vergütung nach Krankenhauspflegesätzen -

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 

über dieses Urteil des BSG wurde bereits anhand des Terminsberichts berichtet. Nunmehr liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor, aus der sich ergänzende Hinweise des BSG ergeben.

 

 

Nicht selten tritt der Fall auf, dass die medizinisch notwendige Krankenhausbehandlung abgeschlossen ist, der Reha-Träger jedoch trotz rechtzeitiger Information keine Versorgung in einer Reha-Einrichtung im Anschluss sicherstellen kann. Im Wege der Rechtsfortbildung kommt das BSG zum Schluss, dass in diesem Fall das Krankenhaus einen Anspruch auf Vergütung nach Krankenhauspflegesätzen gegen den Reha-Träger hat.

 

 

Sachverhalt

 

 

Das klagende Krankenhaus behandelte einen bei der beklagten Krankenkasse versicherten Patienten wegen einer chronischen Lungenerkrankung ab dem 07.12.2009 stationär. Das Krankenhaus beantragte bereits am 30.12.2009 eine stationäre Anschlussheilbehandlung als Leistung zur medizinischen Rehabilitation in einer Lungenfachklinik. Diesen Antrag bewilligte die beklagte Krankenkasse am 07.01.2010 und teilte dem Krankenhaus mit, dass der Patient ab dem 27.01.2010 in der entsprechenden Lungenfachklinik (Reha-Einrichtung) aufgenommen werden könne. Der Patient hätte aus medizinischen Gründen bereits am 17.01.2010 entlassen werden können. Der Patient konnte jedoch weder nach Hause entlassen, noch in einer Kurzzeitpflege- oder einer nicht auf Lungenkrankheiten spezialisierten Reha-Einrichtung aufgenommen werden. Die Reha-Einrichtung stand erst ab 27.01.2010 zur Verfügung.

 

 

Nach erfolgter Verlegung des Patienten am 27.01.2010 stellte das Krankenhaus der Krankenkasse für die stationäre Behandlung des Patienten vom 07.12.2009 bis zum 26.01.2010 die entsprechende Fallpauschale, weitere Vergütungsbestandteile nebst einem tagesbezogenen Entgelt für zehn Tage vom 17.01.2010 bis zum 26.01.2010 wegen Überschreitung der oberen Grenzverweildauer, in Rechnung.

 

 

Die beklagte Krankenkasse zahlte zunächst, verrechnete jedoch später einen Teilbetrag mit einer anderen unstreitigen Rechnung. Sie vertritt die Auffassung, dass die stationäre Krankenhausbehandlung jedenfalls ab dem 17.01.2020 medizinisch nicht mehr notwendig gewesen sei, weshalb das Krankenhaus die in der Wartezeit angefallenen Kosten selbst zu tragen habe.

 

 

Das SG gab der Klage des Krankenhauses statt, das LSG wies die Berufung der Krankenkasse zurück. Das BSG bestätigte die Urteile der Vorinstanzen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

Anknüpfungspunkt des BSG ist der Rechtsgedanke aus § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Nach dieser Vorschrift können andere Ärzte als die Vertragsärzte und auch weitere Leistungserbringer im ambulanten Bereich in Notfällen in Anspruch genommen werden. Dies sieht das BSG als allgemein anwendbaren Rechtsgedanken und wendet ihn auch auf den stationären Versorgungsbereich an.

 

 

Wird ein Patient im stationären Notfall in ein nicht zugelassenes Krankenhaus aufgenommen, so wird dieses Krankenhaus für die Dauer der Notfallbehandlung in das öffentlich-rechtliche Naturalleistungssystem der GKV einbezogen. In diesem Fall werden die Leistungen nach denselben Grundsätzen erbracht und abgerechnet wie sie für zugelassene Krankenhäuser gelten. Der daraus resultierende Vergütungsanspruch richtet sich ausschließlich gegen die gesetzliche Krankenkasse und nicht gegen den Versicherten.

 

 

Diese Fallkonstellation findet auch Anwendung im Verhältnis zugelassenes Krankenhaus zur stationären Reha-Einrichtung, wenn ein entsprechender Notfall vorliegt. Insoweit besteht eine planwidrige Regelungslücke, die aus dem Rechtsgedanken des § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V zu füllen ist. Auch bei stationärer medizinischer Reha geht es im Einzelfall um unverzichtbare ärztliche Leistungen, die im Notfall auch durch hierfür nicht zugelassene Leistungserbringer erbracht werden können. Insoweit ist ein Krankenhaus im Notfall berechtigt, Versicherte mit stationärer medizinischer Reha zu versorgen (BSG, aaO, Rdz. 16, 20).

 

 

Nach Auffassung des BSG bemisst sich die Höhe der Vergütung nach der üblichen Vergütung von Krankenhausleistungen (z. B. DRG-Fallpauschale). Es könne dem Krankenhaus nicht zugemutet werden, anstelle seiner durch den Versorgungsauftrag bestimmten Leistungsstruktur im Notfall spezifische stationäre medizinische Reha-Leistungen anzubieten (BSG, aaO, Rdz. 24).

 

 

Anmerkungen

 

 

Die Entscheidung des BSG ist schlüssig und uneingeschränkt zu begrüßen. Dreh- und Angelpunkt seiner Argumentation ist die Regelung in § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V, die es zulässt, dass anstelle der Vertragsärzte auch andere Leistungserbringer Leistungen erbringen, wenn ein medizinischer Notfall vorliegt. Diesen Rechtsgedanken legt es auch dem Verhältnis zwischen kurativer Krankenhausbehandlung und stationärer Reha-Behandlung zugrunde, wenn eine entsprechende Reha-Einrichtung nicht zeitgerecht zur Verfügung steht. Wichtig ist dabei, dass das Krankenhaus – auch im Rahmen des Entlassmanagements – rechtzeitig den zuständigen Reha-Träger informiert und ein entsprechender Antrag veranlasst wird. Insoweit sollte das Krankenhaus alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um eine zeitgerechte Verlegung in eine Reha-Einrichtung zu erreichen.

 

 

Nach den Urteilsgründen findet die Rechtsfortbildung Anwendung für den Fall, dass nicht rechtzeitig stationäre medizinische Reha-Leistungen vom Reha-Träger zur Verfügung gestellt werden können. Insoweit greift das BSG auf den Rechtsgedanken in § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V zurück. Es bleibt daher offen, ob das BSG-Urteil auch Anwendung auf andere Fallkonstellationen finden kann, bei der z. B. notwendige Pflegeeinrichtungen zum Entlassungszeitpunkt  aus dem Krankenhaus nicht zur Verfügung stehen und eine Entlassung des Patienten nicht zu verantworten ist. Die Übertragung des vom BSG fortentwickelten Rechtsgedanken bei der Versorgung in Notfällen auf andere Fallgestaltungen liegt jedoch nahe. Vielleicht überdenkt das BSG seine bisher hierzu ergangene restriktive Auffassung.

 

 

Das Urteil des BSG hier wiedergegeben.

 

  Datum: 28.01.2020 11:00:53
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Krankenkassen können gegen Nachforderungen eines Krankenhauses den Einwand der Verwirkung geltend machen
 

 

Krankenkassen können gegen Nachforderungen eines Krankenhauses den Einwand der Verwirkung geltend machen. Eine Ausnahme hiervon ist, wenn die Schlussrechnung des Krankenhauses offensichtlich unschlüssig ist. 

 

 

BSG, Urteil vom 19.11.2019, Az.: B 1 KR 10/19 R

 

 

- Schlussrechnung, Nachforderung, Treu und Glauben, offensichtliche Unschlüssigkeit -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren, 

 

im vorliegenden Fall befasste sich das BSG mit der Fragestellung, wann eine Schlussrechnung offensichtlich unschlüssig ist, so dass eine Nachforderung von Seiten des Krankenhauses noch geltend gemacht werden kann. Es hat hierzu sehr enge Voraussetzungen aufgestellt.

 

 

Sachverhalt

 

 

Das klagende Krankenhaus behandelte einen Patienten wegen einer chronischen Infektion der Herzschrittmachertasche. Die Schlussrechnung hierfür wurde am 11.05.2009 gestellt. Übersehen wurde dabei, dass bei der Behandlung der Einsatz eines Excimer-Lasers erfolgte. Allerdings wurde dieser in der Entlassungsanzeige an die Krankenkasse mit der Prozedur 5-378.a0 (Einsatz eines Excimer-Lasers) angegeben. Hierfür war mit den Krankenkassen ein Zusatzentgelt als NUB vereinbart.

 

 

Die beklagte Krankenkasse beauftragte den MDK mit der Fragestellung, ob die präoperative Aufnahme medizinisch begründet war. Der MDK kam zum Ergebnis, der Krankenhausaufenthalt hätte um einen Tag gekürzt werden können.

 

 

Daraufhin stellte die Klägerin am 13.11.2013 eine neue Rechnung, mit der sie die Verweildauer um einen Tag kürzte, allerdings das übersehene Zusatzentgelt für den Einsatz des Excimer-Lasers ansetzte. Die Klägerin vertrat die Auffassung, es handele sich hierbei um einen offensichtlichen Fehler, da die Krankenkasse aus der Entlassungsanzeige hätte unschwer ersehen können, dass ein Excimer-Laser eingesetzt worden war.

 

 

Die Krankenkasse verweigerte die Bezahlung des entsprechenden Zusatzentgeltes.

 

 

Die Vorinstanzen wiesen die Klage des Krankenhauses ab, das BSG bestätigte die Urteile.

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

Das BSG hebt zunächst hervor, dass die Krankenhäuser nach der bisherigen Rechtsprechung Nachforderungen nur bis zum Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Kalenderjahres geltend machen können. Dies folge aus dem Rechtsgedanken von Treu und Glauben in Gestalt der Verwirkung. Da die Schlussrechnung vom 11.05.2009 erst im November 2013 korrigiert wurde, greift der Einwand der Verwirkung. Die Nachforderung hätte spätestens bis zum 31.12.2010 erfolgen müssen.

 

 

Ausnahmsweise – in seltenen Fällen – erkennt das BSG außerhalb der Verwirkungsfrist eine Nachforderungsmöglichkeit an, nämlich dann, wenn die Schlussrechnung offensichtlich unschlüssig ist. Dies ist nach der Rechtsprechung des BSG dann der Fall, wenn ein offensichtlicher, ins Auge springender Korrekturbedarf zu Gunsten des Krankenhauses besteht, der der Krankenkasse Anlass gibt, von sich aus hierauf hinzuweisen (BSG, aaO, Rdz. 13).

 

 

Vorliegend verneint das BSG einen offensichtlichen ins Auge springenden Fehler. Dies begründet es damit, dass es der Krankenkasse überlassen bleibt, welche Abrechnung sie in welcher Prüftiefe kontrolliert. Es bestünde keine Verpflichtung der Krankenkasse, auch die übermittelten Abrechnungsdaten hierbei mit einzubeziehen. Prüfe die Krankenkasse nur die Schlussrechnung könne sich ein ins Auge springender Korrekturbedarf auch nur aus der Schlussrechnung ergeben. Auch der MDK habe keine Verpflichtung, der Krankenkasse zusätzliche Erkenntnisse mitzuteilen. Die Prüfung beziehe sich nicht auf die sachlich-rechnerische Richtigkeit der ursprünglichen Schlussrechnung, sondern auf die Prüfung der Wirtschaftlichkeit. Zweifelt die Krankenkasse nicht die Richtigkeit der Kodierung an, die der Abrechnung zu Grunde liegt, kann bei ihr ein Vertrauenstatbestand für die Richtigkeit der Schlussrechnung angenommen werden.

 

 

Den Vertrauenstatbestand der Krankenkasse verneint das BSG jedoch in dem Fall, wenn zwischen den Parteien über die Richtigkeit der Kodierung gestritten wird. In diesem Fall kann für die Krankenkasse kein Vertrauen entstehen, so dass das Krankenhaus berechtigt ist, Nachforderungen auch außerhalb der angenommenen Verwirkungsfrist geltend zu machen. 

 

 

Anmerkungen

 

 

Die Argumentation des BSG ist von der Sichtweise geprägt, nur in seltenen Ausnahmefällen eine Nachforderung durch die Krankenhäuser anzuerkennen. Während es für die Einführung des Verwirkungstatbestandes innerhalb einer bestimmten Frist auf das Haushaltsjahr der Krankenkassen abstellt, berücksichtigt es die Interessenlage der Krankenhäuser nicht ausreichend. Auch die Krankenhäuser stellen Wirtschaftspläne auf und berechnen Erlösausgleiche, denen der Zahlungsfluss der Krankenkassen zu Grunde liegt. Das Abstellen auf das Haushaltsjahr der Krankenkassen ist auch deshalb fragwürdig, da die Prüfungen des MDK im Regelfall gerade nicht im laufenden Haushaltsjahr der Krankenkassen abgeschlossen werden. Nach Übermittlung der Prüfanzeige verbleibt den Krankenkassen selbst noch eine Frist von 11 Monaten (ab 01.01.2020 sogar von 13 Monaten), um eine leistungsrechtliche Entscheidung dem Krankenhaus mitzuteilen.

 

 

Voraussichtlich ist die Annahme eines Verwirkungstatbestandes durch das BSG nicht mehr so relevant, da der Gesetzgeber künftig für die Krankenhäuser die Verjährungsfrist auf zwei Jahre ab 01.01.2019 verkürzt hat (§ 109 Abs. 5, Satz 1, 3 SGB V). Damit bleibt m. E. kein Raum mehr, innerhalb einer solchen kurzen Verjährungsfrist noch zusätzlich einen Verwirkungstatbestand aus dem Grundsatz von Treu und Glauben anzuerkennen.

 

 

 

Das Urteil des BSG ist hier wiedergegeben. 

 

  Datum: 24.01.2020 11:50:42
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Sind aufgrund der Regelungen über die Fallzusammenführung zwei Krankenhausaufenthalte zusammenzufassen, sind die Rechnungen zu stornieren
 

 

Sind aufgrund der Regelungen über die Fallzusammenführung zwei Krankenhausaufenthalte zusammenzufassen, sind die Rechnungen zu stornieren. Soweit der zweite Aufenthalt entgegen der notwendigen Fallzusammenführung mit einer separaten DRG abgerechnet wurde, tritt mangels sachlich-rechnerischer Richtigkeit keine Fälligkeit ein. Erst die sachlich-rechnerisch richtige Rechnung auf der Basis der Fallzusammenführung begründet den Zahlungsanspruch des Krankenhauses und löst damit die Fälligkeit aus.

 

 

BSG, Urteil vom 08.10.2019, Az.: B 1 KR 4/19 R

 

 

- Fallzusammenführung, Stornierung, Fälligkeit -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren, 

 

vorliegend handelt es sich um den Parallelfall zu dem bereits besprochenen Urteil des BSG vom 08.10.2019 (Az.: B 1 KR 3/19 R) zur Stammzelltransplantation. Insoweit wird auf das Urteil mit dem Aktenzeichen B 1 KR 3/19 R verwiesen. Das hier erwähnte Urteil enthält jedoch zusätzliche Aussagen zur Fallzusammenführung und Verfahrensweise bei der Abrechnung der Krankenhausbehandlung.

 

 

Sachverhalt

 

 

Das Krankenhaus hatte einen Patienten innerhalb der oberen Grenzverweildauer der DRG A04A wegen einer Komplikation wieder aufgenommen. Das Krankenhaus hatte für jeden Aufenthalt eine DRG abgerechnet.

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

Bei Fallzusammenführung gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 KFPV 2004 hat das Krankenhaus eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale vorzunehmen. Hat ein Krankenhaus die zusammenzuführenden beiden Aufenthalte bereits getrennt abgerechnet, gilt Folgendes: Die Abrechnungen sind zu stornieren. Bei der ersten Abrechnung entfällt die Fälligkeit mit Zugang der sachlich-rechnerisch richtigen Abrechnung der Fallzusammenführung. Die Zusammenführung missachtende Abrechnung des zweiten Aufenthaltes begründet mangels sachlich-rechnerischer Richtigkeit keine Fälligkeit.

 

 

Anmerkungen

 

 

Nach Auffassung des BSG entfällt bei einer Fallzusammenführung sowohl bei der ersten Rechnung für den ersten Aufenthalt als auch bei der zweiten Rechnung für den zweiten Aufenthalt die Fälligkeit der Rechnungen. Dies bedeutet für das Krankenhaus Zinsnachteile, da mangels Fälligkeit der Rechnungen keine Zinsansprüche entstehen können. Erst die sachlich-rechnerisch richtige Rechnung aufgrund der Fallzusammenführung begründet die Fälligkeit.

 

 

Das Urteil des BSG ist hier wiedergegeben. 

  Datum: 24.01.2020 09:00:21
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Die Krankenhäuser sind verpflichtet der sozialrechtlichen Dokumentationspflicht nachzukommen, d. h. die notwendigen Angaben bei der Erbringung von Krankenhausleistungen aufzuzeichnen und den Krankenkassen mitzuteilen
 

 

Die Krankenhäuser sind verpflichtet der sozialrechtlichen Dokumentationspflicht nachzukommen, d. h. die notwendigen Angaben bei der Erbringung von Krankenhausleistungen aufzuzeichnen und den Krankenkassen mitzuteilen (vgl. § 294 SGB V). Eine nachträgliche Änderung und Ergänzung der Dokumentation ist nicht generell ausgeschlossen, muss aber den ursprünglichen Inhalt und den Änderungszeitpunkt erkennen lassen.

 

 

BSG, Urteil vom 19.11.2019, Az.: B 1 KR 33/18 R

 

 

- Dokumentationspflicht, nachträgliche Ergänzung, Beweiswert von ergänzten Unterlagen -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 

das BSG befasst sich vorliegend mit der Dokumentationspflicht des Krankenhauses und lässt nachträgliche Ergänzungen der Dokumentation zu, die das SG in seine Beurteilung einfließen lassen muss.

 

 

Sachverhalt

 

 

Das klagende Krankenhaus behandelte im Mai 2012 eine Patientin mit einer großflächigen Dehnungsplastik an Oberschenkel und Knie. Hierfür kodierte es den OPS 5-903.5e und rechnete die DRG J21Z ab. Die beklagte Krankenkasse beauftragte den MDK mit einer Prüfung, der zum Ergebnis kam, dass sich eine lokale Lappenplastik nicht aus dem OP-Bericht ergebe. Auf die MDK-Stellungnahme übersandte das Krankenhaus der Beklagten einen erweiterten Operationsbericht, der um die Wundrandmobilisation ergänzt wurde.

 

 

Das LSG verurteilte die Krankenkasse zur Zahlung. Hiergegen legte die Krankenkasse Revision ein, die erfolglos blieb.

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

Ausgangspunkt des BSG ist, dass der Abrechnung der tatsächliche Behandlungssachverhalt zugrunde zu legen ist. Krankenkassen haben die Leistung zu vergüten, die Krankenhäuser tatsächlich erbracht haben. Ein Ausschluss von der Vorlage ergänzender Beweismittel besteht auch vorprozessual nicht. Grundsätzlich besteht die Verpflichtung der Krankenhäuser zu wahrheitsgemäßer und hinreichend vollständiger Information über das Behandlungsgeschehen. Dem dient die sozialrechtlich verankerte Dokumentationspflicht (vgl. § 294 SGB V). Dies schließt allerdings nicht aus, dass das Krankenhaus eine nachträgliche Änderung und Ergänzung einer Dokumentation vornimmt. Diese muss jedoch den ursprünglichen Inhalt und den Änderungszeitpunkt erkennen lassen (BSG, aaO, Rdz. 18).

 

 

Anmerkungen

 

 

Der Auffassung des BSG ist uneingeschränkt zuzustimmen. Kann das richtige Behandlungsgeschehen nachträglich nachvollzogen werden, kommt es nicht allein auf die  bisherige Dokumentation an. Diese kann bei Unvollständigkeit ergänzt werden. Allerdings weist auch das BSG darauf hin, dass das Sozialgericht die nachträgliche Ergänzung, z. B. eines OP-Berichts, im Einzelfall tatrichterlich zu bewerten hat. Bestehen Zweifel, muss es den Sachverhalt ergänzend aufklären, z. B. durch Zeugenvernehmung des behandelnden Arztes.

 

 

In einem obiter dictum führt das BSG die Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 3, 4 PrüfvV 2014 an, die eine spezielle materiellrechtliche Ausschlussregelung enthält. Übermittelt ein Krankenhaus die vom MDK angeforderten Unterlagen nicht innerhalb von 4 Wochen, hat das Krankenhaus nur Anspruch auf den unstrittigen Rechnungsbetrag. In seinem obiter dictum geht das BSG davon aus, dass die Selbstverwaltung auf Bundesebene eine hinreichende Ermächtigung hierfür hatte. Die entsprechende Regelung in der PrüfvV 2016 findet sich in § 7 Abs. 2 Satz 4 - 6 PrüfvV 2016. Eine nähere Begründung der Rechtsauffassung enthält das obiter dictum nicht.

 

 

Das Urteil des BSG ist hier wiedergegeben.

  Datum: 23.01.2020 11:14:05
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BSG: Höchste Anforderungen bei der Wahl einer Behandlungsmethode für lebensbedrohlich erkrankte Patienten
 

 

Der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse kann es unter prozeduralen Aspekten des Qualitätsgebots erfordern, dass betroffene Versicherte im Interesse ihres Schutzes nicht generell außerhalb, sondern regelmäßig lediglich im Rahmen von kontrollierten klinischen Studien behandelt werden. Dies gilt auch für Patienten, die an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung leiden und für die bei der Beurteilung der Behandlungsmethode eine grundrechtsorientierte Auslegung nach Maßgabe der Rechtsprechung des BVerfG stattzufinden hat (BSG aaO, Rdz. 19).

 

 

 

Das Krankenhaus hat den Patienten sorgfältig über die zur Wahl stehenden Behandlungsmöglichkeiten aufzuklären, die die abstrakte und die konkret – individuelle Chancen-/Risikoabwägung mit umfasst. Hierzu gehört auch, dass dem Patienten auch die palliativen Behandlungsmöglichkeiten im Hinblick auf einen relativen Überlebensvorteil und die damit verbleibende Lebensqualität im Vergleich zu einer mehr oder weniger vagen Aussicht auf Heilung deutlich vor Augen geführt werden (BSG, aaO, Rdz. 33).

 

 

BSG, Urteil vom 08.10.2019, Az.: B 1 KR 3/19 R

 

 

- fremd-allogene Stammzelltransplantation, Qualitätsgebot, Wirtschaftlichkeitsgebot, Verbotsvorbehalt, kontrollierte medizinische Studie, kurativer Behandlungsansatz, palliativer Behandlungsansatz, Aufklärung -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 

das BSG betont in ständiger Rechtsprechung das Qualitätsgebot und das Wirtschaftlichkeitsgebot bei der Krankenhausbehandlung. Die in Betracht zu ziehende Behandlung bei lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen oder bei wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankungen muss jedoch auch nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft objektiv erfolgversprechend sein. Es sei eine abstrakte und auch konkret-individuelle Chancen-/Risikoabwägung vorzunehmen im Hinblick darauf, dass der voraussichtliche Nutzen die möglichen Risiken überwiegt. Die in Betracht zu ziehenden Methoden sind untereinander hinsichtlich Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit zu vergleichen. Insoweit stellt das BSG höchste Anforderungen bei der Wahl einer Behandlungsmethode auch bei lebensbedrohlichen bzw. regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen.

 

 

Sachverhalt

 

 

Das Universitätsklinikum behandelte eine Patientin wegen myelomonozytären Leukämie im Jahr 2008. Vorgenommen wurde eine fremd-allogene Stammzelltransplantation. Der Kläger berechnete hierfür die DRG A04C (Knochenmarktransplantation/Stammzelltransfusion, allogen). Die beklagte Krankenkasse berief sich auf eine Stellungnahme des MDK, wonach die Stammzelltransplantation (SZT) aufgrund ihres experimentellen Charakters nur innerhalb einer klinischen Studie hätte durchgeführt werden dürfen.

 

 

Die Vorinstanzen verurteilten die Beklagte auf Zahlung. Das LSG hob hervor, die Versorgung mit SZT entspreche den Grundsätzen über die grundrechtsorientierte Auslegung des Leistungsrechts durch das BVerfG. Die SZT habe keinen experimentellen Charakter gehabt. Sie sei die einzige kurative Behandlungsoption gewesen (transplantationsbedingte Mortalität: 30 v.H., Rückfallquote: 35 v.H., Heilungschance: 35 v.H.).

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

Das BSG rückt zunächst in den Vordergrund, dass der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit umfassend zu beachten ist. Hierzu sei unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse nicht nur dem Grunde nach, sondern auch dem Umfang nach zu ermitteln, welche Reichweite der Therapie indiziert ist.

 

 

Die Krankenhausleistungen müssten dem Qualitätsgebot nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V genügen, um überhaupt zu Lasten der GKV abrechenbar zu sein.

 

 

In diesem Zusammenhang stellt das BSG seine Sichtweise zur Regelungskonzeption in § 137c SGB V im Einzelnen dar. Diese Regelung sei nicht als eine generelle Erlaubnis zur Durchführung beliebiger Methoden im Krankenhaus bis zum Erlass eines Verbots nach § 137c SGB V zu verstehen (BSG, aaO, Rdz. 13). Sie sei lediglich ein bloßer Verbotsvorbehalt. Ergänzend führt das BSG aus, dass die gesetzlichen Änderungen durch das GKV-VStG vom 22.12.2011 und das GKV-VSG vom 16.07.2015 hieran nichts geändert hätten. Diese hätten keine Absenkung der Qualitätsanforderungen an die stationäre Versorgung zur Folge.

 

 

Das Qualitätsgebot sieht das BSG nur dann erfüllt, wenn die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelnden Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse kann es unter prozeduralen Aspekten des Qualitätsgebots erfordern, dass betroffene Patienten im Interesse ihres Schutzes lediglich im Rahmen von kontrollierten klinischen Studien behandelt werden (BSG, aaO, Rdz. 17).

 

 

Das Erfordernis, die Behandlung lediglich im Rahmen von kontrollierten klinischen Studien durchzuführen, kann auch im Bereich der grundrechtsorientierten Auslegung bestehen. Dies betrifft lebensbedrohliche oder regelmäßig zum Tode führende Erkrankungen (BSG, aaO, Rdz. 19).

 

 

Letztlich führt das BSG aus, dass auch bei grundrechtsorientierter Auslegung nicht jede Behandlungsmethode gewählt werden könne. Auch die gewählte Behandlungsmethode müsse den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechen, d. h., sie muss objektiv erfolgversprechend sein. Erforderlich ist deshalb, dass unter Berücksichtigung des gebotenen, nach der Schwere und dem Stadium der Erkrankung abgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes sowohl die abstrakte als auch die konkret-individuelle Chancen-/Risikoabwägung ergeben, dass der voraussichtliche Nutzen die möglichen Risiken überwiegt. Das Wirtschaftlichkeitsgebot erfordere zudem, die Methode zu wählen, die erfolgversprechender ist. Nach diesen Grundsätzen kann auch unter Berücksichtigung des therapeutischen Zeitfensters und der konkreten Chancen und Risiken in besonderen Situationen auch ein palliativer Behandlungsansatz dem Wirtschaftlichkeitsgebot besser gerecht werden als ein kurativer Behandlungsansatz, der dem allgemein anerkannten medizinischen Stand der medizinischen Erkenntnisse noch nicht entspricht.

 

 

Da das LSG keine ausreichenden Feststellungen zu den Voraussetzungen des Wirtschaftlichkeitsgebots getroffen hat, wurde die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG  zurückgewiesen.

 

 

Anmerkungen

 

 

Aus dem Urteil des BSG ist zu ersehen, dass das BSG sehr hohe Anforderungen an die Behandlung von Patientinnen und Patienten stellt, die eine lebensbedrohliche oder zum Tod führende Erkrankung aufweisen. Diese hohen Hürden, die das BSG hierzu aufstellt, sind in der Praxis kaum umzusetzen. Dies gilt insbesondere für die Anforderung, dass eine Behandlung nur dann dem Qualitätsgebot entspricht, wenn die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute die Behandlungsmethode befürwortet und über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dem Erfordernis, Patienten mit lebensbedrohlichen bzw. zum Tode führenden Erkrankungen im Rahmen von kontrollierten klinischen Studien zu behandeln, kann in seltensten Fällen Rechnung getragen werden, allein aufgrund der Dringlichkeit der Behandlung wegen krankheitsbedingter Lebensgefahr.

 

 

Letztlich ist auch die Auslegung von § 137c SGB V idF des GKV-VSG durch das BSG in Frage zu ziehen. Der Gesetzgeber wollte durch diese Regelung gerade erreichen, dass dem medizinischen Fortschritt zu Gunsten der Patienten Rechnung getragen wird. Das BSG Urteil bedeutet daher einen wesentlichen Rückschritt für die Gesundheitsversorgung im Krankenhaus und ist im Wesentlichen von Formalismus auch in kritischen Lebenslagen geprägt. Damit konterkariert das BSG auch die Gesetzesvorstellung, durch Ergänzung von § 137c SGB V das in der Krankenhausversorgung geltende Prinzip der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt konkreter im Gesetz zu regeln. Wörtlich hat der Gesetzgeber ausgeführt: „Bis zum Vorliegen dieser Erkenntnisse und einer abschließenden Entscheidung des gemeinsamen Bundesausschusses bleibt es dabei, dass die Methode im Krankenhaus angewandt werden kann insbesondere damit sie zur Versorgung der typischerweise schwerer erkrankten Versicherten mit besonderem Bedarf nach innovativen Behandlungsalternativen weiterhin zur Verfügung steht. Insoweit handelt es sich um eine Konkretisierung des allgemeinen Qualitätsgebots des § 2 Abs. 1 Satz 2“ (Gesetzesbegründung zum VSG, BT-Drucks. 18/4095, Seite 121).

 

 

Der Gesetzgeber wird daher wiederum zum Handeln aufgefordert sein, um – wie es in der VSG-Gesetzesbegründung heißt – den in der jüngsten höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Ausdruck gebrachten Wertungswiderspruch aufzulösen.

 

 

Das Urteil des BSG ist hier wiedergegeben.

  Datum: 22.01.2020 09:12:04
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Das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V gilt uneingeschränkt auch im Leistungserbringungsrecht
 

 

Das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V gilt uneingeschränkt auch im Leistungserbringungsrecht. Das Wirtschaftlichkeitsgebot zwingt Krankenhäuser bei der Behandlungsplanung, wirtschaftlichere Behandlungsalternativen zu prüfen. Wählt ein Krankenhaus einen unwirtschaftlichen Behandlungsweg, hat es nur Anspruch auf die Vergütung, die sich bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten ergibt.

 

 

BSG, Urteil vom 19.11.2019, Az.: B 1 KR 6/19 R

 

 

- Wirtschaftlichkeitsgebot, Fallsplitting, Beurlaubung, fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 

wiederholt hat sich das BSG mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot im Krankenhausbereich befasst. Ist die erneute Aufnahme eines Patienten am Entlassungstag kurzfristig absehbar, kann nach Auffassung des BSG nur eine DRG für den Behandlungszeitraum abgerechnet werden.

 

 

Sachverhalt

 

 

Vorliegend hat die Krankenkasse das behandelnde Krankenhaus auf Rückerstattung einer Überzahlung verklagt. Das Krankenhaus hatte einen Patienten vom 13. bis 20.01.2012 stationär aufgenommen. Es entfernte eine verdächtige Raumforderung im rechten Lungenoberlappen mittels Keilresektion und entnahm gleichzeitig Gewebe zur Untersuchung, ob u. a. ein primäres Lungenkarzinom vorliege. Der Nachbericht der Immunhistologie vom 20.01.2012 bestätigte die Diagnose eines primären Lungenkarzinoms. Das Krankenhaus entließ den Patienten am 20.01.2012, an diesem Tag lag jedoch der Nachbericht der Immunhistologie noch nicht vor. Eine ambulante Vorstellung zur thoraxchirurgischen Kontrolluntersuchung und Befundbesprechung wurde für den 24.01.2012 geplant. In der Folge nahm das Krankenhaus den Patienten auch am 24.01.2012 wieder auf und entfernte den rechten Oberlappen nebst Lymphknoten der Lunge operativ. Der Patient wurde am 01.02.2012 wieder entlassen.

 

 

Für die 1. Behandlung rechnete das Krankenhaus die DRG E06C (Andere Lungenresektionen, Biopsie an Thoraxorganen und Eingriffe an Thoraxwand, Pleura und Mediastinum ohne äußerst schwere CC) und für die 2. Behandlung die DRG E05B (Andere große Eingriffe am Thorax ohne äußerst schwere CC, bei bösartiger Neubildung).

 

 

Das Krankenhaus verweigerte die Rückzahlung, da die Voraussetzungen weder für eine Fallzusammenführung noch für eine Beurlaubung vorgelegen hätten.

 

 

Die Vorinstanzen gaben dem Krankenhaus Recht, das BSG hob die Urteile auf und verurteilte das Krankenhaus zur Rückzahlung einer Vergütung in Höhe von 5.706,81 € für die 1. Behandlung.

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

Das BSG kommt zur Auffassung, dass das Krankenhaus den Patienten nicht wirtschaftlich behandelt habe. Zwar sei die Vergütung anhand des tatsächlichen Geschehensablaufes sachlich-rechnerisch richtig ermittelt worden, allerdings habe das Krankenhaus gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen. Nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot hätte das Krankenhaus prüfen müssen, ob eine wirtschaftlichere Behandlungsalternative zur Verfügung gestanden hätte. Es gehe nicht an, dass Krankenhäuser durch ein planmäßiges, medizinisch überflüssiges Fallsplitting Zusatzeinnahmen erzielten.

 

 

Vorliegend sei in Betracht gekommen, bis zum Vorliegen des zeitnah zu erwartenden histologischen Befundes den Patienten zu beurlauben oder die Behandlung ohne Unterbrechung fortzusetzen. Zwar lag der Nachbericht zum Zeitpunkt der Entlassung des Patienten noch nicht vor, so dass es noch nicht eindeutig klar war, dass es zu einer Lobektomie kommen würde. Dem Krankenhaus war jedenfalls zu diesem Zeitpunkt bereits klar, dass es sehr schnell zu einer Entscheidung über die weitere stationäre Behandlung des Patienten kommen würde. Das Krankenhaus hätte daher die Kosten der Behandlungsalternativen abwägen und den kostengünstigeren Weg wählen müssen. Dies wäre die Behandlung innerhalb eines einzigen Behandlungszeitraums ggf. mit einer zwischenzeitlichen Beurlaubung. Insoweit sei daher lediglich die DRG E05B zu vergüten.

 

 

Anmerkungen

 

 

Das Urteil des BSG verschärft noch einmal die bisherige Rechtsprechung zum Wirtschaftlichkeitsgebot. Bisher kam es auf die Erkenntnisse des Krankenhauses zum Entlassungszeitpunkt des Patienten an. Besteht zu diesem Zeitpunkt noch Unklarheit, ob eine Operation notwendig ist, ist der Patient zunächst zu entlassen, da keine medizinischen Gründe für den weiteren Aufenthalt vorliegen. Auch das BSG hatte nach seiner bisherigen Rechtsprechung zur Notwendigkeit der Verweildauer die Auffassung vertreten, es müssten medizinische Gründe für den Krankenhausaufenthalt bestehen. Die medizinische Notwendigkeit lag vorliegend für den Aufenthalt zwischen 1. und 2. Behandlung nicht vor. Insoweit verbleibt der Kunstgriff des BSG, es hätte eine Beurlaubung vorgenommen werden können. Dies deckt sich nicht mit der Regelung in § 1 Abs. 7 FPV 2012, wonach der Patient den Wunsch zur Beurlaubung hat, z. B. aus persönlichen Gründen. Somit schafft das BSG ein Einfallstor für Beurlaubungen aus Wirtschaftlichkeitsgründen.

 

 

Nicht berücksichtigt hat das BSG die Änderung in § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG. Danach ist eine Fallzusammenführung in anderen als den vertraglich oder gesetzlich geregelten Fällen aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zulässig. Diese Vorschrift wurde zwar erst durch das PpSG eingeführt, die Gesetzesbegründung geht jedoch davon aus, dass es sich hierbei um eine Klarstellung handelt (BT-Drucks. 19/5593 zu Nr. 6).

 

 

Auffällig ist in den Urteilsgründen die Schärfe der Diktion gegenüber den Krankenhäusern. Das BSG geht davon aus, dass Krankenhäusern nicht die Option eröffnet werden darf, ohne Rücksicht auf die begrenzten Mittel der GKV unwirtschaftliche Therapiewege vergütet zu bekommen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot sehe keine Sonderrolle für die Krankenhäuser vor, um z. B. durch ein planvolles, medizinisch überflüssiges Fallsplitting Zusatzeinnahmen zu erzielen (BSG aaO, Rdz. 20, 21). Dies ist sicherlich ein völlig überzeichnetes Bild vom komplexen Abrechnungsgeschehen im Krankenhausbereich, das dringend einer Korrektur bedarf.

 

 

Das Urteil des BSG ist hier wiedergegeben.

 

  Datum: 20.01.2020 09:03:24
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Die DKR 1001l setzt nicht einen Entwöhnungserfolg voraus.
 

 

Die Berücksichtigungsfähigkeit von Spontanatmungsstunden während der Periode der Entwöhnung von der maschinellen Beatmung hängt nicht davon ab, dass die Beatmung des Patienten nach einer Periode der Entwöhnung erfolgreich beendet wird, sondern davon, dass das Krankenhaus die in DKR 1001l als Mindestvoraussetzung definierte zeitliche maschinelle Unterstützung der Atmung des Patienten durch CPAP im Umfang von mindestens sechs Stunden kalendertäglich erbracht hat. (BSG, aaO, Rdz. 14)

 

 

BSG, Urteil vom 17.12.2019, Az.: B 1 KR 19/19 R

 

 

- Beatmungsstunden, Entwöhnung, Entwöhnungserfolg, invasive Beatmung CPAP/ASB, DKR 1001l -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren, 

 

anhand des Terminberichts des BSG hatten wir bereits über das positive Urteil des BSG berichtet. Nunmehr liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor, die näheren Aufschluss über die Argumentationslinie des BSG geben. 

 

Sachverhalt 

 

Das klagende Krankenhaus nahm einen Patienten auf, der seit rund 5 Monaten über ein Tracheostoma invasiv-maschinell heimbeatmet wurde. Der Patient wurde Anfang Juli 2015 in diesem Zustand aufgenommen und die Ärzte leiteten daraufhin die Entwöhnung mit dem Ziel der Beendigung der künstlichen Beatmung ein. Der Patient wurde invasiv mittels IPPV, BIPAP, CPAP/ASB und BIAP/ASB bis zum Entlassungstag an jedem Kalendertag jeweils mehr als 6 Stunden beatmet. In diesem Zeitraum wurde der Patient intensivmedizinisch versorgt. Eine vollständige Entwöhnung von der Beatmung konnte jedoch nicht erreicht werden. Insgesamt wurde eine Beatmungszeit von 251 Stunden kodiert, die auch die Spontanatmungsstunden berücksichtigte. Abgerechnet wurde die DRG A11F (Beatmung > 249 Stunden). 

 

Die beklagte Krankenkasse hielt die Berücksichtigung der Spontanatmungsstunden nicht für zulässig und rechnete auf der Basis der DRG A13F (Beatmung > 95 Stunden…) ab. 

 

Entscheidungsgründe 

 

Das BSG berücksichtigte auch die Spontanatmungsstunden, unabhängig davon, dass bei dem Patienten keine erfolgreiche Entwöhnung erfolgte. Es lässt sich von dem Wortlaut und dem Regelungssystem der DKR 1001l leiten. Die DKR 1001l setze für die Berücksichtigung von Spontanatmungsstunden nicht voraus, dass der Patient dieses Ziel während des stationären Aufenthaltes oder auch nur zu einem anderen Zeitpunkt im Sinne einer stabilen respiratorischen Situation erreiche. Die DKR 1001l gehe sogar davon aus, dass es mehrere Entwöhnungsversuche geben kann, sie fordere also nicht, dass der letzte Versuch erfolgreich sein muss, um die vorangegangenen Spontanatmungsstunden berücksichtigen zu können. Wenn es an einer erfolgreichen Entwöhnung als Beendigungsereignis fehle, sind die verbleibenden Beendigungsereignisse maßgeblich, die dann das Ende der Beatmungsperiode bestimmen, nämlich Extubation, Entlassung, Verlegung oder Tod. 

 

Das BSG erkannte daher den Anspruch der Klägerin an und bestätigte die vorangegangenen Instanzurteile.  

 

Anmerkungen 

 

Dem Urteil des BSG ist in vollem Umfang zuzustimmen. Allein aus dem Gesichtspunkt, dass nach der DKR 1001l mehrere Entwöhnungsversuche möglich sind, kann es nicht auf den Erfolg der Entwöhnung ankommen. Bei einer Entwöhnung mit intermittierenden Phasen der maschinellen Unterstützung der Atmung durch Masken-CPAP im Wechsel mit Spontanatmung ist eine Anrechnung auf die Beatmungszeit nur möglich, wenn die Spontanatmung des Patienten insgesamt mindestens 6 Stunden pro Kalendertag durch Masken-CPAP unterstützt wurde (BSG, aaO, Rdz. 17). 

 

Ergänzend weist das BSG darauf hin, dass die Höhe der Forderung vorliegend nicht im Streit war, also von keinem Beteiligten in Frage gestellt worden ist. Der Amtsermittlungsgrundsatz begründe keine Pflicht von Gerichten, Tatsachen zu ermitteln, für deren Bestehen weder das Beteiligtenvorbringen noch sonstige konkrete Umstände des Einzelfalls Anhaltspunkte liefern. In diesem Fall findet die amtliche Sachaufklärungspflicht ihre Grenze an der Mitwirkungslast der Verfahrensbeteiligten (BSG, aaO, Rdz. 22). Auch dem ist zuzustimmen. 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  Datum: 16.01.2020 11:30:57
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Die Implantation von Coils verstößt im Jahr 2013 gegen das Qualitätsgebot von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V und zugleich gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs. 1 SGB V
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Die Implantation von Coils verstößt im Jahr 2013 gegen das Qualitätsgebot von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V und zugleich gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs. 1 SGB V. Eine nach zwingenden normativen Vorgaben ungeeignete Versorgung Versicherter ist nicht im Rechtssinne erforderlich. Versicherte haben aufgrund des Qualitätsgebots und des Wirtschaftlichkeitsgebots keinen Anspruch auf ungeeignete Leistungen. Krankenhäuser sind weder befugt, ungeeignet zu behandeln, noch berechtigt, eine Vergütung hierfür zu fordern. 

 

BSG, Urteil vom 08.10.2019, Az.: B 1 KR 2/19 R 

 

- Implantation von Coils (2013), Qualitätsgebot, Wirtschaftlichkeitsgebot, NUB-Vereinbarung, Zusatzentgelt, Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren, 

 

über das Urteil des BSG wurde bereits auf der Grundlage des Terminsbericht des BSG berichtet. Nunmehr liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor, die tiefe Einblicke in die Bewertung von gesetzlichen Regelungen  durch das BSG geben.

 

 

Sachverhalt

 

 

Das klagende Krankenhaus implantierte bei einem Patienten endobronchiale Nitinolspiralen (Lungenvolumenreduktionsspulen-Coils). Der Patient litt an einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Die Behandlung erfolgte im Zeitraum vom 09. bis 15.07.2013. Für die Coils hatte die Klägerin mit den Krankenkassen eine NUB-Vereinbarung über das entsprechende Zusatzentgelt abgeschlossen.

 

 

Die Krankenkasse zahlte zunächst, verrechnete jedoch später den gezahlten Betrag mit einer anderen unstreitigen Rechnung. Das LSG gab der Zahlungsklage statt, da die angewandte Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative habe. Gleichzeitig stellte das LSG fest, dass die Implantation von Coils zur Reduktion des Lungenvolumens im Jahr 2013 noch keine ausreichende evidenzgesicherte Basis hatte und über deren Anwendung in Fachkreisen noch kein breiter Konsens bestand.

 

 

Auf die Revision der beklagten Krankenkasse hob das BSG das LSG-Urteil auf.

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

Das BSG gibt dem Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot absoluten Vorrang vor der Regelung in § 137c SGB V. § 137c SGB V sieht zwar vor, dass Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden dürfen, wenn sie das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt. Es sei davon auszugehen, dass das Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot nach dem klaren Wortlaut für alle Leistungsbereiche, also auch für den Krankenhausbereich, gelte. Dies sei als allgemeiner Grundsatz des Leistungserbringungsrechts anzusehen. Auch nach Änderung des § 137c SGB V durch das GKV-VStG vom 22.12.2011 – BGBl I 2983 – habe sich dadurch nichts geändert. Versicherte haben aufgrund des Qualitätsgebots und des Wirtschaftlichkeitsgebot kein Anspruch auf ungeeignete Leistungen. Krankenhäuser sind dementsprechend weder befugt, ungeeignet zu behandeln, noch berechtigt, eine Vergütung hierfür zu fordern.

 

 

Lege man den Maßstab des Qualitätsgebots zugrunde, sei es erforderlich, dass über die Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit der jeweiligen Behandlungsweise in den ärztlichen Fachkreisen ein durch wissenschaftliche Studien hinreichend untermauerter Konsens bestehe. Vorliegend habe das LSG für das BSG bindend festgestellt, dass für die Implantation von Coils jedenfalls im Jahr 2013 noch keine ausreichende evidenzgesicherte Basis in ärztlichen Fachkreisen bestand.

 

 

Das BSG hob daher das Urteil des LSG auf und wies die Berufung gegen das Urteil des SG zurück.

 

 

Anmerkungen

 

 

Die Entscheidung des BSG ist von dem Bemühen getragen, sich gegen die Einführung von § 137c SGB V durch das GKV-VStG vom 22.12.2011 zu wenden. An mehreren Stellen bringt es zum Ausdruck, dass Gesetzesmaterialien „mit Vorsicht, nur unterstützend und insgesamt nur insofern heranzuziehen, als sie auf einen objektiven Gesetzesinhalt schließen lassen und im Gesetzeswortlaut einen Niederschlag gefunden haben“.

 

 

Darin liegt eine Fehleinschätzung des BSG: Die gesetzliche Regelung ist von dem gesetzgeberischen Gedanken getragen, dem im Krankenhausbereich geltenden Grundsatz der „Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt“ zur Wirksamkeit zu verhelfen. In der Gesetzesbegründung wird ausdrücklich hervorgehoben, dass innovative Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus so lange erbracht und abgerechnet werden dürfen, so lange sie nicht auf Antrag vom G-BA überprüft und ausgeschlossen wurden. Der G-BA sollte durch die Erprobungsregelung in § 137e SGB V ein neues Instrument für die Bewertung von Methoden, deren Nutzen (noch) nicht mit hinreichender Evidenz belegt ist, erhalten (BT-Drucks. 17/6906, S. 86, 87).

 

 

Entgegen der Auffassung des BSG findet dieser Grundsatz für den Krankenhausbereich „Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt“ auch eine ausreichende Stütze in § 137c SGB V selbst. In § 137c Abs. 3 SGB V ist ausdrücklich geregelt, dass im Rahmen einer Krankenhausbehandlung Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der G-BA bisher keine Entscheidung getroffen hat, angewandt werden dürfen, wenn sie das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten. Dort heißt es gerade nicht, dass eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode nur angewandt werden darf, wenn Sie dem Qualitätsgebot entspricht. Besonders deutlich kommt der Gesetzeswille in dem folgenden Satz zum Ausdruck: „Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist.“ (§ 137c Abs. 3 Satz 2 SGB V).

 

 

Der klare Wille des Gesetzgebers, dem Grundprinzip im Krankenhausbereich der „Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt“ zur Wirksamkeit zu verhelfen geht besonders deutlich aus der Ergänzung von § 137c SGB V in Folge des GKV-VSG vom 16.07.2015 (BGBl I, 1211) hervor. Dort heißt es in der entsprechenden Gesetzesbegründung, dass durch die Ergänzung von § 137c Abs. 3 SGB V „das in der Krankenhausversorgung geltende Prinzip der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt konkreter im Gesetz geregelt“ wird. Die Regelung sei erforderlich, weil die Gesetzesauslegung in der jüngsten höchsten richterlichen Rechtsprechung (vgl. etwa BSG, Urteil vom 21.03.2013, AZ. B 3 KR 2/12 R) mit dem in § 137c SGB V zum Ausdruck gebrachten Regelungsgehalt in einem Wertungswiderspruch steht (so wörtlich: BT-Drucks. 18/4095, S. 121). Nunmehr scheint es darum zu gehen, wer letztlich die Oberhand behält, der Gesetzgeber oder das BSG. Das BSG misst der höchstrichterlichen Auslegung aus seinem Selbstverständnis heraus größere Bedeutung zu. Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass er darauf abstellt, „dass eine in Anspruch genommene Befugnis des Gesetzgebers zur authentischen Interpretation für die rechtsprechende Gewalt nicht verbindlich ist“.

 

 

Das BSG gibt keine Hinweise, dass in der Zwischenzeit mehrere Studien publiziert wurden, die die hinreichende Evidenz der Implantation von Coils belegen.

 

 

In der Zwischenzeit sind zu diesem Verfahren neben einer Metaanalyse drei randomisiert-kontrollierte Studien publiziert worden, die den höchsten wissenschaftlichen Evidenzgrad aufweisen. Diese Studien belegen, dass die bronchoskopische Lungenvolumenreduktion (BLVR) mit Coils eine Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit (Zunahme der 6-Minutengehstrecke (6MWT)), eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität (Verringerung im SGRQ – St. George´s Respiratory Questionnaire) und eine signifikante Verbesserung der Lungenfunktion durch eine Erhöhung der Einsekundenkapazität (FEV1-Wertes) bewirkt. Auch das IQWiG hat die Studie positiv mit einem Nutzen bezüglich der Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit bewertet. Dem ist anscheinend das BSG für die Behandlung im Jahr 2013 nicht gefolgt. Nicht ausgeschlossen ist, dass in den folgenden Jahren die Studienlage auch vom BSG anders bewertet wird.

 

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

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  Datum: 13.01.2020 13:40:58
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Newsletter Die DKR 1001l setzt nicht einen Entwöhnungserfolg voraus.
 

 

Spontanatmungsstunden in der Periode der Entwöhnung sind auch dann als Beatmungsstunden nach der DKR 1001l berücksichtigungsfähig, wenn der Patient weiterhin bei seiner Entlassung ganz oder teilweise auf maschinelle Beatmung angewiesen ist, also ein voller Entwöhnungserfolg bis zur Entlassung nicht vorliegt. 

 

BSG, Urteil vom 17.12.2019, Az.: B 1 KR 19/19 R 

 

- Beatmungsstunden, Entwöhnung, Entwöhnungserfolg, invasive Beatmung CPAP/ASB -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der Rechtsstreit drehte sich um die Frage, ob die Periode der Entwöhnung auch dann berücksichtigungsfähig ist, wenn letztendlich der volle Entwöhnungserfolg bis zum Zeitpunkt der Entlassung nicht eingetreten ist. Dies hat das BSG bejaht und dem Zahlungsanspruch des klagenden Krankenhauses stattgegeben.  

 

Sachverhalt 

 

Der Patient wurde bei der Aufnahme in das klagende Krankenhaus über ein Tracheostoma invasiv/maschinell beatmet. Die Beatmung wurde mittels CPAP/ASB fortgesetzt. In der Folge wurde die invasive Beatmung durch nicht unterstützte Spontanatmungsphasen unterbrochen (Heat and Moisture Exchanger am Tracheostoma, sog. Feuchte Nase). Letztlich war die Entwöhnung zum Zeitpunkt der Entlassung nicht vollständig erfolgreich. Insgesamt kodierte die Klägerin eine Beatmungszeit von insgesamt 251 Stunden einschließlich der Spontanatmungsphasen und rechnete die DRG A11F (Beatmung > 249 Stunden) ab. 

 

Die beklagte Krankenkasse hielt die Berücksichtigung der Spontanatmungsstunden nicht für zulässig und rechnete auf der Basis der DRG A13F (Beatmung > 95 Stunden…) ab. 

 

Die Klage des Krankenhauses hatte in allen Instanzen Erfolg. 

 

Entscheidungsgründe 

 

Das BSG sah die Voraussetzungen der DRG A11F für erfüllt an. Die Spontanatmungsstunden in der Periode der Entwöhnung sind auch dann als Beatmungsstunden zu berücksichtigen, wenn der Patient bei seiner Entlassung ganz oder teilweise auf maschinelle Beatmung angewiesen bleibt. Unerheblich sei nach der DKR 1001l, ob eine vollständige Entwöhnung bis zur Entlassung erfolgt ist. Somit sei von 251 Beatmungsstunden auszugehen. 

 

Anmerkungen 

 

Der Auffassung des BSG ist zuzustimmen. Die DKR 1001l verlangt nicht, dass die Entwöhnung erfolgreich ist, also ein voller Entwöhnungserfolg vorliegt. Diese regelt abschließend die Gesamtbeatmungszeit. Die Dauer der Entwöhnung wird insgesamt (inklusive beatmungsfreier Intervalle während der jeweiligen Entwöhnung) berücksichtigt. Ein Erfolg der Entwöhnung wird nicht verlangt.  

 

Zur Zeit liegt nur der Terminsbericht des BSG vor. Sollten sich aus den Urteilsgründen weitere Informationen ergeben, werde ich darüber berichten.

  letzte Änderung: 06.01.2020 16:25:06
 
Flash-News
 

 

PrüfvV – Übergangsvereinbarung unter Dach und Fach 

 

Sehr geehrte Damen und Herren, 

 

die Vereinbarungspartner auf Bundesebene haben eine Änderung der PrüfvV mit Wirkung zum 01.01.2020 vorgenommen. Auslöser hierfür sind die Änderungen des MDK-Reformgesetzes, das am 01.01.2020 in Kraft tritt. 

 

Kernpunkte dieser Übergangsvereinbarung sind Folgende: 

 

Die Vereinbarungspartner stellen fest, dass die PrüfvV vom 03.02.2016 für Patienten, die ab dem 01.01.2020 in einem Krankenhaus aufgenommen werden, nach den folgenden Maßgaben weiter gilt: 

 

1.

Die Regelungen zur Korrektur von Datensätzen nach § 5 Abs. 1 und § 7 Abs.5 PrüfvV sowie die Aufrechnungsregeln nach § 10 PrüfvV finden weiterhin Anwendung. Dies bedeutet insbesondere, dass Krankenhäuser auch bei Einleitung eines Prüfverfahrens eine Datensatzkorrektur nach den Regeln der PrüfvV vornehmen dürfen und auch die Krankenkassen in den dort geregelten Fällen aufrechnen dürfen. 

 

2.

Rechnungskorrekturen der Krankenhäuser außerhalb eines Prüfverfahrens sind unter Beachtung der Rechtsprechung des BSG weiterhin zulässig.  

 

3.

Außerhalb eines Prüfverfahrens durchgeführte Aufrechnungen der Krankenkasse nach Maßgabe der geltenden Rechtsprechung des BSG sind weiterhin möglich.   

 

4.

Die Aufgaben des MDK werden mit Wirkung zum 01.01.2020 vom MD wahrgenommen. 

 

5.

Die Einleitung des Prüfverfahrens gem. § 4 PrüfvV hat spätestens 4 Monate nach Eingang der nach § 3 PrüfvV übermittelten Daten und der entsprechenden Krankenhausrechnung zu erfolgen.  

 

6.

Die Beauftragung des MDK erfolgt bei dem örtlich für das Krankenhaus zuständigen MD. Sie hat innerhalb einer 4-Monatsfrist zu erfolgen. 

 

7.

Die Frist zur Übermittlung der Unterlagen durch das Krankenhaus nach § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV beträgt 16 Wochen. 

 

8.

Die leistungsrechtliche Entscheidung der Krankenkasse hat innerhalb einer Frist von 13 Monaten zu erfolgen. 

 

9.

Das nunmehr nach § 17c Abs. 2 b KHG (idF des MDK-Reformgesetzes) vorgesehene verpflichtende Erörterungsverfahren vor Klageerhebung findet erst dann Anwendung, wenn die entsprechenden Verfahrensregelungen der Vertragsparteien auf Bundesebene in Kraft getreten sind. 

 

10.

Die in § 275c Abs. 3 SGB V (idF des MDK-Reformgesetzes) vorgesehene Strafzahlung gilt nur für Rechnungen der Krankenhäuser, die ab dem 01.01.2020 bei einer Krankenkasse eingehen. Dies bedeutet, dass laufende Prüfverfahren des MDK, auch wenn Sie erst im Jahr 2020 beendet werden, keine Strafzahlung auslösen. Gleiches gilt für im Jahr 2020 eingeleitete Prüfverfahren, die auf Rechnungen der Krankenhäuser basieren, die vor dem 01.01.2020 bei einer Krankenkasse eingegangen sind.  

 

 

 

Nach wie vor besteht jedoch noch eine gewisse Rechtsunsicherheit, ob die Vertragsparteien auf Bundesebene das in § 17c Abs. 2b KHG gesetzlich vorgesehene Erörterungsverfahren aussetzen dürfen, bis eine entsprechende Konkretisierung des Verfahrens vorliegt. Krankenhäuser, die dieses Risiko nicht eingehen möchten, wird empfohlen, offen stehende Rechnungen noch bis zum 31.12.2019 klageweise anhängig zu machen. Damit wird Einwänden begegnet, die von Seiten der Sozialgerichte im Hinblick auf das verpflichtende Erörterungsverfahren erhoben werden könnten. 

 

Die Vereinbarung tritt am 01.01.2020 in Kraft und gilt bis zum Inkrafttreten einer überarbeiteten PrüfvV.

  Datum: 12.12.2019 16:17:57
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Newsletter Zahlungsklagen der Krankenkassen, die bei Inkrafttreten von § 109 Abs. 5 SGB V gerichtlich rechtshängig waren, unterliegen nicht rückwirkend der zweijährigen Verjährungsfrist
 

 

Zahlungsklagen der Krankenkassen, die bei Inkrafttreten von § 109 Abs. 5 SGB V gerichtlich rechtshängig waren, unterliegen nicht rückwirkend der zweijährigen Verjährungsfrist. Die Verjährung war aufgrund der vorher eingereichten Zahlungsklage gehemmt.

 

 

LSG NRW, Urteil vom 10.07.2019, Az.: L 10 KR 538/15 – nicht rechtskräftig

 

 

- zweijährige Verjährungsfrist nach § 109 Abs. 5 SGB V, Ausschlussfrist nach § 325 SGB V, Hemmung, PpSG; öffentlich rechtlicher Erstattungsanspruch der Krankenkasse -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren, 

 

vorliegend musste sich das LSG NRW mit der Frage befassen, ob gerichtlich geltend gemachte frühere Zahlungsansprüche der Krankenkassen rückwirkend der zweijährigen Verjährungsfrist nach § 109 SGB V unterliegen. Es hat dies verneint.

 

Sachverhalt 

 

Das beklagte Krankenhaus rechnete in 18 Behandlungsfällen im Jahr 2010 und 2011 die Intensivmedizinische Komplexbehandlung (OPS-Kode 8-980) gegenüber der klagenden Krankenkasse ab. Ein Strukturgutachten des MDK kam zur Auffassung, dass das Strukturmerkmal „Ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation muss gewährleistet sein“ in den Jahren 2010 und 2011 nicht erfüllt war. Es könnte planmäßig zu Situationen kommen, in denen die Intensivstation für 15 bis 20 Minuten nicht mit einem Arzt besetzt war, wenn der Internist auf der Normalstation und der Anästhesist bei Notfallsituationen oder bei geburtshilflichen Notfallsituationen tätig werden müssten.

 

Die Krankenkasse erhob daher Ende des Jahres 2014 Zahlungsklage gegenüber dem Krankenhaus. In der Berufungsinstanz berief sich das beklagte Krankenhaus auf die Regelung in § 109 Abs. 5 SGB V, wonach der Zahlungsanspruch zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits verjährt war, wenn man die zweijährige Verjährungsfrist – wie es der Gesetzgeber mit dem PpSG vorsieht – rückwirkend anwendet.  

 

Das SG wies die Klage mit der Begründung ab, der OPS-Kode 8-980 sei in den Jahren 2010 und 2011 erfüllt gewesen. Das LSG hob das Urteil auf und gab der Klage statt.  

 

Entscheidungsgründe 

 

Zunächst stellt das LSG NRW fest, dass im Gegensatz zur Auffassung des SG Aachen die Strukturmerkmale des OPS-Kode 8-980 nicht erfüllt seien. Aufgrund der Organisationsplanung des Krankenhauses konnte es zur Fallgestaltung kommen, bei denen die Intensivstation für 15 bis 20 Minuten nicht von einem Arzt besetzt war. Somit wurde die ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation nicht gewährleistet.  

 

Des Weiteren kam das LSG NRW zur Auffassung, dass vorliegend die Regelung nach § 109 Abs. 5 SGB V – rückwirkende Anordnung einer zweijährigen Verjährungsfrist – nicht greife. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung Ende 2014 galt die vierjährige Verjährungsfrist, so dass fristgerecht Klage erhoben wurde. Somit war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 109 Abs. 5 SGB V die Verjährung gehemmt (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die vom Krankenhaus vertretene Auffassung, dass ab 01.01.2019 auch bereits rechtshängige Erstattungsansprüche aus der Zeit vor 2015 bzw. vor 2017 rückwirkend verjährt seien, wies das LSG zurück. Aus der Begründung des Gesetzes, aus dem Wortlaut und dem Regelungszweck dieser Vorschrift sei dies nicht abzuleiten.  

 

Anmerkung 

 

Es ist fraglich, ob die Rechtsauffassung des LSG NRW zutrifft. § 109 Abs. 5 SGB V wurde durch das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) eingeführt und ordnet die zweijährige Verjährungsfrist für Ansprüche auf Rückzahlung der Krankenkassen für geleistete Vergütungen an, die vor dem 01.01.2019 entstanden sind (§ 109 Abs. 5 Satz 2 SGB V idF des PpSG). 

 

Bezogen auf die vorliegende Fallgestaltung würde dies zunächst bedeuten, dass die aus den Jahren 2010 und 2011 hergeleiteten Erstattungsansprüche der Krankenkasse am 31.12.2012 bzw. 31.12.2013 nach der Neuregelung in § 109 Abs. 5 Satz 2 SGB V verjährt sind. Insoweit galt rückwirkend  nicht mehr die vierjährige Verjährungsfrist, auf die sich das LSG NRW stützt, sondern die zweijährige Verjährungsfrist nach § 109 Abs. 5 Satz 2 SGB V. Die erst am 31.12.2014 eingereichte Klage der Krankenkasse auf Rückerstattung konnte die bereits (nachträglich) eingetretene Verjährung nicht mehr hemmen. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn die Krankenkasse vor dem 31.12.2012 bzw. 31.12.2013 Klage erhoben hätte. Dies war jedoch nicht der Fall. 

 

Das LSG NRW kann sich auch nicht auf die Gesetzesbegründung zu § 109 Abs. 5 SGB V stützen, die sich aus der Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) ergibt. Der Gesetzgeber wollte bewusst für die Krankenkassen die Verjährungsfrist auf zwei Jahre verkürzen. Er sah eine Ungleichbehandlung zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen, da nachträgliche Rechnungskorrekturen der Krankenhäuser nur bis zum Ende des auf die erste Schlussrechnung folgenden Kalenderjahres geltend gemacht werden können, die Krankenkassen aber vier Jahre lang Erstattungsansprüche erheben können. Wörtlich heißt es dort: 

 

„Aufgrund der Regelung in Satz 2 gilt die verkürzte Verjährungsfrist auch für Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von zu Unrecht geleisteten Vergütungen, die vor dem 1. Januar 2019 entstanden sind. Anderenfalls könnte das Ziel der Regelung nur unvollkommen erreicht werden.“ (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss), BT-Drucks. 19/5593 vom 07.11.2018) 

 

Die Gesetzesbegründung hebt ausdrücklich auf das Ziel ab, eine umfassende Befriedung abgeschlossener Abrechnungsfälle zu erreichen. In Abweichung von den Grundsätzen des intertemporalen Rechts werde die Verkürzung der Verjährungsfrist angewendet auf Rückforderungen der Krankenkassen, die vor dem 01.01.2019 entstanden sind, nach alter Rechtslage aber noch nicht verjährt sind. Der Gesetzgeber sah darin keine unzulässige Rückwirkung.  

 

Insoweit ist zu beachten, dass auch die Erstattungsforderungen der Krankenkassen nach alter Rechtslage noch nicht verjährt waren (Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB) nunmehr aber die zweijährige Verjährungsfrist zugrunde gelegt werden muss. 

 

Auch aus der Regelung in § 325 SGB V idF PpSG kann nichts Gegenteiliges hergeleitet werden. § 325 SGB V idF PpSG betrifft eine völlig andere Fallgestaltung, er ordnet nämlich eine Ausschlussfrist an, für Erstattungsansprüche der Krankenkassen, die vor dem 01.01.2017 entstanden sind und nicht bis zum 09.11.2018 gerichtlich geltend gemacht wurden. Dies ist eine Übergangsregelung für die Erstattungsansprüche aus dem Jahr 2016. Diese könnten nämlich aufgrund der verkürzten zweijährigen Verjährungsfrist von Seiten der Krankenkassen noch bis zum 31.12.2018 geltend gemacht werden. Mit der Ausschlussfrist wollte der Gesetzgeber dies gesetzlich verhindern. Die Regelung zielt auf die Entlastung der Sozialgerichte und der Durchsetzung des Rechtsfriedens ab. Wörtlich heißt es dort:  

 

Verhindert werden soll, dass die Krankenkassen zum Ende des Jahres 2018 zahlreiche gerichtliche Verfahren einleiten, um die Verjährung vermeintlicher Rückzahlungsansprüche aus vormals abgeschlossenen Abrechnungsvorgängen zu hemmen. Vor diesem Hintergrund wird die Durchsetzung entsprechender Rückzahlungsansprüche der Krankenkassen, die eine solche Vorgehensweise bereits angekündigt haben, ausgeschlossen.“ (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss), BT-Drucks. 19/5593 vom 07.11.2018) 

 

Insoweit liegt das LSG NRW falsch, dass der Gesetzgeber den Krankenkassen noch ermöglichen wollte, Erstattungsansprüche aus 2015 und 2016 gerichtlich geltend zu machen. Das Gegenteil ist aus der Gesetzesbegründung zu entnehmen.

 

  letzte Änderung: 10.12.2019 09:12:26
 
Newsletter Aufwandpauschale bei unvollständiger oder fehlerhafter Datenübermittlung nach § 301 SGB V
 

 

Ein Krankenhaus hat auch dann einen Anspruch auf eine Aufwandspauschale, wenn erst im Rahmen des MDK-Prüfverfahrens aufgrund weiterer nachgereichter Belege oder Argumente des Krankenhauses die Abrechnung des strittigen Behandlungsfalls nachvollzogen werden kann.  

 

Sozialgericht Wiesbaden, Gerichtsbescheid vom 24.06.2019, S 18 KR 526/15 

 

- Aufwandspauschale § 275 Abs. 1c S.3 SGB V, unvollständige oder fehlerhafte Datenübermittlung nach § 301 SGB V, Nachreichen von Unterlagen im MDK-Prüf- bzw. Widerspruchsverfahren -

 

  

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 

mit vorliegender Entscheidung hat sich das Sozialgericht Wiesbaden mit der Frage befasst, ob der Anspruch eines Krankenhauses gegen die Krankenkasse auf Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c S. 2 SGB V auch dann entsteht, wenn erst im Rahmen des MDK-Widerspruchsverfahrens Angaben und Unterlagen nachgereicht werden, die die Rechtmäßigkeit der Abrechnung belegen.

 

 

Sachverhalt

 

 

Das klagende Krankenhaus behandelte eine bei der beklagten Krankenkasse gesetzlich versicherte Patientin vollstationär vom 05.08. bis 07.08.2013.

 

 

Nach erfolgter Rechnungsstellung beauftragte die Beklagte den MDK mit einer Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Gegenstand der Prüfung war die medizinische Notwendigkeit der stationären Behandlung sowie die medizinische Begründetheit der Überschreitung der unteren Grenzverweildauer.

 

 

Als Grund für die Prüfung gab die Beklagte im gerichtlichen Verfahren an, die Datenlage nach § 301 SGB V sei im Zusammenhang mit der Verweildauer bzw. Frage, ob stationäre Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit vorgelegen habe, als unvollständig oder fehlerhaft angezweifelt worden, da keine Plausibilität erkennbar gewesen sei.

 

 

Der MDK kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass der stationäre Aufenthalt der Patientin grundsätzlich medizinisch begründet gewesen sei. Allerdings hätte die Diagnostik gestrafft werden können weshalb die Überschreitung der unteren Grenzverweildauer nicht medizinisch begründet sei. Gegen dieses Ergebnis legte das Krankenhaus Widerspruch ein. Im Rahmen des Widerspruches legte das Krankenhaus dar, dass die Aufnahme der Patientin notfallmäßig wegen unklarer Bewusstlosigkeit erfolgt sei. Aufgrund dieser neuen Erkenntnisse änderte der MDK sei Prüfergebnis und kam zu dem Schluss, dass die Rechnung des Krankenhauses nunmehr nachvollzogen werden könne und nicht zu beanstanden sei.

 

 

Das Krankenhaus stellte der Krankenkasse daraufhin eine Aufwandspauschale gemäß § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V in Höhe von 300,00 € in Rechnung. Die Krankenkasse verweigerte die Zahlung, weshalb die Klägerin ihre Forderung auf dem Klageweg geltend gemacht hat. Im Rahmen des Klageverfahrens beruft sich die Krankenkasse darauf, dass das Krankenhaus im Rahmen der Datenübermittlung nach § 301 SGB V als Aufnahmegrund „0101 – Krankenhausbehandlung, vollstationär – Normalfall“ angegeben habe. Hätte das Krankenhaus im Rahmen der Datenübermittlung korrekte Angaben zur Aufnahme der Patientin gemacht, wäre die Rechnung plausibel gewesen und eine Begutachtung durch den MDK unterblieben.

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

Das Sozialgericht Wiesbaden hat der Zahlungsklage des Krankenhauses in vollem Umfang stattgegeben. Voraussetzungen für die Entstehung eines Anspruchs auf Zahlung einer Aufwandspauschale seien eine Prüfung der Krankenkasse im Sinne des § 275 SGB V sowie das Entstehen eines zusätzlichen Aufwands auf Seiten des Krankenhauses. Weitere Voraussetzung sei, dass die Prüfung der Abrechnung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt habe. Vorliegend seien alle Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt und der Anspruch auf eine Aufwandspauschale entstanden.

 

 

Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung der Aufwandspauschale scheide auch nicht deshalb aus, weil die Beklagte durch unzutreffende oder unvollständige Angaben der Klägerin im Rahmen des Verfahrens nach § 301 SGB V veranlasst worden wäre, eine Prüfung der Abrechnung durch den MDK einzuleiten. Der Wortlaut des § 275 SGB  V sei eindeutig und enthalte über die oben aufgeführten positiven Tatbestandvoraussetzungen keine Ausschlusstatbestände, die bei fehlerhaften oder fehlenden Angaben des Krankenhauses die Gewährung einer Aufwandspauschale versagen würden. Eine über den Wortlaut der Norm hinausgehende Auslegung zugunsten der Krankenkassen sei rechtlich unter keinem Gesichtspunkt geboten.

 

 

Anmerkungen

 

 

Positiv hervorzuheben, ist die vom Sozialgericht getroffene Klarstellung, dass die Voraussetzungen zur Entstehung des Anspruches auf eine Aufwandspauschale gemäß § 275 Abs. 1c S. 1 SGB V abschließend sind und auch im Widerspruchsverfahren neuer Sachvortrag sowie weitere Belege zur vom Krankenhaus nachgereicht werden können. Das Fehlen von Belegen oder Angaben zur ordnungsgemäßen Rechnungsstellung ist, sofern ein Prüfverfahren eingeleitet wurde, für den Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale ohne Belang.

 

 

Künftig ist jedoch zu beachten, dass das MDK-Reformgesetz eine Präklusionsvorschrift enthält, die voraussetzt, dass jeder Einwand und jeder Sachvortrag vorab erörtert wird.

 

 

Der Gerichtsbescheid ist bestandskräftig. 

Der Gerichtsbescheid ist hier wiedergegeben.

  Datum: 10.12.2019 09:00:10
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Newsletter Vergütungsanspruch eines Krankenhauses für die Wartezeit zwischen erfolgter Krankenhausbehandlung und Verfügbarkeit einer Anschluss-Reha
 

 

Ein Krankenhaus hat Anspruch auf Vergütung der für den Überbrückungszeitraum zwischen abgeschlossener Krankenhausbehandlung und Verfügbarkeit einer geplanten Anschluss-Reha anfallenden Krankenhausbehandlungskosten.

 

BSG, Urteil vom 19.11.2019, B 1 KR 13/19 R

 

- Vergütung Krankenhausbehandlung, Verfügbarkeit Anschluss-Reha, Wartezeit, Überbrückungszeit -

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren, 

 

im vorliegenden Fall musste das BSG entscheiden, ob ein Krankenhaus einen Anspruch auf Vergütung der angefallenen stationären Behandlungskosten eines Patienten für den Überbrückungszeitraum zwischen abgeschlossener Krankenhausbehandlung und Verfügbarkeit einer geplanten Anschluss-Reha hat. Das BSG bejahte dies. 

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelte einen bei der beklagten Krankenkasse versicherten Patienten wegen einer chronischen Lungenerkrankung ab dem 07.12.2009 stationär. Das Krankenhaus beantragte am 30.12.2009 eine stationäre Anschlussheilbehandlung als Leistung zur medizinischen Rehabilitation in einer Lungenfachklinik. Diesen Antrag bewilligte die beklagte Krankenkasse und teilte dem Krankenhaus mit, dass der Patient ab dem 27.01.2010 in der entsprechenden Lungenfachklinik aufgenommen werden könne. Die eigentliche Krankenhausbehandlung war bereits am 17.01.2010 abgeschlossen. Der Patient musste allerdings beatmet werden und konnte daher weder nach Hause entlassen noch einer Kurzpflege- oder einer nicht auf Lungenkrankheiten spezialisierten Reha-Einrichtung anvertraut werden.

 

Nach erfolgter Verlegung des Patienten am 27.01.2010 stellte das Krankenhaus der Krankenkasse für die stationäre Behandlung des Patienten vom 07.12.2009 bis zum 26.01.2010 die entsprechende Fallpauschale, weitere Vergütungsbestandteile nebst einem tagesbezogenen Entgelt für zehn Tage vom 17.01.2010 bis zum 26.01.2010 wegen Überschreitung der oberen Grenzverweildauer in Rechnung.

 

Die Krankenkasse zahlte zunächst, verrechnete jedoch später einen Teilbetrag mit einer anderen unstreitigen Rechnung. Sie vertritt die Auffassung, dass die stationäre Krankenhausbehandlung jedenfalls ab dem 17.01.2020 medizinisch nicht mehr notwendig gewesen sei, weshalb das Krankenhaus die in der Wartezeit angefallenen Kosten selbst zu tragen habe.

 

Das SG gab der Klage des Krankenhauses statt, das LSG wies die Berufung der Krankenkasse zurück.

 

Entscheidungsgründe

 

Zurzeit liegt nur der Terminsbericht des BSG vor. Das BSG sprach dem klagenden Krankenhaus einen Vergütungsanspruch für die vollstationäre Behandlung des Patienten vom 17. bis 26.01.2010 als Notfall-Rehabilitations-Behandlung zu. Das BSG stellt klar, dass die Krankenkasse für den Überbrückungszeitraum bis zur Verfügbarkeit eines entsprechenden Reha-Platzes aufkommen muss. Werde ein in der GKV versicherter Patient als Notfall in ein nicht zugelassenes Krankenhaus aufgenommen, so werde dieses für die Dauer der Notfallbehandlung in das öffentlich-rechtliche Naturalleistungssystem der GKV einbezogen und erbringe seine Leistungen nach denselben Grundsätzen, die für zugelassene Krankenhäuser gelten. Diese Rechtsgrundsätze müssten entsprechend auch in Notfällen wie vorliegendem gelten, in denen Versicherte Anspruch auf stationäre medizinische Reha hätten, aber nicht zeitgerecht erhalten. Das Krankenhaus habe vorliegend  als nicht zugelassener Reha-Leistungserbringer im Notfall gehandelt, da kein zugelassener Leistungserbringer für die unmittelbar im Anschluss an die Krankenhausbehandlung erforderliche Leistung verfügbar war. Der Vergütungsanspruch des Krankenhauses richte sich nach den Sätzen für Krankenhausvergütung gegen die Krankenkasse als Reha-Trägerin. Es könne dem Krankenhaus nämlich nicht zugemutet werden, anstelle seiner durch den Versorgungsauftrag bestimmten Leistungsstruktur im Notfall hiervon abweichende spezifische stationäre medizinische Reha-Leistungen anzubieten. 

 

Anmerkungen:

 

Mit dieser Entscheidung hat das Bundessozialgericht eine sinnvolle Fortentwicklung des Rechts vorgenommen. Bei dem zu entscheidenden Sachverhalt handelt es sich um eine in der Praxis häufig auftretende Fallkonstellation, die nunmehr geklärt ist. Für die Zukunft bleibt abzuwarten, ob das Urteil auch auf andere Bereiche übertragbar ist, in denen es um die Problematik der Kostentragung für nicht zeitgerecht verfügbare Weiterbehandlungsmöglichkeiten außerhalb der regulären Krankenhausbehandlung geht. 

 

Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werde ich Sie weiter informieren.

  Datum: 04.12.2019 10:59:58
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Umzug der Kanzlei für MedizinRecht
 

Umzug der Kanzlei für MedizinRecht

Rechtsanwalt Friedrich W. Mohr

Fachanwalt für Medizinrecht

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

hiermit darf ich Ihnen mitteilen, dass wir zum 01.12.2019 in andere Büroräumlichkeiten umziehen werden.

 

Die neue Adresse lautet:

 

Kanzlei für MedizinRecht

Rechtsanwalt Friedrich W. Mohr

Diether-von-Isenburg-Straße 9-11, 5. OG

55116  Mainz____________________________

 

Am Kurfürstlichen Schloss   

_______________________________________ 

Tel.   06131 / 6179890

Fax. 06131 / 6179899

 


 

Die E-Mail Adressen lauten wie bisher:

ra1@medizinrecht-ra-mohr.de

ra2@medizinrecht-ra-mohr.de

sekretariat@medizinrecht-ra-mohr.de

 

 

Wegen des Umzugs bitte ich zu beachten, dass wir telefonisch am 28.11. und 29.11.2019 nicht erreichbar sind. In dringenden Fällen können Sie sich jedoch an mich unter der Ihnen bekannten Mobilnummer wenden.

 

Vielen Dank.

  Datum: 21.11.2019 16:35:38
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Bürokratiemonster Voraberörterung und Präklusion
 

 

MDK-Reformgesetz

Voraberörterung und Präklusion

Handlungsempfehlung

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das MDK-Reformgesetz, das zum 01.01.2020 in Kraft tritt, wirft seine Schatten voraus.

 

Sachverhalt

 

Das MDK-Reformgesetz sieht einerseits zwingend eine einzelfallbezogene Erörterung mit den Krankenkassen vor Klageerhebung vor, andererseits auch einen Ausschluss von Einwänden und Tatsachenvorträgen, wenn sie nicht im Rahmen der einzelfallbezogenen Erörterung geltend gemacht worden sind.

 

Auch wenn die Selbstverwaltung auf Bundesebene den Auftrag hat, bis zum 30.06.2020 das Verfahren und die weiteren Einzelheiten zu regeln, gelten diese Vorschriften bereits für alle Klageverfahren, die gerichtlich ab 01.01.2020 anhängig gemacht werden. Der Auftrag an die Selbstverwaltung auf Bundesebene betrifft insoweit nur die Verfahrensregelungen und nicht das Erfordernis der einzelfallbezogenen Erörterung selbst. Unabhängig davon zeichnet sich ab 01.01.2020 ein Bürokratiemonster ab, bevor Sozialgerichtsklagen anhängig gemacht werden können.

 

Handlungsempfehlung

 

Ausgehend von diesem Sachverhalt kann nur der Rat gegeben werden, alle anstehenden Klagefälle bereits noch im Jahre 2019 anhängig zu machen, da das MDK-Reformgesetz erst ab 01.01.2020 gilt. Anderenfalls ist zu befürchten, dass bei einer Vielzahl von berechtigten Forderungen sich das Gericht darauf bezieht, es wären nicht alle Einwände bzw. der entsprechende Tatsachenvortrag erörtert worden.  In diese Falle sollten sich die Krankenhäuser nicht begeben.

 

Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung, insbesondere zu einem möglichst unbürokratischen Klageverfahren, da die verbleibende Zeit bis zum Ende des Jahres äußerst knapp ist. Entsprechende Erfahrungen haben wir bereits aufgrund der Klagewelle im letzten Jahr sammeln können.

 

  Datum: 20.11.2019 16:29:27
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flash-news
 

 

 

 

 

 

 

 

Mandantenrundschreiben

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                                               

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

RA Mohr – flash-news

 

Bundestag beschließt MDK-Reformgesetz

 

Die 12 wichtigsten Neuregelungen zur Abrechnung

 

 

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 

 

der Bundestag hat am 07.11.2019 den Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein MDK-Reformgesetz in der vom Gesundheitsausschuss geänderten Fassung vom 06.11.2019 (BT-Drucks 19/14871) beschlossen.

 

 

 

Nachstehend werden die wichtigsten Neuregelungen für die Abrechnung und Abrechnungsprüfung aufgelistet.

 

 

 

1. Aufrechnungsverbot für die Krankenkassen

 

   

 

Gegen Forderungen von Krankenhäusern für ab 01.01.2020 aufgenommene Patientinnen und Patienten kann nicht mehr aufgerechnet werden. Ausnahmen bestehen, wenn die Forderung der Krankenkassen vom Krankenhaus nicht bestritten wurde oder rechtskräftig festgestellt wurde. Die Vertragsparteien auf Bundesebene können hierzu abweichende Regelungen treffen.

 

 

 

2. Ambulante Leistungen nach § 115b SGB V

 

 

 

Katalogleistungen, die vom Krankenhaus ambulant erbracht wurden, unterliegen nicht dem Prüfungsregime nach § 275c SGB V.

 

 

 

 

 

 3. Prüfungseinleitung nach § 275c SGB V (neu)

 

 

 

Die Frist zur Prüfungseinleitung beträgt nunmehr vier Monate nach Eingang bei der Krankenkasse und ist vom MD anzuzeigen, der für das zu prüfende Krankenhaus zuständig ist.

 

 

 

4. Prüfquote für das Jahr 2020

 

 

 

Die Prüfquote beträgt 12,5 % der im jeweiligen Quartal eingegangenen Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlung je Krankenkasse. Maßgeblich ist das Datum der Schlussrechnung.

 

 

 

5. Prüfquote ab dem Jahr 2021

 

 

 

Ab dem Jahr 2021 wird eine quartalsbezogene Prüfquote für Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlungen eingeführt. Die Höhe der Prüfquote richtet sich nach dem Anteil unbeanstandeter Rechnungen im maßgeblichen Quartal.

 

 

 

Sie betragen bei einem Anteil unbeanstandeter Abrechnungen in Höhe von 60 % oder höher 5 %: bei einem Anteil unbeanstandeter Abrechnungen zwischen 40 % und unterhalb von 60 %: 10% bei einem Anteil unbeanstandeter Abrechnungen unterhalb von 40 %: 15 %.

 

 

 

Die Prüfquote gilt nicht, wenn der Anteil unbeanstandeter Abrechnungen unterhalb von 20 % oder ein begründeter Verdacht einer systematisch überhöhten Abrechnung besteht.

 

 

 

6. Strafzahlungen bei Rechnungsminderung im Jahr 2020

 

 

 

Das Krankenhaus hat neben der Rückzahlung des vom MD festgestellten Differenzbetrages einen Aufschlag zu zahlen (Strafzahlung). Dieser beträgt 10 % des festgestellten Differenzbetrages mindestens jedoch 300,00 €. Die Zahlung ist an die jeweilige Krankenkasse zu leisten. Ein Höchstbetrag besteht nicht.

 

 

 

7. Strafzahlungen bei Rechnungsminderung im Jahr 2021

 

 

 

Ab dem Jahr 2021 richtet sich der Aufschlag (Strafzahlung) nach dem Anteil unbeanstandeter Abrechnungen. Dieser Aufschlag ist neben der Rückzahlung des vom MD festgestellten Differenzbetrages zu zahlen.

 

 

 

Beträgt der Anteil unbeanstandeter Rechnungen 60 % oder höher, ist kein Aufschlag zu zahlen. Beträgt der Anteil unbeanstandeter Rechnungen weniger als 60 % bis zu 40 % ist ein Aufschlag in Höhe von 25 % der festgestellten Differenz zu zahlen. Beträgt der Anteil unbeanstandeter Rechnungen weniger als 40 % bzw. besteht der Verdacht einer systematisch überhöhten Abrechnung ist ein Aufschlag in Höhe von 50 % der festgestellten Differenz zu zahlen.

 

 

Der Gesetzgeber hat einen Mindestbetrag für den Aufschlag in Höhe von 300,00 € und einen Höchstsatz von 10 % des auf Grund der Prüfung durch den MD geminderten Abrechnungsbetrag festgelegt. Der Mindestbetrag in Höhe von 300,00 € darf nicht unterschritten werden.

 

 

 

 8. Strukturprüfungen nach § 275d SGB V (neu)

 

 

 

Gesetzlich verankert wird nunmehr, dass die Einhaltung von Strukturmerkmalen in OPS-Codes vor der Abrechnung vom MD zu prüfen ist. Der MD stellt den Krankenhäusern nach der Begutachtung eine Bescheinigung aus, wenn er zu einer positiven Beurteilung kommt. Verneint er die Einhaltung der Strukturmerkmale erteilt er den Krankenhäusern einen Bescheid und stellt das Gutachten zur Verfügung. Die näheren Einzelheiten des Prüfungsverfahrens regelt der MD-Bund. Krankenhäuser, die die strukturellen Voraussetzungen nicht erfüllen, dürfen diese Leistungen ab dem Jahr 2021 nicht vereinbaren und nicht abrechnen.

 

 

 

Die vom MD erteilte Bescheinigung ist den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen anlässlich der Budgetvereinbarungen elektronisch zu übermitteln, erstmals zum 31.12.2020.

 

 

 

Es besteht eine Übergangsregelung. Können Krankenhäuser aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen die Bescheinigung erst nach dem 31.12.2020 vorlegen, dürfen bis zum Abschluss der Strukturprüfung bislang erbrachte Leistungen weiterhin vereinbart und abrechnet werden.

 

 

 

9. Voraberörterung vor Klageerhebung

 

 

 

Vor Erhebung einer Klage ist zwingend eine Einzelfallerörterung zwischen Krankenkasse und Krankenhaus durchzuführen. Dies ist Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klage. Die Selbstverwaltung auf Bundesebene hat insoweit die Aufgabe, das Verfahren der einzelfallbezogenen Erörterung festzulegen. Diese Regelung ist bis zum 30.06.2020 zu treffen. Sie umfasst die Regelung von Fristen für die Erörterung, die Folgen von nicht fristgerechten Einwendungen oder eines nicht fristgerechten Tatsachenvortrags und die Dokumentation des Ergebnisses der Erörterung.

 

 

 

 10. Präklusion von Einwendungen/von Tatsachenvorträgen im Gerichtsverfahren

 

 

 

Die Krankenkassen und die Krankenhäuser sind von Einwendungen oder einem Tatsachenvortrag im Gerichtsverfahren ausgeschlossen, soweit sie nicht vorab erörtert worden sind oder Fristen versäumt wurden, die auf Bundesebene hierzu festgelegt wurden, wenn sie auf von der Krankenkasse oder vom Krankenhaus zu vertretenden Gründen beruhen.

 

 

 

11. Eine Krankenhausabrechnung, eine MD-Prüfung

 

 

 

Eine Korrektur einer gestellten Rechnung ist nicht mehr zulässig, es sei denn, dass die Korrektur zur Umsetzung einer MD-Prüfung oder eines rechtskräftigen Urteils erforderlich ist.

 

 

 

Nach Abschluss einer Einzelfallprüfung ist keine weitere Prüfung durch die Krankenkasse oder den MD vorgesehen.

 

Der Schlichtungsausschuss entscheidet innerhalb von acht Wochen nach Anrufung. Seine Entscheidungen sind zu veröffentlichen und gelten als Kodierregeln.

 

 Inhouseschulungen

 

 Sollten Sie den Wunsch haben, hierzu eine Inhouseschulung durchzuführen, stehe ich gerne zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich per E-Mail an folgende Adresse: ra1@medizinrecht-ra-mohr.de

 

 Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

-Friedrich W. Mohr-

 

Rechtsanwalt

 

Fachanwalt für Medizinrecht

 

 

 

  Datum: 11.11.2019 08:30:53
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Der Begriff akutes Nierenversagen steht sowohl für eine akute Nierenschädigung als auch für eine akute Störung der Nierenfunktion, unabhängig davon, ob die Nierenfunktion geringfügig, stärker ausgeprägt oder vollständig reduziert ist. Bei der Kodierung e
 

 

NEUES AUS DER RECHTSPRECHUNG

 

 

 

Der Begriff akutes Nierenversagen steht sowohl für eine akute Nierenschädigung als auch für eine akute Störung der Nierenfunktion, unabhängig davon, ob die Nierenfunktion geringfügig, stärker ausgeprägt oder vollständig reduziert ist. Bei der Kodierung einer Nebendiagnose ist auf die zum Zeitpunkt der Behandlung geltenden Difinition des ICD abzustellen.

 

SG Nürnberg, Urteil vom 25.07.2019, Az: S 7 KR 35/17

 

- akutes Nierenversagen, akute Störung der Nierenfunktion, Nebendiagnose N 17.91, Bestimmung Ausgangswert Serum-Kreatinin-Wert, wortgetreue Auslegung.

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 

 

das SG Nürnberg befasste sich mit der Frage der Definition des akuten Nierenversagens (Nebendiagnose N 17.91) und mit der Frage, welche Definition des ICD zugrunde zu legen ist. Es entschied sich dafür, auf die zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Behandlung geltende Definition des ICD abzustellen. Gleichzeitig erkannte es, dass das akute Nierenversagen sowohl für eine akute Nierenschädigung als auch für eine akute Störung der Nierenfunktion steht. Es hat der Zahlungsklage des Krankenhauses daher stattgegeben.

 

 

 

Sachverhalt

 

 

 

In dem Krankenhaus der Klägerin wurde eine Patientin nach einem Kollaps bei Exsikkose als Notfall aufgenommen und anschließend vom 29.06.2015 bis zum 04.07.2015 stationär behandelt. Am Aufnahmetag wurde bei der Patientin ein Kreatinin-Wert von 1,58 mg/dl festgestellt, der wesentlich über dem Normwert von 0,51 bis 0,95 mg/dl lag. Am 01.07.2015 wurde dann ein Kreatinin-Wert von 1,03 mg/dl festgestellt.

 

 

 

Die Klägerin rechnete für die Krankenhausbehandlung die DRG K62A ab. Der von der beklagten Krankenkasse beauftragte MDK kam zur Auffassung, dass an Stelle der Nebendiagnose N17.91 (akutes Nierenversagen, nicht näher bezeichnet, Stadium 1) die Nebendiagnose N19 (nicht näher bezeichnete Niereninssuffizienz) anzuwenden sei. Die Klägerin blieb bei ihrer Auffassung und reichte Klage ein.

 

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

 

Das SG Nürnberg vertrat die Auffassung, dass die Nebendiagnose N17.91 der Abrechnung zugrunde zu legen sei; dies führe zur Abrechnung der DRG K62A. Die wortlautgetreue Auslegung des Begriffs „akutes Nierenversagen“ müsse sich an den in medizinischen Fachkreisen eingebürgerten Begrifflichkeiten orientieren. Im März 2012 sind die internationalen KDIGO-Leitlinien der International Society of Nephrology zum akuten Nierenversagen veröffentlicht worden. Diese KDIGO-Leitlinien beziehen in die Definition sowohl die akute Nierenschädigung als auch die akute Nierenstörung mit ein. Entsprechend umfasse der deutsche Begriff akutes Nierenversagen sowohl eine akute Nierenschädigung als auch eine akute Störung der Nierenfunktion, unabhängig davon, ob die Nierenfunktion geringfügig, stärker ausgeprägt oder vollständig reduziert ist. Dabei stützt sich das SG Nürnberg auf den Kodierleitfaden Nephrologie-Version 2014 der Deutschen Gesellschaft Nephrologie, Seite 53.

 

Maßgeblich sei die Definiton des ICD zum Zeitpunkt der Behandlung der Patientin. Das Stadium 1 sei dort wie folgt definiert:

 

Stadium 1: Anstieg des Serum-Kreatinins um mindestens 50 % bis unter 100 % gegenüber dem Ausgangswert innerhalb von 7 Tagen oder um mindestens 0,3 mg/dl innerhalb von 48 Stunden oder Abfall der Diurese auf unter 0,5 ml/h über 6 bis unter 12 Stunden (adäquate Flüssigkeitszufuhr vorausgesetzt)“

 

 

 

Bei dem anzunehmenden Ausgangswert stellt das SG auf den Wert bei Entlassung ab, da keine früheren Werte aus der Zeit vor dem Krankenhausaufenthalt vorlagen. Der Rückgriff auf ein theoretisches Mittel wäre ungenauer und bilde die individuelle Situation bei der Patientin nicht ab. Am Aufnahmetag lag der Serum-Kreatinin-Wert bei 1,58 mg/dl, bei Entlassung bei 1,03 mg/dl. Somit habe durch die Störung der Nierenfunktion eine Erhöhung des Serum-Kreatinins um mehr als 50 % innerhalb von 7 Tagen stattgefunden. Es sei daher die Nebendiagnose N.17.91 zu kodieren. Dieser sei der speziellere Code als der vom MDK angesetzte Code N.19 (nicht näher bezeichnete Niereninsuffizienz).

 

 

 

Anmerkungen:

 

 

 

Das SG Nürnberg lässt sich von dem genauen Wortlaut des ICD-Codes N.17.91 leiten, der technische Kriterien für die Annahme des akuten Nierenversagens je nach Stadium vorgibt. Für die Definition des akuten Nierenversagens stellt das SG Nürnberg zu Recht auf die im März 2012 veröffentlichten KDIGO-Leitlinien ab und überträgt sie auf die deutsche Begrifflichkeit. Richtig ist auch der Ansatz, auf den ICD-Code abzustellen, wie er zum Zeitpunkt der Behandlung galt. Insoweit erteilt das SG Nürnberg den Ausführungen des BSG mit Urteil vom 23.06.2015 Az. B 1 KR 13/14 R eine Absage. Das BSG hatte zum Ausdruck gebracht, dass die Nebendiagnose N17.9 nicht kodiert werden könne, wenn die deutlich erhöhten Retentionsparameter im Regelfall eindeutige und unmittelbarer Folge der Exsikkose seien und neben der Volumentherapie keinen weiteren therapeutischen Aufwand bewirkt hätten. Diese Auslegung des BSG entspricht jedoch nicht der zum Zeitpunkt der Behandlung im Jahr 2015 geltenden Definition des ICD.

 

 

 

Mainz, den 31.10.2019

 

 

 

 

 

Friedrich W. Mohr

 

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht

 

  Datum: 04.11.2019 08:57:45
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Die Implantation von Lungenvolumenreduktionsspulen (Coils) genügen nicht dem zu beachtenden Qualitätsgebot. Auch aus grundrechtsorientierter Leistungsauslegung ergibt sich kein Anspruch des Versicherten. Die NUB-Vereinbarung über eine solche Leistung beg
 

 

 

 

 

 

Die Implantation von Lungenvolumenreduktionsspulen (Coils) genügen nicht dem zu beachtenden Qualitätsgebot. Auch aus grundrechtsorientierter Leistungsauslegung ergibt sich kein Anspruch des Versicherten. Die NUB-Vereinbarung über eine solche Leistung begründet keinen Anspruch, sie regelt lediglich den Preis für das Zusatzentgelt.

 

 

 

BSG, Urteil vom 08.10.2019, Az. B1 KR 2/19 R

 

- Implantation von Coils, Qualitätsgebot, NUB-Vereinbarung, Zusatzentgelt -

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 

 

im vorliegenden Fall musste das BSG entscheiden, ob ein Krankenhaus einen Anspruch auf Vergütung von Lungenvolumenreduktionsspulen (Coils) hat. Das BSG verneinte einen Anspruch, da die Implantation von Coils nicht dem zu beachtenden Qualitätsgebot entspricht.

 

 

 

Sachverhalt

 

 

 

Das klagende Krankenhaus implantierte bei einem Patienten endobronchiale Nitinolspiralen (Lungenvolumenreduktionsspulen-Coils). Der Patient litt an einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Die Behandlung erfolgte im Zeitraum vom 09. bis 15.07.2013. Für die Coils hatte die Klägerin mit den Krankenkassen eine NUB-Vereinbarung über das entsprechende Zusatzentgelt abgeschlossen.

 

 

 

Die Krankenkasse zahlte zunächst, verrechnete jedoch später den gezahlten Betrag mit einer anderen unstreitigen Rechnung. Das LSG gab der Zahlungsklage statt, da die angewandte Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative habe.

 

 

 

Auf die Revision der Beklagten Krankenkasse hob das BSG das LSG-Urteil auf.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

 

Zurzeit liegt nur der Terminsbericht des BSG vor. Daraus ist erkennbar, dass das BSG davon ausgeht, dass die Implantation von Coils nicht dem in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V verankerten Qualitätsgebot entspricht. Auch eine grundrechtsorientierte Leistungsauslegung führe zu keinem Anspruch des Versicherten auf Implantation von Coils. Aus einer NUB-Vereinbarung könne kein Anspruch des Versicherten entstehen, da diese nur eine preisrechtliche Komponente beinhalte.

 

 

 

Anmerkungen:

 

 

 

Das BSG stützt sich in seinem Urteil auf das allgemein umschriebene Qualitätsgebot in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Aus dem vorliegenden Terminsbericht lässt sich nicht erkennen, aus welchen Gründen der Senat die Implantation von Coils als nicht mit dem Qualitätsgebot für vereinbar hält. Zweifel an der Entscheidung treten bereits deshalb auf, weil § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V auch verlangt, den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Das BSG bleibt im Übrigen seiner Auffassung treu, wonach aus NUB-Vereinbarungen kein Anspruch auf Erbringung der Leistung hergeleitet werden kann. (siehe hierzu BSG-Urteil vom 19.12.2017, Az. B1 KR 17/17 R).

 

 

 

Es bleibt abzuwarten, wie die schriftlichen Urteilsgründe, die noch nicht vorliegen, ausfallen.

 

 

 

 

 

 

  Datum: 31.10.2019 16:56:05
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Newsletter Vorabprüfung der Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit
 

 

Krankenhäuser sind bei planbaren Krankenhausbehandlungen nicht gehindert, die Versicherten zu einer Vorabprüfung der Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit durch die Krankenkasse zu veranlassen. Eine Verpflichtung der Krankenhäuser, eine vorherige Kostenübernahmeerklärung einzuholen, besteht jedoch nicht.

 

SG Dresden, Urteil vom 26.06.2019, Az.: S 25 KR 1284/19 (nicht rechtskräftig)

 

 - Vorabprüfung, Kostenübernahmeerklärung, Krankenhausbehandlungsnotwendigkeit, planbare Krankenhausleistungen, Multimodale Schmerztherapie -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

in bestimmten Fallkonstellationen gehen die Krankenhäuser ein hohes wirtschaftliches Risiko ein, wenn im Vorfeld nicht bereits feststeht, dass die Krankenkasse auch die notwendigen Krankenhausbehandlungskosten übernimmt. Dies betrifft im Regelfall planbare Krankenhausbehandlungen. Vorliegend hat das Krankenhaus den Weg gewählt, die Versicherten anzuhalten, eine Vorabprüfung vor Aufnahme durch die Krankenkasse durchzuführen. Das SG Dresden hat im vorliegenden Fall bezogen auf einen bestimmten Leistungsbereich dem Feststellungsbegehren des Krankenhauses Rechnung getragen.

 

Sachverhalt

 

Nachdem eine Krankenkasse in einer Vielzahl von Fällen, die stationäre Schmerzbehandlungen betreffen, die Begleichung der Rechnung verweigert hatte, ging das Krankenhaus dazu über, von den Versicherten eine formularmäßige Kostenübernahmeerklärung der Krankenkasse vor Durchführung der Krankenhausbehandlung zu verlangen. Dies betraf insbesondere die Multimodale Schmerztherapie (OPS 8-918) sowie nichtoperative Interventionen bei Erkrankungen und Verletzungen im Wirbelsäulenbereich (OPS 8-910), die planbare Behandlungen darstellen.

 

Die beklagte Krankenkasse weigerte sich in zahlreichen Fällen, die gewünschte formularmäßige Kostenübernahmeerklärung abzugeben. Gegenüber den Versicherten äußerte sich die Krankenkrasse diesbezüglich, dass eine Vorabprüfung durch die Krankenkasse bzw. den MDK nicht vorgesehen sei und durch das Krankenhaus auch nicht eingefordert werden könne. Das Risiko einer Fehleinschätzung könne das Krankenhaus nicht an Versicherte oder die Krankenkasse delegieren. Gegenüber der Klägerin forderte die Krankenkasse zur Unterlassung auf.

 

Daraufhin erhob das Krankenhaus Klage gegen die Krankenkasse mit dem Antrag festzustellen, dass es berechtigt sei, von den Versicherten der Beklagten vor der Aufnahme zur geplanten stationären Schmerzbehandlung eine Erklärung der Krankenkasse über die Anerkennung der stationären Behandlungsbedürftigkeit zu verlangen.

 

Das Sozialgericht Dresden gab der Feststellungsklage statt.

 

Entscheidungsgründe

 

In der umfangreichen Begründung des SG Dresden wird als Kernsatz herausgestellt, dass § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V vom Grundsatz der vorherigen Bewilligung von Leistungen durch die Krankenkasse geprägt ist. Dies gelte auch für die Krankenhausbehandlung. Auf der anderen Seite setzt die Krankenhausbehandlung nicht zwingend eine Bewilligung der Krankenkasse voraus. Bei bestimmten Fallkonstellationen – wie hier – könne jedoch eine Vorabbewilligung der Krankenhausleistung in Betracht gezogen werden. Rechte der beklagten Krankenkasse stünden dem nicht entgegen. Die Vorabentscheidung der Krankenkasse über den Leistungsanspruch komme nur bei zeitlich planbaren Krankenhausbehandlungen in Betracht.

 

Für diese Rechtsauffassung spreche auch, dass die Entscheidungsgewalt darüber, ob stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich sei, ausschließlich bei der Krankenkasse liege. Die Prüfungspflicht des aufnehmenden Krankenhauses nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V stehe einer Vorabprüfung nicht im Wege. Stelle der aufnehmende Krankenhausarzt zwar stationäre Behandlungsbedürftigkeit fest, erwarte er aber, dass möglicherweise die Krankenkasse oder der MDK zu einem gegenteiligen Ergebnis komme, so müsse es dem Krankenhaus möglich sein, eine Vorabprüfung durch die Krankenkasse zu bewirken.

 

Anmerkungen

 

Das Urteil des SG Dresden betrifft eine besondere Fallkonstellation. Die Multimodale Schmerztherapie kann nur bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen stationär erbracht werden. Hierzu gibt es inzwischen Konsenspapiere der Schmerztherapeutischen Fachgesellschaften, die Voraussetzungen für die stationäre Krankenhausbehandlung formuliert haben. Die Beurteilung, ob eine stationäre Schmerztherapie angezeigt ist, ist daher nicht einfach zu treffen und es ist auch nicht auszuschließen, dass die Krankenkasse zu einer anderen Auffassung kommt und eine ambulante Behandlung für ausreichend erachtet. Insoweit bestehen bei der Indikationsstellung besondere Schwierigkeiten und die Krankenhäuser gehen ohne Vorabprüfung durch die Krankenkasse ein erhebliches finanzielles Risiko ein. Die Vorgehensweise, die das SG Dresden für rechtmäßig erachtet hat, bietet sich daher für planbare Krankenhausbehandlungen an.

 

Allerdings führt das SG Dresden am Ende der Urteilsbegründung auch an, dass die Krankenkasse nicht gehindert sei, im Nachhinein die Zahlung einer Vergütung einer stationären Behandlung zu verweigern, wenn im Rahmen der Abrechnungsprüfung Umstände zu Tage treten, welche bei Abgabe der Kostenübernahmeerklärung nicht berücksichtigt werden konnten, die aber für die Ärzte des Krankenhauses erkennbar gewesen seien und einer stationären Aufgabe entgegengestanden hätten. Es ist daher bei dem Verlangen der Vorabprüfung durch die Krankenkasse darauf zu achten, dass der vollständige Erkenntnisstand zur Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung offenbart wird.

  Datum: 18.10.2019 09:22:25
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Newsletter Veranstaltungshinweis
 

 

Veranstaltung Kaysers Consilium GmbH am 05.11.2019

 

G-DRG-Update 2020 und MDK-Reformgesetz (Aktueller Stand)

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

ich möchte Sie auf eine aktuelle Veranstaltung von Kaysers Consilium am 05.11.2019 aufmerksam machen.

 

Herr Dr. med. H.-G. Kaysers wird Sie auf den aktuellen Stand des G-DRG Systems 2020 (insbesondere zur Ausgliederung der Pflege) bringen.

 

Ich selbst werde über das MDK-Reformgesetz mit gravierenden Auswirkungen ab dem 01.01.2020 referieren. Hierzu werden Handlungsempfehlungen für die Teilnehmer an der Veranstaltung gegeben.

 

Bitte melden Sie sich direkt bei Kaysers Consilium an. Die Teilnehmeranzahl ist begrenzt und richtet sich nach dem Eingang der Anmeldung (die früheren Termine sind bereits ausgebucht). Den Flyer sowie das Anmeldeformular finden Sie hier.

 

 

 

  letzte Änderung: 04.11.2019 15:21:20
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Eine Fallzusammenführung ist unzulässig, wenn die DRG-Fallpauschale bei Versorgung in einer Hauptabteilung in Spalte 13 des Fallpauschalenkatalogs ausdrücklich als Ausnahme gekennzeichnet wurde. Ist dies der Fall, besteht kein Raum zur Anwendung des Wirt
 

 

Eine Fallzusammenführung ist unzulässig, wenn die DRG-Fallpauschale bei Versorgung in einer Hauptabteilung in Spalte 13 des Fallpauschalenkatalogs ausdrücklich als Ausnahme gekennzeichnet wurde. Ist dies der Fall, besteht kein Raum zur Anwendung des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 Abs. 1 SGB V im konkreten Einzelfall.

 

 

 

Sächsisches LSG, Urteil vom 13.02.2019, Az: L1 KR 315/14 – rechtskräftig -

 

- Fallsplitting, Fallzusammenführung, Fallpauschalenvereinbarung, Wirtschaftlichkeitsgebot –

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 

 

Krankenkassen berufen sich häufig auf das Wirtschaftlichkeitsgebot in § 12 Abs. 1 SGB V und verlangen eine Fallzusammenführung, auch wenn die konkreten Regelungen der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) nicht erfüllt sind oder sogar Ausnahmen hiervon vorsehen. Dem hat das Sächsische LSG mit überzeugender Begründung widersprochen und die beklagte Krankenkasse zur Bezahlung der Rechnungen verurteilt.

 

 

 

Sachverhalt

 

 

 

Das klagende Krankenhaus hatte eine Patientin im Zeitraum vom 26.04. bis 30.04.2010 (erster Krankenhausaufenthalt) und anschließend vom 07.05. bis 27.05.2010 (zweiter Krankenhausaufenthalt) behandelt. Der 1. Krankenhausaufenthalt erfolgte zur Diagnostik einer in einem CT-Befund aufgefallenen Raumforderung im Bereich des linken Lungenoberlappens. Neben EKG- und Laborbefunden wurden eine PET-CT Untersuchung, eine Untersuchung der Lungenfunktion und eine Bronchoskopie durchgeführt. Bei der Patientin wurde ein Lungenkarzinom festgestellt und die Indikation zur Operation gestellt. Es wurde daher die stationäre Wiederaufnahme zur Oberlappenresektion für den 07.05.2010 geplant.

 

 

 

Planmäßig wurde die Patientin am 07.05.2010 wieder aufgenommen. Die Lungenoberlappenresektion wurde durchgeführt und die Patientin nach weiteren Behandlungsmaßnahmen am 27.05.2010 entlassen.

 

 

 

Für den 1. Krankenhausaufenthalt stellte das Krankenhaus die DRG E 71B in Höhe von 1.803,36 € und für den 2. Krankenhausaufenthalt die DRG E01B in Höhe von 10.857, 46 € in Rechnung.

 

 

 

Die Krankenkasse beauftragte den SMD mit der Prüfung. Dieser kam zur Auffassung, dass beide Krankenhausaufenthalte in eine Fallpauschale zusammenzuführen seien. Die Krankenkasse berief sich auf das Wirtschaftlichkeitsgebot und rechnete den klageweise geltend gemachten Betrag mit unstreitigen Rechnungen auf.

 

 

 

Das Krankenhaus berief sich darauf, dass die DRG E71B laut Fallpauschalenkatalog von einer Fallzusammenführung ausgeschlossen sei.

 

 

 

Die angerufenen Sozialgerichte gaben dem Krankenhaus Recht.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

 

Das LSG wies die Berufung der Krankenkasse zurück. Es stützt sich dabei vorliegend auf die Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 FPV. § 2 Abs. 2 Satz 1 FPV findet zwar grundsätzlich Anwendung, da eine Wiederaufnahme innerhalb von 30 Kalendertagen ab dem Aufnahmedatum des 1. Krankenhausaufenthaltes erfolgt ist und innerhalb der gleichen MDC eine medizinische Partition (E71B) und eine operative Partition (E01B) vorgelegen habe. Allerdings sei die Fallzusammenführung und Neueinstufung unzulässig, da die DRG E71B in Spalte 13 des Fallpauschalenkatalogs als Ausnahme von der Wiederaufnahme gekennzeichnet sei. Nach der Fußnote 4 erfolgt dann keine Fallzusammenführung.

 

 

 

Diese Ausnahmeregelung von der Fallzusammenführung sei eine pauschalierende Regelung, die unabhängig davon anzuwenden sei, ob die Unterbrechung der Krankenhausaufenthalte im konkreten Fall medizinisch gerechtfertigt sei. Diese Regelung basiere auf § 17b Abs. 1 Satz 2 HS2 KHG. Danach seien die Vertragsparteien auf Bundesebene ermächtigt, in der Fallpauschalenvereinbarung Generalisierungen, Pauschalierungen und Standardisierungen vorzunehmen. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, dürfen dabei generalisierend vernachlässigt werden, auch wenn dies naturgemäß zu Lasten der Einzelfallgerechtigkeit geht. Es ist daher kein weiterer Raum für die Anwendung des Wirtschaftlichkeitsgebots im konkreten Einzelfall, wenn die FPV Ausnahmeregelungen zur Fallzusammenführung normiere.

 

 

 

Anmerkungen:

 

 

 

Das Urteil des Sächsischen LSG ist überzeugend begründet worden. Es geht von der Ermächtigungsnorm für die Vertragsparteien auf Bundesebene nach § 17b Abs. 1 Satz 2 KHG aus. Danach haben die Vertragsparteien auf Bundesebene einen auch von den Gerichten zu beachtenden Spielraum zur Gestaltung des DRG-Systems. Dabei haben sie sich von Gesetzes wegen bei der Ausgestaltung der Abrechnungsbestimmungen u. a. „an wirtschaftlichen Versorgungsstrukturen und Verfahrensweisen“ zu orientieren.

 

 

 

Nach diesen grundsätzlichen Erwägungen ist daher davon auszugehen, dass die Regelungen über eine Fallzusammenführung und deren Ausnahmen dem Wirtschaftlichkeitsgebot auf einer der Abrechnung vorgeschaltenden Ebene bereits Rechnung tragen. Wird damit dem Wirtschaftlichkeitsgebot bereits immanent Rechnung getragen, verbleibt auf der Ebene des Einzelfalls kein Raum zur Prüfung des Wirtschaftlichkeitsgebots.

 

 

 

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Fallsplitting keine Fälle umfasste, bei denen die Fallzusammenführung im DRG-Fallpauschalenkatalog ausdrücklich ausgeschlossen wurde.

 

 

 

Das Urteil des LSG entspricht in seinen herausgestellten Grundsätzen der Regelung in § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG, die durch das PpSG eingeführt wurden. Diese Vorschrift lautet:

 

 

 

„In anderen als den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen ist eine Fallzusammenführung insbesondere aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zulässig“.

 

 

 

In der Gesetzesbegründung wird hierzu zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Klarstellung handelt.

 

 

 

Mainz, den 06.09.2019

 

 

 

 

 

Friedrich W. Mohr

 

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht

 

  Datum: 12.09.2019 09:50:17
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Newsletter § 7 Abs. 5 Prüfverfahrensvereinbarung
 

 

 

Newsletter  § 7 Abs. 5 Prüfverfahrensvereinbarung

 

 

 § 7 Abs. 5 der PrüfvV stellt für den Lauf der Frist ausschließlich ab auf die Einleitung des MDK-Prüfverfahrens. Eine Verkürzung dieser Frist etwa für den Fall, dass die MDK- Prüfung bereits vor Ablauf der Fünfmonatsfrist beendet worden ist, findet sich hingegen in der PrüfvV nicht.

 

 

 Sozialgericht für das Saarland, Gerichtsbescheid vom 17.07.2019, Az.: S 1 KR 360/18

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 zu der umstrittenen Frage, ob die Fünfmonatsfrist gemäß § 7 Abs. 5 PrüfvV verkürzt wird, sofern die MDK-Prüfung bereits vor Ablauf beendet ist, hat das Sozialgericht für das Saarland jetzt Stellung genommen.

 

 

 Sachverhalt

 

Die Beteiligten stritten über die Abrechnung einer stationären Krankenhausbehandlung.

 

 

 

Die beklagte Krankenkasse hatte im Verfahren vorgetragen, dass eine Korrektur/Ergänzung von Datensätzen unter Berücksichtigung von § 7 Abs. 5 der Prüfverfahrensvereinbarung dann nicht mehr möglich sei, wenn die MDK-Prüfung vor Ablauf der dort geregelten Fünfmonatsfrist bereits abgeschlossen ist und verweigerte die Zahlung.

 

 

 Entscheidungsgründe

 

§ 7 Abs. 5 der PrüfvV stellt nach Auffassung des Sozialgerichts für den Lauf der Frist ausschließlich ab auf die Einleitung des MDK-Prüfverfahrens. Eine Verkürzung dieser Frist etwa für den Fall, dass die MDK-Prüfung bereits vor Ablauf der Fünfmonatsfrist beendet worden ist, findet sich hingegen in der PrüfvV nicht.

 

 Erst in der zum 1.1.2017 in Kraft getretenen PrüfvV findet sich nunmehr in § 7 Abs. 5 Satz 3 erstmals eine weitere Einschränkung der nachträglichen Korrektur/Ergänzung von Datensätzen. Diese sei nur dann vom MDK in die Prüfung einzubeziehen, wenn sie innerhalb von 5 Monaten nach Einleitung des Prüfverfahrens erfolge; sollte eine Begutachtung durch den MDK vor Ablauf dieser Frist beendet sein, sei eine Korrektur/Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich. Diese Vereinbarung jedoch gelte gemäß ihres § 13 nur für die Überprüfung der Abrechnung bei Patienten, die ab dem 1.1.2017 stationär aufgenommen worden sind.

 

 

 

Anmerkung:

 

Das Sozialgericht orientiert sich bei seiner Entscheidung zu Recht streng am Wortlaut der Norm und schafft damit Klarheit hinsichtlich dieser bislang streitigen Rechtsfrage. Zu beachten ist, dass die obigen Ausführungen für alle Behandlungen vor dem 01.01.2017 gelten. Danach gilt die vorstehend beschriebene Regelung von § 7 Abs. 5 Satz 3 PrüfvV.

 

 

 

Mainz, den 19.08.2019

 

 

 

 

 

-Mohr-

 

Fachanwalt für Medizinrecht

 

  letzte Änderung: 05.09.2019 14:31:49
 
Hypoglykämie ist eine Komplikation, die nicht in der Verschlüsselung der Entgleisung des Diabetes mellitus aufgeht. Dementsprechend ist die 4. Stelle der Kategorie E10 des ICD-10-GM im vorliegenden Fall mit 7 zu verschlüsseln (mit multiplen Komplikatione
 

 

Hypoglykämie ist eine Komplikation, die nicht in der Verschlüsselung der Entgleisung des Diabetes mellitus aufgeht. Dementsprechend ist die 4. Stelle der Kategorie E10 des ICD-10-GM im vorliegenden Fall mit 7 zu verschlüsseln (mit multiplen Komplikationen).

 

 

 

LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.06.2019, Az. L 11 KR 1649/17

 

 

 

- Diabetes mellitus Typ 1, Hypoglykämie, multiple Komplikationen, Kodierung 4. Stelle Kategorie E10, Verschlüsselung, Entgleisung Diabetes mellitus -

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 

 

bei einem entgleisten Diabetes mellitus bestreiten die Krankenkassen häufig die Verschlüsselung der Hypoglykämie, da sie die Auffassung vertreten, dies stelle keine Komplikation dar mit der Folge, dass die 4. Stelle der Kategorie E10 des ICD-10-GM nicht mit der Ziff. 7 zu verschlüsseln sei. Dies führt dann zu einer niedriger bewerteten DRG.

 

 

 

Das LSG Ba-Wü. hat nunmehr Klarheit geschaffen, wonach die Hypoglykämie als Komplikation zu verschlüsseln ist.

 

 

 

Sachverhalt

 

 

 

Das beklagte Krankenhaus behandelte eine Patientin vom 26.04. bis 06.05.2011 wegen eines primär insulinabhängigen Diabetes mellitus Typ 1. Als Hauptdiagnose wurde E10.73 ICD-10-GM verschlüsselt. Auf dieser Grundlage wurde die DRG K60D abgerechnet, die die Krankenkasse zunächst beglich.

 

 

 

Die klagende Krankenkasse schaltete den MDK ein, der die Auffassung vertrat, die 4. Stelle sei mit Ziff. 9 (ohne Komplikationen) zu verschlüsseln. Die Krankenkasse legte daher der Abrechnung die niedriger bewertete DRG K60E zugrunde und forderte den Betrag in Höhe von 622,10 € zurück.

 

 

 

Da das Krankenhaus die Erstattung verweigerte, erhob die Krankenkasse Klage beim SG. Sowohl die I. als auch die II. Instanz gaben dem Krankenhaus Recht.

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

 

Das LSG hat festgestellt, dass die 4. Stelle der Kategorie E10 des ICD-10-GM mit der Ziff. 7 zu verschlüsseln ist. Bei der Hypoglykämie handelt es sich um eine Komplikation. Zur Begründung stellt das LSG Ba.-Wü. darauf ab, dass bereits aus der Ziff. 6 der Kategorie E10 hervor gehe, dass die Hypoglykämie eine näher bezeichnete Komplikation darstelle. Die Hypoglykämie gehe auch nicht in der 5. Stelle des Codes auf (Ziff. 1: als entgleist bezeichnet). Nicht jede Entgleisung des Diabetes mellitus stelle eine Hypoglykämie dar. Eine Difinition der Entgleisung an Hand bestimmter Grenzwerte sei nicht vorgegeben.

 

 

 

Da eine weitere Komplikation aufgrund einer diabetischen Nephropathie vorliege, sei eine multiple Komplikation zu verschlüsseln. Das Krankenhaus habe daher zu Recht die DRG K60D abgerechnet.

 

 

 

Anmerkung:

 

 

 

Im Streit war die Verschlüsselung der 4. Stelle der Kategorie E10 des ICD-10-GM. Die 4. Stelle wird mit der Ziff. 7 verschlüsselt, wenn multiple Komplikationen vorliegen.

 

 

 

Bei der Hypoglykämie handelt es sich um eine verminderte Konzentration von Glukose unter einem dem jeweiligen Lebensalter entsprechenden Wert. Sie stellt als Unterzuckerung eine Akutkomplikation infolge der Therapie des Diabetes mellitus dar.

 

 

 

Zu Recht stellt das LSG streng auf den Wortlaut der Kategorie E10 des ICD-10-GM ab. Bereits in der Ziff. 6 der 4. Stelle ist die Hypoglykämie als Komplikation aufgeführt. Die weiteren Erwägungen des MDK, der entgleiste Diabetes mellitus enthalte bereits die Komplikation, ist daher nicht haltbar. Nach den DKR sind mögliche Komplikationen an 4. Stelle der Kategorie E10 des ICD-10-GM zu verschlüsseln. Sofern die Grunderkrankung Diabetes mellitus behandelt wird und multiple Komplikationen (Manifestationen) des Diabetes mellitus vorliegen, ohne das die Behandlung einer Manifestation im Vordergrund steht, ist bei E10 die 4. Stelle mit 7 zu kodieren.

 

 

 

Mainz, den 22.08.2019

 

 

 

 

 

 

 

Friedrich W. Mohr

 

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht

 

  Datum: 26.08.2019 13:03:53
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Newsletter High-Flow-Nasenkan�¼le
 

 

 

 

Die Zeit der Therapie mittels High-Flow-Nasenkanüle (HFNC) zählt nicht als Beatmungszeit gemäß der DKR 1001 h (2009) bzw. gem. der DKR 1001l (2017). Die HFNC ist keine maschinelle Beatmung im Sinne der vorgenannten Kodierregel.

 

 

 

BSG, Urteile vom 30.07.2019, Az.: B1 KR 13/18 R und B1 KR 11/19 R

 

- Beatmungsstunden, High-Flow-Nasenkanüle (HFNC), maschinelle Beatmung, Entwöhnung, DKR 1001h (2009), DKR 1001l (2017) -

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Anwendung der DKR 1001h (2009) bzw. DKR 1001l (2017) ist zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen umstritten, insbesondere bei Einsatz der HFNC-Therapie. Auch die Vorinstanzen haben dies unterschiedlich beurteilt. Das BSG hat nunmehr in zwei Fällen entschieden, dass die HFNC-Therapie keine maschinelle Beatmung darstellt. Die entsprechende Beatmungszeit zählt nicht als Beatmungsstunden im Sinne der vorgenannten Kodierregeln.

 

 Sachverhalt

 

 Im ersten Fall (BSG B1 KR 13/18 R) wurde ein Frühgeborenes u. a. auf der Neugeborenen-Intensivstation im Jahr 2009 von Geburt an beatmet. Es wurde zunächst 72 Stunden mittels Atemmaske versorgt und anschließend erhielt es 33 Stunden Atemluft mit Hilfe einer HFNC. Da nach Auffassung des Krankenhauses das Frühgeborene mehr als 95 Stunden beatmet wurde, rechnete es die DRGP 03 C ab. Dem gegenüber vertrat die Krankenkasse die Auffassung, die Atemunterstützung mittels HFNC sei nicht als Beatmungsstunden anzusehen. Sie vergütete daher die niedriger bewertete DRG P 64 Z.

 

 Im zweiten Fall wurde ein Kind wegen akuter Bronchitis zeitweise auf der Kinder-Intensivstation im Jahr 2017 behandelt. Es wurde von Anfang an mit Hilfe einer HFNC über Brille beatmet. Das Krankenhaus kodierte diese Zeit als Beatmungszeit mit 66 Beatmungsstunden und rechnete die DRG E 40 C ab. Dem gegenüber verwies die Krankenkasse darauf, dass die Beatmungsstunden bei Atemunterstützung durch HFNC nicht zählen und legte daher ihrer Zahlung die niedriger bewertete DRG E 70 A zugrunde.

 

 Im ersten Fall gaben die Vorinstanzen der Klage statt, im zweiten Fall wurde die Klage abgewiesen.

 

 Entscheidungsgründe

 

 In beiden Fällen gab das BSG den Krankenkassen Recht. Nach Auffassung des BSG stellt die HFNC keine maschinelle Beatmung im Sinne der Kodierregel DKR 1001h (2009) bzw. DKR 1001l (2017) dar. Es begründet die Entscheidung damit, dass die HFNC weder eine maschinelle Beatmung darstellt noch einer maschinellen Beatmung gleichgesetzt werden kann. Die Kodierregel setze voraus, dass der Patient intubiert oder tracheotomiert werde oder bei intensivmedizinischer Versorgung die Beatmung über ein Maskensystem erfolge. Die Therapie mittels HFNC erfülle nicht diese Voraussetzungen, da sie (lediglich) über die Nasenbrille mit Schläuchen einen kontinuierlichen Luftstrom in die Nasenlöcher appliziere, der in den Nasen-Rachen-Raum geleitet werde.

 

Das Urteil B 1 KR 11/19 R ist beigefügt

 

  letzte Änderung: 11.09.2019 16:29:21
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Newsletter Prüfverfahrensvereinbarung
 

 

Nach der Prüfverfahrensvereinbarung ist es zulässig, mit Forderungen aufzurechnen, die in einer Sammelüberweisung mit Entlassdatum, Fall- und Rechnungsnummer sowie dem konkreten Zahlbetrag aufgeführt sind. Dabei findet die Tilgungsreihenfolge gem. § 366 Abs. 2 BGB Anwendung.

BSG, Urteil vom 30.07.2019 Az.: B 1 KR 31/18

 

 - Aufrechnung, § 9 PrüfVV, Sammelüberweisung, Bestimmung der Tilgungsreihenfolge -

 

 Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 seit einigen Jahren ist die Frage umstritten, ob die Krankenkassen mit Forderungen, die in einer Sammelüberweisung aufgeführt sind, aufrechnen können oder verpflichtet sind, den Leistungsanspruch und den Erstattungsanspruch genau anzugeben. Das BSG hat nunmehr entschieden, dass die Aufrechnung im Rahmen einer Sammelüberweisung zulässig ist.

 

 Sachverhalt

 

 Die beklagte Krankenkasse machte auf der Grundlage einer MDK-Prüfung einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch in Höhe von 830,23 € für eine Krankenhausbehandlung im Jahr 2016 geltend. Sie verrechnete diesen Betrag im Rahmen einer Sammelüberweisung. Die Sammelüberweisung umfasste Rechnungsbeträge des Krankenhauses sowie Erstattungsforderungen der beklagten Krankenkasse aus über 60 Behandlungsfällen. Angegeben war in der Sammelüberweisung jeweils das Entlassdatum, die Fall- und Rechnungsnummer sowie der konkrete Betrag.

 

 Die Vorinstanzen vertraten die Auffassung, dass die Aufrechnungserklärung nicht der Regelung in § 9 Satz 2 PrüfVV entspreche, da die Krankenkasse den Leistungsanspruch nicht genau benannt habe. Die PrüfVV schließe die Regelung in § 366 Abs. 2 BGB aus.

 

 Entscheidungsgründe

 

 Das BSG vertritt im Gegensatz zu den Vorinstanzen die Auffassung, dass kein Verstoß gegen § 9 Satz 2 PrüfVV vorliegt. Die dort geforderte genaue Benennung des Leistungsanspruchs sei durch die Sammelüberweisung erfolgt. Diese habe sämtliche Vergütungsansprüche der Klägerin mit Entlassdatum, Fall- und Rechnungsnummer sowie den konkreten Zahlbetrag ausgewiesen. Die Tilgungsreihenfolge ergäbe sich aus § 366 Abs. 2 BGB. Die PrüfVV schließe die Anwendung von § 366 BGB nicht aus.

 

 Anmerkung:

 

 Das Urteil des BSG überrascht. § 9 Satz 2 PrüfVV bestimmt ausdrücklich, dass „der Leistungsanspruch und der Erstattungsanspruch genau zu benennen“ ist. Damit wird der Krankenkasse ein Bestimmungsrecht bei der Aufrechnung eingeräumt. Mit seinem Urteil löst sich das BSG von der konkreten Regelung in § 9 Satz 2 PrüfVV und geht davon aus, dass die PrüfVV den Krankenkassen nicht das Recht einräumen wollte, die Forderungen einseitig und endgültig zu bestimmen. Eine nähere Begründung hierfür wird vom BSG nicht angeführt. Letztlich führt auch die Auffassung des BSG dazu, dass die Krankenkasse einseitig und endgültig die Forderungen bestimmt, gegen die aufgerechnet werden, wobei die Grundlage hierfür die Sammelüberweisung darstellt. Die Tilgungsreihenfolge ergibt sich dann per Gesetz aus § 366 Abs. 2 BGB. Dabei wird zunächst die fällige Schuld getilgt.

 

 Zum besseren Verständnis werden hier die Regelungen in § 9 PrüfVV a. F. und § 366 Abs. 2 BGB wiedergegeben. 

 

§ 9 PrüfVV a. F. (01.09.2014)

Zahlungs- und Aufrechnungsregeln

 

 

Die Krankenkasse kann einen nach Beendigung des Vorverfahrens einvernehmlich als bestehend festgestellten oder nach § 8 fristgerecht mitgeteilten Erstattungsanspruch mit einem unstreitigen Leistungsanspruch des Krankenhauses aufrechnen. Dabei sind der Leistungsanspruch und der Erstattungsanspruch genau zu benennen.

 

 (Anmerkung: Die PrüfVV zum 01.01.2017 enthält in § 10 auch die vorstehende Regelung

 

§ 366 Abs. 2 BGB

Anrechnung der Leistung auf mehrere Forderungen

 

 

(2) Trifft der Schuldner keine Bestimmung, so wird zunächst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden diejenige, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet, unter mehreren gleich sicheren die dem Schuldner lästigere, unter mehreren gleich lästigen die ältere Schuld und bei gleichem Alter jede Schuld verhältnismäßig getilgt. 

 

Zurzeit liegt nur der Terminsbericht des BSG vor. Ergeben sich aus den schriftlichen Urteilsgründen ergänzende Informationen, werde ich hierüber berichten.

 

 

 

  letzte Änderung: 09.08.2019 11:52:20
 
Renale Denervation
 

 

Die renale Denervation entspricht dem Qualitätsgebot der §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 SGB V.

 

Darüber hinaus weist die renale Denervation  das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative im Sinne des § 137c  Abs. 3 SGB V auf. 

 

SG Fulda, Urteil vom 14.02.2019, Az.: S 4 KR 77/15 (nicht rechtskräftig) 

 

-  renale Denervation, OPS 8-83c.50B, Qualitätsgebot §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 SGB V, Qualitätsanforderungen i.S.v. § 137c Abs. 3 SGB V, Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative - 

 

Sehr geehrte Damen und Herren, 

 

das Sozialgericht Fulda hat sich mit der Frage befasst, ob ein Krankenhaus im Jahr 2013 eine renale Denervation zu Lasten der Krankenkasse durchführen durfte. Dies hat das Sozialgericht Fulda bejaht. 

 

Sachverhalt 

 

Das von uns vertretene Krankenhaus behandelte im Jahr 2013 einen 80jährigen Patienten stationär und führte u. a. eine renale Denervation durch. Für die Krankenhausbehandlung stellte das klagende Krankenhaus der beklagten Krankenkasse die DRG F59A in Höhe von insgesamt 7.020,47 € in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst. 

 

Im November 2014 verrechnete die beklagte Krankenkasse einen Betrag in Höhe von 4.527,91 € mit anderen unstreitigen Forderungen des Krankenhauses mit der Begründung, dass der OPS 8-83c50B (Andere perkutan-transluminale Gefäßintervention: Operation über die A. renalis: Radiofrequenzablation) zu streichen sei. Die beklagte Krankenkasse berief sich hierbei auf ein MDK-Gutachten. 

 

Im Klageverfahren holte das Sozialgericht Fulda ein Sachverständigengutachten ein. Der Sachverständige kam zum Ergebnis, dass bei dem Patienten die medikamentöse Therapie zur Blutdrucksenkung als ausgereizt angesehen werden könne. Aufgrund des deutlich erhöhten kardiovaskulären Risikos des Patienten und da konservative Maßnahmen ausgeschöpft gewesen seien, sei im vorliegenden Fall die Durchführung einer renalen Denervation als ultima ratio zu rechtfertigen gewesen. 

 

Entscheidungsgründe 

 

Das Sozialgericht Fulda hat die ordnungsgemäße Abrechnung des Krankenhauses bestätigt. 

 

Das Sozialgericht hat festgestellt, dass es sich bei der streitgegenständlichen renalen Denervation um eine (relativ) neue Behandlungsmethode des (therapieresistenden) Bluthochdrucks handelt. In verschiedenen Studien sei gezeigt worden, dass die renale Denervation bei einigen Patienten mit einer unkontrollierten Hypertonie zu einer deutlichen Senkung auch des Langzeitblutdruckes führen konnte. In Konsequenz hieraus habe die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg mit Antrag vom 30.12.2010 bei dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) eine Methodenbewertung gem. § 135 Abs. 1 SGB V beantragt. Dabei wurde insbesondere auf die Ergebnisse der Symplicity HTN-3 Studie Bezug genommen. 

 

Daraufhin leitete der G-BA mit Beschluss vom 24.11.2011 die beantragte Methodenbewertung ein. 

 

Zeitgleich wurde ein Konsensuspapier veröffentlicht, in dem eine positive Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie und der Deutschen Hochdruckliga zum Einsatz der renalen Denervation unter bestimmten (auch) patientenbezogene Bedingungen abgegeben wurde. 

 

Das Sozialgericht geht daher davon aus, dass auf der Basis der damaligen Studienlage und der Einschätzung der betroffenen Fachgesellschaften eine übereinstimmende Erkenntnislage bestand, die dem Qualitätsgebot im Sinne der ständigen Rechtsprechung des BSG entsprach.

 

Auch in neusten Untersuchungen konnte die Wirksamkeit der renalen Denervation (erneut) nachgewiesen werden. 

 

Lediglich ergänzend hat das SG unter Verweis auf § 137 c SGB V ausgeführt, dass Behandlungsmethoden, deren Nutzen noch nicht hinreichend belegt sind, die aber das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten, nicht von vornherein im Rahmen einer Krankenhausbehandlung ausgeschlossen sind (so LSG Stuttgart vom 11.12.2018 - L 11 KR 206/18; a. A. BSG, Urteil  vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 R). 

 

Anmerkung: 

 

Das Sozialgericht Fulda hat sich eingehend mit der wissenschaftlichen Erkenntnislage zur renalen Denervation zur Behandlung des Bluthochdrucks befasst. mit dem Ergebnis, dass Krankenhäuser die renale Denervation zu Lasten der Krankenkassen durchführen dürfen. Die renale Denervation entspricht mach Auffassung des SG Fulda dem Qualitätsgebot der §§ 2 Abs. 1 Satz 3, 12 SGB V.   

 

Würde man dies verneinen, hätte das Krankenhaus dennoch einen Vergütungsanspruch, da die streitgegenständliche Behandlungsmethode der renalen Denervation das Potential für eine  erforderliche Behandlungsalternative bietet. Das Sozialgericht Fulda bringt damit zum Ausdruck, dass das BSG (Urteil  vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 R) mit seinen Ausführungen zum Vorrang des Qualitätsgebots gegenüber der Regelung in § 137c Abs. 3 SGB V den maßgeblichen Willen des Gesetzgebers missachtet. 

 

Das Verfahren ist beim Hessischen Landessozialgericht anhängig.

 

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

 

  Datum: 14.06.2019 13:57:27
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Spondylodese
 

 

Eine Spondylodese  (OPS 5-836) liegt bei Verwendung von Knochenersatzmaterialien oder Knochentransplantaten vor. Der OPS 5-836 ist damit erfüllt und der Abrechnung zugrunde zu legen. 

 

Urteil SG Fulda vom 02.04.2019, Az.: S 4 KR 92/15 (noch nicht rechtskräftig)

 

- Spondylodese,  OPS 5-836, medizinische Indikation

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren, 

 

das Sozialgericht Fulda hat sich mit der Fragestellung befasst, ob die Anlagerung von Knochenmaterial an die Wirbelkörper eine Spondylodese im Sinne des OPS 5-836 darstellt, wenn kein Fremdmaterial (z. B. Schrauben-Stab-System) implantiert wurde. Dies hat das Sozialgericht bejaht. 

 

Sachverhalt 

 

Das von uns vertretene Krankenhaus führte im Jahr 2014 bei einer Patientin im Rahmen eines stationären Aufenthaltes wegen einer Spinalkanalstenose einen operativen Eingriff durch. Intraoperativ wurde zunächst eine Entlastung des Spinalkanals vorgenommen. Sodann wurden die im Rahmen eines vorherigen operativen Vorgehens gewonnenen knöchernen „Stanzenchips“ wegen einer intraoperativ festgestellten Instabilität der Wirbelsäule im Bereich der LWK 2 bis 5 an den Wirbelkörpern angelagert, um auf diese Weise eine Versteifung der Wirbelkörper zu erreichen. Hierfür kodierte das Krankenhaus die Prozedur 5-836.32 (Spondylodese 3 bis 5 Segmente). 

 

Für den stationären Aufenthalt stellte das Krankenhaus der beklagten Krankenkasse am 07.11.2014 die DRG I09C in Höhe von insgesamt 14.594,06 € in Rechnung, die von der beklagten Krankenkasse bezahlt wurde. 

 

Die beklagte Krankenkasse leitete ein MDK-Prüfverfahren ein. Der MDK kam zum Ergebnis, dass für die Kodierung des OPS 5-836 eine instrumentelle Versteifung durch Einbringung etwa eines Schrauben-Stab-Systems erforderlich sei. Des Weiteren bestritt er die medizinische Notwendigkeit. 

 

Die beklagte Krankenkasse verrechnete sodann einen Betrag in Höhe von 8.160,88 € mit anderen unstreitigen Forderungen des Krankenhauses. Hiergegen richtete sich die Klage des Krankenhauses.  

 

Entscheidungsgründe 

 

Das Sozialgericht Fulda kam zur Auffassung, dass die Einbringung von Knochenersatzmaterialien oder Knochentransplantaten sowohl notwendige wie auch hinreichende Voraussetzung für die Kodierung einer Spondylodese ist. Die Anlagerung von Knochenmaterial, wie im vorliegenden Fall geschehen, genügt für die Kodierung des OP'S 5-836. 

 

Obwohl das Sozialgericht Fulda die ordnungsgemäße Kodierung des OPS 5-836 bestätigte, wurde im Ergebnis die Klage abgewiesen, da nach Auffassung des Gerichts die Spondylodese angesichts des Krankheitszustandes der Patientin medizinisch nicht erforderlich gewesen sei. Aus den Behandlungsunterlagen seien keine Belege für die medizinische Notwendigkeit der Spondylodese ersichtlich.  

 

Anmerkung 

 

Das Sozialgericht Fulda hat die Auffassung des Krankenhauses vollständig bestätigt, wonach es für eine Spondylodese im Sinne des OPS 5-836 keiner instrumentellen Versteifung bedarf. 

 

Das Sozialgericht hat u. a. auf die Änderung des OPS 5-836 ab 2019 verwiesen. Dem OPS wurde folgender Hinweis angefügt: 

 

Eine Spondylodese liegt nur bei Verwendung von Knochenersatzmaterialien oder Knochentransplantaten vor, nicht bei alleiniger Instrumentierung oder Osteosynthese (5-83b ff). 

 

Besonderes Augenmerk sollten die Krankenhäuser auf die Dokumentation der Indikation für eine Spondylodese  legen und diese medizinisch begründen. 

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

 

  Datum: 12.06.2019 14:27:32
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Newsletter Nachkodierung
 

 

Die in § 7 Abs. 5 Satz 2 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV 2015) vorgesehene 5-Monats-Frist stellt keine Ausschlussfrist für Vergütungsansprüche dar. Krankenhäuser sind daher berechtigt, auch außerhalb der 5-Monats-Frist Rechnungskorrekturen vorzunehmen.

 

Urteil des SG Chemnitz vom 23.04.2019, S 15 KR 819/17 (noch nicht rechtskräftig)

 

 

- Nachkodierung, Rechnungskorrektur, § 7 Abs. 5 Satz 1, 2 PrüfvV (in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung, a. F. ), materiell-rechtliche Ausschlussfrist, 5-Monats-Frist, Korrektur, Ergänzung, Datensätze -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 

 

 

das SG Chemnitz befasste sich mit der Fragestellung, ob die Regelung in § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV, wonach Krankenhäuser nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens nur eine einmalige Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen innerhalb von 5 Monaten vornehmen dürfen, den Charakter einer Ausschlussfrist besitzt. Es hat dies verneint.

 

 

 

Sachverhalt

 

 

 

Das von uns vertretene Krankenhaus führte bei einem Patienten eine Darmoperation im Jahr 2016 durch. Hierfür stellte es der beklagten Krankenkasse die DRG G18A (Bestimmte Eingriffe an Dünn- und Dickdarm oder Anlegen eines Enterostomas oder and. Eingr. am Darm mit äuß. schw. CC, mit hochkompl. Eingr. oder kompliz. Diagn. oder mit sehr kompl. Eingr. oder and. Eingr. mit äuß. schw. CC, mit IntK > - / 368 / - Punkte) in Höhe von insgesamt 13.383,97 € in Rechnung.

 

 

 

Nach Bezahlung der Rechnung leitete die Beklagte ein Prüfverfahren durch den MDK ein Der Prüfauftrag bezog sich u. a. auf den OPS-Kode 5-683.20. Der MDK kam mit Gutachten vom 01.04.2017 zum Ergebnis, dass alle Prozeduren nachvollziehbar seien mit Ausnahme des OPS 5-683.20. Anstelle des OPS 5-683.20 sei der OPS 5-685.3 zu verschlüsseln, was zur DRG G37Z führt,  die höher bewertet ist.

 

 

 

Das Krankenhaus stellte sodann der beklagten Krankenkasse den höheren Betrag auf der Basis der DRG G37Z in Rechnung.

 

 

 

Unter Hinweis auf die Regelung in § 7 Abs. 5 Satz 1 PrüfvV a. F. verweigerte die beklagte Krankenkasse die Restzahlung, da die Rechnungskorrektur erst nach Abschluss der MDK-Prüfung erfolgte.

 

Entscheidungsgründe

 

Das SG Chemnitz kam zur Auffassung, dass die Nachkodierung durch das Krankenhaus zulässig und der höhere Zahlungsanspruch berechtigt war.

 

 

 

Nach Auffassung des SG Chemnitz ist die in § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV a. F. bestimmte Frist keine Ausschlussfrist. § 7 Abs. 5 Satz 2 – 5 PrüfvV a. F. beinhaltet lediglich Vorgaben für die Einbeziehung von Korrekturen und Ergänzungen von Datensätzen bei Prüfungen durch den MDK, nicht aber einen Anspruchsausschluss nach MDK-Prüfungen, in denen zugunsten des Krankenhauses von einer im Vergleich zu dessen Rechnung günstigeren DRG ausgegangen wurde.

 

 

Das SG Chemnitz verweist diesbezüglich u. a. auf das Urteil des SG Reutlingen vom 08.11.2017 – S 1 KR 364/17 R und auf den Beschluss des LSG Rheinland-Pfalz vom 13.08.2018 – L 5 KR 155/18 NZB.

 

 

Anmerkungen

 

 

Das SG Chemnitz hat sich in seiner Urteilbegründung insbesondere auf die Rechtsprechung des SG Reutlingen und des LSG Rheinland-Pfalz gestützt.

 

 

 

Das SG Reutlingen hat die Auffassung vertreten, dass die Vertragsparteien auf Bundesebene nur befugt sind, Verfahrensregelungen zum Prüfverfahren zu vereinbaren. Weitergehenden Befugnissen dieser Vertragsparteien, beispielsweise zur Regelung von Vergütungsfragen oder deren Ausschluss, lassen sich weder § 17c Abs. 2 KHG noch den hierzu ergangenen Gesetzesmaterialen entnehmen. Nach Auffassung des SG Reutlingen wende sich § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV (2015) nur an den MDK. Eine Regelung zum Ausschluss der Vergütung lässt sich diese Vorschrift angesichts des eindeutigen Wortlauts nicht entnehmen.

 

 

 

Das LSG Rheinland-Pfalz kam mit Beschluss vom 13.08.2018 – L 5 KR 155/18 NZB zum Ergebnis, dass § 7 Abs. 5 PrüfvV a. F. keinen Anhalt für einen materiell-rechtlichen Anspruchsausschluss enthält.

 

 

 

Die Rechtsprechung kann auch auf die ergänzte Fassung von § 7 Abs. 5 PrüfvV (2017) angewandt werden. Die Vertragsparteien auf Bundesebene sind nach § 17c Abs. 2 KHG nur befugt, Verfahrensregeln zu treffen – nicht aber materiell-rechtliche Ausschlussfristen.

 

 

Zudem kann § 7 Abs. 5 PrüfvV (2017) – im Gegensatz zu anderen Regelungen in der PrüfvV – nicht entnommen werden, dass die Vertragsparteien auf Bundesebene eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist vorsehen wollten.

 

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  Datum: 11.06.2019 13:54:37
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Sozialversicherungspflicht für Honorarärzte
 

 

Honorarärzte, die in einem Krankenhaus tätig sind, unterliegen als Beschäftigte des Krankenhauses der Sozialversicherungspflicht.

 

Urteil des BSG vom 04.06.2019 – Az.: B 12 R 11/18 R als Leitfall

 

- Honorararzt, Tätigkeit im Krankenhaus, Sozialversicherungspflicht -

 

 Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 

 

in einer Vielzahl von anhängigen Verfahren hatte der 12. Senat des BSG über die Sozialversicherungspflicht von Honorarärzten, die im Krankenhaus tätig sind, zu entscheiden. Mit Urteil vom 04.06.2019 geht der Senat davon aus, dass die Tätigkeit des Honorararztes der Sozialversicherungspflicht unterliegt.

 

 

Das BSG geht davon aus, dass auch der Honorararzt in die Arbeitsorganisation des Krankenhauses eingegliedert ist. Im Regelfall ist der Honorararzt Teil eines Teams, das arbeitsteilig unter der Leitung eines Verantwortlichen zusammenarbeiten muss. Diese Tätigkeit setzt grundsätzlich voraus, dass sich auch die Honorarärzte in die vorgegebenen Strukturen und Abläufe des Krankenhauses einfügen. Sie nutzen überwiegend die personellen und sachlichen Ressourcen des Krankenhauses. Insoweit sind regelmäßig unternehmerische Entscheidungsspielräume nicht gegeben.

 

Anmerkungen

 

Das BSG geht in dem Leitfall von einer vollständigen Sozialversicherungspflicht des Honorararztes aus. In unserer Beratungspraxis haben wir regelmäßig auf diese Problematik aufmerksam gemacht und empfohlen, mit Vertragsärzten, die eine ärztliche Tätigkeit im Krankenhaus ausüben, Anstellungsverträge abzuschließen. Soweit Krankenhäuser nicht angestellte Honorarärzte beschäftigt haben, müssen sie jetzt vor dem Hintergrund der Grundsatzentscheidung des BSG die Honorararztverträge umstellen. Spätestens nach der Entscheidung des 12. Senats ist Sozialversicherungspflicht gegeben. Eine Ausnahme besteht nach § 23c Abs. 2 SGB IV nur für nebenberuflich tätige Notärzte im Rettungsdienst unter bestimmten Voraussetzungen, betrifft also nicht die sog. Honorararzttätigkeit.

 

 

Das BSG bringt zusätzlich zum Ausdruck, dass ein Fachkräftemangel im Gesundheitswesen keinen Einfluss auf die rechtliche Beurteilung des Vorliegens von Versicherungspflicht habe. Wörtlich heißt es in der Pressemitteilung vom 04.06.2019:

 

 

Sozialrechtliche Regelungen zur Versicherungs- und Beitragspflicht könne nicht außer Kraft gesetzt werden, um eine Steigerung der Attraktivität des Berufs durch eine von Sozialversicherungsbeiträgen „entlastete“ und deshalb höhere Entlohnung zu ermöglichen“

 

 

Letztlich ist der Arbeitgeber zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen verpflichtet und verantwortlich. Das Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen ist im Übrigen strafbewehrt (§ 266a StGB), so dass diese Pflicht zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge bei Honorarärzten unbedingt zu beachten ist.

 

 

 

Zur Zeit liegt nur die Pressemitteilung des BSG über die Grundsatzentscheidung vom 04.06.2019 (Az.: B 12 R 11/18 R als Leitfall) vor.

 

 

 

Sobald die schriftlichen Urteilsgründe veröffentlicht sind, werde ich weiter berichten.

 

 

 

  Datum: 05.06.2019 15:25:39
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Newsletter Versorgungsauftrag Krankenhaus
 

 

Der Versorgungsauftrag eines Krankenhauses bestimmt sich nach dem jeweiligen Krankenhausplan des Landes und dem darauf beruhenden Feststellungsbescheid der zuständigen Planungsbehörde. Die der Planung zugrunde liegenden Fachrichtungen orientieren sich auch ohne ausdrückliche Verweisung an der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns in der jeweils im Zeitpunkt der Leistungserbringung gültigen Fassung. Die Auslegung der Instanzgerichte ist für die Revisionsinstanz bindend; es verbleibt kein Raum für eine eigene Auslegung durch das BSG.

 

Urteile des BSG vom 09.04.2019, Az: B 1 KR 2/18 R und B 1 KR 17/18 R

 

- Versorgungsauftrag, Versorgungsstufe, Grundversorgung, TAVI-Leistungen, Knie-TEP, Versorgungsauftrag Chirurgie, Orthopädie, Unfallchirurgie, Ärztliche Weiterbildungsordnung Bayern -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,                                             

 

das BSG musste sich mit der Auslegung des Krankenhausplans in Bayern und des darauf beruhenden Feststellungsbescheides befassen. Dabei kam zum Ausdruck, dass maßgeblich die Auslegung des LSG ist. Es verbleibt kein Raum für eine eigene Auslegung durch das BSG. In dem zweiten Urteil geht das BSG davon aus, dass sich die Beplanung der Fachrichtungen an der jeweiligen Fassung der Ärztlichen Weiterbildungsordnung zum Zeitpunkt der Leistungserbringung orientiert; einer ausdrücklichen Verweisung im Krankenhausplan bedarf es nicht.

 

Sachverhalt

 

Im ersten Fall (Az: B 1 KR 2/18 R) wurde das Krankenhaus in den Krankenhausplan des Freistaats Bayern auf der ersten Versorgungsstufe aufgenommen, u. a. mit den Fachabteilungen Innere Medizin und Chirurgie. Das Krankenhaus erbrachte eine Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI). Die Krankenkasse verweigerte die Bezahlung der Vergütung, da sie die Auffassung vertrat, das Krankenhaus überschreite die ihm zugeordnete erste Versorgungsstufe. Daraufhin erhob das Krankenhaus Klage auf Vergütung. Es unterlag in allen Instanzen.

 

Im zweiten Fall (AZ: B 1 KR 17/18 R) wurde das Krankenhaus mit der Fachrichtung Chirurgie in den Krankenhausplan des Freistaats Bayern aufgenommen. Das Krankenhaus erbrachte Knie-Totalendoprothesen (Knie-TEP) und rechnete hierfür die entsprechende Vergütung ab. Die beklagte Krankenkasse beglich zunächst die Rechnungen, verrechnete jedoch anschließend die gezahlten Beträge mit anderen unstreitigen Rechnungen. Die Krankenkasse vertrat die Auffassung, das Krankenhaus verfüge nicht über den entsprechenden Versorgungsauftrag, da es sich vorliegend um eine orthopädische Maßnahme handele. Das Krankenhaus hatte in allen Instanzen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

 

In beiden Fällen geht das BSG davon aus, dass die Auslegung des Krankenhausplans (hier: Bayern) und des darauf beruhenden Feststellungsbescheides durch die Instanzgerichte das BSG bindet. Es handelt sich nicht um revisibles Recht. Insoweit legte es im ersten Fall die Auslegung durch das LSG zugrunde, wonach die planerische Zuweisung der ersten Versorgungsstufe die Grundversorgung umfasse. TAVI-Leistungen seien anspruchsvolle Eingriffe der Herzmedizin, die aufgrund der hohen Qualitätsvorgaben der Schwerpunktversorgung und damit den höheren Versorgungsstufen vorbehalten seien.

 

Im zweiten Fall geht das BSG auf der Grundlage der Entscheidung in zweiter Instanz davon aus, dass kein Verstoß gegen revisibles Recht vorliegt. Der Krankenhausplan ist im Lichte der jeweils im Zeitpunkt der Leistungserbringung gültigen Fassung der Ärztlichen Weiterbildungsordnung auszulegen.  Nach der zum Zeitpunkt der Leistungserbringung maßgeblichen Fassung der Ärztlichen Weiterbildungsordnung in Bayern umfasste das Gebiet Chirurgie u. a. die Fachgebiete Orthopädie und Unfallchirurgie. Das BSG wies daher die Revision der Krankenkasse zurück.

 

Anmerkung

 

Richtig ist der rechtliche Ausgangspunkt des BSG, wonach es bei den Krankenhausplänen und den darauf beruhenden Feststellungsbescheiden um die Auslegung von Landesrecht geht. Insoweit handelt es sich auch nicht um revisibles Recht. Für die Krankenhäuser bedeutet dies, dass sie bereits in erster und zweiter Instanz alle Gesichtspunkte für die Auslegung des Krankenhausplans/des Feststellungsbescheides zu ihren Gunsten vorbringen müssen.  Das BSG überprüft die Auslegung der Instanzgerichte dann nur noch unter dem Gesichtspunkt, ob das grundgesetzlich garantierte Willkürverbot bei der Auslegung verletzt wurde.

 

Zusätzlich ist zu beachten, dass die Krankenhauspläne der Länder von ihrer Konzeption und inhaltlichen Ausprägung sehr unterschiedlich angelegt sind. Urteile der Gerichte bezogen auf andere Bundesländer können so nicht automatisch auf Fallgestaltungen in anderen Bundesländern übertragen werden. Es bedarf jeweils einer fachkundigen, rechtlichen Überprüfung.

 

Besondere Vorsicht ist bei der Veränderung der Ärztlichen Weiterbildungsordnung im jeweiligen Land geboten.  Der einmal erteilte Versorgungsauftrag unterliegt einer dynamischen Veränderung. Nach Auffassung des BSG ist auf die jeweilige Fassung der Ärztlichen Weiterbildungsordnung zum Zeitpunkt der Leistungserbringung abzustellen. Wird z. B. durch die Ärztliche Weiterbildungsordnung aus dem Versorgungsauftrag Chirurgie die Fachrichtung Orthopädie und Unfallchirurgie herausgelöst, hat dies Einfluss auf die Zulässigkeit der Leistungserbringung. Insoweit sollten die Krankenhäuser es sich zur Regel machen, zeitnah die Übereinstimmung ihres Versorgungsauftrages mit der Ärztlichen Weiterbildungsordnung abzugleichen, wenn Veränderungen anstehen.

 

Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werde ich ergänzende Hinweise geben.

  Datum: 18.04.2019 14:39:04
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 Der Krankenhausträger ist verpflichtet, den Krankenkassen die für patientenindividuell hergestellten Zytostatika berechnete Umsatzsteuer zurückzuzahlen.  

Urteil des BSG vom 10.04.2019, AZ: B 1 KR 5/19 R 

 

- Umsatzsteuer, Zytostatika, ergänzende Vertragsauslegung, Schadensersatzanspruch, Rückzahlung -

 Sehr geehrte Damen und Herren,  

die Frage der Rückzahlung von angesetzter Umsatzsteuer bei patientenindividuell hergestellten Zytostatika ist zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern sehr umstritten. Bezogen auf die abgeschlossene Arzneimittelpreisvereinbarung in Baden-Württemberg (AMPV) kommt das BSG zur Auffassung, dass die gezahlte Umsatzsteuer von dem Krankenhaus zurückzuzahlen ist.  

 

Sachverhalt 

Das klagende Krankenhaus verfügt über eine klinikumseigene Apotheke und lieferte für eine Vielzahl von Versicherten der Beklagten patientenindividuell zubereitete Zytostatika. Grundlage hierfür war die zwischen den Vertragsparteien geltende Arzneimittelpreisvereinbarung in Baden-Württemberg. § 5 AMPV lautete wie folgt: 

„(1) Grundlage der Preisberechnung ist der für den Tag der Abgabe in der Großen Deutschen Spezialitätentaxe (Lauer-Taxe) geltende Apothekeneinkaufpreis.

(2) Die Krankenkassen tragen Kosten in folgender Höhe:

- Zubereitungen:

  Lauer-Einkaufspreis - 2 % für die Zubereitungsbestandteile – Herstellungspauschale iHv 16 €

  […]

(3) Die gem. Abs. 2 ermittelnden Beträge erhöhen sich um den jeweils geltenden Mehrwertsteuersatz. 

 

In Fußnote 3 zu Abs. 3 heißt es: Ist die Abgabe durch die Krankenhausapotheke nicht umsatzsteuerpflichtig, so ist wegen der fehlenden Möglichkeit des Vorsteuerabzugs die Umsatzsteuer fiktiv aufzuschlagen. Dies gilt nicht hinsichtlich der Herstellungspauschale.“

 

 

Das Krankenhaus führte die Umsatzsteuer an das Finanzamt ab. Nachdem der BFH am 24.09.2014 entschieden hatte, dass die Abgabe von patientenindividuell hergestellten Zytostatika grundsätzlich umsatzsteuerfrei ist, forderte die Krankenkasse die entrichtete Umsatzsteuer für die Herstellungspauschalen in Höhe 1.319,36 € für Lieferungen im Jahr 2010 zurück und erhob Klage.

  

Die Klage war in den Vorinstanzen abgewiesen worden. Auf die Revision der Krankenkasse hob  das BSG die Urteile auf und verurteilte das Krankenhaus zur Rückerstattung der Umsatzsteuer bei den Herstellungspauschalen.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG legt die abgeschlossene Preisvereinbarung (AMPV) zu Grunde. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung kommt es zu der Auffassung, dass das Krankenhaus verpflichtet ist, die berechnete Umsatzsteuer an die Krankenkasse zurückzuzahlen. Diese Anspruchsgrundlage gelte für Fälle, in denen die Steueranmeldungen des Krankenhauses noch nicht formell bestandskräftig bzw. noch abänderbar waren. Hätten die Vertragsparteien bedacht, dass die Steuerverwaltung auch mit Rückwirkung die Umsatzsteuerpflicht verneint, hätten Sie vereinbart, dass den Krankenkassen ein Anspruch auf Rückzahlung zu Unrecht erhobener Umsatzsteuer zusteht. Für den Fall, dass die Steueranmeldungen nicht mehr abänderbar sind, stehe den Krankenkassen ein vertraglicher Schadensersatzanspruch zur Seite. Spätestens nach Erlass des Urteils des BFH vom 24.09.2014 wäre das Krankenhaus verpflichtet gewesen, im Vorgriff auf mögliche Reaktionen der Steuerverwaltung innerhalb der laufenden Festsetzungsfrist die Abänderung der Steueranmeldung/ -festsetzung zu beantragen. Dies wäre dem Krankenhaus auch zumutbar gewesen. 

 

Anmerkung 

 

Aus dem vorliegenden Terminsbericht des BSG lässt sich zunächst entnehmen, dass die abgeschlossene Preisvereinbarung (AMPV) in Baden-Württemberg maßgeblich ist. Da zwischen den Krankenhäusern und den jeweiligen Kassenarten – auch von Land zu Land verschieden – unterschiedliche Verträge nach § 129a SGB V bestehen, ist das Urteil des BSG nur bedingt übertragbar. Zunächst sind daher die in Frage stehenden Verträge sorgfältig zu analysieren, ob sie Aussagen treffen, wie zu verfahren ist, wenn Umsatzsteuerfreiheit besteht. 

 

Der Terminsbericht lässt zudem nicht erkennen, wie vorliegend der mögliche Vorsteuerabzug bewertet wurde. Im Terminsbericht wird lediglich von Rückzahlung der Umsatzsteuer geredet. Der BGH hatte zuletzt mit Urteilen vom 20.02.2019 (AZ: VIII ZR 7/18, VIII ZR 66/18, VIII ZR 115/18 und VIII ZR 189/18) entschieden, dass die Vertragsparteien statt der angesetzten Vergütung hypothetisch einen um die Differenz zwischen Umsatzsteueranteil und vorgenommenen Vorsteuerabzug verminderten Preis vereinbart hätten. Man könne daher nicht von dem Nettopreis ausgehen.  

 

Erfahrungsgemäß beläuft sich der Vorsteuerabzug auf 76 % (maßgeblich ist der individuelle Vorsteuerabzug), so dass bisher gesetzliche Krankenkassen einen Anspruch von rund 4 % des Umsatzes geltend gemacht haben.  

 

Ein ganz wichtiger Punkt ist dabei, für welche Jahre rückwirkend der Rückerstattungsanspruch in Betracht zu ziehen ist.  Auch hier ist zunächst die Preisvereinbarung zwischen Krankenhaus und Krankenkasse zu analysieren, zu prüfen, ob Verjährungsverzichtserklärungen (befristet oder unbefristet) vorliegen oder ob bereits Verjährung eingetreten ist. 

 

Des Weiteren möchte ich auf die Neuregelung in § 325 SGB V idF des PpSG hinweisen, wonach eine Ausschlussfrist zur Geltendmachung von Vergütungsansprüchen eingeführt wurde. Soweit die Krankenkassen ihre Rückforderungsansprüche bis zum 09.11.2018 nicht gerichtlich geltend gemacht haben, sind sie wohl dann damit ausgeschlossen.  

 

Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werde ich ergänzende Hinweise geben.

 

  letzte Änderung: 15.04.2019 16:46:06
 
Für die jederzeitige Dienstbereitschaft des OP-Personals nach § 5 Abs. 2 QBAA-RL reicht Rufbereitschaft aus
 

Für die jederzeitige Dienstbereitschaft des OP-Personals nach § 5 Abs. 2 QBAA-RL reicht Rufbereitschaft aus. Erst die Änderung der QBAA-RL mit Wirkung zum 22.11.2012 führte zu einer differenzierten Regelung der Einsatzbereitschaft für verschiedene Berufsgruppen.

Urteil des SG Fulda vom 04.12.2018, Az.: S 4 KR 220/12

 

- G-BA-Richtlinie zur Behandlung des Bauchaortenaneurysmas, QBAA-RL idF vom 24.11.2011, Änderungsbeschluss des G-BA zur QBAA-RL vom 16.08.2012, Dienstbereitschaft, Einsatzbereitschaft, Rufbereitschaft, Normenklarheit, Vergütungsausschluss -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

im vorliegenden Rechtsstreit geht es um die Auslegung der QBAA-RL in der Fassung bis zum 21.11.2012. Zwischen den Parteien war streitig, ob § 5 Abs. 2 QBAA-RL die Rufbereitschaft des OP-Personals ausschließt. Das SG Fulda hat die Auffassung der von uns vertretenen Klägerin bestätigt, wonach unter der Dienstbereitschaft auch die Form der Rufbereitschaft zu verstehen ist.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelte im Januar 2012 einen Patienten wegen eines Bauchaortenaneurysmas. Für die Behandlung auf der Basis der DRG F08D rechnete das Krankenhaus einen Gesamtbetrag in Höhe von 8.660,08 € ab. Die beklagte Krankenkasse verweigerte die Bezahlung unter Bezug auf ein Strukturgutachten des MDK, wonach die Qualitätsanforderungen der QBAA-RL nicht erfüllt seien, insbesondere sei das OP-Personal nicht rund um die Uhr im Krankenhaus anwesend.

 

Die Klägerin erhob daher Zahlungsklage.

 

Entscheidungsgründe

 

Das SG Fulda gab der Zahlungsklage statt.

 

Zunächst stellt es fest, dass nach ständiger Rechtsprechung des BSG Qualitätsanforderungen von dem Krankenhaus erfüllt werden müssen. Nur dann handele es sich im Rechtssinne um eine erforderliche Krankenhausbehandlung. Die QBAA-RL normiere in diesem Sinne zwingend einzuhaltende Qualitätsvorgaben.

 

Grundlage für die Leistungserbringung des Krankenhauses sei die QBAA-RL in der Fassung vom 24.11.2011 (BAnz. 2011, S. 4509). Diese Fassung sei vom 01.01.2012 bis 21.11.2012 anzuwenden. § 5 Abs. 2 QBAA-RL regele Anforderungen an das Personal. Danach müsse das entsprechende OP-Personal „jederzeit für die Versorgung dienstbereit sein“. Der Wortsinn „dienstbereit“ umfasse auch die Rufbereitschaft. Der Begriff „zum Dienst bereit“ verlange nicht, dass sich das entsprechende Personal bereits im Dienst befinde. Insoweit habe der G-BA bei der Fassung der QBAA-RL den Begriff der Dienstbereitschaft in einem weiten Sinne verwendet. Dies gehe auch aus der späteren Änderung der QBAA-RL hervor, die nunmehr mit Wirkung zum 22.11.2012 von einer jederzeitigen und sofortigen Einsatzbereitschaft spreche (Beschluss des G?BA vom 16.08.2012). Aus den tragenden Gründen zum Änderungsbeschluss geht hervor, dass erst mit Wirkung zum 22.11.2012 eine Konkretisierung der zeitlichen Verfügbarkeit des notwendigen Personals vorgenommen wurde. Dabei differenziere der Änderungsbeschluss des G-BA zwischen den Berufsgruppen. Die vorhergehende Fassung des G-BA Beschlusses enthielt demgegenüber nur eine allgemeine Vorgabe zur Dienstbereitschaft.

 

Das SG Fulda gab daher der Klage statt.

 

Anmerkung

 

Die Auslegung des SG Fulda richtet sich insbesondere am Wortlaut der QBAA-RL aus. Die QBAA-RL  in der Fassung bis zum Änderungsbeschluss (wirksam ab 22.11.2012) sprach nur von jederzeitiger Dienstbereitschaft und nicht von jederzeitiger und sofortiger Einsatzbereitschaft. Besonderes Gewicht erhalten die Ausführungen des SG Fulda durch das Abstellen auf das verfassungsrechtliche Gebot der Normenklarheit. Es führt aus, dass Richtlinien des G-BA „außenwirksame Normen im Range untergesetzlichen Rechts“ darstellen. Damit müssen die G-BA Richtlinien auch dem Gebot der Normenklarheit genügen.

 

Dem Gebot der Normenklarheit wird daher nur dann ausreichend Rechnung getragen, wenn die Richtlinie des G-BA so klar ist, dass für den Leistungserbringer vorhersehbar ist, welches Begriffsverständnis zugrunde zu legen ist. Lässt der Wortsinn ein anderes Begriffsverständnis zu, muss zu Gunsten des Leistungserbringers von dieser möglichen Auslegung ausgegangen werden.

 

Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Grundsätze der Normenbestimmtheit und Normenklarheit spielen auch bei anderen G-BA Beschlüssen und Richtlinien eine bedeutende Rolle und können in anderen Abrechnungsstreitigkeiten angeführt werden.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  Datum: 27.02.2019 16:36:25
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Newsletter: Notdienst Ermaechtigte Krankenhausaerzte
 

 Ermächtigte Krankenhausärzte sind nicht verpflichtet am ärztlichen Bereitschaftsdienst (Notdienst) der KV teilzunehmen.

 

Urteil des BSG vom 12.12.2018, Az: B 6 KA 50/17 R

 

- Ermächtigte Krankenhausärzte, Notdienst, Bereitschaftsdienst, ärztlicher Notdienst der KV -

Sehr geehrte Damen und Herren,

vorliegend ging es um die Rechtsfrage, ob ein ermächtigter Krankenhausarzt an dem ärztlichen Bereitschaftsdienst (Notdienst) der KV Hessen teilnehmen muss. Dies hat das BSG mit überzeugenden Gründen verneint.

Sachverhalt

Der klagende Oberarzt eines Krankenhauses ist zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 116 SGB V ermächtigt worden. Die 2013 geänderte Bereitschaftsdienstordnung der KV Hessen sieht vor, dass auch alle ermächtigten Krankenhausärzte am ärztlichen Bereitschaftsdienst (Notdienst) teilnehmen müssen. Der Oberarzt wendete sich vorliegend gegen die Heranziehung zum Notdienst mit der Klage. Während die erste Instanz seine Klage abwies hob das LSG das Urteil des SG auf und stellte fest, dass der Bescheid der beklagten KV über die Einteilung des Oberarztes zur Teilnahme am Bereitschaftsdienst rechtswidrig ist.

Hiergegen legte die KV Revision ein, die allerdings keinen Erfolg hatte.

Entscheidungsgründe

Das BSG kommt zur Rechtsauffassung, dass die Regelung in § 3 Abs. 1 der Bereitschaftsdienstordnung der KV Hessen, die die Heranziehung von ermächtigten Ärzten zum ärztlichen Bereitschaftsdienst (Notdienst) vorsieht, mit höherrangigem Recht nicht vereinbar ist.

Das BSG knüpft insoweit an den Zulassungsstatus des ermächtigten Arztes an. Der ermächtigte Arzt ist nur für bestimmte Leistungen in die ambulante Versorgung der Versicherten eingebunden. Insoweit stelle die Ermächtigung einen grundsätzlich anderen Grad der Einbeziehung in die vertragsärztliche Versorgung als die Zulassung dar. Aufgrund seiner Rechtsstellung sei der ermächtigte Arzt nicht für die Sicherstellung der vertragsärztlichen ambulanten Versorgung „rund um die Uhr“ verantwortlich.

Anmerkung

Dem Urteil des BSG ist voll zuzustimmen. Das BSG stellt insbesondere heraus, dass zwischen der Ermächtigung eines Krankenhausarztes und der Zulassung eines Vertragsarztes ein wesentlicher Unterschied besteht. Schließlich stellt die Ermächtigung nur eine „Nebentätigkeit“ zur hauptberuflichen Tätigkeit des angestellten Arztes im Krankenhaus dar. Würde man von einer Verpflichtung zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst (Notdienst) der KV ausgehen, würde auch in das Dienstverhältnis mit dem Krankenhausträger als Arbeitgeber eingegriffen. Schließlich kann der angestellte ermächtigte Arzt nicht über seine Arbeitszeit frei verfügen, sondern unterliegt dem Direktionsrecht des Krankenhauses.

  letzte Änderung: 26.02.2019 11:11:56
 
Newsletter Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung
 

Die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung (OPS-Kode 8-550) stellt eine allgemeine Krankenhausleistung in Form einer Leistung zur Frührehabilitation bei akutstationärer Behandlung gem. § 2 Abs. 2 Nr. 5 KHEntgG i.V.m. § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V dar. Der Krankenhausplan des Landes Sachsen-Anhalt und die entsprechenden Rahmenvorgaben weisen die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung nicht exklusiv einem geriatrischen Zentrum zu.

Beschluss des OVG des Landes Sachsen-Anhalt vom 03.12.2018, Az.: 1 L 10/17 (rechtskräftig)

 - Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung, Frührehabilitation, Allgemeine Krankenhausleistung, OPS-Kode 8-550, Krankenhausplan Sachsen-Anhalt, Rahmenvorgaben nach § 3 Abs. 2 KHG LSA, Versorgungsauftrag Innere Medizin, -

  

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

im vorliegenden Rechtsstreit ging es um die Grundsatzfrage, ob die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung (OPS-Kode 8-550) in Sachsen-Anhalt den geriatrischen Zentren exklusiv zugewiesen ist. Das OVG Sachsen-Anhalt (im Folgenden OVG genannt) hat dies mit einer eindrucksvollen Begründung verneint.

 

Sachverhalt

 

Die Pflegesatzparteien konnten sich 2012 nicht über die Berücksichtigung der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung im Erlösbudget einigen. Zwar hatte die Schiedsstelle in Sachsen-Anhalt einen Beschluss zu Gunsten des Krankenhauses gefällt; dieser wurde jedoch von der Genehmigungsbehörde nicht genehmigt. Die Genehmigungsbehörde vertrat die Auffassung, dass die Erbringung der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung nach dem Krankenhausplan in Sachsen-Anhalt und den entsprechenden Rahmenvorgaben den geriatrischen Zentren vorbehalten sei. Im Folgeverfahren war die Schiedsstelle an den Versagungsbescheid der Genehmigungsbehörde nach § 14 Abs. 3 KHEntgG gebunden und musste die Rechtsauffassung der Genehmigungsbehörde zu Grunde legen. Die daraufhin ergangene Genehmigung des Beschlusses im Folgeverfahren griff das von uns vertretene Krankenhaus durch Anfechtungsklage an. Das VG wies die Klage ab; der Berufung des Krankenhauses wurde durch das OVG stattgegeben und der Genehmigungsbescheid aufgehoben.

 

Entscheidungsgründe

 

Das OVG nimmt eine zweistufige Prüfung vor.

 

In einem ersten Schritt geht es der Frage nach, welche Bedeutung der Frührehabilitation im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V im Gesetzesgefüge zukommt. Hierbei stützt es sich auf die Begründung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen zum SGB IX (BT-Drucks. 14/5074, S. 117), auf das auch das Urteil des BSG vom 14.10.2014 verweist (B 1 KR 26/13 R).

 

Danach sei „seit Einführung der Frührehabilitation in § 39 Abs. 1 Satz 3 Hs. 2 SGB V bereits bei Aufnahme in das Akutkrankenhaus der funktionelle Status, das Rehabilitationspotential und der Rehabilitationsbedarf des Patienten in die Diagnosestellung einzubeziehen und ein am individuellen Bedarf ausgerichtetes Rehabilitationskonzept in die Krankenbehandlung zu integrieren.“

 

Der Gesetzentwurf weise darauf hin, dass die Erbringung von medizinischen Leistungen zur Rehabilitation im Rahmen der für die jeweilige Akutbehandlung erforderliche Verweildauer zu erfolgen hat und die Integration der medizinischen Rehabilitation in die Krankenhausbehandlung vor allem eine Qualitätsverbesserung der stationären Versorgung darstelle.

 

In einem zweiten Schritt beurteilt das OVG, ob das Land Sachsen-Anhalt die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung exklusiv den geriatrischen Zentren zugewiesen hat mit der Folge, dass Krankenhäuser, denen ein geriatrisches Zentrum nicht zuerkannt wurde, von der Leistungserbringung ausgeschlossen wären. Im Ergebnis verneint das OVG dies.

 

Weder der Feststellungsbescheid noch der Krankenhausplan und die entsprechenden Rahmenvorgaben nach § 3 Abs. 2 KHG LSA schließen Krankenhäuser, die über das Gebiet Innere Medizin verfügen, von der Erbringung der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung aus. Den Regelungen über die Ausweisung von geriatrischen Zentren ist nicht zu entnehmen, dass damit alle anderen Krankenhäuser von dieser spezifischen Behandlung ausgeschlossen sein sollen.

 

Von dem Charakter der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung als allgemeine Krankenhausleistung her gesehen, stellen diese Leistungen auch keine besonderen Aufgaben von Zentren im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 KHEntgG dar. Das OVG kommt daher zu dem Schluss, dass die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung keine „besondere“ nur über Zuschläge gem. § 17b Abs. 1 Satz 4 KHG zu finanzierende Aufgabe eines Geriatriezentrums sei. Es sei nicht ersichtlich, dass die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung in einem geriatrischen Zentrum grundsätzlich qualitativ hochwertiger ausfällt als in einem anderen Krankenhaus, da die sich aus dem OPS-Schlüssel 8-550 ergebenden Anforderungen von jedem Krankenhaus erfüllt werden müssen. Es handelt sich insoweit um eine Standard-Behandlung.

 

Anmerkung

 

Die erste Aussage des OVG, die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung unterliege dem Regelungsregime des § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V ist das wichtigste Kernelement in  der Entscheidung des OVG. Es schließt sich insoweit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG an, wonach es erforderlich ist, bereits bei der Aufnahme in das Akutkrankenhaus den funktionellen Status, das Rehabilitationspotential und den Rehabilitationsbedarf in die Krankenhausbehandlung einzubeziehen. Dies ergibt sich aus der Begründung zum Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Ergänzung von § 39 Abs. 1 SGB V.

 

Da das betreffende Krankenhaus somit verpflichtet war, die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung im Rahmen seines bestehenden Versorgungsauftrages zu erbringen, hätte es den weiteren Ausführungen des OVG zum Krankenhausplan und zu den Rahmenvorgaben nicht weiter bedurft. Das OVG kommt in diesem Zusammenhang jedoch zu dem Schluss, dass weder der Krankenhausplan noch die entsprechenden Rahmenvorgaben in Sachsen-Anhalt eine exklusive Zuweisung an geriatrische Zentren beinhalten. Diese Ausführungen runden insoweit die Entscheidung des OVG ab. Wäre das OVG zu einer gegenteiligen Auffassung bei der Auslegung des Krankenhausplans und der Rahmenvorgaben gelangt, wäre es in einen Zielkonflikt geraten und hätte entscheiden müssen, ob der gesetzlichen Regelung in § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V Vorrang gebührt, wovon angesichts der Rechtsprechung des BSG und der vorgenannten Begründung im Gesetzentwurf auszugehen ist. Danach sollen alle Akutkrankenhäuser die Frührehabilitation von Anfang an in die Behandlung mit einbeziehen. 

 

Der Beschluss des OVG Sachsen-Anhalt ist hier wiedergegeben.  

  letzte Änderung: 14.01.2019 08:42:54
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Newsletter Aufwandspauschale
 

Beschluss des BVerfG über die Aufwandspauschale bei sachlich-rechnerischer Richtigkeitsprüfung von Krankenhausrechnungen:  

Die Rechtsprechung des BSG, wonach den Krankenhäusern keine Aufwandspauschale bei einer sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung zusteht, überschreitet nicht die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung (betr. Rechtslage vor 2016).

 

Beschluss des BVerfG vom 26.11.2018, Az.: 1 BvR 318/17, 1 BvR 1474/17, 1 BvR 2207/17

 

- Aufwandspauschale, sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung, Auffälligkeitsprüfung, richterliche Rechtsfortbildung, § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 275 Abs. 1c SGB V -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

 

das BVerfG hat mit vorgenannten Beschluss, der am 08.01.2019 veröffentlicht wurde, die Verfassungsbeschwerden mehrerer Krankenhausträger nicht zur Entscheidung angenommen. Es hat sich in dem vorgenannten Beschluss jedoch eingehend mit der Rechtsprechung des BSG zur sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung befasst und im Ergebnis konstatiert, dass diese Rechtsprechung zu einem eigenen Prüfregime der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung, die keinen Anspruch auf Aufwandspauschale auslöst, nicht die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreitet.

Sachverhalt

 

In einer Vielzahl von Fällen zahlten die Krankenkassen die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V nicht mit dem Hinweis, dass nach der Rechtsprechung des BSG bei sachlich-rechnerischer Richtigkeitsprüfung kein Anspruch auf Aufwandspauschale bestünde. Mehrere Krankenhäuser hatten Verfassungsbeschwerde gegen die Rechtsprechung des BSG zum fehlenden Anspruch der Krankenhäuser auf Aufwandspauschale bei sachlich-rechnerischer Richtigkeitsprüfung eingelegt. Die Beschwerdeführerinnen vertraten die Auffassung, die Rechtsprechung des BSG überschreite die Grenzen verfassungsrechtlich zulässiger Rechtsfortbildung.

 

Entscheidungsgründe

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen. In einer umfangreichen Begründung kommt das BVerfG zur Auffassung, das BSG habe mit der Einführung eines eigenständigen Prüfregimes „sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung“ nicht die verfassungsrechtlichen Grenzen zulässiger Rechtsfortbildung überschritten. Gleichzeitig bringt es jedoch klar zum Ausdruck, dass ab 01.01.2016 eine neue Rechtslage gilt, wonach die Aufwandspauschale unter den gegebenen Voraussetzungen auch bei einer sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung Anwendung findet.  

 

Das BVerfG lässt sich von folgenden Erwägungen leiten:

(1) Aus § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ergibt sich nicht zwingend, dass dort alle denkbaren Abrechnungsprüfungen der Krankenkassen unter Einbeziehung des MDK erfasst werden und den Regelungen des § 275 Abs. 1c SGB V unterworfen sind.

(2) Es bestehen nachvollziehbare Anknüpfungspunkte für die Auffassung des BSG zur Differenzierung zwischen sog. Auffälligkeitsprüfung und der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Der Begriff der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung stamme aus dem Vertragsarztrecht. Während die Auffälligkeitsprüfung ein Unterfall der Wirtschaftlichkeitsprüfung sei, betreffe die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung die Frage der Fehlerfreiheit der Abrechnung als solche. Für seine Übertragung auf die Prüfung der Krankenhausabrechnungen kann sich das BSG nachvollziehbar darauf berufen, dass § 301 SGB V die Krankenhäuser zur Übermittlung der für die Prüfung der Kodierung und damit der Höhe des Leistungsbetrages wesentlichen Daten an die Krankenkassen verpflichtet.

 

(3) Die Beschwerdeführerinnen haben zwar keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Durchführung der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung gesehen, haben sich aber nicht substantiiert damit auseinandergesetzt, dass sie sich in diesem Fall gegen die Durchführung einer derartigen Prüfung hätten wehren können.

 

 

(4) In der Gesamtschau stehen der Rechtsprechung des BSG gewichtige Gründe zur Seite. Jeder Schuldner habe das Recht, die Berechtigung der ihm gegenüber erhobenen Forderungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen. Hinzu kämen spezifische Überlegungen aus dem Verhältnis von Krankenhäusern und Krankenkassen. Zurecht habe daher das BSG eine eingeschränkte Prüftätigkeit der Kassen als problematisch angesehen. Damit einher gehe ein legitimes Interesse der Krankenkassen aus den Besonderheiten des Abrechnungssystems. Dabei geht es weniger um bewusste Falschabrechnungen, sondern um den Prüfungsbedarf wegen des Charakters des Systems als lernendes System. 

 

(5) Die Gesetzgebungsmaterialen stehen der Rechtsprechung des BSG nicht entgegen. Die Erwägungen in den Materialen zur Einführung von § 275 Abs. 1c SGB V, die für einen weiten Anwendungsbereich der Vorschrift sprechen, haben jedoch keinen eindeutigen Ausdruck in Wortlaut und Systematik der Vorschrift gefunden.  

 

(6) Das BSG gehe zudem zurecht davon aus, dass die Anfügung von Satz 4 an § 275 Abs. 1c SGB V, wonach auch für die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung ab 01.01.2016 eine Aufwandspauschale in Betracht komme, nicht als rückwirkende Klarstellung der geltenden Rechtslage anzusehen ist. Dass dies gegen das Willkürverbot aus Artikel 3 Abs. 1 GG verstoße, hätten die Beschwerdeführerinnen nicht hinreichend substantiiert gerügt.

 

Anmerkung und Praxisempfehlung

 

Der Beschluss des BVerfG ist bedauerlich, muss jedoch für die Fallkonstellation, dass Krankenkassen die in Rechnung gestellte Aufwandspauschale bei sachlich-rechnerischer Richtigkeitsprüfung nicht gezahlt haben, hingenommen werden.

 

Kritisch zu betrachten ist die Annahme des BVerfG, die Krankenhäuser hätten sich gegen die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung als solche wehren müssen. Der Ausgangspunkt war vielmehr, dass Krankenkassen in der Regel sogar ausdrücklich auf § 275 Abs. 1c SGB V gestützt ein Prüfungsverfahren durch den MDK eingeleitet haben, aber im Nachhinein die Zahlung der Aufwandspauschale bei positivem Ausgang der Prüfung im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG verweigerten.

 

Leider übernimmt das BVerfG ungeprüft und nicht weiter belegt die Auffassung, im Krankenhausbereich gäbe es über 40 % fehlerhafte Abrechnungen. Hier bedarf es einer weiteren konsequenten Öffentlichkeitsaufklärung durch die Krankenhausverbände.

 

Nun gilt es den Blick nach vorne zu richten:

 

(1) Bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist, ob die Krankenhäuser sich auf Vertrauensschutz berufen können, wenn die Krankenkassen über Jahre hinweg die Aufwandspauschale auch bei sachlich-rechnerischer Richtigkeitsprüfung gezahlt haben. Die Rechtsprechung des BSG zur Einführung eines neuen Prüfregimes der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung ist erst Mitte des Jahres 2014 ergangen. Bis dahin kannten weder die Krankenkassen noch die Krankenhäuser und das BSG dieses neue Prüfregime. 

 

(2) Ab 01.01.2016 wird vom BVerfG anerkannt, dass die Krankenhäuser einen Anspruch auf Aufwandspauschale auch bei der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung unter den gegebenen Voraussetzungen haben. 

 

(3) Es gibt eine Vielzahl von Fallgestaltungen, bei der gleichzeitig sowohl eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung als auch eine Auffälligkeitsprüfung von Kassenseite veranlasst wurde. Hier gibt es keinen Anlass, nicht die Aufwandspauschale geltend zu machen.

 

(4) Inzwischen ist das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) vom 11.12.2018 in Kraft getreten (BGBl. I, S. 2394). Dieses sieht in § 325 SGB V einen gesetzlichen Ausschlusstatbestand für die Krankenkassen für die Rückzahlung von geleisteten Vergütungen vor. Die gezahlten Aufwandspauschalen vor dem 01.01.2016 stellen Vergütungen in diesem Sinne dar und hätten daher vor dem 09.11.2018 von Seiten der Krankenkassen gerichtlich geltend gemacht werden müssen. Soweit die Krankenkassen diesen Weg nicht eingeschlagen haben, sind sie für die zurückliegenden Jahre mit einem Rückzahlungsanspruch ausgeschlossen. 

 

(5) Des Weiteren gilt nach § 109 Abs. 5 SGB V i.d.F. des PpSG nunmehr die zweijährige Verjährungsfrist für die Krankenkassen auch rückwirkend für Rückzahlung von geleisteten Vergütungen vor dem 01.01.2019. Insoweit sind Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung der Aufwandspauschale aus den Jahren bis einschließlich 2015 bereits verjährt.

 

Zur Beantwortung weiterer Einzelfragen und zur Vertretung bei diesen komplexen Fragestellungen stehen Ihnen unsere Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte gerne zur Seite.

 

Die Pressemitteilung des BVerfG vom 08.01.2019, auf der diese Newsletter beruht, sowie der Nichtannahmebeschluss des BVerfG sind hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 21.01.2019 11:31:50
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Newsletter Änderungen des DIMDI
 

Rückwirkende Änderungen und Klarstellungen des DIMDI zu den OPS-Kodes 8-550 und 8-981 und 8-98b

  - Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung, Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

wie angekündigt hat nunmehr das DIMDI in Ausführung der Neuregelungen gem. § 301 Abs. 2 Satz 4 SGB V und § 295 Abs. 1 Satz 6 SGB V i.d.F. des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes rückwirkende Klarstellungen und Änderungen zu den OPS-Kodes 8-550 (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung), zum OPS-Kode 8-981 (Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfall) und zum OPS-Kode 8-98b (Andere Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls) vorgenommen.

Änderungen und Klarstellungen zum OPS-Kode 8-550

Die wesentlichen Kernpunkte hierzu sind:

  • Die wöchentliche Teambesprechung erfolgt unter Beteiligung aller Berufsgruppen einschließlich der fachärztlichen Behandlungsleitung. Eine Beteiligung des Sozialdienstes ist nicht erforderlich.

  • Eine wochenbezogene Dokumentation ist erfüllt, wenn sie die Ergebnisse der bisherigen Behandlung und die weiteren Behandlungsziele umfasst. Der Verlauf der Teambesprechung muss nicht dokumentiert werden.

  • Zur wochenbezogenen Dokumentation reichen die Beiträge der patientenbezogen beteiligten Berufsgruppen aus.

  • Weitere Nachweise zur Durchführung der Teambesprechung, die über die vorstehende Dokumentation hinausgehen, sind nicht erforderlich.

     

    Diese Änderungen und Klarstellungen treten am 01.01.2019 mit Rückwirkung zum 01.01.2013 in Kraft.

     

    Änderungen und Klarstellungen zu den OPS-Kodes 8-981 und 8-98b

     

    Kernpunkt dieser Änderungen ist die Definition der halbstündigen Transportentfernung zu einem Kooperationspartner, die wie folgt lautet:

     

    „Es gibt jeweils eine eigene Abteilung im Hause oder einen Kooperationspartner, der innerhalb einer halben Stunde zwischen Rettungstransportbeginn und Rettungstransportende (das ist die Zeit, die der Patient im Transportmittel verbringt) erreichbar ist. Das Strukturmerkmal ist erfüllt, wenn der Transport unter Verwendung des schnellstmöglichen Transportmittels (z.B. Hubschrauber) grundsätzlich innerhalb einer halben Stunde möglich ist.“

     

    Diese Änderungen und Klarstellungen treten am 01.01.2019 mit Rückwirkung zum 01.01.2014 in Kraft.

     

    Anmerkungen

     

    Diese Änderungen und Klarstellungen zum OPS-Kode 8-550 (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung) wurden notwendig, weil das BSG mit Urteil vom 19.12.2017, Az.: B 1 KR 19/17 R, über den Wortlaut des OPS-Kodes 8-550 hinaus erweiterte Anforderungen an die wöchentliche Teambesprechung gestellt hat. Gleiches gilt für den OPS-Kode 8-981 und 8-98b (Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls), bei dem das BSG mit Urteil vom 19.06.2018, Az.: B 1 KR 39/17 R, den Begriff der Transportentfernung über den Wortlaut der OPS-Kodes neu definiert hat und den Rettungstransportbeginn auf die Entscheidung des Arztes, ein Transportmittel anzufordern, bezogen hat.

     

    Das DIMDI sah daher Veranlassung, eine rückwirkende Klarstellung der vorgenannten OPS-Kodes vorzunehmen, um den Rechtsfrieden herzustellen. Die vom BSG hierzu vertretenen Ansichten sind daher überholt.

     

    Es ist zu hoffen, dass die Krankenkassen aufgrund der Änderungen und Klarstellungen ihre Klagen zurücknehmen und zu Unrecht vorgenommene Verrechnungen wieder rückgängig machen werden. Es wird daher den Krankenhäusern empfohlen, diese Linie weiter zu verfolgen.

     

    Die Änderungen und Klarstellungen des OPS-Kodes sind hier wiedergegeben. 

  letzte Änderung: 06.12.2018 09:17:08
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Newsletter Behandlung mit Avastin
 

Die Arzneimittelsicherheit wird im Falle zulassungspflichtiger Arzneimittel dadurch gewährleistet, dass das Inverkehrbringen von näher qualifizierten Arzneimitteln unter einem strikten Verbot mit Erlaubnisvorbehalt steht. Alle Rechtssubjekte einschließlich der GKV-Versicherten haben die mangelnde Verkehrsfähigkeit eines Arzneimittels zu beachten. Der Vorrang des Arzneimittelzulassungsrechts entspricht auch dem Zweck des SGB V als System der kollektiven Versorgung seiner Versicherten u.a. mit qualitativ hochwertigen, sicheren und wirksamen Arzneimitteln.  

Urteil des BSG vom 11.09.2018, Az.: B 1 KR 36/17 R

  

- Behandlung mit Avastin (Bevacizumab), ZE 74.08, Off-Label-Use, Arzneimittelzulassung, EMA, Verbot mit Erlaubnisvorbehalt -

  

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

bei der Krankenhausbehandlung stellt sich häufig die Frage, ob ein Zusatzentgelt oder eine NUB abgerechnet werden darf, wenn das entsprechende Arzneimittel nicht zugelassen wurde oder außerhalb des Zulassungsbereiches eingesetzt wird. Das BSG kommt zum Ergebnis, dass eine teilstationäre Behandlung mit Avastin (Bevacizumab) mangels Zulassung und auch unter dem Gesichtspunkt des Off-Label-Use nicht zulässig war. Es versagte daher den Vergütungsanspruch.

 

Sachverhalt

 

Das Krankenhaus behandelte einen Patienten wegen eines Glioblastoma multiforme (bösartiger hirneigener Tumor) mit dem Arzneimittel Avastin und berechnete hierfür das Zusatzentgelt 74.08 (Gabe von Bevacizumab). Die beklagte Krankenkasse wandte ein, das Arzneimittel Avastin sei nicht für die Behandlung rezidivierender Glioblastome zugelassen.

 

Das SG wies die Klage ab; die Sprungrevision des klagenden Krankenhauses hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

  

Das BSG stellt fest, dass der Patient zurzeit der Behandlung im Krankenhaus keinen Anspruch auf Versorgung mit dem Arzneimittel Avastin zur Therapie von Glioblastomrezidiven hatte. Die Voraussetzungen auf Zahlung des ZE 74.08 seien nicht erfüllt.

  

Zur Begründung führt das BSG an, dass Versicherte nach allgemeinen Grundsätzen eine Versorgung mit verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln wie Avastin zur Krankenbehandlung nur bei indikationsbezogener Zulassung beanspruchen können. Im vorliegenden Fall fehlt es an einer rechtsrelevanten arzneimittelrechtlichen Zulassung von Avastin für die Behandlung generell von Glioblastomen und speziell von Glioblastomrezidiven. Fehlt Arzneimitteln die erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung besteht keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung. Im vorliegenden Fall fehlte es an der für das Inverkehrbringen unerlässlichen Zulassung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA). Die bestehende Arzneimittelzulassung z.B. in den USA entfalte nach diesen Grundsätzen nicht zugleich auch entsprechende Rechtswirkung für Deutschland.

 

Im vorliegenden Fall verneint das BSG auch einen Anspruch des Versicherten nach den Grundsätzen für einen Off-Label-Use. Zum Behandlungszeitpunkt bestand aufgrund der Datenlage keine begründete Erfolgsaussicht für die Behandlung. Von hinreichenden Erfolgsaussichten ist nur dann auszugehen, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das betroffene Arzneimittel für die relevante Indikation zugelassen werden kann. Hierzu bedürfe es Erkenntnisse in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III und einen Beleg des klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken.

  

Schließlich führt das BSG ergänzend aus, dass auch kein Leistungsanspruch des Versicherten nach den Grundsätzen grundrechtsorientierter Leistungsauslegung aus der Regelung des § 2 Abs. 1a SGB V besteht. Daraus kann kein Anspruch auf Fertigarzneimittel hergeleitet werden, die nicht zugelassen wurden.

  

Anmerkung

  

Das Urteil des BSG führt dazu, dass sich die Krankenhäuser vor dem Einsatz von Arzneimitteln, die Zusatzentgelte auslösen, vergewissern, ob eine entsprechende arzneimittelrechtliche Zulassung für Deutschland besteht. Zulassungen außerhalb des europäischen Raums, z.B. USA, ersetzen nicht die arzneimittelrechtliche Zulassung der EMA. Zusätzlich ist zu beachten, ob sich die Zulassung des betreffenden Arzneimittels auch auf die für die Behandlung maßgebliche Indikation bezieht. Andernfalls gehen die Krankenhäuser wirtschaftliche Risiken ein.

  

Avastin ist in Europa zugelassen zur Behandlung fortgeschrittener Stadien von Brustkrebs, Dickdarm- bzw. Enddarmkrebs, Lungenkrebs, Nierenkrebs, Eierstockkrebs und Gebärmutterhalskrebs. Eine Zulassungsempfehlung für Avastin bei Glioblastom besteht in Deutschland zurzeit nicht (siehe Gebrauchsanweisung von Roche Pharma AG).

  

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 03.12.2018 10:28:47
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Verjährung von Rückforderungsansprüchen der Krankenkassen für die Jahre 2014 und 2015
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

inzwischen erfolgte der zweite Durchgang des Pflegepersonalstärkungsgesetzes (PpSG) im Bundesrat. Es wird daher nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 01.01.2019 in Kraft treten.

 

In den vorherigen Newslettern haben wir Sie bereits über die Verkürzung der Verjährungsfrist gem. § 109 Abs. 5 SGB V i.d.F. PpSG und die gesetzliche Ausschlussfrist gem. § 325 SGB V i.d.F. PpSG im Einzelnen informiert.

 

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal hervorheben, dass der neue § 109 Abs. 5 Satz 2 SGB V festlegt, dass Ansprüche der Krankenkassen auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen rückwirkend für alle Rückforderungsansprüche der Krankenkassen, die vor dem 01.01.2019 entstanden sind, der zweijährigen Verjährungsfrist unterliegen.

 

Dies bedeutet, dass (vermeintliche) Rückforderungsansprüche der Krankenkassen aus dem Jahr 2014 Ende des Jahres 2016 und Rückforderungsansprüche der Krankenkassen aus dem Jahr 2015 Ende des Jahres 2017 als verjährt einzustufen sind.

 

Bekanntlich beziehen sich eine Vielzahl von Klagefällen der Krankenkassen, die noch in letzter Minute vor dem 09.11.2018 (Stichtag von § 325 SGB V) eingereicht wurden, auf (vermeintliche) Rückforderungsansprüche für die Jahre 2014 und 2015.

 

Es wird daher empfohlen, in diesen Fällen unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes zum 01.01.2019 die Einrede der Verjährung zu erheben.

 

Auf die aktualisierte Übersicht „Verkürzung der Verjährungsfrist – Ausschlussfrist für die KK“ wird verwiesen, die Sie hier in der Anlage ersehen können.

 

Mit der überraschenden Klageflut von Krankenkassen befasst sich auch der Fachaufsatz von Kaysers-Consilium mit dem anschaulichen Titel „Kassen verhalten sich wie die Lemminge“, eine fachkompetente und gleichzeitig humorvolle Betrachtung der aktuellen Situation.

https://www.kaysers-consilium.de/dwnld/kassen-verhalten-sich-wie-die-lemminge-18112018.pdf

  letzte Änderung: 28.11.2018 10:59:34
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Newsletter PpSG
 

Verkürzung der Verjährungsfrist – Ausschlussfrist für Rückforderungen der gesetzlichen Krankenkassen

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

einer Pressemitteilung zufolge hat heute der Deutsche Bundestag in 2. und 3. Lesung das Pflegepersonalstärkungsgesetz (PpSG) verabschiedet. Der zweite Durchgang im Bundesrat ist für den 23.11.2018 vorgesehen. Das PpSG ist nicht zustimmungspflichtig, so dass es planmäßig zum 01.01.2019 in Kraft treten kann.

 

Ausgehend davon, dass das PpSG eine Verkürzung der Verjährungsfrist und eine gesetzliche Ausschlussfrist für die gesetzlichen Krankenkassen vorsieht, rollte gestern eine massive Verrechnungswelle der Krankenkassen auf die Krankenhäuser zu. Dies gibt Veranlassung, auf folgende Neuregelungen durch das PpSG hinzuweisen:

 

1. Verkürzung der Verjährungsfrist (§ 109 Abs. 5 SGB V i.d.F. PpSG)

 

Für Vergütungsansprüche der Krankenhäuser und öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche der gesetzlichen Krankenkassen gilt ab 01.01.2019 die (verkürzte) Verjährungsfrist von zwei Jahren (§ 109 Abs. 5 Satz 1 SGB V i.d.F. PpSG).

 

Für Vergütungsansprüche der Krankenhäuser, die bis zum 31.12.2018 entstanden sind, bleibt es bei der vierjährigen Verjährungsfrist (§ 109 Abs. 5 Satz 3 SGB V i.d.F. PpSG). Dies bedeutet, dass Krankenhäuser Vergütungsansprüche aus dem Jahr 2014 noch bis zum 31.12.2018 gerichtlich geltend machen können. Die Vergütungsansprüche der Krankenhäuser aus dem Jahr 2015 verjähren zum 31.12.2019, Vergütungsansprüche aus dem Jahr 2016 verjähren zum 31.12.2020, Vergütungsansprüche aus dem Jahr 2017 verjähren zum 31.12.2021 und Vergütungsansprüche aus dem Jahr 2018 verjähren zum 31.12.2022.

 

Öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche der Krankenkassen unterliegen auch rückwirkend der zweijährigen Verjährungsfrist, d.h. Rückforderungsansprüche der Krankenkassen aus dem Jahr 2017 verjähren zum 31.12.2019 und Rückforderungsansprüche aus dem Jahr 2018 verjähren zum 31.12.2020 (§ 109 Abs. 5 Satz 2 SGB V i.d.F. PpSG).

 

2. Gesetzliche Ausschlussfrist (§ 325 SGB V (neu) i.d.F. PpSG)

 

Für die gesetzlichen Krankenkassen ist eine gesetzliche Ausschlussfrist für Ansprüche auf Rückzahlung geleisteter Vergütungen vorgesehen. Danach ist die Geltendmachung von Ansprüchen der Krankenkassen auf Rückzahlung geleisteter Vergütungen ausgeschlossen, soweit diese vor dem 01.01.2017 entstanden sind und bis zum 09.11.2018 (2. und 3. Lesung des PpSG) nicht gerichtlich geltend gemacht wurden.

 

Dies bedeutet, dass die gesetzliche Ausschlussfrist für Rückforderungsansprüche der Krankenkassen dann greift, wenn die Ansprüche aus den Jahren 2014 bis 2016 nicht im Klagewege bis zum Stichtag 09.11.2018 von Seiten der Krankenkassen geltend gemacht wurden.

 

Die Gesetzesbegründung bringt klar zum Ausdruck, dass verhindert werden soll, dass die Krankenkassen noch bis zum Ende des Jahres 2018 zahlreiche gerichtliche Verfahren einleiten. Die Durchsetzung entsprechender Rückzahlungsansprüche der Krankenkassen, die eine solche Vorgehensweise bereits angekündigt haben, wird ausgeschlossen. Damit hat der Gesetzgeber eine von Amts wegen zu berücksichtigende gesetzliche Ausschlussfrist geregelt, die für die Krankenkassen anspruchsvernichtenden Charakter hat. Der Gesetzgeber hebt den Sinn der gesetzlichen Ausschlussfrist hervor, die dem Ziel diene, die Entlastung der Sozialgerichte und die Durchsetzung des Rechtsfriedens herbeizuführen.

 

Zum besseren Verständnis wird auf die von hier erstellte Übersicht der Wirkung der Regelungen von § 109 Abs. 5 Satz 1 bis 3 SGB V und § 325 SGB V i.d.F PpSG verwiesen (Anlage).

 

Dabei wird in der Übersicht unterschieden zwischen KH und KK sowie zwischen Klagemöglichkeit (Klage +) und Anspruchsausschluss. Die Übersicht ist jahresbezogen für den Zeitraum 2014 bis 2018 aufbereitet. Das verwendete Kennzeichen ? bedeutet dementsprechend, dass die jeweilige Institution Klage erheben kann bzw. einem Anspruchsausschluss unterliegt. Ergänzend wurden die Verjährungsfristen und die Rechtsgrundlage angegeben.

 

Grundsätzlich kann von hier die Empfehlung gegeben werden, sich gegen geltend gemachte Rückforderungsansprüche gerichtlich zu wehren, wenn die Krankenkassen dem nunmehr gesetzlich geregelten Anspruchsausschluss nach § 325 SGB V (neu i.d.F. PpSG) unterliegen.

 

Auf die beigefügte Übersicht wird verwiesen.

  letzte Änderung: 09.11.2018 12:25:32
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Beschluss des BT-Gesundheitsausschusses zum Pflegepersonalst�¤rkungsgesetz am 07.11.2018
 

BT-Gesundheitsausschuss billigt Verkürzung der Verjährungsfrist – Ausschlussregelung für Rückforderungsansprüche der Krankenkassen

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

zurzeit entfalten die gesetzlichen Krankenkassen erhebliche Aktivitäten, um im Hinblick auf die bekannten Urteile des BSG zur geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung und zur neurologischen Komplexbehandlung noch in letzter Sekunde Rückforderungen durch Verrechnung oder auf dem Klagewege durchzusetzen.

Einer Pressemitteilung des Deutschen Bundestages zufolge hat der BT-Ausschuss grünes Licht für das Pflegepersonalstärkungsgesetz gegeben. Die letzten Änderungsanträge der Regierungsfaktionen umfassten auch eine Verkürzung der Verjährungsfrist auf zwei Jahre.

Es ist daher davon auszugehen, dass vom BT-Gesundheitsausschuss auch eine Übergangsregelung für Rückzahlungsansprüche der Krankenkassen beschlossen wurde, die in einem Antrag zur Einführung von § 325 SGB V vorgesehen war. Diese Übergangsregelung lautet wie folgt:

„Die Geltendmachung von Ansprüchen der KK auf Rückzahlung von geleisteten Vergütungen ist ausgeschlossen, soweit diese vor dem 1. Januar 2017 entstanden sind, und bis zum [09.11.2018] nicht gerichtlich geltend gemacht wurden.“

Zwar kann noch nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden, ob dies der genaue Wortlaut der Regelung ist; dem Vernehmen nach soll aber dies in der bisher vorliegenden Form des Änderungsantrages beschlossen worden sein.

Dies bedeutet, dass Rückforderungsansprüche der Krankenkassen, die vor dem 01.01.2017 entstanden sind, gerichtlich – also im Klagewege – bis zum 09.11.2018 geltend gemacht werden müssen. (Am 09.11.2018 ist die zweite und dritte Lesung des Bundestages, auf die der vorgenannte Änderungsantrag abstellt.)

Tritt diese Übergangsregelung in Kraft, bedeutet dies eine gesetzliche Ausschlussfrist für die Krankenkassen. Die Übergangsregelung betrifft die Jahre 2014 bis 2016. Für Rückforderungsansprüche ab 01.01.2017 gilt dann die neue Verjährungsfrist von zwei Jahren.

Unabhängig davon wird empfohlen, sich gegen Verrechnungen und Rückforderungsansprüche der Krankenkassen aufgrund der bedenklichen Rechtsprechung des BSG zu wehren. Dies gebietet bereits der Vertrauensschutz und die Regelung zur 6-Wochen-Frist für die Einleitung von MDK-Prüfverfahren (§ 275 Abs. 1c Satz 2 und 4 SGB V). Zum jetzigen Zeitpunkt eingeleitete MDK-Prüfverfahren wären bei Altfällen verfristet. Zudem trägt die Krankenkasse die Beweislast für das Vorliegen von Rückforderungsansprüchen.

Neueren Informationen nach soll der zweite Durchgang im Bundesrat bereits am 23.11.2018 erfolgen; der Gesetzentwurf ist allerdings nicht zustimmungspflichtig. Er soll zum 01.01.2019 in Kraft treten.

Über den weiteren Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens zum Pflegepersonalstärkungsgesetz (zweite und dritte Lesung am 09.11.2018) werde ich Sie zeitnah informieren.

  letzte Änderung: 08.11.2018 10:17:11
 
Neues aus der Gesetzgebung
 

Änderungsantrag der Regierungsfraktionen zum Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG)

hier: Spezifische Verjährungsfrist für Vergütungsansprüche der Krankenhäuser bzw. Rückforderungsansprüche der Krankenkassen

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

im Rahmen des laufenden Gesetzgebungsverfahrens zum PpSG planen die Regierungsfraktionen die Einführung einer Verjährungsfrist von zwei Jahren für Vergütungsansprüche der Krankenhäuser bzw. Rückforderungsansprüche der Krankenkassen.

 

Der Änderungsantrag Nr. 6 lautet wie folgt:

 

„(5) Ansprüche der Krankenhäuser auf Vergütung erbrachter Leistungen und Ansprüche der Krankenkassen auf Erstattung gezahlter Vergütungen verjähren in zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Dies gilt auch für Ansprüche nach Satz 1, die vor dem 1. Januar 2019 entstanden sind. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs entsprechend.“

 

Diese spezifische Verjährungsfrist von zwei Jahren soll in erster Linie eingeführt werden, um die Belastung der Krankenhäuser zu verringern und zu einer schnelleren Herstellung des Rechtsfriedens beizutragen. Wird dieser Antrag zum Gesetz erhoben, hat dies jedoch auch einschneidende Konsequenzen für die Krankenhäuser. Die Krankenhäuser können dann auch offene Posten nicht mehr innerhalb der bisherigen vierjährigen Verjährungsfrist geltend machen. Insoweit geht der Antrag der Regierungsfraktionen davon aus, dass die spezifische Verjährungsfrist auch für Ansprüche gilt, die vor dem 01.01.2019 entstanden sind.

 

Ob diese Regelung auch dann greift, wenn vor dem 01.01.2019 Vergütungsansprüche der Krankenhäuser bereits klageweise geltend gemacht wurden, ist fraglich, unabhängig davon, dass der Gesetzgeber dann eine unzulässige echte Rückwirkung anordnet.

 

Vor diesem Hintergrund empfehle ich, noch offenstehende Vergütungsansprüche aus den Vorjahren, zum Beispiel wenn gestellte Rechnungen von den gesetzlichen Krankenkassen in den Vorjahren (ab 2014) nicht bezahlt wurden, klageweise zeitnah geltend zu machen. Dies gilt auch, wenn die gesetzlichen Krankenkassen unzulässigerweise Verrechnungen mit anderen Vergütungsforderungen vorgenommen haben.

 

Über das weitere Gesetzgebungsverfahren werde ich Sie zeitnah auf dem Laufenden halten.

  letzte Änderung: 10.10.2018 12:17:53
 
Newsletter Psychiatrische Tagesklinik
 

Eine vertragsärztliche Verordnung für eine teilstationäre Behandlung in einer psychiatrischen Tagesklinik ist nicht Voraussetzung für den Vergütungsanspruch des Krankenhauses. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – auch bei teilstationärer Krankenhausbehandlung unmittelbar mit Inanspruchnahme der teilstationären Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes.

 

BSG, Urteil vom 19.06.2018, B 1 KR 26/17 R

 

- Psychiatrische Tagesklinik, teilstationäre Behandlung, vertragsärztliche Verordnung von Krankenhausbehandlung, Einweisung, Vergütungsanspruch, § 3 Abs. 2 Satz 1 Landesvertrag nach § 112 SGB V (Niedersachsen) -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

in der Praxis wird gelegentlich die Frage thematisiert, ob die Krankenhausbehandlung zwingend die vertragsärztliche Verordnung von Krankenhausbehandlung (Einweisung) voraussetzt. Das BSG hat nunmehr für die notwendige Klarheit gesorgt und kommt zu der Auffassung, dass der Vergütungsanspruch für teilstationäre Krankenhausbehandlung nicht von einer vertragsärztlichen Verordnung abhängt.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus hat einen Patienten im Jahr 2011 über einen längeren Zeitraum teilstationär in einer psychiatrischen Tagesklinik behandelt. Der Patient erhielt nach einem festgelegten Therapieschema in der Tagesklinik suchtspezifische Akupunktur, Entspannungs- und Körpertherapie, Ergotherapie, stützende Einzelgespräche und verschiedene Medikamente.

 

Hierfür stellte es der beklagten Krankenkasse 5.596,24 € in Rechnung. Die Beklagte verweigerte die Vergütung unter Hinweis auf § 3 Abs. 2 Satz 1 des Landesvertrages nach § 112 SGB V zwischen der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft und den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen (KHBV). Danach setze der Vergütungsanspruch für eine teilstationäre Krankenhausbehandlung eine vertragsärztliche Verordnung voraus.

 

Die erste Instanz wies die Klage ab, das LSG gab der Klage statt. Das BSG wies die Revision der beklagten Krankenkasse zurück.

 

Entscheidungsgründe

 

Zunächst stellt das BSG den Unterschied zwischen teilstationärer und vollstationärer Krankenhausbehandlung heraus. Teilstationäre Behandlung in der Tagesklinik unterscheidet sich nach der gesetzlichen Gesamtkonzeption von vollstationärer Behandlung im Krankenhaus im Wesentlichen dadurch, dass sie nicht auf eine Aufnahme rund um die Uhr ausgerichtet ist, sondern nur jeweils einen Teil eines Tages umfasst. Allerdings sei – wie bei vollstationärer Krankenhausbehandlung – auch bei teilstationärer Behandlung Voraussetzung, dass jede Aufnahme eines Versicherten nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich sein muss, weil das Behandlungsziel nicht durch vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Ausgehend hiervon hat das Krankenhaus laufend zu prüfen, ob der ursprünglich aufgestellte Therapieplan weiter zu verfolgen ist.

 

Der Vergütungsanspruch für teilstationäre Krankenhausbehandlung setze nach Bundesrecht keine vorherige vertragsärztliche Verordnung teilstationärer Behandlung voraus. Der Leistungsanspruch – auch für teilstationäre Krankenhausbehandlung – knüpfe an die Erforderlichkeit von Krankenhausbehandlung an und nicht an eine vorherige vertragsärztliche Verordnung.

 

Das Erfordernis einer vertragsärztlichen Verordnung lasse sich auch nicht aus dem sog. Arztvorbehalt ableiten (§ 15 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der sog. Arztvorbehalt werde bei einer Krankenhausbehandlung bereits nach § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erfüllt. Danach obliege die Prüfung der Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung in vollem Umfang bei den Krankenhausärzten. Darüber hinaus bedarf es zur Sicherung des Arztvorbehaltes keiner zusätzlichen vertragsärztlichen Verordnung. Die Notwendigkeit einer vertragsärztlichen Verordnung habe nur eine Ordnungsfunktion, soweit das Gesetz nicht die Notwendigkeit einer Verordnung ausdrücklich vorsehe.

 

Letztlich kommt das BSG zu dem Schluss, dass die landesvertragliche Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 1 KHBV wegen des Verstoßes gegen Bundesrecht nichtig sei.

 

Anmerkung

 

Dem Urteil des BSG ist vollständig zuzustimmen. Die Urteilsgründe führen insbesondere aus, dass ausschließlich den Krankenhausärzten die Prüfung der Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung obliegt. Würde eine zusätzliche Einweisung verlangt, könnte dies zu Lasten der Patienten gehen. So dürfen die Krankenhausärzte Patienten unter Hinweis auf eine fehlende vertragsärztliche Versorgung nicht einfach wegschicken. In jedem Falle müsse auch ohne vertragsärztliche Versorgung eine Untersuchung des Patienten erfolgen. Andernfalls seien die Krankenhausärzte Haftungsansprüchen ausgesetzt.

 

Das Urteil des BSG hat somit nicht nur Bedeutung für die teilstationäre Krankenhausbehandlung, sondern auch für die vollstationäre Krankenhausbehandlung, wie sich aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V ergibt. Auch hier bedarf es daher nicht der vorherigen vertragsärztlichen Verordnung. Etwas anderes gilt jedoch für die vorstationäre Behandlung nach § 115a Abs. 1 SGB V, die ausdrücklich eine Verordnung von Krankenhausbehandlung verlangt.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 12.11.2018 11:42:53
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Newsletter bronchiale Thermoplastie
 

Die bronchiale Thermoplastie weist das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative im Sinne des § 137c Abs. 3 SGB V auf. Das Urteil des BSG vom 19.12.2017 (B 1 KR 17/17 R) überschreitet die Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung, in dem es sich in klarem Widerspruch zu dem erklärten Willen des Gesetzgebers setzt.

Urteil des SG Aachen vom 16.08.2018, Az.: S 15 KR 348/16

 

- Bronchiale Thermoplastie, Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative, § 137c Abs. 3 SGB V, Gesetzesauslegung des BSG, Überschreitung der Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung, Vorrang Qualitätsgebot, § 2 SGB V -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

gestützt auf die jüngste Rechtsprechung des BSG verweigern Krankenkassen die Zahlung mit dem Hinweis, das Qualitätsgebot nach § 2 SGB V gehe der Regelung in § 137c Abs. 3 SGB V vor. Dies gelte auch im Hinblick auf neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative aufweisen. Für die bronchiale Thermoplastie hat sich das SG Aachen gegen die (rechtlich bedenkliche) Rechtsprechung des BSG gewandt und den Zahlungsanspruch des von uns vertretenen Krankenhauses anerkannt.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelte einen Patienten im September 2015. Es wurde eine bronchiale Thermoplastie durchgeführt, nachdem zuvor leitliniengerecht eine medikamentöse Behandlung erfolgt war. Für die Krankenhausbehandlung stellte das Krankenhaus die DRG E02C (Andere OR-Prozeduren an den Atmungsorganen ohne aufwendigen Eingriff etc.) in Rechnung.

 

Der MDK kam in seiner gutachterlichen Stellungnahme zum Ergebnis, dass die Thermoplastie nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche und somit außerhalb von Studien und Erprobungsverfahren nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung falle.

 

Gestützt auf das MDK-Gutachten verrechnete die Krankenkasse den klageweise geltend gemachten Betrag.

 

Die Klägerin hat darauf hingewiesen, dass die bronchiale Thermoplastie seit mehr als 10 Jahren angewandt werde und auch in evidenzbasierten Therapieleitlinien Berücksichtigung gefunden habe. Das Ziel der Thermoplastie sei eine klinisch relevante nachhaltige Verbesserung der Asthmasymptomatik durch eine gezielte Umformung der zentralen Atemwege mit exakt dosierter und zielgenau applizierter thermischer Energie. Die von der Klägerin gewählte Methode sei medizinisch anerkannt und entspreche auch dem Qualitätsgebot.

 

Entscheidungsgründe

 

Das SG Aachen gab der Klage vollständig statt.

 

Die bronchiale Thermoplastie habe das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative gem. § 137c Abs. 3 SGB V. Der Eingriff sei auch nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt. Bei dem Patienten seien alle möglichen Behandlungsalternativen ausgeschöpft gewesen. Die noch verbliebene mögliche Therapie mit Omalizumab schied vorliegend bei dem Versicherten aus.

 

Bezogen auf die jüngste Rechtsprechung des BSG zu § 137c SGB V (BSG-Urteil vom 21.03.2013 – B 3 KR 2/12 R, BSG-Urteil vom 19.12.2017 – B 1 KR 17/17 R) stellt das SG Aachen fest: Die Auffassung des BSG, insbesondere das Urteil vom 19.12.2017, entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers, der eine Klarstellung und Konkretisierung in § 137c Abs. 3 SGB V vorgenommen habe. Durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16.07.2015 wurde § 137c Abs. 3 SGB V angefügt. Danach dürfen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Abs. 1 getroffen hat, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt. Die Einführung dieser ausdrücklichen und klarstellenden Regelung habe nach der Gesetzesbegründung der Gesetzgeber für erforderlich gehalten, weil „die Gesetzesauslegung in der jüngsten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. etwa BSG, Urteil vom 21. März 2013, Az.: B 3 KR 2/12 R) mit dem in § 137c zum Ausdruck gebrachten Regelungsgehalt in einem Wertungswiderspruch steht“.

 

Das SG Aachen kommt daher zum Fazit, dass das BSG in seiner jüngsten Rechtsprechung die Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung überschreitet, „indem es sich in klarem Widerspruch zu dem erklärten Willen des Gesetzgebers setzt“.

 

Anmerkung

 

Der lesenswerten Begründung des SG Aachen ist nichts hinzuzufügen. Es bringt deutlich zum Ausdruck, dass das BSG mit seinen Ausführungen zum Vorrang des Qualitätsgebots gegenüber der Regelung in § 137c Abs. 3 SGB V den maßgeblichen Willen des Gesetzgebers missachtet. Deutlicher kann man die Kritik an der jüngsten Rechtsprechung des BSG nicht zum Ausdruck bringen.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 28.09.2018 14:12:21
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Newsletter halbstündige Transportentfernung
 

Die im OPS-Kode 8-98b aufgeführte halbstündige Transportentfernung bemisst sich nach dem Zeitintervall zwischen Rettungstransportbeginn, dem Ingangsetzen der Rettungskette durch die Entscheidung, ein Transportmittel anzufordern, und Rettungstransportende, der Übergabe des Patienten an die behandelnde Einheit im Kooperationspartner-Krankenhaus. Die Klammerdefinition im OPS-Kode 8-98b erläutert, dass es um die „Zeit zwischen Rettungstransportbeginn und Rettungstransportende“ geht. Dies meint die gesamte Zeit, die die Rettungskette benötigt, um einen Patienten vom zunächst behandelnden Krankenhaus in die behandelnde Einheit im Kooperationspartner-Krankenhaus zu verlegen. Die Klammerdefinition stellt bewusst auf die Inanspruchnahme des gesamten Rettungstransportsystems ab, auf die Rettungskette, nicht nur auf Teilabschnitte wie die reine Transportzeit eines Transportmittels.

 Urteil des BSG vom 19.06.2018, B 1 KR 39/17 R

 - OPS-Kode 8-98b, halbstündige Transportentfernung, Rettungskette, Transportzeit, Klammerdefinition, Auslegung Rettungstransportbeginn und Rettungstransportende, Rettungstransportsystem, Kooperation -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

über das Grundsatzurteil des BSG zur Auslegung des Klammerzusatzes im OPS-Kode 8-98b (Zeit zwischen Rettungstransportbeginn und Rettungstransportende) habe ich mit Newsletter vom 02.08.2018 auf der Grundlage des Terminsberichts des BSG ausführlich berichtet. Nunmehr liegen auch die schriftlichen Urteilsgründe hierzu vor.

 

Die schriftlichen Urteilsgründe führen zu folgenden Erkenntnissen:

  1. Das BSG definiert den Rettungstransportbeginn mit dem Ingangsetzen der Rettungskette, die durch die Entscheidung, ein Transportmittel anzufordern, ausgelöst wird.

     

  2. Das Rettungstransportende erfolgt mit der Übergabe des Patienten an die behandelnde Einheit im Kooperationspartner-Krankenhaus.

Zur Begründung führt das BSG an, dass die Klammerdefinition des OPS-Kode 8-98b die gesamte Zeit meine, die die Rettungskette benötigt, um einen Patienten vom zunächst behandelnden Krankenhaus in die behandelnde Einheit im Kooperationspartner-Krankenhaus zu verlegen. Wörtlich heißt es im Urteil:

 

„Die Klammerdefinition stellt bewusst auf die Inanspruchnahme des gesamten Rettungstransportsystems ab, auf die Rettungskette, nicht nur auf Teilabschnitte wie die reine Transportzeit eines Transportmittels.“

(BSG, a.a.O., Rdz. 22)

 

Das Leitbild sei der unmittelbare Zugang zu neurochirurgischen, gefäßchirurgischen oder interventionell-neuroradiologischen Behandlungsmaßnahmen. Nach Auffassung des BSG würde diese Grundlage verlassen, wenn nicht die Zeit der Rettungskette maßgeblich wäre, sondern nur die Zeit, in der sich der Patient im Transportmittel befindet.“

 

Anmerkungen

 

Eingangs der Urteilsgründe führt das BSG ausdrücklich auf, dass Vergütungsregelungen stets eng nach Ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen sind; Bewertungen und Bewertungsrelationen müssen außer Betracht bleiben. In erster Linie sind die Vertragsparteien berufen, das DRG-basierte Vergütungssystem bei zu Tage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen weiterzuentwickeln.

 

Das hier wiedergegebene Urteil beherzigt diese Grundsätze jedoch nicht. Das BSG löst sich von dem Wortlaut und schlüpft in die Rolle des DIMDI bzw. der Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene, in deren ureigenste Kompetenz die Entwicklung und Weiterentwicklung der Vergütungsregelungen liegt.

 

Das BSG liest in den Klammerzusatz des OPS-Kode 8-98b den Begriff der „Rettungskette“ hinein. Auch der Bezug auf den Grundfall (Krankenhaus verfügt über alle Fachabteilungen) überzeugt nicht. Der OPS-Kode 8-98b weist ausdrücklich zwei grundverschiedene Fallgestaltungen auf: Einmal den Fall, dass das Krankenhaus über alle notwendigen Fachabteilungen verfügt, ein andermal den Fall, dass ein Kooperationspartner in Anspruch genommen werden muss. Die letzte Fallgestaltung ist ein aliud zu dem „Grundfall“. Gerade für diese zweite Fallgestaltung der Kooperation normiert das DIMDI die zulässige halbstündige Transportentfernung und definiert sie als die Zeit zwischen Rettungstransportbeginn und Rettungstransportende. Dieses Zeitintervall spielt von vornherein bei dem „Grundfall“ keine Rolle.

 

Das BSG stellt sich mit seiner Auslegung und der Einführung des Begriffes „Rettungskette“ auch in Gegensatz zur Auslegung des OPS-Kodes 8-98b durch das DIMDI.

 

Zur Klarstellung hat das DIMDI folgenden Satz in die FAQ 8033 aufgenommen:

 

"Die Zeit zwischen Rettungstransportbeginn und Rettungstransportende ist die Zeit, die der Patient im Transportmittel verbringt."

 

Den Krankenhäusern wird daher empfohlen, im Hinblick auf die Klarstellung durch das DIMDI, auf Erfüllung der Krankenhausrechnungen zu bestehen, wenn die übrigen Voraussetzungen des OPS-Kodes erfüllt sind. 

  letzte Änderung: 08.11.2018 10:04:13
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Newsletter Fixkostendegressionsabschlag
 

Von der zuständigen Landesplanungsbehörde ausdrücklich aus Bedarfsgründen gebilligte und für erforderlich gehaltene zusätzliche Leistungen sind nach § 4 Abs. 2b Satz 3 Nr. 1c KHEntgG abschlagsfrei. Die ausdrückliche Billigung kommt in einer Investitionsfördermaßnahme des Landes zum Ausdruck.

(Aus einem Schiedsstellenverfahren im Jahr 2018)

 

- Fixkostendegressionsabschlag, Mehrleistungsabschlag, Abschlagsfreiheit, zusätzlich bewilligter Versorgungsauftrag, für die bislang keine Abrechnungsmöglichkeit bestand, Billigung der Planungsbehörde -

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

in einem von uns begleiteten Schiedsstellenverfahren berief sich das Krankenhaus auf die Abschlagsfreiheit von zusätzlichen Leistungen im Gebiet Geriatrie. Hintergrund war, dass in den Vorjahren zunächst der Versorgungsauftrag für die Geriatrie planerisch zugewiesen und anschließend eine Baumaßnahme zur Erweiterung der Räumlichkeiten durchgeführt wurde, die vom Land gefördert wurde. Das Krankenhaus berief sich für das Jahr 2017 auf die Regelung in § 4 Abs. 2b Satz 3 Nr. 1c KHEntgG („zusätzlich bewilligter Versorgungsauftrag, für die bislang keine Abrechnungsmöglichkeit bestand“). Schließlich hätten die Krankenkassen auch unter den Regelungen für den Mehrleistungsabschlag nach § 4 Abs. 2a KHEntgG die zusätzlichen Leistungen abschlagsfrei gestellt.

 

Im Rahmen eines Rechtsgesprächs hat der Vorsitzende einer Schiedsstelle folgende Auffassung zu § 4 Abs. 2b Satz 3 Nr. 1c KHEntgG vertreten:

 

  • Die gesetzgeberische Konzeption sowohl nach altem Recht (Mehrleistungsabschlag) als auch nach neuem Recht (Fixkostendegressionsabschlag) sei gleich. Bei beiden gesetzgeberischen Regelungen sollen zusätzliche Leistungen, die von der zuständigen Landesbehörde genehmigt oder ausdrücklich gebilligt wurden, keinem Abschlag unterliegen.

 

  • Im vorliegenden Fall würden die zusätzlichen Leistungen des Krankenhauses aus Bedarfsgründen (§ 1 Abs. 1, § 6 Abs. 1 KHG) vom Land für erforderlich gehalten. Dies komme in der Investitionsfördermaßnahme (Neu– bzw. Erweiterungsinvestition) des Landes zum Ausdruck.

 

  • Die geförderte Investitionsmaßnahme diene nach der landesplanerischen Konzeption der bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung.

 

  • Vor diesem Hintergrund sei die Abschöpfung von Mehreinnahmen in Fällen, in denen Leistungsausweitungen gerade von der Landesbehörde gebilligt werden, sinnwidrig. Diese Auslegung entspreche auch der neueren Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 16.09.2015, Az.: 3 C 9.14, juris).

Aufgrund der rechtlichen Ausführungen des Vorsitzenden schlossen die Vertragsparteien im Anschluss eine entsprechende Vereinbarung, die die Abschlagsfreiheit der zusätzlichen Leistungen in der Geriatrie vorsieht.

  letzte Änderung: 12.09.2018 16:26:42
 
Newsletter TAVI-Leistungen
 

TAVI-Leistungen gehören zum Gebiet Innere Medizin (Kardiologie). Im Jahr 2012 war das Krankenhaus berechtigt, die Behandlungsleistungen der DRG F98Z abzurechnen, ohne dass es hierzu des planerischen Ausweises einer Fachabteilung Herzchirurgie bedurfte. Der Versorgungsauftrag eines Krankenhauses wird durch die Krankenhausplanung und dem darauf basierenden Feststellungsbescheid bestimmt. Die am 25.07.2015 in Kraft getretene Richtlinie des G-BA (MHI-RL) ist für den Zeitraum 2012 nicht relevant und kann auch keinen Einfluss auf die Bestimmung des Versorgungsauftrages eines Krankenhauses haben.

Urteil des VG Frankfurt am Main vom 22.02.2018, Az.: 10 K 5776/16.F (nicht rechtskräftig)

 

- TAVI-Leistungen, Versorgungsauftrag Kardiologie, Versorgungsauftrag Herzchirurgie, MHI-RL des G-BA vom 22.01.2015, Bestimmung des Versorgungsauftrages, Abrechnung DRG F98Z -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der vorgenannte Rechtsstreit über die Erbringung von TAVI-Leistungen reicht in das Jahr 2012 zurück. Das zuständige Ministerium und die Genehmigungsbehörde vertraten die Auffassung, zur Erbringung der TAVI-Leistungen bedürfe es der Ausweisung des Fachgebiets Herzchirurgie, über die das Krankenhaus nicht verfügte. Das VG Frankfurt hielt diese Auffassung für rechtlich unzutreffend.

 

Sachverhalt

 

Die von uns vertretene Klägerin und die Krankenkassen stritten über die Berücksichtigung von kathetergestützten Aortenklappenimplantationen (TAVI-Leistungen) im Erlösbudget der Klägerin, die ein Krankenhaus betreibt. Dem Krankenhausträger war durch Feststellungsbescheid u.a. das Fachgebiet Innere Medizin mit dem Medizinischen Schwerpunkt Kardiologie zugewiesen worden. Die angerufene Schiedsstelle gab dem Krankenhaus Recht; die Genehmigungsbehörde versagte jedoch dem Beschluss der Schiedsstelle die Genehmigung, so dass die Schiedsstelle im Folgeverfahren die Berücksichtigung der TAVI-Leistungen ablehnte. Gegen die daraufhin erfolgte Genehmigung erhob die Klägerin Klage. Die Genehmigungsbehörde vertrat die Rechtsauffassung, dass TAVI-Leistungen zum Gebiet der Herzchirurgie gehöre und nicht zum Gebiet der Kardiologie.

 

Demgegenüber vertrat die Klägerin die Auffassung, TAVI-Leistungen würden von Kardiologen erbracht und gehörten zum Gebiet Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Kardiologie. Eine Leistungseinschränkung sei dem diesbezüglichen Feststellungsbescheid nicht zu entnehmen. Im Übrigen verfüge die Klägerin über einen Hybrid-OP und kooperiere sehr eng mit der Universitätsklinik in diesem medizinischen Bereich.

Entscheidungsgründe

 

Das VG Frankfurt gab der Klägerin mit Urteil vom 22.02.2018 Recht. Der Versorgungsauftrag bei einem Plankrankenhaus ergebe sich aus den Festlegungen des Krankenhausplans i.V.m. den Bescheiden zu seiner Durchführung. Maßgeblich sei daher der Feststellungsbescheid gegenüber der Klägerin, der ihr das Fachgebiet Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Kardiologie zuweise. Der Inhalt und Umfang des Versorgungsauftrages bestimme sich nach der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Hessen. Der Versorgungsauftrag werde in diesem Sinne umfassend erteilt, soweit nicht einzelne Leistungsbereiche krankenhausplanerisch ausdrücklich ausgeklammert worden sind (siehe Kapitel 4.2 Hessischer Krankenhausrahmenplan 2009).

 

Das Gebiet Innere Medizin werde von der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Hessen ab 01.01.2012 wie folgt definiert:

 

„Vorbeugung, (Früh-)Erkennung, konservative und interventionelle Behandlung sowie Rehabilitation und Nachsorge der Gesundheitsstörungen und Erkrankungen des Herzens und des Kreislaufs.“

 

Die dort aufgeführte interventionelle Behandlung von angeborenen und erworbenen Erkrankungen des Herzens umfasse auch die hier fraglichen TAVI-Leistungen. Nach allgemeiner Auffassung stelle die TAVI-Leistung ein interventionelles Therapieverfahren dar, denn es wird ein gezielter kathetergestützter Eingriff an der erkrankten Aortenklappe vorgenommen, indem diese entweder entfernt und durch eine neue Aortenklappe ersetzt oder aber eine Aortenklappenprothese eingesetzt wird.

 

Zwar lassen sich die TAVI-Leistungen grundsätzlich auch dem Gebietsinhalt der Herzchirurgie zuordnen, dies schließe aber nicht aus, dass die TAVI-Leistung auch vom Weiterbildungsinhalt des Fachgebiets Innere Medizin mit Schwerpunkt Kardiologie umfasst werde. Die TAVI-Leistungen gehören als therapeutische Intervention zum Kernbereich der Kardiologie.

 

Die MHI-RL des G-BA vom 22.01.2015, die Qualitätsvorgaben für die Leistungserbringung der TAVI mache, habe keine rückwirkende Geltung und sei daher für den hier zu beurteilenden Zeitraum nicht relevant.

 

Anmerkungen

 

Es ist ständige Rechtsprechung des BVerwG, dass sich der Versorgungsauftrag aus der Krankenhausplanung und den darauf basierenden planerischen Feststellungsbescheiden ergibt. Der Inhalt und der Umfang des zugewiesenen Gebiets wird durch die ärztliche Weiterbildungsordnung der jeweiligen Landesärztekammern bestimmt. Im vorliegenden Fall verweist der Hessische Krankenhausrahmenplan 2009 ausdrücklich auf die Weiterbildungsordnung für Ärztinnen und Ärzte in Hessen. Zusätzlich enthält der Hessische Krankenhausrahmenplan 2009 die Aussage, dass das jeweilige Gebiet umfassend zugewiesen wird.

 

Das VG hat sich in seinem Urteil auf die Beschreibung des Gebiets Innere Medizin in der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Hessen für das Jahr 2012 gestützt. Diese ist maßgeblich für das Erlösbudget 2012. Da die Gebietsdefinition Innere Medizin auch die interventionelle Behandlung von angeborenen und erworbenen Erkrankungen des Herzens umfasst, ordnet das VG die TAVI-Leistungen dem Kernbereich des Gebiets Innere Medizin (Kardiologie) zu.

 

Interessant sind die Ausführungen zur MHI-RL des G-BA vom 22.01.2015. Zu Recht stellt das VG fest, dass der MHI-RL keine Rückwirkung zugemessen werden kann, also für das Jahr 2012 nicht relevant ist. Darüber hinaus merkt das VG jedoch an, dass diese Richtlinie nicht den Versorgungsauftrag des Krankenhauses bestimmen kann, der nach § 8 Abs. 1 Satz 4 KHEntgG ausschließlich durch die Krankenhausplanung und die Durchführungsbescheide bestimmt wird. Die MHI-RL diene ausschließlich der Qualitätssicherung. Insoweit wertet das VG die MHI-RL nicht als „verbindlichen Parameter für die Bestimmung des Versorgungsauftrags“.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 11.09.2018 08:37:41
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Newsletter Versorgungsauftrag
 

Der Inhalt des Versorgungsauftrags eines Plankrankenhauses richtet sich an der ärztlichen Weiterbildungsordnung aus, die jeweils zum Zeitpunkt der Leistungserbringung im Land gilt.

Urteil des BSG vom 19.06.2018, Az.: B 1 KR 32/17 R

- Versorgungsauftrag, Feststellungsbescheid, Plankrankenhaus, ärztliche Weiterbildungsordnung, Zeitpunkt der Anwendung, Gebiete, Teilgebiete, Schwerpunkte, Inhaltsbestimmung, -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Versorgungsauftrag eines Krankenhauses wird häufig von den Krankenkassen dem Inhalt nach in Frage gezogen. Diese Fragestellung erhält Relevanz bei der Budgetvereinbarung und bei der Leistungsabrechnung. Das BSG hat festgestellt, dass der planerisch zugewiesene Versorgungsauftrag inhaltlich von der ärztlichen Weiterbildungsordnung geprägt wird und stellt dabei auf den Inhalt der ärztlichen Weiterbildungsordnung des Landes zum Zeitpunkt der Leistungserbringung ab.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus hat eine Implantation von Knie-TEP im September 2009 bei einer Patientin durchgeführt und hierfür 7.412,97 € gegenüber der Krankenkasse abgerechnet.

Gegen die Abrechnung erhob die Krankenkasse zunächst den Einwand, dass die Mindestmenge für 50 Knie-TEP nicht erfüllt worden sei. Im Laufe des weiteren Rechtsstreits stützte sie ihre Argumentation darauf, dass diese Leistung nicht vom Versorgungsauftrag Chirurgie der Klägerin umfasst sei.

Dem Versorgungsauftrag Chirurgie liegt der Feststellungsbescheid der Krankenhaus-planungsbehörde vom 01.10.2007 zu Grunde, der der Klägerin u.a. 43 Betten im Gebiet Chirurgie zugewiesen hat. Die Klägerin vertrat dabei die Auffassung, der Versorgungsauftrag Chirurgie umfasse auch orthopädische Behandlungen wie die Knie-TEPs.

Das SG wies die Klage ab. Es verneinte den Versorgungsauftrag für die Knie-TEP. Demgegenüber gab das LSG der Klägerin Recht und verurteilte die Beklagte zur Zahlung.

Die von der beklagten Krankenkasse eingelegte Revision wies das BSG zurück.

Entscheidungsgründe

Aus dem Terminsbericht über die Sitzung vom 19.06.2018 ist zu entnehmen, dass das BSG in dem Urteil des LSG keinen Verstoß gegen revisibles Recht sieht. Das LSG bestimmte den Inhalt des Versorgungsauftrages nach dem Inhalt der ärztlichen Weiterbildungsordnung zum Zeitpunkt der Leistungserbringung. Dies war das Jahr 2009. Diese ärztliche Weiterbildungsordnung differenzierte in der Fassung vom 01.10.2008 nicht mehr zwischen dem Gebiet Chirurgie und dem Gebiet Orthopädie, sondern fasst unter dem Gebiet der Chirurgie die Orthopädie und Unfallchirurgie zusammen. Bei der Beurteilung des Versorgungsauftrags ist auf die ärztliche Weiterbildungsordnung abzustellen, die in dem jeweils entscheidungserheblichen Vergütungszeitraum Geltung hatte.

Das BSG schloss sich dieser Auslegung des LSG an und sah keinen Verstoß gegen revisibles Recht.

Anmerkung

Das Urteil des BSG ist zu begrüßen. Es stützt die Argumentation des LSG, dass der Inhalt des Versorgungsauftrages eines Plankrankenhauses von der ärztlichen Weiterbildungsordnung (WBO) des jeweiligen Landes (mit-)bestimmt wird. Insoweit ist bei solchen Zweifelsfragen die Gebietsdefinition der ärztlichen Weiterbildungsordnung heranzuziehen. Dies entspricht den Planungsgrundsätzen der Bundesländer.

Ändert die LÄK die ärztliche Weiterbildungsordnung nach Erlass des Feststellungsbescheides, der das Fachgebiet planerisch zuweist, stellt sich die Frage, welche WBO zur Auslegung des Inhalts des Versorgungsauftrages heranzuziehen ist. Das LSG und ihm folgend das BSG geht von einer dynamischen Verweisung auf die ärztliche Weiterbildungsordnung aus. Danach ist die ärztliche WBO zur Inhaltsbestimmung anzuwenden, die zum Zeitpunkt der Leistungserbringung im Land gilt.

Den Krankenhäusern wird daher empfohlen, Veränderungen der ärztlichen Weiterbildungsordnung sorgfältig zu beobachten und ggf. eine Änderung des Feststellungsbescheids zu erwirken, wenn die Änderung der WBO Einfluss auf den Umfang des Versorgungsauftrages haben kann.

Das Urteil ist hier beigefügt.

  letzte Änderung: 31.10.2018 10:47:04
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Newsletter halbstündige Transportentfernung
 

Für die Berechnung der höchstens halbstündigen Transportentfernung zu einem Kooperationspartner im OPS-Kode 8-98b (Version 2014) ist auf den Zeitraum zwischen der Entscheidung, ein Transportmittel anzufordern, und die Übergabe des Patienten an die behandelnde Einheit des Kooperationspartner abzustellen.

Urteile des BSG vom 19.06.2018, B 1 KR 38/17 R und B 1 KR 39/17 R

- Andere neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, Kooperationspartner, halbstündige Transportentfernung, Rettungshubschrauber -

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

das BSG befasste sich in seinen Urteilen vom 19.06.2018 mit der Frage, wie die höchstens halbstündige Transportentfernung im OPS-Kode 8-98b (Version 2014) auszulegen ist. Es geht nunmehr davon aus, dass dieser Zeitraum mit der Entscheidung, ein Transportmittel anzufordern, beginnt und mit der Übergabe des Patienten an die behandelnde Einheit des Kooperationspartners endet.

Sachverhalt

Die klagende Krankenhausträgerin und die jeweilige Krankenkasse streiten über die Vergütung von mehreren Krankenhausaufenthalten im Jahr 2014, für die die Klägerin den OPS-Kode 8-98b (andere neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls – Version 2014) zu Grunde legte. Die jeweilige Krankenkasse bestritt die Erfüllung der Strukturmerkmale, weil u.a. bei Dunkelheit der eingesetzte Rettungshubschrauber länger als 30 Minuten Transportzeit benötige, wenn man die Anflugzeit des Rettungshubschraubers in die Berechnung mit einbeziehe.

Demgegenüber wies die Klägerin darauf hin, dass die reine Zeit zwischen Rettungstransportbeginn und Rettungstransportende unter Verwendung des Rettungshubschraubers auch bei Dunkelheit nur 17 bis 19 Minuten betrage. Der OPS-Kode stelle nach seinem Wortlaut auf den Zeitraum zwischen Rettungstransportbeginn und Rettungstransportende ab.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage – aus verschiedenen Gründen – ab. Das BSG wies die Revision der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des LSG zurück.

Entscheidungsgründe

Das BSG schloss sich der Rechtsauffassung des LSG an. In dem Urteil definiert das BSG die halbstündige Transportentfernung wie folgt: Dieser Zeitraum beginnt mit der Entscheidung, ein Transportmittel anzufordern, und endet mit der Übergabe des Patienten an die behandelnde Einheit des Kooperationspartners.

Im Ergebnis wird vom BSG nicht auf die reine Transportzeit des Rettungshubschraubers abgestellt, sondern der Beginn der Transportentfernung auf die Entscheidung der Ärzte, ein Transportmittel anzufordern, vorverlagert. Des Weiteren wird das Ende des Zeitraums auf die Übergabe des Patienten an die behandelnde Einheit des Kooperationspartners festgelegt.

Anmerkung

Die Urteile des BSG begegnen erheblichen Bedenken. Im OPS-Kode 8-98b (Version 2014) ist die höchstens halbstündige Transportentfernung abschließend definiert. Maßgeblich ist die „Zeit zwischen Rettungstransportbeginn und Rettungstransportende“. Das BSG stellt nicht auf die Transportentfernung ab, sondern auf die Erreichbarkeit des Kooperationspartners ab dem Zeitpunkt der Entscheidung zur Anforderung des Rettungshubschraubers. Dies deckt sich nicht mit der „Legaldefinition“ im OPS-Kode 8-98b (Version 2014) und stellt eine erweiternde Auslegung über den Wortlaut hinaus dar.

Nunmehr löst sich das BSG auch von seiner bisherigen ständigen Rechtsprechung zur Anwendung von OPS-Kodes und Abrechnungsbestimmungen. Danach sind Vergütungsregelungen, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen sind, „allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln“ zu handhaben. Ein Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen besteht nicht. Bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen sind in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG-Urteil vom 08.11.2011, B 1 KR 8/11 R, juris, Rdz. 27). Das BSG setzt damit seine Auffassung an die Stelle des DIMDI, das im Auftrag des BMG die OPS-Kodes jährlich pflegt und herausgibt.

Hier fällt insbesondere ins Gewicht, dass der für die routinemäßige Anwendung vorgesehen OPS-Kode 8-98b (Version 2014) selbst definiert, was unter Transportentfernung zu verstehen ist.

Mit der extensiven Auslegung des OPS-Kodes 8-98b (Version 2014) durch das BSG wird es künftig schwierig sein, die grundsätzliche Transportentfernung zu bestimmen, da auf den individuellen Zeitpunkt der Entscheidung abzustellen ist, wann das Transportmittel angefordert wurde. Damit löst sich das BSG auch von dem Charakter der Transportentfernung als strukturelles Merkmal des OPS-Kodes 8-98b (Version 2014).

Es bleibt abzuwarten, wie die Urteilsgründe ausfallen. Sobald diese vorliege, werde ich weiter berichten.

Die Urteile sind hier wiedergegeben. 

 

Inzwischen hat das DIMDI die bestehende FAQ 8033 aktualisiert bezogen auf die Interpretation der halbstündigen Transportentfernung. Zur Klarstellung ist folgender Satz in die FAQ 8033 aufgenommen wurden:

 

"Die Zeit zwischen Rettungstransportbeginn und Rettungstransportende ist die Zeit, die der Patient im Transpormittel verbringt."

 

Den Krankenhäusern wird daher empfohlen, im Hinblick auf die Klarstellung durch das DIMDI, auf Erfüllung der Krankenhausrechnungen zu bestehen, wenn die übrigen Voraussetzungen des OPS-Kodes erfüllt sind.

 

  letzte Änderung: 08.11.2018 10:12:49
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Newsletter Liposuktion
 

Der Anspruch Versicherter auf stationäre Krankenhausbehandlung unterliegt nach Wortlaut, Regelungssystem und Regelungszweck den sich aus dem Qualitätsgebot ergebenden Einschränkungen. Eine Absenkung der Qualitätsanforderungen für die stationäre Versorgung auf Methoden mit dem bloßen Potential einer Behandlungsalternative ergibt sich nicht aus § 137c Abs. 3 SGB V.

Urteil des BSG vom 24.04.2018, Az.: B 1 KR 10/17 R

- Liposuktion, Qualitätsgebot nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V, § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5, § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V, Leistungsumfang der GKV, Alternative Behandlungsmethode, Potentialbegriff -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Newsletter vom 30.04.2018 hatten wir Sie über das Urteil des BSG vom 24.04.2018 über eine stationär durchgeführte Liposuktion informiert. Nunmehr liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor. Diese geben näheren Aufschluss über die rechtliche Beurteilung durch das BSG.

Sachverhalt

Klägerin war eine Patientin, die an einem Lipödem beider Beine und Arme litt. Sie beantragte bei ihrer Krankenkassen die Versorgung mit stationären Liposuktionen. Die beklagte Krankenkasse lehnte dies jedoch ab. Der Widerspruchsbescheid der Patientin blieb erfolglos. In der Folge beschaffte sich die Patientin die Liposuktion selbst in einer Privatklinik. Sie machte die damit verbundenen Kosten im Wege der Erstattung gerichtlich geltend.

Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.

Entscheidungsgründe

Ausgangspunkt des BSG ist der Individualanspruch eines Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Die Krankenhausbehandlung ist grundsätzlich nur dann erforderlich, wenn die Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und notwendig ist. Der Anspruch eines Versicherten auf Krankenhausbehandlung unterliegt nach dem Gesetzeswortlaut und dem Regelungssystem wie jeder Anspruch auf Krankenbehandlung grundsätzlich den sich aus den Qualitäts- und dem Wirtschaftlichkeitsgebot ergebenden Einschränkungen (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V und § 12 Abs. 1 SGB V). Der Anspruch umfasst nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (BSG, a.a.O., Rdz. 15).

Die Änderungen von § 137c SGB V in Folge des GKV-VSG hat an dieser Grundkonzeption des Gesetzgebers nicht geändert. Danach dürfen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der G-BA bisher keine Entscheidung nach § 137c Abs. 1 SGB V getroffen hat, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist.

Dabei kommt das BSG zu dem Schluss, dass diese Regelung keine Aussage zu Leistungsansprüchen der Versicherten enthält, diesen Anspruch vielmehr voraussetzt. Eine Behandlungsmethode gehöre erst dann zum Leistungsumfang der GKV, wenn die Erprobung abgeschlossen ist und über Qualität und Wirkungsweise der neuen Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Nach Auffassung des BSG setzt dies einen Erfolg der Behandlungsmethode in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen voraus. Dabei muss sich der Erfolg aus wissenschaftlich einwandfrei geführten Statistiken über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der neuen Methode ablesen lassen (BSG, a.a.O., Rdz. 19).

 

Anmerkungen

Das Urteil des BSG ist von dem Bemühen getragen, seine bisherige Rechtsauffassung zur unbedingten Beachtung des Qualitätsgebots trotz Änderung des § 137c Abs. 3 SGB V aufrecht zu erhalten. Es trifft dabei eine künstliche Unterscheidung zwischen Anwendung einer Behandlungsmethode, die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, und dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung.

Dies begegnet erheblichen Bedenken. Eine Behandlungsalternative, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst angewandt wird, also medizinisch indiziert und notwendig ist, setzt gedanklich einen Anspruch des Versicherten voraus. Andernfalls käme sie nicht zur Anwendung. Die ärztliche Kunst wäre also gar nicht gefragt genauso wie die medizinische Indikation.

Das Urteil des BSG steht auch nicht in Einklang mit § 137c Abs. 1 und 2 SGB V, die dem Absatz 3 vorangestellt sind. Danach überprüft der G-BA auf Antrag, ob Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden (oder angewandt werden sollen), ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt sich ein negatives Ergebnis, darf diese Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung „nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden“. Dabei bestimmt § 137c Abs. 3 Satz 2 SGB V ergänzend, dass die erforderlichen Behandlungsalternativen mit Potential unabhängig davon angewandt werden dürfen, ob ein Antrag beim G-BA gestellt wurde bzw. ob deren Bewertung schon abgeschlossen wurde.

In der Gesamtschau von § 137c SGB V ergibt sich eindeutig, dass es um erforderliche Behandlungsalternativen geht, die zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen, auch wenn der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist. Zu Lasten der Krankenkassen kann eine Behandlungsmethode nur erbracht werden, wenn hierfür ein Anspruch der Versicherten zu Grunde gelegt wird. Ansonsten würde diese Regelung ins Leere laufen.

Insbesondere stellt sich das BSG gegen die Gesetzesbegründung zur Ergänzung von § 137c Abs. 3 SGB V. Danach dient die Regelung in § 137c Abs. 3 SGB V der Teilhabe der Versicherten am medizinischen Fortschritt. Den typischerweise schwerer erkrankten Versicherten sollten vielversprechende Heilungs- und Behandlungschancen weiterhin zeitnah auch außerhalb von Studien gewährt werden, auch wenn deren Nutzen noch nicht auf hohem Evidenzlevel belegt ist. Die Gesetzesänderung diente gerade dazu, den vom BSG hervorgerufenen Wertungswiderspruch aufzulösen und der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt im Krankenhausbereich wieder Geltung zu verschaffen (BT-Drucks. 18/5123 vom 10.06.2015, zu Nr. 64 (§ 137c SGB V), Seite 135). 

Entgegen der Auffassung des BSG hätte man bei der Auslegung von § 137c Abs. 3 SGB V an dem Potentialbegriff ansetzen können, der den Anknüpfungspunkt für die Gesetzesbegründung darstellt. Insoweit ist auch dem BSG zu widersprechen, dass die Gesetzesbegründung im Gesetzeswortlaut objektiv keinen Niederschlag gefunden habe. Die Heranziehung der Gesetzesbegründung entspricht den tradierten Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:35:13
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Newsletter Ausschlussfrist
 

§ 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV 2014 enthält eine Ausschlussfrist. Übermittelt das Krankenhaus die angeforderten Unterlagen nicht innerhalb von vier Wochen an den MDK, verliert das Krankenhaus seinen Vergütungsanspruch.

Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 17.04.2018, L 11 KR 936/17

- MDK-Prüfung, Anforderung von Unterlagen, 4-Wochen-Frist, Fristversäumung, Ausschlussfrist, Vergütungsausschluss, PrüfvV-
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

das LSG Baden-Württemberg musste sich mit der Frage befassen, ob die Übersendung der verspäteten Unterlagen an den MDK, dem vom Krankenhaus geltend gemachten Vergütungsanspruch entgegensteht. Es hat dies im Hinblick auf § 7 Abs. 2 Satz 3, 4 PrüfvV 2014 bejaht.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus hat einen Patienten stationär behandelt und die DRG I08F (andere Eingriffe an Hüftgelenk und Femur) abgerechnet. Die beklagte Krankenkasse beauftragte den MDK mit einer Einzelfallprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V direkt. Am 24.08.2015 zeigte der MDK der Klägerin an, dass er mit einer gutachterlichen Stellungnahme im vorliegenden Fall beauftragt wurde. Der MDK bat um Übermittlung von Unterlagen (Krankenhaus­entlassungsbericht, Tageskurven, Pflegedokumentationen, Operationsberichte, Interventions­protokolle, Laborbefunde, Anamnese, Befunde bei Aufnahme, Nachweise zu OPS) bis zum 27.09.2015. Auf diese Anforderung reagierte die Klägerin nicht. Daraufhin verrechnete die beklagte Krankenkasse einen Betrag in Höhe von 5.404,66 €, weil die vom MDK angeforderten Behandlungsunterlagen nicht fristgerecht übermittelt worden sind.

In erster Instanz wurde die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten wurde vom LSG der Berufung stattgegeben und die Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Zunächst stellt das LSG fest, dass es sich vorliegend um eine Auffälligkeitsprüfung handelt, für die die PrüfvV 2014 Anwendung findet. Auch im Übrigen bestätigte das LSG, dass eine ordnungsgemäße Prüfmitteilung durch den MDK erfolgt ist.

Im Ergebnis hat die Klägerin jedoch keinen Anspruch auf weitere Vergütung, da sie dem MDK die von diesem angeforderten Unterlagen nicht innerhalb der Frist des § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV 2014 übermittelt hatte.

Zur Rechtsnatur dieser Frist führt das LSG aus, es handele sich bei § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV 2014 um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Zwar liege keine „klassische Ausschlussfrist“ vor, weil das Krankenhaus nicht mit der kompletten Vergütungsforderung ausgeschlossen ist. Allerdings sei in § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2014 die Wirkung der Versäumung der Frist ausdrücklich bestimmt worden. Danach beschränkt sich der Anspruch des Krankenhauses „nur auf den unstrittigen Betrag“. Diese Regelung sei abschließend. In ihrer Wirkung entspreche sie in Bezug auf den strittigen Betrag einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist.

Anmerkung

Die Rechtsfolge der Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 3, 4 PrüfvV 2014 ist sehr umstritten. Mehrere Sozialgerichte gehen davon aus, dass es sich hier nicht um eine Ausschlussfrist handelt und die Vertragsparteien auf Bundesebene auch hierzu keine Regelungskompetenz hatten (so z.B. Urteil des SG Dortmund vom 05.05.2017, S 49 KR 580/16 (rechtskräftig) und Urteil SG Reutlingen vom 08.11.2017, Az.: S 1 KR 364/17). Mit dieser Argumentation setzt sich das LSG leider nicht auseinander, sondern verweist lapidar auf die Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 2014, wonach das Krankenhaus nur einen Anspruch auf den unstrittigen Rechnungsbetrag hat. Ob diese materiell-rechtliche Beschränkung zulässig ist und in der Kompetenz der Vertragsparteien auf Bundesebene liegt, prüft das LSG nicht. Nach § 17c Abs. 2 KHG wurde den Vertragsparteien auf Bundesebene lediglich die Befugnis eingeräumt, das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V zu regeln. Materiell-rechtliche Konsequenzen sind dort nicht angesprochen.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:35:38
 
Newsletter vollstationäre Behandlung
 

Eine diagnostische Maßnahme (hier: Spiegelung des Augenhintergrunds unter Vollnarkose bei einem Kleinkind) während des Tages begründet eine vollstationäre Behandlung, wenn hierfür die besonderen Mittel des Krankenhauses erforderlich sind.

Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 16.01.2018, L 11 KR 1930/16

- Spiegelung Augenhintergrund, Retinoblastom, Abgrenzung vollstationär ambulant, Funduskopie, besondere Mittel des Krankenhauses, Diagnostik, DRG Z64B (Version 2011) -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

das LSG Baden-Württemberg hat bei einer besonderen Fallgestaltung für eine am Tag erfolgte diagnostische Maßnahme einen vollstationären Krankenhausaufenthalt bejaht. Dabei ging es um eine Retinoblastomuntersuchung bei einem knapp zweijährigen Kleinkind, die tagsüber stattfand.

Sachverhalt

 

Bei einem knapp zwei Jahre alten Kleinkind wurde am 19.09.2011 in der Augenklinik der Klägerin eine Netzhautkontrolluntersuchung mit Funduskopie in Vollnarkose durchgeführt (Retinoblastomuntersuchung). Der Krankenhausaufenthalt dauerte von 7.02 Uhr bis 17.00 Uhr am 19.09.2011.

 

Veranlassung für die durchgeführte Retinoblastomuntersuchung war die Retinoblastomerkrankung des Vaters des Kindes, bei dem aufgrund dieser Erkrankung ein Auge entfernt werden musste. Da diese Erkrankung vererblich ist, wurde die Untersuchung von Netzhaut und Auge bei dem Kleinkind durchgeführt. Diese Untersuchung wird nur in drei Zentren im Bundesgebiet durchgeführt (2011).

Die beklagte Krankenkasse beglich zunächst die in Rechnung gestellte DRG Z64B („Andere Faktoren, die Gesundheitszustand beeinflussen und Nachbehandlung nach abgeschlossener Behandlung ohne Komplexe Radiojoddiagnostik“ – Version 2011). Sie beauftragte den MDK mit einer Prüfung. Der MDK kam zu der Auffassung, die durchgeführte Untersuchung hätte ambulant vorgenommen werden können. Es habe keine medizinische Notwendigkeit der Aufnahme in ein Krankenhaus zur vollstationären Behandlung bestanden. Daraufhin verrechnete die Krankenkasse den gezahlten Betrag mit einer anderen unstreitigen Krankenhausrechnung.

Die Klägerin erhob daraufhin Klage. Sie vertrat die Auffassung, dass eine vollstationäre Behandlung im Krankenhaus zur Durchführung der Diagnostik erforderlich war. Eine ambulante Behandlung scheide aus, da von den niedergelassenen Augenärzten diese Untersuchung von Kleinkindern nicht durchgeführt werde. Auch die ihr zugeordnete Hochschulambulanz verfüge nicht über die erforderlichen Geräte und Ressourcen zur Durchführung der Retinoblastomuntersuchung bei einem Kleinkind.

Entscheidungsgründe

Sowohl die Vorinstanz als auch die Berufungsinstanz gaben dem Krankenhaus Recht und verurteilten die beklagte Krankenkasse zur Zahlung.

Das LSG Baden-Württemberg geht davon aus, dass vorliegend eine ambulante Behandlung ausscheidet. Bei Kindern im Alter zwischen einem halben Jahr und ca. drei Jahren ist zur Untersuchung der Netzhaut zum Ausschluss eines Retinoblastoms eine vollstationäre Krankenhausbehandlung im Sinne von § 39 SGB V notwendig. Dem stehe nicht entgegen, dass bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme in das Krankenhaus eine Entlassung des Kindes noch am selben Tag geplant war und es sich lediglich um eine diagnostische Maßnahme gehandelt habe.

Unter Bezug auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19.09.2013, Az.: B 3 KR 34/12 R) komme es im Regelfall auf den Behandlungsplan des Krankenhausarztes an, wonach sich die Behandlung in der Vorausschau zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstrecken muss. Dieser Regelfall gelte in erster Linie für Operationen und/oder stationsersetzende Eingriffe. Diese Definition ist aber dann nicht geeignet, wenn eine nicht operative stationäre Behandlung erfolge. In diesem Fall komme es dann entscheidend darauf an, in welchem Umfang der Patient die Infrastruktur des Krankenhauses in Anspruch nehmen muss.

Vorliegend bejaht das LSG Baden-Württemberg einen Ausnahmefall, da die durchgeführte Funduskopie (Augenhintergrunduntersuchung) nach der herangezogenen medizinischen Literatur bei Kindern im Alter zwischen einem halben Jahr und drei Jahren regelmäßig nur unter Vollnarkose erfolgen könne und somit die besonderen Mittel des Krankenhauses hierfür erforderlich seien. Unter einer Behandlung seien nicht nur therapeutische Eingriffe, sondern auch Untersuchungen zu diagnostischen Zwecken zu verstehen.

Die Voraussetzung für einen vollstationären Aufenthalt bejaht das LSG Baden-Württemberg vorliegend. Die niedergelassenen Augenärzte würden derartige Untersuchungen bei Kindern im Alter des Kleinkindes nicht durchführen. Es fehlten daher ambulante Behandlungsmöglichkeiten. Hierfür sei die apparative Ausstattung eines Krankenhauses erforderlich, insbesondere speziell für die Bedürfnisse von Kleinkindern ausgestattete Narkosegeräte sowie auch speziell geschultes und erfahrenes ärztliches und nicht-ärztliches Personal.

Anmerkung

Die Abgrenzung zwischen stationärer Behandlung und ambulanter Behandlung wirft immer wieder Rechtsfragen in der Praxis auf. Die Krankenkassen und der MDK vertreten eine sehr enge Sicht und weisen häufig bei Tagesfällen die Bezahlung der Rechnung zurück.

Maßgeblich sind hierfür die nach wie vor bestehenden Grundsätze des BSG mit Urteil vom 19.09.2013 (B 3 KR 34/12 R), auf das sich auch das LSG Ba-Wü stützt. In dieser Grundsatzentscheidung hat das BSG zwar zum Ausdruck gebracht, dass im Regelfall die Abgrenzung der vollstationären Behandlung von der ambulanten Behandlung anhand der geplanten Aufenthaltsdauer vorzunehmen ist. Soll der Patient nach der Entscheidung des Krankenhausarztes mindestens einen Tag und eine Nacht ununterbrochen im Krankenhaus versorgt werden, handelt es sich um eine vollstationäre Behandlung, auch wenn der Patient vorzeitig das Krankenhaus am selben Tag verlässt (BSG, a.a.O., Rdz. 13, juris).

Ferner hat das BSG festgestellt, dass im Ausnahmefall eine vollstationäre Behandlung angenommen werden könne, auch wenn nur der Krankenhausaufenthalt an einem Tag erfolgte. Maßgeblich ist hierbei, ob der Patient wegen seiner Erkrankung umfassend die Infrastruktur des Krankenhauses in Anspruch nimmt (BSG, a.a.O., Rdz. 14, juris).

Die Besonderheit des Urteils des LSG Baden-Württemberg ist darin zu sehen, dass es im Ausnahmefall auch diagnostische Maßnahmen ausreichen lässt, wenn hierfür die besonderen Mittel des Krankenhauses erforderlich sind und in Anspruch genommen wurden.

In der Urteilsbegründung wird gleichzeitig das von der Beklagten in Auftrag gegebene MDK-Gutachten grundsätzlich in Frage gestellt. Wörtlich heißt es:

 

„Die Stellungnahme des MDK vom 12.12.2011 ist für den Senat nicht nachvollziehbar, da sie nicht im Ansatz erkennen lässt, auf welche Tatsachen sich die vorgetragene Schlussfolgerung der fehlenden Notwendigkeit der Aufnahme in das Krankenhaus zur vollstationären Behandlung stützt.“ (LSG BaWü, a.a.O., Rdz. 33).

Den Krankenhäusern wird daher empfohlen, bei parallelen Fallgestaltungen, insbesondere wenn die niedergelassenen Ärzte bestimmte diagnostische Maßnahmen oder Behandlungen nicht durchführen, sich auf diese Entscheidung zu stützen.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:36:10
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Newsletter Liposuktion
 

Eine Liposuktion entspricht nicht den Anforderungen des Qualitätsgebots. Nach Wortlaut und Regelungssystem senkt auch die Norm des § 137c Abs. 3 SGB V nicht die Qualitätsanforderungen für den Anspruch auf stationäre Versorgung mit dem bloßen Potential einer Behandlungsalternative.

Urteil des BSG vom 24.04.2018, Az.: B 1 KR 10/17 R

- Liposuktion, Qualitätsgebot, § 137c Abs. 3 SGB V, Potential einer Behandlungsalternative -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

das BSG hat entschieden, dass eine Liposuktion nicht den Anforderungen des Qualitätsgebots entspricht. Nach Wortlaut und Regelungssystem senke auch die Norm des § 137c Abs. 3 SGB V nicht die Qualitätsanforderungen für den Anspruch auf stationäre Versorgung mit dem bloßen Potential einer Behandlungsalternative. Zweck der Ausrichtung der Leistungsansprüche der Versicherten am Qualitätsgebot sei es, im Interesse des Patientenschutzes und des effektiven

Einsatzes der Mittel der Beitragszahler zu gewährleisten, dass eine nicht ausreichend erprobte Methode nicht zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden darf.

Sachverhalt

Der Terminsvorschau ist folgender Sachverhalt zu entnehmen: Eine Patientin beantragte befundgestützt die Versorgung mit stationären Liposuktionen. Nach Ablehnung der beantragten Kostenübernahme durch die Krankenkasse unterzog sich die Patientin der stationären Liposuktionen auf eigene Kosten.

Die Vorinstanzen gaben der Beklagten Recht. Das LSG führte diesbezüglich aus, dass Liposuktionen nicht dem Qualitätsgebot entsprächen und daher nicht das Potential einer erfolgreichen Behandlungsalternative böten.   

Entscheidungsgründe

Dem Terminsbericht des BSG ist zu entnehmen, dass eine Liposuktion nicht den Anforderungen des Qualitätsgebots entspricht. Nach Wortlaut und Regelungssystem senke auch die Norm des § 137c Abs. 3 SGB V nicht die Qualitätsanforderungen für den Anspruch auf stationäre Versorgung mit dem bloßen Potential einer Behandlungsalternative. Zweck der Ausrichtung der Leistungsansprüche der Versicherten am Qualitätsgebot sei es, im Interesse des Patientenschutzes und des effektiven Einsatzes der Mittel der Beitragszahler zu gewährleisten, dass eine nicht ausreichend erprobte Methode nicht zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Die Revision wurde somit zurückgewiesen.

Anmerkungen

Die Entscheidung des BSG geht mit dem Regelungszweck des § 137c Abs. 3 SGB V nicht konform. Der Gesetzgeber hat durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16.07.2015 zum Ausdruck gebracht, dass eine Methode, deren Nutzen nach Feststellung des Gemeinsamen Bundesausschusses zwar noch nicht hinreichend belegt sei, die aber das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative böte, nach den gesetzlichen Vorgaben im Rahmen der Krankenhausbehandlung weiterhin zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden könne.

Zunächst liegt nur der Terminsbericht vor. Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, wird eine ergänzende Kommentierung hierzu erfolgen.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:37:02
 
Newsletter Einsichtnahme in die Krankenakte und Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung
 

Untersagt ein Krankenhaus in einem Rechtsstreit vor dem SG die Weitergabe der eingereichten Behandlungsunterlagen an die Krankenkasse, dürfen diese Behandlungsunterlagen nicht zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht werden. In diesem Fall hat das SG eine Beweislastentscheidung zu Lasten des Krankenhauses zu fällen und muss die Klage abweisen.

Nach dem OPS-Kode 8-550 (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung) sind konkret wochenbezogen jeweils Behandlungsergebnisse und eigenständige Behandlungsziele je Therapiebereich aufgrund der wöchentlich stattfindenden gemeinsamen Teambesprechung einschließlich der personenbezogenen Benennung aller teilnehmenden Berufsgruppen nach ihren Vertretern und der fachärztlichen Behandlungsleitung zu dokumentieren. Hierzu ist eine planvolle, geordnete zielgerichtete Zusammenfassung erforderlich.

Urteil des BSG vom 19.12.2017, B 1 KR 19/17 R

- Anspruch auf rechtliches Gehör, Einsicht der KK in die Behandlungsunterlagen, Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, Beweislastverteilung, Anforderungen an die Dokumentation der Mindestmerkmale OPS-Kode 8-550, Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung, Anforderung an die Dokumentation, wöchentliche Teambesprechung -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

über das Urteil des BSG vom 19.12.2017 (Az.: B 1 KR 19/17 R) hatten wir bereits anhand des Terminberichts des BSG berichtet (Rechtstipp vom 09.01.2018). Nunmehr liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor. Das BSG geht davon aus, dass die gesetzlichen Krankenkassen berechtigt sind, im Rahmen eines Rechtsstreits vor dem SG Einsicht in die Behandlungsunterlagen zu nehmen. Wird dies vom Krankenhaus untersagt, ist eine Beweislastentscheidung zu Lasten des Krankenhauses zu fällen. Darüber hinaus stellt das BSG erhebliche Anforderungen an die Dokumentation der wöchentlichen Teambesprechung im OPS-Kode 8-550 (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung).

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus behandelte eine Patientin Anfang 2009 wegen der Folgen eines Hirninfarkts bei Multimorbidität stationär. Für die Krankenhausbehandlung berechnete sie die DRG-Fallpauschale B44B (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen des Nervensystems mit schwerer motorischer Funktionseinschränkung). Die Krankenkasse beauftragte den MDK mit einer Prüfung. Auf der Basis der Stellungnahmen des MDK kam die Krankenkasse zum Ergebnis, es fehle an einer ausreichenden Dokumentation der wöchentlichen Teambesprechung.

Die Klägerin erhob Zahlungsklage, reichte dem SG die Behandlungsunterlagen ein und erklärte hierzu, sie sei nicht damit einverstanden, dass das Gericht der Beklagten hierzu Einsicht gewähre. Das SG hat die Beklagte zur Zahlung verurteilt; das LSG hat dem MDK die vollständigen Behandlungsunterlagen überlassen, nicht aber der beklagten Krankenkasse. Die Berufung der Krankenkasse wurde vom LSG zurückgewiesen. Das LSG geht davon aus, dass die Krankenkassen auch im Gerichtsverfahren keinen Anspruch auf eigenständige Einsicht in die Behandlungsunterlagen haben. Hierzu müssten sie sich des MDK bedienen.

Auf die Revision der Krankenkasse hob das BSG die Urteile auf und wies die Klage ab.

Entscheidungsgründe

Das Urteil des BSG fällt zunächst eine Grundsatzentscheidung zu der Frage, ob die Krankenkassen im Rahmen eines Rechtsstreits vor dem SG Einblick in die vollständigen Behandlungsunterlagen haben. Es bejaht dies aus folgenden Gründen:

- Das LSG habe den Anspruch der Krankenkasse auf rechtliches Gehör verletzt, da es die Krankenkasse daran gehindert habe, eine Prüfung der zur Verfügung gestellten Behandlungsunterlagen eigenständig vorzunehmen.

- Ein Urteil dürfe sich nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützen, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten (§ 128 Abs. 2 SGG). Das Recht auf rechtliches Gehör umfasst u.a. die Möglichkeit für die Beteiligten, in die Unterlagen Einsicht zu nehmen, die das Gericht in den Prozess eingeführt hat und auf die es sich stützen will. Das rechtliche Gehör ist als objektivrechtliches Verfahrensprinzip für ein rechtsstaatliches Verfahren im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG schlechthin konstitutiv.

- Die Kenntnis des MDK von den Behandlungsunterlagen reicht hierzu nicht aus. Die Krankenkasse muss sich die Kenntnis des MDK von den Behandlungsunterlagen nicht zurechnen lassen. Weder sind MDK-Ärzte Beistände noch (Prozess-)Bevollmächtigte der Krankenkasse gewesen, noch müssen sich Krankenkassen generell Verhalten oder Wissen des MDK zurechnen lassen.

- Weder die Regelungen im SGB V, noch sonstiges Datenschutzrecht und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Versicherten schließen das Einsichtsrecht der Krankenkasse in die Behandlungsunterlagen aus.

- Das SGB V sieht bei einem Streit über Krankenhausvergütung vorprozessual kein Verwaltungsverfahren mit Amtsermittlung vor. Erst der vom Amtsermittlungsgrundsatz geprägte Rechtsschutz vor den Gerichten ermöglicht eine umfassende Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts. Die damit verbundenen rechtsstaatlichen Garantien, insbesondere der Anspruch auf rechtliches Gehör (hier der Krankenkasse) stehen weder zur Disposition des Gerichts noch eines Beteiligten. Die Aufgabenzuweisung nach § 276 Abs. 2 SGB V an den MDK schließt die Krankenkasse nicht prozessual von der Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen aus.

- Das Gebot, die Krankenkassen zutreffend über das der Abrechnung zu Grunde liegende Geschehen zu informieren und prozessual bei der Amtsermittlung ihr rechtliches Gehör zu wahren, schränkt das Grundrecht der Patienten auf informationelle Selbstbestimmung verfassungskonform ein. Die Patienten müssen es hinnehmen, dass die Sozialdaten bei der Abrechnung und dem Rechtsstreit den Krankenkassen zur Kenntnis gelangen, die für die ordnungsgemäße Abrechnung der erbrachten Leistungen erforderlich sind.

- Das SG ist nicht befugt, der Krankenkasse Einsicht in die zur Verfügung gestellten Verhandlungsunterlagen zu geben, wenn das Krankenhaus dem widerspricht. Folge davon ist, dass das SG die Behandlungsunterlagen nicht zum Gegenstand des Rechtsstreits machen darf. Das die Einsichtnahme untersagende Krankenhaus hat dann die Rechtsfolgen zu tragen. Nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast wird dies im Regelfall zur Versagung des Vergütungsanspruchs führen.

Im zweiten Teil der Entscheidungsgründe setzt sich das BSG mit den Anforderungen an den OPS-Kode 8-550 auseinander. Es stellt dabei besonders hohe Anforderungen an die Dokumentation der wöchentlichen Teambesprechung nach dem OPS-Kode 8-550.

Nach dem Urteil des BSG sind konkret wochenbezogen jeweils Behandlungsergebnisse und eigenständige Behandlungsziele je Therapiebereich aufgrund der wöchentlich stattfindenden gemeinsamen Teambesprechung, einschließlich der personenbezogenen Benennung aller teilnehmenden Berufsgruppen nach ihren Vertretern und der fachärztlichen Behandlungsleitung, zu dokumentieren.

An die „konzentrierte Darstellung eines strukturierten Dialogs“ (wöchentliche Teambesprechung) stellt das BSG folgende Anforderungen:

- Darstellung der bisherigen Behandlungsergebnisse

- Ergebnis der Teambesprechung mit Darstellung weiterer Behandlungsziele

- Die maßgeblichen Inhalte hierfür haben alle Berufsgruppen beizusteuern:

Behandelnde Ärzte, Therapeuten der vier Therapiebereiche (Physiotherapie/Physik
alische Therapie, Ergotherapie, Logopadie/Faciorale Therapie, Psychologie/Neuro
psychologie) – nicht nur die bislang tätig gewordenen Therapiebereiche - sowie der Pflegedienst und der Sozialdienst.

- Die Therapiebereiche, die in der vergangenen Woche seit der letzten Teambesprechung den jeweiligen Versicherten behandelt haben, haben erreichte und ggf. nicht erreichte, aber angestrebte konkrete Behandlungsergebnisse mitzuteilen.

- Bislang nicht tätig gewordene Berufsgruppen haben ihrerseits ihren Sachverstand mit einzubringen, Vorschläge für ihren Bereich zu unterbreiten und sich an der Festlegung der Behandlungsziele für die jeweils nächste Woche diskursiv zu beteiligen.

- Dem ärztlichen Behandlungsleiter kommt dabei die Moderation der Teambesprechung und die Gesamtverantwortung zu.

- Ergebnis der wöchentlichen Teambesprechung soll eine möglichst konkrete, für alle Teammitglieder nachvollziehbare Beschreibung des Ist-Zustandes und der weiteren Behandlungsmaßnahmen sein.

- Aus der Dokumentation muss erkennbar sein, welcher jeweils eigenständige Beitrag von jedem der vier genannten Therapiebereiche für den einzelnen Patienten in Abstimmung mit den anderen Therapiebereichen zur Erreichung des Therapieziels im Rahmen des teamintegrierten Einsatzes erbracht wurde bzw. noch erbracht werden muss.

- Vertreter aller Berufsgruppen müssen bei der wöchentlichen Teambesprechung anwesend sein. In der Dokumentation der Teambesprechung sind alle Teilnehmer individuell und nach ihren Berufsgruppen zu bezeichnen.

Anmerkungen

Das BSG stellt in der Grundsatzentscheidung zur Gewährung des rechtlichen Gehörs heraus, dass die Krankenkassen Anspruch auf Einsicht in die beigezogenen Behandlungsunterlagen im Rahmen eines Rechtsstreits vor dem SG haben. Allerdings löst das BSG den Widerspruch nicht auf, dass die Krankenkassen außergerichtlich keinen Anspruch auf Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen haben und nur dem MDK im Rahmen eines Prüfungsverfahrens die Einsichtnahme gestattet ist. Somit beschränkt sich die Einsichtnahme der Krankenkassen in die vollständigen Behandlungsunterlagen auf die Rechtsstreitigkeiten vor dem Sozialgericht. Diese dürfen also den Krankenkassen außergerichtlich nach wie vor nicht zur Verfügung gestellt werden.

Ein weiterer Schwerpunkt der Entscheidung sind die Anforderungen, die das BSG an die Erfüllung der Dokumentation der wöchentlichen Teambesprechung stellt. Aus dem OPS-Kode 8-550 sind diese stringenten Anforderungen nicht zu ersehen, so dass es sich wiederum typischerweise um „Richter-Recht“ handelt, das den OPS-Kode 8-550 wesentlich ändert. Der OPS-Kode 8-550 spricht lediglich von einer wochenbezogenen Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele. Das BSG fordert nunmehr auch die Dokumentation von Therapiebereichen, die bisher nicht in den Behandlungsprozess eingebunden wurden. Zwingend sind danach an der wöchentlichen Teambesprechung die ärztliche Behandlungsleitung, die behandelnden Ärzte, das Pflegepersonal, der Sozialdienst und Therapeuten der vier Therapiebereiche (Physiotherapie/Physikalische Therapie, Ergotherapie, Logopadie/Faciorale Therapie, Psychologie/Neuropsychologie) zu beteiligen.

Nach dem BSG muss die Dokumentation der wöchentlichen Teambesprechung eine „qualifizierte konkrete Handlungsanleitung“ ergeben. Allgemeine Formulierungen, die Bezeichnung bloßer Globalziele (z.B. Steigerung der Selbstständigkeit, Mobilität) reichen hierzu nicht aus.

Allerdings lässt das BSG genügen, dass die Dokumentation „orientiert an dem professionellen Horizont der Therapeuten adressatengerecht knapp und abgekürzt“ erfolgt. Dabei kann auch auf ausführliche Darstellungen an anderer Stelle Bezug genommen werden.

Den Krankenhäusern wird daher empfohlen, zur Vermeidung von Vergütungsnachteilen, die neuen, hohen Anforderungen des BSG zu beachten; ggf. ist die Dokumentation umzustellen und auf die Anforderungen des BSG zu erweitern.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:37:25
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Newsletter sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung
 

Die Einführung des Prüfregimes der „sachlich-rechnerischen Richtigkeit“ ist ein Akt der (Richter-)Rechtsetzung durch den 1. Senat des BSG mit Wirkung ab 01.07.2014. Für davorliegende Zeiträume ist § 275 Abs. 1c SGB V anwendbar und bietet den Rechtsgrund für die Zahlung der Aufwandspauschale. Der Rechtsgrund für die Zahlung der Aufwandspauschale durch die Krankenkassen vor dem 01.07.2014 ist auch nicht weggefallen.

Gerichtsbescheid des SG Fulda vom 23.02.2018, Az.: S 4 KR 255/16 (rechtskräftig)

- sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung, Auffälligkeitsprüfung, Vertrauensschutz, Grundsatz von Treu und Glauben, Aufwandspauschale, öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Themenkreis um die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V beschäftigt nach wie vor die Sozialgerichte intensiv. Die Rechtsprechung des 1. Senats des BSG zur Einführung eines eigenen Prüfregimes „sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung“ unter Vermeidung der Regelungen in § 275 Abs. 1c SGB V stößt bei vielen Sozialgerichten auf erhebliche Kritik. Das SG Fulda kommt dabei zu dem Schluss, dass die Krankenkassen vor dem 01.07.2014 keinen Anspruch auf Erstattung der gezahlten Aufwandspauschale geltend machen können.

Sachverhalt

Die Klägerin behandelte einen Patienten stationär. Die beklagte Krankenkasse beauftragte den MDK mit einer Prüfung der Abrechnung. Das MDK-Gutachten bestätigte die Richtigkeit der Abrechnung. Daraufhin stellte die Klägerin der Beklagten am 28.01.2014 die Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € gem. § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V in Rechnung. Die Beklagte bezahlte die Aufwandspauschale zunächst, verrechnete jedoch am 24.02.2016 den Rechnungsbetrag in Höhe von 300,00 € mit einer anderweitigen, unstreitigen Vergütungsforderung der Klägerin.

Hiergegen erhob das Krankenhaus Klage.

Entscheidungsgründe

Das SG Fulda gab dem von uns vertretenen Krankenhaus Recht und verurteilte die beklagte Krankenkasse zur Zahlung von 300,00 €.

Dabei ließ sich das SG Fulda von folgenden Gesichtspunkten leiten:

Das Urteil des BSG vom 01.07.2014 (B 1 KR 29/13 R) führt erstmalig ein Prüfregime der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung von Krankenhausrechnungen ein. Dies stellt einen Akt der (Richter-)Rechtsetzung durch den 1. Senat des BSG dar. Daraus schließt es, dass vor dem 01.07.2014 § 275 Abs. 1c SGB V über die Regelung der Aufwandspauschale uneingeschränkt anwendbar ist. Somit bestand ein Rechtsgrund für die Zahlung der Aufwandspauschale.

Alternativ stellt das SG Fulda Überlegungen an, wie die Rechtslage zu beurteilen wäre, wenn das Prüfregime der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung auch für zurückliegende Zeiträume vor dem 01.07.2014 Anwendung fände. Dabei stellt es heraus, dass vor dem 01.07.2014 (Urteilsverkündung des 1. Senats) kein Rechtsanwender – auch nicht der 1. Senat des BSG –Kenntnis von diesem Prüfregime gehabt hatte. Vor Begründung der diesbezüglichen Rechtsprechung des 1. Senats wurde von keinem der Beteiligten erwogen, dass eine Kategorie der Prüfung der „sachlich-rechnerischen Richtigkeit“ neben dem Prüfregime des § 275 SGB V existieren könnte und für die eben jene Regeln nicht gelten sollten. Somit hätten sich alle Rechtsanwender und –unterworfenen in einem Rechtsirrtum befunden.

Somit handele es sich um einen allgemeinen Irrtum, der dem Recht gleichstünde. Dies folge aus dem römischrechtlichen Grundsatz „error communis facit jus“. Es entspreche der europäischen Rechtstradition, dass jemand in gutem Glauben ein Recht für sich in Anspruch nehmen kann, das unbestritten erscheint und allgemein als tatsächliches Recht angesehen wird. Dieses Recht muss dann auch juristisch geschützt sein.

Auf der Grundlage dieser europäischen Rechtstradition kann der Rechtsprechung des 1. Senats des BSG nur eine Wirkung für die Zukunft zukommen. Somit bildet § 275 Abs. 1c SGB V nach wie vor die Rechtsgrundlage für die Zahlung von Aufwandspauschalen, die vor dem 01.07.2014 erfolgt sind; der Rechtsgrund ist somit auch nicht weggefallen.

Ergänzend stützt das SG Fulda seine Entscheidung auf die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Soweit Aufwandspauschalen vor dem 01.07.2014 gezahlt worden sind, steht der Durchsetzung eines etwaigen diesbezüglichen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Vor dem 01.07.2014 hatte niemand – auch nicht der 1. Senat des BSG – eine parallele Prüfungskompetenz „sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung“ neben dem Regime des § 275 SGB V thematisiert. Vielmehr sei sogar der Rechtsprechung des BSG vor dem 01.07.2014 zu entnehmen, dass die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung auch der Regelung des § 275 SGB V unterfalle. Daraus sei zu ersehen, dass der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 01.07.2014, B 1 KR 29/13 R) gleichsam rechtssetzenden Charakter zukomme. Eine rückwirkende Anwendung dieser Rechtsprechung auf frühere abgeschlossene Fälle der Aufwandspauschalenforderungen käme die Bedeutung einer gesetzesgleichen Rückwirkung zu. Der daraus resultierende Vertrauensschutz der Krankenhäuser stehe einer Rückforderung der Aufwandspauschale aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben entgegen.

Anmerkungen

Die Entscheidung des SG Fulda stellt ein besonderes juristisches Highlight zum Themenkomplex Rückforderung der Aufwandspauschale durch die Krankenkassen dar.

Das SG Fulda setzt sich intensiv mit der Rechtsprechung des BSG zur sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung auseinander, die zur Vermeidung der 6-Wochen-Frist zur Prüfungseinleitung und zur Vermeidung der Zahlung einer Aufwandspauschale zu Gunsten der Krankenkassen ergangen ist.

Dabei stützt sich das SG Fulda auf die europäische Rechtstradition und greift auf den römischrechtlichen Grundsatz „error communis facit jus“ zurück. Dieser römischrechtliche Grundsatz bedeutete im alten Rom, dass eine allgemein akzeptierte Meinung oder Glaube an das Recht diese zum Gesetz erhob.

Das SG Fulda pointiert, dass auch das BSG vor dem 01.07.2014 einem Rechtsirrtum – wie alle Rechtsanwender und –unterworfenen – unterlegen sei, da es für vorhergehende Zeiträume das Prüfregime der sachlich-rechnerischen Richtigkeit auch nicht kannte. Das BSG selbst habe den Anspruch auf Aufwandspauschale auch bei Kodierungsprüfungen noch im Jahr 2013 nicht in Frage gestellt (BSG-Urteil vom 28.11.2013 – B 3 KR 4/13 R; Urteil vom 22.06.2010 – B 1 KR 1/10 R).

Die vom SG Fulda in hervorragender Weise herausgearbeiteten Grundlagen europäischer Rechtstradition hätte auch der 1. Senat des BSG beherzigen und in seiner Richter-Rechtsetzung zum Ausdruck bringen können. Dies hätte in der Art erfolgen können, dass das BSG herausstellt, dass die diesbezügliche Rechtsprechung zur Einführung einer sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung außerhalb der Regelungen des § 275 Abs. 1c SGB V erst mit Veröffentlichung des Urteils vom 01.07.2014 Anwendung findet. Hierzu ist es allerdings noch nicht zu spät.

Vor dem Hintergrund des Urteils des SG Fulda wird daher nach wie vor empfohlen, sich gegen Rückforderungen der Aufwandspauschale für Zeiträume vor dem 01.07.2014 zu wenden und die Gerichte zu bemühen.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber mit Wirkung zum 01.01.2016 die Regelung in § 275 Abs. 1c SGB V auch auf die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung (klarstellend) erstreckt und keine Unterschiede bei den Prüfregimen mehr macht (KHSG vom 10.12.2015 – BGBl. I, 2229). Die Rechtsprechung des 1. Senats des BSG hat daher allenfalls Auswirkung auf den Zeitraum vom 01.07.2014 bis 31.12.2015.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:37:58
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Newsletter Gestaltungsspielraum Schiedsstelle
 

Das Krankenhausentgeltgesetz trennt systematisch zwischen der prognostischen Aufstellung des Erlösbudgets und der Abrechnung der im Vereinbarungszeitraum tatsächlich erbrachten Krankenhausleistungen. Für die Rechtmäßigkeit des Erlösbudgets ist es danach grundsätzlich ohne Bedeutung, ob später im konkreten Behandlungsfall tatsächlich alle Abrechnungsvoraussetzungen vorliegen.

Eine Verpflichtung der Schiedsstelle, ein eigenständiges komplexes Prüfungsverfahren wie es in § 137c SGB V a.F. normiert ist, durchzuführen, ist mit den zeitlichen Vorgaben nach § 13 Abs. 2 KHEntgG und der Funktion als Schiedsstelle nicht vereinbar.

Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 15.02.2018, 7 A 11357/17.OVG

- Schiedsstelle, Beschleunigungsgrundsatz, Prospektivitätsgrundsatz, Gestaltungs-spielraum, Abrechnung, Wirbelsäulenkathetertechnik nach Racz, Kalkulation ZE 2009–52, Implantation oder Wechsel eines interspinösen Spreizers -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

in dem vorliegenden Rechtsstreit wandten sich die Krankenkassen gegen die Genehmigung eines Schiedsspruchs der Pflegesatzschiedsstelle. Streitig war die Berücksichtigung der Bewertungsrelationen für die Schmerzbehandlung mittels Wirbelsäulenkathetertechnik nach Racz sowie die Kalkulation des ZE 2009-52 (Implantation oder Wechsel eines interspinösen Spreizers). Das VG Koblenz hatte mit Urteil vom 18.06.2014 die Klage der Krankenkassen abgewiesen und der Rechtsauffassung des von uns vertretenen Krankenhauses in allen Punkten zugestimmt. Die Berufung der Krankenkassen hatte keinen Erfolg.

Sachverhalt

Die Schiedsstelle für die Festsetzung der Krankenhauspflegesätze fasste am 10.08.2010 u.a. folgenden Beschluss:

Für die vom Krankenhaus durchgeführten Behandlungen mittels Wirbelsäulenkathetertechnik nach Racz sind im Erlösbudget 146,16 BwR zu berücksichtigen. Für das ZE 2009-52 (Implantation oder Wechsel eines interspinösen Spreizers) sei ein gemittelter Preis in Höhe von 2.300,00 € anzusetzen, somit für 32 ZE ein Betrag in Höhe von 73.600,00 €.

Die klagenden Krankenkassen wandten ein, die Behandlung mittels Wirbelsäulenkathetertechnik nach Racz sei kein wissenschaftlich anerkanntes Verfahren und dürfe bei gesetzlich Krankenversicherten nicht angewandt werden. Bereits in einem Bericht der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung aus dem Jahr 2003 sei der Wirksamkeitsnachweis der Wirbelsäulenkathetertechnik nach Racz in Frage gestellt worden.

Des Weiteren beanstandeten die Krankenkassen die Preisfestsetzung für den interspinösen Spreizer. Dieser sei zu hoch festgesetzt worden, was sich u.a. auch aus dem später festgelegten ZE 125 (ab 2011) ergäbe.

Entscheidungsgründe

Das VG Koblenz und das OVG Rheinland-Pfalz wiesen die Einwände der Krankenkassen gegen die Genehmigung des Schiedsspruchs zurück.

Das OVG ließ sich von folgenden Erwägungen hierbei leiten:

Nach der jüngsten Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 04.05.2017, Az.: 3 C 17.15, juris, Rdz. 19) trennt das KHEntgG systematisch zwischen der prognostischen Aufstellung des Erlösbudgets und der Abrechnung der im Vereinbarungszeitraum tatsächlich erbrachten Krankenhausleistungen. Insoweit sei für die Rechtmäßigkeit des Erlösbudgets grundsätzlich ohne Bedeutung, ob später im konkreten Behandlungsfall tatsächlich alle Abrechnungsvoraussetzungen vorliegen.

Zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung am 10.08.2010 bestand für die Schiedsstelle kein Zweifel an der generellen Abrechnungsfähigkeit der Behandlungen mittels Wirbelsäulenkathetertechnik nach Racz. Bis zum 10.08.2010 (Tag der Entscheidung der Schiedsstelle) gab es keinerlei Beanstandungen des MDK hinsichtlich der Abrechnungsfähigkeit der vom Krankenhaus im Jahr 2009 diesbezüglich durchgeführten Behandlungen. Die Krankenkassen wären nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V verpflichtet gewesen, eine gutachterliche Stellungnahme des MDK hierzu zeitnah, spätestens 6 Wochen nach Eingang der Abrechnung, einzuholen. Die Schiedsstelle habe ausdrücklich hierzu nachgefragt und keine diesbezügliche positive Antwort erhalten. Die Schiedsstelle durfte daher davon ausgehen, dass keine evidenten Zweifel an der Abrechnungsfähigkeit der Behandlung mittels Wirbelsäulenkathetertechnik nach Racz bestehen.

Im Krankenhausbereich gelte nach § 137c SGB V eine Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt. Erst ein negatives Votum des G-BA schließe den Einsatz einer Methode zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen aus. Solange ein solcher Beschluss des G-BA nicht vorliege, ist die fragliche Methode pflegesatzrechtlich nicht ausgeschlossen. Dem stehe auch die Rechtsprechung des BSG nicht entgegen (Urteile vom 18.12.2012 – B 1 KR 34/12 R, juris, Rdz. 34, vom 21.03.2013 – B 3 KR 2/12 R, juris, Rdz. 24 und vom 17.12.2013 – B 1 KR 70/12 R, juris, Rdz. 17 ff.). Hierbei sei zwischen dem Abrechnungsverfahren und der Festsetzung des Budgets zu unterscheiden. Die Rechtsprechung des BSG beziehe sich auf die Beurteilung von Einzelfällen und nicht auf die Festsetzung des Erlösbudgets.

Zur Kalkulation des Preises von Zusatzentgelten führt das OVG aus, dass sich die Schiedsstelle bei ihrer Entscheidung in dem ihr zukommenden Gestaltungsspielraum gehalten habe. Einer der Kläger habe selbst vorgetragen, dass ihm ein Preis in Höhe von 1.650,00 € und ein Preis in Höhe von 2.600,00 € für einen interspinösen Spreizer bekannt sei. Das Krankenhaus habe zwei Kalkulationsmodelle vorgestellt, wobei das eine zu einem Betrag von 2.033,00 € und das andere zu einem Preis von 2.640,00 € führte. Die Differenz zwischen den beiden Höchstbeträgen belaufe sich auf lediglich 40,00 €. Somit habe sich die Schiedsstelle mit der Festsetzung eines Preises in Höhe von 2.300,00 € im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums bewegt. Auf die spätere Preisfestlegung im Zusatzentgeltekatalog 2011 für das ZE125 komme es nicht an. Aber auch hier sei im Jahr 2011 eine Differenzierung je nach Anzahl der zu versorgenden Segmente im Bereich der Wirbelsäule erfolgt. Die Festsetzung eines Mittelwertes durch die Schiedsstelle sei daher nicht zu beanstanden.

Anmerkungen

Das OVG hebt hervor, dass es für die Entscheidung der Schiedsstelle nicht darauf ankommt, ob eine prospektive Festsetzung erfolgt oder erst eine Entscheidung nach Ablauf des Pflegesatzzeitraumes ergeht. Die Schiedsstelle unterliegt bei einer retrospektiven Entscheidung keinen weitergehenden rechtlichen Bindungen als bei einer prospektiven Festsetzung. Es stützt sich hierbei auf das Urteil des BVerwG vom 04.05.2017, Az.: 3 C 17.15, über das wir bereits informiert haben.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des OVG ist, dass es für die Festsetzung des Erlösbudgets nicht darauf ankommt, ob im Nachhinein die betreffenden Krankenhausleistungen tatsächlich abgerechnet werden konnten. Das KHEntgG trennt strikt zwischen der Festsetzung des Erlösbudgets und der Abrechnung von Behandlungsleistungen (siehe hierzu auch Urteil des BVerwG vom 04.05.2017, Az.: 3 C 17.15).

Für die Beurteilung der Schiedsstelle ist der Tag seiner Entscheidung maßgeblich.

Daraus ist zu schließen, dass nachträgliche Einwände der Krankenkassen, sei es im Genehmigungsverfahren oder auch im anschließenden Klageverfahren, nicht relevant sind. Die Krankenkassen sind daher gehalten, bis zur mündlichen Verhandlung vor der Schiedsstelle alle bestehenden Einwände geltend zu machen.

Das Urteil ist hier wiedergeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:38:23
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Newsletter Hyperhidrose
 

Bei der primären fokalen Hyperhidrose handelt es sich um eine Erkrankung des autonomen Nervensystems. Diese ist mit G90.8 (ICD-10-GM 2009) zu verschlüsseln. Symptomdiagnosen wie „Hyperhidrose, umschrieben“ kommen nur in Betracht, wenn keine genauere Diagnose möglich ist.

Urteil des BSG vom 20.03.2018, B 1 KR 25/17 R 

- Primäre fokale Hyperhidrose, Erkrankung des autonomen Nervensystems, G90.8 ICD-10-GM 2009, R61.0 ICD-10-GM 2009 -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Anschluss an die Vorinstanz (LSG Hamburg, L 1 KR 56/14) geht das BSG in vorliegender Entscheidung davon aus, dass es sich bei der primären fokalen Hyperhidrose um eine Erkrankung des autonomen Nervensystems handelt. Eine die Symptomatik erklärende definitive Diagnose sei vorrangig zu verschlüsseln. Die Revision der beklagten Krankenkasse wies das BSG zurück.

Sachverhalt

Die Klägerin behandelte einen Patienten im Jahr 2009 wegen erheblichen Schwitzattacken im Bereich der Hände, Achselhöhlen und im Bereich des Kopfes (Hyperhidrose). Durchgeführt wurde eine thorakoskopische Sympathektomie links und rechts.

Die Klägerin rechnete hierfür die DRG B06B (Eingriffe bei zerebraler Lähmung, Muskeldystrophie oder Neuropathie, Alter < 19 Jahre oder mit schweren CC, Alter > 15 Jahre) ab. Diese werde durch die Kodierung G90.8 ICD-10-GM 2009 („sonstige Krankheiten des autonomen Nervensystems“) angesteuert.

Die beklagte Krankenkasse stützte sich auf ein MDK-Gutachten. Danach sei als Hauptdiagnose eine Hyperhidrose (R61.0 ICD-10-GM 2009) zu verschlüsseln. Dies führe zur DRG J10B.

Nachdem die Krankenkasse den nach ihrer Auffassung überzahlten Betrag verrechnet hatte, erhob die Klägerin Klage. Das SG Hamburg wies die Klage ab. Auf die Berufung der Klägerin gab das LSG Hamburg der Klage statt.

Das BSG bestätigte das Urteil des LSG Hamburg.

Entscheidungsgründe

Das BSG schloss sich den Feststellungen des LSG zur Verschlüsselung der Hauptdiagnose an. Dieses hatte ein Sachverständigengutachten eingeholt. Danach handelte es sich bei der primären fokalen Hyperhidrose um eine Erkrankung des autonomen Nervensystems. Eine Erkrankung der Schweißdrüsen als auch eine Erkrankung einer Fehlfunktion des Gehirns sei auszuschließen. Die Ursache für die Fehlsteuerung finde sich innerhalb des Nervensystems, auch wenn der Mechanismus dieser Fehlsteuerung wegen der Komplexität des Systems noch nicht ausreichend erforscht sei. Dies führe dazu, dass die Diagnose der Resteklassen G90.8 ICD-10-GM 2009 (sonstige Krankheiten des autonomen Nervensystems) zu Grunde zu legen sei. Die Abrechnung der DRG B06B sei daher rechtmäßig.

Bei der Diagnose „Hyperhidrose, umschrieben“ (R61.0 ICD-10-GM 2009) handelt es sich um eine Symptomdiagnose. Eine Symptomdiagnose könne nicht als Hauptdiagnose verwendet werden, wenn eine die Symptomatik erklärende definitive Diagnose vorliege. Diese genauere Diagnose sei daher zu Grunde zu legen.

Anmerkungen

Der vorliegende Rechtsstreit dreht sich um die korrekte Verschlüsselung der Hyperhidrose, die mittels einer thoraskopischen Sympathektomie behandelt wird. Während in der R61.0 ICD-10-GM 2009 nur Symptome verschlüsselt werden, bezieht sich die G90.8 ICD-10-GM 2009 auf die Behandlung der Krankheiten des autonomen Nervensystems. Für die richtige Verschlüsselung der Hauptdiagnose ist daher maßgeblich die Ziffer D002f DKR. Bei der thoraskopischen Sympathektomie wird die primäre fokale Hyperhidrose als Erkrankung des autonomen Nervensystems behandelt. Demgegenüber wird in R61.0 ICD-10-GM 2009 nur das Symptom abgebildet. Insoweit lag daher – wie das BSG zu Recht erkannt hat – eine genauere Diagnose, nämlich die G90.8 ICD-10-GM 2009, vor. Diese stellte somit die Hauptdiagnose dar und führte zur Abrechnung der DRG B06B.

Zurzeit liegt nur der Terminsbericht des BSG vor, der hier wiedergegeben ist.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:38:36
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Newsletter Mindestmengenregelung
 

Der Ausnahmetatbestand „personelle Neuausrichtung“ nach Anlage 2 Nr. 4 der Mindestmengen-Regelung (Mm-R) des G-BA wird durch einen Chefarztwechsel, der für den in Frage stehenden Leistungsbereich verantwortlich zeichnet, erfüllt. Der Übergangszeitraum von max. 24 Monaten beginnt mit dem auf die Einstellung folgenden Jahr.

Urteil des SG Aachen vom 06.03.2018, Az.: S 14 KR 207/17 – nicht rechtskräftig

- Mindestmengenregelung, Pankreas-Resektion, Ausnahmetatbestand, personelle Neuausrichtung, Übergangszeitraum, Beginn Übergangszeitraum -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

der vorliegende Rechtsstreit dreht sich um die rechtliche Frage, ob ein Chefarztwechsel den Ausnahmetatbestand in der Anlage 2 Nr. 4 Mm-R erfüllt. Dabei ging es um „komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas“, für die eine Mindestmenge von 10 Eingriffen vorgegeben ist. Mit dem hierzu ergangenen bundesweit ersten Urteil hat das SG Aachen den Ausnahmetatbestand nach Anlage 2 Nr. 4 Mm-R mit überzeugenden Gründen bejaht.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus hatte in den Jahren 2012 insgesamt 16 und im Jahr 2013 17 komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas erbracht. Nachdem im April 2014 der bisherige chirurgische Chefarzt und der stellvertretende leitende chirurgische Oberarzt, die für diese Eingriffe verantwortlich waren, ausgeschieden sind, ging die Zahl der komplexen Eingriffe am Organsystem Pankreas auf drei Leistungen zurück. Im November 2014 stellte die Klägerin einen neuen chirurgischen Chefarzt mit der Facharztbezeichnung spezielle Visceralchirurgie ein. In der früheren Klinik hatte der neu eingestellte Chefarzt jährlich über 10 komplexe Eingriffe am Organsystem erbracht. Im September 2016 stellte die Klägerin auch einen neuen Oberarzt mit der Qualifikation eines Facharztes für Chirurgie und Viszeralchirurgie ein. Im Jahr 2015 wurden 8 komplexe Eingriffe am Organsystem Pankreas im Krankenhaus der Klägerin erbracht. Die Klägerin berief sich daher u.a. auf die Ausnahmeregelung „personelle Neuausrichtung“ nach Anlage 2 Nr. 4 Mm-R, wonach ein Übergangszeitraum von 24 Monaten besteht. Sie hat daher für die Behandlung eines Patienten am 30.11.2016 ihren Vergütungsanspruch geltend gemacht.

Die beklagte Krankenkasse vertrat u.a. die Auffassung, die Ausnahmeregelung nach Anlage 2 Nr. 4 Mm-R greife nicht. Ein bloßer Personalersatz oder Personalwechsel reiche nicht aus, es bedürfe vielmehr auch einer neuen strukturellen bzw. fachlichen Ausrichtung innerhalb des Krankenhauses.

Das SG Aachen gab dem von uns vertretenen Krankenhaus in allen Punkten Recht und verurteilte die beklagte Krankenkasse zur Zahlung.

Entscheidungsgründe

Rechtlicher Ausgangspunkt des SG Aachen ist die Anlage 2 Nr. 4 Mm-R, die für eine personelle Neuausrichtung bestehender Leistungsbereiche einen Übergangszeitraum von max. 24 Monaten einräumt.

Die personelle Neuausrichtung liege im Wechsel des Chefarztes vor. Einer strukturellen, fachlich-inhaltlichen Neuausrichtung bedürfe es nicht. Es genüge auch ein (sich ggfs. zeitlich streckender) Wechsel des Personals, sofern er für die Leistungserbringung und die Erwartung der Fallzahlen von zentraler Bedeutung ist. Dies ist regelmäßig beim Weggang und fachlich gleichwertigen Ersatz derjenigen Operateure der Fall, die zuvor für das Erreichen der Mindestmenge verantwortlich gezeichnet haben (Seite 11, 2. Absatz der Urteilsgründe).

Dabei stützt sich das SG Aachen auf den allgemeinen Sprachgebrauch, wonach personelle Neuausrichtung eine „das Personal betreffende Neuorientierung“ bzw. diesbezüglich eine „neue, andersartige Orientierung“ bedeute. Vom Wortsinn umschlossen ist insoweit eine wesentliche Neubesetzung, also ein „belangreicher Austausch des Personals“. Dem allgemeinen Sprachgebrauch könne nicht entnommen werden, dass damit auch Veränderungen struktureller oder fachlich-inhaltlicher Art gemeint wären. Die Ausnahmeregelung spreche von einer personellen, nicht von einer fachlichen Neuausrichtung.

Zum Beginn des Übergangszeitraums stellt das SG Aachen auf das auf die Neueinstellung folgende Kalenderjahr ab. Die gesetzlichen Regelungen (§ 137 Abs. 3 Satz 2 SGB V in der bis zum 31.12.2015 gültigen Fassung bzw. § 136b Abs. 4 Satz 1 bis 5 SGB V) stellen auf das Kalenderjahr ab. Die Ausnahmetatbestände nach Anlage 2 Mm-R nehmen darauf Bezug, es handele sich also um kalenderjahresbezogene Ausnahmen von der Mindestmengenregelung.

Anmerkungen

Das SG Aachen hat seine Urteilsgründe in lehrbuchartiger Form aufbereitet und alle Aspekte der Mindestmengenregelungen und deren Ausnahmen nach Anlage 2 Mm-R umfassend beleuchtet.

Für die richtige Auslegung im allgemeinen Sprachgebrauch bzw. im besonderen Sprachgebrauch der Fachkreise stützt sich das SG Aachen auf Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft – den Klassiker für die anerkannten Auslegungsgrundsätze. Es zieht dabei auch die Begriffserläuterung des Duden (www.duden.de) heran. Ergänzend stellt es auch auf die systematische Auslegung des Ausnahmetatbestandes nach Anlage 2 Nr. 4 Mm-R in Abgrenzung zu den weiteren Ausnahmetatbeständen in Anlage 2 Mm-R ab. In Anlage 2 Nr. 3 Mm-R werde auf neue Leistungsbereiche abgestellt. Bei der personellen Neuausrichtung gehe es demgegenüber um personelle Veränderungen/Verstärkungen. Schließlich ergänzt das SG Aachen seine Argumentationslinie durch Erläuterungen zum Regelungszweck der Mindestmengenregelung. Das Instrument der Mindestmengenregelung sei für Fälle konzipiert, in denen exklusiv höhere Fallzahlen höhere Qualität bewirken sollen (Seite 13, 2. Absatz der Urteilsgründe).

In seinen Urteilsgründen stützt sich das SG Aachen auch auf bisherige Schiedsstellenentscheidungen (Schiedsstelle-KHG Rheinland vom 25.01.2016, Az.: 1/2015; Schiedsstelle-KHG Westfalen-Lippe vom 08.02.2016, Az.: SchStKHG 08/15), die einen Wechsel des Chefarztes zur Anwendung des Ausnahmetatbestandes nach Anlage 2 Nr. 4 Mm-R genügen lassen.

Alles in allem eine in seiner Begründungsdichte herausragende Musterentscheidung zur Anwendung der Ausnahmetatbestände nach Anlage 2 Mm-R von der Mindestmengenregelung.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:38:50
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Newsletter Weaning
 

Beatmungsfreie Intervalle sind nur als Bestandteil einer gezielten methodischen Entwöhnungshandlung zur Beatmungszeit hinzuzurechnen, die eine Gewöhnung an die maschinelle Beatmung voraussetzt.

Urteil des BSG vom 19.12.2017, Az.: B 1 KR 18/17 R

- Weaning, DKR 2011 <1001h>, beatmungsfreie Intervalle, Gewöhnung, Entwöhnung, Beatmungszeit, maschinelle Beatmung, Masken-CPAP/ASB, Berechnung Beatmungszeit -

 

Sehr geehrte Damen und Herren

wie ich bereits mit Newsletter vom 11.01.2018 informiert hatte, setzt nach Auffassung des BSG die Entwöhnung i.S. der DKR 1001h (DKR 2011) eine Gewöhnung an die maschinelle Beatmung voraus. Nunmehr liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor, aus der sich die Auffassung des BSG im Einzelnen ergibt.

Sachverhalt

Die Klägerin behandelte einen Patienten vollstationär Anfang 2011 wegen eines generalisierten epileptischen Anfalls mit Verdacht auf Aspirationspneumonie und Tachypnoe. Der Patient wurde vom 27.01. bis 01.02.2011 bei klinischem Bild einer Sepsis mit Tachypnoe und peripherem Kreislaufversagen intensivmedizinisch versorgt und zur Stabilisierung der Atmungs-, und Kreislaufsituation über das Maskensystem Evita 4 intermittierend nicht invasiv beatmet (NIV-Beatmung). Das Maskensystem unterstützte die Atmung des Patienten kalendertäglich jeweils mehr als 6 Stunden. Die reine Beatmungszeit betrug 77 Stunden. Die Klägerin rechnete die beatmungsfreien Intervalle zur Beatmungszeit hinzu und kam damit auf eine Beatmungszeit von mehr als 95 Stunden. Für die Krankenhausbehandlung berechnete die Klägerin die DRG A13G (Beatmung > 95 < 250 Stunden ohne komplexe oder bestimmte OR-Prozedur etc.).

Demgegenüber vertrat die beklagte Krankenkasse die Auffassung, es sei lediglich die DRG B76C (Anfälle, mehr als ein Belegungstag, ohne komplexe Diagnostik und Therapie etc.) abzurechnen. Sie stützte sich hierbei auf mehrere Gutachten des MDK, wonach die Entwöhnung die vorherige Gewöhnung an das Atemgerät voraussetze.

Die Vorinstanzen verurteilten die beklagte Krankenkasse antragsgemäß. Das BSG hob das Urteil des LSG auf und wies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück.

Entscheidungsgründe

Das BSG legt die DKR 1001h (DKR 2011) seiner Entscheidung zu Grunde. Aus dem Begriff Entwöhnung in der DKR 1001h (DKR 2011) folgert das BSG, dass dies eine zuvor erfolgte Gewöhnung an die maschinelle Beatmung voraussetzt. Dies sei dem Begriff Entwöhnung immanent. Die DKR 1001h (DKR 2011) setzt voraus, dass das Krankenhaus tatsächlich eine Methode der Entwöhnung anwendet, weil eine Gewöhnung eingetreten ist. Nur dann, wenn sich der Patient an die maschinelle Beatmung gewöhnt hat und dadurch seine Fähigkeit eingeschränkt ist, vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atmen zu können, setzt das Krankenhaus eine Methode der Entwöhnung ein und wird der Patient im Sinne der DKR 1001h (DKR 2011) entwöhnt. Es genüge hierfür nicht, dass sich der Patient nicht an eine erfolgte maschinelle Beatmung gewöhnt hat, aber aus anderen Gründen – etwa wegen einer noch nicht hinreichend antibiotisch beherrschten Sepsis – nach Intervallen mit Spontanatmung wieder maschinelle NIV-Beatmung erhält, um solche Intervalle in die Beatmungszeit einzubeziehen.

Maßgeblich sind die medizinischen Umstände des Einzelfalls, dass eine Gewöhnung durch Maskenbeatmung bereits eingetreten ist, dass sie eine Entwöhnung von maschineller Beatmung pulmologisch erforderlich macht. Nur unter dieser Voraussetzung sind bei einer intermittierenden Entwöhnungshandlung auch Stunden der Spontanatmung als Beatmungsstunden zu berücksichtigen, sofern die Beatmungsstunden im Falle der Beatmung durch Masken-CPAP 6 Stunden am Tag nicht unterschreiten.

Da zur vorausgegangenen Gewöhnung an die maschinelle Beatmung keine tatsächlichen Feststellungen des LSG vorlagen, wies das BSG den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück. Das LSG soll im Wege des Beweises durch medizinische Ermittlungen die erforderlichen Feststellungen nachholen.

Anmerkung

Das Urteil des BSG ist geprägt von einer formalistischen, juristischen Denkweise und trägt den medizinischen Gegebenheiten nicht ausreichend Rechnung. Die DKR 1001h (DKR 2011) geht davon aus, dass die Dauer der Entwöhnung – inklusive beatmungsfreier Intervalle während der jeweiligen Entwöhnung – bei der Berechnung der Beatmungsdauer eines Patienten hinzugezählt wird. Im speziellen Fall einer Entwöhnung mit intermittierenden Phasen der maschinellen Unterstützung der Atmung durch Masken-CPAP im Wechsel mit Spontanatmung ist eine Anrechnung auf die Beatmungszeit nur möglich, wenn die Spontanatmung des Patienten insgesamt mindestens 6 Stunden pro Kalendertag durch Masken-CPAP unterstützt wurde.

Mit keinem Wort erwähnt das BSG die einschlägige S3-Leitlinie „Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz“ vom 04.12.2017 unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI). Dort wird auf 295 Seiten von Entwöhnung gesprochen, von einer erforderlichen Gewöhnung an das Beatmungsgerät ist an keiner Stelle die Rede. Wörtlich führt die DGAI in der S3-Leitlinie aus, dass „mit dem Beginn der Beatmung – noch während der akuten Behandlungsphase – erwogen werden soll, welche Implikationen die jeweiligen therapeutischen Maßnahmen in Bezug auf die spätere Entwöhnung von der Beatmung haben.“ (S3-Leitlinie der DGAI, Kapitel 7 „Entwöhnung von der invasiven Beatmung“, Seite 208). Dabei bezieht sich die DGAI auf Cook et al. „Criteria for Weaning from Mechanical Ventilation: Summary“ (https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK11921/), die über folgendes Ergebnis durch ihre Untersuchungen berichten:

The issue concerning the optimal start of weaning is confounded by alternative definitions of weaning: one reasonable conceptualization is weaning beginning with the onset of mechanical ventilation. Research to date suggests that the best answer to "when to start weaning" is to develop a protocol implemented by nurses and respiratory therapists that begins testing for the opportunity to reduce support very soon after intubation and reduces support at every opportunity.”

An keiner Stelle der DKR 1001h (DKR 2011) wird eine Gewöhnung an die maschinelle Beatmung vorausgesetzt. Unter medizinischen Gesichtspunkten ist es vielmehr so, dass der Maskenbeatmung immanent ist, dass aufgrund der intermittierenden Phasen im Wechsel mit der Spontanatmung gerade keine Gewöhnung an die Maskenbeatmung erfolgen soll. Dem dienen gerade die Entwöhnungsphasen. Oder mit anderen Worten: Der Beginn der Maskenbeatmung ist der Startpunkt für die Entwöhnungsphasen. Die DKR 1001h (DKR 2011) hat bewusst den Beginn der Beatmung („Maschine an“) und das Ende der Beatmung nach einer Periode der Entwöhnung („Maschine aus“) definiert: Die Berechnung der Dauer der künstlichen Beatmung beginnt zu dem Zeitpunkt, an dem die maschinelle Beatmung einsetzt (Maskenbeatmung); die Dauer der Beatmung endet u.a. mit Beendigung der Beatmung nach einer Periode der Entwöhnung. Das Ende der Entwöhnung kann nur retrospektiv nach Eintreten einer stabilen respiratorischen Situation festgestellt werden. Für die Berechnung der Beatmungsdauer gilt als Ende der Entwöhnung dann das Ende der letzten maschinellen Unterstützung der Atmung (so DKR 1001h (DKR 2011)).

Diesen medizinischen Sachverhalt verkennt das BSG und interpretiert die DKR 1001h (DKR 2011) ausschließlich unter juristischen Gesichtspunkten.

Das Urteil des BSG beinhaltet daher erheblichen Zündstoff.

Für die medizinisch-fachliche Unterstützung und weiterführenden Hinweise darf ich mich an dieser Stelle bei Herrn Dr. med. Heinz-Georg Kaysers und Herrn Dr. Jürgen Freitag (Kayser-Consilium GmbH) ganz herzlich bedanken

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:39:05
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Newsletter Endobronchiale Lungenvolumenreduktion mittels Ventilen
 

Eine Lungenvolumenreduktion mittels endoskopischer/bronchoskopischer Implantation von Ventilen darf mangels einer Ausschlussentscheidung des G-BA nach § 137c Abs. 1 S. 2 SGB V zu Lasten der Krankassen erbracht werden.

§ 9 Satz 2 PrüfvV 2015 verlangt, dass die Krankenkasse den unstreitigen Leistungsanspruch, mit dem der Erstattungsanspruch aufgerechnet werden soll, genau bezeichnet.

Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 20.02.2018 – S 13 KR 349/16 (nicht rechtskräftig)

- Endobronchiale Lungenvolumenreduktion mittels Ventile, ZE100.02 Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt, Vergütungsanspruch, § 9 Satz 2 PrüfvV (2015), Aufrechnung, Benennung des Leistungsanspruchs -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

im vorliegenden Fall hat sich das Sozialgericht Aachen mit der Vergütung einer endobronchialen Lungenvolumenreduktion mittels Ventile befasst. Es vertritt die Auffassung, dass das klagende Krankenhaus diese Leistung zu Lasten der beklagten Krankenkasse erbringen durfte

Sachverhalt

Ein Krankenhaus implantierte bei einer Patientin im Jahr 2016 wegen einer COPD Stadium IV zwei Ventile.

Hierfür kodierte das Krankenhaus  den  OPS 5-339.51 (Andere Operationen an Lungen und Bronchien: Implantation oder Wechsel eines endobronchialen Klappensystems, endoskopisch: 2 Ventile) und rechnete die DRG E02C sowie das Zusatzentgelt ZE100.02 in Höhe von insgesamt   7.595,98 € ab.

Die Beklagte beglich diese Rechnung lediglich in Höhe von 5.291,82 € und beauftragte den MDK mit einer Begutachtung. Der MDK bewertete den stationären Aufenthalt als primäre Fehlbelegung. Nach Auffassung des MDK befände sich das Verfahren einer Ventilimplantation noch im Stadium der klinischen Evaluierung. Eine Anwendung im Rahmen der Routineversorgung außerhalb geeigneter Studien käme wegen des Schadenpotenzials nicht in Betracht. Die Übernahme der Kosten für diese experimentelle Maßnahme könne nicht empfohlen werden.

Die Krankenkasse verrechnete daraufhin einen Betrag in Höhe vom 5.291,82 € im Rahmen einer Sammelüberweisung.

Das Krankenhaus erhob Zahlungsklage beim Sozialgericht Aachen.

Entscheidungsgründe

Das Sozialgericht Aachen hat der Klage des von uns vertretenen Krankenhauses vollumfänglich stattgegeben.

Zum allein maßgeblichen Zeitpunkt der Behandlung lag keine Entscheidung des G-BA zu der hier streitigen  Methode gem. § 137c Abs. 1 S. 2 SGB V (Ausschluss-Richtlinie) oder auch nur nach § 137c Abs. 1 S. 3 SGB V (Erprobung-Richtlinie) vor. Dies allein begründe nach Auffassung des Sozialgerichts gem. § 137c Abs. 3 SGB V den Vergütungsanspruch des klagenden Krankenhauses.

Es handele sich hier auch um eine Behandlungsmethode, die sich auf Antrag des GKV-Spitzenverbandes vom 27.03.2013 gemäß Beschluss des G-BA vom 18.07.2013 im Verfahren der Bewertung gem. § 137c SGB V befindet. Aus den von dem klagenden Krankenhaus  vorgelegten wissenschaftlichen Berichten ergäbe sich für das Gericht hinreichend nachvollziehbar, dass die endoskopische/endobronchiale Lungenvolumenreduktion mittels Ventilen zur Behandlung eines Lungenemphysems zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der Krankenhausbehandlung im Juni 2016 das Potenzial einer Behandlungsalternative zur herkömmlichen chirurgischen Therapie geboten habe. Sie sei bei der Versicherten auch nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt. Aus den medizinischen Voruntersuchungsergebnissen und den Krankenhausberichten ergäbe sich, dass seinerzeit eine Lungenvolumenreduktion medizinisch indiziert und notwendig sei.

Aus der  Entscheidung des BSG vom 19.12.2017 (B 1 KR 17/17 R) ergäbe sich nach Auffassung des Sozialgerichts nichts anderes. Nach Auffassung des BSG sei "die Implantation von Coils eine experimentelle Behandlungsmethode außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Voraussetzungen grundrechtsorientierter Leistungsauslegung sind ebenfalls nicht erfüllt. Die NUB-Vereinbarung begründet kein schutzwürdiges Vertrauen auf einen Vergütungsanspruch. Sie regelt die Vergütungshöhe lediglich für den Fall, dass der Patient Anspruch auf die Behandlung hat, weder aber den Grund des Anspruchs noch die Vereinbarkeit der Therapie mit dem Qualitätsgebot". Fraglich sei bereits, ob das bei der Versicherten angewandte Verfahren der Lungenvolumenreduktion mittels implantierter Ventile mit dem im Fall des BSG zu entscheidenden Verfahren mit Implantation von Coils vergleichbar sei. Dies könne jedoch dahin stehen. Denn die Kammer könne bereits der grundsätzlichen Auffassung des BSG zum Anwendungsbereich von § 137c SGB V nicht folgen, da die Auffassung des BSG nicht im Einklang zum Willen des Gesetzgebers stehe. Die Auffassung des BSG überschreite die Grenzen richterlicher Gesetzesauslegung, indem sie sich in klaren Widerspruch zu dem erklärten Willen des Gesetzgebers setze.

Darüber hinaus hat das SG festgestellt, dass die von der beklagten Krankenkasse vorgenommene Verrechnung im Rahmen einer Sammelüberweisung nicht den Vorgaben des § 9 PrüfvV 2015 genüge. Entgegen der Vorgabe des § 9 Satz 2 PrüfvV 2015 habe die beklagte Krankenkasse  zwar den Erstattungsanspruch, nicht aber den Leistungsanspruch, mit dem aufgerechnet werden sollte, „genau“ benannt. Die beiden vorgelegten Zahlungsavis listen eine Vielzahl von Behandlungsfällen, Rechnungsdaten und Euro-Beträgen auf. Der Aufstellung ließe sich nicht ohne weiteres entnehmen, welche Leistungsansprüche im Einzelnen unstreitig und welche streitig sind. Dies genüge nicht der Vorgabe des § 9 Satz 2 PrüfvV 2015, den unstreitigen Leistungsanspruch, mit dem der Erstattungsanspruch aufgerechnet werden soll, „genau" zu benennen. Deshalb sei die von der beklagten Krankenkasse vorgenommene Aufrechnung mangels hinreichender Bestimmtheit unwirksam.

Anmerkungen

Das Urteil des Sozialgerichts Aachen ist umfassend und überzeugend begründet. Das Sozialgericht wendet die Regelung des § 137c Abs. 3 SGB V korrekt an (Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt).  Da ein Negativvotum des G-BA nicht vorlag, die Behandlungsmaßnahme das Potenzial einer Behandlungsalternative zur herkömmlichen chirurgischen Therapie geboten hat und sie auch nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt ist,  durfte die Klägerin  die streitige Leistung erbringen.

Das Sozialgericht  distanziert sich – zu Recht – deutlich von der jüngsten Rechtsprechung des BSG zu § 137c Abs. 3 SGB V, das die im Krankenhausbereich bestehende Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt zur Erbringung stationärer Leistungen schlichtweg ignoriert.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:39:19
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Newsletter FDA (Aktualisierung)
 

Schiedsstelle Hessen setzt Leitplanken für die Verhandlung des Fixkosten-degressionsabschlags (FDA) – Hinweisbeschluss vom 21.02.2018

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

nunmehr liegt der Hinweisbeschluss der Schiedsstelle Hessen zur Umsetzung des FDA vor. Auf meine Vorabinformation vom 22.02.2018 darf ich verweisen.

Die Kernaussagen im Hinweisbeschluss lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Die gesetzliche Vorgabe des FDA in Höhe von 35 % für zusätzliche Fallpauschalenleistungen ist von den Vertragsparteien zu Grunde zu legen. Die Vertragsparteien sind an die gesetzlichen Vorgaben durch den Bundesgesetzgeber gebunden. Die Vertragsparteien sind nicht berechtigt, losgelöst hiervon den FDA bei einem Krankenhaus insgesamt neu zu berechnen.
  1. Die gesetzliche Vorgabe des FDA in Höhe von 35 % stellt den Normalfall dar und darf nicht unterschritten werden. Die Vertragsparteien haben gem. § 4 Abs. 2b Satz 2 KHEntgG in den Fällen einen höheren Abschlag (oder eine längere Abschlagsdauer) zu vereinbaren, in denen bei einem Krankenhaus bestimmte DRG-Leistungen wegen ihrer besonderen Struktur eine höhere Fixkostendegression aufweisen, als dies bei den durchschnittlichen normalen DRG-Leistungen der Fall ist, die den Annahmen des Bundesgesetzgebers bei der Festsetzung des FDA in Höhe von 35 % zu Grunde gelegen haben.
  1. Die vom Normalfall abweichenden, einen höheren FDA aufweisenden DRG-Leistungen müssen auf der Grundlage von § 4 Abs. 2b Satz 2 KHEntgG von den Vertragsparteien einzeln identifiziert und mit einer besonderen Kostenstruktur (fix/variabel) sachlich begründet und der Zahl und der Erhöhung des jeweiligen Abschlags nach vereinbart werden.
  1. Die Darlegungs- und Substantiierungslast für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen gem. § 4 Abs. 2b Satz 2 KHEntgG, die einen höheren Abschlag oder eine längere Abschlagsdauer rechtfertigen als dies normalerweise nach § 4 Abs. 2b Satz 1 KHEntgG der Fall ist, trägt derjenige der daraus für sich Vorteile herleitet. Dem Krankenhaus obliegt eine Mitwirkungspflicht.
  1. Dem gesetzlichen Charakter eines Regel-Ausnahmeverhältnisses von § 4 Abs. 2b Satz 1 und Satz 2 KHEntgG und dem vom Gesetzgeber geschätzten durchschnittlichen Fixkostenanteils von 35 % entspricht es nicht, die zusätzlichen DRG-Leistungen eines Krankenhauses insgesamt oder ganz überwiegend mit einem erhöhten Abschlag zu belegen.

Anmerkung

Ausgehend hiervon gilt grundsätzlich der bundesweit gesetzlich vorgegebene Regel-FDA in Höhe von 35 %. Nur für bestimmte zusätzliche Leistungen mit einem nachgewiesenen höheren Fixkostenanteil wird ein höherer FDA für vereinbarungsfähig angesehen. Dabei darf das Regel-Ausnahmeverhältnis von § 4 Abs. 2b Satz 1 und Satz 2 KHEntgG nicht umgekehrt werden.

Für das Regel-Ausnahmeverhältnis spricht insbesondere die Gesetzesbegründung zum KHSG, mit dem der FDA eingeführt wurde: Danach ist von den Vertragsparteien nur dann ein höherer Abschlag zu vereinbaren, soweit bei bestimmten zusätzlich vereinbarten Leistungen von einer höheren Fixkostendegression auszugehen ist (BT-Drs. 18/5372 zu § 4 Buchst. d).

Die Schiedsstelle geht richtigerweise davon aus, dass diejenige Partei darlegungs- und beweispflichtig für einen höheren FDA ist, die daraus Vorteile hat. Dies ist eindeutig die Krankenkassenseite, die nunmehr darlegen muss, dass bestimmte zusätzliche Leistungen ihrer Struktur nach einen höheren FDA aufweisen.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:39:34
 
Newsletter Sicherstellungsvertrag nach § 112 NRW
 

Nach § 15 Abs. 4 Satz 2 des Sicherstellungsvertrages gem. § 112 SGB V für Nordrhein-Westfalen besteht ein Aufrechnungsverbot. Eine Verrechnung mit einem Rückforderungsanspruch aus Aufwandspauschale durch die Krankenkassen ist unzulässig.

Beschluss des LSG für das Land Nordhrein-Westfalen vom 30.10.2017, L 16 KR 780/16 NZB

- Sicherstellungsvertrag nach § 112 NRW, Aufrechnungsverbot, Rückforderung Aufwandspauschale -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

das LSG NRW hat sich erneut im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde mit der Frage befasst, ob aus § 15 Abs. 4 Satz 2 des Landesvertrages nach § 112 SGB V ein Aufrechnungsverbot abzuleiten ist. Es hat diese Frage uneingeschränkt bejaht.

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall wurde von Seiten einer Krankenkasse mit einem Rückforderungsanspruch wegen zu Unrecht geleisteter Aufwandspauschale aufgerechnet. Nachdem das SG Dortmund der Klage auf Erfüllung der Vergütungsforderung voll stattgegeben hat, legte die unterlegene Krankenkasse Nichtzulassungsbeschwerde ein.

Entscheidungsgründe

Das LSG hat die Beschwerde der Krankenkasse zurückgewiesen. Es geht davon aus, dass das im Sicherstellungsvertrag nach § 112 SGB V vereinbarte Aufrechnungsverbot, in dem es um die Aufrechnung gegen einen Vergütungsanspruch des klagenden Krankenhauses geht, eingreift. Dies sei durch die Rechtsprechung des LSG NRW bereits geklärt. Auf die Rechtsfrage, welche Rechtsnatur der Gegenanspruch der Krankenkasse auf Rückforderung einer Aufwandspauschale hat, komme es somit nicht an.

Anmerkung

Mit dem Beschluss des LSG wird erneut das in NRW bestehende Aufrechnungsverbot, das in § 15 Abs. 4 Satz 2 des Sicherstellungsvertrages nach § 112 SGB V geregelt ist, bestätigt. Somit sind auch Krankenkassen nicht befugt, mit einem Rückforderungsanspruch wegen einer zu Unrecht gezahlten Aufwandspauschale aufzurechnen. Auf den Rechtscharakter der Aufwandspauschale kommt es dabei nicht an. Das BSG hatte mit Urteil vom 28.11.2013 (Az.: B 3 KR 4/13 R) festgestellt, die Aufwandspauschale stelle keinen Vergütungsanspruch dar. Wenn man bereits richtigerweise das Aufrechnungsverbot bejaht, kann es auf die Rechtsnatur der Aufwandspauschale nicht mehr ankommen.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:39:52
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Newsletter Implantation von Coils
 

Die zum Zweck der Implantation von Coils zur Reduktion des Lungenvolumens durchgeführte stationäre Behandlung entspricht nicht dem Qualitätsgebot. Sie ist damit unwirtschaftlich und nicht erforderlich. Aus den das BSG bindenden Feststellungen des LSG ergibt sich, dass es sich bei der Implantation von Coils zur Reduktion des Lungenvolumens im Jahr 2013 um eine experimentelle Methode ohne ausreichende evidenzgesicherte Basis handelte.

Urteil des BSG vom 19.12.2017, B 1 KR 17/17 R

- Implantation von Coils, Qualitätsgebot, Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt, Vergütungsanspruch, Leistungserbringung, Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung, Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, NUB-Entgelt, Preisrecht, Aufgabe der Schiedsstelle -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Newsletter vom 27.12.2017 haben wir Sie über das Urteil des BSG vom 19.12.2017 – B 1 KR 17/17 R – eingehend anhand des Terminsberichts informiert. Nunmehr liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor, aus denen die Sichtweise des BSG noch deutlicher wird. Danach wird das Qualitätsgebot weder durch § 137c SGB V noch durch § 6 Abs. 2 KHEntgG außer Kraft gesetzt oder auch nur abgeschwächt. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Gesetzesänderung in § 137c Abs. 3 SGB V durch das GKV-VSG vom 16.07.2015.

Sachverhalt

Ein Krankenhaus implantierte bei einer Patientin im Jahr 2013 wegen einer COPD Stadium IV Coils (endobronchiale Nitionolspiralen). Hierzu hatte das klagende Krankenhaus mit den Sozialleistungsträgern eine NUB-Vereinbarung nach § 6 Abs. 2 KHEntgG abgeschlossen.

Die beklagte Krankenkasse zahlte zunächst und verrechnete unter Bezug auf ein MDK-Gutachten anschließend den in Frage stehenden Rechnungsbetrag mit einer anderen Rechnung. Der MDK hatte die Implantation von Coils als experimentelle Methode eingeordnet. Das SG hat die Klage abgewiesen. Berufung und Revision blieben ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe

Zunächst legt das BSG die Feststellungen des LSG zu Grunde, wonach es sich bei der Implantation von Coils zur Reduktion des Lungenvolumens um eine experimentelle Methode ohne ausreichende evidenzgesicherte Basis handelt. An diese Feststellungen ist das BSG gem. § 163 SGG gebunden.

Ausgehend hiervon hebt das BSG mehrfach hervor, dass das Qualitätsgebot nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V für alle Leistungsbereiche des SGB V gilt und als allgemeiner Grundsatz des Leistungserbringungsrechts anzusehen ist.

In der Folge setzt sich das BSG mit den Regelungen in § 137c SGB V und § 6 Abs. 2 KHEntgG auseinander und kommt zum Ergebnis, dass durch diese Regelungen das Qualitätsgebot weder außer Kraft gesetzt noch abgeschwächt werde.

§ 137c SGB V in der hier maßgeblichen Fassung für das Jahr 2013 stelle lediglich einen bloßen Verbotsvorbehalt dar. Ein bloßer Verbotsvorbehalt setze die Geltung des alle Leistungsbereiche erfassenden Qualitätsgebots auch im stationären Bereich nicht außer Kraft. Im Gegensatz zum Vertragsarztbereich (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt) werden neue Behandlungsmethoden nur nicht in einem generalisierten, zentralisierten und formalisierten Prüfverfahren vor Einführung überprüft. Vielmehr erfolge die Prüfung der eingesetzten Methoden individuell, „grundsätzlich also zunächst präventiv im Rahmen einer Binnenkontrolle durch das Krankenhaus selbst, sodann im Wege der nachgelagerten Außenkontrolle lediglich im Einzelfall anlässlich von Beanstandungen ex post durch die Krankenkassen und anschließender Prüfung durch die Gerichte“ (Rdz. 21).

Zu der Neuregelung in § 137c Abs. 3 SGB V durch das GKV-VSG vom 16.07.2015 (zum 23.07.2015 in Kraft getreten) führt das BSG aus, dass dieser Vorschrift keine Rückwirkung beigemessen wurde. Die Begründung im Gesetzentwurf sei insoweit unerheblich, auch wenn dort von einer „gesetzlichen Konkretisierung und Klarstellung“ gesprochen werde.

Zu der Regelung in § 6 Abs. 2 KHEntgG – Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden – geht das BSG davon aus, dass es sich hier ausschließlich um eine preisrechtliche Vereinbarung handelt, in der keine Aussage zur Beachtung des Qualitätsgebots getroffen wird. Es gibt nach Auffassung des BSG keinen rechtlich tragfähigen Anhaltspunkt für die Auffassung, eine abgeschlossene NUB-Vereinbarung oder ein sie ersetzender Schiedsspruch fingiere die Konformität der zugrunde liegenden Methode mit dem Qualitätsgebot.

Anmerkungen

Das Urteil begegnet erheblichen Bedenken.

Die im Krankenhausbereich bestehende Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt zur Erbringung stationärer Leistungen wird ignoriert. Die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dient vor allem dem Ziel, allen Patienten den medizinischen Fortschritt zu Gute kommen zu lassen. Die vom BSG vertretene formalisierte Sichtweise wird dies erheblich behindern, da Krankenhäuser selbst bei Vereinbarung eines NUB-Entgelts keine Klarheit und Sicherheit gewinnen, ob sie eine Berechtigung zur Leistungserbringung haben.

Dem BSG ist insbesondere zu widersprechen, dass im Streitfall von der Schiedsstelle keine Prüfung des Qualitätsgebots vorgenommen werden soll. Dies widerspricht sowohl der bisherigen Schiedsstellenpraxis als auch der gesetzlichen Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 9 KHEntgG. Danach kann die Schiedsstelle eine Stellungnahme des G-BA zu § 137c SGB V einholen. Die Einholung einer Stellungnahme des G-BA bezieht sich ausdrücklich darauf, ob Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen. Die Stellungnahme soll darauf abzielen, ob die Untersuchungs- und Behandlungsmethode für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich ist (§ 137c Abs. 1 Satz 1 SGB V). Diese Vorschrift besteht unverändert.

Das BSG reduziert die Regelung in § 6 Abs. 2 KHEntgG auf eine bloße Preiskomponente. Diese Auffassung steht damit in Widerspruch zu der Möglichkeit der Schiedsstelle, eine Stellungnahme des G-BA zum Nutzen der Methode einzuholen. Die in § 6 Abs. 2 Satz 9 KHEntgG vorgesehene Möglichkeit zur Einholung einer Stellungnahme des G-BA läuft leer, wenn man die Auffassung des BSG zu Grunde legt.

Problematisch ist vor allem, dass die Krankenhäuser selbst bei der Vereinbarung eines NUB-Entgelts keine Sicherheit bekommen, dass sie diese Leistungen auch mit Fug und Recht abrechnen können. Erbringen sie diese Leistungen, erfahren sie im Regelfall erst nach langjährigen gerichtlichen Auseinandersetzungen, ob sie diese Leistungen unter Zugrundelegung des Qualitätsgebots erbringen durften. Das finanzielle Risiko dieser Leistungen wird ausschließlich auf das Krankenhaus verlagert.

Erstaunlich ist zudem, dass das BSG zur Auffassung kommt, dass die „authentische Interpretation“ des Gesetzgebers für die rechtsprechende Gewalt nicht verbindlich ist. So misst das BSG der gesetzlichen Begründung zur Einfügung von § 137c Abs. 3 SGB V keine Bedeutung zu. Die Befugnis des Gesetzgebers zur authentischen Interpretation schränke weder die Kontrollrechte und –pflichten der Fachgerichte noch des BVerfG ein. Bisher konnte man davon ausgehen, dass der Begründung des Gesetzgebers bei der Auslegung von Rechtsvorschriften Bedeutung zukommt. Liest man das BSG-Urteil kommt nunmehr dem Wortlaut einer Rechtsvorschrift keine Bedeutung mehr zu.

In der Gesamtschau des Urteils erscheint eine gesetzliche Klarstellung erforderlich, um dem in § 6 Abs. 2 KHEntgG und § 137c SGB V zum Ausdruck kommenden Gesetzeswillen Geltung zu verschaffen.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:40:04
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Newsletter Sonstige Sepsis
 

Für die Kodierung einer „sonstigen Sepsis“, hervorgerufen durch Escherichia coli (ICD 10 A41.51) reicht für den Nachweis der Infektion die Abnahme eines Blutkulturpärchens aus. Die Abnahme weiterer Blutkulturpärchen zum Nachweis einer Infektion ist bei einer richtig–positiven Befundung nicht notwendig.

Urteil des SG Reutlingen vom 08.11.2017, Az.: S 1 KR 2880/16 (nicht rechtskräftig)

- sonstige Sepsis, ICD10-Kode A41.51, Nachweis Infektion, Blutkulturpärchen, Escherichia coli, Leitlinien der Deutschen Sepsisgesellschaft (DSG) und der Deutschen interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), DIMDI, Empfehlungen -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

das SG Reutlingen musste sich u.a. mit der Frage befassen, ob für den Nachweis der Infektion bei einer Sepsis, hervorgerufen durch Escherichia coli (E. coli), die Abnahme eines Blutkulturpärchens ausreicht. Das SG Reutlingen hat dies bei richtig-positiver Befundung bejaht.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus nahm eine Patientin zur stationären Behandlung wegen zunehmenden Erbrechens und Appetitlosigkeit auf und stellte eine Sepsis durch Escherichia coli fest. Für den Nachweis der Sepsis wurde bei der Patientin ein Blutkulturpärchen abgenommen.

Ausgehend hiervon kodierte das Krankenhaus die Hauptdiagnose nach ICD10 mit A41.51 (sonstige Sepsis durch E. coli). Dies führte zur Abrechnung der DRG T01B (OR-Prozedur bei infektiösen und parasitären Krankheiten ohne komplexe OR-Prozedur, ohne komplizierende Konstellation, außer bei Zustand nach Organtransplantation, bei Sepsis).

Die beklagte Krankenkasse beauftragte den MDK mit einer Prüfung, der zum Ergebnis kam, das Vorliegen der kodierten Sepsis sei aus den vorliegenden Unterlagen nicht nachvollziehbar. Es sei daher nur die DRG T01C abzurechnen. Die Krankenkasse vertrat die Auffassung, dass nach den Leitlinien der DSG und der DIVI die Abnahme von mindestens zwei Blutkulturpärchen (zweimal aerob und zweimal anaerob) erforderlich sei. Darauf verweise auch das DIMDI.

Nachdem die beklagte Krankenkasse die zunächst gezahlte Vergütung verrechnet hatte, erhob das Krankenhaus Klage.

Entscheidungsgründe

Das SG stützt sich als Ausgangspunkt auf die Leitlinien der DSG und der DIVI zur „Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge der Sepsis“, die für den Behandlungszeitraum anwendbar sind (http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/079-001l_S2k_Sepsis_2010-abgelaufen.pdf).

Darin wird empfohlen, bei klinischem Verdacht auf eine Sepsis Blutkulturen (zwei bis drei Pärchen) schnellstmöglich vor Einleitung einer antimikrobiellen Therapie abzunehmen.

Dass im vorliegenden Fall nur ein Blutkulturpärchen abgenommen wurde (aerob und anaerob) stehe der Kodierung der Sepsis durch E. coli nicht entgegen.

Aus der Leitlinie der DSG und der DIVI gehe hervor, dass die Entnahme von zwei bis drei Pärchen Blutkulturen nur Empfehlungscharakter habe. Insoweit bestehe für die Klägerin keine Verbindlichkeit, die Empfehlung anzuwenden. Es bestehe daher keine zwingende Voraussetzung für den mikrobiologischen Nachweis einer Infektion zwei bis drei Blutkulturpärchen zu entnehmen. Soweit das DIMDI in seiner FAQ Nr. 1007 auf die Leitlinien verweise, habe auch dies keinen rechtsverbindlichen Charakter. Das DIMDI habe keine Befugnis, medizinische Definitionen verbindlich festzulegen. Hierfür bestehe keine Rechtsgrundlage.

Letztlich ist zu beachten, dass bereits die Abnahme eines Blutkulturpärchens den Nachweis einer Infektion durch E. coli erbracht habe. Die Abnahme weiterer Blutkulturpärchen sei bei dieser richtig-positiven Befundung überflüssig. Im Übrigen seien auch die erforderlichen zwei Kriterien für SIRS nach der Kriteriengruppe II (Tabelle 1 der Leitlinien der DSG und der DIVI) erfüllt. Bei der Patientin fand sich bei Aufnahme eine Herzfrequenz von 116 Schlägen pro Minute (Tachykardie) und eine massive Leukozytose (37.400/mm³) vor.

Nach alledem hat das Krankenhaus die sonstige Sepsis durch E. coli mit ICD 10 A41.51 richtig verschlüsselt, was zur Abrechnung der DRG T01B führt.

Anmerkungen

Richtig ist die rechtliche Einordnung von Leitlinien der wissenschaftlichen-medizinischen Fachgesellschaften, soweit sie Empfehlungen aussprechen. Empfehlungen sind rechtlich nicht verbindlich. Dies gilt auch für Hinweise des DIMDI, soweit es sich auf Leitlinien mit Empfehlungscharakter stützt. Soweit es sich jedoch um authentische Interpretationen von ICD und OPS-Kodes handelt, die das DIMDI im Auftrag des BMG erlässt, kommt diesen Erläuterungen nach wie vor für die Auslegung (streng nach dem Wortlaut) Bedeutung zu. Der Homepage der AWMF ist zu entnehmen, dass die hier relevanten Leitlinien zurzeit überprüft werden.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:40:21
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Newsletter Belegarzt
 

Die stationäre Tätigkeit eines Belegarztes ist auf den Versorgungsauftrag des jeweiligen Krankenhauses beschränkt. Entsprechend den Festlegungen des Krankenhausplans zur Anzahl der dem Krankenhaus zur Verfügung stehenden Belegbetten wird der belegärztliche Versorgungsauftrag quantitativ beschränkt.

Urteil des BSG vom 29.11.2017, Az.: B 6 KA 33/16 R

- Belegbetten, Belegarzt, Anerkennung als Belegarzt, Versorgungsauftrag, Beschränkung, Belegarztvertrag, sachlich-rechnerische Richtigstellung, vertragsärztliches Honorar -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

das BSG musste im vorliegenden Fall der Frage nachgehen, ob die planerische Ausweisung von Belegbetten den belegärztlichen Versorgungsauftrag quantitativ beschränkt. Es hat dies bejaht.

Sachverhalt

Der Kläger ist Belegarzt (Facharzt für HNO) und wendet sich gegen eine sachlich-rechnerische Richtigstellung seines vertragsärztlichen Honorars durch die KÄV. Diese vertrat die Auffassung, der Kläger hätte über seinen Versorgungsauftrag als Belegarzt hinaus belegärztliche Leistungen erbracht. Im Belegarztvertrag war geregelt, dass dem Belegarzt die im Krankenhausplan ausgewiesenen Planbetten der HNO-Abteilung (5 Betten) zur Verfügung stünden, er aber bei Bedarf auch anderweitig nicht belegte Betten des Krankenhauses nutzen könne. Auf der Grundlage dieses Belegarztvertrages wurde die Belegarztanerkennung ausgesprochen. In dem Anerkennungsbescheid wird ausgeführt, dass für die belegärztliche Tätigkeit die im Krankenhausplan ausgewiesenen 5 HNO-heilkundlichen Belegbetten zur Verfügung stünden.

Die KÄV stellte anschließend fest, dass der Belegarzt für seine belegärztliche Tätigkeit über den Umfang von 5 Belegbetten hinaus vertragsärztliches Honorar abgerechnet habe. Insoweit habe er ärztliches Honorar ohne Rechtsgrund erhalten, so dass der Honoraranspruch um 22.005,00 € zu reduzieren sei.

Die Klage hatte in I. und II. Instanz keinen Erfolg. Das BSG wies die Revision zurück.

Entscheidungsgründe

Das BSG hat festgestellt, dass gegen die nachgehende Richtigstellung und Rückforderung bereits zuerkannten vertragsärztlichen Honorars durch die KÄV keine Einwände bestehen. Der mit der Belegarztanerkennung eröffnete Versorgungsauftrag bezog sich auf 5 HNO-Belegbetten. Belegärztliche Leistungen, die darüber hinausgehen, seien ohne Berechtigung erbracht worden.

Dabei stützt sich das BSG auf den Bescheid zur Belegarztanerkennung, der auf 5 ausgewiesene HNO-Belegbetten abstellt. Die Belegarztanerkennung sei daher vom Umfang auf 5 Belegbetten beschränkt. Diese Festlegung sei nicht als Mindestanzahl zu verstehen, die jederzeit im beliebigen Umfang aufgestockt werden könne. Damit war die belegärztliche Tätigkeit auf 5 HNO-Betten quantitativ begrenzt.

Selbst wenn im Anerkennungsbescheid keine quantitative Vorgabe bestanden hätte, richte sich der Umfang der belegärztlichen Tätigkeit qualitativ und quantitativ nach dem Versorgungsauftrag des betreffenden Krankenhauses. Belegärztliche Leistungen werden ausschließlich im Rahmen von Krankenhausbehandlungen der Versicherten erbracht. Sie müssen daher neben den vertragsarztrechtlichen auch den krankenhausrechtlichen Vorgaben genügen. Der Umfang einer rechtskonformen belegärztlichen Tätigkeit richtet sich bei Plankrankenhäusern nach den Festlegungen und Vorgaben der Landeskrankenhausplanung, insbesondere nach der dort angegebenen zugelassenen Bettenzahl. Insoweit bestehe eine „Versorgungsakzessorietät“ (BSG, a.a.O., Rdz. 30). Demgegenüber komme einer Regelung im Belegarztvertrag keine weiterreichende Bedeutung zu. Der Umfang des belegärztlichen Versorgungsauftrags wird nicht vom Belegarztvertrag mit dem Krankenhaus, sondern von der Belegarztanerkennung bestimmt.

Auch der in engen Grenzen nach der Krankenhausplanung des Saarlandes zulässige „interdisziplinäre Bettenausgleich“ habe keine unmittelbare rechtsgestaltende Wirkung hinsichtlich des Inhalts einer Belegarztanerkennung. Im Übrigen sei diese landesrechtliche Regelung nicht revisibel.

Anmerkungen

Nach dem Urteil des BSG wird der qualitative und quantitative Umfang der belegärztlichen Tätigkeit im Krankenhaus vom Versorgungsauftrag des jeweiligen Krankenhauses und dem Inhalt der Belegarztanerkennung bestimmt. Dabei misst das BSG der „Versorgungsakzessorietät“ besondere Bedeutung zu. Wird einem Krankenhaus im Rahmen des planerischen Feststellungsbescheides eine bestimmte Zahl von Belegbetten zugewiesen, ist dies auch für die belegärztliche Tätigkeit maßgeblich und darf im Durchschnitt nicht überschritten werden.

Dabei stellt sich die Frage, wie zu verfahren ist, wenn die Krankenhausplanung es dem Krankenhausträger überlässt, im Rahmen des zugewiesenen Fachgebietes eine Hauptabteilung und/oder Belegabteilung zu führen. Ausgehend von der Rechtsprechung des BSG sollte das Krankenhaus gegenüber der Planungsbehörde, den gesetzlichen Krankenkassen und der KÄV die Anzahl der Belegbetten anzeigen, damit der quantitative Umfang der Belegarzttätigkeit eindeutig bestimmbar ist. Der zahlenmäßige Ausweis der Belegbetten sollte dem beabsichtigten Umfang der belegärztlichen Tätigkeit entsprechen.

Das vorgenannte Urteil des BSG lässt gleichzeitig erkennen, dass auch der Versorgungsauftrag des Krankenhauses auf die (ggf.) planerisch ausgewiesene Zahl der Belegbetten beschränkt ist (BSG, a.a.O., Rdz. 28). Das Krankenhaus sollte daher ein Augenmerk darauf legen, dass der Umfang der belegärztlichen Tätigkeit sich im Rahmen der Belegarztanerkennung bzw. der planerischen Vorgaben hält, um Rückforderungen der Krankenkassen vorzubeugen.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:40:33
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Newsletter OPS-Kode 8-550
 

Die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung (OPS-Kode 8-550) setzt nicht den planerischen Ausweis einer Fachabteilung Geriatrie oder eines Geriatriezentrums voraus. Der Versorgungsauftrag des Fachgebiets Innere Medizin reicht aus.

Urteil des Sozialgerichts Halle vom 10.01.2018, Az.: S 22 KR 455/15, (nicht rechtskräftig)

- Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung, Versorgungsauftrag -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

im vorliegenden Fall hat sich das Sozialgericht Halle mit der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung befasst. Es vertritt die Auffassung, dass die akutstationäre Behandlung auch die im Einzelfall erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur geriatrischen Frührehabilitation umfasst.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus mit Sitz in Sachsen-Anhalt hat seit Mitte des Jahres 2011 geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlungen im Sinne der OPS 8-550 in der Fachabteilung Innere Medizin durchgeführt und abgerechnet. Die beklagte Krankenkasse hat hiergegen eingewandt, dass in Sachsen-Anhalt Geriatrische Zentren planerisch ausgewiesen werden. Da das Krankenhaus keine planerische Ausweisung als Geriatrisches Zentrum habe, dürfe es auch nicht die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung abrechnen. Der Versorgungsauftrag Innere Medizin reiche insoweit nicht aus.

Entscheidungsgründe

Das Sozialgericht Halle hat der Klage des von uns vertretenen Krankenhauses vollumfänglich stattgegeben. Das Sozialgericht lässt sich in erster Linie davon leiten, dass die Krankenhausplanung in Sachsen-Anhalt der Leistungserbringung nicht entgegensteht. Der Bundesgesetzgeber habe mit der Regelung in § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 KHEntgG die Frührehabilitation zum integralen Bestandteil einer (jeden) akutstationären Behandlung erklärt. Dieses Regelungskonzept des Bundesgesetzgebers habe gem. Art. 31 GG Vorrang vor landesrechtlichen Regelungen jeder Art und gehe erst recht der Landeskrankenhausplanung vor (unter Bezug auf SG Fulda, Urteil vom 21.07.2016, S 4 KR 1115/17; juris).

Anmerkungen

Das Urteil des SG Halle ist sehr sorgfältig begründet und misst zu Recht den bundesrechtlichen Regelungen in § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V Vorrang vor planungsrechtlichen Regelungen zu. § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V verpflichtet die Krankenhäuser, bei jedweder akutstationärer Behandlung zum frühestmöglichen Zeitpunkt Leistungen zur Frührehabilitation anzubieten. Der aus § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V sich ergebende Behandlungsauftrag könnte vom Krankenhaus nicht erfüllt werden, wenn es hierfür eines zusätzlichen ergänzenden Versorgungsauftrages „Geriatrie“ bedürfe.

Bereits das dem Krankenhaus zugewiesene Gebiet Innere Medizin umfasst nach der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Sachsen-Anhalt den Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in „geriatrischen Syndromen und Krankheitsfolgen im Alter einschließlich der Pharmako-Therapie im Alter“. Mit umfasst ist daher auch die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung. Auch die Ausweisung von geriatrischen Zentren durch das Land Sachsen-Anhalt steht dem nicht entgegen. Das Land Sachsen-Anhalt weist für besondere Aufgaben gem. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 KHEntgG Geriatrische Zentren aus. Vorliegend ging es auch nicht um die planerische Anerkennung als Zentrum, sondern um die Beurteilung des Versorgungsauftrags des Krankenhauses und die Verpflichtung aus § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V.

Die Rechtsauffassung des SG Halle wird schließlich auch bestätigt durch die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 14.10.2014 – B 1 KR 25/13 R).

Das Urteil des SG Halle ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:40:45
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Newsletter OPS-Kode 8-98b
 

Bei der Berechnung der im OPS-Kode 8-98b (andere neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls) vorgegebenen halbstündigen Transportentfernung ist die Anflugzeit zum Landeplatz des Krankenhauses als Transportzeit zu berücksichtigen. Bei der Bestimmung des Rettungstransportbeginns und des Rettungstransportendes ist maßgeblich auf die Zeit zwischen der Feststellung der Notwendigkeit eines neurochirurgischen Notfalleingriffs bzw. einer gefäßchirurgischen oder interventionell-radiologischen Maßnahme und dem möglichen Beginn der jeweiligen Maßnahme bei dem Kooperationspartner abzustellen.

Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 23.11.2017, Az.: L 5 KR 90/16, (nicht rechtskräftig)

- Neurologische Komplexbehandlung, halbstündige Transportentfernung, Definition Rettungstransportbeginn, Rettungstransportende, Kooperation, Nachtflug, Hubschrauber, grenzüberschreitende Kooperation bei Rettungshubschraubereinsätzen -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

im vorliegenden Fall hat sich das LSG Rheinland-Pfalz mit dem Mindestmerkmal „halbstündige Transportentfernung“ im OPS-Kode 8-98b (andere neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls) befasst. Es vertritt die Auffassung, dass bei einem nächtlichen Einsatz des Rettungshubschraubers die Anflugzeit zum Krankenhaus einzurechnen ist.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus behandelte im Jahr 2014 eine Vielzahl von Patienten wegen eines akuten Schlaganfalls und rechnete hierfür die DRG B69C bzw. B70D ab. Diesen Leistungen liegt der OPS-Kode 8-98b (andere neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls) zu Grunde. Die Klägerin kooperiert mit einem anderen Krankenhaus im Bereich der Neurochirurgie. Dieses kooperierende Krankenhaus kann tagsüber bei Einsatz eines Rettungshubschraubers in ca. 19 Minuten erreicht werden. Während tagsüber ein in Rheinland-Pfalz zur Verfügung stehender Rettungshubschrauber eingesetzt wird, muss bei Dunkelheit der Intensiv-Transporthubschrauber (ITH) „Christoph-Rhein-Main“ oder „Christoph-Gießen“ aus Hessen angefordert werden, da der in Rheinland-Pfalz stationierte Rettungshubschrauber nicht fliegt. Hierzu gibt es eine Kooperation zwischen dem Land Rheinland-Pfalz und dem Land Hessen. Nachweislich wird auch nachts die halbstündige Transportentfernung erfüllt.

Die beklagte Krankenkasse vertritt die Auffassung, dass das Mindestmerkmal „halbstündige Transportentfernung“ nicht erfüllt wird.

Auf Anforderung des LSG hat die Klägerin eine Bestätigung der Luftrettungsorganisation in Hessen vorgelegt, wonach die durchschnittliche Anflugzeit des Intensiv-Transporthubschraubers zum Krankenhaus der Klägerin ca. 40 Minuten beträgt.

Entscheidungsgründe

Das LSG hält das Mindestmerkmal „halbstündige Transportentfernung“ für grundsätzlich nicht erfüllt, es hat daher die Klage abgewiesen. Die halbstündige Transportentfernung könne nur bei Tageslicht eingehalten werde. Da im Winter-Halbjahr über einen längeren Zeitraum Tageslicht für weniger als 12 Stunden pro Tag gegeben sei, ist eine Wahrung der Zeitgrenze in der überwiegenden Zeit regelmäßig nicht möglich. Die Anflugzeit zum Landeplatz am Krankenhaus der Klägerin betrage 40 Minuten und überschreite damit bereits beim Anflug zum Krankenhaus die halbstündige Zeitgrenze. Die Anflugzeit zum Landeplatz am Krankenhaus der Klägerin sei als Transportzeit zu berücksichtigen. Die halbstündige Transportentfernung (Zeit zwischen Rettungstransportbeginn und Rettungstransportende) sei im OPS-Kode nicht eindeutig definiert. Aus der systematischen Stellung der Regelung im OPS-Kode sei zu entnehmen, dass es sich hierbei um Notfalleingriffe handele und daher die Zeit zwischen der Feststellung der Notwendigkeit eines neurochirurgischen Notfalleingriffes bzw. einer gefäßchirurgisch oder interventionell kardiologischen Maßnahme und dem möglichen Beginn der jeweiligen Maßnahme bei dem Kooperationspartner maßgeblich sei. Der OPS-Kode 8-98b sei somit nicht erfüllt.

Anmerkungen

Das LSG hält sich nicht streng an den Wortlaut des OPS-Kodes und unterlegt den OPS-Kode 8-98b einer eigenständigen Definition. Im OPS-Kode 8-98b ist die halbstündige Transportentfernung definiert als „Zeit zwischen Rettungstransportbeginn und Rettungstransportende“. Das Abstellen des LSG auf die Zeit zwischen der Feststellung der Notwendigkeit eines neurochirurgischen Notfalleingriffs bzw. einer gefäßchirurgischen oder interventionell-radiologischen Maßnahme und dem möglichen Beginn der jeweiligen Maßnahme bei dem Kooperationspartner lässt sich mit dem Wortlaut des OPS-Kode 8-98b nicht in Einklang bringen.

Der OPS-Kode 8-98b definiert die Transportzeit als Zeit zwischen Rettungstransportbeginn und Rettungstransportende. Entgegen der Auffassung des LSG ist diese Definition der Transportentfernung maßgeblich. Als Beginn ist der Augenblick anzusehen, in dem etwas einsetzt (siehe Duden: https://www.duden.de/rechtschreibung/Beginn). Als Ende ist der Zeitpunkt anzusehen, an dem etwas aufhört (siehe Duden: https://www.duden.de/rechtschreibung/Ende). Ausgehend hiervon beginnt der Rettungstransport des Patienten mit der Verbringung in das Rettungstransportmittel und dem Verlassen aus dem Rettungstransportmittel beim Kooperationskrankenhaus. Das LSG legt bei seiner eigenständigen Definition auch nicht den üblichen Sprachgebrauch zu Grunde: Wird auf einer Theaterkarte angegeben: Beginn 20.00 Uhr – Ende 22.00 Uhr, so wird auch dort nicht die Vorbereitungszeit der Schauspieler oder die Anfahrtzeit der Zuschauer eingerechnet.

Auch ein Blick in den OPS-Kode 8-98b gibt einen deutlichen Hinweis, dass es auf die Transportzeit des Patienten ankommt und nicht auf die Abflugzeit des Rettungstransportmittels. So heißt es am Ende der Beschreibung dieses Mindestmerkmals: „Wenn ein Patient transportiert wurde und die halbe Stunde nicht eingehalten werden konnte, darf der Kode nicht angegeben werden“.

Da das Urteil des LSG nicht überzeugt, hat das klagende Krankenhaus in zwei vergleichbaren Verfahren Revision zum BSG eingelegt.

Da die Krankenkassen sich bereits jetzt auf das nicht rechtskräftige Urteil des LSG beruft und erhebliche Beträge im Klagewege geltend machen bzw. verrechnen, wird den Krankenhäusern empfohlen, sich hiergegen zu wehren.

Das Urteil des LSG ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:40:59
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Newsletter Adhäsionen
 

Wenn Adhäsionen im Verlauf einer anderen Operation gelöst werden, kann der Vorgang im Einzelfall relevanten Aufwand verursachen (DKR 1102a, Version 2010)

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 07.12.2017, Az.: L 5 KR 13/17  (nicht rechtskräftig)  -I. Instanz, SG Speyer, Urteil  vom 30.11.2016, Az.: S 13 KR 755/14

- Krankenhausbehandlungskosten, Adhäsionen,  

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz  hat sich mit der Frage befasst, ob Adhäsionen, die  im Verlauf einer anderen Bauchoperation (OPS 5-535.31, Verschluss einer hernia epigastrica: Mit alloplastischen Material: Laparoskopisch transperitoneal)  gelöst werden, gesondert mit dem OPS 5-469.21 (Andere Operationen am Darm: Adhäsiolyse: Laparoskopisch) zu kodieren sind. Dies hat es bejaht.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus führte am 25.03.2010 bei einem Patienten eine laparoskopische Herniotomie mit Zugang von der linken Bauchseite durch. Unabhängig von der linksseitigen Hernie wurden im Rahmen des Eingriffs Adhäsionen im rechten Bauchraum zwischen Omentum Majus und der rechten Bauchwand sowie ein derber Knoten von 5 mm Durchmesser zunächst unklarer Dignität im rechten Peritoneum festgestellt. Die Adhäsionen wurden wegen der Gefahr von Passagestörungen gelöst.

Am 20.04.2010 stellte die Klägerin der Beklagten u. a. die DRG G04B in Höhe von insgesamt 6.934,00 € in Rechnung.  Der Abrechnung  lag unter anderem die Kodierung der Prozeduren 5-469.21 (Andere Operationen am Darm: Adhäsiolyse: Laparoskopisch), 5-535.31 (Verschluss einer Hernia epigastrica: Mit alloplastischem Material: Laparoskopisch transperitoneal) und 5-590.53 (Inzision und Exzision von retroperitonealem Gewebe: Exzision von retroperitonealem Gewebe: Laparoskopisch) des Operationen- und Prozedurenschlüssels Version 2010 (OPS) zugrunde.

Die Beklagte zahlte den vollen Rechnungsbetrag und leitete ein MDK-Prüfverfahren ein. Der MDK kam zum Ergebnis, dass die Prozedur 5-469.21 nicht kodiert werden könne. Die Adhäsionen seien zur Ermöglichung des Eingriffs gelöst worden. Es habe sich nicht um einen eigenständigen aufwändigen Eingriff gehandelt. Aus der Streichung resultiert die Fallpauschale

G24Z  mit einer Vergütungshöhe von insgesamt 2.373,86 €.

Die beklagte Krankenkasse verrechnete einen Teilbetrag in Höhe von 4.560,14 € mit einem anderem Vergütungsanspruch des klagenden Krankenhauses.

Das klagende Krankenhaus erhob sodann Klage beim Sozialgericht Speyer auf Zahlung der offenen Forderung in Höhe von 4.560,14 €. Das klagende Krankenhaus stützte die Klage insbesondere auf die Kodierregel in 1102a DKR 2010. Nach der Kodierregel in 1102a DKR 2010 kann die Lösung von Adhäsionen eine aufwändige „Hauptprozedur" oder eine im Rahmen einer anderen Prozedur mitdurchgeführte Begleitprozedur („Nebenprozedur") sein. Auch wenn Adhäsionen im Verlauf einer anderen Bauchoperation gelöst werden, kann der Vorgang im Einzelfall relevanten Aufwand verursachen. Dann sind ein Diagnosekode (z.B. K66.0 Peritonale Adhäsionen) für die Adhäsion und ein Prozedurenkode aus 5-469.1 (Bridenlösung) oder 5-469.2 (Adhäsiolyse) für die Lösung der Adhäsionen anzugeben.

Im Klageverfahren holte das Sozialgericht ein Sachverständigengutachten ein, das die korrekte Abrechnung des klagenden Krankenhauses bestätigte.

Das Sozialgericht gab der Klage statt. Gegen das Urteil legte die beklagte Krankenkasse Berufung ein. Die beklagte Krankenkasse machte geltend, die zusätzliche Verschlüsselung des OPS 5-469.21 verstoße gegen die geltenden Abrechnungsvorschriften, insbesondere gegen den Grundsatz der monokausalen Kodierung.

Entscheidungsgründe

Das Landesozialgericht Rheinland-Pfalz hat die Berufung der beklagten Krankenkasse  mit Urteil vom  07.12.2017  abgewiesen.

Das Landessozialgericht kam zur Auffassung, dass es sich bei dem streitigen OPS 5-469.21 um eine signifikante Prozedur im Sinne der DKR P001f handelt, die im vorliegenden Fall zu Recht neben der Prozedur 5-535.31 kodiert wurde. Bei dem Patienten bestand als eigene Erkrankung ein derber Verwachsungsstrang, eine Bride, im rechten Bauch abseits der Bauchwandhernie. Somit wurden zwei unterschiedliche Operationen bei zwei unterschiedlichen Erkrankungen durchgeführt, die lediglich in einer Sitzung über denselben Zugang durchgeführt wurden. Die Abrechnung ist daher zu Recht erfolgt.

Das Landessozialgericht hat die Revision nicht zugelassen.

Anmerkung

Der Senat stellt zu Recht fest, dass die vorgenommene Maßnahme der Adhäsiolyse im rechten Bauch abseits der Bauchwandhernie unabhängig von der Adhäsiolyse im Bereich der Bauchwandhernie erfolgt und aufgrund des hierdurch gegebenen operativen Mehraufwandes gesondert zu kodieren war.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:41:15
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Newsletter Drug-Eluting-Balloons (DEB)
 

Behandlung mit Hilfe von Drug-Eluting-Balloons  (DEB) im Unterschenkelbereich

Urteil SG Speyer  29.11.2017  -   Az.: S 13 KR 469/14 (nicht rechtskräftig)

- Drug-Eluting-Balloons  (DEB) im Unterschenkelbereich, Vergütungsanspruch,    medizinischer Fortschritt, Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt (§ 137c SGB V, alte Fassung),

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

in einem Verfahren vor dem Sozialgericht Speyer ging es um die Frage, ob das klagende Krankenhaus im Jahr 2014 das Zusatzentgelt ZE137.02 (Medikamente-freisetzende Ballons an anderen Gefäßen, Zusatzinformationen zu Materialien: Art der verwendeten Ballons: Zwei medikamente-freisetzende Ballons an anderen Gefäßen) für eine Behandlung mit Hilfe von Drug-Eluting-Balloons  (DEB) im Unterschenkelbereich abrechnen durfte. Dies hat es bejaht.

Sachverhalt

Der Patient stellte sich im Januar 2014 im Krankenhaus der Klägerin bei pAVK im Stadium IV rechtsseitig vor. Es erfolgte eine Rekanalisation und LZ-PTA sowie DEB-PTA der Arteria tibialis anterior.

Das klagende Krankenhaus stellt der beklagten Krankenkasse u. a. das Zusatzentgelt ZE137.02 (Medikamente-freisetzende Ballons an anderen Gefäßen, Zusatzinformationen zu Materialien: Art der verwendeten Ballons: Zwei medikamente-freisetzende Ballons an anderen Gefäßen) in Rechnung.

Die beklagte Krankenkasse verweigerte die Vergütung des ZE und stützte sich hierbei auf ein MDK-Gutachten. Der MDK vertrat die Auffassung, dass eine Abrechnung des strittigen Zusatzentgeltes bei fehlender positiver Bewertung der DEB-Indikation im vorliegenden Fall nicht nachvollziehbar sei. Zur Begründung wurde auf die aktuellen Expertenbewertungen abgestellt. Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass die Behandlung des Versicherten offensichtlich nicht im Rahmen einer geforderten weiteren kontrollierten Studie, sondern unter ex ante-Erwartung eines positiven Effektes behandelt worden sei.

Das Krankenhaus erhob Klage beim Sozialgericht Speyer. Das Sozialgericht holte ein Sachverständigengutachten ein. Der Sachverständige führte in seinem Gutachten aus, dass in Anbetracht der vorliegenden kritischen Ischämie mit feuchter Gangrän der dritten Zehe rechts und vorliegenden weiteren Ulzerationen die Gefahr einer Progression der Wunden mit drohendem Beinverlust bestand. Die Anwendung der gewählten Behandlungsmethode war daher dringend medizinisch notwendig. Darüber hinaus hätte die Anwendung von DEB im Unterschenkelbereich in kleineren Studien die Überlegenheit gegenüber unbeschichteten Stents bzw. gegenüber der konventionellen Ballonangioplastie gezeigt.

Entscheidungsgründe

Das Sozialgericht hat sich der Auffassung des klagenden Krankenhauses angeschlossen und der Klage stattgegeben. Für die vorliegend im Streit stehende Behandlung einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (paVK) der Arteria tibialis anterior (ATA) mit Hilfe von medikamentefreisetzenden Ballons hatte der G-BA zum Zeitpunkt der Behandlung noch keine Überprüfung nach § 137c SGB V durchgeführt. Dementsprechend war diese Behandlungsmethode nicht gemäß § 137c Abs. 1 Satz 3 SGB V (in der bis zum 22.07.2015 gültigen Fassung) von der Leistungserbringung im System der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen.

Die Klägerin durfte die streitgegenständliche Behandlungsmethode (Behandlung mit Hilfe von Drug-Eluting-Balloons) zu Lasten der Beklagten anwenden. Zur Begründung verweist das Sozialgericht auf das von Amts wegen eingeholte Sachverständigengutachten. Der Sachverständige habe nachvollziehbar dargelegt, dass die Anwendung von DEB im Unterschenkelbereich in kleineren Studien die Überlegenheit gegenüber unbeschichteten Stents bzw. gegenüber der konventionellen Ballonangioplastie gezeigt hätte. Es handele sich daher nicht um eine Außenseitermethode, sondern um eine Methode, die erfolgreich praktiziert werde und in der wissenschaftlichen Diskussion stehe. Die Methode habe sich zwar insbesondere zum Behandlungszeitpunkt im Januar 2014 noch nicht als allgemeiner Standard durchgesetzt, sie habe aber dem medizinischen Fortschritt Rechnung getragen.

Anmerkung

Das Sozialgericht wendet die Regelung des § 137c Abs. 1 Satz 3 SGB V (in der bis zum 22.07.2015 gültigen Fassung) korrekt an (Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt).  Da ein Negativvotum des G-BA nicht vorlag, durfte die Klägerin  die streitige Leistung erbringen.

Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass jedwede Behandlung ohne Erfolgsaussicht und ohne qualitative Prüfung im Krankenhaus zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden darf, solange bezüglich der begehrten  Behandlungsmethode kein Negativvotum des G-BA vorliegt. Bei der begehrten Behandlungsmethode darf es sich nicht um eine Außenseitermethode handeln und sie muss erfolgreich praktiziert werden.

Neue Behandlungsmethoden können somit im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, auch wenn sie noch nicht durch Studien ausreichend belegt sind und ihr Nutzen noch nicht auf einem hohen Evidenzlevel belegt ist.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:41:31
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Newsletter Einblick in die Behandlungsunterlagen
 

Die gesetzlichen Krankenkassen sind berechtigt, im Rahmen eines Rechtsstreits vor dem Sozialgericht, Einsicht in die vollständigen Behandlungsunterlagen (Patientenakten) zu nehmen.

Der OPS-Kode 8-550 (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung) verlangt die konkrete Beschreibung der wochenbezogenen Behandlungsergebnisse und eigenständigen Behandlungsziele je Therapiebereich nebst funktions- und personenbezogener Benennung aller teilnehmender Berufsgruppen.

Urteil des BSG vom 19.12.2017, Az.: B 1 KR 19/17 R

- Einblick in die Behandlungsunterlagen durch gesetzliche Krankenkassen, Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung (DRG B44B), Dokumentation, OPS-Kode 8-550, konkrete Beschreibung der wochenbezogenen Behandlungsergebnisse, konkrete Beschreibung der eigenständigen Behandlungsziele je Therapiebereich, funktions- und personenbezogene Benennung aller teilnehmender Berufsgruppen -

Sehr geehrte Damen und Herren,

das BSG hat entschieden, dass Krankenkassen das gesetzlich verbriefte Recht auf Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen des Patienten während eines Rechtsstreits haben. Zudem hat es ergänzende Anforderungen an die Dokumentation des OPS-Kodes 8-550 aufgestellt.

Sachverhalt

Der dem BSG unterbreitete Rechtsstreit befasste sich auf der einen Seite mit der Fragestellung, ob die beklagte Krankenkasse das Recht zur Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen des Patienten hat und auf der anderen Seite mit der Frage, ob die wöchentlichen Teambesprechungen und die Dokumentation den Anforderungen des OPS-Kodes 8-550 entsprechen.

Entscheidungsgründe

Aus dem Terminsbericht ist zu ersehen, dass das BSG die Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen durch die gesetzlichen Krankenkassen für zulässig und gerechtfertigt erachtet. Demgegenüber erkannte die Vorinstanz dieses Recht nur dem MDK zu. Aus dem Terminsbericht ist zudem zu entnehmen, dass eine aussagekräftige Dokumentation der wochenbezogenen Behandlungsergebnisse und eigenständigen Behandlungsziele je Therapiebereich nebst funktions- und personenbezogener Benennung aller teilnehmenden Berufsgruppen vom BSG als erforderlich angesehen wird.

Anmerkungen

Maßgeblich für den Dokumentationsumfang ist der OPS-Kode 8-550 für die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung. Über diesen Wortlaut hinaus verlangt das BSG nunmehr konkrete Beschreibungen der wochenbezogenen Behandlungsergebnisse und eigenständigen Behandlungsziele je Therapiebereich nebst funktions- und personenbezogener Benennung aller teilnehmenden Berufsgruppen. Dies lässt sich mit dem vom BSG aufgestellten Grundsatz der streng am Wortlaut orientierten Auslegung von Abrechnungsbestimmungen schwer in Einklang bringen.

Zunächst liegt nur der Terminsbericht vor. Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, wird eine ergänzende Kommentierung hierzu erfolgen.

(http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2017&nr=14802)

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:41:44
 
Newsletter Weaning
 

Beatmungsfreie Intervalle sind nur als Bestandteil einer gezielten methodischen Entwöhnungshandlung zur Beatmungszeit hinzuzurechnen, die bei maschineller Beatmung aufgrund einer Gewöhnung erforderlich sein kann.

Urteil des BSG vom 19.12.2017, Az.: B 1 KR 18/17 R

- Weaning, DKR 2011 <1001h>, beatmungsfreie Intervalle, Beatmungszeit, maschinelle Beatmung, Masken-CPAP/ASB, Berechnung Beatmungszeit -

Sehr geehrte Damen und Herren,

entgegen der Vorinstanz (LSG Ba-Wü) setzt das BSG bei der Berücksichtigung der beatmungsfreien Intervalle zur Berechnung der maßgeblichen Beatmungszeit (Beatmung > 95 und < 250 Stunden) eine Gewöhnung an die maschinelle Beatmung voraus. Es müsse zudem eine gezielte methodische Entwöhnungsbehandlung stattfinden.

Sachverhalt

Der Terminvorschau des BSG ist folgender Sachverhalt zu entnehmen: Ein Patient wurde im Jahr 2011 intensivmedizinisch versorgt und bei klinischem Bild einer Sepsis mit Tachypnoe und peripherem Kreislaufversagen zur Stabilisierung der Atmungs- und Kreislauffunktion über das Maskensystem Evita 4 intermittierend nicht invasiv beatmet. Das klagende Krankenhaus rechnete zu den Zeiträumen der maschinellen Beatmung mit Masken CPAP/ASB auch die Zeiträume für die beatmungsfreien Intervalle hinzu und kam so zu einer Gesamtbeatmungszeit von mehr als 95 Stunden. Das Krankenhaus rechnete daher die DRG A13G ab. Demgegenüber berücksichtigte die beklagte Krankenkasse die beatmungsfreien Intervalle nicht, da u.a. keine Gewöhnung des Patienten an die maschinelle Beatmung erfolgt sei.

Die Vorinstanzen gaben der Klägerin Recht. Das BSG vertritt in seinem Urteil eine andere Rechtsauffassung und wies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück.

Entscheidungsgründe

Dem Terminsbericht des BSG ist zu entnehmen, dass es davon ausgeht, dass die Berücksichtigung von beatmungsfreien Intervallen bei der Ermittlung der Gesamtbeatmungszeit nach DKR 2011 <1001h> die Gewöhnung an das Beatmungsgerät voraussetzt. Zudem müsse eine gezielte methodische Entwöhnungsbehandlung gegeben sein.

Hierfür fehlte es nach Auffassung des BSG an der erforderlichen Sachverhaltsermittlung, so dass das BSG nicht abschließend entscheiden konnte. Es wies den Rechtsstreit daher zur erneuten Entscheidung an das LSG zurück.

Anmerkungen

Das Urteil des 1. Senats überrascht. Auf den ersten Blick löst es sich vom Wortlaut der DKR 2011 <1001h>, die weder eine Definition des Begriffs der Entwöhnung enthält, noch den vom BSG geforderten methodischen Entwöhnungsprozess vorgibt. Die DKR 2011 <1001h> regelt lediglich die Berechnung und Dauer der Beatmung und enthält keine Hinweise, wann eine Entwöhnung beginnt und ob eine Gewöhnung eingetreten sein muss. Nach erster Einschätzung verlässt das BSG hierbei den von ihm herausgestellten Grundsatz, dass Abrechnungsbestimmungen und Kodierrichtlinien streng am Wortlaut auszulegen sind.

Zunächst liegt nur der Terminsbericht vor. Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, wird eine ergänzende Kommentierung hierzu erfolgen.

(http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2017&nr=14802)

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:41:57
 
Newsletter Nachkodierung
 

Die in § 7 Abs. 5 Satz 2 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV 2015) vorgesehene 5-Monats-Frist stellt keine Ausschlussfrist für Vergütungsansprüche dar. Krankenhäuser sind daher berechtigt, auch außerhalb der 5-Monats-Frist Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen (Rechnungskorrekturen) vorzunehmen. § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG stellt keine Ermächtigungsgrundlage für die Vereinbarung einer diesbezüglichen materiell-rechtlichen Ausschlussfrist dar.

Urteil des SG Dortmund vom 05.05.2017, S 49 KR 580/16 (rechtskräftig)

siehe auch Urteil SG Reutlingen vom 08.11.2017, Az.: S 1 KR 364/17

 - Nachkodierung, Rechnungskorrektur, § 7 Abs. 5 Satz 1, 2 PrüfvV (2015), materiell-rechtliche Ausschlussfrist, 5-Monats-Frist, Korrektur, Ergänzung, Datensätze, Ermächtigungsgrundlage, Verwirkung, Treu und Glauben -

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach wie vor befassen sich die Instanzgerichte mit den Regelungen der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV), die zum Teil für das Abrechnungsverfahren des Krankenhauses einschneidende Regelungen enthalten. Das SG Dortmund befasste sich mit der Fragestellung, ob die Regelung in § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV, wonach Krankenhäuser nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens nur eine einmalige Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen innerhalb von 5 Monaten vornehmen dürfen, den Charakter einer Ausschlussfrist besitzt. Es hat dies mit überzeugenden Gründen verneint (siehe hierzu auch Urteil SG Reutlingen vom 08.11.2017, S 1 KR 364/17).

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus führte eine Implantation einer Hüftendoprothese im Jahr 2015 bei einem Patienten durch. Hierfür stellte es der beklagten Krankenkasse die DRG I47B in Rechnung. Nach Bezahlung der Rechnung leitete die Beklagte ein Prüfverfahren durch den MDK ein (Prüfanzeige vom 30.10.2015). Der Prüfauftrag bezog sich auf die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer (Fehlbelegungsprüfung). Der MDK kam mit Gutachten vom 21.12.2015 zum Ergebnis, dass die Abrechnung korrekt erfolgt sei. Die Krankenkasse teilte dies dem Krankenhaus am 11.01.2016 mit.

Am 11.02.2016 erstellte die Klägerin eine neue – um 3.877,99 € höhere - Schlussrechnung, da eine Neukodierung erforderlich sei. In der vorhergehenden Abrechnung seien die Nebendiagnosen M00.95/B96.8! (Infektiöse Arthritis ohne nähere Angabe Hüfte (Hüftgelenk)/Sonstige näher bezeichnete Bakterien als Ursache von Krankheiten, die in den anderen Kapiteln klassifiziert sind) vergessen worden.

Unter Hinweis auf die Regelung in § 7 Abs. 5 Satz 1 PrüfvV (2015) verweigerte die beklagte Krankenkasse die Restzahlung, da die Rechnungskorrektur erst nach Abschluss der MDK-Prüfung erfolgte.

Entscheidungsgründe

Das SG Dortmund kam zur Auffassung, dass die Nachkodierung durch das Krankenhaus zulässig und der höhere Zahlungsanspruch berechtigt war.

Ausgangspunkt des Urteils ist die Rechtsprechung des BSG, wonach eine nachträgliche Korrektur einer Rechnung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (Verwirkung) noch bis zum Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Kalenderjahrs zulässig ist. Das Krankenhaus durfte daher die Rechnung aus dem Jahr 2015 noch im Jahr 2016 korrigieren.

Anschließend kommt das SG Dortmund zum Ergebnis, dass für die Vereinbarung einer etwaigen Ausschlussfrist in § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV (2015) keine Ermächtigungsgrundlage besteht. Des Weiteren enthalte die Regelung in § 7 Abs. 5 Sätze 1, 2 i.V.m. § 8 Satz 1 PrüfvV (2015) keine Ausschlussfrist. Selbst wenn man eine andere Auffassung vertrete, findet die 5-Monats-Frist vorliegend keine Anwendung.

Zur fehlenden Ermächtigungsgrundlage führt das SG Dortmund aus, dass die Vertragsparteien auf Bundesebene nach § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG nur berechtigt sind, Verfahrensfragen zu regeln. Weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung ist ein derartig enger und tiefgreifender Ausschluss des Vergütungsanspruches anerkannt. Auf die Beendigung des Prüfverfahrens könne daher entgegen der Ansicht der Krankenkasse nicht abgestellt werden. Im Übrigen habe das Krankenhaus keinen Einfluss auf die Durchführung und Beendigung des MDK-Prüfverfahrens.

Des Weiteren hebt das SG Dortmund darauf ab, dass der 5-Monats-Frist in § 7 Abs. 5 Sätze 1, 2 PrüfvV (2015) i.V.m. § 8 Satz 1 PrüfvV (2015) nicht die Bedeutung einer Ausschlussfrist zukommt. Anders als bei § 6 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV (2015) und bei § 8 Satz 4 PrüfvV (2015) sei in § 7 Abs. 5 PrüfvV (2015) kein Hinweis auf eine Ausschlussfrist enthalten. Eine solche ausdrückliche Bezeichnung als Ausschlussfrist wäre im Hinblick auf die tiefgreifenden Rechtswirkungen unverzichtbar gewesen.

Selbst wenn man der Regelung in § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV (2015) den Charakter einer rechtlich zulässigen Ausschlussfrist beimesse, könne nur eine Rechnungskorrektur bezogen auf den Gegenstand der MDK-Prüfung ausgeschlossen sein. Bezieht sich der Prüfanlass auf einen anderen Sachverhalt als die Rechnungskorrektur, greife eine etwaige Ausschlussfrist von vornherein nicht und die BSG-Rechtsprechung findet uneingeschränkt Anwendung. Auch unter diesem Gesichtspunkt sei daher die Rechnungskorrektur noch bis zum Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Kalenderjahrs zulässig.

Anmerkungen

Das SG Dortmund setzt sich mit überzeugenden Gründen mit der 5-Monats-Frist in § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV (2015) auseinander und verneint unter verschiedenen rechtlichen Aspekten den Charakter einer Ausschlussfrist. Das Urteil ist zwar zur Erstfassung der PrüfvV 2015 ergangen, kann aber ohne Weiteres auf die Regelung in § 7 Abs. 5 PrüfvV (2017) übertragen werden. Dies gilt insbesondere für das Argument, dass es für die Regelung einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist an einer Ermächtigungsgrundlage für die Vertragsparteien auf Bundesebene fehle.

§ 7 Abs. 5 PrüfvV (2017) wurde gegenüber der Erstfassung 2015 jedoch um zwei weitere Sätze ergänzt, die wie folgt lauten:

„Sollte eine Begutachtung durch den MDK vor Ablauf der Frist des Satzes 2 beendet sein, ist eine Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur bis zum Ende der Begutachtung durch den MDK möglich. In den Fällen der Prüfung vor Ort finden die Sätze 2 und 3 mit der Maßgabe Anwendung, dass eine Korrektur oder Ergänzung nur bis zum Abschluss der Prüfung vor Ort möglich ist.“

Der Anwendung dieser Regelungen für Krankenhausaufnahmen ab 01.01.2017 steht jedoch der Gesichtspunkt entgegen, dass auch hier von den Vertragsparteien auf Bundesebene nicht eindeutig bestimmt wurde, dass es sich hier um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist handeln soll, während in anderen Bestimmungen dies ausdrücklich aufgenommen wurde (siehe z.B. § 8 Satz 4 PrüfvV (2017)).

Der entscheidende Gesichtspunkt ist hierbei jedoch, dass die Vertragsparteien auf Bundesebene nach § 17c Abs. 2 KHG nur berechtigt sind, Verfahrensregelungen zu vereinbaren; für Regelungen zur Einschränkung des Vergütungsanspruches sind die Vertragsparteien auf Bundesebene nicht befugt. Bei den Neuregelungen in § 7 Abs. 5 Satz 3 und 4 PrüfvV 2017 handelt es sich jedoch von ihrer Zielrichtung her um materiell-rechtliche Einschränkungen von Vergütungsansprüchen der Krankenhäuser. Hierfür bedarf es jedoch einer gesetzlichen Grundlage, die nicht besteht.

Das SG Dortmund steht mit seinem Urteil nicht allein. So hat auch das SG Reutlingen, Urteil vom 08.11.2017, Az.: S 1 KR 364/17, die Auffassung vertreten, dass die Vertragsparteien auf Bundesebene nur befugt sind, Verfahrensregelungen zum Prüfverfahren zu vereinbaren. Weitergehenden Befugnissen dieser Vertragsparteien, beispielsweise zur Regelung von Vergütungsfragen oder deren Ausschluss, lassen sich weder § 17c Abs. 2 KHG noch den hierzu ergangenen Gesetzesmaterialen entnehmen. Ergänzend hat das SG Reutlingen herausgestellt, dass sich § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV (2015) nur an den MDK wende. Eine Regelung zum Ausschluss der Vergütung lässt sich diese Vorschrift angesichts des eindeutigen Wortlauts nicht entnehmen.

Die besprochenen Urteile sind aus den folgenden Links zu ersehen:

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=193669

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=197145&s0=&s1=&s2=&words=&sensitive=

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:42:10
 
Newsletter Implantation von Coils
 

Die Implantation von Coils (im Jahr 2013) ist eine experimentelle, dem Qualitätsgebot nicht entsprechende Behandlungsmethode außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung. Ein Vergütungsanspruch des Krankenhauses besteht daher nicht.

Urteil des BSG vom 19.12.2017, Az.: B 1 KR 17/17 R

- Implantation von Coils, Qualitätsgebot, Vergütungsanspruch, Leistungserbringung, Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung, Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, NUB-Entgelt -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

das BSG hat die Frage entschieden, ob Krankenhäuser im Jahr 2013 berechtigt waren, Coils zu implantieren und das damit verbundene NUB-Entgelt abzurechnen. Es hat beides verneint.

Sachverhalt

Ein Krankenhaus implantierte bei einer Patientin im Jahr 2013 wegen einer COPD Stadium IV Coils (endobronchiale Nitionolspiralen). Hierzu hatte das klagende Krankenhaus mit den Sozialleistungsträgern eine NUB-Vereinbarung nach § 6 Abs. 2 KHEntgG abgeschlossen.

Die beklagte Krankenkasse zahlte zunächst und verrechnete anschließend den in Frage stehenden Rechnungsbetrag mit einer anderen Rechnung. Das SG hat die Klage abgewiesen. Berufung und Revision blieben ohne Erfolg.

Entscheidungsgründe

Das BSG hat sich der Auffassung der Vorinstanzen angeschlossen und die Implantation von Coils als experimentelle, dem Qualitätsgebot nicht entsprechende Behandlungsmethode außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung bezeichnet. Die NUB-Vereinbarung des Krankenhauses begründe kein schutzwürdiges Vertrauen auf einen Vergütungsanspruch. Sie regelt lediglich die Vergütungshöhe für den Fall, dass der Patient Anspruch auf die Behandlung hat, weder aber den Grund des Anspruchs noch die Vereinbarung der Therapie mit dem Qualitätsgebot.

Anmerkung

Das Urteil des BSG überrascht in mehrfacher Hinsicht.

In der Zwischenzeit sind zu diesem Verfahren neben einer Metaanalyse drei randomisiert-kontrollierte Studien publiziert, die den höchsten wissenschaftlichen Evidenzgrad aufweisen. Diese Studien belegen, dass die bronchoskopische Lungenvolumenreduktion (BLVR) mit Coils eine Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit (Zunahme der 6-Minutengehstrecke (6MWT)), eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität (Verringerung im SGRQ – St. George's Respiratory Questionnaire) und eine signifikante Verbesserung der Lungenfunktion durch eine Erhöhung der Einsekundenkapazität (FEV1-Wertes) bewirkt. Auch das IQWiG hat die Studie positiv mit einem Nutzen bezüglich der Verbesserung der körperlichen Belastbarkeit bewertet. Dem ist anscheinend das BSG für die Behandlung im Jahr 2013 nicht gefolgt. Nicht ausgeschlossen ist, dass in den folgenden Jahren die Studienlage auch vom BSG anders bewertet wird.

Auch die rechtliche Bewertung einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) als nicht ausreichenden Grund für einen Vergütungsanspruch, begegnet Bedenken. Bereits bei der Vereinbarung einer NUB muss der Frage nachgegangen werden, ob diese zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden darf (§ 137c Abs. 1 Satz 1 SGB V). Hierfür sind die Vertragsparteien auf Bundesebene berechtigt, eine Bewertung der NUB durch den G-BA zu veranlassen. Mit der Vereinbarung eines NUB-Entgelts für Coils bringen die Vertragsparteien daher richtigerweise zum Ausdruck, dass sie diese Leistung als vereinbar mit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse vereinbar halten, also diese Leistung auch zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden darf.

Zurzeit liegt nur der Terminsbericht des BSG vor. (http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2017&nr=14802)

Sobald die Entscheidungsgründe in schriftlicher Form vorliegen, werde ich weiter berichten.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:42:36
 
Newsletter Prüfverfahrensvereinbarung (idF bis 31.12.2015)
 

§ 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV (idF bis zum 31.12.2015) beinhaltet weder einen Einwendungsausschluss noch ein Beweisverwertungsverbot für das Sozialgerichtsverfahren. Ohne ausdrückliche gesetzliche Rechtsgrundlage kann die Amtsermittlungspflicht des SG nicht eingeschränkt werden.

Urteil des SG Detmold vom 16.11.2017, Az.: S 24 KR 836/16 - rechtskräftig

- MDK-Prüfung, Übersendung von Unterlagen, 4-Wochen-Frist, Einwendungsausschluss, Beweisverwertungsverbot, Amtsermittlung, Prüfverfahrensvereinbarung (idF bis 31.12.2015) -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

das SG Detmold hat sich mit der Frage befasst, ob § 7 Abs. 2 Satz 3 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV idF bis 31.12.2015) eine Ausschlussfrist beinhaltet. Dies hat es verneint.

Sachverhalt

Das von uns vertretene Krankenhaus machte Krankenhausbehandlungskosten wegen der Behandlung einer Patientin im Jahr 2015 geltend. Die Aufnahme der Patientin erfolgte zur Durchführung einer funktionellen Septorhinoplastik, einer Korrektur der inneren und äußeren Nase. Die beklagte Krankenkasse hat den MDK zur Prüfung eingeschaltet. Der MDK erbat vom Krankenhaus die Übersendung „sämtlicher Behandlungsunterlagen, die geeignet seien, die Fragestellung der Beklagten bezogen auf den Prüfanlass vollumfänglich zu beantworten.“ Das Krankenhaus übersandte dem MDK daraufhin eine Stellungnahme des Operateurs, der die Gründe für die stationäre Behandlung aufführte.

Der MDK stellte in seinem Gutachten dar, dass die vom Krankenhaus übersandten Unterlagen zur Beurteilung nicht ausreichend sind. Trotz Anforderung seien keine relevanten Unterlagen vom Krankenhaus vorgelegt worden, so dass die medizinische Indikation für den durchgeführten Eingriff nicht nachvollziehbar sei.

Daraufhin teilte die beklagte Krankenkasse mit, dass sich der Anspruch nach § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV auf den unstreitigen Rechnungsbetrag beschränke und sie mit ihrem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aufrechnen werde.

Das Krankenhaus wandte ein, dass § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV keine Ausschlussfrist beinhalte.

Das SG erhob Beweis durch einen Sachverständigen. Dieser kam zur Auffassung, dass der OP-Bericht für eine Beurteilung ausreiche. Es habe sich eindeutig um eine funktionelle und nicht um eine kosmetische Operation gehandelt.

Entscheidungsgründe

Das SG gab der Klage statt. Es kam zur Auffassung, dass § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV den Amtsermittlungsgrundsatz des SG nicht einschränken könne. § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV sei eine untergesetzliche Norm. Nach der Rechtsprechung des BSG seien materiell-rechtliche Ausschlussfristen zu Lasten der Versichertengemeinschaft unzulässig, weil sie im Widerspruch zum Wirtschaftlichkeitsgebot stehen. Gleiches muss dann auch für Vergütungsansprüche der Krankenhäuser gelten. Aus der PrüfvV könne diesbezüglich kein Einwendungsausschluss bzw. kein Beweisverwertungsverbot hergeleitet werden. Die PrüfvV beziehe sich lediglich auf eine Beschleunigung und bundesweit einheitliche Gestaltung des Prüfverfahrens. Dies ergebe sich aus § 17c KHG und §§ 275 ff. SGB V. Nach der Ermächtigungsnorm dürfen lediglich Abweichungen im Hinblick auf die – hier nicht relevante – 6-Wochen-Frist zur Einleitung des Prüfverfahrens gem. § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V vorgenommen werden. Im Übrigen sei fraglich, ob § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV (idF bis 31.12.2015) als Ausschlussfrist konzipiert sei.

Anmerkung

Dem SG ist vollständig zuzustimmen. § 17c Abs. 2 KHG enthält nur eine gesetzliche Ermächtigung für die Vertragsparteien auf Bundesebene verfahrensgestaltende Vereinbarungen zu treffen. Die Regelung materiell-rechtlicher Folgen ist nicht Inhalt der Ermächtigungsnorm. Insoweit kann auch die Amtsermittlungspflicht des SG nicht eingeschränkt werden. Legt das Krankenhaus im Laufe des Sozialgerichtsverfahrens weitere Beweismittel vor, müssen diese vom Sozialgericht bewertet werden. Dem Sozialgericht ist es auch nicht verwehrt, nach Beiziehung der Krankenhausakten einen Sachverständigen zur Beurteilung des medizinischen Sachverhalts zu beauftragen.

Die Rechtsprechung des SG Detmold kann auch auf die PrüfvV vom 03.02.2016 angewandt werden. In der Nachfolgefassung der PrüfvV wurde die Frist zur Vorlage von Unterlagen auf 8 Wochen erweitert und eine Nachlieferungsfrist von 6 Wochen festgelegt. Für die in § 7 Abs. 2 Satz 6 und 9 PrüfvV (idF vom 03.02.2016) bestehende Regelung, wonach sich der Anspruch auf den unstrittigen Rechnungsbetrag beschränkt, wenn die betreffende Frist nicht eingehalten wurde, dürfte unter Anwendung der Rechtsprechung des SG Detmold rechtlich unzulässig sein.

Ergänzend wird auf den Rechtstipp vom 30.11.2017 verwiesen, in dem auf den Gerichtsbescheid des SG Gießen vom 10.11.2017, Az.: S 7 KR 70/16 hingewiesen wurde. Auch das SG Gießen geht davon aus, dass § 7 Abs. 2 Satz 3 SGB V keine Ausschlussfrist beinhaltet.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:42:58
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Newsletter Prüfverfahrensvereinbarung
 

Die in § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV (idF bis 31.12.2016) aufgeführte Frist stellt keine Ausschlussfrist dar.  Im gerichtlichen Verfahren sind die gesamten Behandlungsunterlagen zur Prüfung des Vergütungsanspruches des Krankenhauses heranzuziehen.

SG Gießen, Gerichtsbescheid vom 10.11.2017, Az.: S 7 KR 70/16 (nicht rechtskräftig)

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Sozialgericht Gießen hat sich mit der Frage befasst, ob ein Krankenhaus bei Nichteinhaltung der 4-Wochen-Frist nach § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV lediglich einen Anspruch nach Maßgabe der dem SMD  zur Verfügung gestellten Unterlagen hat. Es hat dies vorliegend verneint.

Sachverhalt

Das Krankenhaus hat einen Patienten vom 01.09.2015 bis zum 09.09.2015 stationär behandelt. Am 11.09.2015 stellte das Krankenhaus der Krankenkasse mit der Hauptdiagnose I50.13 (Linksherzinsuffizienz: Mit Beschwerden bei leichter Belastung, inkl. NYHA Stadium III) auf Grundlage der DRG F52B insgesamt 4.709,33 € in Rechnung. Die Krankenkasse zahlte den Betrag unter Vorbehalt und führte ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr.1 SGB V durch. Für die Prüfung forderte der SMD beim Krankenhaus einen Teil der Behandlungsunterlagen an. Der SMD kam zum Ergebnis, dass Hauptdiagnose I25.11 sei und somit die DRG F58B abzurechnen sei. Am 29.12.2015 verrechnete die Krankenkasse daher einen Betrag in Höhe von 1.478,46 €.

Am 22.02.2016 hat das Krankenhaus Klage erhoben. Das Sozialgericht Gießen hat ein Sachverständigengutachten eingeholt, das die korrekte Abrechnung der Klägerin bestätigte.

Im Klageverfahren wendete die Beklagte ein, dass einem im Klageverfahren zu erstellenden Sachverständigengutachten lediglich die medizinischen Unterlagen zur Verfügung gestellt werden dürfen, die vorgerichtlich dem Sozialmedizinischen Dienst übersandt worden seien. Daher dürfe ein gerichtlich bestellter Sachverständiger einem zu erstellenden Gutachten nicht die vollständige Patientenakte zur Verfügung gestellt werden. Anderenfalls würde die Regelung des § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV im gerichtlichen Verfahren vollständig entwertet.

Entscheidungsgründe

Das Sozialgericht Gießen bejahte den Vergütungsanspruch der Klägerin. Die ordnungsgemäße Abrechnung sei durch das Sachverständigengutachten bestätigt worden.

Dem Anspruch der Klägerin stehe auch nicht § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV entgegen. Zur Begründung wird Folgendes ausgeführt:

„Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 PrüfvV kann bei Prüfung im schriftlichen Verfahren der Medizinische Dienst die Übersendung einer Kopie der Unterlagen verlangen, die er zur Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt. Das Krankenhaus hat die Unterlagen innerhalb von vier Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung an den Medizinischen Dienst zu übermitteln (Satz 2). Erfolgt dies nicht, hat das Krankenhaus einen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag (Satz 3). Nach Maßgabe von § 7 Abs. 5 PrüfvV sind einmalige Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen nur innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des Prüfverfahrens bzw. nach Erweiterung des Prüfanlasses möglich. Gemäß § 8 Satz 1 PrüfvV hat die Krankenkasse dem Krankenhaus ihre abschließende Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung und den daraus folgenden Erstattungsanspruch mitzuteilen.

Unter Auslegung dieser Regelungen ist vor dem Hintergrund der Ermächtigungsgrundlage des   § 17c Abs. 2 KHG sowie des Zwecks des Prüfverfahrens nach § 275 Abs. 1c SGB V die Vereinbarung einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist zur nachträglichen Rechnungskorrektur vor Ablauf der gesetzlichen vierjährigen Verjährungsfrist bzw. des in der BSG-Rechtsprechung definierten Zeitraums des Einwendungsausschlusses der Verwirkung nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG gedeckt.

Gemäß § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft ,,das Nähere zum Prüfverfahren" nach § 275 Absatz 1c SGB V; in der Vereinbarung sind abweichende Regelungen zu § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V möglich.

Die Annahme eines materiell-rechtlichen Ausschlusses überschreitet bereits den Gesetzeswortlaut (,,das Nähere zum Prüfverfahren"), vgl. auch Sozialgericht Kassel, Gerichtsbescheid vom 25.11.2016, S 12 KR 594/15, juris, Rn. 40 ff. Auch das Gesetz kennt keinen vergleichbar weitreichenden Ausschluss des Vergütungsanspruchs; § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V bestimmt als einzig erhebliche Frist die für die Krankenkassen geltende Einleitungsfrist von sechs Wochen. Systematisch betrachtet verzichtet § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV außerdem im Gegensatz zu den ausdrücklich als Ausschlussfristen benannten Fristen der §§ 6 Abs. 2, 8 PrüfvV auf die Bezeichnung als Ausschlussfrist. Dies legt den Schluss nahe, dass die Parteien sich auf diese weitreichende Folge in diesem Kontext gerade nicht geeinigt haben. Nach Auffassung der Kammer wäre hier zumindest eine ausdrückliche Bezeichnung als Ausschlussfrist erforderlich gewesen. Schließlich dient das Prüfverfahren der zeitnahen einvernehmlichen Regelung. Auch dies spricht gegen einen materiell-rechtlichen Ausschluss im streitigen Verfahren.“

Anmerkung

Das Sozialgericht Gießen hat festgestellt, dass durch die Prüfverfahrensvereinbarung lediglich der Ablauf des Prüfverfahrens geregelt werden sollte mit dem Ziel einer zeitnahen einvernehmlichen Regelung. Ein materiell-rechtlicher Ausschluss im streitigen Verfahren sollte nicht in der PrüfvV geregelt werden.

Hätten die Beteiligten eine Ausschlussfrist regeln wollen, so hätten Sie dies ausdrücklich kenntlich gemacht. Anders als etwa bei der Frist des § 8 Satz 3 PrüfvV, welche in § 8 Satz 4 PrüfvV ausdrücklich als Ausschlussfrist benannt wird, haben die Beteiligten auf eine solche Bezeichnung in § 7 PrüfvV verzichtet.

Die Entscheidung des SG Gießen hat in der Praxis eine große Relevanz. In einer Vielzahl von Fällen verweigern die Krankenkassen die Zahlung des vollständigen Rechnungsbetrags mit der Begründung, das Krankenhaus habe die 4-Wochen-Frist des § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV (seit 01.01.2017 gem. § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV 8 Wochen) nicht eingehalten. Reichen die Krankenhäuser die vom MDK angeforderten Unterlagen verspätet ein, so werden diese in der Regel vom MDK unter Hinweis auf die Fristversäumung zurückgereicht. Eine erneute Beauftragung des MDK durch die Krankenkasse erfolgt nicht. In diesen Fällen bleibt dem Krankenhaus nur die Möglichkeit, die offene Vergütung einzuklagen. Im Klageverfahren ist das Sozialgericht aufgrund des im Sozialgerichtsverfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes gehalten, die vollständigen Patientenunterlagen auszuwerten.

Der Gerichtsbescheid des SG Gießen ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:43:37
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Newsletter Biopsie
 

Die Gruppe der endoskopischen Biopsien an respiratorischen Organen (OPS 1-430) verlangt einheitlich einen Erfolg, nämlich die Entnahme von Biopsien an einem Entnahmeort. Die OPS-Schlüssel differenzieren nach ihrem Entnahmeort, z.B. Trachea (OPS 1-430.0), Bronchus (OPS 1-430.1) oder Lunge (OPS 1-430.2). Für nicht vollendete oder unterbrochene Prozeduren finden die Kodierregeln der Deutschen Kodierrichtlinie P004f Anwendung.

BSG, Urteil vom 26.09.2017, Az.: B 1 KR 9/17 R

- endoskopische Biopsie an respiratorischen Organen (Lunge), DRG E71A, DRG E71B, OPS-Kode 1-430.1, OPS-Kode 1-430.2, Deutsche Kodierrichtlinie P004f, nicht vollendete oder unterbrochene Prozedur -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der hier besprochenen Entscheidung des BSG ging es um die Rechtsfrage, ob die Anwendung des OPS-Kodes 1-430.2 eine erfolgreiche Gewebeentnahme an der Lunge voraussetzt. Dies bejahte das BSG und kam zur Abrechnung der DRG E71B anstelle der DRG E71A.

Sachverhalt

Die Krankenhausträgerin behandelte einen Patienten im Jahr 2011 zur weiteren Abklärung eines lungengeweblichen suspekten Rundherds u.a. mittels endoskopischer Biopsie. Neben einer Bronchiallavage erfolgte eine Bürstenbiopsie aus den rechten Oberlappenostien und dem Segment 6 sowie eine Zangenbiopsie aus der Oberlappencarina.

Der Versuch, unter Durchleuchtung aus dem Rundherd eine Gewebeprobe zu entnehmen, scheiterte. Die Krankenhausträgerin rechnete unter Anwendung des OPS-Kodes 1-430.2 (Endoskopische Biopsie an respiratorischen Organen: Lunge) die DRG E71A ab.

Die beklagte Krankenkasse wandte unter Bezugnahme auf ein MDK-Gutachten ein, dass nur die DRG E71B abzurechnen sei, da die Biopsie an der Lunge scheiterte. Der Abrechnung sei daher der OPS-Kode 1-430.1 zu Grunde zu legen.

Die Krankenhausträgerin war in erster und zweiter Instanz erfolgreich. Auf die Revision der beklagten Krankenkasse hob das BSG die vorangegangenen Urteile auf und wies die Klage der Krankenhausträgerin ab.

Entscheidungsgründe

Das BSG entschied, dass die Biopsie an dem respiratorischen Organ Lunge eine erfolgreiche Gewebeentnahme voraussetzt, die vorliegend jedoch scheiterte. Die Gruppe der endoskopischen Biopsien an respiratorischen Organen (OPS 1-430) fordert einheitlich einen Erfolg: Die Entnahme von Biopsien, die histologisch untersucht werden können. Die OPS-Schlüsse differenzieren hierbei nach dem Entnahmeort, z.B. Trachea (OPS 1-430.0), Bronchus (OPS 1-430.1) oder Lunge (OPS 1-430.2). Nur wenn eine erfolgreiche Gewebeprobe an der Lunge entnommen werden konnte, darf der OPS-Kode 1-430.2 kodiert werden.

Für nicht vollendete oder unterbrochene Prozeduren gelte die Deutsche Kodierrichtlinie DKR P004f. Diese finde vorliegend Anwendung. Ausgehend von der DKR P004f handele es sich vorliegend um eine Teilleistung, die mit dem OPS-Kode 1-430.1 (Endoskopische Biopsie an respiratorischen Organen: Bronchus) verschlüsselt werden muss. Die Entnahme einer Gewebeprobe aus der Oberlappencarina des rechten Lungenflügels mit der Zange erfülle diesen OPS-Kode 1-430.1. Daraus folge die Abrechnung der DRG E71B.

Anmerkung

Das BSG geht davon aus, dass der OPS-Kode 1-430 eine erfolgreiche Entnahme von durch Biopsien erlangte Gewebestücke voraussetzt. Dies folgt aus dem Wortlaut „Entnahme“ von Biopsien. Für die jeweilige Anwendung des OPS-Kodes stellt das BSG zu Recht auf den dort festgelegten Entnahmeort ab (z.B. Trachea (OPS 1-430.0), Bronchus (OPS 1-430.1) oder Lunge (OPS 1-430.2).

Ist eine Entnahme gescheitert, ist die jeweilige Prozedur nicht erfüllt. Insoweit handelt es sich um eine entweder nicht vollendete oder unterbrochene Prozedur.

Hierfür gilt die Deutsche Kodierrichtlinie P004f, die fünf Prüfungsschritte vorsieht. Ist die Voraussetzung eines Prüfungsschritts erfüllt, gilt die dortige Kodierregel. Die Prüfung der weiteren nachfolgenden Prüfschritte ist dann entbehrlich. Aus dieser Binnensystematik folgt, dass das BSG die Prüfungsschritte 1 und 2 der DKR P004f verneinte, den Prüfungsschritt 3 aber bejahte. Dieser Prüfungsschritt 3 der DKR P004f lautet:

„3. Lässt sich die bisher erbrachte Teilleistung mit dem OPS kodieren, so wird nur die Teilleistung kodiert.“

Ausgehend hiervon bejahte das BSG den OPS 1-430.1, da die Krankenhausträgerin die Entnahme einer Gewebeprobe aus der Oberlappencarina des rechten Lungenflügels mit der Zange vorgenommen hat. Dies führt dann zur DRG E71B und nicht zur DRG E71A.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:44:16
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Newsletter Pflegezuschlag
 

Der Pflegezuschlag nach § 8 Abs. 10 KHEntgG steht allen Krankenhäusern zu, die das KHEntgG anwenden, unabhängig davon, ob sie von dem Statistischen Bundesamt als „Sonstige Krankenhäuser“ bezeichnet werden.

Nichtgenehmigung eines Schiedsstellenbeschlusses durch das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie vom 26.10.2017

- Pflegezuschlag, Krankenhaustyp, Allgemeine Krankenhäuser, Sonstige Krankenhäuser, Statistisches Bundesamt, Erläuterungen zu den Grunddaten der Krankenhäuser -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Krankenkassen schließen Krankenhäuser vom Pflegezuschlag nach § 8 Abs. 10 KHEntgG aus, wenn sie vom Statistischen Bundesamt als „Sonstiges Krankenhaus“ eingeordnet werden. Einem diesbezüglichen Schiedsstellenbeschluss, der die Auffassung der Krankenkassen stützte, versagte das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Genehmigung.

Sachverhalt

Ein Krankenhaus verfügt durch Feststellungsbescheid des Ministeriums über zwei Fachabteilungen: Eine Fachabteilung für Geriatrie und eine Fachabteilung für Psychiatrie und Psychotherapie. Mit der Fachabteilung für Geriatrie unterliegt das Krankenhaus dem Krankenhausentgeltgesetz. Das Krankenhaus hat daher den Pflegezuschlag nach § 8 Abs. 10 KHEntgG geltend gemacht.

Die Krankenkassen verweigerten den Pflegezuschlag mit dem Hinweis, dass das Krankenhaus nach der Bundesstatistik als „Sonstiges Krankenhaus“ geführt werde. Ein Anspruch auf Pflegezuschlag hätten nur allgemeine Krankenhäuser.

Die vom Krankenhaus angerufene Schiedsstelle schloss sich mit Beschluss vom 21.09.2017 der Auffassung der Krankenkassen an und lehnte den Antrag ab.

Das von uns vertretene Krankenhaus stellte daher einen Antrag auf Versagung der Genehmigung beim zuständigen Ministerium nach § 14 Abs. 1, 3 KHEntgG. Daraufhin versagte das zuständige Ministerium die Genehmigung und das Krankenhaus stellte einen Antrag auf Fortführung des Schiedsstellenverfahrens.

Entscheidungsgründe im Bescheid des Ministeriums

Das Ministerium stellt heraus, dass der Pflegezuschlag an die Stelle des Versorgungszuschlages 2016 gerückt ist. Der Gesetzgeber wollte mit dem Pflegezuschlag den Krankenhäusern, die den bisherigen Versorgungszuschlag erhalten haben, diese Mittel mit einer anderen Zweckbindung weiter zukommen lassen. Das Krankenhaus habe bisher den Versorgungszuschlag erhalten und hat aus diesem Grund auch einen Anspruch auf den Pflegezuschlag. Die Bezugnahme auf statistische Grundlagen in § 8 Abs. 10 KHEntgG diene nur der Berechnung der Höhe des Pflegezuschlages (Grundlage für die Berechnung der Personalkosten für das Pflegepersonal). Soweit dort allgemeine Krankenhäuser angeführt seien, sei dies nicht im wörtlichen Sinne zu verstehen.

Aus diesem Grund entspricht die Auslegung von § 8 Abs. 10 KHEntgG durch die Schiedsstelle nicht dem Willen und dem Zweck, den der Gesetzgeber mit seiner Neuregelung verfolgt hat. Im Übrigen bezieht sich das Ministerium auf eine von ihm eingeholte Auskunft beim BMG, das die Rechtsauffassung des Ministeriums bestätigt habe.

Anmerkung

Die Krankenhäuser, die nach der Krankenhausstatistik als „Sonstige Krankenhäuser“ eingeordnet werden, sollten nicht auf einen Pflegezuschlag nach § 8 Abs. 10 KHEntgG verzichten, sofern sie für bestimmte Fachabteilungen das KHEntgG anwenden. Maßgeblich ist ausschließlich das Krankenhausfinanzierungsrecht, das einen umfassenden Krankenhausbegriff zu Grunde legt (§ 2 Nr. 1 KHG). Auch dem KHEntgG ist eine Einteilung nach Krankenhaustypen, wie sie das Statistische Bundesamt für Zwecke der Krankenhausstatistik vornimmt (siehe Erläuterungen des Statistischen Bundesamtes Fachserie 12 Reihe 6.1.1 zu den Grunddaten der Krankenhäuser), völlig fremd. Diese Einteilung in Krankenhaustypen dient nur statistischen Zwecken. Ein Ausschluss vom Pflegezuschlag kann aus diesen Erläuterungen des Statistischen Bundesamtes nicht hergeleitet werden.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:44:28
 
Newsletter Budgetverhandlungen
 

Bei der Budgetfindung ist die Summe der Bewertungsrelationen nicht wegen eines vermuteten MDK-Prüfungspotentials zu kürzen. Bei einem Leistungsrückgang im Folgejahr ist der bereits vereinbarte Mehrleistungsabschlag entsprechend zu vermindern.

Beschluss der Schiedsstelle für die Festsetzung der Krankenhauspflegesätze

- Budgetverhandlungen, Summe der Bewertungsrelationen, MDK-Prüfungspotential, Kürzung, Mehrleistungsabschlag, Leistungsrückgang, Verminderung des Mehrleistungsabschlags -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Fokus der Budgetverhandlungen stehen regelmäßig zwei Themenbereiche:

1.      Verminderung der Summe der Bewertungsrelationen aufgrund eines vermuteten MDK-Prüfungspotentials

2.      Verminderung des vereinbarten Mehrleistungsabschlags bei Leistungsrückgang

Bei dem von uns vor der Schiedsstelle vertretenen Krankenhaus wollten die Krankenkassen die auf der Basis der Ist-Daten ermittelte Summe der Bewertungsrelationen wegen eines vermuteten MDK-Prüfungspotentials kürzen. Des Weiteren wollten sie trotz Leistungsrückgang im Jahr 2016 den für das Jahr 2014 vereinbarten Mehrleistungsabschlag nicht vermindern.

Dem ist die Schiedsstelle nicht gefolgt.

Sie kam zu folgenden Entscheidungen:

1.  Verminderung der Summe der Bewertungsrelationen aufgrund eines     vermuteten MDK-Prüfungspotentials

Die Schiedsstelle lehnte die Verminderung der Summe der Bewertungsrelationen für das Budgetjahr 2016 wegen eines vermuteten MDK-Prüfungspotentials ab. Für die Kürzung der Summe der Bewertungsrelationen sah die Schiedsstelle keine Rechtsgrundlage. Nach der gesetzlichen Konzeption sei zwischen der grundsätzlich prospektiv angelegten Budgetfindung und den Korrekturen von Abrechnungen aufgrund von Einzelfallprüfungen des MDK zu trennen. Die Ergebnisse von Einzelfallprüfungen beträfen nicht unmittelbar das Budget. Die Trennung beider Ebenen bringt das Gesetz durch den Minder- und Mehrerlösausgleich zum Ausdruck. Die Unterscheidung von Budget- und Abrechnungsebene, trete auch im Beschluss des BVerwG von 19.08.2010 (3 B 40/10) zu Tage:

„Es versteht sich von selbst, dass bei der Fortschreibung des Erlösbudgets nur Entgelte für Krankenhausleistungen berücksichtigt werden dürfen, die das Krankenhaus im Vereinbarungszeitraum voraussichtlich erbringen wird. Das schließt die Eingruppierung dieser Krankenhausleistungen in das Fallpauschalensystem ein. Ob aber eine bestimmte Krankenhausleistung dann tatsächlich mit einer bestimmten Fallpauschale abgerechnet werden kann oder ob sie nach dem Maßstab der hierfür geltenden Bestimmungen nicht "vollständig" oder fehlerhaft erbracht wurde, ist hierfür gleichgültig; das betrifft allein die Leistungsabrechnung im jeweiligen Einzelfall.“

(BVerwG, a.a.O., juris, Rdz. 6)

2.  Verminderung des vereinbarten Mehrleistungsabschlags bei Leistungsrückgang

Die Schiedsstelle erkennt eine Verminderung des vereinbarten Mehrleistungsabschlags (hier 2016 gegenüber 2014) an und setzt den vereinbarten Mehrleistungsabschlag im Jahr 2016 herab. Es stützt sich hierbei auf die Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestags zum 5. SGB XI-ÄndG, in dem es heißt:

„Der verlängerte Mehrleistungsabschlag hat eine dreijährige Geltung, d. h. Leistungen, die z. B. für das Jahr 2013 zusätzlich vereinbart wurden, unterliegen auch noch in den Jahren 2014 und 2015 dem Mehrleistungsabschlag, soweit sie auch noch in diesen Jahren vom Krankenhaus erbracht werden.“

(Beschlussempfehlung und Bericht des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestags, BT-Drucks. 18/2909, Seite 46/47 – zu § 4 Abs. 2a KHEntgG)

Geht die Leistungsmenge zurück ist nach Auffassung der Schiedsstelle dann der einmal vereinbarte Mehrleistungsabschlag neu zu berechnen. Schließlich habe der dreijährig angelegte Mehrleistungsabschlag keinen Strafcharakter, sondern soll Anreizen zur Leistungsausweitung entgegenwirken.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:44:40
 
Newsletter Nachforderungen
 

Grundsätzlich haben die Krankenhäuser die Möglichkeit, Nachforderungen bis zum Ende des auf die Schlussrechnung nachfolgenden Kalenderjahres geltend zu machen. Nach Ablauf dieses Zeitraumes kann die Krankenkasse die Einrede der Verwirkung geltend machen.

Diese zeitliche Begrenzung für Nachforderungen gilt dann nicht, wenn die Krankenkasse die Kodierung in Zweifel zieht und das Krankenhaus eine dem tatsächlichen Ablauf nach unzutreffende Kodierung gegen eine zutreffende Kodierung austauscht.

BSG, Urteil vom 23.05.2017, Az.: B 1 KR 27/16 R

- Nachforderungen, Schlussrechnung, Treu und Glauben, Verwirkung, Kodierung, Haushaltsjahr, Rechnungsjahr, Vertrauensgrundlage -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

vorliegend ging es in erster Linie darum, ob ein Krankenhaus Nachforderungen nach Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Kalenderjahres geltend machen kann. Dies hat das BSG aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (Verwirkung) verneint. Streiten die Parteien jedoch über die Kodierung, kann das Krankenhaus aufgrund der nachträglich richtigen Kodierung noch Nachforderungen geltend machen, ohne an die zeitliche Vorgabe des BSG gebunden zu sein.

Sachverhalt

Die Parteien stritten über die Höhe der Vergütung einer Krankenhausbehandlung, die im Oktober 2010 erfolgte. Die ursprüngliche Schlussrechnung vom 09.11.2010 wurde von der Krankenkasse beglichen. Anschließend erteilte sie einen Prüfauftrag an den MDK. Dieser kam zur Auffassung, die Verweildauer hätte um 16 Tage abgekürzt werden können. Sie verlangte daher von dem Krankenhaus eine Erstattung in Höhe von 3.757,84 € und erhob Klage. Während des Klageverfahrens korrigierte das Krankenhaus seine Rechnung am 08.05.2012 und erhob Widerklage in Höhe von 1.337,05 €.

Klage und Widerklage blieben ohne Erfolg. Das Krankenhaus unterlag in der Berufungsinstanz und legte Revision ein. Auch die Revision blieb erfolglos.

Entscheidungsgründe

Bei der vorliegenden Fallgestaltung geht das BSG von einer Verwirkung aus, die als Ausfluss von Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch in Abrechnungsstreitigkeiten Anwendung findet. Der Verwirkungstatbestand ist dann erfüllt, wenn folgende Verwirkungstatbestände vorliegen:

-         Verwirkungsverhalten

-         Vertrauensgrundlage

-         Vertrauenstatbestand

-         Vertrauensverhalten

Innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist findet das Rechtsinstitut der Verwirkung nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung. Dabei wertet das BSG als Verwirkungsverhalten die vorbehaltlose Erteilung einer (nicht offensichtlich unschlüssigen) Schlussrechnung durch das Krankenhaus. Daraus entsteht eine Vertrauensgrundlage für die Krankenkassen, wenn das Krankenhaus eine Nachforderung weder im gerade laufenden noch nachfolgenden vollen Haushaltsjahr der Krankenkassen geltend macht. Der Vertrauenstatbestand erwächst daraus, dass die Krankenkasse regelhaft darauf vertrauen kann, dass das Krankenhaus insoweit keine weiteren Nachforderungen erhebt. Die Krankenkasse richtet daran ihr Verhalten aus, indem sie davon Abstand nimmt, die Abrechnung als zweifelhaft zu behandeln und dafür haushaltsrechtlich relevante Vorkehrungen zu treffen (BSG, a.a.O., Rdz. 10).

Im vorliegenden Fall musste das BSG entscheiden, ob eine Vertrauensgrundlage entstanden ist, da die Krankenkasse eine Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 1c SGB V durchgeführt hatte. Das BSG bringt hierbei zum Ausdruck, dass sich die Auffälligkeitsprüfung ausschließlich auf eine Wirtschaftlichkeitsprüfung bezog und nicht die Kodierung zum Inhalt hatte. Diese sei von der Krankenkasse nicht in Zweifel gezogen worden. In diesem Fall erschüttert sie nicht die Grundlage ihres Vertrauens auf die sachlich-rechnerische Richtigkeit und Vollständigkeit der Schlussrechnung, sie macht vielmehr ein wirtschaftliches Alternativverhalten geltend.

Bezieht sich die Einzelfallprüfung jedoch auf die Richtigkeit der Kodierung, handelt es sich um eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung. In diesem Fall kann das Krankenhaus noch im Laufe des Rechtsstreits eine unrichtige Kodierung durch eine zutreffende Kodierung austauschen und auf dieser Basis Nachforderungen geltend machen.

Anmerkungen

Mit diesem Urteil bestätigt das BSG die bisherige ständige Rechtsprechung zu Nachforderungen des Krankenhauses. Danach besteht für Nachforderungen eine zeitliche Begrenzung bis zum Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Kalenderjahrs. Für den Zeitraum danach kann sich die Krankenkasse auf die Einrede der Verwirkung berufen. Allerdings nur, wenn auch eine Vertrauensgrundlage bestand. Insoweit öffnet das BSG seine Rechtsprechung einen Spalt breit, wenn die Parteien über die Richtigkeit der Kodierung streiten. Da die Kodierung im Streit ist, bleibt es dem Krankenhaus unbenommen, eine dem tatsächlichen Ablauf nach richtige Nachkodierung vorzunehmen. Führt diese zu einem höheren Abrechnungsbetrag, kann dieser auch noch während des laufenden Rechtsstreits geltend gemacht werden. Dann gilt nicht die vom BSG festgelegte zeitliche Begrenzung für Nachforderungen.

Die Krankenhäuser sollten daher die Einrede der Verwirkung von den Krankenkassen in folgenden Fallkonstellationen nicht akzeptieren:

-         Der Abrechnungsstreit bezieht sich auf Wirtschaftlichkeit und Kodierung

-         Der Abrechnungsstreit bezieht sich auf die Kodierung

In diesen Fällen gilt die zeitliche Begrenzung für Nachforderungen (bis zum Ende des auf die Schlussrechnungen folgenden Kalenderjahres) nicht.

Eine weitere Möglichkeit, die Vertrauensgrundlage der Krankenkassen zu erschüttern, bietet ein ausdrücklich vorgesehener Vorbehalt, der in bestimmten Streitfällen sinnvoll ist. Auch ein Vorbehalt – so das BSG – erschüttert das Vertrauen der Krankenkasse, dass keine Nachforderungen zu einem späteren Zeitpunkt geltend gemacht werden (BSG, a.a.O., Rdz. 13).

Letztendlich sollte auch geprüft werden, ob es sich bei der Änderung der Kodierung um einen „offensichtlich ins Auge springenden Fehler“ handelt.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:44:52
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Newsletter Gestaltungsspielraum Schiedsstelle
 

Die Pflegesatzschiedsstelle ist berechtigt, einzelne Abrechnungsvoraussetzungen von DRG-Fallpauschalen, die noch nicht abschließend rechtlich geklärt sind, offen zu lassen und die entsprechenden DRG-Fallpauschalen bei der Festsetzung der Summe der Bewertungsrelationen und des Erlösbudgets zu berücksichtigen. Es unterliegt dem Gestaltungsspielraum der Schiedsstelle, die Vertragsparteien zur Klärung einzelner Abrechnungsvoraussetzungen von DRG-Fallpauschalen an das Sozialgericht zu verweisen. Für die Rechtmäßigkeit des Erlösbudgets ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, ob später im konkreten Behandlungsfall tatsächlich alle Abrechnungsvoraussetzungen vorgelegen haben.

Die Auslegung des konkreten Feststellungsbescheides i.V.m. dem Krankenhausplan des Landes im Hinblick auf den Inhalt des Versorgungsauftrages obliegt den Tatsacheninstanzen. Es handelt sich insoweit um nicht revisibles Landesrecht, an dessen berufungsgerichtliche Anwendung und Auslegung das BVerwG gebunden ist.

Urteil des BVerwG vom 04.05.2017, Az.: 3 C 17.15

- OPS-Kode 8-980, intensiv-medizinische Komplexbehandlung, DRG A09E und A13E, Mindestmerkmale, Strukturvoraussetzungen, Abrechnungsvoraussetzungen, Summe der Bewertungsrelationen, Erlösbudget, Schiedsstelle, Gestaltungsspielraum der Schiedsstelle, Auslegung Versorgungsauftrag, nicht revisibles Landesrecht -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit dem vorliegenden Grundsatzurteil hat das BVerwG Klarheit geschaffen, dass die Schiedsstelle berechtigt ist, die Vertragsparteien zur Klärung rechtlich unsicherer Abrechnungsvoraussetzungen von DRG-Fallpauschalen an die Sozialgerichte zu verweisen. In dem von uns vor dem BVerwG vertretenen Rechtsstreit hat das BVerwG es für zulässig gehalten, dass die Schiedsstelle die strittigen DRG-Fallpauschalen (intensiv-medizinische Komplexbehandlung) bei der Summe der Bewertungsrelationen und im Erlösbudget berücksichtigt.

Sachverhalt

Im Rahmen der Budgetverhandlungen 2007 und im anschließenden Schiedsstellenverfahren stritten die Vertragsparteien über die Berücksichtigung der intensivmedizinischen Komplexbehandlung bei der Summe der Bewertungsrelationen und im Erlösbudget. Problematisch war hierbei, ob das Krankenhaus die strukturellen Abrechnungsvoraussetzungen des OPS-Kodes 8-980 erfüllt hat. Erst die parallel hierzu geführten Sozialgerichtsverfahren führten letztendlich zur Klärung (Urteil des BSG vom 18.07.2013, B 3 KR 25/12 R). Zum Zeitpunkt des Schiedsstellenverfahrens und der anschließenden Genehmigung lag dieses Urteil des BSG naturgemäß noch nicht vor.

Die Schiedsstelle berücksichtige in ihrem Beschluss die streitigen DRG-Fallpauschalen für die intensivmedizinische Komplexbehandlung (DRG A09E und A13E – Version 2007) bei der Summe der Bewertungsrelationen und im Erlösbudget und verwies die Vertragsparteien zur weiteren Klärung auf das Verfahren vor den Sozialgerichten. Das zuständige Ministerium genehmigte den Schiedsspruch.

Hiergegen erhoben die Krankenkassen Klage. Das OVG bestätigte die Auffassung der Genehmigungsbehörde und des von uns vertretenen Krankenhauses. Die Revision hiergegen wurde vom BVerwG zugelassen, hatte letztendlich aber keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Ausgangsüberlegung des BVerwG ist, dass das Krankenhausentgeltgesetz systematisch zwischen der prognostischen Aufstellung des Erlösbudgets und der Abrechnung der im Vereinbarungszeitraum tatsächlich erbrachten Krankenhausleistungen trennt. Für die Rechtmäßigkeit des Erlösbudgets ist es daher grundsätzlich ohne Bedeutung, ob bei der konkreten Behandlung tatsächlich alle Abrechnungsvoraussetzungen vorliegen (BVerwG a.a.O., Rdz. 19).

Die abgerechneten Krankenhausleistungen stellen Abschlagszahlungen auf das Erlösbudget dar. Bei Abweichungen der erzielten Erlöse im Vereinbarungszeitraum gegenüber dem vereinbarten oder festgesetzten Erlösbudget ist ein Ausgleichsverfahren nach § 4 Abs. 9 Satz 1 KHEntgG (2007) durchzuführen. Mit dem Erlösausgleich wird das Risiko einer Fehleinschätzung der voraussichtlich zu erbringenden Fallpauschalen und Zusatzentgelte angemessen auf die Vertragsparteien verteilt.

Die Trennung zwischen dem konkreten Abrechnungsverfahren und der Aufstellung des Budgets kommt auch im Rechtsweg zum Ausdruck. Gegen die Genehmigung des Budgets ist der Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten gegeben. Demgegenüber sind Abrechnungsstreitigkeiten im konkreten Einzelfall den Sozialgerichten überantwortet.

Daraus folgt zugleich, dass es für die Rechtmäßigkeit des prospektiv vereinbarten oder festgesetzten Erlösbudgets nicht darauf ankommt, ob die im Nachhinein erbrachte Krankenhausleistung tatsächlich mit der dem Budget zu Grunde gelegten Fallpauschalen abgerechnet werden kann und ob die einschlägigen Abrechnungsvoraussetzungen erfüllt werden oder eine andere Fallpauschale in Betracht kommt. Dies gilt auch für das Vorliegen von strukturellen Abrechnungsvoraussetzungen (BVerwG, a.a.O., Rdz. 24).

Zum Zeitpunkt des Beschlusses der Schiedsstelle stand nicht fest, dass die Abrechnungsvoraussetzungen des OPS-Kodes 8-980 nicht gegeben sein sollten. Für die Schiedsstelle war nicht zu überblicken gewesen, dass ein alle Abrechnungsfälle übergreifender struktureller Mangel vorgelegen habe. Vor dieser Situation sei es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Schiedsstelle die strittigen DRG-Fallpauschalen für die intensiv-medizinische Komplexbehandlung im Erlösbudget berücksichtigt hat. Auch die Vertragsparteien hätten im Rahmen ihres Verhandlungsspielraumes sich darauf verständigen können. Die Schiedsstelle verfügt – wie die Vertragsparteien – über dieselbe Gestaltungsmöglichkeit (BVerwG, a.a.O., Rdz. 28).

Für diese Vorgehensweise der Schiedsstelle spricht auch der Beschleunigungsgrundsatz. Dem Zweck der Verfahrensbeschleunigung entspricht es, die Ermittlung des Erlösbudgets nicht mit der Klärung komplexer Abrechnungsfragen zu befrachten. Insoweit war es zulässig, die Klärung dieser komplexen Abrechnungsfragen den Sozialgerichten zu überlassen. Dies entspricht schließlich auch der Systematik von § 4 KHEntgG (2007), wonach es klare Absicht des Gesetzgebers war, die prospektive Budgetaufstellung von der nachfolgenden Leistungsabrechnung zu trennen. Nachteile entstehen für die Kostenträger dadurch nicht. Der nachträgliche Erlösausgleich sorgt für einen angemessenen Ausgleich. Dabei wird keine der Vertragsparteien in die eine oder andere Richtung bevorzugt oder benachteiligt (BVerwG, a.a.O., Rdz. 29, 30).

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Schiedsspruches kommt es ausschließlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Schiedsstelle an. Dies gilt auch für die Rechtmäßigkeit des Genehmigungsbescheides (BVerwG, a.a.O., Rdz. 35).

Anmerkung

Das Grundsatzurteil des BVerwG hat weitreichende Bedeutung. Bereits im Rahmen der Budgetverhandlungen stellen die Sozialleistungsträger einzelne Abrechnungsvoraussetzungen, insbesondere bei Komplexbehandlungen in Frage, deren Auslegung von Seiten der Sozialgerichte noch nicht abschließend geklärt sind. Mit dieser Vorgehensweise versuchen die Sozialleistungsträger, die Leistungserbringung bei den Krankenhäusern zu steuern.

Mit erfreulicher Klarheit und in lehrbuchmäßiger Art und Weise hat das BVerwG die Trennung zwischen der Budgetfindung und der Abrechnung im konkreten Leistungsfall betont. Solange konkrete Abrechnungsvoraussetzungen noch nicht endgültig geklärt sind, kann die Schiedsstelle im Rahmen ihres gegebenen Gestaltungsspielraums die betroffenen DRG-Fallpauschalen bei der Summe der Bewertungsrelationen und im Erlösbudget berücksichtigen. Stellt sich nachträglich eine andere Rechtslage ein, wird durch das Erlösausgleichsverfahren ein sachgerechter Ausgleich herbeigeführt.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:45:07
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Newsletter Aufwandspauschale
 

Aus der zwischen dem GKV-Spitzenverband und der DKG geschlossenen Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) kann nicht hergeleitet werden, dass die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit ab 01.01.2015 von § 275 Abs. 1c SGB V umfasst wird. Bis zum 31.12.2015 kann das Krankenhaus bei einer sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung keinen Anspruch auf Aufwandspauschale geltend machen. Ob es sich um eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung handelt, bestimmt sich nach den Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärungen.

Urteil des BSG vom 28.03.2017, Az.: B 1 KR 23/16 R

- Auffälligkeitsprüfung, sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung, Prüfverfahrens-vereinbarung (PrüfvV), Aufwandspauschale, Auslegung Prüfauftrag -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der Entscheidung des BSG steht der Anspruch des Krankenhauses auf Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V im Vordergrund. Hierbei handelt es sich um eine sachlich-rechnerische Prüfung im Jahr 2015, für die die Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) Anwendung findet. Das BSG sah keinen Anlass, seine ständige Rechtsprechung zu ändern.

Sachverhalt

Die Krankenhausträgerin (Klägerin) stellte der beklagten Krankenkasse für die im Jahr 2015 erfolgten Behandlungsmaßnahmen eine Rechnung. Die Krankenkasse beauftragte den MDK mit der Prüfung, ob die kodierten Nebendiagnosen korrekt seien. In der Prüfanzeige an das Krankenhaus stützte sich der MDK auf § 275 Abs. 1c SGB V. Der MDK bestätigte die Richtigkeit der Kodierung. Die Klägerin stellte sodann der Beklagten die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V vergeblich in Rechnung.

Das SG verurteilte die Beklagte antragsgemäß und ließ die Sprungrevision zu.

Das BSG verneinte den Anspruch auf Aufwandspauschale.

Entscheidungsgründe

Entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung unterscheidet das BSG zwischen der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung und der Auffälligkeitsprüfung im Sinne einer Wirtschaftlichkeitsprüfung. Die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung diene der Einhaltung der Abrechnungs- und Informationspflichten der Krankenhäuser. Diese unterliege einem eigenen Prüfregime. Damit nicht vereinbar sei eine Fristenregelung (6-Wochen-Frist) und die Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V.

Aus dem Prüfauftrag der Krankenkasse müsse das konkrete Prüfungsziel und die Beschreibung der Auffälligkeit zu ersehen sein. Dies gebe dann dem Krankenhaus die Möglichkeit, die Aufforderung zur Mitteilung weiterer Informationen als Schritt in einem Verfahren der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung oder der Auffälligkeitsprüfung im Sinne der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1c i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 SGB V einordnen zu können (BSG, a.a.O., Rdz. 33).

Zwar gelte für das Jahr 2015 die PrüfvV, die von dem GKV-Spitzenverband und der DKG geschlossen wurde. Diese könne jedoch nicht die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung zum Gegenstand von § 275 Abs. 1c SGB V machen.

Für die Frage, welcher Inhalt der Prüfauftrag der Krankenkasse habe, sei auf den relevanten Empfängerhorizont abzustellen. Vorliegend ergebe sich aus dem Prüfauftrag an den MDK, dass es um die Prüfung der Nebendiagnosen gehe. Hieran ändere auch nichts, dass der MDK wiederum in seiner Prüfanzeige gegenüber der Klägerin auf § 275 Abs. 1c SGB V Bezug genommen habe (BSG, a.a.O., Rdz. 36).

Anmerkung

Im Ergebnis verfolgt das BSG seine Rechtsprechung zur sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung und der Verneinung des Anspruchs einer Aufwandspauschale weiter. Neu ist die Auseinandersetzung mit der Regelung der PrüfvV, die dem Wortlaut nach auch die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung dem § 275 Abs. 1c SGB V zuordnet. Die PrüfvV ist gemeinsam von GKV-Spitzenverband und DKG erlassen worden. Das BSG stellt sich mit seiner Entscheidung also gegen den ausdrücklichen Willen der Vertragsparteien, ab 01.01.2015 keine Unterscheidung mehr zwischen einer sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung und einer Wirtschaftlichkeitsprüfung zu treffen. Aus dem Urteil des BSG ergibt sich mittelbar, dass es hierfür keine Regelungskompetenz der Vertragsparteien sieht.

Allerdings lässt das BSG erkennen, dass ab 01.01.2016 auch die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung der Regelung in § 275 Abs. 1c SGB V unterfällt. Durch das KHSG wurde § 275 Abs. 1c SGB V insoweit ergänzt. Danach wird jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses als Prüfung nach § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V angesehen, mit der die Krankenkasse den MDK beauftragt und die eine Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus erfordert (§ 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V idF des KHSG).

Bei der Auslegung des Prüfauftrags stellt das BSG in erster Linie auf den Empfängerhorizont des MDK und nicht auf den Empfängerhorizont des Krankenhauses ab. Dies ist rechtlich bedenklich. Der Prüfauftrag der Krankenkasse an den MDK hat zunächst nur interne Bedeutung. Erst durch die Prüfanzeige des MDK erhält das Krankenhaus bei einer Direktbeauftragung Kenntnis von dem Prüfauftrag. Insoweit agiert der MDK als Erfüllungsgehilfe der den Auftrag erteilenden Krankenkasse. Eine fehlerhafte Übermittlung des Prüfauftrages durch den MDK ist daher der Krankenkasse zuzurechnen. Richtigerweise ist daher auf den Empfängerhorizont des Krankenhauses abzustellen.

Das Urteil ist hier wiedergegeben. 

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:45:20
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Newsletter Mehrleistungsabschlag
 

Die Befreiung vom Mehrleistungsabschlag nach § 4 Abs. 2a Satz 3 KHEntgG gilt auch dann, wenn das Krankenhaus nachträglich die Billigung der zuständigen Krankenhausplanungsbehörde einholt. Unerheblich ist für das Vorliegen der Billigung, wann das Krankenhaus um die Zustimmung ersucht und wann diese erteilt wurde.

Schiedsstellenbeschluss von Dezember 2016

- Befreiung vom Mehrleistungsabschlag, Billigung durch die Krankenhaus-planungsbehörde, Zurechnungszusammenhang, Zeitpunkt der Billigung -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

in dem von uns vertretenen Verfahren vor der Schiedsstelle ging es um die Frage, zu welchem Zeitpunkt die Billigung durch die Krankenhausplanungsbehörde erfolgen muss. Nach dem Schiedsstellenbeschluss ist kein bestimmter Zeitpunkt für die Billigung maßgeblich. Die Schiedsstelle hat daher die Befreiung vom Mehrleistungsabschlag auf der Grundlage von § 4 Abs. 2a Satz 3 KHEntgG anerkannt.

Der Schiedsspruch ist inzwischen genehmigt worden.

Sachverhalt

Das Krankenhaus hat aufgrund der steigenden Nachfrage durch Inanspruchnahme von pauschalen Fördermitteln des Landes und durch Eigenmittel eine geriatrische Station mit mehr als 30 Betten errichtet und unterjährig im Jahr 2016 in Betrieb genommen. Aufgrund der Kapazitätserweiterung kam es zu erheblichen zusätzlichen Leistungen.

Hierzu hat der Krankenhausträger um Billigung bei der zuständigen Krankenhausplanungsbehörde nachgesucht. Diese hat Anfang 2016 per E-Mail mitgeteilt, dass es im Interesse des Landes liegt, dass die Kapazitäten durch Inanspruchnahme pauschaler Fördermittel erweitert werden. Eine Bettenplanung erfolge nicht mehr. Diese Auffassung bestätigte die Krankenhausplanungsbehörde durch zwei weitere Schreiben.

Die Sozialleistungsträger vertraten die Auffassung, von Seiten des Krankenhauses sei nicht rechtzeitig um Billigung durch die Krankenhausplanungsbehörde nachgesucht worden. Dies hätte bereits vor Beginn der Planungsphase erfolgen müssen.

Entscheidungsgründe

Ausgangspunkt der Entscheidung der Schiedsstelle ist das gewandelte Planungsverständnis im Land. Das Land habe auf die Ausweisung von Bettenzahlen für somatische Abteilungen verzichtet und beschränke sich nunmehr auf eine bloße Rahmenplanung. Vorliegend seien die zusätzlichen Kapazitäten aufgrund der Krankenhausplanung im Sinne von § 4 Abs. 2a Satz 3 KHEntgG geschaffen worden. Diese zusätzlichen Kapazitäten seien auch von der Krankenhausplanungsbehörde gebilligt worden. Das Land habe damit zum Ausdruck gebracht, dass die Kapazitätserweiterung in der Geriatrie aus ihrer Sicht planerisch erforderlich und erwünscht ist.

Auf den Zeitpunkt der Billigung durch die Krankenhausplanungsbehörde komme es nicht an. Entscheidend ist ausschließlich, ob die Kapazitätserweiterung gebilligt wurde. Es könne jedoch sinnvoll sein, um die Billigung möglichst frühzeitig nachzusuchen.

Anmerkung

Ausgangspunkt der nunmehr bestätigten Rechtsauffassung der Schiedsstelle ist das Grundsatzurteil des BVerwG vom 16.09.2015, Az.: 3 C 9/14, juris. Danach gibt es zwei Alternativen, um den Zurechnungszusammenhang der Erweiterungsmaßnahme mit der Krankenhausplanung des Landes herzustellen:

-    Entweder liegen Feststellungsbescheide für Fördermittelbescheide für die Erweiterungsmaßnahme vor

-  oder die Krankenhausplanungsbehörde hat die Billigung der Erweiterungsmaßnahme ausgesprochen.

Die letzte Alternative kommt immer dann in Betracht, wenn die Erweiterungsmaßnahme nicht mehr einer Krankenhausplanung unterliegt bzw. es hierfür keines Fördermittelbescheides mehr bedarf. Einige Bundesländer haben insoweit auf ein pauschalierendes System umgestellt.

Die Rechtsprechung verlangt nicht, dass die Billigung durch die Krankenhausplanungsbehörde zu einem bestimmten Zeitpunkt erfolgen muss. Dafür spricht folgende Kernaussage im Urteil des BVerwG:

„Für die Zurechnung kommt es nicht darauf an, ob die zusätzlichen Kapazitäten durch die Krankenhausplanung „verursacht“ sind, also die Krankenhausplanung den Anstoß für die Erweiterung der Kapazitäten in einem Krankenhaus gegeben hat. Entscheidend für den Zurechnungszusammenhang ist, dass die Krankenhausplanungsbehörde die zusätzlichen Kapazitäten gebilligt und damit bestätigt hat, dass die Maßnahme aus Sicht der Krankenhausplanung erwünscht ist.“ (Hervorhebung nur hier)

(BVerwG, Urteil vom 16.09.2015, a.a.O., juris, Rdz. 28)

Letztendlich ist auch der Zeitpunkt der Billigung nicht maßgeblich, wenn man – wie das BVerwG vorgibt – auf den Zurechnungszusammenhang abstellt. Der Zurechnungszusammenhang verfolgt das Ziel, Kapazitätserweiterungen nur dann abschlagsfrei zu stellen, wenn dies im Interesse des Landes liegt. Dieses Einverständnis kann damit zu jedem Zeitpunkt erfolgen.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:45:32
 
Newsletter Beurlaubung
 

Die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes kann gebieten, dass ein Patient anstelle einer Entlassung beurlaubt werden muss. Eine Beurlaubung setzt nach § 1 Abs. 7 FPV eine bereits zum Zeitpunkt der Unterbrechung der Krankenhausbehandlung beabsichtigte Wiederaufnahme in das Krankenhaus voraus. Entgegenstehende landesvertragliche Regelungen nach § 112 Abs. 1 SGB V sind nichtig.

BSG, Urteil vom 28.03.2017, Az.: B 1 KR 29/16 R

- Beurlaubung, tatsächlicher Behandlungsverlauf, sachlich-rechnerische Richtigkeit, Wirtschaftlichkeitsgebot, Kürzung der Rechnung, Auffälligkeitsprüfung, fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten, Fallzusammenführung, Entlassmanagement, Versorgungsmanagement -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit vorliegender Entscheidung erweitert das BSG seine Rechtsprechung zur strikten Anwendung des Wirtschaftlichkeitsgebots im Krankenhausbereich. Es kam zu dem Schluss, dass unter bestimmten Umständen anstelle einer Entlassung eine Beurlaubung nach § 1 Abs. 7 FPV angezeigt ist. Dies führt zu einer kostengünstigeren Abrechnung für die Krankenkasse.

Sachverhalt

Im Krankenhaus der Klägerin wurde ein Patient zur Durchführung einer Ureterorenoskopie vom 31.03. bis 04.04.2011 aufgenommen (1. Behandlungsepisode). Wegen bösartiger Neubildung der Niere wurde dem Patienten die Teilresektion der linken Niere vorgeschlagen. Der Patient wollte eine Zweitmeinung hierzu einholen, so dass die Wiederaufnahme für den 14.04.2011 vorgesehen wurde. Der Patient wurde sodann am 14.04.2011 wieder aufgenommen, die Operation wurde am 15.04.2011 durchgeführt und der Patient am 22.04.2011 wieder entlassen (2. Behandlungs­episode).

Die Klägerin stellte für die 1. Behandlungsepisode die DRG L20C und für die 2. Behandlungsepisode die DRG L13A in Rechnung.

Infolge einer Prüfung durch den MDK vertrat die beklagte Krankenkasse die Auffassung, es sei nur ein Behandlungsfall mit der DRG L13A abzurechnen. Es läge ein unzulässiges Fallsplitting vor. Die Beurlaubungsregelung nach § 1 Abs. 7 Satz 5 FPV führe zur Abrechnung eines Behandlungsfalles.

Während die Vorinstanzen der Klägerin den geltend gemachten Zahlungsanspruch zuerkannten, wies das BSG auf die Revision der Krankenkasse die Klage ab.

Entscheidungsgründe

Zunächst stellt das BSG in einem ersten Schritt formal fest, dass die Krankenhausabrechnung sachlich-rechnerisch richtig ist. Die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung ist ausschließlich am tatsächlichen Behandlungsverlauf zu messen. Hypothetische Geschehensabläufe spielen in diesem Zusammenhang keine Rolle. Insbesondere stellt sich an dieser Stelle nicht die Frage eines „wirtschaftlichen Alternativverhaltens“.

Das sog. „wirtschaftliche Alternativverhalten“ spielt in einem zweiten Schritt bei der Beurteilung eine Rolle, ob das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs. 1 SGB V eingehalten wurde.

Im Anschluss an diese Ausführungen stellt das BSG die formal richtige Abrechnung des Krankenhauses unter dem Gesichtspunkt der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots auf den Prüfstand. Zunächst schließt es anhand des tatsächlichen Abrechnungsgeschehens Fallzusammenführungen nach § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 FPV (2011) aus.

Es geht allerdings von einer Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots aus, da anstelle einer Entlassung eine Beurlaubung angezeigt gewesen wäre. Das Krankenhaus hätte den Versicherten zur Einholung einer ärztlichen Zweitmeinung beurlauben müssen, anstatt ihn zu entlassen. Ein Krankenhaus hat stets, auch bei der Vergütung der Krankenhausbehandlung durch Fallpauschalen, einen Vergütungsanspruch gegen die Krankenkassen nur für eine erforderliche wirtschaftliche Krankenhausbehandlung (vgl. § 12 Abs. 2 SGB V sowie § 2 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 3, § 70 Abs. 1 SGB V – BSG, a.a.O., Rdz. 21). Soweit die Behandlung kostengünstiger durch einen stationären Aufenthalt statt durch zwei stationäre Behandlungsepisoden tatsächlich möglich ist und medizinische Gründe nicht entgegenstehen, hat das Krankenhaus seine Behandlungsplanung zwingend daran auszurichten.

Vorliegend kam nach Auffassung des BSG nur eine Beurlaubung anstelle einer Entlassung in Betracht.

Anmerkung

Das BSG geht von zwei unterschiedlichen Prüfungsschritten aus:

Bei der sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung ist von dem tatsächlichen Behandlungsverlauf auszugehen. Hierbei spielen Wirtschaftlichkeitsaspekte (noch) keine Rolle.

Demgegenüber ist die Auffälligkeitsprüfung auf  die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots ausgerichtet. Hier spielen u.a. mögliche Fallzusammenführungen, die primäre und sekundäre Fehlbelegung und die Beurlaubung eine Rolle.

Dabei schreibt das BSG den Krankenhäusern vor, dass dann, wenn das Krankenhaus einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot erkennt, den Krankenkassen eine „in geeigneter Weise verdeutlichende gekürzte Abrechnung“ vorlegen muss (so auch die Parallelentscheidung des BSG, Urteil vom 28.03.2017, B 1 KR 3/16 R). Des Weiteren schreibt das BSG den Krankenhäusern ins Stammbuch, dass mit der Abrechnung die Krankenkasse „vollständig und zutreffend von der Kürzung Kenntnis erhalten“ muss. Wie dies anlässlich eines elektronischen Datenaustausches geschehen soll, lässt das BSG offen.

Zur Definition der Beurlaubung führt das BSG Folgendes aus: Eine Beurlaubung setzt nach Wortlaut und Regelungssystem eine bereits zum Zeitpunkt der Unterbrechung der Krankenhausbehandlung beabsichtigte Wiederaufnahme in das Krankenhaus voraus. Hierzu reicht es aus, wenn eine Wiederaufnahme in überschaubarer Zeit vorgesehen ist; der Wiederaufnahmezeitpunkt muss noch nicht endgültig feststehen. In diesem Zusammenhang hält es die einschränkenden Vorgaben in § 6 Abs. 1 bis Abs. 3 des Landesvertrages Rheinland-Pfalz nach § 112 SGB V (Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung) für nichtig, da sie gegen gesetzliche Rahmenbedingungen und bundesvertragliche Vorgaben verstoßen.

Die Entscheidung ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:45:43
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Newsletter Aufwandspauschale
 

Für das Entstehen der Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V ist ohne Bedeutung, ob fehlerhafte oder unvollständige Angaben des Krankenhauses die Einleitung der Prüfung veranlasst haben (Rechtslage seit 01.01.2016).

SG Trier, Urteil vom 09.05.2017, Az.: S 3 KR 123/16 (nicht rechtskräftig)

- MDK-Prüfung, Aufwandspauschale, sachlich-rechnerische Prüfung, Auffälligkeitsprüfung -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

das SG Trier hat sich mit der Frage befasst, ob ggf. unvollständige Angaben des Krankenhauses für das Entstehen der Aufwandspauschale seit 01.01.2016 relevant sind. Es hat dies vorliegend verneint.

Sachverhalt

Das Krankenhaus hat eine Patientin vom 17.02.2016 bis 04.03.2016 wegen einer postmenopausalen Osteoporose mit pathologischer Fraktur stationär behandelt. Die vom Krankenhaus zu Grunde gelegten Haupt- und Nebendiagnosen führten zur DRG I69B (Knochenkrankheiten und spezifische Arthropathien ohne komplexe Diagnose oder ein Belegungstag). Bei der Patientin lagen die Voraussetzungen der Pflegestufe 1 vor.

Die beklagte Krankenkasse beauftragte den MDK mit der Prüfung, ob die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer in vollen Umfang medizinisch begründet war. Der MDK kam bei seiner Begehung zur Auffassung, dass das Krankenhaus die Krankenhausbehandlung richtig abgerechnet hatte.

Die Klägerin stellte daraufhin der Beklagten die Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € in Rechnung. Hiergegen wandte die Beklagte ein, die Prüfung habe die Klägerin durch unvollständige Angaben veranlasst, so fehle die Verschlüsselung der Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe 1. Auch die symptomatische Behandlung mit Analgetika und Physiotherapie sowie ein neurologisches Konsil mit einer Medikamentenumstellung sei nicht verschlüsselt worden. Dieses Fehlverhalten des Krankenhauses habe zu einer überflüssigen Prüfung geführt. Es sei deshalb keine Aufwandspauschale zu bezahlen.

Entscheidungsgründe

Das SG Trier bejahte den Anspruch auf Aufwandspauschale und legte dabei die Rechtslage seit dem 01.01.2016 zu Grunde. Durch das KHSG sei § 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V geändert worden. Es sei keine Unterscheidung nach einer sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung und einer Auffälligkeitsprüfung vorzunehmen. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers falle bei Vorliegen der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen die Aufwandspauschale an, unabhängig von der Einordnung der Prüfung. Es verweist insoweit auch auf die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/6586, Seite 110).

Die Neuregelung in § 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V unterstütze das bereits mit der Einführung der Aufwandspauschale verfolgte gesetzgeberische Ziel einer vereinfachten und unbürokratischen Regelung, die deshalb keine Detailgerechtigkeit in jedem Einzelfall gewährleisten kann. Die Gesetzesbegründung bringe zum Ausdruck, dass keine Streitigkeiten gewollt seien, in denen die Beteiligten – bürokratieverursachend – nur mittelbare Auseinandersetzungen über die Richtigkeit oder Fehlerhaftigkeit der Kodierung des Krankenhauses führen.

Der Streit über die unvollständige oder unzureichende Kodierung sei vorliegend dieser vorgenannten Kategorie (nur mittelbare Auseinandersetzungen über die Richtigkeit oder Fehlerhaftigkeit einer Kodierung) zuzuordnen. Hätte der Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des BSG die Aufwandspauschale bei dieser Fallgestaltung ausschließen wollen, hätte er eine entsprechende Regelung gesetzlich schaffen können. An einer solchen gesetzlichen Ausschlussregelung fehle es, so dass die Aufwandspauschale zu vergüten ist.

Anmerkung

Das SG Trier befasst sich eingehend mit der Neuregelung in § 275 Abs. 1c Satz 4 SGB V, wonach keine Unterscheidung zu treffen ist, ob es sich um eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung oder eine Auffälligkeitsprüfung handelt. Diese Regelung ist aufgrund des KHSG zum 01.01.2016 in Kraft getreten.

Des Weiteren greift das SG Trier einen interessanten Aspekt auf. Häufig stützen sich die Krankenkassen darauf, dass das Krankenhaus die Prüfung durch fehlerhafte oder unvollständige Angaben veranlasst habe. Diesen Einwand lässt das SG Trier mit beachtlichen Argumenten nicht mehr gelten. Es geht davon aus, dass der Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des BSG keine Veranlassung sah, eine solche Ausschlussregelung in § 275 Abs. 1c SGB V zu verankern. Das SG Trier lässt offen, ob etwas anderes gelte, wenn das Krankenhaus rechtsmissbräuchlich handele.

Das Urteil des SG Trier ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:45:54
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Newsletter Treu und Glauben
 

Die Krankenkassen sind nach Treu und Glauben verpflichtet, ihren Prüfpflichten zeitnah nachzukommen. Im Rahmen einer dauerhaften Abrechnungsbeziehung zwischen Krankenhaus und Krankenkasse ist es treuwidrig, wenn die Krankenkasse eigene frühere Pflichtverletzungen vergütungsmäßig nachträglich „heilen“ will. In einem solchen Fall ist die Krankenkasse mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ausgeschlossen.

LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 17.05.2017, Az.: L 4 KR 111/15

- Mitwirkungs- und Prüfpflichten der Krankenkasse, Prüfpflichtverletzung, öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, Treu und Glauben, 301er Meldung -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

in einem von uns vertretenen Klagefall musste sich das LSG Niedersachsen-Bremen mit der Frage befassen, ob eine Prüfpflichtverletzung der Krankenkasse vorlag, die einen ggf. bestehenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ausschließt. Vorliegend hat dies das LSG Niedersachsen-Bremen bejaht.

Sachverhalt

Der klagende Krankenhausträger hat einen bei der Beklagten Versicherten im Zeitraum vom 28.09. bis 08.11.2005 stationär behandelt. Am 28.09.2005 wurde dem Patienten die Gallenblase entfernt. In diesem Zusammenhang ergab sich, dass bei dem Patienten ein Tumor im Dünndarm (Jejunum) vorlag. Am 16.10.2005 wurde eine Dünndarmteilresektion vorgenommen.

Die Klägerin rechnete hierfür am 01.12.2005 die DRG G18A (Eingriffe an Dünn- und Dickdarm mit komplexem Eingriff, ohne komplizierende Diagnose) ab. Erst ca. 4 Jahre später beauftragte die beklagte Krankenkasse wegen Implausibilität den medizinischen Dienst mit einer Prüfung. Der MD kam zu dem Ergebnis, dass als Hauptdiagnose die Cholezystitis und nicht die Neubildung des Dünndarms (Jejunum) anzusetzen sei. Dies hätte zur DRG H13B (Cholezystektomie ohne mäßig komplexe Diagnose) geführt.

Da die Beklagte den Differenzbetrag verrechnete, erhob die Krankenhausträgerin Klage.

Die Klage hatte in erster und zweiter Instanz Erfolg.

Entscheidungsgründe

Ausgangsüberlegung des LSG Niedersachsen-Bremen ist, dass beide Parteien Mitwirkungs- bzw. Prüfungspflichten erfüllen müssen. Dabei komme dem Beschleunigungsgebot Bedeutung zu. Für das Krankenhaus bestehe die Pflicht der zeitgerechten und vollständigen Rechnungslegung. Für die Krankenkasse bestehe die Pflicht zur zeitnahen Prüfung der Plausibilität und ggf. Rechnungs- bzw. Auffälligkeitsprüfung der Krankenhausabrechnung.

Vorliegend wäre es für die beklagte Krankenkasse geboten gewesen, der von ihr angenommenen Implausibilität zeitnah nachzugehen. Aufgrund der 301er-Datenmeldung hätte sie die Implausibilität bereits im Jahr 2005 erkennen können. Diesen Gesichtspunkt hätte sie jedoch erst ca. 4 Jahre später aufgegriffen. Die beklagte Krankenkasse hat insoweit nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv ihre Pflicht verletzt, die ihr ohne weiteres erkennbare Implausibilität in der Abrechnung des Krankenhauses zeitnah aufzuklären. Einer zusätzlichen Begründung der Klägerin habe es vorliegend nicht mehr bedurft, da aus dem 301er-Datensatz die tatsächlich mitgeteilten Nebendiagnosen erkennbar waren.

Anmerkungen

Das LSG Niedersachsen-Bremen stellt zurecht an den Anfang seiner Überlegungen, dass sowohl die Krankenhäuser als auch die Krankenkassen Mitwirkungs- bzw. Prüfungspflichten unterliegen. Im vorliegenden Fall hätte die beklagte Krankenkasse bereits aufgrund des 301er-Datensatzes erkennen können, dass ggf. eine Prüfung angezeigt ist. Sie hat nach ihrem eigenen Vortrag bereits 2005 eine Implausibilität der Abrechnung angenommen.

Die Anforderung einer weiteren Begründung hält das LSG Niedersachsen-Bremen dann nicht für erforderlich, wenn bereits aus dem 301er-Datensatz die erforderlichen Angaben erkennbar sind. Es wird als treuwidrig angesehen, wenn die Krankenkasse nunmehr zu einem späteren Zeitpunkt eigene frühere Prüfpflichtverletzungen vergütungsmäßig „heilen“ will.

Im Ergebnis führt der Verstoß gegen die zeitnahe Prüfpflicht zum Ausschluss des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruches.

Darüber hinaus geht das LSG Niedersachsen-Bremen davon aus, dass das Krankenhaus nach dem eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten auch richtig abgerechnet hatte.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:46:05
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Newsletter
 

Ein Krankenhaus, das erkennt, dass der in Rechnung gestellte Betrag wegen Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot zu mindern ist, hat eine „in geeigneter Weise verdeutlichende gekürzte Abrechnung vorzunehmen“. Das Wirtschaftlichkeitsgebot verbietet es, Überprüfungsmöglichkeiten der Krankenkassen gegenüber Vergütungsansprüchen der Krankenhäuser landesvertraglich einzuschränken.

BSG, Urteil vom 28.03.2017, B 1 KR 3/16 R

- Wirtschaftlichkeitsgebot, sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung, Fallzusammenführung, Einschränkung der Überprüfung durch Landesvertrag -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

mit vorliegender Entscheidung hat sich das BSG mit der Frage befasst, ob eine Fallzusammenführung nach § 2 Abs. 1 FPV zu erfolgen hatte. Gleichzeitig stellte es fest, dass § 11 Abs. 2 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V (Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung – KBV) in Hamburg unwirksam ist, da er eine Einschränkung der Überprüfungsmöglichkeiten der Krankenkassen beinhaltet.

 

Sachverhalt

 

Die Klägerin behandelte einen Patienten in drei Krankenhausaufenthalten vollstationär wegen einer Verletzung an der rechten Hand. Für den ersten Aufenthalt vom 20. bis 24.11.2007 (Amputation von zwei Fingern) rechnete sie die DRG X05Z (Andere Eingriffe bei Verletzungen der Haut), für den zweiten Krankenhausaufenthalt vom 30.11. bis 07.12.2007 (Wundheilungsstörung) rechnete sie die DRG X01A (Gewebetransplantation mit mikrovasgulärer Anastomosierung oder Hauttransplantationen bei Verletzungen außer an der Hand mit äußerst schweren CC) und für den dritten Aufenthalt vom 12. bis 22.12.2007 (Epigardentfernung, Hauttransplantat), rechnete sie die DRG I32C (Eingriffe an Handgelenk und Hand ohne mehrzeitigen Eingriff) ab.

 

Die Beklagte bezahlte die erste und dritte Rechnung, nicht jedoch die Rechnung für den zweiten Krankenhausaufenthalt. Der MDK hielt die Kodierung für unzutreffend. Die Krankenkasse vertrat die Auffassung, die DRG I12C sei abzurechnen. Das SG hat die beklagte Krankenkasse verurteilt, einen Teilbetrag nebst Zinsen zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen.

 

Das LSG hat auf Berufung der Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen. Das LSG vertrat die Auffassung, der Vergütungsanspruch sei mangels ordnungsgemäßer Abrechnung nicht fällig. Die Klägerin hätte die zweite und dritte Krankenhausbehandlung als einen Fall mit der DRG X01B abrechnen müssen.

 

Das BSG wies die Revision des Krankenhauses zurück.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG vertrat die Auffassung, dass der zweite und dritte Krankenhausaufenthalt in eine DRG zusammenzuführen ist. Einschlägig sei § 2 Abs. 1 FPV 2007. Beide Aufenthalte (zweiter und dritter Krankenhausaufenthalt) sind nach der DRG X01B abzurechnen. Nach den bindenden Feststellungen des LSG sei der Patient innerhalb der oberen Grenzverweildauer von 31 Tagen wieder aufgenommen worden. Richtigerweise sei eine Einstufung beider Krankenhausaufenthalte in dieselbe Basis-DRG vorzunehmen. Maßgebend hierfür sei nicht, welche Einstufung das Krankenhaus vorgenommen habe, sondern welche Einstufung tatsächlich zutreffend ist.

 

Bezogen auf die Abrechnung stellt das BSG heraus, dass das tatsächliche, nicht das fiktive Geschehen, abzurechnen ist. Die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Krankenhausabrechnung ist unabhängig von hypothetischen Geschehensabläufen ausschließlich am tatsächlichen Behandlungsverlauf zu messen. Erkennt das Krankenhaus in der Folge, dass eine auf dem tatsächlichen Geschehen fußende Abrechnung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstößt, hat es eine „in geeigneter Weise verdeutlichende gekürzte Abrechnung vorzunehmen“ (BSG, a.a.O., Rdz. 12).

 

Für den Rechtsstreit war zusätzlich relevant, ob die beklagte Krankenkasse rechtzeitig Beanstandungen vorgenommen hatte. In § 11 Abs. 2 des Landesvertrages Hamburg nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V ist bestimmt, dass Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art auch nach Bezahlung der Rechnung (nur) innerhalb von 6 Monaten geltend gemacht werden können. Diese Regelung bewertet das BSG als Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Überprüfungsmöglichkeiten der Krankenkassen gegenüber Vergütungsansprüchen der Krankenhäuser dürften auf Landesebene nicht zeitlich eingeschränkt werden (BSG, a.a.O., Rdz. 13).

 

Anmerkungen

 

Kernpunkt der Entscheidung des BSG ist die Fallzusammenführung nach § 2 Abs. 1 FPV (2007). Es stützt sich insoweit auf die Feststellungen des LSG, die von Krankenhausseite nicht mit durchgreifenden Rügen angegriffen wurden.

 

Darüber hinaus macht das BSG noch einmal klar, dass der Abrechnung (in einem ersten Schritt) der tatsächliche Geschehensablauf der Behandlung zu Grunde zu legen ist. Auf dieser Stufe stellt sich nicht die Frage eines „wirtschaftlichen Alternativverhaltens“. In einem zweiten Schritt ist jedoch eine Beurteilung vorzunehmen, ob wegen Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs. 1 SGB V die Rechnung zu mindern ist. Ist dies der Fall, muss dies gegenüber der Krankenkasse „in geeigneter Weise“ verdeutlicht werden. Die Krankenkasse muss mit der Abrechnung vollständig und zutreffend von der Kürzung Kenntnis erhalten. Das BSG trifft jedoch keine Aussage dazu, wie dies in einem regelhaften elektronischen Datenübertragungsverfahren umgesetzt werden kann. Dies wird in der Praxis Schwierigkeiten hervorrufen.

 

Das BSG führt erneut an, dass landesrechtliche Bestimmungen, die die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung durch die Krankenkassen einschränken, unwirksam sind. Vorliegend ging es um die landesrechtliche Regelung in § 11 Abs. 2 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V in Hamburg.

 

Diese Regelung lautet (auszugsweise) wie folgt:

 

„Nachdem die in § 301 SGB V vorgeschriebenen Daten der Krankenkasse zugeleitet worden sind, können Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art auch nach Bezahlung der Rechnung innerhalb von 6 Monaten geltend gemacht werden.“

 

Es ist davon auszugehen, dass entsprechende landesvertragliche Regelungen auch in anderen Bundesländern vom BSG als unwirksam angesehen werden.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:46:18
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Newsletter ergänzende Pauschalen nach § 120 Abs. 1a SGB V
 

Krankenhäuser können einen Anspruch auf eine ergänzende Pauschale nach § 120 Abs. 1a SGB V auch für das Vorjahr geltend machen, wenn sie diesen Anspruch spätestens bis Ende des Folgejahres gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen geltend gemacht haben.

BSG, Urteil vom 10.05.2017, Az.: B 6 KA 10/16 R

- ergänzende Pauschalen, ambulante Leistungen, pädiatrische Spezialambulanzen, Behandlung von Kindern und Jugendlichen, kinder- und jugendmedizinische, kinderchirurgische, kinderorthopädische, pädaudiologische und kinderradiologische Fachabteilungen, Vergütung -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

in dieser aktuellen Entscheidung musste sich das BSG mit der Frage befassen, ob Krankenhäuser auch für zurückliegende Zeiträume ergänzende Pauschalen für pädiatrische Spezialambulanzen nach § 120 Abs. 1a SGB V geltend machen können. Das BSG hat dies vorliegend bejaht, wenn die ergänzende Pauschale nach § 120 Abs. 1a SGB V spätestens bis zum Folgejahr geltend gemacht wurde.

Sachverhalt

Die Schiedsstelle hatte zu Gunsten eines Krankenhauses auch für zurückliegende Zeiträume ergänzende Pauschalen für Spezialambulanzen nach § 120 Abs. 1a SGB V festgesetzt. Dabei ging es um die Jahre 2010 bis 2012. Das Krankenhaus hatte diesen Anspruch erstmals im Oktober 2013 gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen geltend gemacht. Da nach Auffassung der Schiedsstelle diese Ansprüche nicht verjährt waren (4-jährige Verjährungsfrist) setzte sie antragsgemäß die Pauschalen auch für die Jahre 2010 bis 2012 fest.

Hiergegen erhoben die Landesverbände der Krankenkassen Klage vor dem LSG. Das LSG vertrat die Auffassung, dass der Anspruch des Krankenhausträgers für die Jahre 2010 bis 2012 zu spät geltend gemacht worden sei. § 120 Abs. 1a SGB V setze die Geltendmachung des Anspruchs bis zum Ende des jeweiligen Jahres voraus. Dies sei hier nicht erfolgt. Es hob daher den Bescheid (Schiedsspruch) der Schiedsstelle auf.

Gegen das Urteil des LSG legten sowohl das Krankenhaus als auch die Schiedsstelle Revision beim BSG ein.

Entscheidungsgründe

Die Revisionen des Krankenhauses und der Schiedsstelle hatten teilweise Erfolg. Das BSG erkannte den Anspruch auf eine ergänzende Pauschale für das Jahr 2012 an. Den Anspruch für die Jahre 2010 und 2011 sah es als verwirkt an. Der Anspruch des Krankenhauses sei zeitnah zu realisieren. Ebenso wie im Vergütungssystem der ambulanten vertragsärztlichen Leistungen soll eine Belastung des aktuellen Vergütungsvolumens mit Zahlungen für Leistungen aus lange zurückliegenden Quartalen möglichst vermieden werden. Vom Krankenhausträger könne erwartet werden, dass er jedenfalls im Kalenderjahr nach Abschluss des Wirtschaftsjahrs gegenüber den Kostenträgern eine zusätzliche Pauschale einfordert, wenn er sie für notwendig erachtet. Da der Krankenhausträger die ergänzenden Pauschalen erstmals im Oktober 2013 geltend gemacht habe, seien die Ansprüche für die Jahre 2010 und 2011 verwirkt. Für das Jahr 2012 bestehe jedoch ein Anspruch nach § 120 Abs. 1a SGB V.

Anmerkungen

Offensichtlich überträgt der 6. Senat des BSG die Rechtsprechung des 1. Senats zur Nachforderung von Vergütungsansprüchen durch die Krankenhäuser auf die vorliegende Fallgestaltung. Danach geht das BSG davon aus, dass eine Vertrauensgrundlage entsteht, wenn das Krankenhaus eine Nachforderung weder im gerade laufenden noch nachfolgenden vollen Haushaltsjahr der Krankenkasse geltend macht. Der Vertrauenstatbestand erwächst daraus, dass die Krankenkasse regelhaft darauf vertraut, dass das Krankenhaus insoweit keine weiteren Nachforderungen erhebt (so: BSG, Urteil vom 05.07.2016, Az.: B 1 KR 40/15 R, juris, Rdz. 21).

Soweit Krankenhäuser ihre berechtigten Ansprüche auf Vergütung der pädiatrischen Spezialambulanzen nach § 120 Abs. 1a SGB V für das Jahr 2016 noch nicht geltend gemacht haben, sollten sie möglichst bald – jedenfalls bis zum Ende 2017 – ihre Ansprüche gegenüber den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen mit den entsprechenden Forderungsunterlagen anmelden und zu Verhandlungen auffordern.

Zurzeit liegt nur der Terminsbericht über die Sitzung des 6. Senats des BSG vom 10.05.2017 vor. Sobald die schriftlichen Urteilsgründe bekannt sind, werde ich weiter berichten.

Der Terminsbericht ist hier wiedergegeben. 

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:46:38
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Newsletter Akute respiratorische Insuffizienz
 

Eine Sauerstoffsättigung von 89 %, die auf einen erniedrigten Sauerstoffpartialdruck zurückzuführen ist, erfüllt die Nebendiagnose J96.09 (Akute respiratorische Insuffizienz, anderenorts nicht klassifiziert: Typ nicht näher bezeichnet).

SG Koblenz, Gerichtsbescheid vom 09.05.2016, Az.: S 12 KR 598/15

- Akute respiratorische Insuffizienz, Nebendiagnose, Sauerstoffsättigung, pathologische Blutgasveränderungen, erniedrigter Sauerstoffpartialdruck -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

vom MDK wird häufig die Nebendiagnose J96.09 (Akute respiratorische Insuffizienz) gestrichen, wenn keine pathologischen Blutgasveränderungen im Sinne einer respiratorischen Partial- oder Globalinsuffizienz nachweisbar sind. In einem interessanten Fall hat das SG Koblenz – gestützt auf ein Sachverständigengutachten – die Verschlüsselung der Nebendiagnose J96.09 anerkannt.

Sachverhalt

Eine bei der Beklagten versicherte Patientin wurde vom Rettungsdienst in das Krankenhaus der Klägerin eingeliefert. Bei der Patientin lag eine Bronchiopneumonie vor (Hauptdiagnose J18.0). Die Klägerin verschlüsselte zudem die Nebendiagnose J96.09 (Akute respiratorische Insuffizienz, anderenorts nicht klassifiziert: Typ nicht näher bezeichnet). Dies führte zur DRG E77F (Infektionen und Entzündungen der Atmungsorgane mit komplexer Diagnose oder äußerst schweren CC).

Die Beklagte beauftragte den MDK mit einer Prüfung der Kodierung. Der MDK kam in seinem Gutachten zur Auffassung, die Angabe der Nebendiagnose J96.09 (Akute respiratorische Insuffizienz) sei nicht korrekt. Die durchgeführte Blutgasanalyse (BGA) habe ergeben, dass normale Sauerstoffwerte mit einer normalen Sättigung und ohne Hyperkapnie vorgelegen haben. Eine respiratorische Insuffizienz setze nach Auffassung des MDK pathologische BGA-Veränderungen voraus.

Die Klägerin widersprach der Auffassung des MDK. Das Vorhandensein einer respiratorischen Insuffizienz definiere sich nicht ausschließlich anhand von pathologischen BGA-Veränderungen, sondern liege auch dann vor, wenn ein Patient die klinischen Zeichen einer Gasaustauschstörung erfülle und ein entsprechender Ressourcenverbrauch nachweislich dokumentiert worden sei. Bei der Patientin seien angesichts einer Sättigung von 89 % diese Voraussetzungen erfüllt.

Da die Beklagte die Rechnung nicht vollständig beglich, erhob die Klägerin vor dem Sozialgericht Klage.

Entscheidungsgründe

Zur Klärung des medizinischen Sachverhalts hat das Sozialgericht ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Sachverständige widersprach der Beurteilung des MDK. Der Sachverständige kam zur Auffassung, dass der in der Krankenakte belegte Hämoglobinwert von 11,6 nicht geeignet sei, eine Erniedrigung der Sauerstoffsättigung hervorzurufen. Somit hänge in der Tat die gemessene Sauerstoffsättigung vom Sauerstoffpartialdruck im Blut ab. Bei einem unteren Grenzwert von 94 % sei die gemessene Sauerstoffsättigung von 89 % eindeutig erniedrigt, hervorgerufen durch die Lungenentzündung mit Pleuraerguss. Es gebe keine vernünftigen Zweifel, dass die Sauerstoffsättigung in Folge eines erniedrigen Sauerstoffpartialdrucks, und nicht im Rahmen einer Anämie, deutlich pathologisch erniedrigt gewesen sei und eine kontinuierliche Sauerstoffgabe bis zur Abheilung der Pneumonie erforderlich gewesen sei.

Das SG legte das Sachverständigengutachten seinem Urteil zu Grunde. Die Klägerin habe zu Recht die Nebendiagnose J96.09 kodiert. Zusammen mit der Hauptdiagnose J18.0 führe dies zur Abrechnung der DRG E77F (DRG-Katalog 2013). Die Sauerstoffsättigung habe am 01.11.2013 89 % betragen. Insgesamt sei aufgrund der Art der Erkrankung mit Lungenentzündung und Rippenfellerguss nachvollziehbar, das eine verminderte Sauerstoffsättigung, d.h. eine respiratorische Insuffizienz, einhergehend mit Luftnot, vorgelegen habe, die eine kontinuierliche Sauerstoffzuführung erforderlich gemacht habe. Der Sachverständige habe nachvollziehbar dargelegt, dass die gemessene Sauerstoffsättigung vom Sauerstoffpartialdruck im Blut abhängig gewesen sei. Bei einem unteren Grenzwert von 94 % sei die gemessene Sauerstoffsättigung von 89 % eindeutig erniedrigt. Die Sauerstoffsättigung war nach Auffassung des Sachverständigen in Folge eines erniedrigten Sauerstoffpartialdrucks und nicht im Rahmen einer Anämie deutlich pathologisch erniedrigt.

Anmerkungen

Maßgeblich für den Erfolg der Klage war letztlich das positive Sachverständigengutachten. So entkräftete der Sachverständige den Einwand des MDK, dass eine respiratorische Insuffizienz in den Unterlagen nicht ausreichend belegt sei. Der Sachverständige hat die gemessene Sauerstoffsättigung auf den Sauerstoffpartialdruck im Blut zurückgeführt. Dabei sei der untere Grenzwert von 94 % bei einer gemessenen Sauerstoffsättigung von 89 % eindeutig zu niedrig. Die Sauerstoffsättigung war infolge eines erniedrigten Sauerstoffpartialdrucks und nicht im Rahmen einer Anämie deutlich pathologisch erniedrigt.

Der Gerichtsbescheid zeigt deutlich, welche Bedeutung den Sachverständigengutachten in einem Rechtsstreit zukommt, aber auch wie wichtig eine in sich schlüssige Dokumentation des Krankheitsverlaufs ist.

Der Gerichtsbescheid ist hier wiedergegeben.

 

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:46:51
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Newsletter Sammelüberweisung (Sammelrechnung)
 

Die Pflegesatzparteien können in der Pflegesatzvereinbarung kein Aufrechnungsverbot wirksam vereinbaren. Die Aufrechnung eines überzahlten Betrages (öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch) kann durch die Krankenkasse auch im Wege der Sammelüberweisung (Sammelrechnung) durchgeführt werden.

BSG, Urteil vom 25.10.2016, Az.: B 1 KR 9/16 R

- Aufrechnung, Aufrechnungsverbot, Pflegesatzvereinbarung, öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, Sammelüberweisung, Sammelrechnung -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

in zwei Grundsatzentscheidungen hat sich das BSG mit der Aufrechnung der Krankenkassen im Wege der Sammelüberweisung (Sammelrechnung) befasst (BSG, Urteile vom 25.10.2016, Az.: B 1 KR 7/16 R und B 1 KR 9/16 R). Das hier besprochene Urteil des BSG vom 25.10.2016, Az.: B 1 KR 9/16 R, befasst sich zusätzlich mit der Frage, ob die Pflegesatzparteien wirksam ein Aufrechnungsverbot vereinbaren können. Es hat diese Frage verneint.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus behandelte den Patienten Q. wegen eines Herzschrittmacherwechsels und berechnete hierfür die DRG-Fallpauschale F12H. Die beklagte Krankenkasse beglich die Rechnung zunächst. Nachdem der MDK zur Auffassung gelangte, die Verweildauer sei um zwei Tage zu kürzen, forderte die Krankenkasse einen Rechnungsbetrag in Höhe von 1.837,57 € zurück. Die Krankenkasse verrechnete diese Erstattungsforderung mit anderen unstreitigen Forderungen des Krankenhauses in zwei Schritten (Zahlungsavis Sammelrechnungen vom 15.04.2011 und 03.06.2011).

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben, u.a., da die Aufrechnungserklärung der Krankenkasse nicht hinreichend bestimmt sei bzw. § 12 der Pflegesatzvereinbarung 2010 ein Aufrechnungsverbot enthalte.

Das BSG beurteilte die Rechtslage anders und wies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des LSG zurück.

Entscheidungsgründe

Das BSG musste sich mit zwei Rechtsfragen im Einzelnen befassen:

1. Enthält § 12 der Pflegesatzvereinbarung 2010 ein wirksames Aufrechnungsverbot?

2.      Ist die Aufrechnung im Wege der Sammelrechnung hinreichend bestimmt?

Bei der ersten Frage kommt das BSG zur Auffassung, dass eine Pflegesatzvereinbarung nach §§ 11 KHEntgG, 18 KHG kein Aufrechnungsverbot für öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche begründen könne. Die möglichen Regelungsinhalte einer Pflegesatzvereinbarung seien  in § 11 Abs. 1 KHEntgG abschließend festgelegt. § 11 Abs. 1 Satz 3 KHEntgG beziehe sich nur auf die Regelung von zeitnahen Zahlungen an das Krankenhaus. Darin komme das sog. kompensatorische Beschleunigungsgebot zum Ausdruck. Diese Pflicht zur Beschleunigung findet ihren Niederschlag in den Regelungen über Abschlagszahlungen, angemessene monatliche Teilzahlungen und Verzugszinsen bei verspäteten Zahlungen. Vorliegend gehe es jedoch nicht um Abschlagszahlungen, sondern um die genaue Vergütungshöhe einer Krankenhausleistung.

Ergänzend führt das BSG aus, dass § 12 Pflegesatzvereinbarung 2010 kein (Teil-)
Aufrechnungsverbot enthalte. Darin sei lediglich eine Regelung für eine verzugsfreie Rückzahlungspflicht enthalten. § 12 Pflegesatzvereinbarung 2010 schließe nicht aus, dass die Krankenkasse eine Aufrechnung erkläre. Eine andere Auslegung sei objektiv willkürlich.

Zur zweiten Fragestellung führt das BSG aus, dass es bei der Auslegung einer Aufrechnungserklärung auf den objektiven Empfängerhorizont ankommt. Die Erklärung brauche nicht ausdrücklich abgegeben zu werden, es genüge die klare Erkennbarkeit des Aufrechnungswillens. Aus dem ersten Zahlungsavis vom 15.04.2011 sei zu ersehen, dass die Krankenkasse von einer anderen Krankenhausrechnung für den Versicherten Sch. die bereits gezahlte Vergütung für den Versicherten Q. in voller Höhe abgezogen und gleichzeitig einen verminderten Betrag wieder gutgeschrieben habe. Damit habe die Krankenkasse nach dem objektiven Empfängerhorizont für einen verständigen Adressaten unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie den Vergütungsanspruch der Klägerin für die Behandlung des Versicherten Sch. durch Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen überzahlter Vergütung für die Behandlung des Versicherten Q. erfüllen will.  

Auch die in einem zweiten Schritt vollzogene Aufrechnung eines weiteren Erstattungsbetrages wegen Behandlung des Versicherten Q. sei wirksam erklärt und hinreichend bestimmt. Das Zahlungsavis Sammelrechnung (Anlage zum Schreiben vom 03.06.2011) erfülle alle Voraussetzungen für eine Aufrechnungserklärung. Zwar seien in der Sammelrechnung drei verschiedene Vergütungsansprüche aufgeführt, so dass dem Zahlungsavis nicht entnommen werden kann, gegen welche der dort aufgeführten Forderungen die Beklagte mit ihrem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aufgerechnet habe. Dies sei jedoch unschädlich. Für die Tilgungsreihenfolge finden §§ 396, 366 Abs. 2 BGB Anwendung, wenn die aufrechnende Krankenkasse keine Bestimmung vornehme. § 366 Abs. 2 BGB enthalte insoweit die maßgebliche Tilgungsreihenfolge.

Anmerkungen

Zunächst fällt auf, dass das BSG die Entscheidung des LSG mit harschen Worten kritisiert. Der Vorinstanz wird eine objektiv willkürliche Auslegung unterstellt, die nach juristischer Methodik nicht mehr nachvollziehbar sei. Die Ausführungen des BSG gipfeln in folgendem Satz: „Soweit das LSG die Wirksamkeit der Aufrechnung mit der Gegenforderung (auch) an der fehlenden ‚Zahlungsfälligkeit‘ des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs der Beklagten scheitern lassen will, stellt dies den objektiv willkürlichen Versuch dar, mit einer schlechterdings nicht im Einklang mit der Rechtsordnung stehenden Auslegung die Beklagte an der Durchsetzung ihrer Ansprüche mittels Aufrechnung zu hindern.“ (BSG, a.a.O, Rdz. 25).

Das BSG sieht in § 11 Abs. 1 KHEntgG keine Rechtsgrundlage für die mögliche Regelung eines Aufrechnungsverbotes im Rahmen einer Pflegesatzvereinbarung. Es begründet nicht, warum § 11 Abs. 1 Satz 3 KHEntgG lediglich Ausdruck des kompensatorischen Beschleunigungsgebotes sein soll. Durch den ergänzenden Zusatz in § 11 Abs. 1 Satz 3 KHEntgG, wonach „insbesondere Regelungen über angemessene monatliche Teilzahlungen und Verzugszinsen bei verspäteter Zahlung getroffen werden sollen“, kommt zum Ausdruck, dass es nicht ausschließlich um das kompensatorische Beschleunigungsgebot geht, sondern die Pflegesatzparteien auch andere, ergänzende Regelungen treffen können, die mit der zeitnahen Zahlung der Entgelte im Zusammenhang stehen. Als Regelungsinhalt einer zeitnahen Zahlung kann auch die Frage angesehen werden, ob ein Krankenhaus den gezahlten Betrag behalten darf, bis die Krankenkasse einen Rechtstitel für ihren öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch erwirkt hat.

Dies lässt sich auch mit dem vom BSG in den Vordergrund gerückten kompensatorischen Beschleunigungsgebot in Einklang bringen. Danach korrespondiert die Zahlungspflicht der Krankenkasse mit der Vorleistungspflicht des Krankenhauses. Das Beschleunigungsgebot würde ausgehöhlt, wenn die Krankenkasse zunächst Zahlung leistet, in „gleichem Atemzug“ jedoch wieder mit einer anderen Vergütungsforderung des Krankenhauses aufrechnen könnte, ohne dass der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch feststeht. Gerade daraus können – vor allem kleineren und mittleren – Krankenhäusern erhebliche Liquiditätsschwierigkeiten entstehen, die dem Grundsatz der zeitnahen Zahlung in § 11 Abs. 1 Satz 3 KHEntgG zuwiderlaufen. Die Rechtsprechung des BSG führt im Ergebnis dazu, dass immer die Krankenhäuser den Klageweg beschreiten müssen, wenn ihnen Finanzmittel vorenthalten werden.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

 

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Newsletter OPS-Kode 8-980 (Version 2010) â?? Intensivmedizinische Komplexbehandlung
 

Voraussetzungen an die ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation im Sinne des OPS-Kodes 8-980

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.02.2017, Az.: L 5 KR 96/16

- Krankenhausbehandlungskosten, OPS-Kode 8-980 Intensivmedizinische Komplexbehandlung, ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz hat sich mit Urteil vom 16.02.2017 mit den Voraussetzungen des Strukturmerkmales der „ständigen ärztlichen Anwesenheit auf der Intensivstation“ im Sinne des OPS-Kodes 8-980 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung, Version 2011) befasst.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus behandelte eine Patientin vollstationär auf der Intensivstation. Das Krankenhaus hat der beklagten Krankenversicherung für die stationäre Behandlung die DRG G36Z in Höhe von insgesamt 47.596,98 € in Rechnung gestellt. Unter anderem wurde der OPS-Kode 8-980.03 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung) in Ansatz gebracht. Die beklagte Krankenversicherung vertritt die Auffassung, dass das Krankenhaus mangels Vorliegen der ständigen ärztlichen Anwesenheit auf der Intensivstation den OPS-Kode 8-980.03 nicht kodieren durfte.

Das Krankenhaus hat den noch offenen Restbetrag vor dem Sozialgericht Speyer eingeklagt. Der Bereitschaftsdienst ist im Krankenhaus wie folgt geregelt: Der ärztliche Bereitschaftsdienst auf der Intensivstation wird jeweils durch einen Facharzt für Anästhesie der Abteilung für Anästhesie Intensivmedizin/Schmerztherapie geleistet. Im Falle eines hausinternen Notfalls (z. B. Reanimation) verlässt der diensthabende Anästhesist die Intensivstation kurzfristig, um die Notfallversorgung hausintern zu gewährleisten. Unmittelbar nach Beendigung dieser Tätigkeiten kehrt der diensthabende Anästhesist wieder auf die Intensivstation zurück. Während der Bereitschaftsdienste sind keine Operationen geplant; die Hinzuziehung des Facharztes für Anästhesie erfolgt nur im Falle von Notfalloperationen. Wird während des Bereitschaftsdienstes eine solche erforderlich, ruft der Bereitschaftsarzt den in der Nähe wohnenden Chefarzt der Anästhesie, der innerhalb von 10 Minuten ins Krankenhaus kommt und die Patienten auf der Intensivstation weiterbetreut; erst dann verlässt der Bereitschaftsarzt die Intensivstation. Duldet die Durchführung der Operation keinen Aufschub, übernimmt der Bereitschaftsdienst der Inneren Medizin die Aufgaben der Intensivstation unmittelbar und überbrückt die Zeit, bis der Chefarzt auf der Intensivstation eintrifft.

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Es vertritt die Auffassung, dass im Krankenhaus die Mindestmerkmale des OPS 8-980 nicht erfüllt seien, da die ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation nicht gewährleistet sei. Das Merkmal der „ständigen Anwesenheit auf der Intensivstation“ sei nach dem Urteil des BSG vom 18.08.2013 (B 3 KR 25/12 R) nur dann erfüllt, wenn  der Arzt neben dem Dienst auf der Intensivstation gleichzeitig keine anderen Aufgaben übernehmen müsse. Die ständige ärztliche Anwesenheit sei vorliegend jedoch nicht gewährleistet, da der Bereitschaftsarzt während seines Dienstes für die Anästhesie im gesamten Krankenhaus zuständig sei. Im Fall der Betreuung einer keinen Aufschub duldenden Notfalloperation müsse der Bereitschaftsdienstarzt der internistischen Station bis zum Eintreffen des telefonisch herbeigerufenen Chefarztes der Abteilung für Anästhesie  auch die Betreuung der Intensivstation  übernehmen. Während dieser Zeitspanne sei die ständige Anwesenheit eines Arztes auf der Intensivstation wegen der in diesem Zeitraum auch auf der internistischen Station anfallenden ärztlichen Aufgaben nicht sichergestellt.

Das Krankenhaus hat gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Berufung eingelegt.

Entscheidungsgründe

Das Landessozialgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Der erkennende Senat hat sich dem erstinstanzlichen Urteil in vollem Umfang angeschlossen. Vorliegend könne das Krankenhaus den OPS-Kode 8-980 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung) nicht kodieren, da das Strukturmerkmal der „ständigen ärztlichen Anwesenheit“ auf der Intensivstation nicht gewährleistet sei. Im Falle einer keinen Aufschub duldenden Notfalloperation müsse der diensthabende Anästhesist umgehend die Intensivstation verlassen. Bis der telefonisch herbeigerufene Chefarzt der Abteilung für Anästhesie (oder dessen Vertreter) auf der Intensivstation eingetroffen ist, muss der Bereitschaftsdienstarzt der internistischen Station zur Überbrückung der Zeit auf die Intensivstation kommen. In dieser Zeit ist der Internist nicht ausschließlich für die Intensivstation zuständig, sondern muss auch die Patienten auf der internistischen Station betreuen. Strukturell sei daher während dieser Zeitspanne die ständige ärztliche Anwesenheit eines Arztes auf der Intensivstation wegen in diesem Zeitraum möglicherweise auch auf der internistischen Station anfallenden ärztlichen Aufgaben nicht sichergestellt. Das Argument der Klägerin, die Patienten der internistischen Station blieben in dieser (kurzen) Zeitspanne unversorgt, könne nicht überzeugen. Das Mindestmerkmal sei nur dann erfüllt, wenn eine Bereitschaftsdienstplanung für die Intensivstation bestehe, welche die ständige ärztliche Anwesenheit unter allen – vorhersehbaren – Umständen sicherstelle. Dies sei durch die Organisation der Klägerin nicht gegeben.

Das Landessozialgericht hat die Revision nicht zugelassen.

Anmerkung

Der Senat geht davon aus, dass eine Kodierung und Abrechnung des OPS-Kodes 8-980 (Version 2010) nur dann möglich ist, wenn die Organisation des Bereitschaftsdienstes gewährleistet, dass unter allen – vorhersehbaren – Umständen sichergestellt ist, dass der auf der Intensivstation diensthabende Arzt ausschließlich für die Intensivstation zuständig ist. Demgegenüber geht das DIMDI davon aus, dass der Arzt der Intensivstation kurzfristig zu einem Notfalleinsatz innerhalb des Krankenhauses (z.B. Reanimation) hinzugezogen werden kann. Auch der OPS-Kode 8-98f, der zusätzliche Strukturmerkmale gegenüber der intensivmedizinischen Komplexbehandlung verlangt, lässt zu, dass der Arzt der Intensivstation zu einem kurzfristigen Notfalleinsatz innerhalb des Krankenhauses hinzugezogen werden darf.

Die Entscheidung des Landessozialgerichts ist daher zu eng und nicht mit den Realitäten im Krankenhausbereich in Einklang zu bringen.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:47:27
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Newsletter Arzneimittelzulassung
 

Für die Arzneimittelversorgung gelten im Krankenhaus grundsätzlich keine von der vertragsärztlichen Versorgung abweichenden Maßstäbe. Auch die Krankenhäuser haben das materielle Arzneimittelzulassungsrecht zu beachten. Bei der Arzneimittel­applikationsform im Sinne einer stationären Behandlungsmethode findet § 137c Abs. 3 SGB V Anwendung.

Urteil des BSG vom 13.12.2016, Az.: B 1 KR 1/16 R

- Arzneimittelversorgung, zulassungsüberschreitende Arzneimittelversorgung, Off-Label-Use, Intravenöse Immunglobulintherapie (IVIG), Arzneimittel Intratect, Arzneimittelzulassung, teilstationäre Krankenhausbehandlung, neue Behandlungsmethode, Wirtschaftlichkeitsgebot -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Rahmen seiner Entscheidung vom 13.12.2016 hat sich das BSG auch mit der Anwendung des materiell rechtlichen Arzneimittelzulassungsrechts bei Krankenhausbehandlung befasst. Es geht davon aus, dass für die Arzneimittelversorgung im Krankenhaus grundsätzlich keine von der vertragsärztlichen Versorgung abweichenden Maßstäbe gelten. Aus der Entscheidung ergibt sich jedoch, dass die Regelung in § 137c Abs. 3 SGB V Anwendung finden kann, wenn eine Arzneimittelapplikation im Sinne einer stationären Behandlungsmethode erfolgt. Dann kommt es darauf an, ob die Behandlungsmethode „das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt“.

Sachverhalt

Eine Patientin (Klägerin) aus Baden-Württemberg litt an einer Autoimmunerkrankung der Haut und der inneren Organe (systemischer Lupus erythematodes <SLE>). Sie beantragte daher bei ihrer Krankenkasse die Kosten einer ambulanten Immunglobulintherapie (Intratect) zu übernehmen. Die beklagte Krankenkasse lehnte die Kostenübernahme ab, da die Voraussetzungen für einen sog. Off-Label-Use im Sinne des Einsatzes eines Arzneimittels außerhalb einer Zulassung nicht erfüllt seien. Nach Auffassung der Krankenkasse fehlten systematische größere zulassungsrelevante Studien für das beantragte Arzneimittel. Der Widerspruch gegen die ablehnende Entscheidung hatte keinen Erfolg. Gegen die Ablehnung hat die Patientin Klage erhoben.

Das SG hat die beklagte Krankenkasse unter Aufhebung des Bescheides zur Übernahme der Kosten für eine intravenöse Immunglobulintherapie verurteilt. Die Berufung der Krankenkasse vor dem LSG hatte keinen Erfolg. Das LSG stellte fest, dass Intratect zwar keine arzneimittelrechtliche Zulassung für die Behandlung der Erkrankung der Klägerin habe. Die Voraussetzungen eines Off-Label-Use seien auch nicht gegeben. Allerdings ergebe sich der Anspruch der Klägerin aus §§ 27 Abs. 1, 39 Abs. 1 i.V.m. § 137c Abs. 3 SGB V. Vorliegend sei eine teilstationäre Krankenhausbehandlung durchgeführt worden. Es handele sich um eine neue Behandlungsmethode. Die neue Behandlungsmethode der intravenösen Immunglobulintherapie bietet das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative. Die Anwendung erfolge nach den Regeln der ärztlichen Kunst.

Mit der Revision verfolgte die beklagte Krankenkasse ihre Rechtsauffassung weiter.

Entscheidungsgründe

Das BSG kam zur Auffassung, dass die Patientin keinen Anspruch auf die Übernahme der Kosten für die intravenöse Immunglobulintherapie mit dem Arzneimittel Intratect hatte. Es geht davon aus, dass vorliegend eine ambulante Behandlung für die Patientin durchgeführt wurde. Das Fertigarzneimittel Intratect besitze weder die erforderliche Zulassung zur Behandlung der bei der Klägerin bestehenden Krankheit, noch könne ein Anspruch auf eine entsprechende Versorgung aus den Grundsätzen des Off-Label-Use hergeleitet werden (BSG, a.a.O., juris, Rdz. 11, 12). Ein Off-Label-Use komme nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, 2. keine andere Therapie verfügbar ist und 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (BSG, a.a.O., juris, Rdz. 15). Hier fehle es an der begründeten Erfolgsaussicht aufgrund der bestehenden Datenlage. Vorliegend kam es zu keiner abgeschlossenen, veröffentlichten Studie in der Qualität einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III mit Relevanz für die Erkrankung der Patientin.

Schließlich wies das BSG die rechtliche Einordnung der Behandlung mit Intratect als „teilstationäre Krankenhaubehandlung“ durch das LSG zurück. Eine teilstationäre Behandlung muss wie jede Aufnahme eines Versicherten objektiv medizinisch erforderlich sein. Ermöglicht es der Gesundheitszustand des Patienten, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege, zu erreichen, so besteht kein Anspruch auf (teil-)stationäre Behandlung.

Im Übrigen hebt das BSG hervor, dass für die Arzneimittelversorgung im Krankenhaus grundsätzlich keine von der vertragsärztlichen Versorgung abweichenden Maßstäbe gelte.

Anmerkungen

Das BSG-Urteil hat auch für den Krankenhausbereich weitreichende Bedeutung. Insbesondere ist es danach nicht zulässig, eine mögliche ambulante Behandlung in eine teilstationäre Krankenhausbehandlung umzuwidmen. Auch für die teilstationäre Behandlung gilt der Vorrang der ambulanten Behandlung. Dies leitet das BSG aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot in § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V her. Es kommt somit auf die medizinischen Erfordernisse einer stationären Krankenhausbehandlung an.

Besonderes Gewicht kommt den Ausführungen des BSG zur Anwendung des Arzneimittelzulassungsrechts im Krankenhausbereich zu. Es geht davon aus, dass für die Arzneimittelversorgung im Krankenhaus grundsätzlich keine von der vertragsärztlichen Versorgung abweichenden Maßstäbe gelten. Daraus folgt, dass das Krankenhaus an das Arzneimittelzulassungsrecht gebunden ist und Abweichungen davon grundsätzlich nur unter Beachtung der Regeln zum Off-Label-Use zulässig ist.

Allerdings bringt das BSG zum Ausdruck, dass die Regelung in § 137c Abs. 3 SGB V Anwendung findet, wenn es nicht um eine reine Arzneimittelapplikation, sondern um eine neue Behandlungsmethode geht. Hier gilt dann die speziellere Vorschrift nach § 137c Abs. 3 SGB V, die durch das GKV-VSG eingeführt wurde. Dabei kommt es darauf an, ob die Krankenhausbehandlung „das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet“. Diese Regelung wurde vom Gesetzgeber durch das GKV-VSG eingeführt, um der „Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt“ wieder umfänglich Geltung zu verschaffen. Innovative Behandlungsmethoden mit vielversprechenden Heilungs- und Behandlungschancen sollen weiterhin zeitnah auch außerhalb von Studien gewährt werden können, auch wenn deren Nutzen noch nicht auf hohem Evidenzlevel belegt ist (siehe Gesetzesbegründung vom 10.06.2015 zu Nr. 64 (§ 137c SGB V) – BT-Drucks. 18/5123).

Es ist daher davon auszugehen, dass Arzneimittelapplikationen, die von einer neuen stationären Behandlungsmethode umfasst werden, und das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten, zulässig sind.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:47:37
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Newsletter Pflichtversicherungsanspruch
 

Zahlungsanspruch gegen eine Krankenkasse aufgrund eines Pflichtversicherungsanspruches des Patienten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V

 Sozialgericht Wiesbaden, Gerichtsbescheid vom 30.12.2016, Az.: S 18 KR 455/14

 - Krankenhausbehandlungskosten, Pflichtversicherungsanspruch gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, Bestehen eines Versicherungsverhältnisses, Beweislasttragung -

  

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Sozialgericht Wiesbaden hat sich in seinem Gerichtsbescheid vom 30.12.2016 mit der Beweislast eines Krankenhauses bezüglich des Bestehens einer Krankenversicherung von behandelten Patienten befasst. Streitig war, ob im Behandlungszeitraum eine Mitgliedschaft bei der beklagten gesetzlichen Krankenkasse bestand.

Sachverhalt

Das von hier aus vertretene klagende Krankenhaus behandelte einen Patienten stationär in der Zeit vom 30.08.2010 bis zu seinem Tod am 23.09.2010. Die Behandlungskosten für den Behandlungsfall beliefen sich auf insgesamt 6.631,52 €. Der Patient war unstrittig zuletzt bis zum 25.04.1986 bei der X-Krankenkasse (X) gesetzlich krankenversichert. Das Krankenhaus stellte daher der X die Kosten für die stationäre Behandlung in Rechnung und verwies darauf, dass der Patient während des Behandlungszeitraumes gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V Pflichtmitglied bei der X gewesen sei. Die X wies die Rechnung mit dem Hinweis auf eine nicht bestehende Mitgliedschaft des Patienten bei ihrer Versicherung zurück. Der Patient sei zuletzt bis zum 25.04.1986 bei ihr krankenversichert gewesen. Im streitgegenständlichen Behandlungszeitraum habe allerdings kein Versicherungsverhältnis bestanden. Zwar habe der zuständige Landkreis vorliegend der X mitgeteilt, dass die Beiträge für die freiwillige Krankenversicherung für die Zeit ab dem 01.07.2010 übernommen würden, allerdings könne der Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung gemäß § 9 Abs. 2 SGB V nur innerhalb von drei Monaten nach Beendigung einer Mitgliedschaft erklärt werden. Dies sei vorliegend nicht geschehen. Darüber hinaus bestehe auch deswegen kein Versicherungsverhältnis, weil der Patient Anspruch auf Leistung der Grundsicherung nach dem SGB XII gehabt habe. Der Patient habe vom 01.10.2009 bis zum 30.06.2010 Leistungen nach dem SGB XII bezogen. Diese Leistungen seien gestrichen worden, weil der Patient seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei. Dies könne der X nicht angelastet werden. Da die X die Zahlung verweigerte, hat das Krankenhaus seine Forderung auf dem Klagewege geltend gemacht.

Entscheidungsgründe

Die Klage des Krankenhauses auf vollständige Bezahlung der Krankenhausrechnung war erfolgreich.

Der Patient sei während der streitgegenständlichen Behandlung nach § 173 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 13 a) SGB V bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert gewesen.

Gemäß § 173 Abs. 1 SGB V seien Versicherungspflichtige und Versicherungsberechtigte grundsätzlich Mitglied der von ihnen gewählten Krankenkasse. Konstitutive Voraussetzung für die Mitgliedschaft eines Versicherungspflichtigen in einer gesetzlichen Krankenkasse sei folglich die Ausübung des Wahlrechts durch die Versicherten nach den § 173 ff. SGB V. Die Vorschriften wurden durch das Gesundheitsstrukturgesetz 1993 neu gefasst worden. Die Neuregelung kehre das bisherige Verhältnis von der Regel der gesetzlichen Zuweisung und Ausnahme des Wahlrechts der Versicherten um. Die Begründung der Zuständigkeit durch die Wahl des Versicherten sei nunmehr bei allen Mitgliedern und Kassenarten die Regel, die gesetzliche Zuweisung zu einer bestimmten Krankenkasse die Ausnahme.

Für den streitgegenständlichen Personenkreis der Versicherungspflichtigen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V habe der Gesetzgeber in § 174 Abs. 5 SGB V unter der Überschrift „Besonderer Wahlrechte“ eine Ausnahmeregelung getroffen. Nach dieser Regelung würden Versicherungspflichtige im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 13 a) SGB V Mitglied der Krankenkasse oder des Rechtsnachfolgers der Krankenkasse, bei der sie zuletzt versichert waren. Die Versicherungspflicht entstehe unabhängig von einem Beitritt oder einer Anzeige kraft Gesetzes (BSG, Urteil vom 12.01.2011 - B 12 KR 11/09 R).

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 a) SGB V seien Personen versicherungspflichtig, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren. Im Rahmen dieser Vorschrift sei die Konkurrenzregelung des § 5 Abs. 8a Satz 1 SGB V zu beachten. Diese schließe eine Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V dann aus, wenn die betreffende Person nach Absatz 1 Nr. 1 bis 12 versicherungspflichtig, freiwilliges Mitglied oder nach § 10 SGB V versichert ist. Dies gelte entsprechend für Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII. Nach § 5 Abs. 8a Satz 3 SGB V gelte dies zudem, wenn der Anspruch auf diese Leistungen für weniger als ein Monat unterbrochen wird.

Tatbestandliche Voraussetzung für den streitgegenständlichen Vergütungsanspruch der Klägerin sei die zwischen den Beteiligten unstreitige Tatsache, dass der Patient zuletzt bis zum 25.04.1986 bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert war.

Die negativen Tatbestandsmerkmale (§ 5 Abs. 8a SGB V), die eine Versicherungspflicht im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V entfallen lassen könnten, seien hingegen nicht erfüllt. Der Patient sei weder nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 12 SGB V versicherungspflichtig, noch sei er freiwilliges Mitglied der Beklagten bzw. nach § 10 SGB V familienversichert. Der Patient habe auch keine laufenden Leistungen nach SGB III, IV, VI, VII oder XII empfangen. Die Beklagte habe im Rahmen ihrer Darlegungslast für diese negativen Tatbestandsmerkmale keinen entsprechenden Tatsachenvortrag darlegen oder unter Beweis stellen können.

Eine freiwillige Krankenversicherung habe nicht vorgelegen. Zwar habe der Landkreis ausweislich der Kostenübernahmeerklärung gegenüber der Beklagten erklärt, dass die Krankenversicherungsbeiträge für eine freiwillige Krankenversicherung des Patienten gemäß § 32 SGB XII ab dem 01.07.2010 übernommen würden. Die nach § 9 Abs. 2 SGB V erforderliche Beitrittserklärung zur freiwilligen Krankenversicherung sei jedoch eine empfangsbedürftige Willenserklärung des Berechtigten (Patienten) die nach § 188 Abs. 3 SGB V schriftlich zu erfolgen habe. Der Patient habe den Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung gegenüber der Beklagten allerdings nicht erklärt. Im Übrigen hätte die Erklärung innerhalb der dreimonatigen Ausschlussfrist des § 9 Abs. 2 SGB V nach der Beendigung der Mitgliedschaft im Jahr 1986 erfolgen müssen, was nicht der Fall gewesen sei.

Der Patient habe im streitgegenständlichen Zeitraum auch keine laufenden Leistungen nach dem SGB XII empfangen. Für den „Empfang“ der Leistungen im Sinne von Absatz 8a komme es auf den vom Sozialhilfeträger durch Verwaltungsakt bestimmten zuerkannten Beginn des Leistungsanspruchs an (BSG, Urteil vom 06.10.2010 - B 12 KR 25/09 R). Der Landkreis als zuständiger Träger der Sozialhilfe habe dem Patienten für den streitgegenständlichen Zeitraum allerdings keine Leistungen durch Verwaltungsakt zuerkannt. Es könne dahinstehen, ob der Patient ggf. einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII gehabt haben könnte. Maßgeblich sei, dass der Patient zum Zeitpunkt der stationären Behandlung aufgrund fehlender positiver Verwaltungsentscheidung des Sozialhilfeträgers tatsächlich keine Leistungen zuerkannt bekommen und diese Leistungen in der Folge tatsächlich nicht empfangen hat. Hieran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Patient bis Juni 2010 Sozialhilfeleistungen bezogen habe und diese Leistungen nur aufgrund seiner mangelnden Mitwirkung gestrichen wurde. Der tatsächliche Bezug von Sozialleistungen sei in dem streitgegenständlichen Leistungszeitraum nämlich länger als ein Monat unterbrochen gewesen (§ 5 Abs. 8a Satz 3 SGB V).

Anmerkung

Die Kammer des Sozialgerichts Wiesbaden gibt in seiner Entscheidung einen detaillierten Überblick über die jeweiligen Ausformungen gesetzlicher Krankenversicherungen und deren Begründung sowie deren Fortbestand im Falle eines zum Zeitpunkt der Behandlung eines Patienten unklaren Versicherungsstatus. Die Kammer hat klargestellt, dass eine gesetzliche Krankenkasse, wenn sie sich im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens darauf beruft, dass sie nicht der letzte Versicherer war bzw. ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht, diese Einwendungen zu beweisen hat. Kann sie dies nicht, geht dies zu ihren Lasten und sie muss die Regelungen der §§ 174 Abs. 5, 5 Abs. 1 Nr. 13 a) SGB V gegen sich gelten lassen.

Der Gerichtsbescheid ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:48:40
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Newsletter Aufwandspauschale
 

Die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V fällt nur dann an, wenn die Krankenkasse den MDK wegen einer Auffälligkeit gezielt beauftragt hat, eine gutachterliche Stellungnahme abzugeben mit dem Ziel, in Verfolgung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Verminderung der Vergütung zu gelangen. Ein Anspruch auf Aufwandspauschale besteht nur bei Auffälligkeitsprüfungen von Unwirtschaftlichkeiten.

BSG, Urteil vom 25.10.2016, Az.: B 1 KR 22/16 R

- Aufwandspauschale, Auffälligkeitsprüfung, sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung, Rechnungslegung, MDK-Prüfung, Wirtschaftlichkeitsgebot, Unwirtschaftlichkeit -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

nachdem sich mehrere erstinstanzliche Sozialgerichte gegen die Auffassung des BSG zur Aufwandspauschale gewandt haben, hat nunmehr das Bundessozialgericht in mehreren Entscheidungen seine Rechtsauffassung hierzu bestätigt. Die Aufwandspauschale fällt daher nur bei einer Auffälligkeitsprüfung in Verfolgung des Wirtschaftlichkeitsgebots an.

Sachverhalt

Im vorliegenden Verfahren wurde der MDK von der AOK Niedersachsen mit einer Prüfung einer Abrechnung beauftragt. Die Krankenhausbehandlung erfolgte vom 05. bis 13.01.2010. Der Prüfauftrag an den MDK bezog sich auf Nebendiagnosen, die Hauptdiagnose und weitere Kodierungen nach dem OPS (Version 2010). Im Ergebnis bestätigt der MDK die Richtigkeit der abgerechneten DRG-Fallpauschale. Das Krankenhaus forderte vergeblich von der Beklagten die Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 €. Die Vorinstanzen verurteilten die Krankenkasse zur Zahlung der Aufwandspauschale. Das BSG gab der Revision der Krankenkasse statt und verneinte den Anspruch auf Aufwandspauschale.

Entscheidungsgründe

Das BSG lässt sich von folgenden Kernargumenten leiten:

·       Der Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale ist eine eng auszulegende Ausnahmeregelung. Sie dient der Einschränkung von Prüfungen, die Krankenkassen  ohne berechtigten Anlass oder sogar durch missbräuchliche Prüfungsbegehren eingeleitet haben. Sie bezieht sich nicht auf Verfahren, zu denen es durch ein Fehlverhalten des Krankenhauses gekommen ist (BSG, aaO, Rdz 9)

·     Die Aufwandspauschale fällt nur dann an, wenn die Krankenkasse den MDK wegen einer Auffälligkeit gezielt beauftragt hat, eine gutachtliche Stellungnahme abzugeben mit dem Ziel, in Verfolgung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Verminderung der Vergütung zu gelangen, d.h. eine Verminderung des (möglicherweise) vom Krankenhaus zu hoch angesetzten Abrechnungsbetrages zu erreichen. Ein Anspruch auf Aufwandspauschale besteht nur bei Auffälligkeitsprüfungen von Unwirtschaftlichkeiten (Die weitergehende Auffassung des 3. Senats wird ausdrücklich aufgegeben – BSG, aaO, Rdz 9)

· Die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung ist eine eigenständige Prüfungsform. Sie kontrolliert, dass das Krankenhaus seine Informations- und Abrechnungspflichten durch zutreffende tatsächliche Angaben und rechtmäßige Abrechnung erfüllt. Das Überprüfungsrecht der Krankenkasse auf sachlich-rechnerische Richtigkeit besteht unabhängig von den engeren Anforderungen einer Auffälligkeitsprüfung. Es unterliegt einem eigenen Prüfregime.

·        Die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung dient dazu, die Abrechnungs- und Informationspflichten der Krankenhäuser zu überwachen. Sie beruht auf § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. den allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen der Rechnungslegung (BSG, aaO, Rdz 16).

·      Für eine Aufwandspauschale bei sachlich-rechnerischer Richtigkeitsprüfung ist kein Raum.

·      Die Beauftragung des MDK bei sachlich-rechnerischer Richtigkeitsprüfung ist rechtlich zulässig. Das Krankenhaus darf sich in entsprechender Anwendung des § 276 Abs. 2 SGB V zur Erfüllung seiner Verpflichtungen des MDK bedienen. Es ist datenschutzrechtlich unerheblich, ob das Krankenhaus die vollständigen Daten nach § 301 SGB V an die Krankenkasse weiterleitet oder ob das Krankenhaus im Einverständnis mit der Krankenkasse die Daten direkt dem MDK zur Verfügung stellt.

·     Das Krankenhaus ist verpflichtet, die Daten zur Abrechnung zutreffend und vollständig anzugeben. § 301 SGB V gebietet, wahre Angaben zum Behandlungsgeschehen zu machen, die Fehlvorstellungen der Krankenkassen über das konkrete, abrechnungsrelevante Behandlungsgeschehen ausschließen.

·     „Das Krankenhaus ist nicht etwa aus datenschutzrechtlichen Gründen zur irreführenden Falschabrechnung gezwungen“(BSG, aaO, Rdz 25).

·      Es entspricht den eigenen Interessen des Krankenhauses, der Krankenkasse die entsprechenden Sachverhalte vollständig und nachvollziehbar mitzuteilen, die es zu seiner Auslegung der Abrechnungsvorschriften veranlasst haben.

·      „Nur so beugt das Krankenhaus einer Irreführung und darauf beruhender täuschungsbedingter ungerechtfertigter Vermögensverfügung der Krankenkasse vor, ermöglicht der Krankenkasse die sachlich-rechnerische Richtigkeitskontrolle und schafft damit die für die Zusammenarbeit unerlässliche Vertrauensbasis“ (BSG, aaO, Rdz 28).

·    Der Prüfanlass der Auffälligkeit ist weit zu verstehen, um zweckgerecht der asymmetrischen Informationslage zwischen Krankenhaus und Krankenkasse unter Gesamtschau der einschlägigen Regelungen Rechnung zu tragen (BSG, aaO, Rdz 33).

·   Die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit kann auch Anlass zur Einschaltung des MDK durch die Krankenkasse sein. Dies führt jedoch nicht zu einer Änderung des Prüfregimes und löst die Pflicht zur Zahlung der Aufwandspauschale nicht aus (BSG, aaO, Rdz 34).

·        Das BSG führt in seinem Terminsbericht vom 25.10.2016 zusätzlich aus:

„Das Gesetz begünstigt jedenfalls bis zum Ablauf des 31.12.2015 keine in tatsächlicher Hinsicht möglicherweise unzutreffenden, irreführenden, vermögensschädigenden oder gar strafrechtlich relevanten Abrechnungen, in dem es hierbei unzutreffende Angaben durch ein zeitliches Prüffenster von 6 Wochen und anschließende Verwertungsverbote vor Entdeckung schützt.“

Anmerkungen

Es ist bedauerlich, dass das BSG nicht zu einer Neubewertung seiner Rechtsprechung gekommen ist, nachdem sich eine Vielzahl von Sozialgerichten mit beachtlichen Argumenten gegen diese Rechtsprechung gewandt hat. Nach der unterinstanzlichen Rechtsprechung gibt es kein eigenständiges Prüfregime einer sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung. Die Schaffung eines solchen Konstrukts sei rechtlich zweifelhaft. Im Übrigen bestünde dann auch für die Krankenkasse keine Möglichkeit, auf der Basis des § 275 Abs. 1c SGB V den MDK zu beauftragen. Gewichtige Datenschutzgründe sprächen daher auch gegen die Auffassung des 1. Senats des BSG.

Alle diese fundierten Gegenargumente hat das BSG zur Seite gelegt und seine bisherige Rechtsprechung beibehalten. Das Urteil des BSG offenbart in der Tiefe der Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten die Argumentationsnöte des BSG bei der Interpretation einer einfachgesetzlichen Regelung, die nur zum Ziel hat, den Aufwand des Krankenhauses durch eine Pauschale abzudecken, die dann anfällt, wenn es zu keiner Rechnungsminderung kommt. Deutlich wird dies daran, dass das BSG für die Prüfungsbefugnis der Krankenkasse bei sachlich-rechnerischer Richtigkeitsprüfung auf die Rechnungslegung nach allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen zurückgreifen musste. Würde dies zutreffen, wären die Detailregelungen in § 275 SGB V zur Beauftragung des MDK überflüssig.

Letztlich konnte auch die Änderung des Gesetzgebers zu § 275 Abs. 1c SGB V in Folge des KHSG das BSG nicht zum Umdenken veranlassen.

§ 275 Abs. 1c SGB V ist zum 01.01.2016 wie folgt ergänzt worden:

„Als Prüfung nach Satz 1 ist jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses anzusehen, mit der die Krankenkasse den Medizinischen Dienst beauftragt und die eine Datenerhebung durch den Medizinischen Dienst beim Krankenhaus erfordert.“

Die Rechtsprechung des BSG hat daher nur noch für zurückliegende Zeiträume Bedeutung.

Das Urteil ist hier wiedergeben.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:48:55
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Newsletter Mehrleistungsabschlag
 

Ausreichend für die Anerkennung der Abschlagsfreiheit von Mehrleistungen aufgrund der Krankenhausplanung ist eine Billigung durch die zuständige Krankenhaus-planungsbehörde. Die Billigung kann auch nachträglich von Seiten der Krankenhausplanungsbehörde erklärt werden.

- Mehrleistungsabschlag, Abschlagsfreiheit, Ausnahmetatbestand, zusätzliche Kapazitäten aufgrund der Krankenhausplanung, Billigung durch die Krankenhausplanungsbehörde, nachträgliche Billigung -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

eine Pflegesatzschiedsstelle nach § 18a KHG musste sich kürzlich mit der Frage befassen, ob zusätzliche Kapazitäten, die vom Krankenhaus geschaffen wurden, als abschlagsfrei nach § 4 Abs. 2a Satz 3 KHEntgG anerkannt werden.

Zwischen den Vertragsparteien war unstreitig, dass zusätzliche Kapazitäten (Neueinrichtung einer geriatrischen Station) geschaffen wurden, die zu Mehrleistungen führten. Das Krankenhaus hatte hierzu eine ausdrückliche Billigung der zuständigen Krankenhausplanungsbehörde vorgelegt, die zum Ausdruck brachte, dass die neu eingerichtete geriatrische Station nicht nur im Interesse des Landes liegt, sondern sogar vom Land als erforderlich angesehen wird, um der derzeitigen und künftigen Nachfrage in der Geriatrie Rechnung zu tragen.

Der von uns vertretene Krankenhausträger hatte im Einzelnen konkret dargelegt, dass die Billigung von der Krankenhausplanungsbehörde vor dem eigentlichen Umbau und Schaffung der zusätzlichen Kapazitäten erfolgte. Demgegenüber stellten die Sozialleistungsträger auf die vorausgehende Planung der Umbaumaßnahme ab und wandten im Ergebnis ein, vorliegend sei eine nachträgliche Billigung durch die Krankenhausplanungsbehörde erfolgt. Dies reiche nicht aus; eine Billigung durch die Krankenhausplanungsbehörde müsse vor Beginn der Planungsphase vorliegen.

Die angerufene Schiedsstelle hat zunächst festgestellt, dass eine Befreiung vom Mehrleistungsabschlag dann in Betracht kommt, wenn das Land sich diese Maßnahme zurechnen lässt, also von Seiten des Landes zum Ausdruck kommt, dass die Kapazitätserweiterung gutgeheißen wird. Davon sei nach dem Urteil des BVerwG vom 16.09.2015, Az.: 3 C 9/14, juris, auszugehen. Auch die Sozialleistungsträger hätten nicht in Abrede gestellt, dass die zusätzlichen Kapazitäten bedarfsnotwendig und sachgerecht seien.

Im Übrigen stellte die Schiedsstelle fest, dass es unerheblich sei, wann das Krankenhaus um die Zustimmung ersucht und wann diese erteilt wurde. Zwar sei es sinnvoll, die Zustimmung der Krankenhausplanungsbehörde so früh wie möglich einzuholen, notwendig sei dies allerdings nicht. Entscheidend sei ausschließlich, ob die Kapazitätserweiterung nach Auffassung der Krankenhausplanungsbehörde zur Patientenversorgung erforderlich und daher planerisch zu billigen ist.

Anmerkung

Grundlage der Entscheidung der Schiedsstelle ist das Urteil des BVerwG vom 16.09.2015, Az.: 3 C 9/14, juris. Danach setzt § 4 Abs. 2a Satz 3 KHEntgG voraus, dass die Krankenhausplanungsbehörde die Erweiterung der Kapazitäten des Krankenhauses gebilligt hat. Dabei lässt es das BVerwG ausreichen, wenn die zuständige Krankenhausplanungsbehörde ihr Einverständnis mit der Maßnahme außerhalb des Krankenhausplans erklärt hat (BVerwG, a.a.O., Rdz. 40). Ausfluss dieser Rechtsprechung ist die unterschiedliche Art und Weise der Krankenhausplanung in den Bundesländern, die sich zum Teil auf eine reine Rahmenplanung beschränkt und keine Planbetten mehr ausweist.

In Fortführung der Rechtsprechung des BVerwG hat die Schiedsstelle zu Recht den Zeitpunkt der Billigung der Maßnahme durch die Krankenhausplanungsbehörde für irrelevant gehalten. Dies ist der richtige Ansatzpunkt, da die Zurechnung einer kapazitätserweiternden Maßnahme für das Land unabhängig vom Zeitpunkt der Erklärung ist. Das BVerwG hat hierzu bereits ausgeführt, dass es nicht notwendig ist, dass der Anstoß zur Erweiterung der Kapazitäten von Seiten der Krankenhausplanungsbehörde ausgegangen ist. Entscheidend sei vielmehr, dass die Krankenhausplanungsbehörde die zusätzlichen Kapazitäten gebilligt und damit bestätigt hat, dass die Maßnahme aus Sicht der Krankenhausplanung erwünscht ist.

Der Schiedsstellenbeschluss hat daher vollumfänglich der Auffassung des Krankenhausträgers Rechnung getragen und die durch die Kapazitätserweiterung bedingten Mehrleistungen vom Mehrleistungsabschlag ausgenommen.

  letzte Änderung: 06.08.2018 16:49:08
 
Newsletter: Anwendung von Coils zur Lungenvolumenreduktion in der Regelversorung
 

Sozialgericht für das Saarland, Gerichtsbescheid vom 30.11.2016, Az.: S 1 KR 288/16

 - Bronchoskopische Lungenvolumenreduktion, Coils, Zulässigkeit der Behandlungsmethode, Vergütung des Behandlungsfalles -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Sozialgericht für das Saarland hat sich in seinem Gerichtsbescheid vom 30.11.2016 mit der Abrechenbarkeit und Verwendung von Lungencoils beschäftigt. Im Ergebnis hat das Sozialgericht klargestellt, dass es sich bei der Behandlungsmethode nicht um eine Außenseitermethode handelt.

Sachverhalt

Das von uns vertretene Krankenhaus behandelte eine Versicherte stationär vom 30.08.2015 bis zum 08.09.2015. Es wurde u.a. die Implantation eines Coils zur bronchoskopischen Lungenvolumenreduktion durchgeführt. Die Patientin litt an einem schweren Lungenemphysem mit einer COPD Stadium IV nach Gold. Konservative Therapien (inhalative Medikamente, Langzeitsauerstofftherapie, Rehabilitationsmaßnahmen) blieben bislang erfolglos. Für die stationäre Behandlung stellte das Krankenhaus der beklagten gesetzlichen Krankenversicherung die DRG E05C (Andere große Eingriffe am Thorax, ohne äußerst schwere CC, außer bei bösartiger Neubildung) in Höhe von 19.864,21 € in Rechnung. Die Krankenkasse beglich die Rechnung lediglich in Höhe von 3.123,81 €. Sie beruft sich auf ein eingeholtes MDK-Gutachten, mit welchem dieser zur Auffassung gelangt war, dass es nicht vertretbar sei, die Anwendung von Coils zur Lungenvolumenreduktion in der Regelversorgung anzuwenden. Das Krankenhaus machte daraufhin seine Forderung gerichtlich geltend. Zur Begründung seines Anspruchs trug das Krankenhaus vor, dass die bronchoskopische Lungenvolumenreduktion mittels Coils eine zulässige Behandlungsmethode darstelle, die nach bisher vorliegenden Studien medizinisch anerkannt sei. Im stationären Bereich sei die Anwendung dieser Untersuchungs- und Behandlungsmethode zulässig, da ein Negativvotum des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht vorliege. Vor diesem Hintergrund hätten das Krankenhaus und die Krankenkasse im Rahmen ihrer Budgetverhandlungen ausdrücklich auch die Untersuchungs- und Behandlungsmethode der endobronchialen bronchoskopischen Nitionalspiralen (Coils) vereinbart.

Entscheidungsgründe

Die Klage des Krankenhauses auf vollständige Bezahlung der Krankenhausrechnung war erfolgreich. Das Sozialgericht vertritt die Auffassung, dass es sich bei der durchgeführten bronchoskopischen Lungenemphysembehandlung mittels Coils auch nicht um eine Behandlungsmethode handelt, die als Außenseitermethode qualifiziert werden könne. Dies zeige sich an den von der Klägerin zitierten Studien und wissenschaftlichen Veröffentlichungen sowie an der ausdrücklichen Vereinbarung eines budgetrelevanten Entgeltes. Darüber hinaus habe die Klägerin zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass die stationäre Aufnahme und die durchgeführte bronchoskopische Lungenemphysembehandlung mittels Coils bei der Patientin aufgrund ihrer bisherigen Krankheitshistorie sowie ihrem damaligen Gesundheitszustand medizinisch notwendig waren.

Anmerkung

Das Sozialgericht hat festgestellt, dass es sich bei der Verwendung und Behandlung durch die endoskopische Lungenvolumenreduktion mittels Coils nicht um eine Außenseitermethode handelt. Die Abrechnung ist daher zu Recht erfolgt.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:39:24
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Die 10 wichtigsten Neuregelungen des PsychVVG
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Bundestag hat am 10.11.2016 in dritter Lesung das Gesetz zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psychiatrische und psychosomatische Leistungen (PsychVVG) beschlossen. Da es sich um ein nicht zustimmungspflichtiges Gesetz handelt, ist davon auszugehen, dass der Bundesrat das Gesetz passieren lassen wird.

Nachfolgend werden die 10 wichtigsten Neuregelungen des PsychVVG dargestellt.

1.      Neuausrichtung des PEPP-Systems

Der Gesetzgeber macht eine Kehrtwendung von dem ursprünglich vorgesehenen Preissystem hin zu einem Budgetsystem. Er hebt daher die ursprünglich vorgesehene Konvergenz von krankenhausindividuellen Preisen zu einem Landes-Preisniveau wieder auf. Das eingeführte PEPP-System bleibt als Abrechnungssystem bestehen.

2.      Verlängerung der Optionsphase

Die Optionsphase wird bis 31.12.2017 verlängert. Allerdings entfallen die bisherigen Anreize zur Ausübung der Option. Ab dem Jahr 2018 ist das neue Entgeltsystem unter budgetneutralen Bedingungen von allen psychiatrischen/psychosomatischen Einrichtungen zwingend anzuwenden.

3.      Grundlage der Budgetverhandlung bis 31.12.2019

Die Budgetverhandlungen vor Ort erfolgen auf der Grundlage des § 6 Abs. 1 BPflV a.F. (in der am 31.12.2012 geltenden Fassung). Diese Regelung gilt bis zum 31.12.2019.

4.   Neuer Ausnahmetatbestand bei Unterschreitung der Vorgaben der Psych-PV

Es wird ein weiterer Gesamtbetrags-Erhöhungstatbestand in § 18 Abs. 3 BPFlV idF PsychVVG eingeführt. Werden die Vorgaben der Psychiatrie-Personalverordnung zur Zahl der Personalstellen im Jahr 2016 unterschritten, kann das Krankenhaus den Gesamtbetrag in Höhe der entstehenden Kosten für die zusätzlich zu besetzenden Stellen gesamtbetragserhöhend ab dem Jahr 2017 geltend machen. Die gesetzlich normierte Obergrenze kann daher überschritten werden. Hierfür ist ein Nachweis gegenüber dem InEK und den Krankenkassen erforderlich, der im Einzelnen geregelt ist.

5.      Nachweispflicht der Einhaltung der Vorgaben der Psych-PV (2016 – 2019)

Für die Jahre 2016 bis 2019 hat das Krankenhaus gegenüber dem InEK und den Krankenkassen nachzuweisen, inwieweit die Vorgaben der Psych-PV zur Zahl der Personalstellen eingehalten werden. Aus dem Nachweis muss insbesondere die vereinbarte Stellenbesetzung in Vollkräften, die tatsächliche jahresdurchschnittliche Stellenbesetzung in Vollkräften, jeweils gegliedert nach Berufsgruppen, sowie der Umsetzungsgrad der personellen Anforderungen hervorgehen. Der Nachweis ist retrospektiv bereits für das Jahr 2016 zum 01.08.2017 zu führen. Ab dem Jahr 2020 gilt die Nachweispflicht bezogen auf die Einhaltung der Vorgaben des G-BA zur Ausstattung mit dem für die Behandlung erforderlichen therapeutischen Personal nach § 136a Abs. 2 SGB V.

6.      Rückzahlungspflichten – Absenkung des Gesamtbetrags

In dem Zeitraum 2017 bis 2019 muss keine Rückzahlung von Mitteln für die Personalaufstockung bzw. keine Absenkung des Gesamtbetrags erfolgen, wenn das Krankenhaus nachweist, dass die im Gesamtbetrag vereinbarten Mittel für Personal vollständig für die Finanzierung von Personal verwendet wurden. Damit erhält das Krankenhaus die Möglichkeit, darzulegen, dass die zur Verfügung gestellten Mittel für alle Personalkosten in der Einrichtung notwendig waren und zweckentsprechend verwendet wurden. Aus der Gesetzesbegründung geht hervor, dass auch Kosten für Personal ohne direktes Beschäftigungsverhältnis mit dem Krankenhaus, die als Sachkosten zugeordnet werden, als Personalkosten zu berücksichtigen sind. Wird im Rahmen der Vereinbarung des Gesamtbetrags für das folgende Kalenderjahr festgestellt, dass die vereinbarten Personalkosten im vorangegangenen Kalenderjahr nicht unterschritten wurden, darf auch bei Unterschreitung der Personalvorgaben der Psych-PV der Gesamtbetrag nicht abgesenkt werden. Es handelt sich insoweit um eine zweckentsprechende Mittelverwendung.

7.      Mindestpersonalvorgaben des G-BA ab dem Jahr 2020

Die Psych-PV wird ab dem Jahr 2020 durch Mindestpersonalvorgaben des G-BA abgelöst. Bei der Vereinbarung des Gesamtbetrags sind die durch die Umsetzung der Mindestpersonalvorgaben des G-BA entstehenden Kosten zu berücksichtigen. Insoweit kann auch die Obergrenze überschritten werden. Wie die Mindestpersonalvorgaben des G-BA aussehen, ist zurzeit noch nicht absehbar. Ergibt der zu führende Nachweis nach § 18 Abs. 2 BPflV idF PsychVVG, dass eine vereinbarte Stellenbesetzung nicht vorgenommen wurde, haben die Vertragsparteien zu vereinbaren, inwieweit der Gesamtbetrag abgesenkt wird. Dies gilt aber nur, wenn eine dauerhafte Unterschreitung der vereinbarten Stellenzahl vorliegt. Wird nach Absenkung des Gesamtbetrags eine Stellenbesetzung vorgenommen, ist der Gesamtbetrag für den nächsten Budgetzeitraum in Höhe der entstehenden Kosten wieder anzuheben.

8.      Etablierung eines leistungsbezogenen Vergleichs

Das PsychVVG führt einen leistungsbezogenen Vergleich auf Landes- und Bundesebene ein (§ 4 BPflV idF PsychVVG). Dieser wird von den Vertragsparteien auf Bundesebene erstellt. Dieser leistungsbezogene Vergleich dient der Unterstützung der Vertragsparteien bei der Vereinbarung eines leistungsgerechten Gesamtbetrags, eines leistungsgerechten krankenhausindividuellen Basisentgeltwerts und sonstiger leistungsgerechter krankenhausindividueller Entgelte. Regionale und strukturelle Besonderheiten können berücksichtigt werden. Ab dem Jahr 2020 sind die Ergebnisse des leistungsbezogenen Vergleichs bei der Vereinbarung des Gesamtbetrages zu berücksichtigen. Führen die Ergebnisse des Vergleichs dazu, dass der Gesamtbetrag zu vermindern (ggf. zu erhöhen) ist, haben die Vertragsparteien ab dem Jahr 2020 über Umfang, Dauer und weitere Einzelheiten der Anpassung des Gesamtbetrags eine Anpassungsvereinbarung zu treffen. Entgelte, die die maßgeblichen Vergleichswerte nach § 4 BPflV idF PsychVVG deutlich überschreiten, dürfen nur vereinbart werden, wenn der Krankenhausträger schlüssig darlegt, aus welchen Gründen die Überschreitung unabweisbar ist. Nach der Gesetzesbegründung ist von einer deutlichen Überschreitung dann auszugehen, wenn die maßgeblichen Vergleichswerte um mehr als 1/3 überschritten werden. Für die Notwendigkeit der Überschreitung trägt das Krankenhaus letztlich die Beweislast.

9.      Tariferhöhungsrate

Das PsychVVG sieht wiederum eine Tariferhöhungsrate vor (40 % der auf Bundesebene vereinbarten Erhöhungsrate für Tariferhöhungen), unabhängig davon ob Einrichtungen optieren oder nicht optieren.

10.  Home Treatment

Als neue Behandlungsform der Krankenhausbehandlung wird das sog. Home Treatment (stationsäquivalente psychiatrische Behandlung im häuslichen Umfeld) eingeführt. Die Regelung hierfür findet sich in § 115d SGB V idF PsychVVG. Damit soll die sektorübergreifende Versorgung gestärkt werden. Die Festlegung der näheren Einzelheiten obliegt der Selbstverwaltung auf Bundesebene.

Anmerkungen von RA Friedrich W. Mohr, Fachanwalt für Medizinrecht

Aus der Vielzahl der Neuerungen durch das PsychVVG werden sich für die psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen neue strategische Überlegungen (insbesondere zur Leistungserbringung) ergeben müssen. Besondere Bedeutung erlangen hierbei die neuen Nachweispflichten und die sich ggf. daraus ergebenden Rückzahlungspflichten bei nicht zweckentsprechender Mittelverwendung. Dabei haben die Krankenhäuser zur Vermeidung einer Rückzahlungspflicht (beginnend mit dem Jahr 2018 für das Jahr 2017) darzulegen, dass sie die im Gesamtbetrag vorgesehenen Mittel für das beschäftigte Personal zweckentsprechend verwendet haben. Damit kommt der Vereinbarung für das Jahr 2016 als Ausgangspunkt besonderes Gewicht zu. Aus der Vereinbarung des Jahres 2016 sollte sich der Personalkostenblock ergeben. Darauf stellt auch die Gesetzesbegründung ab, die auf den Abschnitt K3 nach Anlage 1 der BPflV in der am 31.12.2012 geltenden Fassung verweist. Soweit noch kein Abschluss einer Budgetvereinbarung für das Jahr 2016 erfolgt ist, sollte unbedingt eine sachgerechte Darstellung bei den K-Teilen erfolgen. Im Übrigen ist darauf zu achten, dass die neu eingeführte Nachweispflicht auch bereits für das Jahr 2016 retrospektiv gilt und bis zum 01.08.2017 erfüllt werden muss.

Die Budgetverhandlungen werden von dem Hintergrund der Neuerungen durch das PsychVVG in jedem Falle schwieriger und konfliktträchtiger.

 

  letzte Änderung: 01.02.2017 15:44:12
 
Newsletter Fixkostendegressionsabschlag
 

Der Gesetzgeber hat für die Jahre 2017 und 2018 den Fixkostendegressionsabschlag in Höhe von 35 Prozent festgelegt.

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Fixkostendegressionsabschlag (FDA) nach § 4 Abs. 2b KHEntgG stellt einen Vergütungsabschlag für Fallpauschalen-Leistungen dar, die gegenüber dem Vorjahr zusätzlich im Erlösbudget berücksichtigt werden.

Nachdem die Landesverbände der Krankenkassen und Verbände der Ersatzkassen weit überzogene Forderungen in Höhe von 92,5 % und darüber hinaus gestellt hatten, hat nunmehr der Gesetzgeber im Rahmen des PsychVVG für die Jahre 2017 und 2018 den FDA bundesweit in Höhe von 35 % festgelegt. Erst für das Jahr 2019 müssen die Vertragsparteien auf Landesebene den FDA vereinbaren. Nach der Begründung wird davon ausgegangen, dass die Vertragsparteien auf Landesebene dann die bisherigen gesetzlichen Werte als Basis für ihre Verhandlungen nutzen.

Gleichzeitig hat der Gesetzgeber für die Verhandlungen der Vertragsparteien vor Ort eine gesetzliche Obergrenze in Höhe von 50 % vorgegeben. Nach der Regelung in § 4 Abs. 2b KHEntgG kann für zusätzliche Leistungen mit höherer Fixkostendegression oder für Leistungen, bei denen bereits in erhöhtem Maße wirtschaftlich begründete Fallzahlsteigerungen eingetreten sind (soweit es sich nicht um Leistungen handelt, deren Bewertung nach § 9 Abs. 1c KHEntgG abgesenkt oder abgestuft wurde), ein höherer Abschlag oder eine längere Abschlagsdauer vereinbart werden. Hierfür besteht nunmehr befristet für die Jahre 2017 und 2018 eine gesetzliche Obergrenze in Höhe von 50 %.

Da das PsychVVG nicht zustimmungspflichtig ist, ist davon auszugehen, dass die vorstehenden Änderungen des Krankenhausentgeltgesetzes in dieser Form rückwirkend zum 10.11.2016 (Tag der 3. Lesung des Deutschen Bundestages) in Kraft treten.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:38:59
 
Newsletter Aufwandspauschale
 

Die Regelung über eine Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V umfasst nur Prüfbegehren, die mit Hilfe des MDK die Wirtschaftlichkeit der Behandlung kontrollieren sollen.

Urteile des BSG vom 25.10.2016, B 1 KR 22/16 R, B 1 KR 16/16 R, B 1 KR 18/16 R und B 1 KR 19/16 R

- Auffälligkeitsprüfung, sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung, Wirtschaftlich-keitsprüfung, MDK-Prüfung, eigenständiges Prüfregime -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

in vier Musterverfahren hat sich das BSG erneut zur Frage der Abrechnung einer Aufwandspauschale geäußert, wenn ausschließlich die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung betroffen ist. Der 1. Senat ist bei seiner bisherigen Rechtsauffassung geblieben, obwohl eine Vielzahl von unterinstanzlichen Sozialgerichten sich gegen die Rechtsprechung des BSG mit durchschlagenden Argumenten gewehrt hat.

Sachverhalt

In allen Verfahren wurde der MDK von der jeweiligen Krankenkasse mit einer Prüfung beauftragt. Die Krankenhausbehandlungen erfolgten im Jahr 2010 bzw. im Jahr 2014.

Der Prüfauftrag an den MDK bezog sich auf Nebendiagnosen, Hauptdiagnosen und die Frage, ob Operationen und Prozeduren korrekt kodiert worden seien. Teilweise nahm der Prüfauftrag ausdrücklich auf § 275 Abs. 1c SGB V Bezug genommen.

In allen Fällen führten die MDK-Prüfungen zu keiner Rechnungskürzung, so dass die Krankenhäuser jeweils die Aufwandspauschale in Rechnung stellten.

Entscheidungsgründe

Das BSG hat in seinen Entscheidungsgründen seine bisherige Rechtsprechung bestätigt und ausdrücklich beibehalten. Die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung ist eine eigenständige Prüfungsform. Sie kontrolliert, dass das Krankenhaus seine Informations- und Abrechnungspflichten durch zutreffende tatsächliche Angaben und rechtmäßige Abrechnung erfülle. Dieses Prüfungsrecht entspreche seit jeher den allgemeinen Grundsätzen der Rechnungsprüfung des bürgerlichen Rechts. Die Aufwandspauschale könne nur dann in Betracht gezogen werden, wenn mit Hilfe des MDK die Wirtschaftlichkeit der Behandlung geprüft werden soll. Für eine Aufwandspauschale bei sachlich-rechnerischer Richtigkeitsprüfung sei kein Raum.

Abschließend führt das BSG in seinem Terminsbericht vom 25.10.2016 aus:

„Das Gesetz begünstigt jedenfalls bis zum Ablauf des 31.12.2015 keine in tatsächlicher Hinsicht möglicherweise unzutreffenden, irreführenden, vermögensschädigenden oder gar strafrechtlich relevanten Abrechnungen, in dem es hierbei unzutreffende Angaben durch ein zeitliches Prüffenster von 6 Wochen und anschließende Verwertungsverbote vor Entdeckung schützt.“

Anmerkung

Es ist bedauerlich, dass das BSG nicht zu einer Neubewertung seiner Rechtsprechung gekommen ist, nachdem eine Vielzahl von Sozialgerichten sich mit beachtlichen Argumenten gegen diese Rechtsprechung gewandt hat. Nach der unterinstanzlichen Rechtsprechung gibt es kein eigenständiges Prüfregime einer sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung. Die Schaffung eines solchen Konstrukts sei rechtlich zweifelhaft. Im Übrigen bestünde dann auch für die Krankenkasse keine Möglichkeit, auf der Basis des § 275 Abs. 1c SGB V den MDK zu beauftragen. Gewichtige Datenschutzgründe sprächen daher auch gegen die Auffassung des 1. Senats des BSG.

SG Mainz, Urteil  vom 04.05.2015 - S 3 KR 428/14

SG Speyer, Urteil vom  28.07.2015 - S 19 KR 588/14

SG Darmstadt, Urteil vom 07.12.2015 - S 8 KR 434/14

SG Gelsenkirchen, Urteil vom 07.01.2016 - 11 KR 1630/15

SG Trier, Urteile vom 17.02.2016 -  S 5 KR 100/15

SG Trier, Urteile vom 17.02.2016 - S 5 KR 108/15

Alle diese nachvollziehbaren und gewichtigen Argumente hat das BSG in seinen vorgenannten Entscheidungen zur Seite gelegt.

Hervorsticht der letzte Satz im Terminsbericht vom 25.10.2016, in dem indirekt Vorwürfe wegen Falschabrechnung im Krankenhausbereich in den Vordergrund der Entscheidung gerückt werden. Danach sollen unzutreffende, irreführende oder strafrechtlich relevante Abrechnungen nicht vor Entdeckung geschützt werden.

Der Zusammenhang zur Aufwandspauschale erschließt sich dabei nicht. In allen Fällen hat das Krankenhaus gerade zutreffende Angaben gemacht und eine korrekte Abrechnung durchgeführt, was im anschließenden Prüfverfahren vom MDK ausdrücklich bestätigt worden ist. Die indirekte Unterstellung des 1. Senats ist daher nicht gerechtfertigt.

Des Weiteren lässt das BSG anklingen, dass ab dem 01.01.2016 auch die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung unter den gesetzlichen Voraussetzungen eine Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V auslöst. Durch das KHSG ist § 275 Abs. 1c SGB V wie folgt ergänzt worden:

„Als Prüfung nach Satz 1 ist jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses anzusehen, mit der die Krankenkasse den Medizinischen Dienst beauftragt und die eine Datenerhebung durch den Medizinischen Dienst beim Krankenhaus erfordert.“

Zurzeit liegt nur der Terminsbericht des BSG vor. Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werde ich erneut berichten.

 

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:39:13
 
Newsletter Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode
 

Für die Darlegung, dass eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode im Krankenhaus das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, dürfen keine zu strengen Maßstäbe angelegt werden. Stellungnahmen ärztlich-wissenschaftlicher Fachgesellschaften, die eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode befürworten, reichen als Nachweis hierfür aus (Nichtgenehmigungsbescheid der zuständigen Genehmigungsbehörde).

- NUB Endobarrier®, Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative, G-BA, Schiedsstelle -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

in einem Verfahren vor der Schiedsstelle ging es um die Festsetzung des NUB Endoskopische biliodigestive Diversion mittels Kunststoffconduit zur Behandlung adipöser Typ-2-Diabetiker – kurz Endobarrier® genannt. Die Schiedsstelle vertrat die Auffassung, dass hierfür zuverlässige wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen vorliegen müssen. Bloße Befürwortungen dieser Behandlungsmethode durch ärztlich-wissenschaftliche Fachgesellschaften wurden als nicht ausreichend angesehen. Hiergegen hatte das beantragende Krankenhaus Antrag auf Versagung der Genehmigung bei der zuständigen Behörde gestellt. Diesem Antrag wurde nunmehr Rechnung getragen.

Auffassung der Genehmigungsbehörde

Die Genehmigungsbehörde legt in ihrem Bescheid – wie die Schiedsstelle – die Regelung in § 137c Abs. 3 SGB V zu Grunde. Diese Vorschrift lautet wie folgt:

„Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist.“

Im vorliegenden Fall drehte sich der Streit um die Auslegung des Rechtsbegriffes „Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative“. Das Krankenhaus hatte in dem Schiedsstellenverfahren, das von uns betreut wurde, auf das Positionspapier der Fachgesellschaften zur Anwendungsempfehlung der endoskopischen biliodigestiven Diversion in Deutschland – DDG/DGAV/DGVS – in: Fachzeitschrift Gastroenterol 2014; 52: 606-612 – hingewiesen. Die Fachgesellschaften kamen zur Auffassung, dass die vorgenannte Behandlungsmethode für adipöse Patienten mit Typ-2-Diabetes eine Therapieoption und Ergänzung zur konventionellen Therapie entsprechend der Nationalen VersorgungsLeitlinie zur Therapie des Typ-2-Diabetes darstellt. Die Empfehlung gilt als Therapiealternative für die Behandlung erwachsener Patienten (Mindestalter: 18 Jahre) mit Diabetes mellitus Typ 2 und Übergewicht (BMI 30 - 45), wenn diese Patienten unter den Therapiealgorythmen nach der Nationalen VersorgungsLeitlinie zur Therapie des Typ-2-Diabetes ihre persönlichen individuellen Therapieziele über einen Zeitraum von 3 – 6 Monaten nicht erreichen konnten. Für dieses Patientenkollektiv steht derzeit keine Erfolg versprechende andere Therapieoption zur Verfügung (Positionspapier, a.a.O., Seite 611).

Die Schiedsstelle hielt eine entsprechende Empfehlung nicht für ausreichend, um das Potential einer alternativen Behandlungsmethode nach § 137c Abs. 3 Satz 1 SGB V zu belegen. Sie lehnte daher die Festsetzung der neuen Behandlungsmethode Endobarrier ab.

Die Genehmigungsbehörde schloss sich jedoch der Auffassung des Krankenhauses an, wonach der Begriff „Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative“ nicht zu eng gesehen werden darf. Sowohl die Gesetzesbegründung zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz als auch die bisherige Rechtsprechung gehen davon aus, dass die Methode lediglich in sonstiger Weise eine effektivere Behandlung darstellen muss, wie z.B. die Methode weniger Nebenwirkung hat, eine Optimierung der Behandlung bedeutet oder eine für den Patienten nicht geeignete Behandlungsmethode ersetzt. Hierzu seien Fallberichte, Fallserien, kleinere epidemiologische Untersuchungen und Übersichtsarbeiten zur Bejahung eines Potentials im Sinne des § 137c SGB V ausreichend.

Ergänzend verweist die Genehmigungsbehörde darauf, dass mit der Einführung des § 137c Abs. 3 SGB V erleichtert werden sollte, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden können, auch wenn sie noch nicht durch Studien ausreichend belegt sind und ihr Nutzen noch nicht auf einem hohen Evidenzlevel belegt ist.

Empfehlung

§ 137c Abs. 3 SGB V bezieht sich auf alle Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und nicht nur auf NUBs. Durch die Einführung dieser Vorschrift sollte eine Förderung von innovativen Behandlungsmethoden erzielt werden und der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt im Krankenhausbereich wieder Geltung verschafft werden, nachdem das BSG hierzu eine andere Auffassung vertreten hatte (Urteil des BSG vom 21.03.2013, Az.: B 3 KR 2/12 R).

Liegen Fallberichte, Untersuchungen oder Empfehlungen der Fachgesellschaften vor, reicht dies aus, um die Behandlung im Krankenhaus durchführen zu können.

Es wird daher empfohlen, wenn Krankenhausbehandlungsmaßnahmen von Seiten der Krankenkassen als medizinisch nicht ausreichend belegt angesehen werden, auf die Regelung in § 137c Abs. 3 SGB V hinzuweisen und ggf. die Schiedsstelle zur Festsetzung anzurufen.

  letzte Änderung: 24.10.2019 22:53:59
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Newsletter Nachberechnung
 

Krankenhäuser sind berechtigt, gegenüber den Krankenkassen Nachberechnungen – unabhängig von deren Höhe - vorzunehmen. Eine Bagatellgrenze, die die Nachforderung beschränkt, besteht nicht (Aufgabe der Rechtsprechung des 3. BSG-Senats). Die Nachberechnung ist nur bis zum Ende des auf die Schlussrechnung nachfolgenden vollen Kalenderjahres möglich.

BSG, Urteil vom 05.07.2016, Az.: B 1 KR 40/15 R

- Schlussrechnung, Nachforderung, Nachberechnung, Kalenderjahr, Verjährung, Verwirkung, Hauptdiagnose, Deutsche Kodierrichtlinie D002f, ex-post Betrachtung -

Sehr geehrte Damen und Herren,

das BSG hat in diesem Urteil vor allem zwei Aspekte herausgestellt: Die bisher vom 3. BSG-Senat vertretene Auffassung, Krankenhäuser dürften nur Nachforderungen außerhalb der 6-Wochen-Frist geltend machen, wenn der Betrag mindestens 300,00 € bzw. 5 % des Ausgangsrechnungsbetrages beträgt, wird ausdrücklich aufgegeben. Das BSG hält jedoch weiter an seiner Rechtsauffassung fest, dass die Nachforderung bis zum Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Kalenderjahrs geltend gemacht werden muss.

Sachverhalt

Die Parteien stritten über die Berechtigung des Krankenhauses, eine Nachforderung außerhalb des Haushaltsjahres der Krankenkassen vorzunehmen. Die Klägerin stellte für die Krankenhausbehandlung am 11.03.2010 eine Schlussrechnung in Höhe von 1.474,19 €. Am 16.05.2011 korrigierte das Krankenhaus die Schlussrechnung und berechnete 5.138,22 € nach. Die beklagte Krankenkasse verweigerte die Nachzahlung und berief sich auf den Grundsatz von Treu und Glauben. Sie wandte ein, dass die Nachberechnung nicht zeitnah, sondern außerhalb des laufenden Haushaltsjahres der Krankenkasse erfolgt sei.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg.

Die Revision der Krankenkasse hatte im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung Erfolg.

Entscheidungsgründe

Das BSG hat die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Rheinland-Pfalz zurückverwiesen, da über den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung nicht abschließend entschieden werden konnte. Insoweit bedarf es einer erneuten Beurteilung durch das LSG Rheinland-Pfalz.

Das BSG verwies darauf, dass vorliegend die Deutsche Kodierrichtlinie D002f maßgeblich für die Entscheidung über die Höhe der Forderung des Krankenhauses sei. Danach komme es auf die Diagnose an, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthalts des Patienten verantwortlich ist. Wenn zwei oder mehrere Diagnosen in Bezug zur Aufnahme, Untersuchungsbefunden und/oder der durchgeführten Therapie gleichermaßen die Kriterien für die Hauptdiagnose erfüllen, und ICD-10-Verzeichnisse und Kodierrichtlinien keine Verschlüsselungsanweisungen geben, muss vom behandelnden Arzt entschieden werden, welche Diagnose am Besten der Hauptdiagnosen – Definition – entspricht. In diesem Fall ist vom behandelnden Arzt diejenige auszuwählen, die für Untersuchung und/oder Behandlung die meisten Ressourcen verbrauchte.

In diesem Zusammenhang stellt das BSG heraus, dass damit nicht ein an eine bestimmte Person gebundenes höchstpersönliches Fachurteil („der behandelnde Arzt“) gemeint ist, sondern es auf objektive Maßstäbe ankommt. Diese Voraussetzungen könnten jederzeit durch einen unabhängigen Sachverständigen festgestellt werden und unterliegen der vollen richterlichen Nachprüfung. Aus dem Begriff „nach Analyse“ folge, dass es auf die objektive ex-post Betrachtung der Aufnahmegründe am Ende der Krankenhausbehandlung ankomme. Die zeitliche Abfolge der stationären Behandlung zweier oder mehrerer stationär behandlungsbedürftiger Diagnosen spiele dabei keine Rolle.

Die Einwände der beklagten Krankenkasse, eine Nachberechnung dürfe nur im laufenden Haushaltsjahr erfolgen, wies das BSG zurück. Das Rechtsinstitut der Verwirkung passe als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist nicht. Das Rechtsinstitut der Verwirkung finde nämlich nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung.

In diesem Zusammenhang stellt das BSG jedoch heraus, dass die vorbehaltlose Erteilung einer nicht offensichtlich unschlüssigen Schlussrechnung eines Krankenhauses ein Verwirkungsverhalten darstelle. Eine Vertrauensgrundlage der Krankenkasse entstehe in der Regel im Anschluss hieran, wenn das Krankenhaus eine Nachforderung weder im gerade laufenden noch nachfolgenden vollen Haushaltsjahr der Krankenkasse geltend macht. Der Vertrauenstatbestand erwachse daraus, dass die Krankenkasse regelhaft darauf vertraut, dass das Krankenhaus insoweit keine weiteren Nachforderungen erhebt. Hieran richtet die Krankenkasse ihr Verhalten aus, indem sie davon Abstand nimmt, die Abrechnung als zweifelhaft zu behandeln und dafür haushaltsrechtlich relevante Vorkehrungen treffen. Dies gelte nur in seltenen Ausnahmefällen nicht, insbesondere wenn ein offensichtlicher, ins Auge springender Korrekturbedarf zu Gunsten des Krankenhauses bestehe (BSG, a.a.O., Rdz. 21).

Anmerkungen

Das besondere Gewicht erhält das Urteil des BSG durch die (erneute) Feststellung, dass die vom 3. BSG-Senat eingeführte Bagatellgrenze für Nachforderungen nicht mehr gilt und ausdrücklich vom BSG aufgegeben wird. Dies erfolgte im Anschluss an das Urteil des BSG vom 19.04.2016, Az.: B 1 KR 33/15 R. Darüber haben wir bereits mit Newsletter vom 14.07.2016 berichtet.

Nunmehr stellt das BSG ergänzend heraus, dass der zeitliche Rahmen für Nachforderungen bis zum Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Kalenderjahres beschränkt ist. Das BSG hält insoweit an seiner bisherigen Rechtsprechung fest.

Es begründet dies mit dem Grundsatz von Treu und Glauben in Gestalt der Verwirkung. Dabei geht das BSG davon aus, dass für die Krankenkassen eine Vertrauensgrundlage, ein Vertrauenstatbestand und ein Vertrauensverhalten entstanden ist. Als Verwirkungsverhalten sieht das BSG die vorbehaltlos gestellte Schlussrechnung des Krankenhauses an und unterstellt, dass die Krankenkasse regelhaft darauf vertraut, dass das Krankenhaus keine weiteren Nachforderungen erhebt und hierfür haushaltsrechtlich relevante Vorkehrungen trifft.

Dieser Ansatz ist mehr als zweifelhaft. Im umgekehrten Fall, wenn die Krankenkassen Erstattungsansprüche noch kurz vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist geltend machen, geht das BSG nicht von einer Verwirkung im Rechtssinne aus. Das Krankenhaus vertraut bei bezahlten Rechnungen in der Regel darauf, dass die Krankenkassen keine Erstattungsansprüche mehr geltend machen und berechnet auf dieser Basis seine Erlösausgleiche und stellt diese in das Budget ein. Würde man gleiche Maßstäbe aufgrund des dauerhaften Vertragsrahmens zwischen bei Krankenhäusern und Krankenkassen anwenden, müsste auch der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch der Krankenkasse auf das Ende des auf die Rechnung folgenden Kalenderjahres beschränkt werden. Im Ergebnis legt das BSG daher unterschiedliche Maßstäbe bei Krankenhäusern und bei Krankenkassen an.

Das Urteil ist hier wiedergegeben. 

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:39:56
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Newsletter MitraClip
 

Die MitraClip-Implantation ist eine medizinisch-wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode, die vom Versorgungsauftrag Kardiologie umfasst ist. Im Jahr 2013 war hierfür keine Fachabteilung für Herzchirurgie im Krankenhaus erforderlich.

Urteil des SG Detmold vom 09.09.2016, Az.: S 24 KR 245/14

- MitraClip, DRG F98Z, Versorgungsauftrag, Kardiologie, Herzchirurgie,gemeinsame Indikationsstellung Kardiologie und Herzchirurgie -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

in einem von unserer Kanzlei für Medizinrecht vertretenen Fall ging es um die Abrechnung der DRG F98Z (Komplexe minimal-invasive Operationen an Herzklappen). Bei der Patientin wurde von dem Kardiologen des Krankenhauses eine MitraClip-Implantation durchgeführt. Die beklagte Krankenkasse verweigerte die Zahlung mit dem Hinweis, es hätte u.a. der Ausweisung einer Fachabteilung Herzchirurgie bedurft.

Das Sozialgericht Detmold vertrat in seinem richtungsweisenden Urteil die Auffassung, eine gemeinsame Indikationsstellung zwischen Kardiologe und Herzchirurg im benachbarten Herzzentrum reiche aus und hat die beklagte Krankenkasse zur Zahlung in Höhe von 33.184,46 € verurteilt.

Sachverhalt

Bei der Patientin wurde eine MitraClip-Implantation im Jahr 2013 durchgeführt. Diese führt zur Abrechnung der DRG F98Z.

Die beklagte Krankenkasse verweigerte die Zahlung der Rechnung, da die Wirksamkeit des MitraClip-Verfahrens noch nicht abschließend nachgewiesen sei und deutsche Behandlungsleitlinien zur MitraClip-Implantation nicht vorlägen. Im Übrigen könne diese Leistung aufgrund des fehlenden herzchirurgischen Versorgungsauftrages von dem Krankenhaus nicht durchgeführt werden.

Entscheidungsgründe

Das SG Detmold kam zur Entscheidung, dass der Versorgungsauftrag Kardiologie ausreichend sei. Die Ausweisung einer herzchirurgischen Abteilung sei im Jahr 2013 nicht vorgegeben. Der erst im Januar/April 2015 gefasste Beschluss des G-BA (Richtlinie zu minimal-invasiven Herzklappeninterventionen – MHI-RL) könne bereits ansatzweise nicht in Betracht gezogen werden, da er zum Zeitpunkt der Leistungserbringung nicht vorlag. Die MitraClip-Implantation entspreche inzwischen dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse nach § 2 SGB V. Dies habe auch der eingeschaltete MDK nicht in Frage gestellt. Im Hinblick auf die Regelung in § 12 SGB V sei eine gemeinsame Indikationsstellung zwischen einem Kardiologen und einem Herzchirurgen erforderlich. Dies könne auch im Wege einer fernmündlichen Abklärung erfolgen. Die gemeinsame Indikationsstellung sei auch tatsächlich durchgeführt worden.

Anmerkungen

Die Krankenkassen wenden bei ihrer formalen Betrachtungsweise häufig ein, für das MitraClip-Verfahren bedürfe es auch der Ausweisung einer Fachabteilung für Herzchirurgie, obwohl diese Leistung in erster Linie von Kardiologen durchgeführt wird. Insoweit hat sich das SG Detmold auf eine Auskunft der Landesärztekammer Hessen gestützt, die die Klägerin in das Verfahren eingeführt hat. Danach wird in den meisten Krankenhäusern das MitraClip-Verfahren von Kardiologen praktiziert und gehört zum Versorgungsauftrag der Kardiologie („interventionelle Therapie von erworbenen und kongenitalen Erkrankungen des Herzens und der herznahen Venen“).

Für die gemeinsame Indikationsstellung der Patienten mit Mitralklappeninsuffizienz von Kardiologen und Herzchirurgen gab es 2013 keinerlei verbindliche Vorgaben. Es gab lediglich das Konsensuspapier der DGK und der DGTHG (Der Kardiologe 2-2013). Diesem Konsensuspapier kommt jedoch keine verbindliche rechtliche Wirkung zu. Erst der G-BA-Beschluss zur MHI-RL vom 22.01.2015/16.04.2015 hat hierzu verbindliche Anforderungen zur Leistungserbring normiert. Danach hat das Krankenhaus, das nur über eine Fachabteilung Innere Medizin und Kardiologie verfügt, mit der externen Fachabteilung Herzchirurgie eine Kooperationsvereinbarung abzuschließen. Diese Kooperationsvereinbarung muss insbesondere eine gemeinsame Indikationsstellung sowie ein Komplikationsmanagement durch das Herzteam gem. § 5 Abs. 3 MHI-RL sicherstellen.

Im vorliegenden Fall hat das SG Detmold eine telefonisch durchgeführte gemeinsame Indikationsstellung zwischen Kardiologen und externen Herzchirurgen für ausreichend gehalten, wie sie auch regelhaft in anderen Fällen praktiziert wurde.

Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werde ich Sie weiter informieren.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:40:07
 
Newsletter: Dialyse als Fremdleistung
 

Das Krankenhaus darf eine Dialysebehandlung nicht kodieren, wenn sie gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 KHEntgG keine abrechnungsfähige allgemeine Krankenhausleistung ist. Bei der Auslegung der Deutschen Kodierrichtlinien ist höherrangiges Recht zu beachten.

BSG, Urteil vom 19.04.2016, Az.: B 1 KR 34/15 R

- Dialysebehandlung, Fremddialyse, stationärer Krankenhausaufenthalt, ambulante Leistung, Leistungen Dritter -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

der 1. Senat des BSG hat in seiner Sitzung am 19.04.2016 zur Frage Stellung genommen, ob ein Krankenhaus im Rahmen einer stationären Behandlung eine Dialyse kodieren und abrechnen kann, wenn sie nicht Krankenhausleistung im Sinne des § 2 KHEntgG ist. Das BSG hat dies im Ergebnis verneint.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus behandelte den bei der beklagten Krankenkasse Versicherten  im Jahr 2011 stationär wegen einer instabilen Angina pectoris. Während des stationären Aufenthaltes wurde der Versicherte, der an einer chronischen Nierenkrankheit – Stadium 5 – leidet, 11-mal im Krankenhaus vertragsärztlich durch ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) dialysiert. Das Krankenhaus berechnete für die Behandlung die DRG F49A in Höhe von 6.871,29 €. Es hat die Dialyseleistung mit dem OPS 8-854.2 verschlüsselt, das Zusatzentgelt, welches ebenfalls durch die Kodierung ausgelöst wird, hat das Krankenhaus nicht berechnet. Die Krankenkasse vergütete jedoch lediglich 5.118,36 € entsprechend der DRG F49B. Sie vertritt die Auffassung, dass der OPS 8-854.2 (Hämodialyse, intermittierend, Antikoagulation mit Heparin oder ohne Antikoagulation) nicht zu kodieren sei. Daraufhin erhob das Krankenhaus Zahlungsklage, welche jedoch vom SG abgewiesen wurde. Die Berufung vor dem LSG hatte ebenfalls keinen Erfolg. Die Gerichte vertreten die Auffassung, die Klägerin dürfe den OPS 8-854.2 nicht kodieren. Das Krankenhaus dürfe nur allgemeine Krankenhausleistungen im Sinne des KHEntgG abrechnen und kodieren. Die erbrachte Dialyseleistung sei keine abrechenbare allgemeine Krankenhausleistung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG. Insbesondere habe kein Zusammenhang zwischen dem Grund der Krankenhausbehandlung und der Dialyse bestanden.

Hiergegen legte das klagende Krankenhaus Revision ein.

Entscheidungsgründe

Das BSG hat die Revision des Krankenhauses zurückgewiesen. Die 11-mal durchgeführte Dialyse des Versicherten sei für das Krankenhaus nicht generell kodierfähig, da sie nicht zu den abrechnungsfähigen allgemeinen Krankenhausleistungen zähle, sondern eine ambulant ärztlich separat zu erbringende und zu vergütende Leistung darstelle. § 2 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG schließe die bezeichnete Dialyseleistung aus dem Kreis der allgemeinen Krankenhausleistungen aus und lasse in diesem ausdrücklich geregelten Fall zu, dass neben vollstationärer Krankenhausbehandlung bezüglich der Dialyse vertragsärztliche Leistungen erfolgen.

§ 2 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG bestimme: „Nicht zu den Krankenhausleistungen nach Satz 2 Nr. 2 gehört eine Dialyse, wenn hierdurch eine entsprechende Behandlung fortgeführt wird, das Krankenhaus keine eigene Dialyseeinrichtung hat und ein Zusammenhang mit dem Grund der Krankenhausbehandlung nicht besteht.“

So verhalte es sich im zu beurteilenden Fall. Der bereits vor dem stationären Aufenthalt dialysebedürftige Versicherte wurde bereits zuvor von dem MVZ als vertragsärztlicher Leistungserbringer behandelt. Das Krankenhaus verfüge auch über keine eigene Dialyseeinrichtung. Es bestehe auch kein Zusammenhang der Dialyse des Versicherten mit dem Grund der Krankenhausbehandlung. Ein solcher Zusammenhang bestehe dann, wenn die Dialysebehandlung aus allein medizinischen Gründen, insbesondere zur Risikominimierung, der besonderen Mittel eines Krankenhauses bedürfe. Hierzu genüge es nicht, dass der Patient wegen einer die Krankenhausaufnahme bedingenden Erkrankung das Krankenhaus nicht verlassen darf, wenn die Dialyse selbst unter ambulanten Bedingungen erbracht werden kann. Ein solcher Zusammenhang bestehe hier nicht, da die dialysepflichtige terminale Niereninsuffizienz weder Grund noch Veranlassung für die stationäre Behandlung gewesen sei.

Diese Bewertung verstoße auch nicht gegen die allgemeinen Kodierrichtlinien. Die Kodierrichtlinie P001f bestimme unter anderem: "Alle signifikanten Prozeduren, die vom Zeitpunkt der Aufnahme bis zum Zeitpunkt der Entlassung vorgenommen wurden und im OPS abbildbar sind, sind zu kodieren. Dieses schließt diagnostische, therapeutische und pflegerische Prozeduren ein." Der Wortlaut der Regelung lasse zwar denkmöglich eine Auslegung zu, die vom MVZ während des stationären Aufenthalts des Versicherten im Krankenhaus erbrachte Dialyse in die Kodierung einbezieht. Dem stehe jedoch entgegen, dass die Kodierrichtlinien nach höherrangigem Recht auszulegen sind. Schließe dieses – wie hier § 2 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG – die Kodierbarkeit einer Prozedur aus, so sei diese Prozedur generell nicht vom Anwendungsbereich der DKR-Regelungen erfasst.

Anmerkung

Das BSG hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass eine Dialyse nicht kodiert werden darf, wenn sie gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG keine Krankenhausleistung ist. Insoweit misst das BSG der Gesetzesregelung – zu Recht – einem höheren Rang zu als dem Normenvertrag (DKR). § 2 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG bestimmt bereits nach seinem Wortlaut, dass unter bestimmten Voraussetzungen eine Fremddialyse nicht abrechenbar ist. Sind diese Voraussetzungen – wie hier – erfüllt, folgt daraus gleichzeitig, dass die Fremddialyse auch nicht kodiert werden darf. Die Regelung in der DKR P001f ist insoweit nachrangig und kann zu keiner anderen Abrechnung führen.

Das Urteil ist hier wiedergegeben. 

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:40:19
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Newsletter teilstationäre Krankenhausbehandlung
 

Auch bei teilstationärer Krankenhausbehandlung bedarf es einer Aufnahmeuntersuchung zur Feststellung der Erforderlichkeit der jeweiligen teilstationären Krankenhausbehandlung. Ein teilstationäres Entgelt ist nicht abrechenbar, wenn die Aufnahmeuntersuchung ergibt, dass eine teilstationäre Behandlung nicht durchgeführt werden kann.

BSG, Urteil vom 19.04.2016, Az.: B 1 KR 21/15 R

- Abgrenzung vollstationäre und teilstationäre Krankenhausbehandlung, Erforderlichkeit der teilstationären Behandlung, Aufnahmeuntersuchung, tagesbezogene Entgelte -

Sehr geehrte Damen und Herren,

der 1. Senat des BSG hat in seiner Sitzung am 19.04.2016 zur Frage Stellung genommen, ob ein Krankenhaus für eine grundsätzlich medizinisch notwendige teilstationäre Behandlung im Rahmen eines festgelegten Therapieschemas ein tagesbezogenes Entgelt auch dann abrechnen kann, wenn die Behandlung am entsprechenden Tag aufgrund des Zustandes des Patienten kontraindiziert war und daher nicht durchgeführt werden konnte.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus verfügt über Tagesklinikplätze. Die Behandlungsvergütung der Tagesklinik erfolgt nach tagesbezogenen teilstationären vertraglichen Entgelten. Die Klägerin behandelte den bei der beklagten Krankenkasse Versicherten wegen eines metastasierenden Kolonkarzinoms u.a. vom 7.1. bis 25.3.2008. Er erhielt nach zuvor festgelegtem Therapieschema an einzelnen Tagen im Rahmen einer mehrstündigen Behandlung in Abständen von ein bis zwei Wochen u.a. Chemotherapeutika. Die Chemotherapie wurde am 25.2.2008 nicht durchgeführt, nachdem der Versicherte über Durchfallsymptome klagte und sich eine Hautrötung im Bereich der Hände und Füße zeigte. Das Krankenhaus berechnete und erhielt 19.721,32 Euro für die Behandlung, dabei für den 25.2.2008 insgesamt 648,86 Euro. Die Krankenkasse forderte 573,18 Euro zurück. Sie verweist darauf, dass der Versicherte am  25.2.2008 tatsächlich keine Medikation erhalten habe. Das Krankenhaus hätte die Unverträglichkeit der Medikation vor Aufnahme abklären müssen. Hierfür sei nur eine Vergütung entsprechend vorstationärer Behandlung vorgesehen. Die Krankenkasse rechnete den strittigen Betrag daher mit anderen unstrittigen Forderungen des Krankenhauses auf.

Das SG hat die Zahlungsklage des Krankenhauses abgewiesen. Das LSG hat die Krankenkasse zur Zahlung verurteilt, da der Versicherte vergütungsunschädlich am 25.2.2008 die Behandlung abgebrochen habe.

Hiergegen legte die beklagte Krankenkasse Revision ein.

Entscheidungsgründe

Die von der Krankenkasse eingelegte Revision war erfolgreich. Das BSG vertritt die Auffassung, dass das Krankenhaus die Untersuchung des Versicherten lediglich auf Basis einer vorstationären Behandlung abrechnen durfte. Das Krankenhaus habe am 25.02.2008 keine teilstationäre Leistung erbracht, sondern lediglich die gebotene Untersuchung bei Aufnahme. Damit seien die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung bei teilstationärer Behandlung nicht gegeben. Zwar unterfiele die beabsichtigte Behandlung grundsätzlich dem Rechtsregime teilstationärer Behandlung. Die Aufnahme des Versicherten sei jedoch an diesem Tag nach der gebotenen Prüfung durch das Krankenhaus nicht erforderlich gewesen, sondern die geplante Chemotherapie war wegen Durchfalls und Hand-Fuß-Syndroms des Versicherten kontraindiziert gewesen. Auch bei teilstationärer Behandlung sei das Krankenhaus bei jeder Aufnahme verpflichtet, die medizinische Notwendigkeit der Behandlung in entsprechender Anwendung von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V zu prüfen. Nur wenn das Behandlungsziel nicht durch vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden könne, stünde dem  Krankenhaus ein Vergütungsanspruch zu. Das Krankenhaus habe am 25.02.2008 die medizinische Notwendigkeit der teilstationären Behandlung verneint, weshalb kein Vergütungsanspruch bestünde. Dabei sei es vergütungsrechtlich nicht von Relevanz, zu welchem Zeitpunkt vor Beginn der beabsichtigten Therapie die Überprüfung der Erforderlichkeit erfolgte.

Anmerkung

Der 1. Senat des BSG erläutert in seiner Entscheidung die Unterschiede zwischen teil- und vollstationärer Behandlung sowie deren Verhältnis zu vor- und nachstationärer Behandlung. Er stellt klar, dass Versicherte teilstationäre Krankenhausbehandlung in Gestalt mehrstündiger Behandlung an einzelnen Tagen erhalten können. Die teilstationäre Behandlung unterscheide sich nach der gesetzlichen Gesamtkonzeption von der vollstationären Behandlung im Krankenhaus im Wesentlichen dadurch, dass sie nicht auf eine Aufnahme rund um die Uhr ausgerichtet ist, sondern nur jeweils zumindest einen Teil eines Tages umfasst. Der 1. Senat des BSG hat die Rechtsprechung des 3. Senats ausdrücklich aufgegeben, wonach die Leistungen nicht nur in mehr oder weniger kurzen Intervallen erfolgen müssen, sondern sich über einen längeren, sinngemäß jeweils mehrtägigen Zeitraum zu erstrecken haben. Die Rechtsansicht des 3. Senats harmoniere nicht damit, dass selbst vollstationäre Krankenhausbehandlung entsprechend den Fallpauschalen für einen einzelnen Belegungstag möglich sei. Der Wortlaut des Gesetzes verlange nicht nach einer solchen Einschränkung. Entstehungsgeschichte und Regelungszweck der teilstationären Behandlung würden ebenfalls für ein weites Verständnis sprechen.

Festzuhalten bleibt, dass ein Vergütungsanspruch für eine teilstationäre Behandlung nur dann entsteht, wenn die Behandlung am jeweiligen Behandlungstag erforderlich ist. Kann die im Vorfeld bereits als medizinisch notwendige Behandlung indizierte Therapie aus medizinischen oder anderweitigen Gründen nicht durchgeführt werden, so kann das Krankenhaus keine Vergütung auf teilstationärer Basis für diesen Behandlungstag beanspruchen.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:40:34
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Newsletter Portimplantation und Wirtschaftlichkeitsgebot
 

Das Krankenhaus hat das Wirtschaftlichkeitsgebot auch bei ambulanten Operationen zu beachten, wenn diese Leistung im Rahmen einer nachstationären Behandlung erbracht werden kann. Überschneiden sich die Regelungen für ambulante Behandlung und nachstationäre Behandlung, findet der Vergütungsausschluss nach § 8 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 KHEntgG Anwendung.

BSG, Urteil vom 19.04.2016, Az.: B 1 KR 23/15 R

- Portimplantation, Chemotherapie, nachstationäre Behandlung, ambulante Operation, Vergütungsausschluss, Wirtschaftlichkeitsgebot, wirtschaftliches Alternativverhalten, Überschneidung ambulante Operation und nachstationäre Behandlung, Vergütung des Behandlungsfalls -

Sehr geehrte Damen und Herren,

der 1. Senat des BSG hat in seiner Sitzung am 19.04.2016 zur Frage Stellung genommen, ob die Portimplantation zur ambulanten Chemotherapie nach durchgeführter stationärer Tumorresektion die Abrechnung einer ambulanten Operation nach § 115b SGB V rechtfertige. Im Ergebnis hat er dies unter den Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots verneint.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus behandelte eine Versicherte stationär wegen eines Darmkrebstumors. Nach dem Abschluss der operativen Behandlung wurde die Versicherte zunächst entlassen, da sie sich Bedenkzeit für die Entscheidung erbeten hatte, ob eine Chemotherapie durchgeführt werden soll. Nachdem sich die Versicherte für die Chemotherapie entschieden hatte, wurde ihr

im klagenden Krankenhaus ein Port für die Applikation von Zytostatika im Wege einer ambulanten Operation implantiert. Dadurch sollte die ambulante Chemotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung vorbereitet werden. Für die Implantation des Ports machte das Krankenhaus als ambulante Operation nach § 115b SGB V einen Betrag in Höhe von 556,37 € geltend, den die Krankenkasse zunächst beglich, dann jedoch nach einer Prüfung durch den MDK zurückforderte und mit anderen unstreitigen Forderungen des Krankenhauses verrechnete.

Das LSG Baden Württemberg  kam zu dem Ergebnis, dass die 12 Tage nach Entlassung aus dem Krankenhaus ambulant erfolgte Implantation eines Ports für die anschließende Chemotherapie nicht den Behandlungserfolg der vorhergehenden operativen Tumor-Entfernung sichere, sondern dem eigenständigen Behandlungsziel der Verhinderung von bösartigen Neubildungen diene. Die Implantation sei deshalb nicht von der Fallpauschale erfasst, sondern könne als ambulante Operation nach § 115b SGB V separat abgerechnet werden.

Hiergegen legte die beklagte Krankenversicherung Revision ein.

Entscheidungsgründe

Die von der Krankenkasse eingelegte Revision war erfolgreich. Das BSG vertritt die Auffassung, dass eine innerhalb von 14 Tagen nach Beendigung der stationären Krankenhausbehandlung durchgeführte Portimplantation zur Durchführung einer Chemotherapie den Behandlungserfolg der vorherigen operativen Entfernung eines Tumors sichere und daher eine nachstationäre Behandlung gem. § 115a SGB V darstelle.

In solchen Fällen bestehe nach Ansicht des BSG kein Anspruch auf separate Vergütung als ambulante Operation nach § 115b SGB V, da es wirtschaftlicher gewesen wäre, die Portimplantation als nachstationäre Behandlung zu erbringen. Die Krankenhäuser als Leistungserbringer seien aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebotes verpflichtet, bei der Behandlungsplanung die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativverhaltens zu prüfen. Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit  erfordere, dass bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger und notwendiger  Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher seien. Behandele ein Krankenhaus Versicherte bei erforderlicher Krankenhausbehandlung in unwirtschaftlichem Umfang, habe es allenfalls Anspruch auf die Vergütung, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten anfiele. Dieser Grundsatz gelte auch für die Wahl zwischen ambulanter Operation und nachstationärer Behandlung, soweit sich diese Bereiche überschneiden.

Das BSG verwies darauf, dass das Verbot von Doppelvergütung auch mit Blick auf bereits durch Fallpauschalen vergütete Krankenhausleistungen zu beachten sei. Es wirke in der Sonderkonstellation, in der eine Behandlung nachstationär - und nicht im Rahmen einer gesondert zu vergütenden ambulanten Operation - erbracht werden dürfe, weil diese Behandlung durch eine nicht ausgeschöpfte Fallpauschale für das Krankenhaus vergütet werde. Insoweit finde keine weitere Vergütung der Krankenhausleistung über die vorgesehene Fallpauschale hinaus statt, insbesondere keine Vergütung einer ambulanten Operation. Die Vergütung der stationären Krankenhausbehandlung durch die Fallpauschale entfalte insoweit eine Sperrwirkung und verhindere so eine doppelte Vergütung.

Rechtsgrundlage des Vergütungsausschlusses der nachstationären Behandlung ist § 8 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 KHEntgG, wonach zusätzlich zu einer Fallpauschale eine nachstationäre Behandlung nach § 115a SGB V nur berechnet werden darf, soweit die Summe aus den stationären Belegungstagen und den vor- und nachstationären Behandlungstagen die Grenzverweildauer der Fallpauschale übersteigt. Dieser Vergütungsausschluss für die nachstationäre Behandlung sei aber nur insoweit auf ambulante  Operationen im Krankenhaus anwendbar, als sich die beiden Regelungen überschneiden. Das bedeute, dass das Krankenhaus nicht nur die Bedingungen für die ambulante Operation im  Krankenhaus erfüllen müsse, sondern auch zugleich die Voraussetzungen der nachstationären Behandlung. Die Voraussetzungen für eine nachstationäre Behandlung seien hier erfüllt. Die  Behandlung der Versicherten sei innerhalb von 14 Tagen nach Beendigung der stationären  Krankenhausbehandlung erfolgt. Die Versicherte habe die Portimplantation zu dem Zweck erhalten, den im Anschluss an ihre vollstationäre Krankenhausbehandlung erzielten Behandlungserfolg der Resektion des Karzinoms ohne Unterkunft und Verpflegung zu sichern. Es genüge für die gesetzlich gebotene Zielsetzung als nachstationäre Behandlung, im Anschluss an eine vollstationäre Krankenhausbehandlung den Behandlungserfolg in dem Sinne zu sichern, dass die nachstationäre Therapie den Gesamterfolg der Behandlung des Krankheitsfalles sichern solle, um den sich bereits das Krankenhaus bemüht habe. Der Zweck der Chemotherapie - und damit auch der Zweck der Portimplantation - im Anschluss an die Tumorresektion habe der gesamten Behandlung des Krankheitsfalles gedient. Dabei sei es ohne Bedeutung, dass die sich an die Portimplantation anschließende Chemotherapie vertragsärztlich verabreicht werden sollte.

Anmerkung

Festzuhalten bleibt somit Folgendes: Handelt es sich um eine  nachstationäre Behandlung, ist diese bereits mit der Vergütung für die stationäre Krankenhausbehandlung abgegolten, es sei denn die Summe aus den stationären Belegungstagen und den vor- und nachstationären Behandlungstagen übersteigt die Grenzverweildauer der Fallpauschale (§ 8 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 KHEntgG). Handelt es sich demgegenüber nicht um eine nachstationäre Behandlung, kann eine separate Vergütung der Portimplantation als ambulante Operation erfolgen, z.B. wenn die ambulante Operation nicht der Sicherung der vollstationären Behandlung, sondern eigenständigen Behandlungszielen diene.

Das BSG geht davon aus, dass der Vergütungsausschluss für die nachstationäre Behandlung nur insoweit auf ambulante Operationen anwendbar ist, als sich die beiden Regelungen überschneiden. Stehen zwei gleich zweckmäßige und notwendige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, sind Leistungserbringer verpflichtet, sich für die Alternative zu entscheiden, bei der die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind. Bei erforderlicher Krankenhausbehandlung in unwirtschaftlichem Umfang besteht allenfalls ein Anspruch auf die Vergütung, die bei einem wirtschaftlichen Alternativverhalten angefallen wäre.

Für Fälle, in denen die Portimplantation aus medizinischen Gründen erst nach mehr als 14 Tagen nach Beendigung der stationären Krankenhausbehandlung erfolgen kann, gilt dies jedoch nicht. Da die nachstationäre Behandlung gemäß § 115a Abs. 2 Satz 2 SGB V sieben Behandlungstage innerhalb von 14 Tagen nach Beendigung der stationären Krankenhausbehandlung nicht überschreiten darf, ist in solchen Fällen keine nachstationäre Behandlung mehr möglich. Es gibt also keine verschiedenen gleich zweckmäßigen und notwendigen Behandlungsmöglichkeiten, so dass die Portimplantation auch unter dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots als ambulante Operation durchgeführt und abgerechnet werden darf. Insoweit weist das BSG in seiner Entscheidung explizit darauf hin, dass der Vergütungsausschluss für die nachstationäre Behandlung nur insoweit auf ambulante Operationen im Krankenhaus anwendbar ist, als sich die beiden Regelungen überschneiden. Um künftige Abrechnungsstreitigkeiten zu vermeiden und sich gegen Einwände der Krankenkassen abzusichern, sollten in solchen Fällen die Gründe, warum eine Portimplantation im Einzelfall erst nach Ablauf von 14 Tagen durchgeführt werden konnte, dokumentiert werden.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:40:46
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Newsletter Nachforderungen
 

Nachforderungen des Krankenhauses unterliegen keiner Bagatellgrenze. Insoweit gibt das BSG die Rechtsprechung des 3. Senats auf. Krankenkassen können ihre Nachforderungen nach Erteilung einer Schlussrechnung ohne rechtsbedeutsamen Vorbehalt bis zum Ablauf des ganzen nachfolgenden Haushalts- und damit Kalenderjahres geltend machen.

BSG, Urteil vom 19.04.2016, Az.: B 1 KR 33/15 R sowie BSG, Urteil vom 05.07.2016, Az.: B 1 KR 40/15 R (Terminsbericht)

- Nachforderungen der Krankenhäuser, Rest-Vergütungsanspruch, Bagatellgrenze, 5 %-Regelung, nachfolgendes Kalenderjahr, vierjährige Verjährungsfrist -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Newsletter vom 21.04.2016 hatten wir Sie bereits über die Aufgabe der Rechtsprechung des BSG zur Beachtung einer Bagatellgrenze informiert. Grundlage war hierfür der Terminsbericht. Nunmehr liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus behandelte eine Versicherte vom 23.09. bis 10.10.2009 stationär und stellte hierfür am 26.10.2009 eine Schlussrechnung. Anschließend korrigierte sie am 29.12.2009 den Rechnungsbetrag und forderte 922,57 € nach. Die beklagte Krankenkasse verweigerte die Bezahlung der Restforderung und vertrat die Auffassung, dass eine Rechnungskorrektur nur innerhalb von 6 Wochen nach Erstellung der Schlussrechnung möglich sei.

Das klagende Krankenhaus bekam in allen Instanzen Recht (BSG-Urteil vom 19.04.2016, B 1 KR 33/15 R).

Entscheidungsgründe

Der 3. Senat des BSG hatte – ohne gesetzliche Grundlage – eine sog. Bagatellgrenze für Nachforderungen des Krankenhauses aufgestellt. Danach hatte das Krankenhaus nur dann eine Möglichkeit, Nachforderungen gegenüber den Krankenkassen zu stellen, wenn sie über 300,00 € lagen und mindestens 5 % des Ausgangsrechnungsbetrages erreichten. Diese Rechtsprechung gibt der 1. Senat nunmehr ausdrücklich auf und hält an der Bagatellgrenze nicht mehr fest. Er führt hierzu aus, dass es hierfür keine hinreichende Rechtsgrundlage gibt, um eine solche gegriffene Bagatellgrenze gesetzesgleich zu begründen (BSG-Urteil vom 19.04.2016, B 1 KR 33/15 R, Rdz. 22).

Anmerkung

Das BSG nimmt erfreulicherweise Abstand von den einengenden Vorgaben des BSG, die aus dem Jahr 2009 herrühren. Das BSG hatte damals – ohne Rechtsgrundlage – aus dem Prinzip der Waffengleichheit hergeleitet, dass Krankenhäuser Nachvergütungen nur in bestimmten Fällen geltend machen können. Es hatte mit Urteil vom 17.12.2009, Az.: B 3 KR 12/08 R, eine Bagatellgrenze eingeführt, wonach die nachgeforderte Summe entweder den Betrag der Aufwandspauschale (jetzt: 300,00 €) oder 5 % des Ausgangsrechnungswertes erreichen muss.

Des Weiteren stellt das BSG heraus, dass auch für die Forderungen des Krankenhauses die vierjährige Verjährungsfrist gilt.

Aus dem Terminsbericht des BSG vom 05.07.2016 zum Verfahren B 1 KR 40/15 R ergibt sich, dass der 1. Senat daran festhält, dass die Krankenhäuser bis zum Ablauf des auf die Schlussrechnung ganzen nachfolgenden Haushalts-/Kalenderjahres Zeit für Korrekturen haben. Diese Frage spielte in dem BSG-Urteil vom 19.04.2016, a.a.O., keine Rolle, da dort das Krankenhaus die Rechnung noch im laufenden Kalenderjahr korrigierte.

Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass die Krankenhäuser berechtigt sind, auch „Bagatellforderungen“ geltend zu machen. Eine Bagatellgrenze gibt es nach der Rechtsprechung des BSG nicht mehr. Allerdings sind die Krankenhäuser bei Nachforderungen gehalten, diese bis zum Ablauf des auf die Schlussrechnung nachfolgenden Kalenderjahres gegenüber den Krankenkassen geltend zu machen.

Insoweit hat das BSG seine bisherige Rechtsprechung beibehalten. Allerdings leuchtet dies nach wie vor nicht ein, da es auch hierfür keine hinreichende Rechtsgrundlage gibt. Das BSG hat selbst ausgeführt, dass das Rechtsinstitut der Verwirkung als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist grundsätzlich nicht passt. Der bloße Zeitablauf reicht hierfür nicht aus, sondern es müssen besondere Umstände hinzutreten. Der Verwirkungstatbestand setzt nach der Rechtsprechung des BSG ein Verwirkungsverhalten, eine Vertrauensgrundlage, ein Vertrauenstatbestand und ein Vertrauensverhalten voraus (BSG, Urteil vom 01.07.2014, Az.: B 1 KR 2/13 R). Es wäre daher konsequent gewesen, wenn das BSG auch die zeitliche Begrenzung von Nachforderungen aufgegeben hätte. Dies ist aber – wie ausgeführt – nicht der Fall.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:41:06
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Newsletter Befreiung von dem Mehrleistungsabschlag bei InvestitionsmaÃ?nahmen
 

Ein Kausalzusammenhang mit dem Investitionsprogramm des Landes besteht auch dann, wenn die Investitionsmaßnahme auf zeitlich versetzte Bauabschnitte zurückzuführen ist. Die Leistungssteigerung nach Abschluss der Gesamtbaumaßnahme unterfällt daher dem Ausnahmetatbestand nach § 4 Abs. 2a Satz 3 KHEntgG, auch wenn zwischen Beginn und Abschluss der Investitionsmaßnahme mehrere Jahre liegen.

Beschluss der Schiedsstelle Hessen vom 03.05.2016

- Mehrleistungsabschlag, Ausnahmetatbestand, Investitionsförderung, Bauabschnitte, endgültige Fertigstellung -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

zwischen den geltend gemachten Mehrleistungen und der Investitionsfördermaßnahme des Landes muss ein Kausalzusammenhang bestehen, damit diese Mehrleistungen vom Abschlag nach § 4 Abs. 2a Satz 3 KHEntgG befreit sind. Diesen Kausalzusammenhang hat die Schiedsstelle für das Krankenhaus, das von uns vertreten wurde, uneingeschränkt bejaht und den Mehrleistungsabschlag für den Budgetzeitraum 2014 auf 0 € festgesetzt.

Sachverhalt

Das Krankenhaus hat im Jahr 2010 eine Zuwendung in Höhe von 15.000.000 € für eine Baumaßnahme „Anbau Pflegestationen“ erhalten. Die Baumaßnahme „Anbau Pflegestationen“ begann im Frühjahr 2010 und wurde im Oktober 2011 als erster Bauabschnitt einer Gesamtbaumaßnahme fertig gestellt. Im Anschluss daran konnte erst der Umbau des Südost- und Nordost-Flügels erfolgen, so dass die Gesamtbaumaßnahme erst im April 2014 abgeschlossen werden konnte. Daraus ergaben sich zusätzliche Kapazitäten und eine Mehrleistung von rund 500 effektiven Bewertungsrelationen im Jahr 2014.

Da die Krankenkassen auf einen Vergütungsabschlag bestanden, war das Krankenhaus gehalten, die Schiedsstelle zur Festsetzung anzurufen.

Entscheidungsgründe

Zunächst stellt die Schiedsstelle heraus, dass der Umfang der Mehrleistungen sich aus dem Vergleich der Vereinbarung im Vorjahr mit der vereinbarten Leistungsmenge für das Jahr 2014 ergibt. Die Schiedsstelle geht davon aus, dass das Vorliegen einer räumlichen und/oder betten-kapazitätsmäßigen Erweiterung Voraussetzung des Ausnahmetatbestandes nach § 4 Abs. 2a Satz 3 KHEntgG ist. Vorliegend geht die Schiedsstelle davon aus, dass die in Bauabschnitten angelegte Investitionsmaßnahme zu einer substantiellen Erhöhung der tatsächlich zur Verfügung stehenden Betten im Jahr 2014 geführt hat. Der Zugang zu den weiteren Abteilungen wurde nicht schon durch den ersten Bauabschnitt erreicht. Erst durch die weiteren Baumaßnahmen, die erst im Jahr 2014 zum Abschluss der Gesamtbaumaßnahme geführt hatten, war der Zugang zu den weiteren Abteilungen adäquat möglich. Erst dann stand dem Krankenhaus die – etwas vergrößerte – Bettenkapazität zur Verfügung. Ein signifikanter Anstieg der Leistungsmenge wurde erst nach Abschluss der zweiten Bauphase im April 2014 erreicht. Nunmehr standen 27 zusätzliche Betten zur Verfügung, die im Jahr 2014 zu einem deutlichen Anstieg der Belegungszahlen und der Bewertungsrelationen geführt haben.

Letztlich konstatiert die Schiedsstelle, dass dem erforderlichen Ursächlichkeitszusammenhang zwischen Investitionsmaßnahme und Mehrleistungen auch nicht die längere Zeitspanne entgegensteht, die zwischen der Bewilligung im Jahr 2010 und der Mengensteigerung im April 2014 lag.

Anmerkung

In der Praxis ist immer wieder relevant, wie der Kausalzusammenhang zwischen Investitionsfördermaßnahme und Leistungszuwachs begründet werden kann. Die Schiedsstelle geht davon aus, dass für die Begründung des Kausalzusammenhangs nicht zu strenge Anforderungen gestellt werden dürfen. Vorliegend hat das Krankenhaus en detail die einzelnen Baumaßnahmen dargelegt und ausführlich begründet, warum die zusätzlichen Kapazitäten erst mit Abschluss der Gesamtbaumaßnahme zur Verfügung standen. Hilfreich war insbesondere auch eine Bestätigung des beauftragten Architekten, wie die Baumaßnahmen im zeitlichen Ablauf durchgeführt wurden.

Wichtig ist daher, dass der Ausnahmetatbestand nicht nur rechtlich ausführlich – anhand bisheriger Schiedsstellenbeschlüsse – begründet wird, sondern auch die tatsächlichen Verhältnisse, die zu einem Mehrleistungsanstieg aufgrund der Investitionsmaßnahme geführt haben, dargelegt werden. Insoweit konnte das Krankenhaus erfolgreich seine Ansprüche durchsetzen.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:41:42
 
Newsletter geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung
 

Die Schiedsstelle Sachsen-Anhalt bestätigt, dass der Versorgungsauftrag Innere Medizin auch die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung (OPS-Kode 8-550 – Version 2013) umfasst.

- Beschluss vom 29.04.2016 -

- Versorgungsauftrag, Innere Medizin, geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung, Krankenhausplanung -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Schiedsstelle Sachsen-Anhalt hat mit Beschluss vom 29.04.2016 dem Antrag des Krankenhauses auf Berücksichtigung der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung im Erlösbudget Rechnung getragen.

Sachverhalt

Die Vertragsparteien konnten sich letztlich nicht über die Summe der Bewertungsrelationen und das Erlösbudget einigen, da die Sozialleistungsträger die Auffassung vertraten, das Krankenhaus sei nicht berechtigt, die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung (OPS-Kode 8-550 – Version 2013) zu erbringen. Sie verminderten daher die Summe der Bewertungsrelationen um mehr als 200 Punkte. Daraufhin rief das Krankenhaus, das von uns vertreten wurde, die Schiedsstelle zur Entscheidung an.

Entscheidungsgründe

Die Schiedsstelle gab dem Krankenhaus Recht. Die Leistungen der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung seien vom (generellen) Versorgungsauftrag Innere Medizin des Krankenhauses umfasst. Einer besonderen Ausweisung eines geriatrischen Zentrums aufgrund der Krankenhausplanung in Sachsen-Anhalt bedürfe es nicht.

Die Schiedsstelle stützt ihre Auffassung auf § 39 Abs. 1 Satz 3 2. HS SGB V. Danach umfasst die Krankenhausbehandlung im Rahmen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses alle notwendigen Leistungen. Die akutstationäre Behandlung umfasst auch die im Einzelfall „erforderlichen und zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzenden Leistungen zur Frührehabilitation“. Das Krankenhaus ist nach dem Krankenhausplan und den darauf beruhenden Bescheiden berechtigt, Leistungen der Inneren Medizin zu erbringen, zu denen auch geriatrische Behandlungen gehören.

Die Schiedsstelle wies den Einwand zurück, dass die Erbringung der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung einer speziellen Krankenhausplanung in Sachsen-Anhalt unterliege. Die zwingenden bundesrechtlichen Vorgaben stünden dem entgegen.

Letztlich stelle auch der OPS-Kode 8-550 – Version 2013 – keine Verknüpfung mit der Krankenhausplanung her. Ob die Mindeststandards der OPS-Kodes erfüllt werden, werde auf der Leistungsebene geprüft.

Anmerkungen

Der Schiedsstellenspruch stützt sich insbesondere auf das Urteil des OVG Münster vom 22.11.2012, Az.: 13 A 2379/11, juris. Diese Rechtsprechung wurde durch das BSG fortgeführt und bestätigt (BSG, Urteil vom 23.06.2015, Az.: B 1 KR 21/14 R). Wörtlich heißt es darin:

„Dementsprechend genügt es bei geriatrischer frührehabilitativer Komplexbehandlung für die Behandlungspflicht und den Vergütungsanspruch des zugelassenen Krankenhauses (§ 109 Abs 4 S 2 und 3 SGB V), dass die Behandlung vom generellen Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst und die behandelnde Abteilung im Krankenhaus hinreichend ausgestattet ist, um den strukturellen Anforderungen einer geriatrischen Frührehabilitation entsprechen zu können (vgl in diesem Sinne zB LSG Hamburg Urteil vom 14.12.2014 – L 1 KR 60/14 Juris RdNr 17 ff; OVG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 22.11.2012 – 13 A 2379/11 – Juris RdNr 38 ) MedR 2013, 252).“

(BSG-Urteil vom 23.06.2015,a.a.O., juris, Rdz. 17)

Es wird daher den Krankenhäusern empfohlen, ihre berechtigten Ansprüche im Rahmen der Abrechnung bzw. bei den Budgetverhandlungen durchzusetzen.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:42:00
 
Newsletter Aufwandspauschale
 

Die Einleitung eines MDK-Prüfverfahrens löst die Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € aus, wenn die weiteren Voraussetzungen gemäß § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V vorliegen. Das Argument der Krankenkasse, es sei lediglich eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung erfolgt, ist nicht haltbar.

Sozialgericht Speyer, Urteil vom 20.05.2016, Az.: S 19 KR 107/15

- Aufwandspauschale, Abrechnungsprüfung, sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung, Auffälligkeitsprüfung -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit vorgenanntem Grundsatzurteil hat das SG Speyer eine klare Aussage zur Abrechnung der Aufwandspauschale getroffen und explizit dargelegt, warum die von den Krankenkassen in Bezug genommene Entscheidung des 1. Senats des BSG vom 01.07.2014 (Az.: B 1 KR 29/13 R) unter tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten nicht tragbar ist.

Sachverhalt

Die beklagte Krankenkasse beauftragte den MDK mit der Prüfung einer Krankenhausrechnung. Der MDK zeigte mit Schreiben vom Oktober 2014 „gemäß § 275 Abs. 1c SGB V“ die Prüfung bei dem klagenden Krankenhaus an. Als Prüfgrund wurde in der Prüfanzeige die Kodierung zweier Prozeduren benannt.

Der beauftragte MDK bestätigte die Richtigkeit der Krankenhausabrechnung. Als Grundlage der Begutachtung wurde im Gutachten angegeben: „Einzelfallbegutachtung nach § 275 SGB V mit Begehung“.

Das Krankenhaus stellte daraufhin der Krankenkasse die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c SGB V in Rechnung.

Die Krankenkasse verweigerte die Zahlung der Aufwandspauschale mit der Begründung, es habe sich um eine sachlich-rechnerische Prüfung gehandelt, die keine Aufwandspauschale auslöse. Sie bezog sich dabei auf das Urteil des BSG vom 01.07.2014 (Az.: B 1 KR 29/13 R).

Entscheidungsgründe

Das SG Speyer hat in seinem Grundsatzurteil die Auffassung der beklagten Krankenkasse zurückgewiesen und diese zur Zahlung der Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € verurteilt.

Zunächst gibt das SG eine Zusammenfassung darüber, auf welcher Rechtsgrundlage der Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale beruht und in welchen Fällen die Krankenkassen verpflichtet sind, eine gutachterliche Stellungnahme des MDK einzuholen.

Im Folgenden setzt sich das SG kritisch mit der Rechtsschöpfung des 1. Senat des BSG auseinander, der mit Urteil vom 01.07.2014 (B 1 KR 29/13) erstmals eine neue Prüfart „sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung“ mit einem eigenen Prüfregime geschaffen hat.

Das SG führt aus, dass das Verfahren der Abrechnungsprüfung bereits abschließend in den §§ 275 f. SGB V geregelt und erfasst sei. Es bestehe daher kein Raum für die vom 1. Senat des BSG getroffene Rechtsschöpfung mit dem Ziel der Nichtanwendung der einschlägigen Normen auf ausgewählte Fallgruppen.

Dem vom BSG entwickelten Konstrukt eines die Regelungen des § 275 SGB V außer Acht lassenden „Prüfregimes“, in dessen Rahmen gleichwohl die Vorlage von Behandlungsunterlagen an den MDK erfolgen soll, fehle jegliche - bereits aus Gründen des Daten- und Patientenschutzes - erforderliche gesetzliche Grundlage. Die vom 1. Senat des BSG angeführte Regelung des § 301 SGB V könne jedenfalls nicht die Herausgabe von Patientendaten an den MDK stützen. § 301 SGB V regele seinem Inhalt nach die Form und das Verfahren des Umgangs mit den aufgrund der Krankenhausbehandlung erhobenen Daten, insbesondere auch der sensiblen Patientendaten. Zudem enthalte die Norm Regelungen darüber, wie aus datenschutzrechtlicher Sicht die Übermittlungspflicht des Krankenhauses gegenüber der Krankenkasse für die konkret aufgeführten Daten zu erfolgen habe. Zu einer Prüfung unter Mitwirkung des MDK enthalte diese Norm jedoch keinerlei Regelung. Aus diesem Grunde könne sie auch im datenschutzrechtlichen Sinne keine Übermittlungs- und Offenbarungsbefugnis für die Herausgabe der Behandlungsunterlagen des Krankenhauses an den MDK enthalten. Eine rechtmäßige Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit mit einer Aufforderung des Krankenhauses zur Vorlage von Patientendokumenten (insbesondere von Behandlungsunterlagen) beim MDK könne es daher ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 276 Abs. 2 Satz 1 1. HS SGB V a.F. (nunmehr Abs. 2 Satz 2) i.V.m. § 275 SGB V nicht geben.

Entgegen der Auffassung des BSG sei die Prüfung einer Krankenhausrechnung auf deren sachlich-rechnerische Richtigkeit von der Regelung des § 275 Abs. 1 und Abs. 1c SGB V erfasst. Die Norm sei nicht auf die Prüfung der Wirtschaftlichkeit beschränkbar, sondern umfasse alle Überprüfungen von Krankenhausbehandlungen in deren Rahmen die Krankenkasse eine Beteiligung des MDK im Sinne des § 276 SGB V veranlasse. § 275 SGB V nehme nämlich ohne Einschränkung auf Krankenhausbehandlungen nach § 39 SGB V Bezug. Dies habe zur Folge, dass alle in § 39 SGB V geregelten Behandlungsformen dem Prüfregime des § 275 Abs. 1c SGB V unterliegen.

Zudem führt das SG weiter aus, dass die Krankenkassen indem sie die durchgeführte Prüfung nunmehr als „sachlich-rechnerische Prüfung“ deklarieren nicht verhindern, dass wegen der ausgebliebenen Rechnungsminderung eine Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V zu zahlen sei. Dies führe nämlich nicht dazu, die rechtliche Einordnung der durchgeführten Prüfung zu verändern.

Das SG stellt darüber hinaus klar, dass der mit Wirkung vom 01.01.2016 an den Abs. 1c des § 275 angeführte Satz 4 keine Änderung der zuvor bestehenden Rechtslage bewirke, sondern klarstellend als Reaktion auf die durch die Rechtsprechung des 1. Senats des BSG verursachte Fehlentwicklung wirke. Bei dem angefügten Satz 4 handele es sich um eine klarstellende Legaldefinition. Würde man diesen Satz wieder streichen, so bliebe es gleichwohl bei der oben beschriebenen Anwendbarkeit des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V auf alle Prüfungen der ordnungsgemäßen Abrechnung im Sinne des § 275 Abs. 1 Nr. 1 2. Alternative SGB V, die eine Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus zum Ziel haben.

Anmerkungen

Das Sozialgericht Speyer hat sich in seiner Entscheidung in besonders konstruktiver Art und Weise mit der Rechtsprechung des 1. Senats zum „eigenen Prüfregime“ der Rechnungsprüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit auseinandergesetzt. Die erkennende Kammer hat ausführlich dargelegt, warum die Rechtsschöpfung des BSG zur neuen Prüfart „sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung“ mit eigenem Prüfregime nicht mit Gesetzeswortlaut und –systematik der einschlägigen Gesetzestexte zu vereinbaren ist und daher gegen den Grundsatz der Bindung an das Gesetz verstößt. Deutlicher und präziser kann man der Auffassung des BSG nicht widersprechen. Die Argumente des SG Speyer sind in sich schlüssig und überzeugend. Würde die Auffassung des BSG tragen, würden die Krankenhäuser - ohne Vorliegen einer gesetzlichen Grundlage – dem MDK sensible Krankenunterlagen zur Verfügung stellen und so gegen datenschutzrechtliche Regelungen verstoßen (§ 301 SGB V). Zudem sind auch die hiermit verbundenen ggf. folgenden Strafrechtlichen Konsequenzen zu beachten.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:42:13
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Newsletter Verbringung/Verlegung
 

Eine Verlegung liegt vor, wenn die Verantwortung für die Gesamtbehandlung vollständig auf das aufnehmende Krankenhaus übergeht. Verbringungsleistungen haben lediglich ergänzende oder unterstützende Funktion zur Hauptbehandlung.

LSG für das Saarland, Urteil vom 13.04.2016, Az.: L 2 KR 207/12

- Hauptleistung, Verbringung, Verlegung, ergänzende oder unterstützende Funktion, Gesamtverantwortung, Wirtschaftlichkeitsgebot -

Sehr geehrte Damen und Herren,

in der Auseinandersetzung mit den Krankenkassen ist die Abgrenzung Verbringung zur Verlegung ein Dauerbrenner. Das LSG Saarland hat hierzu erneut Stellung bezogen.

Sachverhalt

Eine Patientin befand sich 2006 in stationärer Behandlung im Krankenhaus A. Die Patientin wurde vom Krankenhaus A laut vorläufigem Entlassungs-/Verlegungsbericht in das Krankenhaus B überstellt. Das klagende Krankenhaus B hat eine Koronarangiographie durchgeführt und zwei Tage nach der Aufnahme die Patientin wieder in das Krankenhaus A überstellt. Für die stationäre Krankenhausbehandlung stellte das klagende Krankenhaus B die DRG F49F (invasive kardiologische Diagnostik) in Rechnung. Die Krankenkasse vertrat demgegenüber die Auffassung, der Patient hätte im Rahmen einer Verbringung behandelt werden können. Eine Rückverlegung sei innerhalb von 24 Stunden medizinisch vertretbar gewesen.

Das SG und das LSG haben die Beklagte zur Zahlung verurteilt.

Entscheidungsgründe

Zunächst stellt das LSG fest, dass die durchgeführte Koronarangiographie eine stationäre Krankenhausbehandlung darstelle. Eine vollstationäre Behandlung im Sinne einer physischen und organisatorischen Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem eines Krankenhauses sei dann gegeben, wenn sie sich nach dem Behandlungsplan des Krankenhausarztes in der Vorausschau zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstrecke. Verbringt der Patient dabei einen Tag und eine Nacht im Krankenhaus, handelt es sich um eine stationäre Behandlung, weil damit die vollständige Eingliederung des Patienten in den Krankenhausbetrieb augenfällig werde.

In der Folge grenzt das LSG die Verbringung von der Verlegung danach ab, ob die Verantwortung für die Gesamtbehandlung vollständig auf das aufnehmende Krankenhaus übergehe. In einem solchen Fall scheide der Patient aus den stationären Behandlungsabläufen und der Gesamtverantwortung des abgebenden Krankenhauses aus und werde in die stationären Abläufe des aufnehmenden Krankenhauses integriert. Werde eine vollstationäre Krankenhausbehandlung durchgeführt, scheide eine Verbringungsleistung aus. Da es sich vorliegend um eine stationäre Krankenhausbehandlung gehandelt habe, liege eine Verlegung und keine Verbringung vor. Dies gehe auch unmissverständlich aus dem „Entlassungs-/Verlegungsbericht“ des abgebenden Krankenhauses hervor. Es lägen keine Anzeichen dafür vor, dass die Koronarangiographie als Auftragsleistung hätte erbracht werden sollen.

Im Übrigen stehe auch das Wirtschaftlichkeitsgebot dem nicht entgegen. Zwar sei bei der Behandlungsplanung die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativverhaltens zu prüfen, das klagende Krankenhaus habe jedoch keine Wahl zwischen zwei Alternativen gehabt. Die Entscheidung, ob eine Verbringung oder eine Verlegung erfolgen soll, könne nicht das aufnehmende Krankenhaus, sondern nur das abgebende Krankenhaus treffen.

Anmerkungen

Maßgeblich für die Abgrenzung der Verbringung von der Verlegung ist, ob die Gesamtverantwortung der Behandlung auf das aufnehmende Krankenhaus übergegangen ist. Ein starkes Indiz hierfür ist der Entlassungs-/Verlegungsbericht des abgebenden Krankenhauses. Damit wird dokumentiert, dass der Patient aus dem Verantwortungsbereich des abgebenden Krankenhauses ausscheiden soll. Soll lediglich eine Auftragsleistung erfolgen (Verbringung), bedarf es einer ausdrücklichen Vereinbarung zwischen abgebendem und aufnehmendem Krankenhaus, insbesondere dahingehend, dass das abgebende Krankenhaus für die Kosten dieses Einzelauftrages aufkommt. Eine Verbringung scheidet dann aus, wenn das abgebende Krankenhaus nicht mehr in der Lage ist, auf die Krankenhausbehandlung in der Folge einzuwirken.

Besonderes Gewicht erhält die Entscheidung des LSG in der Auseinandersetzung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot, das das BSG verschiedentlich herausgestellt hat (siehe BSG, Urteil vom 01.07.2014, Az.: B 1 KR 62/12 R). Dabei arbeitet das LSG richtig heraus, dass es für die Behandlung des Patienten keine wirtschaftlichere Alternative gegeben hat. Die Frage der Verbringung bzw. Verlegung kann das aufnehmende Krankenhaus nicht mehr beeinflussen, da der Patient bereits vom abgebenden Krankenhaus entlassen (verlegt) worden ist. Das aufnehmende Krankenhaus hat insoweit nur noch zu prüfen, ob eine stationäre Krankenhausbehandlung notwendig ist. Das Krankenhaus hatte daher einen eigenen Vergütungsanspruch.

Das Urteil ist hier wiedergegeben. 

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:42:24
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Newsletter QBAA-RL
 

Ein Stationsleitungslehrgang für eine Intensivstation muss den Anforderungen der DKG-Empfehlung zur Weiterbildung von Krankenpflegepersonen für die pflegerische Leitung eines Bereiches im Krankenhaus und anderen pflegerischen Versorgungsbereichen genügen, um die Vorgaben der G-BA-Qualitätssicherungs-Richtlinie zum Bauchaortenaneurysma (QBAA-RL) zu erfüllen.

Urteil des BSG vom 19.04.2016, Az.: B 1 KR 28/15 R

- Bauchaortenaneurysma, QBAA-RL, Stationsleitung, Intensivstation, Weiterbildung, DKG-Empfehlung für die pflegerische Leitung -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

das BSG musste die Frage entscheiden, welche Anforderungen für die Stationsleitung auf der Intensivstation nach der G-BA-Qualitätssicherungsrichtlinie zum Bauchaortenaneurysma zu stellen sind.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus hat für die Behandlung des Bauchaortenaneurysma der beklagten Krankenkasse 9.120,40 € in Rechnung gestellt. Die Beklagte zahlte nur einen Teilbetrag, weil sie die Auffassung vertrat, die QBAA-RL sei nicht vollständig erfüllt. Sie monierte, dass die Stationsleitung der Intensivstation nur einen „modularen Führungskurs“ absolviert habe, dies entspreche nicht einem Stationsleitungslehrgang für die Intensivstation.

Die erste Instanz verurteilte die Beklagte antragsgemäß. Das LSG hob das Urteil auf und wies die Klage ab. Das BSG wies die Revision der Klägerin zurück.

Entscheidungsgründe

Das BSG bestätigte in letzter Instanz die Auffassung des LSG. Der von der Stationsleitung absolvierte „modulare Führungskurs“ erfülle nicht die Anforderungen der QBAA-RL des G-BA für einen Stationsleitungslehrgang. Die an den Leitungslehrgang zu stellenden Anforderungen sind an den Empfehlungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft zur Weiterbildung von Krankenpflegepersonen für die pflegerische Leitung eines Bereiches im Krankenhaus und anderen pflegerischen Versorgungsbereichen zumessen. Der „modulare Führungskurs“ entspreche nicht diesen Anforderungen.

Anmerkungen

Grundlage des Urteils des BSG ist die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Maßnahmen zur Qualitätssicherung für die stationäre Versorgung bei der Indikation Bauchaortenaneurysma (Qualitätssicherungs-Richtlinie zum Bauchaortenaneurysma, QBAA-RL) in der Fassung vom 13.03.2008. Die letzte Fassung der QBAA-RL ist am 05.03.2016 in Kraft getreten. In § 4 Abs. 3 QBAA-RL sind die personellen und fachlichen Anforderungen geregelt, die an den Pflegedienst zu stellen sind. Für die Stationsleitung der Intensivstation heißt es:

„Die Stationsleitung hat zusätzlich einen Leitungslehrgang absolviert.“

Von Seiten des G-BA wird nicht konkret angegeben, welcher Leitungslehrgang die Anforderungen erfüllt. Das BSG hat mit seinem Urteil diese Lücke geschlossen und die Anforderungen der DKG-Empfehlung zur Weiterbildung von Krankenpflegepersonen für die pflegerische Leitung eines Bereichs im Krankenhaus und anderen pflegerischen Versorgungsbereichen vom 30.05.2006 zu Grunde gelegt. Danach erfolgt die Weiterbildung als Vollzeitlehrgang mit Unterricht und mit den Unterricht begleitenden Praxisanteilen. Der Vollzeitlehrgang dauert 720 Stunden, davon entfallen auf die begleitenden Praxisanteile nicht mehr als 20 %. In § 5 der DKG-Empfehlung sind die Inhalte der theoretischen und praktischen Lernbereiche unter Berücksichtigung der Anforderungen und Bedürfnisse einer leitenden Funktion im Einzelnen aufgeführt. Des Weiteren ist die Prüfung durch einen Prüfungsausschuss formal abzunehmen. Die Prüfung besteht aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil. Nach Absolvierung des Weiterbildungslehrganges erhält der Teilnehmer/die Teilnehmerin ein Weiterbildungszeugnis.

Auch wenn das BSG sich auf eine bestehende DKG-Empfehlung zur Weiterbildung von Krankenpflegepersonen für die pflegerische Leitung stützt, wäre es ureigenste Aufgabe des G-BA gewesen – wie z.B. für den Pflegedienst der Intensivstation nach § 4 Abs. 3 Satz 2 QBAA-RL – den erforderlichen Stationslehrgang genau zu bezeichnen und zur Grundlage der Anwendung zu machen. Nachträglich geraten Krankenhäuser, die sich auf die offene Formulierung des G-BA für den Stationsleitungslehrgang Intensivstation verlassen haben, in finanzielle Schwierigkeiten.

Ausgehend von der Entscheidung des BSG ist daher allen Krankenhäusern dringend zu empfehlen, alle Anforderungen von G-BA-Richtlinien stringent zu erfüllen und ggf. beim G-BA nachzufragen, welche Qualifizierungsmaßnahmen die Anforderungen der jeweiligen G-BA-Richtlinie erfüllen. Nur so kann verhindert werden, dass im Nachhinein die Krankenkassen trotz sachgerechter Behandlung aus formalen Gründen die Rechnungsstellung in Frage stellen können.

Zurzeit liegt nur der Terminsbericht vor. Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werde ich Sie weiter informieren.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:42:34
 
Newsletter Nachforderungen
 

Nachforderungen des Krankenhauses unterliegen keinen betragsmäßigen Begrenzungen. Krankenhäuser können ihre Vergütungsansprüche innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist geltend machen.

 

BSG, Urteil vom 19.04.2016, Az.: B 1 KR 33/15

 

- Nachforderungen, Vergütungsanspruch, Bagatellgrenze, Ausgangsrechnungsbetrag, 5 % Regelung -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG hat sich erneut mit der Nachforderung von Vergütungsansprüchen des Krankenhauses befasst. In seinem jüngsten Urteil nimmt das BSG erfreulicherweise von der Bagatellgrenze Abstand (5 % des Ausgangsrechnungsbetrages oder 300,00 €).

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus berechnete für eine stationäre Krankenhausbehandlung im Jahr 2009 23.292,62 €. Noch im Jahr 2009 forderte das Krankenhaus eine Nachvergütung in Höhe von 922,57 €. Die beklagte Krankenkasse verweigerte die Nachvergütung unter dem Hinweis, die Bagatellgrenze von 5 % sei nicht erreicht.

 

Das Krankenhaus hatte in allen drei Instanzen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG wies die Revision der Krankenkasse zurück. Vergütungsansprüche der Krankenhäuser für die Behandlung Versicherter unterliegen der vierjährigen sozialrechtlichen Verjährung. Insoweit gibt das BSG die vom 3. Senat entwickelte Rechtsprechung zur Bagatellgrenze (mindestens Aufwandspauschale oder 5 % des Ausgangsrechnungswertes) ausdrücklich auf.

 

Anmerkung

 

Das BSG nimmt erfreulicherweise Abstand von den einengenden Vorgaben des BSG, die aus dem Jahr 2009 herrühren. Das BSG hatte damals – ohne Rechtsgrundlage – aus dem Prinzip der Waffengleichheit hergeleitet, dass Krankenhäuser Nachvergütungen nur in bestimmten Fällen geltend machen können. Es hatte mit Urteil vom 17.12.2009, Az.: B 3 KR 12/08 R, eine Bagatellgrenze eingeführt, wonach die nachgeforderte Summe entweder den Betrag der Aufwandspauschale (jetzt: 300,00 €) oder 5 % des Ausgangsrechnungswertes erreichen muss.

 

Es bleibt abzuwarten, ob in den schriftlichen Urteilsgründen auch Ausführungen zu dem Zeitraum der Geltendmachung von Nachforderungen gemacht werden. Nach dem hier vorliegenden Terminsbericht ist maßgeblich die vierjährige sozialrechtliche Verjährungsfrist.

 

Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werde ich Sie weiter informieren.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:42:51
 
Newsletter Aufrechnung
 

Krankenkassen können die Kosten für Hilfsmittel, die während des stationären Krankenhausaufenthaltes verordnet wurden und vom Patienten nach der Entlassung benötigt werden, vom Krankenhaus nicht zurückfordern.

SG Landshut, Urteil vom 26.11.2015, Az.: S 1 KR 140/14

- Aufrechnung, öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, Hilfsmittel, Orthesen, Verordnung, stationärer Aufenthalt, ambulante Versorgung, Entlassmanagement -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

eine bundesweit tätige Krankenkasse hat Ende 2013 begonnen, von den Krankenhäusern die Aufwendungen für Hilfsmittel ab dem Jahr 2009 zurückzufordern, die während des Krankenhausaufenthaltes verordnet wurden. Die Krankenhäuser haben hiergegen eingewandt, dass die Hilfsmittel (z.B. Orthesen, Vorfußentlastungsschuhe, Schultergelenkbandagen, Verbandsschuhe) zum Zeitpunkt der Entlassung benötigt würden und damit der Schwerpunkt der Verwendung im ambulanten Bereich liege.

Das SG Landshut stützt die Auffassung des Krankenhauses.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus verordnete über ihre Krankenhausärzte regelmäßig Hilfsmittel. Es handelt sich im Einzelnen um Bandagen, Lagerungshilfen, Knieorthesen, Vorfußentlastungsschuhe sowie Verbandsschuhe.

Die Krankenkasse teilte dem Krankenhaus mit Schreiben vom 05.11.2013 erstmals mit, dass sie die Auffassung vertrete, dass die Kosten für diese Hilfsmittel mit den DRG-Fallpauschalen abgegolten seien. Insoweit handele es sich um eine Doppelfinanzierung. Sie forderte daher von dem Krankenhaus für Verordnungen im Jahr 2009 einen Betrag von knapp 4.000,00 € zurück. Nachdem die Klägerin dem nicht Folge leistete, kürzte sie die Rechnungen für unstreitige Krankenhausbehandlungsfälle um rund 4.000,00 €. Hierzu gab sie am 20.12.2013 gegenüber dem Krankenhaus folgende Erklärung ab:

„Zur Abwendung der Verjährung unserer Ansprüche aus dem Jahr 2009 waren wir gezwungen, einen Betrag in Höhe von 3.987,29 € gegen unstreitige Krankenhausvergütungen aufzurechnen.“

Mit Wertstellung zum 03.01.2014 zahlte die Krankenkasse sodann nur die gekürzten Krankenhausvergütungen für andere Krankenhausbehandlungen.

Das Krankenhaus erhob daraufhin Zahlungsklage vor dem SG.

Entscheidungsgründe

Das SG hat der Klage stattgegeben, da eine wirksame Aufrechnungserklärung von Seiten der Beklagten fehlte und die – behauptete – Gegenforderung nicht fällig war.

Das Schreiben der Beklagten vom 20.12.2013 hält das SG nicht für eine wirksame Aufrechnungserklärung; der Erklärung fehle es an der notwendigen Bestimmtheit. Die Beklagte habe versäumt Art und Umfang der Erklärung eindeutig zu bezeichnen. Dazu gehöre Angaben über die Höhe, den Rechtsgrund, Bezugszeiten, Fälligkeit der Forderung sowie die Darlegung, ob die Forderung bestands- bzw. rechtskräftig festgestellt ist. Hierzu habe die Beklagte am 20.12.2013 keine Angaben gemacht. Erstmals mit Schriftsatz vom 15.06.2015 seien die einzelnen Versicherten und die Hilfsmittel, die verordnet wurden, konkret benannt worden. Der ursprüngliche Mangel der Aufrechnungserklärung könne nachträglich nicht mehr geheilt werden.

Im Übrigen sei der geltend gemachte Erstattungsanspruch auch nicht fällig. Nach § 12 der Pflegesatzvereinbarung (Bayerisches Muster) sei die Krankenkasse gehalten, ihren Anspruch im Klagewege zu realisieren. Erst drei Wochen nach Rechtskraft dieser Entscheidung ist der Betrag dann zurückzuzahlen; erst zu diesem Zeitpunkt könne daher aufgerechnet werden.

Des Weiteren führt das SG folgenden wichtigen Gesichtspunkt ins Feld:

Der Ansatz der Krankenkasse, das Krankenhaus habe schließlich im Rahmen der stationären Behandlung Aufwendungen erspart, z.B. den Gipsverband, trage von vornherein nicht. Insoweit setze die Krankenkasse ersparte Aufwendungen mit den Kosten für die Hilfsmittel gleich.

Die verordneten Hilfsmittel seien im Übrigen Teil der ambulanten Versorgung. Die Hilfsmittel würden ausnahmslos auch nach der Entlassung des Patienten benötigt. Dass sie bereits im Krankenhaus angepasst und für einen kurzen Zeitraum verwendet werden, mache sie nicht zu allgemeinen Krankenhausleistungen. Die Alternative, dass die Patienten bereits eine entsprechende Verordnung des einweisenden Krankenhausarztes mitbringen, sei umständlich und nicht im Interesse des Patienten an einem nahtlosen Übergang von der stationären in die ambulante Behandlung.

Als weiteren Gesichtspunkt führt das SG den Vertrauensschutz des Krankenhauses an der bisher nicht beanstandeten Verordnungsweise an. Das Krankenhaus durfte bis Ende 2013 darauf vertrauen, dass ihre Verordnungspraxis vertrags- und gesetzeskonform sei.

Anmerkungen

Der Schwerpunkt des Urteils bezieht sich auf die unwirksame Aufrechnungserklärung der Krankenkasse. Krankenkassen rechnen häufig pauschal einen Betrag auf, ohne den Krankenhäusern die Einzelheiten konkret mitzuteilen. Allgemeine Angaben, z.B. hier Aufrechnung wegen Hilfsmittelverordnungen, reichen hierzu nicht aus. Von den Krankenkassen sind die Höhe, der Rechtsgrund, die Bezugszeiten und die Fälligkeit der Forderung zu benennen. Des Weiteren muss eine Angabe gemacht werden, ob die Forderung bestands- bzw. rechtskräftig ist.

Insoweit gehen Krankenkassen ein Risiko ein, wenn sie kurz vor Verjährungsende die Aufrechnung ohne konkrete Angaben erklären. Die Aufrechnungserklärung kann dann nicht mehr nachgeholt werden.

Wichtiger Kernpunkt der Entscheidung ist jedoch die Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Hilfsmittel überhaupt als allgemeine Krankenhausleistungen anzusehen sind, wenn sie in erster Linie vom Patienten nach der Entlassung benötigt werden.

In seinem obiter dictum hat das SG korrekt herausgearbeitet, dass Hilfsmittel wie Vorfußentlastungsschuhe, Schultergelenkbandagen/-orthesen, Knierahmenorthesen, Stabilisierungsorthesen, Verbandsschuhe, in erster Linie dem Patienten nach der Entlassung nützen. Dem stehe nicht entgegen, dass die vorgenannten Hilfsmittel bereits im Krankenhaus angepasst und für einen kurzen Zeitraum verwendet werden. Dies mache sie nicht zu allgemeinen Krankenhausleistungen.

Richtig ist auch, dass der angebliche Erstattungsanspruch der Krankenkasse nicht auf „ersparte Aufwendungen“ gestützt werden kann. Das SG hat insoweit feinsäuberlich herausgearbeitet, dass die angeblich ersparten Aufwendungen, wie z.B. ein Gipsverband, nicht mit den Kosten für verordnete Hilfsmittel gleichzusetzen sind. Auch dies ist ein weiteres Argument gegen einen Erstattungsanspruch der Krankenkasse.

Den Krankenhäusern wird daher empfohlen, dem Rückforderungsbegehren der Krankenkasse nicht Rechnung zu tragen und bei Kürzung von Rechnungen, den Klageweg zu beschreiten.

Das Urteil ist hier wiedergeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:43:10
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Newsletter Vertragsärztliche Tätigkeit
 

Infolge der Änderung des § 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV durch das GKV-VStG gibt es ab 01.01.2012 für eine Beschäftigung, die neben der vertragsärztlichen Tätigkeit ausgeübt wird, keine zeitlich starre Vorgabe. Es gibt auch keine Begrenzung der wöchentlichen Höchststundenzahl auf insgesamt 52 Stunden für beide Tätigkeiten. Eine vollzeitige Beschäftigung im Krankenhaus steht jedoch der Zulassung als Vertragsarzt entgegen.

BSG, Urteil vom 16.12.2015, Az.: B 6 KA 5/15 R

- vertragsärztliche Tätigkeit, Zulassung, Beschäftigung als Krankenhausarzt, Gesamtwochenarbeitszeit, Dauer und zeitliche Lage der Beschäftigung -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

vorliegend befasste sich das BSG mit der Fragestellung, ob einem Facharzt für Transfusionsmedizin, der als beamteter Hochschullehrer in Vollzeit tätig ist, die Zulassung als Vertragsarzt erteilt werden kann. Das Urteil strahlt auch auf die umgekehrte wichtige Fragestellung aus, ob und inwieweit ein Vertragsarzt einer Beschäftigung in einem Krankenhaus nachgehen kann.

Sachverhalt

Der Kläger ist Facharzt für Transfusionsmedizin und als Beamter auf Lebenszeit an der MHH tätig. Des Weiteren besitzt er eine Ermächtigung im Bereich der Transfusionsmedizin. Im Jahre 2007 stellte er den Antrag an den Zulassungsausschuss, ihm anstelle der Ermächtigung eine Zulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag zu erteilen.

Der Zulassungsausschuss und der Berufungsausschuss lehnte die Zulassung ab. Klage und Berufung des Klägers hatten keinen Erfolg. Das BSG wies die Revision des Klägers gegen das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen zurück.

Entscheidungsgründe

Rechtlicher Ausgangspunkt der Entscheidung des BSG ist § 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV, der durch das GKV-VStG zum 01.01.2012 geändert wurde. Das BSG stellt fest, dass sich aus der Gesetzesbegründung hierzu ergebe, dass der Gesetzgeber eine Flexibilisierung der vertragsärztlichen Berufsausübung erreichen und die zeitlichen Grenzen für Nebenbeschäftigungen der Vertragsärzte lockern wollte. Seit dem 01.01.2012 könne die Erteilung der Zulassung nicht mehr von genau festgelegten zeitlichen Grenzen für die sonstige Beschäftigung abhängig gemacht werden. Die Erteilung der Zulassung könne auch nicht mehr pauschal von der Einhaltung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von (bisher) 52 Wochenstunden abhängig gemacht werden.

Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber durch die Änderung von § 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV keine Beseitigung, sondern nur eine Lockerung der zeitlichen Grenzen herbeiführen wollte. Neben einer vollzeitigen Tätigkeit als Arzt im Krankenhaus könne eine vertragsärztliche Zulassung auch im Umfang von einem halben Versorgungsauftrag nicht erfolgen.

Anmerkungen

Aufgrund der Rechtsprechung des BSG bestanden vor der Änderung des § 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV durch das GKV-VStG (bis zum 31.12.2011) starre zeitliche Grenzen für die Tätigkeit eines Vertragsarztes im Krankenhaus. Das BSG ging davon aus, dass die Tätigkeitszeiten im Krankenhaus bei einer vollen Zulassung als Vertragsarzt auf 13 Stunden und bei einer halben Zulassung (hälftiger Versorgungsauftrag) auf 26 Stunden begrenzt seien. Als wöchentliche Höchststundenzahl für beide Tätigkeiten stellte das BSG auf insgesamt 52 Stunden ab. Die Überschreitung dieser zeitlichen Grenzen stand einer Zulassung entgegen.

Mit der Änderung des § 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV durch das GKV-VStG sind diese zeitlichen festen Grenzen ab 01.01.2012 obsolet. Stattdessen stellt das BSG auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles ab. Die Zulassung als Vertragsarzt wird desto eher zu erteilen sein, je deutlicher sich die gleichzeitig ausgeübte Beschäftigung oder sonstige Tätigkeit von einer Vollzeittätigkeit entfernt.

§ 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV i.d.F. des GKV-VStG lautet wie folgt:

„Ein Beschäftigungsverhältnis oder eine andere nicht ehrenamtliche Tätigkeit steht der Eignung für die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit entgegen, wenn der Arzt unter Berücksichtigung der Dauer und zeitlichen Lage der anderweitigen Tätigkeit den Versicherten nicht in dem seinem Versorgungsauftrag entsprechenden Umfang persönlich zur Verfügung steht und insbesondere nicht in der Lage ist, Sprechstunden zu den in der vertragsärztlichen Versorgung üblichen Zeiten anzubieten.“

Nach der Flexibilisierung von § 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV kommt es nunmehr wesentlich darauf an, ob und inwieweit der Vertragsarzt in der Lage ist, den Patienten in einem dem Versorgungsauftrag entsprechenden Umfang persönlich zur Verfügung zu stehen. Dabei ist zu beachten, dass die Sprechstunden zu den in der vertragsärztlichen Versorgung üblichen Zeiten angeboten werden müssen. Die Tätigkeit bzw. Beschäftigung in einem Krankenhaus kann daher bei voller Vertragsarztzulassung über der bisherigen Stundenzahl von 13 Wochenstunden und bei hälftigem Versorgungsauftrag über der bisherigen Stundenzahl von 26 Wochenstunden liegen. Wann der Vertragsarzt nicht mehr in der Lage ist, seinen Versorgungsauftrag persönlich zu erfüllen, lässt sich aus dem Urteil des BSG nicht konkret entnehmen. Es hat lediglich festgelegt, dass eine vollzeitige Beschäftigung der Zulassung als Vertragsarzt entgegensteht.

Für die Praxis ist jedoch von Bedeutung, dass die starre Begrenzung durch eine Höchststundenzahl, wie sie häufig noch von Krankenkassen in Abrechnungsstreitigkeiten vertreten wird, nicht mehr haltbar ist.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

 

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:43:30
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Bundesverwaltungsgericht sorgt für Klarheit:
 

Für die Ausnahme vom Mehrleistungsabschlag bei zusätzlichen Kapazitäten aufgrund der Krankenhausplanung genügt nach § 4 Abs. 2a Satz 3 KHEntgG eine Erklärung der Krankenhausplanungsbehörde, aus der sich die Zustimmung zur Erweiterung der Kapazitäten ergibt.

BVerwG, Urteil vom 16.09.2015, Az.: 3 C 9/14

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Musterrechtsstreit die Frage entschieden, ob für die Ausnahmeregelung vom Mehrleistungsabschlag aufgrund der Krankenhausplanung eine Erklärung der zuständigen Landesbehörde ausreicht, woraus sich die Billigung der Kapazitätserweiterung ergibt. Eine diesbezügliche Erklärung hält das Bundesverwaltungsgericht für ausreichend.

Sachverhalt

Bei den Budgetverhandlungen für das Jahr 2011 konnten sich die Krankenkassen und das Krankenhaus nicht über die Abschlagsfreiheit für Mehrleistungen aufgrund der Inbetriebnahme eines neuen Operationssaales für Schulterchirurgie einigen. Die daraufhin angerufene Pflegesatzschiedsstelle erkannte den Ausnahmetatbestand an. Die Schiedsstelle hielt es für ausreichend, dass die Erweiterung der Kapazitäten im Einklang mit der bayerischen Krankenhausplanung stehe. Einen besonderen staatlichen Anerkennungsakt forderte die Schiedsstelle nicht. 

Gegen den Schiedsspruch erhoben die Krankenkassen unmittelbar Klage vor dem Verwaltungsgericht. Das Verwaltungsgericht hat der Anfechtungsklage stattgegeben. Das Verwaltungsgericht forderte eine Billigung der Maßnahme durch die zuständige Krankenhausplanungsbehörde, die hier nicht vorgelegen habe.

Gegen das negative Urteil hat das Krankenhaus die zugelassene Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht eingelegt.

Entscheidungsgründe

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte das Urteil des Verwaltungsgerichts uneingeschränkt.

Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts greift § 4 Abs. 2a Satz 3 Halbsatz 1 Alternative 2 KHEntgG nur, wenn sich die Bereitstellung der zusätzlichen Kapazitäten durch das Krankenhaus der zuständigen Krankenhausplanungsbehörde zurechnen lässt. Wörtlich führt das Bundesverwaltungsgericht aus:

„Dazu bedarf es entweder einer Ausweisung der Kapazitätserweiterung im Krankenhausplan oder einer sonstigen Erklärung der Krankenhausplanungsbehörde, aus der sich ihr Einverständnis mit der Kapazitätserweiterung ergibt. Insoweit bedarf es eines Zurechnungszusammenhanges zwischen der Krankenhausplanung und der zusätzlichen Kapazitäten.“

Nicht als ausreichend wird vom Bundesverwaltungsgericht erachtet, dass die zusätzlichen Kapazitäten nicht in Widerspruch zu den Festlegungen im Krankenhausplan stehen.

Im Übrigen bedarf es jedoch nicht des Anstoßes durch die Krankenhausplanungsbehörde, dass die zusätzlichen Kapazitäten vom Krankenhaus geschaffen werden. Entscheidend für den Zurechnungszusammenhang ist, dass die Krankenhausplanungsbehörde die zusätzlichen Kapazitäten gebilligt und damit bestätigt hat, dass die Maßnahme aus Sicht der Krankenhausplanung erwünscht ist (BVerwG aaO., Rdz. 26 ff., juris).

Anmerkungen

Mit dieser Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht für die notwendige Klarheit gesorgt. Dieses Thema ist nach wie vor relevant, da der Mehrleistungsabschlag auch noch im Jahr 2016 Anwendung findet.

Es wird daher den Krankenhäusern empfohlen, soweit sie Mehrleistungen im Jahr 2016 gegenüber der Vereinbarung des Vorjahres erbringen, sich um einen Billigungsakt der zuständigen Krankenhausplanungsbehörde zu bemühen. Dies wird von Seiten des Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich verlangt, aber auch als gerechtfertigt erachtet. Das Bundesverwaltungsgericht führt hierzu aus, dass diesem Verfahren (Einholung einer Billigung bei der Krankenhausplanungsbehörde) weder rechtliche Hindernisse entgegenstehen noch es für den Krankenhausträger oder die Behörde einen unzumutbaren Verwaltungsaufwand darstelle (BVerwG, aaO., Rdz. 40, juris).

Darüber hinaus gibt das Bundesverwaltungsgericht wertvolle Hinweise, was unter zusätzliche Kapazitäten aufgrund der Krankenhausplanung zu verstehen ist. Die Formulierung stellt danach auf den quantitativen Umfang möglicher Krankenhausleistungen ab. Erfasst werden u. a. kapazitätserweiternde Maßnahmen wie die Aufstockung der Bettenzahl, die Ansiedlung einer neuen Fachabteilung, die Ausweitung einer Fachabteilung aufgrund der Schließung eines anderen Krankenhauses aber auch die Einrichtung neuer Operationssäle (BVerwG, aaO., Rdz. 30, juris).

Ergänzend hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass gegen die Einführung des Mehrleistungsabschlages keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen.

Zu beachten ist jedoch, dass ab dem Jahr 2017 durch das KHSG eine Neuregelung eingeführt wurde. Nach § 4 Abs. 2b KHEntgG idF. KHSG ist ein Fixkostendegressionsabschlag anzuwenden. Die Höhe des Fixkostendegressionsabschlages wird von den Selbstverwaltungspartnern auf Landesebene nach § 10 Abs. 13 KHEntgG festgelegt. Der Fixkostendegressionsabschlag gilt für drei Jahre.

Darüber hinaus ist der Fixkostendegressionsabschlag Gegenstand der zu führenden Budgetverhandlungen im Jahr 2017. Danach ist ein höherer Abschlag oder eine längere Abschlagsdauer von den Vertragsparteien vor Ort (§ 18 Abs. 2 KHG) für zusätzliche Leistungen mit höherer Fixkostendegression oder für Leistungen zu vereinbaren, bei denen bereits in erhöhtem Maße wirtschaftlich begründete Fallzahlsteigerungen eingetreten oder zu erwarten sind.

Auch die Ausnahmetatbestände vom Fixkostendegressionsabschlag 2017 wurden in § 4 Abs. 2b KHEntgG idF. KHSG neu gefasst. Unter anderem gilt der Abschlag nicht bei zusätzlich bewilligten Versorgungsaufträgen, für die bislang keine Abrechnungsmöglichkeit bestand. Des Weiteren gilt nur ein hälftiger Abschlag bei Verlagerung von Leistungen zwischen den Krankenhäusern, die nicht zu einem Anstieg der Summe der effektiven Bewertungsrelationen im Einzugsgebiet des Krankenhauses führt.

Vor dem Hintergrund der Neuregelung, deren Auswirkungen nicht annähernd abgeschätzt werden können, wird den Krankenhäusern empfohlen, erwartete Mehrleistungen im Jahr 2016 in die Budgetverhandlungen soweit wie möglich einzuführen.

Das Urteil ist unter www.medizinrecht-ra-mohr.de wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:43:59
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Eine Prüfungs- und Datenerhebungsbefugnis für rein "sachlich-rechnerische" Prüfungen außerhalb des Regimes des § 275 SGB V steht dem MDK nicht zu.
 

Die Klärung medizinischer Auffälligkeiten unterfallen dem Anwendungsbereich des § 275 Abs. 1c SGB V und lösen die Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € aus.

Urteil des SG Trier vom 17.02.2016, Az.: S 5 KR 100/15

- sachlich-rechnerische Prüfung, Auffälligkeitsprüfung, Prüfungs- und Datenerhebungsbefugnis des MDK, Aufwandspauschale -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

das SG Trier hat sich mit dem Anspruch auf Aufwandspauschale befasst und die Abgrenzung zwischen sachlich-rechnerischer Prüfung und Auffälligkeitsprüfung vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BSG näher beleuchtet.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus behandelte einen Patienten wegen Sepsis Escherichia coli (E. coli) und verschiedenen Nebendiagnosen im Jahr 2014. Die beklagte Krankenkasse beauftragte den MDK mit einer Prüfung gemäß § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V mit der Fragestellung: „Hauptdiagnose korrekt?“. Der MDK kam in seiner Stellungnahme zum Ergebnis, dass die Hauptdiagnose korrekt sei. Das Krankenhaus stellte sodann der Krankenkasse die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V in Höhe von 300,00 € in Rechnung.

Die Beklagte verweigerte die Bezahlung der Aufwandspauschale mit dem Hinweis, dass die Nebendiagnose R17 Ikterus nicht kodiert worden sei. Das Krankenhaus habe daher keine fehlerlose Datenlieferung vorgenommen.

Dem trat die Klägerin entgegen und führte aus, die Nebendiagnose R17 (Ikterus) werde nur kodiert, wenn ein zusätzlicher Aufwand entstanden sei. Das sei vorliegend nicht der Fall gewesen.

Entscheidungsgründe

Das SG Trier gab der Klage des Krankenhauses statt. Die Klägerin habe Anspruch auf die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V.

Dabei geht das SG Trier grundsätzlich davon aus, dass es in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung gibt. Welchen Inhalt eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung habe, ergäbe sich weder konkret aus der Rechtsprechung des BSG noch aus einschlägigen gesetzlichen Regelungen.

Ausgehend hiervon beziehe sich eine sachlich-rechnerische Prüfung – wie im kaufmännischen Bereich selbst – auf eine auf Sachbearbeiterebene zu leistende mathematische Richtigkeitsprüfung und auf eine Prüfung der generellen, grundsätzlichen Abrechnungsregeln. Diese können ohne speziellen Sachverstand durch die Sachbearbeiter der Krankenkassen durchgeführt werden.

Wird der MDK zur Klärung von medizinischen Fragestellungen eingeschaltet, handelt es sich nicht um eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung. Nur die Klärung von medizinischen Fragestellungen sei dem MDK überantwortet nicht die sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung. Die Prüfung von medizinischen Fragestellungen (sog. Auffälligkeitsprüfung) löst ggf. den Anspruch auf die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1 Satz 3 SGB V aus.

Bezogen auf die Kodierung der Nebendiagnose R17 (Ikterus) sah das SG Trier keinen weiteren Ermittlungsbedarf.

Anmerkungen

In einer Reihe von Entscheidungen hat sich das SG Trier der Auffassung der klagenden Krankenhäuser angeschlossen, dass sie Anspruch auf die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V haben. Eine davon ist hier näher besprochen.

Das SG Trier arbeitet fein säuberlich heraus, dass eine sachlich-rechnerische Prüfung nur die mathematische Richtigkeit der Abrechnung und die sachliche Prüfung der Abrechnung unter dem Gesichtspunkt der Beachtung genereller, grundsätzlicher Abrechnungsregeln betrifft.

Eine Beauftragung des MDK im Rahmen einer sachlich-rechnerischen Prüfung hält das SG Trier für nicht zulässig. Diese sachlich-rechnerische Prüfung sei ausschließlich auf Sachbearbeiterebene der Krankenkassen angesiedelt. Der MDK habe nur medizinische Auffälligkeiten zu überprüfen. Eine Prüfungs- und Datenerhebungsbefugnis für rein sachlich-rechnerische Prüfungen steht dem MDK nicht zu (siehe § 276 Abs. 2 SGB V).

Diese Sichtweise des SG Trier ist in sich schlüssig und entspricht der Auffassung der Krankenhäuser. Das SG Trier reiht sich insoweit auch in die Rechtsprechung anderer Sozialgerichte ein, die ebenfalls in vergleichbaren Fällen einen Anspruch auf Aufwandspauschale bejaht haben. Hier sei besonders hingewiesen auf das Urteil des SG Gelsenkirchen vom 07.01.2016, Az.: S 11 KR 1630/15.

Ab 01.01.2016 wurde im Rahmen des KHSG nunmehr auch ausdrücklich klargestellt, dass die Fristen- und Anzeigeregelung und die Regelung zur Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c SGB V sich auf jede Prüfung der Abrechnung durch den MDK bezieht, bei der eine Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus erforderlich ist.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:45:36
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Newsletter "Spezielle Schmerztherapie"
 

Der Aufgabenschwerpunkt „Spezielle Schmerztherapie (SMT)“ der zugewiesenen Fachabteilung Innere Medizin umfasst auch Leistungen auf dem Gebiet der Orthopädie

 

Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 10.12.2015, Az.: L 5 KR 56/15

 

- Spezielle Schmerztherapie, Multimodale Schmerztherapie, Versorgungsauftrag, Schwerpunkt, Innere Medizin, Akutbehandlung, Rehabilitation -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der Bestimmung des Umfangs des Versorgungsauftrages kommt immer mehr Bedeutung zu. Vorliegend erkannte das LSG, im Anschluss an die Vorinstanz, dass im Rahmen der Inneren Medizin mit dem Aufgabenschwerpunkt „Spezielle Schmerztherapie“ auch Krankheitsbilder behandelt werden dürfen, die im Gebiet Orthopädie ihren Ursprung haben, obwohl dem Krankenhaus keine Fachabteilung Orthopädie zugewiesen wurde.

 

Sachverhalt

 

Die Klägerin betreibt ein Fachkrankenhaus mit der Fachrichtung „Innere Medizin“. Innerhalb der Fachrichtung Innere Medizin wurde planerisch ein Aufgabenschwerpunkt spezielle Schmerztherapie (SMT) zugewiesen. Im vorliegenden Rechtsstreit wurde eine Patientin wegen hochchronifizierter Schmerzerkrankung (MPSS II) mit erheblicher schmerzbedingter Beeinträchtigung bei folgenden Schmerzlokalisationen behandelt: chronischer bewegungsabhängiger Schulter-Nacken-Arm-Kopf-Schmerz bds. bei cervicaler Facettenarthropathie [M47.22] und myofascieller Insuffizienz [M54.5], nebenbefundlich Hämangiom des HWK 7. Die Behandlung dauerte 19 Tage.

 

Die beklagte Krankenkasse verweigerte die Begleichung der Krankenhausrechnung mit im Wesentlichen zwei Argumenten: Das Krankenhaus habe für eine Schmerzbehandlung, die ihren Ursprung im orthopädischen Bereich habe, keinen Versorgungsauftrag. Im Übrigen handele es sich um eine fachliche Fehlbelegung, da die Durchführung einer Rehabilitation ausreichend gewesen wäre.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Klage war sowohl in erster als auch in zweiter Instanz erfolgreich. Das LSG schloss sich in seiner kurzen Begründung vollinhaltlich der Auffassung des SG Mainz (Urteil vom 06.02.2015, Az.: S 7 KR 521/11) an.

 

Zum Versorgungsauftrag gingen die Sozialgerichte davon aus, dass Leistungen der speziellen Schmerztherapie auch im Gebiet Innere Medizin erbracht werden dürfen. Die Zusatzweiterbildung Spezielle Schmerztherapie umfasst in Ergänzung zu einer Facharztkompetenz die Erkennung und Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten, bei denen der Schmerz seine Leit- und Warnfunktion verloren und einen selbständigen Krankheitswert erlangt hat. Aus der maßgeblichen Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer gehe hervor, dass die Facharztanerkennung auch im Gebiet der Inneren Medizin erfolgen könne. Die Leistungen der speziellen Schmerztherapie seien interdisziplinär angelegt. An der Versorgung seien nicht nur Internisten, sondern auch Orthopäden beteiligt. Der Versorgungsauftrag des Krankenhauses sei daher nicht überschritten.

 

Des Weiteren kommen die Sozialgerichte zur Auffassung, dass eine hochchronifizierte Schmerzerkrankung vorgelegen habe, die akutstationär behandelt werden musste. Eine medizinische Rehabilitation habe nicht ausgereicht.

 

Anmerkung

 

Der Versorgungsauftrag wird durch den Planfeststellungsbescheid i.V.m. mit dem Krankenhausplan bestimmt. Insoweit ist die landesrechtliche Zuweisung maßgeblich, die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein kann. Wird planerisch ein Aufgabenschwerpunkt „Spezielle Schmerztherapie“ zugewiesen, richtet sich der Inhalt im Regelfall nach der ärztlichen Weiterbildungsordnung, die eine Beschreibung des Gebiets bzw. der Zusatzweiterbildung enthält. Da die Zusatzweiterbildung spezielle Schmerztherapie den Erwerb einer Facharztbezeichnung voraussetzt, genügt auch die Facharztanerkennung im Gebiet der Inneren Medizin. Die Spezielle Schmerztherapie durfte daher auch im Gebiet Innere Medizin durchgeführt werden. Allerdings geht damit nicht einher, dass die „Spezielle Schmerztherapie“ sich nur im Gebiet Innere Medizin bewegen darf, da sie interdisziplinär mit unterschiedlichen Fachrichtungen angelegt ist. So begegnete es vorliegend auch keinen Bedenken, dass bei der interdisziplinären speziellen Schmerztherapie Internisten, Orthopäden bzw. auch andere Ärzte beteiligt werden.

 

Die Abgrenzung akutstationäre Behandlung und medizinische Rehabilitation ist danach vorzunehmen, mit welchen Zielen und mit welchen Mitteln die Behandlung im Krankenhaus erfolgt. Dabei ist zu beachten, dass die medizinische Rehabilitation in erster Linie Behinderung und Pflegebedürftigkeit verhüten oder deren Folgen mindern soll. Demgegenüber dient die Krankenhausbehandlung dazu, eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Dabei muss das Leiden nach seiner Art und aufgrund medizinischer Erfahrung noch aussichtsreich behandelt werden können. Maßgeblich ist zudem, dass bei der Krankenhausbehandlung vorrangig Ärzte (neben den übrigen Berufsgruppen) eingesetzt werden.

 

Die beiden Sozialgerichtsurteile sind hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:46:09
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Newsletter Fallzusammenführung und Unwirtschaftlichkeit
 

Eine Fallzusammenführung ist ausschließlich auf der Basis des tatsächlichen Behandlungsverlaufes vorzunehmen. Hypothetische Geschehensabläufe dürfen nicht zu Grunde gelegt werden. Nicht erforderliche Tage der Krankenhausbehandlung sind bei der Vergütung nicht zu berücksichtigen.

BSG, Urteil vom 17.11.2015, Az.: B 1 KR 13/15 R

 

- Fallzusammenführung, tatsächlicher Behandlungsverlauf, hypothetischer Geschehensablauf, sachlich-rechnerische Richtigkeit, Unwirtschaftlichkeit, sekundäre Fehlbelegungstage, Vergütung, wirtschaftliches Alternativverhalten -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der 1. Senat des BSG hat in seiner Sitzung am 17.11.2015 über einen Rechtsstreit entschieden, dem die Fragestellung zu Grunde lag, ob im Rahmen der Berechnung einer Fallzusammenführung auf den tatsächlichen Geschehensablauf abzustellen ist oder eine fiktive Alternativberechnung unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit der Krankenhausbehandlung vorzunehmen ist.

 

Sachverhalt

 

Das Krankenhaus behandelte die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Patientin ab 4.1.2009 wegen einer Fraktur des Oberschenkelknochens. Die Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe desselben Krankenhauses diagnostizierte ein Mammakarzinom der linken Brustdrüse.

 

Die Klägerin verlegte die Versicherte zur weiteren postoperativen Mobilisierung in die Geriatrie eines anderen Krankenhauses (3. bis 17.2.2009). Nach Rückverlegung in das Krankenhaus der Klägerin erfolgte eine Entfernung der linken Brustdrüse sowie der Lymphknoten.

 

Die Klägerin berechnete 11.489,43 Euro (Fallpauschale - DRG I08E - andere Eingriffe am Hüftgelenk und Femur mit Mehrfacheingriff, komplexer Prozedur oder Diagnose oder äußerst schweren CC oder mit Osteotomie oder Muskel/Gelenkplastik; Verweildauer 48 Tage).

 

Die Beklagte bezahlte die Rechnung und rechnete später 2.563,38 Euro mit einer unstreitigen Forderung der Klägerin auf, weil die Krankenhausbehandlung vom 22.1.2009 bis 3.2.2009 nicht erforderlich gewesen sei.

 

Die Klägerin erhob daraufhin Zahlungsklage vor dem SG. Nach Klageerhebung hat die Klägerin ihre bisherige Rechnung storniert und insgesamt 10.249,02 Euro berechnet (5.218,66 Euro für die Fallpauschale I08E vom 4. bis 22.1.2009; 5.030,36 Euro für die Fallpauschale J23Z - Große Eingriffe an der Mamma bei bösartiger Neubildung - Behandlung vom 17.2.2009 bis 7.3.2009).

 

Das SG hat einen fiktiven Behandlungsverlauf mit zwei Behandlungsfällen zugrunde gelegt und die Beklagte zur Zahlung weiterer 1.322,97 Euro nebst Zinsen verurteilt. Das LSG hat das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe gemäß § 3 Abs. 3 FPV 2009 nur einen Behandlungsfall (Fallzusammenführung) abrechnen dürfen. Sie habe die Versicherte aus ihrem Krankenhaus in ein anderes Krankenhaus verlegt, welches die Versicherte danach innerhalb von 30 Kalendertagen zurückverlegt habe. Die Abrechnung sei zudem um die nicht medizinisch notwendigen 13 Behandlungstage zu kürzen.

 

Dagegen hat die klagende Krankenhausträgerin Revision beim BSG eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Die Voraussetzungen einer um 1.322,97 Euro höheren Vergütung seien nicht erfüllt. Für die Abrechnung seien die tatsächlichen Krankenhausaufenthalte der Versicherten in einem ersten Schritt sachlich-rechnerisch in einer Fallpauschale (DRG I08E) zusammenzufassen und in einem zweiten Schritt um die Tage unwirtschaftlicher Verweildauer zu kürzen. Die Abrechnungsregelung (§ 3 Abs. 3 FPV 2009) stelle ausschließlich auf den tatsächlichen Behandlungsverlauf ab und sehe keine fiktiven Abrechnungen auf der Ebene sachlich-rechnerischer Richtigkeit vor. Insbesondere regele § 3 FPV 2009 keine Ausnahmen für Fälle, in denen eine Entlassung eines Versicherten wegen Entfallens der Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung möglich gewesen wäre. Eine Alternativberechnung, die von zwei Behandlungsepisoden der Versicherten ausgeht, sei nicht zulässig. Das Krankenhaus könne nicht ein vermeintlich unwirtschaftliches Verhalten (Verlegung in die Geriatrie) durch ein fiktives Alternativverhalten (Entlassung nach Hause) ersetzen und so seine Abrechnung optimieren.

 

Anmerkungen

 

Den Ausführungen des 1. Senats ist zu entnehmen, dass die Abrechnung sich nach dem tatsächlichen Geschehen richtet, das auf seine sachlich-rechnerische Richtigkeit hin überprüft wird. Ist - wie hier - eine Verlegung nebst- Rückverlegung innerhalb von 30. Kalendertagen erfolgt, so hat eine Fallzusammenführung zu erfolgen. In einem weiteren Schritt sind diejenigen Behandlungstage aus der Abrechnung herauszunehmen, die nicht medizinisch notwendig waren (sekundäre Fehlbelegungstage). Diese sind bei der Abrechnung der Fallzusammenführung in Abzug zu bringen.

 

Auszugehen ist bei dieser Beurteilung stets von dem tatsächlichen Behandlungsablauf (hier: Verlegung und Rückverlegung). Nicht gehört wurde die Klägerin mit ihrem Vorbringen, es habe sich nachträglich herausgestellt, dass die Verlegung in ein anderes Krankenhaus unwirtschaftlich gewesen sei, da die Patientin nach Hause hätte entlassen werden können. Das BSG geht davon aus, dass auf der Ebene der sachlich-rechnerischen Beurteilung keine fiktiven Abrechnungen vorgenommen werden dürfen. Es stelle sich daher auf dieser Prüfungsebene auch nicht die Frage eines „wirtschaftlichen Alternativverhaltens“.

 

Ergänzend weist das BSG deutlich darauf hin, dass vom Krankenhaus erkannte Unwirtschaftlichkeiten zu einer Kürzung des Abrechnungsbetrages führen müssen. Mit der Abrechnung muss das Krankenhaus die Krankenkasse vollständig und zutreffend über die vorgenommene Kürzung informieren, notfalls im Wege einer „manuell“ korrigierten Abrechnung.

 

Im entschiedenen Fall geht das BSG sogar davon aus, dass die Überprüfung auffälliger Krankenhausabrechnungen auf Unwirtschaftlichkeit dem Krankenhaus nicht die Gelegenheit verschaffen soll, „durch Angaben weiterer Unwirtschaftlichkeit seine Abrechnung zu optimieren“ (BSG, a.a.O., Rdz. 20). Ein interessanter Aspekt.

 

 Das Urteil ist hier wiedergegeben.

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Newsletter Abrechenbarkeit einer vorstationären Behandlung bei anschließender ambulanter OP
 

Krankenhäuser dürfen eine vorstationäre Behandlung auch bei anschließender ambulanter Operation des Patienten abrechnen, wenn dies zur Abklärung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit mit den besonderen Mitteln des Krankenhauses medizinisch notwendig ist.

 

BSG, Urteil vom 17.11.2015, Az.: B 1 KR 30/14 R

 

- Abklärungsuntersuchung, Vorstationäre Behandlung, ambulante Operation, Vergütung -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der 1. Senat des BSG hat in seiner Sitzung am 17.11.2015 über einen Rechtsstreit entschieden, dem die Fragestellung zu Grunde lag, ob eine vorstationäre Behandlung abrechenbar ist, wenn sich daran eine ambulante Operation nach Maßgabe des § 115b SGB V anschließt.

 

Sachverhalt

 

Ein Vertragsarzt verordnete einer Patientin - nach einer von ihm veranlassten MRT-Untersuchung - Krankenhausbehandlung wegen "Kniebinnenschaden re. M17.1". Das Krankenhaus der Klägerin untersuchte die Patientin noch an demselben Tag, berücksichtigte die MRT-Untersuchung, fertigte Röntgenaufnahmen an und stellte fest, dass nur eine ambulante Operation erforderlich sei, die es einige Tage später durchführte. Die Beklagte vergütete die ambulante Operation und zunächst auch die vorstationäre Abklärungsuntersuchung (Pauschale: 133,96 Euro). Anschließend verrechnete sie die vorstationäre Pauschale mit einer anderen Krankenhausrechnung. Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Untersuchung sei als präoperative Leistung mit der Vergütung für die ambulante Operation abgegolten. Das SG hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Das LSG hat das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es kam zu der Auffassung, die Regelungen des AOP-Vertrages schlössen den Anspruch auf eine separate Vergütung der vorstationären Behandlung aus, da die vorstationäre Behandlung der ambulanten Operation zuzuordnen sei.

 

Dagegen hat das klagende Krankenhaus Revision zum BSG eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung erfolgreich gewesen. Entgegen der Auffassung des LSG schließe das Gesetz den Vergütungsanspruch wegen vorstationärer Behandlung bei nachfolgender ambulanter Operation nicht aus. Eine vorstationäre Krankenhausbehandlung sei nämlich nur dann nicht abrechenbar, wenn sie nicht erforderlich war. Dies sei dann der Fall, wenn sich aus der Verordnung von Krankenhausbehandlung und den beigefügten Unterlagen ohne Weiteres ergäbe, dass die notwendige vertragsärztliche Diagnostik nicht ausgeschöpft worden sei und das Krankenhaus den Versicherten zumutbar und kunstgerecht hierauf verweisen könne. Das LSG habe nunmehr die diesbezüglich erforderlichen Feststellungen nachzuholen. Deshalb kam es zur Zurückverweisung an das LSG.

 

Anmerkungen

 

Mit seiner Entscheidung hat der 1.Senat klargestellt, dass gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 KHEntgG eine vorstationäre Behandlung im Fall einer stationären Behandlung neben der zu vergütenden Fallpauschale nicht gesondert berechenbar ist. Eine dieser Regelung entsprechende gesetzliche Ausschlussregelung für den Vergütungsanspruch wegen vorstationärer Behandlung bei nachfolgender ambulanter Operation bestehe allerdings nicht.

 

Maßgeblich ist somit die Frage der medizinischen Notwendigkeit der vorstationären Behandlung. War die vorstationäre Krankenhausbehandlung geboten, um die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung abzuklären (Abklärungsuntersuchung), so besteht ein Vergütungsanspruch für die vorstationäre Behandlung. Zu beachten ist allerdings, dass dies nach Ansicht des 1. Senats nur dann der Fall ist, wenn es dem Patienten nicht zuzumuten ist, die im Rahmen der vorstationären Behandlung durchgeführte Diagnostik (wie hier beispielsweise das Röntgen) im vertragsärztlichen Bereich durchführen zu lassen.

 

Der 1. Senat hebt in seiner Entscheidung nochmals den grundsätzlichen Vorrang der vertragsärztlichen vor der stationären Versorgung als Ausfluss des Wirtschaftlichkeitsgebotes hervor.

 

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  letzte Änderung: 08.08.2018 15:46:57
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Newsletter fehlende ambulante Unterbringungsmöglichkeit
 

 Wenn die medizinische Behandlung eines Alkoholkranken im Akutkrankenhaus abgeschlossen ist, muss eine Krankenkasse nicht länger für den Klinikaufenthalt zahlen. Das gilt auch, wenn der Patient nicht in eine Nachsorgeeinrichtung vermittelt werden kann, weil es dort an Plätzen fehlt. 

BSG, Urteil vom 17.11.2015, Az.: B 1 KR 20/15 R

 

- fehlende Unterbringungsmöglichkeit, Vergütung, Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der 1. Senat des BSG hat in seiner Sitzung am 17.11.2015 über einen Rechtsstreit entschieden, dem die Fragestellung zu Grunde lag, ob eine Vergütungspflicht der Krankenkasse für den Zeitraum eines stationären Aufenthalt eines Alkoholkranken besteht, in dem der Patient sich noch im Krankenhaus befand, weil eine ambulante Unterbringungsmöglichkeit fehlte.

 

Sachverhalt

 

Die klagende Krankenhausträgerin behandelte den bei der beklagten Krankenkasse Versicherten wegen der Folgen einer ausgeprägten Alkoholabhängigkeit ab dem 22.2.2009 zunächst vollstationär, danach teilstationär und wegen eines Trinkrückfalls ab 30.3.2009 wieder vollstationär bis 1.7.2009. Nach von ihm abgebrochenem Aufenthalt in einem Wohnheim für Suchtkranke behandelte sie ihn erneut wegen eines Alkoholentzugsyndroms vom 24.7. bis 26.10.2009 vollstationär. Er wurde anschließend nahtlos in einem Wohnheim untergebracht. Die Beklagte lehnte es ab, einen Teil der Behandlung zu vergüten (vom 27.5. bis 30.6.2009 -7572,60 Euro - und vom 10. bis 26.10.2009 -3678,12 Euro). Der Versicherte habe in diesen Zeiträumen keiner Behandlung durch ein Krankenhaus bedurft. Das SG hat die Klage auf Zahlung von 11.250,72 Euro abgewiesen. Die Beklagte trage nicht das Risiko fehlender Unterbringungsmöglichkeit medizinisch nur ambulant zu betreuender Alkoholabhängiger. Dagegen hat die klagende Krankenhausträgerin Revision zum BSG eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat hat die Revision der klagenden Krankenhausträgerin zurückgewiesen. Ihr stehe gegen die beklagte Krankenkasse wegen der stationären Behandlung des alkoholkranken Versicherten vom 27.5. bis 1.7.2009 und vom 10. bis 26.10.2009 kein Vergütungsanspruch zu. Die stationäre Behandlung sei in dieser Zeit medizinisch nicht erforderlich gewesen, sondern bloß eine nahtlose Unterbringung in einer anderen Einrichtung. Die Regelung des Versorgungsmanagements erweitere den Anspruch Versicherter auf Krankenhausbehandlung lediglich um die in dem Management liegende Dienstleistung, nicht aber darüber hinaus auf Fälle, in denen die Krankenhausbehandlung nicht medizinisch erforderlich ist.

 

Anmerkungen

 

Den Ausführungen des 1. Senats ist zu entnehmen, dass Krankenhäuser Alkoholabhängige nur akut behandeln dürfen. Sobald die medizinische Behandlung eines alkoholkranken Patienten im Krankenhaus abgeschlossen ist, muss eine Krankenkasse nicht länger für den Klinikaufenthalt zahlen. Dies gilt auch dann, wenn der Patient nicht in eine Nachsorgeeinrichtung vermittelt werden kann, weil es dort an Plätzen fehlt. Der erkennende Senat stellt zudem fest, dass die Regelung des Versorgungsmanagements den Anspruch Versicherter auf Krankenhausbehandlung lediglich um die in dem Management liegende Dienstleistung erweitere, nicht aber darüber hinaus auf Fälle, in denen die Krankenhausbehandlung nicht medizinisch erforderlich sei.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:47:22
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Newsletter Kodierfähigkeit der ICD D62 - Akute Blutungsanämie
 

Den Krankenhäusern steht kein Vergütungsanspruch gegen die Krankenkassen für bloß routinemäßig bereitgestellte Blutkonserven zu.

BSG, Urteil vom 17.11.2015, Az.: B 1 KR 41/14 R

 

- Blutungsanämie, Vergütung -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der 1. Senat des BSG hat in seiner Sitzung am 17.11.2015 über einen Rechtsstreit entschieden, dem die Fragestellung zu Grunde lag, ob ein Krankenhaus den ICD-Kode D62 (Akute Blutungsanämie) kodieren darf, wenn zwar Blutkonserven bereitgestellt jedoch letztlich nicht benötigt wurden.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelte den bei der beklagten Krankenkasse Versicherten stationär operativ wegen peripherer arterieller Verschlusskrankheit (12. bis 24.11.2008). Die Klägerin stellte hierzu zwei Blutkonserven bereit, sicherte ihre Verträglichkeit mittels "Blutkreuzung", transfundierte aber nur Kochsalzlösung, stillte eine Nachblutung mit Hämoglobinabfall und räumte ein Hämatom aus. Sie berechnete 5.612,34 Euro (Fallpauschale - DRG - F59A; Nebendiagnosen unter anderem D62 - akute Blutungsanämie, Anämie nach intra- und postoperativer Blutung - und T81.0: Blutung und Hämatom als Komplikation eines Engriffes, andernorts nicht klassifiziert, ICD-10-GM Version 2008). Die Beklagte zahlte lediglich 4.208,43 Euro für die DRG F54Z. Der ICD Kode D62 sei mangels Bluttransfusion nicht zu kodieren. Das SG hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin weitere 1.503,17 Euro nebst Zinsen zahlen. Das LSG hat die Klage abgewie­sen. Die Klägerin dürfe den ICD Kode D62 nicht kodieren, weil sie die Anämie nicht spezifisch behandelt habe.

 

Dagegen hat die klagende Krankenhausträgerin Revision zum BSG eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat hat die Revision des Krankenhauses zurückgewiesen. Ihr stehe gegen die beklagte Krankenkasse wegen der stationären Behandlung des Versicherten kein weiterer Vergütungsanspruch zu. Nach den Deutschen Kodierrichtlinien sei lediglich neben der Hauptdiagnose u.a. die Nebendiagnose Blutung und Hämatom als Komplikation eines Eingriffes, andernorts nicht klassifiziert (T81.0), zu kodieren, nicht aber die Nebendiagnose akute Blutungsanämie (D62). Die bestehende Blutungsanämie habe nämlich keinen weiteren therapeutischen Aufwand bewirkt. Das präoperative Bereitstellen gekreuzter Blutkonserven genüge hierfür nicht. Es sei lediglich ein allgemeiner, hier therapeutisch nicht ausgenutzter Vorsorgeaufwand. 

 

Anmerkungen

Den Ausführungen des 1. Senats ist zu entnehmen, dass Krankenhäuser nicht ausgenutzten Vorsorgeaufwand nicht kodieren dürfen. Für die bloße Bereitstellung von Blutkonserven  kann ein Krankenhaus keine Vergütung beanspruchen. Aus dieser Entscheidung wird deutlich, dass eine routinemäßige Bereitstellung von Blutkonserven nicht kodiert werden kann. Fraglich und weiter strittig dürfte jedoch die Kodierung von nicht routine- sondern notfallmäßig bereitgestellten Blutkonserven sein.

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  letzte Änderung: 08.08.2018 15:47:40
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Newsletter vollstationäre Radiojodtherapie
 

 Krankenhäuser haben einen Anspruch auf Vergütung einer vollstationär durchgeführten Radiojodtherapie gegenüber den Krankenkassen, wenn die Therapie medizinisch notwendig war.

BSG, Urteil vom 17.11.2015, Az.: B 1 KR 18/15 R

 

- Strahlentherapie, Strahlenschutzverordnung, vollstationäre Unterbringung, Vergütung -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der 1. Senat des BSG hat in seiner Sitzung am 17.11.2015 über einen Rechtsstreit entschieden, dem die Fragestellung zu Grunde lag, ob eine Krankenkasse einem Krankenhaus eine vollstationäre Radiojodtherapie vergüten muss.

 

Sachverhalt

Das Krankenhaus behandelte die an einer mehrknotigen Schilddrüsenvergrößerung leidende, bei der beklagten Krankenkasse Versicherte vollstationär mit einer Radiojodtherapie. Die Beklagte lehnte es ab, dies mit 2836,39 Euro zu vergüten (Fallpauschale - DRG 2011 - K15C: Strahlentherapie bei endokrinen, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten, mehr als ein Belegungstag, mit mäßig komplexer Radiojodtherapie): Die Klägerin habe nicht aus medizinischen Gründen, sondern allein auf Grund der Strahlenschutzvorschriften zum Schutz der Allgemeinheit die Patientin stationär behandelt. Das SG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, 2836,39 Euro nebst Zinsen an die Klägerin zu zahlen. Die vollstationäre Unterbringung zwecks Strahlenschutzes sei wesentlicher Teil der medizinisch erforderlichen Radiojodtherapie. Dies gelte ungeachtet dessen, dass die Strahlenschutzbestimmungen auch dem Schutz der Allgemeinheit dienen, da der Anspruch des Versicherten auf die Versorgungsleistung Radiojodtherapie nur nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften erfolgen könne.

Dagegen hat die Krankenkasse Sprungrevision zum BSG eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat hat die Revision der beklagten Krankenkasse zurückgewiesen. Die klagende Krankenhausträgerin habe einen Anspruch auf Vergütung der vollstationären Krankenhausbehandlung in Höhe von 2.836,39 €. Die vollstationäre Behandlung der Versicherten sei im Rechtssinne aus allein medizinischen Gründen erforderlich gewesen. Hierfür genüge es, dass die Versicherte medizinisch dieser Therapie bedurfte und die Behandlung strahlenschutzrechtlich nur stationär erbracht werden darf.

 

Anmerkungen

 

Radiojodtherapien werden in der Bundesrepublik Deutschland vollstationär erbracht, um Strahlenschutz zu gewährleisten. In der Vergangenheit haben Krankenkassen oftmals die Vergütung einer vollstationären Radiojodtherapie verweigert. Zur Begründung wurde angeführt, dass die vollstationäre Unterbringung lediglich aus Gründen der öffentlichen Sicherheit erfolge. Eine Radiojodtherapie sei jedoch - wie in anderen europäischen Ländern auch - ambulant durchführbar. Die vollstationäre Aufnahme der Patienten zur Radiojodtherapie erfolge daher lediglich aufgrund strahlenschutzrechtlicher Vorgaben und nicht aus medizinischen Gründen, weshalb kein Vergütungsanspruch der Krankenhäuser gegenüber den Krankenkassen bestehe.

 

Mit seiner Entscheidung hat der 1. Senat der Auffassung der Krankenkassen eine klare Absage erteilt. Der Senat hat klargestellt, dass eine Vergütungspflicht der Krankenkassen auch dann besteht, wenn Strahlenschutz- oder sonstige Vorschriften die vollstationäre Durchführung einer medizinisch notwendigen Behandlung erfordern.

 

Der 1. Senat hat sich somit gegen eine Ausklammerung bestimmter Leistungen - wie der Radiojodtherapie - aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen ausgesprochen. Wäre der erkennende Senat der Auffassung der Krankenkasse gefolgt, hätte dies nämlich dazu geführt, dass eine Leistungspflicht der Krankenkassen verneint worden wäre, da die durchgeführte vollstationäre Behandlung nicht aufgrund medizinischer Notwendigkeit erfolgte, eine ambulante Leistungserbringung allerdings ebenfalls ausscheidet, da diese Form der Leistungserbringung in Deutschland aufgrund der Regelungen der Strahlenschutzverordnung nicht durchgeführt werden darf.

 

Insgesamt ist festzuhalten, dass das BSG es als entscheidend erachtet, dass die Behandlung des Patienten medizinisch notwendig war. Ist dies der Fall, tritt die Tatsache, dass die Behandlung aufgrund strahlenschutzrechtlicher Vorschriften nur vollstationär erbracht werden darf, hinter der medizinischen Notwendigkeit der Behandlung zurück.

 

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  letzte Änderung: 08.08.2018 15:47:55
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Newsletter Vertragsarzt
 

Den Krankenhäusern stand bis zum 31.12.2006 kein Vergütungsanspruch zu, wenn sie die stationäre Hauptleistung durch einen niedergelassenen Vertragsarzt erbringen ließen. Erst das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz sieht ab 01.01.2007 organisationsrechtliche Erleichterungen vor. Ein niedergelassener Vertragsarzt kann erst seit diesem Zeitpunkt gleichzeitig auch als angestellter Arzt in einem Krankenhaus tätig sein.

 

BSG, Urteil vom 17.11.2015, Az.: B 1 KR 12/15 R

 

- Vertragsarzt, Honorararzt, Anstellungsverhältnis, Vergütung, Vertragsarztrechtsänderungsgesetz -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der 1. Senat des BSG hat in seiner Sitzung am 17.11.2015 über einen Rechtsstreit entschieden, dem die Fragestellung zu Grunde lag, ob der klagenden Krankenhausträgerin ein Vergütungsanspruch für die Behandlung (im Jahr 2006) zusteht, wenn die erbrachte Hauptleistung von einem zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Neurochirurgen durchgeführt wurde, der in keinem Anstellungsverhältnis zum Krankenhaus steht.

 

Sachverhalt

 

Die Krankenhausträgerin behandelte einen Patienten vollstationär vom 4.7 bis 9.7.2006 mittels dorsaler Spondylodese des 1. Segments. Die Operation wurde von einem zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Neurochirurgen durchgeführt, der zu diesem Zeitpunkt in keinem Anstellungsverhältnis zum Krankenhaus stand. Die Klägerin stellte der Krankenkasse für die Behandlung die DRG-Fallpauschale I09C (Wirbelkörperfusion ohne äußerst schwere oder schwere CC) in Höhe von insgesamt 8.165,91 € in Rechnung. Die Beklagte lehnte die Zahlung ab, woraufhin die Krankenhausträgerin Zahlungsklage erhob. Das SG hat die Klage abgewiesen. Dem Krankenhaus stehe kein Vergütungsanspruch zu, wenn die Hauptleistung durch einen niedergelassenen Vertragsarzt erbracht wurde, der nicht zugleich angestellter Arzt des Krankenhauses ist. Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Das LSG vertritt die Auffassung, dass Leistungen im Sinne von § 109 Abs. 4 Satz 1 SGB V auch von nicht angestellten Ärzten erbracht werden könnten.

 

Dagegen hat die Krankenkasse Revision zum BSG eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

 

Die von der beklagten Krankenkasse eingelegte Revision war erfolgreich. Der 1. Senat hat das Urteil des LSG aufgehoben und die Klage als unbegründet abgewiesen, da der klagenden Krankenhausträgerin der für die stationäre Behandlung geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht zustehe. Krankenhäuser durften im Jahr 2006 ihre Hauptleistungen - hier die elektive Spondylodese - für Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung nicht von Vertragsärzten erbringen lassen. Erst das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz sehe zur Flexibilisierung beruflicher Betätigung ab dem Jahr 2007 organisationsrechtliche Erleichterungen vor. Ein Vertragsarzt könne erst seitdem gleichzeitig auch als angestellter Arzt in einem Krankenhaus tätig sein.

 

Anmerkungen

 

Den Ausführungen des 1. Senats ist zu entnehmen, dass ab 2007 eine Leistungserbringung durch einen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt grundsätzlich möglich ist. Allerdings nur dann, wenn der die Leistung erbringende Vertragsarzt im Krankenhaus angestellt ist. Grund hierfür ist, dass die Änderung von § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz die Tätigkeit eines Vertragsarztes mit einer Tätigkeit in einem Krankenhaus für vereinbar erklärte. Die Änderung von § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV ist zum 01.01.2007 in Kraft getreten.

 

In der Zwischenzeit ist jedoch auch eine Änderung von § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG erfolgt. Danach können Krankenhausleistungen auch durch nicht fest angestellte Ärztinnen und Ärzte erbracht werden. Diese Vorschrift ist zum 01.01.2013 durch das Psych-Entgeltgesetz eingeführt worden. Da sich der Rechtsstreit, den das BSG entschieden hat, mit der Rechtslage im Jahr 2006 befasst hat, bestand keine Veranlassung auf die Rechtslage ab 01.01.2013 einzugehen.

 

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  letzte Änderung: 08.08.2018 15:48:10
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Newsletter Mindestmengenregelung
 

Level 1 Geburten stellen eine planbare Leistung dar, deren Erbringung in Krankenhäusern an die Einhaltung von Mindestmengen geknüpft werden darf, da die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig ist -

BSG, Urteil vom 17.11.2015, Az.: B 1 KR 15/15 R

 

- Mindestmengenregelung, G-BA-Richtlinie, Versorgung von Früh- und Neugeborenen, Level 1 -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der 1. Senat des BSG hat in seiner Sitzung am 17.11.2015 über einen Rechtsstreit entschieden, dem die Fragestellung zu Grunde lag, ob der Gemeinsame Bundesausschuss die Leistungserbringung von Krankenhäusern bezgl. Level 1-Geburten an die Einhaltung von Mindestmengen knüpfen darf.

 

Sachverhalt

 

Der beklagte Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) führte ab 01.01.2010 für zugelassene Krankenhäuser u. a. eine Mindestmenge von jährlich 14 zu behandelnden Kindern mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1250 g für Perinatalzentren der obersten Kategorie (Level 1) ein. Der Beklagte erhöhte zum 01.01.2011 u. a. die Mindestmenge für Perinatalzentren des Level 1 auf 30 Fälle pro Jahr. Die klagenden Krankenhausträger hatten hierfür keine Ausnahmegenehmigung. Sie behandelten im Zeitraum 2010 bis 2014 durchschnittlich zwischen 15 und 25,2 betroffene Frühgeborene pro Jahr. Sie haben gegen die Festsetzung der Mindestmenge 14 und die Erhöhung auf 30 Klage erhoben. Das LSG hat die Klage getrennt und zunächst nur die Nichtigkeit auf die Erhöhung auf 30 festgestellt. Die Kläger haben an der Klage mit dem Ziel festgehalten, die Nichtigkeit der Mindestmenge von 14 Level 1 Geburten pro Jahr festzustellen. Das LSG hat die Klage unter Hinweis auf die BSG-Rechtsprechung abgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat hat die Revision der klagenden Krankenhausträger zurückgewiesen. Zu Recht habe das LSG festgestellt, dass die „Mindestmenge“ von jährlich 14 Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1250 g (Level 1 Geburten) für Perinatalzentren rechtmäßig sei. Der Gesetzgeber regele in verfassungsrechtlicher unbedenklicher Weise, dass die Leistungserbringung im Krankenhaus auch an die Einhaltung von Mindestmengen geknüpft werden darf. Rechtmäßig habe der beklagte G-BA davon ausgehen dürfen, dass die Behandlung von Level 1 Geburten eine planbare Leistung darstelle, für die er Mindestmengen beschließen dürfe, weil die Qualität des Behandlungsergebnisses in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängig sei. Hiervon habe sich der Senat überzeugt. Die Festsetzung der Mindestmenge von 14 Level 1 Geburten pro Krankenhaus und Jahr sei ermessensgerecht, nicht unverhältnismäßig und nicht durch andere Qualitätssicherungsmaßnahmen substituierbar.

 

Anmerkungen

 

Das Bundessozialgericht stellt klar, dass der G-BA grundsätzlich zur Sicherstellung der Versorgungsqualität Mindestmengen für die Versorgung von Level 1 Geburten festlegen darf. Der Senat geht davon aus, dass es sich bei Level 1 Geburten um planbare Leistungen handelt. Des Weiteren schließt der Senat von der erbrachten Leistungsmenge auf die Ergebnisqualität. Bei der zahlenmäßigen Festsetzung der Mindestmenge steht dem G-BA nach Auffassung des Bundessozialgerichts ein Ermessenspielraum zu.

 

Zurzeit gilt die Mindestmengenregelung des G-BA in der ersten Neufassung vom 21.03.2006, zuletzt geändert am 18.06.2015 (in Kraft getreten am 28.07.2015). In der Anlage 1 Nr. 8 ist eine Mindestmengenregelung für die Versorgung von Früh- und Neugeborenen mit einem Geburtsgewicht von < 1.250 g von 14 Früh- und Neugeborenen vorgesehen. Dies ist auf den Beschluss des G-BA vom 19.01.2012 zurückzuführen, der „bis auf Weiteres eine Mindestmenge von 14“ Früh- und Neugeborenen pro Krankenhaus vorgegeben hat (anstelle der Mindestmenge von 30).

 

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  letzte Änderung: 08.08.2018 15:48:27
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Newsletter Beitragssatzstabilität
 

Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach § 71 SGB V schließt nicht aus, dass bei individuellen Vereinbarungen über ambulante Krankenhausleistungen (§ 120 Abs. 2 SGB V) eine höhere Vergütung aufgrund eines spezifischen Leistungsspektrums und/oder einer besonderen Kostenstruktur vereinbart wird, die über die gesetzliche Veränderungsrate hinaus geht.

BSG, Urteil vom 13.05.2015, Az.: B 6 KA 20/14 R

- Beitragssatzstabilität, ambulante Krankenhausleistungen, individuelle Vereinbarungen, Kostenstruktur, sozialpädiatrisches Zentrum, psychiatrische Institutsambulanz, Hochschulambulanz, Vergütung -


Sehr geehrte Damen und Herren,

in der Praxis spielt häufig eine Rolle, ob die Vergütungen der ambulanten Krankenhausleistungen strikt an dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität ausgerichtet sind. Das BSG hat sich in der Grundsatzentscheidung vom 13.05.2015 mit dem Spannungsverhältnis zwischen Beitragssatzstabilität und der Kostenstruktur im Einzelnen befasst und dem letzten Aspekt mehr Gewicht zugemessen.

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt ein sozialpädiatrisches Zentrum (SPZ) an einem Krankenhaus. Die bisherige Vergütungsvereinbarung sah eine Pauschalvergütung in Höhe von 242,00 €/Fall vor. Da die Vergütung unzureichend war, kündigte die Klägerin die Vergütungsvereinbarung und forderte von den Krankenkassen (-verbänden) eine Vergütung in Höhe von 297,27 €/Fall. Diese Vergütung läge 3 % unter dem für 2008 berechneten Mittelwert nordrhein-westfälischer Einrichtungen. Nachdem die Verhandlungen gescheitert waren, rief die Klägerin die Schiedsstelle zur Festsetzung an. Die Schiedsstelle setzte in der Folge eine Erhöhung um 1,41 %  und für das darauffolgende Jahr eine weitere Erhöhung um 1,54 % fest (245,41 € und anschließend 249,19 €). Dabei legte die Schiedsstelle den Durchschnittswert in Westfalen-Lippe in Höhe von 233,09 € zugrunde.

Gegen den Schiedsspruch erhob die Klägerin vor dem zuständigen LSG Klage. Das LSG hat die beklagte Schiedsstelle verpflichtet, den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Dabei ließ sich das LSG davon leiten, dass bei der Vergütung eine Auseinandersetzung mit der individuellen Leistungsfähigkeit des SPZ erfolgen müsse. Dabei sei eine Abschätzung der voraussichtlichen Kosten der in der Einrichtung zu erbringenden Leistungen vorzunehmen. In einem zweiten Schritt sei ein externer Vergleich mit anderen Einrichtungen vorzunehmen. Die Schiedsstelle habe sich mit der Kostenkalkulation nicht ausreichend auseinandergesetzt. Für den externen Vergleich ließ das LSG anklingen, dass es dazu neige, auf die Leistungsträger in Westfalen-Lippe abzustellen und nicht auf die Verhältnisse in Nordrhein-Westfalen insgesamt oder sogar im Bundesgebiet.

Gegen das Urteil des LSG hat die Klägerin Revision beim BSG eingelegt. Die Klägerin monierte, dass das LSG keine verbindlichen Aussagen zur Berücksichtigung externer Vergleichsdaten gemacht habe, die sich auch aus länderbezogenen Daten bzw. aus dem Bundesgebiet ergäben.

Entscheidungsgründe

Ausgangspunkt der Entscheidung des BSG ist die Regelung in § 120 Abs. 2 Satz 3 SGB V, wonach die Vergütung die Leistungsfähigkeit der sozialpädiatrischen Zentren bei wirtschaftlicher Betriebsführung gewährleisten muss. Eine Orientierung an den Selbstkosten komme nicht in Betracht. Zwar sei der Grundsatz der Beitragssatzstabilität bei der Vereinbarung nach § 120 Abs. 2 Satz 2 SGB V zu beachten. Dies gelte für alle Vergütungsvereinbarungen im Vierten Kapitel des SGB V. Grundsätzlich müsse sich daher die Vereinbarung am Anstieg der Grundlohnsumme ausrichten.

Andererseits wird damit die Geltendmachung höherer Kosten aufgrund eines spezifischen Leistungsspektrums und/oder einer besonderen Kostenstruktur nicht ausgeschlossen, auch wenn dies im Einzelfall zu einer die maßgebliche Veränderungsrate übersteigenden Erhöhung der Vergütung führt. Insofern bestehen bei der Vereinbarung der Vergütung mit einem einzelnen Leistungserbringer Besonderheiten gegenüber der Vereinbarung von Vergütungen in Kollektivverträgen für eine Vielzahl von Leistungserbringern. Die Vergütung nach § 120 Abs. 2 SGB V müsse die Leistungsfähigkeit des einzelnen ermächtigten SPZ bei wirtschaftlicher Betriebsführung gewährleisten (BSG, aaO, Rdz. 32). Wörtlich führt das BSG ergänzend aus:

„Hier wie dort ist mithin jeweils zu prüfen, ob die von der Einrichtung zu leistende Versorgung bei wirtschaftlicher Betriebsführung durch die Vergütung sichergestellt werden kann. Wird festgestellt, dass nur mit einer bestimmten Höhe der Vergütung die Leistungsfähigkeit des SPZ bei wirtschaftlicher Betriebsführung zu gewährleisten ist liegt ein Fall des § 71 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V vor, die notwendige medizinische Versorgung ist mithin auch nach Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven anders nicht zu gewährleisten.“ (BSG, aaO, Rdz. 32)

Bezogen auf den externen Vergleich mit anderen Einrichtungen hebt das BSG hervor, dass hierfür ein Gestaltungsspielraum der Schiedsstelle besteht. Es bestehe keine Vorschrift, welche Einrichtungen in den externen Vergleich miteinzubeziehen sind. Maßgeblich ist in erster Linie, ob die jeweiligen Einrichtungen nach ihrem Leistungsspektrum, ihrer personellen und sächlichen Ausstattung und dem örtlichen Kostenniveau vergleichbar sind. Die Schiedsstelle ist deshalb gehalten, einen möglichst passgenauen Vergleich (ausreichende Anzahl der Einrichtungen, ähnlicher Leistungsumfang, Lage etc.) durchzuführen. Welche konkreten Einrichtungen die Schiedsstelle in den Vergleich einbezieht, bleibt ihrem Beurteilungsspielraum überlassen.

Anmerkungen

Im Gegensatz zur bisherigen Auffassung der Krankenkassen, ist es nach dem Urteil des BSG möglich, über die gesetzliche Veränderungsrate hinaus eine Vergütungsanpassung der ambulanten Leistungen nach § 120 Abs. 2 SGB V zu fordern und zu vereinbaren. Dies betrifft sowohl psychiatrische Institutsambulanzen, sozialpädiatrische Zentren und Hochschulambulanzen.

Die Schiedsstelle hat die Vergütungsforderung nach einem zweistufigen Prüfungsschema zu prüfen:

1. Stufe:
Abschätzung der voraussichtlichen Kosten der in der Einrichtung erbrachten Leistungen anhand einer plausiblen und nachvollziehbaren Darlegung der Einrichtung.

2. Stufe:
Externer Vergleich mit anderen Einrichtungen.

Soweit bereits eine Vergütungsvereinbarung besteht, bezieht sich die Prüfung auf der 1. Stufe darauf, ob Veränderungen eingetreten sind, die einer Erhöhung der bereits vereinbarten Vergütung rechtfertigt. Gerechtfertigt ist eine Erhöhung etwas bei einer Steigerung der tariflich zu zahlenden Entgelte über die durchschnittliche Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen hinaus oder bei einer notwendigen Änderung des Personalschlüssels bzw. der Fachkraftquote. Ergänzend ist es auch möglich, eine höhere Vergütung zu fordern, wenn die bisherige Vergütung in den Vorjahren aufgrund einer fehlerhaften Kalkulation beruhte oder bewusst niedrig – aus welchen Gründen auch immer – vereinbart wurde. Die Darlegungs- und Substantiierungslast hierfür liegt bei der Einrichtung selbst (BSG, aaO, Rdz. 35).

Auf der 2. Stufe (externer Vergleich) ist zu prüfen, ob die in den Vergleich einbezogenen Einrichtungen nach Art, Inhalt und Umfang der Leistungen vergleichbar sind. Dabei spielt die Größe und der zu versorgende Personenkreis eine mitentscheidende Rolle. Ein Vergleich setzt dabei auch eine ausreichende Anzahl vergleichbarer Einrichtungen voraus. Nach dem BSG muss ein passgenauer Vergleich erfolgen. Dabei kann zunächst auf das örtliche Umfeld abgestellt werden, wenn es hierfür genügend aussagefähige Vergleichseinrichtungen gibt. Anderenfalls ist der Kreis vergleichbarer Einrichtungen weiter zu ziehen, ggf. kommt auch die Einbeziehung von Einrichtungen in anderen Bundesländern oder auch im gesamten Bundesgebiet in Betracht (BSG, aaO, Rdz. 45). Das BSG legt dabei den Krankenkassen (-verbänden) die Pflicht auf, die Vergleichsdaten zur Verfügung zu stellen und entsprechend aufzubereiten, so dass eine sachgerechte Beurteilung möglich ist. Dabei muss das Krankenhaus als Träger der Einrichtung in die Lage versetzt werden, Unterschiede ihrer Einrichtung im Vergleich zu den einbezogenen Einrichtungen aufzuzeigen und ggf. belegen zu können.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

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Die erneute Entscheidung der Schiedsstelle nach § 14 Abs. 3 KHEntgG kann nicht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verhindert werden.
 

Hessischer VGH, Beschluss vom 28.05.2015, Az.: 5 B 439/15

- einstweiliger Rechtsschutz, Versagung der Genehmigung, Regelungsanordnung, erneute Entscheidung der Schiedsstelle -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Krankenkassen versuchen in bestimmten Fallkonstellationen, eine für sie günstige Schiedsstellenentscheidung auf dem Rechtswege durchzusetzen, in dem sie im Wege der einstweiligen Anordnung vor Gericht der Genehmigungsbehörde aufgeben wollen, den für sie günstigen Schiedsspruch vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Gerichts zu genehmigen, obwohl die Genehmigungsbehörde aus Rechtsgründen die Versagung der Genehmigung ausgesprochen hat. Weiteres Ziel der Krankenkassen ist es in diesem Fall, eine erneute Entscheidung der Schiedsstelle zu verhindern, bis das Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht rechtskräftig abgeschlossen ist.

Der Hessische VGH hat mit Beschluss vom 28.05.2015 dem Antrag der Krankenkassen auf einstweiligen Rechtsschutz nicht Rechnung getragen und die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen.

Sachverhalt

Die Schiedsstelle hat in einem Beschluss über die Höhe des Sicherstellungszuschlages aufgrund einer bloßen Schätzung befunden, die weit unter dem Antrag des Krankenhauses lag. Die Genehmigungsbehörde hatte die Genehmigung versagt, da es aus Rechtsgründen einer konkreten Ermittlung der Höhe des Sicherstellungszuschlages bedarf. Die Krankenkassen haben dagegen Klage erhoben mit dem Antrag, den Beschluss der Schiedsstelle zu genehmigen. Das Krankenhaus hat aufgrund der Versagung der Genehmigung einen Antrag auf erneute Entscheidung nach § 14 Abs. 3 KHEntgG gestellt. Die Krankenkassen haben ihrerseits einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht gestellt. Damit wollten sie eine vorläufige Genehmigung des Schiedsspruches erreichen, bis die Hauptsache rechtskräftig entschieden ist. Daraufhin hat die Schiedsstelle zunächst keinen weiteren Beschluss gefasst, bis das einstweilige Rechtsschutzverfahren beendet ist. Das VG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückgewiesen. Der Antrag ziele auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung ab.

Mit Beschluss des Hess. VGH vom 28.05.2015 wurde die Beschwerde der Krankenkassen gegen den Beschluss des VG zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

Der Hess. VGH sieht keinen Raum für den Erlass einer Regelungsanordnung gem. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO.

Die Krankenkassen haben keinen Anordnungsanspruch und keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es seien keine Anhaltspunkte gegeben, warum eine überwiegende Erfolgsaussicht für die Krankenkassen im Hauptsacheverfahren bestünde.

Es fehle auch an einem Anordnungsgrund. Dafür wäre es erforderlich gewesen, glaubhaft zu machen, dass ohne Erlass der begehrten Anordnung durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden kann oder dem Antragsteller wesentliche Nachteile drohen, sodass ihm nicht zuzumuten ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten.

Durch die erneute Entscheidung der Schiedsstelle vor Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Hauptsache seien keine wesentliche Nachteile für die Krankenkassen zu erwarten. Gegen die erneute Entscheidung der Schiedsstelle nach § 14 Abs. 3 KHEntgG stünde wiederum den Krankenkassen der Rechtsweg offen. Ein Anspruch darauf, dass sich in einem Verwaltungsrechtsstreit streitige Verwaltungsakte während des Verfahrens nicht durch überholende Entscheidungen erledigen dürfen, ist für die antragstellenden Krankenkassen nicht ersichtlich.

Anmerkungen

Nach dem Beschluss des Hess. VGH gab es vorliegend keine Möglichkeit für die Krankenkassen, das in § 14 Abs. 3 KHEntgG vorgesehene erneute Schiedsstellenverfahren unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Genehmigungsbehörde, zunächst zu verhindern bzw. aufzuschieben. Wird die Genehmigung eines Schiedsstellenbeschlusses versagt, besteht zwar die Möglichkeit, hiergegen Klage einzureichen. Eine aufschiebende Wirkung tritt dadurch jedoch nicht ein. Vielmehr sieht § 14 Abs. 3 KHEntgG vor, dass auf Antrag die Schiedsstelle erneut unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Genehmigungsbehörde entscheiden muss. Ergeht der Folgebeschluss der Schiedsstelle, erledigt sich das Klageverfahren gegen den Versagungsbescheid. Es besteht dann allerdings die Möglichkeit, gegen die Genehmigung des Beschlusses der Schiedsstelle im Folgeverfahren Klage zu erheben. Eine vorläufige Genehmigung sieht das Krankenhausfinanzierungsrecht nicht vor. Insoweit ist dem Hess. VGH vollinhaltlich beizupflichten, dass den Krankenkassen aufgrund der in § 14 Abs. 3 KHEntgG vorgesehenen Verfahrensweise keine Nachteile entstehen.

Der Beschluss ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:49:06
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Newsletter Verwirkung
 

Die Verwirkung eines Vergütungsanspruches des Krankenhauses tritt nur unter bestimmten Voraussetzungen ein, der bloße Zeitablauf reicht nicht aus.

 Urteil des BSG vom 21.04.2015, Az.: B 1 KR 10/15 R

 

- Informationsobliegenheiten, Treu und Glauben, Verwirkung -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

im vorliegenden Rechtsstreit war die Frage zu klären, ob der Einwand der Krankenkasse trägt, der Vergütungsanspruch des Krankenhauses sei verwirkt. Das BSG hat einen Verwirkungstatbestand verneint.

 

Sachverhalt

 

Ein Patient wurde vom 25. bis 29.09.2009 vollstationär behandelt. Für die Krankenhausbehandlung rechnete das Krankenhaus die DRG D66Z (andere Krankheiten an Ohr, Nase, Mund und Hals – OPS-Kode 2009 1-242 Audiometrie) ab. Die Krankenkasse forderte das Krankenhaus auf, Angaben zur Erforderlichkeit der vollstationären Behandlung zu machen. Die Krankenkasse bat das Krankenhaus, die benötigten Therapieinformationen dem MDK zur Verfügung zu stellen. Dies erfolgte von Seiten des Krankenhauses zu diesem Zeitpunkt nicht.

 

Trotz mehrfacher Zahlungsaufforderungen zahlte die Beklagte nicht. Das Krankenhaus habe nicht die verlangten notwendigen Informationen erteilt.

 

Die Notwendigkeit der stationären Behandlung wurde vom MDK bejaht. Im Laufe des Rechtsstreits wandte die Krankenkasse ein, der Vergütungsanspruch sei nach Treu und Glauben verwirkt. Die erforderlichen Angaben seien erst mit der Klageerhebung am 28.02.2011 gemacht worden. Dies verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG wies die Einwände der Krankenkasse zurück. Die vollstationäre Krankenhausbehandlung sei rechtmäßig aufgrund der DRG D66Z abgerechnet worden. Der MDK habe die vollstationäre Behandlung vom 25. bis 29.09.2009 bejaht.

 

Der Vergütungsanspruch der Klägerin sei auch fällig geworden.

 

Eine ordnungsgemäße Abrechnung setze eine ordnungsgemäße Information der Krankenkassen über die vom Krankenhaus abgerechnete Behandlung nach Maßgabe der Informationsobliegenheiten und –pflichten voraus, die sich insbesondere aus § 301 SGB V sowie den ergänzenden landesvertraglichen Bestimmungen ergebe. Fehle es an einer dieser Angaben, so trete mangels formal ordnungsgemäßer Abrechnung bereits die Fälligkeit der abgerechneten Forderung nicht ein.

 

Allerdings trete die Fälligkeit dann später ein, wenn das Krankenhaus seine Informationsobliegenheiten und –pflichten gegenüber der Krankenkasse erfüllt habe.

 

Im vorliegenden Fall fehlten nach Auffassung des BSG die Informationen über den Grund der stationären Aufnahme. Erst aus der Angabe des Einsatzes des Antibiotikums (Sobelin, Wirkstoff Clindamycin) ergebe sich die stationäre Behandlungsbedürftigkeit.

 

Mit der Klageschrift am 28.02.2011 seien diese fehlenden Informationen der beklagten Krankenkasse bekannt gegeben worden, so dass aufgrund der Fälligkeitsregelungen nach § 10 Abs. 4 KHBV Hessen (30-Tage-Regelung) die Rechnung am 01.04.2011 fällig geworden ist.

 

Einen Verwirkungstatbestand verneinte das BSG. Der bloße Zeitablauf stelle kein die Verwirkung begründetes Verhalten dar. Nur in Ausnahmefällen könne ein Nichtstun (Unterlassen) ein schutzwürdiges Vertrauen begründen und zur Verwirkung des Rechts führen, wenn der Schuldner dieses als bewusst und planmäßig erachten darf. Vorliegend fehle es bereits an einem Verwirkungsverhalten. Die Klägerin gab der Beklagten keinen Anlass dafür, anzunehmen, dass sie ihre Vergütungsforderung nicht weiterverfolgen werde.

 

Anmerkungen

 

Zunächst geht das BSG davon aus, dass fehlende – notwendige - Informationen der Fälligkeit der Rechnung entgegenstehen. Mit unmissverständlicher Klarheit stellt das BSG jedoch heraus, dass die fehlenden Informationen noch im Laufe des Verfahrens nachgeholt werden können. Vorliegend bejaht dies das BSG sogar für den Fall, dass die notwendigen Informationen erst in der Klageschrift enthalten sind, z.B. in der Überlassung der Krankenakte.

 

Die Fälligkeit tritt in diesem Fall erst aufgrund der Übermittlung der notwendigen zusätzlichen Informationen ein. Dabei sind die Regelungen zur Fälligkeit in den Landesverträgen nach § 112 SGB V zu beachten. So wird in Hessen der Vergütungsanspruch erst in 30 Tagen nach Rechnungseingang fällig.

 

Insoweit besteht für die Krankenhäuser auch noch im Laufe eines Gerichtsverfahrens die Möglichkeit, fehlende Informationen zur Verfügung zu stellen und die Rechnung zur Fälligkeit zu bringen. Die zeitliche Grenze hierfür ist dann lediglich der Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist.

 

Für die Annahme eines Verwirkungstatbestandes stellt das BSG – entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung – hohe Hürden auf. Dies gilt sowohl für Krankenhäuser als auch für Krankenkassen. Im Regelfall wird es kaum möglich sein, sich mit Erfolg auf den Verwirkungstatbestand zu berufen. In jedem Falle reichen der bloße Zeitablauf und das damit verbundene „Nichthandeln“ nicht aus, ein Verwirkungsverhalten anzunehmen.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:50:06
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Newsletter NUB
 

Das vereinbarte Entgelt für eine Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) gilt solange weiter, bis ein neues Entgelt für die betreffende NUB vereinbart oder von der Schiedsstelle festgelegt wird.

Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 17.09.2015, Az.: L 8 KR 96/13

 

- NUB, Drug Eluting Balloon, Weitergeltung, krankenhausindividuelles Entgelt, Abrechnung -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das Hessische LSG hat sich mit der Grundsatzfrage befasst, ob vereinbarte NUB solange weitergelten, bis ein neues Entgelt der Höhe nach vereinbart wurde, wenn die weiteren gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen. Die diesbezüglichen Einwände der Krankenkasse hat es zurückgewiesen.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus hatte mit den Krankenkassen eine NUB-Vereinbarung für die NUB „Drug Eluting Balloon“ für das Jahr 2009 abgeschlossen, das bis zum 31.12.2009 befristet war. Im Januar 2010 behandelte das Krankenhaus eine Patientin und führte eine koronare Ballonangioplastie mit einem medikamenten-freisetzenden Ballon-Katheter durch (Drug-Eluting Balloon). Hierfür stellte es das für das Jahr 2009 vereinbarte NUB-Entgelt in Rechnung. Eine Vereinbarung für das Jahr 2010 konnte erst mit Wirkung zum 01.09.2010 getroffen werden.

 

Die Krankenkasse verweigerte die Zahlung des NUB-Entgelts mit dem Hinweis, die NUB-Vereinbarung für das Jahr 2009 sei bis Ende des Jahres befristet gewesen. Die Anschlussvereinbarung sei erst mit Wirkung zum 01.09.2010 in Kraft getreten. Eine Weitergeltung der NUB-Vereinbarung 2009 sei gesetzlich nicht vorgesehen. § 15 Abs. 2 KHEntgG sei auf NUB-Entgelte nicht anwendbar.

 

Entscheidungsgründe

 

Das Hess. LSG wies die Berufung der beklagten Krankenkasse zurück. Es schloss sich der Auffassung des SG Fulda vollinhaltlich an und wies die Einwände der Krankenkasse zurück.

 

Es bestätigte, dass § 15 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG i.V.m. mit der NUB-Vereinbarung für das Jahr 2009 Anwendung findet. Danach gilt die NUB-Vereinbarung 2009 über den Befristungszeitpunkt hinaus weiter. NUB-Entgelte seien krankenhausindividuell zu vereinbarende Entgelte im Sinne des Gesetzes. Sinn und Zweck der Weitergeltungsvorschrift sei es, das Krankenhaus so zu stellen als habe es eine prospektive und frühzeitige Vereinbarung gegeben. Der Regelung über die Befristung in § 6 Abs. 2 KHEntgG komme keine eigenständige Bedeutung zu. Schließlich stehe auch die Herausnahme der NUB-Entgelte aus dem Erlösausgleichssystem nicht entgegen.

 

Anmerkungen

 

Mit unmissverständlicher Klarheit hat das Hess. LSG festgestellt, dass auch NUB-Entgelte der Weitergeltungsregelung in § 15 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG unterliegen. Der Versuch der Krankenkassen, die Weitergeltungsregelung zu beschränken, ist fehlgeschlagen. Die Krankenkassen haben in die Weitergeltungsregelung Tatbestände hineingelesen, die dort nicht ihren Niederschlag gefunden haben. Die Weitergeltungsregelung ist nach Auffassung des Hess. LSG auch deshalb sachgerecht, da das Beantragungsverfahren beim InEK erst zum 31.01. des Jahres abgeschlossen ist, so dass jeweils nur unterjährig eine Anschluss-Vereinbarung über die NUB zum Tragen kommt.

 

Auch die Regelung über die Erlösausgleiche stehen nicht in Zusammenhang mit der Weitergeltungsregelung in § 15 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG. NUB-Entgelte werden weder in das Budget mit einbezogen, noch unterliegen sie einem Erlösausgleich. Unabhängig davon kann jedoch die Weiterberechnung der NUB der Höhe nach entsprechend der bisherigen Vereinbarung erfolgen.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.  

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:50:17
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Newsletter TAVI
 

TAVI-Leistungen (kathetergestützte Aortenklappenimplantation) durften vor Inkrafttreten der G-BA-Richtlinie zu minimal-invasiven Herzklappeninterventionen (25.07.2015) auch von Krankenhäusern erbracht werden, die über keine planerisch zugewiesene Fachabteilung Herzchirurgie verfügen.

Urteil des SG Gelsenkirchen vom 23.04.2015, S 11 KR 127/13

 

- TAVI, Versorgungsauftrag, strukturelle Voraussetzungen, Kardiologie, Herzchirurgie, G-BA-Richtlinie MHI-RL vom 22.01.2015/16.04.2015, TAVI-Erlass des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen vom 04.11.2013 -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das SG Gelsenkirchen musste sich vorliegend mit der Frage befassen, ob Krankenhäuser mit einer Fachabteilung Innere Medizin/Kardiologie TAVI-Leistungen erbringen durften, ohne dass Ihnen eine Fachabteilung Herzchirurgie planerisch zugewiesen wurde. Dies hat das SG Gelsenkirchen uneingeschränkt bejaht. Die G-BA-Richtlinie MHI-RL ist erst am 25.07.2015 in Kraft getreten.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus hat mit einem Nachbarkrankenhaus einen Kooperationsvertrag auf dem Gebiet der transfemoralen Implantation von Herzklappen im März 2012 abgeschlossen. Das Nachbarkrankenhaus verfügt über eine Fachabteilung Herzchirurgie; die Klägerin hat eine Fachabteilung Innere Medizin mit dem Teilgebiet Kardiologie durch Planfeststellungsbescheid zugewiesen bekommen.

 

Im November 2012 wurde die kathetergestützte Aortenklappenimplantation (TAVI) durchgeführt.

 

Die Klägerin rechnete hierfür die DRG F98Z ab.

 

Die beklagte Krankenkasse leistete nur Teilzahlung. Sie berief sich u.a. darauf, dass die Klägerin über keine Fachabteilung Herzchirurgie verfüge. Des Weiteren setze die Leistungserbringung einen Hybrid-OP voraus, der im Krankenhaus der Klägerin nicht vorgehalten werde.

 

Entscheidungsgründe

 

Das SG Gelsenkirchen verurteilte die Krankenkasse zur Zahlung der DRG F98Z. Dabei ließ sich das SG Gelsenkirchen davon leiten, dass zur Durchführung und Abrechnung der kathetergestützten Aortenklappenimplantation kein herzchirurgischer Versorgungsauftrag erforderlich sei. Der Eingriff werde von Kardiologen durchgeführt.

 

Bezogen auf den sog. TAVI-Erlass des Ministeriums für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes Nordrhein-Westfalen vom 04.11.2013 stellt das SG Gelsenkirchen fest, dass auch dort kein Versorgungsauftrag für die Herzchirurgie gefordert werde. In dem Erlass werde lediglich eine enge Kooperation mit einem regionalen Herzzentrum bei gemeinsamer Indikationsstellung und personeller sowie apparativer Verfügbarkeit eines herzchirurgischen Interventionsteams auch für Komplikationen während und nach dem Eingriff für notwendig erachtet.

 

Auch aus dem G-BA-Beschluss über eine Richtlinie zu minimal-invasiven Herzklappeninterventionen (MHI-RL) vom 22.01.2015/16.04.2015 könne nichts Gegenteiliges entnommen werden. Nach § 9 der MHI-RL können während der Übergangszeit bis zum 30.06.2016 kathetergestützte Aortenklappeninterventionen auch von Krankenhäusern mit einer Fachabteilung für Innere Medizin und Kardiologie erbracht werden, die keine Fachabteilung für Herzchirurgie aufweisen. Daraus kann entnommen werden, dass für den vergangenen Zeitraum kein Versorgungsauftrag für Herzchirurgie benötigt werde.

 

Des Weiteren stellt das SG Gelsenkirchen heraus, dass selbst nach Ablauf der Übergangszeit gemäß § 9 MHI-RL es zulässig ist, dass die TAVI-Leistungen von zwei rechtlich selbständigen Krankenhäusern erbracht werden dürfen, wenn diese die geforderten Struktur- und Prozessqualitätsanforderungen der MHI-RL erfüllen (siehe im Einzelnen § 4 Abs. 1 MHI-RL).

 

Anmerkungen

 

Das Urteil des SG Gelsenkirchen ist in sich schlüssig. Der maßgebliche Versorgungsauftrag eines Krankenhauses richtet sich nach dem Planfeststellungsbescheid in Verbindung mit der ärztlichen Weiterbildungsordnung, die zur Auslegung des Inhalts der zugewiesenen Fachabteilung herangezogen wird. Die TAVI-Leistung ist der Kardiologie und nicht der Herzchirurgie zuzurechnen.

 

Darüber hinausgehende rechtlich zwingende Anforderungen für die strukturellen, personellen und fachlichen Anforderungen bestehen erst seit Inkrafttreten der G-BA-Richtlinie zu minimal-invasiven Herzklappeninterventionen (MHI-RL) vom 22.01.2015/16.04.2015. Diese ist erst nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 25.07.2015 in Kraft getreten.

 

Die MHI-RL enthält in § 9 eine Übergangsregelung bis zum 30.06.2015. Es wird während dieses Übergangszeitraums ausdrücklich keine Fachabteilung für Herzchirurgie verlangt. Voraussetzung ist jedoch, dass diese Leistungen im Zeitraum vom 01.01.2013 bis zum 30.06.2014 bereits erbracht wurden. Auch daraus kann man schließen, dass eine Fachabteilung Herzchirurgie nicht Voraussetzung für die Leistungserbringung TAVI in den davorliegenden Jahren war.

 

Die G-BA-Richtlinie verlangt erst nach Ablauf des Übergangszeitraums neben der Fachabteilung Kardiologie eine herzchirurgische Fachabteilung. Diese Voraussetzungen können auch von zwei kooperierenden selbstständigen Krankenhäusern erfüllt werden, wenn u.a. eine einheitliche organisatorische Gesamtverantwortung gewährleistet ist (siehe § 4 Abs. 1 MHI-RL).

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:50:31
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Newsletter: Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung
 

Die Abrechnung der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen des Nervensystems (DRG B44) setzt ein Mindestalter von 60 Jahren voraus.

Für die Durchführung der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung bedarf es keines speziellen Versorgungsauftrages, der generelle Versorgungsauftrag des Krankenhauses reicht aus.

Urteil des BSG vom 23.06.2015, Az.: B 1 KR 21/14 R

 

- Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung, OPS-Kode 8.550, genereller Versorgungsauftrag, Alter des Patienten - 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG befasste sich vorliegend mit der Abgrenzung der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung mit der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation. Es kommt zu dem Schluss, dass die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung ein Mindestalter von 60 Jahren voraussetzt.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelte im Jahr 2005 eine 57-jährige Patientin wegen eines Schlaganfalls mit frührehabilitativen Maßnahmen und berechnete hierfür die DRG B44Z (2005). Die beklagte Krankenkasse vergütete nur die DRB B70B, da sie u.a. die Auffassung vertrat, bei einer 57-jährigen Patientin könne eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung nicht abgerechnet werden.

 

Das SG hat die Klage abgewiesen; das LSG hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt, weil das Patientenalter unerheblich und der Anspruch auch nicht verwirkt sei.

 

Das BSG gab der Revision der beklagten Krankenkasse statt und stellte das Urteil des SG wieder her.

 

Entscheidungsgründe

 

Kernsatz des BSG ist, dass eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung nur für Patienten ab Vollendung des 60. Lebensjahres vorgesehen sei. Da sich die neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation und die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung gegenseitig ausschlössen, müsse eine Abgrenzung beider Behandlungsarten vorgenommen werden.

 

Die Abgrenzung zwischen geriatrischer und sonstiger, insbesondere etwa neurologisch-neurochirurgischer frührehabilitativer Komplexbehandlung, ist wegen fehlender Vorgaben anhand der medizinischen Ausrichtung der jeweiligen Frührehabilitation vorzunehmen. Dabei ist auf den medizinisch-wissenschaftlichen Sprachgebrauch abzustellen. Da die Geriatrie die Lehre von den Krankheiten des alternden Menschen ist, habe eine altersabhängige Zuordnung der Patienten zur Geriatrie zu erfolgen. Unter Hinweis auf Veröffentlichungen der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie und der Bundesarbeitsgemeinschaft der klinisch-geriatrischen Einrichtungen e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie geht das BSG davon aus, dass sich die Geriatrie Patienten mit geriatrietypischer Multimorbidität, die überwiegend 70 Jahre alt oder älter sind, widmet. Daher sei regelmäßig neben der typischen Multimorbidität ein Alter von 70 Jahren zu fordern, zumindest aber ein Alter von 60 Jahren mit plausibilisierenden Angaben (BSG, a.a.O., Rdz. 20).

 

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Feststellung des BSG, dass für die Behandlung der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung kein spezieller Versorgungsauftrag notwendig ist und der generelle Versorgungsauftrag des Krankenhauses ausreicht, da die Akutbehandlung mit der geriatrischen Frührehabilitation inhaltlich gemäß § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V verknüpft ist (BSG, a.a.O., Rdz. 17).

 

Anmerkungen

 

Das BSG setzt eine klare Altersgrenze für die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung von mindestens 60 Jahren. Unterhalb dieses Alters kann von einem spezifisch geriatrischen Bedarf keine Rede sein.

 

Ausgehend hiervon werden auch die Behandlungsmöglichkeiten, die auf eine geriatrische Frührehabilitation abzielen, auf Patienten beschränkt, die das 60. Lebensjahr vollendet haben.

 

Ein zentraler Punkt ist zusätzlich die Feststellung des BSG, dass es für die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung keines speziellen Versorgungsauftrages des Krankenhauses bedarf, sondern unter dem Blickwinkel des § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V der allgemeine Versorgungsauftrag des Krankenhauses ausreicht. Wörtlich führt das BSG hierzu aus:

 

„Dementsprechend genügt es bei geriatrischer frührehabilitativer Komplexbehandlung für die Behandlungspflicht und den Vergütungsanspruch des zugelassenen Krankenhauses (§ 109 Abs 4 S 2 und 3 SGB V), dass die Behandlung vom generellen Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst und die behandelnde Abteilung im Krankenhaus hinreichend ausgestattet ist, um den strukturellen Anforderungen einer geriatrischen Frührehabilitation entsprechen zu können (vgl in diesem Sinne zB LSG Hamburg Urteil vom 14.12.2014 – L 1 KR 60/14 Juris RdNr 17 ff; OVG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 22.11.2012 – 13 A 2379/11 – Juris RdNr 38 ) MedR 2013, 252).“

(BSG-Urteil vom 23.06.2015, a.a.O., Rdz. 17)

 

Dies ist eine wichtige Klarstellung für alle Krankenhäuser, die diese Leistung z.B. im Rahmen der Fachabteilung Innere Medizin erbringen.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben .

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:50:49
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Newsletter Aufwandpauschale
 

 Für die Frage, ob eine Minderung des Abrechnungsbetrages gemäß § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V (Aufwandspauschale) vorliegt, ist auf den rechtskräftigen Ausgang des Sozialgerichtsverfahrens abzustellen.

Urteil des BSG vom 23.06.2015, B 1 KR 24/14 R

- Aufwandspauschale, Auffälligkeitsprüfung, MDK-Prüfung, Minderung des Rechnungsbetrages, Sozialgerichtsverfahren, Verzinsung der Aufwandspauschale -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG hat vorliegend die Frage entschieden, ob für die Tatbestandsvoraussetzung „Minderung des Abrechnungsbetrages“ in § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V auf das MDK-Gutachten oder auf das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichts abzustellen ist. Es hat Letzteres bejaht.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus hat gegenüber der beklagten Krankenkasse die DRG-Fallpauschale K62Z (Verschiedene Stoffwechselerkrankungen; Überschreitung der Oberen Grenzverweildauer) abgerechnet. Der zur Prüfung beauftragte MDK hielt die Gesamt-Verweildauer für nicht notwendig. Die Krankenkasse kürzte daher die Rechnung in Höhe von 774,92 €. Daraufhin erhob das Krankenhaus Klage auf Zahlung und machte gleichzeitig die Aufwandspauschale in Höhe von 100,00 € geltend. Das SG hat der Klage auf Zahlung des Differenzbetrages stattgegeben, jedoch die Klage auf Zahlung der Aufwandspauschale in Höhe von 100,00 € abgewiesen, da die MDK-Prüfung eine Rechnungsminderung zur Folge hatte. Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG auch die Zahlung der Aufwandspauschale für gerechtfertigt gehalten.

 

Die Revision der Krankenkasse gegen die Verurteilung zur Zahlung der Aufwandspauschale wurde vom BSG zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

 

§ 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V verlangt als Tatbestandsvoraussetzung die Minderung eines Abrechnungsbetrages. Dabei ist nach Auffassung des BSG nicht auf das vorprozessuale MDK-Gutachten abzustellen, das eine Minderung des Rechnungsbetrages vorsieht, sondern auf den rechtskräftigen Ausgang des Sozialgerichtsverfahrens.

 

Nach den Ausführungen des BSG ist objektiv festzustellen, ob es zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages gekommen ist. Ein Erfolg der Abrechnungsprüfung ist objektiv festzustellen, wenn das Krankenhaus nach Einleitung der MDK-Prüfung sich mit einem geringeren als dem Rechnungsbetrag begnügt oder gerichtlich seinen Anspruch nicht weiter verfolgt. Ein MDK-Prüfergebnis ist für den Anspruch auf die Aufwandspauschale dann unbeachtlich, wenn im nachfolgenden Gerichtsverfahren der Zahlungsanspruch des Krankenhauses ungeschmälert bestätigt wird. Die MDK-Prüfung habe dann nicht zu einer objektiv feststellbaren Abrechnungsminderung geführt (BSG, a.a.O., Rdz. 10).

 

Anmerkungen

 

Das BSG stellt zurecht auf eine objektive Minderung des Abrechnungsbetrages als Tatbestandsvoraussetzung für die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V ab. Dies ist im Grunde selbstverständlich, da erst nach Ausgang eines Rechtsstreites durch rechtskräftiges Urteil festgestellt werden kann, ob der geltend gemachte Zahlungsanspruch entsprechend der Rechnung des Krankenhauses ungeschmälert besteht. Dem MDK-Gutachten wird daher in diesem Fall keine Bedeutung für die Aufwandspauschale zugemessen.

 

Darüber hinaus stellt das BSG noch einmal die Anspruchsvoraussetzungen für die Aufwandspauschale geschlossen dar. Danach müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Es muss eine Zwischen- oder Schlussrechnung des Krankenhauses vorliegen.

  • Es muss eine Auffälligkeitsprüfung durch den MDK (Wirtschaftlichkeitsprüfung) mit dem Ziel der Minderung des Abrechnungsbetrages erfolgt sein.

  • Eine Abrechnungsminderung muss durch die MDK-Prüfung mitbedungen sein. Es genügt die Minderung irgendeines Teils der Abrechnung, z.B. auch Zuschläge jeglicher Art wie z.B. die Verringerung des Investitionszuschlages nach § 8 Abs. 3 KHEntgG.

  • Ein Anspruch auf Aufwandspauschale scheidet aus, wenn die Krankenkasse durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung des Krankenhauses veranlasst wurde, das Prüfverfahren nach § 275 SGB V unter Beteiligung des MDK einzuleiten. Dies gilt selbst dann, wenn sich der Gesamtabrechnungsbetrag für die Krankenhausbehandlung im Ergebnis nicht verringert.

  • Erfolgt die Prüfungseinleitung außerhalb der Ausschlussfrist von 6 Wochen und lässt sich das Krankenhaus trotzdem auf eine Auffälligkeitsprüfung ein, hat es keinen Anspruch auf Aufwandspauschale, da es sich auf die Prüfung freiwillig eingelassen hat.

  • Der Anspruch auf die Aufwandspauschale ist mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit des Anspruches zu verzinsen (Prozesszinsen nach § 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB).

     

    Den Krankenhäusern wird empfohlen, den Prüfauftrag der Krankenkassen zu analysieren, ob er auf eine Minderung des Rechnungsbetrages abzielt. Dies bemisst sich nach dem Wortlaut des Prüfauftrages, der nach den Grundsätzen über die Auslegung von Willenserklärung zu beurteilen ist. Hat die Krankenkasse sich im Prüfauftrag gezielt auf § 275 Abs. 1c SGB V bezogen, ist von einer Auffälligkeitsprüfung (Wirtschaftlichkeitsprüfung) auszugehen. Maßgeblich ist insoweit, wie der Empfänger der Willenserklärung (hier das Krankenhaus) den Prüfauftrag verstehen konnte (Beurteilung nach dem Empfängerhorizont).

     

    Im Falle, dass sich ein Rechtsstreit vor dem Sozialgericht anschließt, sollte gleichzeitig die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c SGB V gerichtlich geltend gemacht werden.

     

    Das Urteil ist hier wiedergeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:51:40
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Newsletter Versorgungsauftrag
 

Die stationäre Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung in einem Krankenhaus ohne Zulassung für die konkrete Leistungserbringung bedeutet im objektiven Sinne einen groben und, wenn dies fortgesetzt erfolgt, einen nachhaltigen Verstoß gegen wesentliche Grundlagen des GKV-Systems.

BSG, Urteil vom 23.06.2015, B 1 KR 20/14 R

 

- Versorgungsauftrag, Notfallbehandlung, Fachgebiet HNO, Fachgebiet Neurochirurgie, Feststellungsbescheid, Krankenhausplan, sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung, primäre Informationsobliegenheiten, grober Pflichtverstoß -

 

Sehr geehrte Damen und Herren

 

das Bundessozialgericht hat sich vorliegend mit dem Versorgungsauftrag eines Krankenhauses im Gebiet HNO befasst. Es hat dabei die Abgrenzung zum Gebiet Neurochirurgie durch das LSG bestätigt.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus hat einen Versorgungsauftrag für das Gebiet Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO), nicht aber für die Fachrichtung Neurochirurgie. Das Krankenhaus behandelte eine Patientin wegen eines Akustikusneurinoms (Diagnose ICD-10-GM <2008> D33.3 Gutartige Neubildung des Gehirns und anderer Teile des Zentralnervensystems – Hirnnerven). Sie entfernte bei der Patientin weitgehend den Tumor mittels Kraniotomie bei subokzipital-retromastoidalem Zugang linksseitig und berechnete hierfür die Fallpauschale (DRG <2008>) B20B. Die beklagte Krankenkasse vertrat die Auffassung, das Krankenhaus habe den Versorgungsauftrag nicht eingehalten; erforderlich sei die planerische Zuweisung des Gebietes Neurochirurgie.

 

Das SG hat die Klage abgewiesen; das LSG hat die Berufung des Krankenhauses zurückgewiesen.

 

Die Revision des Krankenhauses hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

 

Ausgangspunkt der Entscheidung des BSG ist der Versorgungsauftrag des zugelassenen Krankenhauses. Verstoße ein Krankenhaus gegen den ihm zugewiesenen Versorgungsauftrag, bedeute dies im objektiven Sinne einen groben und, wenn dies fortgesetzt erfolgt, einen nachhaltigen Verstoß gegen wesentliche Grundlagen des GKV-Systems. Die Nichteinhaltung des Versorgungsauftrages sei gleichzusetzen mit der Nichtzulassung von Krankenhäusern zur Behandlung von GKV-Versicherten. Wörtlich führt das BSG aus:

 

„Denn dies entzieht den zugelassenen Leistungserbringern insoweit die Versicherten, setzt die Versicherten durch Behandlung außerhalb des Systems den Risiken unkontrollierter Behandlung aus und droht, das gesetzliche System der Kostentragung auszuhöhlen.“

(BSG, a.a.O., Rdz. 12)

 

Basierend auf den Feststellungen des LSG zur Gebietsdefinition nach der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen umfasst der Weiterbildungsinhalt im Gebiet Neurochirurgie den Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in der operativen Behandlung einschließlich Tumoren des Schädels und des Gehirns. Demgegenüber gehöre der Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten operativer Eingriffe einschließlich endoskopischer und mikroskopischer Techniken an Ohr, Ohrschädel, Gehörgang, Ohrmuschel einschließlich Felsenbeinpräparation zum Bereich der Erlangung der HNO-Facharztkompetenz.

 

Das LSG konnte nach Auffassung des BSG zurecht darauf abstellen, dass operative Eingriffe, die ober- und unterhalb des Kleinhirnzeltes (Tentorium cerebelli) intracerebral vorgenommen werden, um Tumore zu operieren, und deswegen die Eröffnung der Schädeldecke nebst der harten Hirnhaut (Mura marta) erfordern, dem Fachgebiet der Neurochirurgie zuzuordnen sind, da der spezifische Zugangsweg wegen seiner besonderen Anforderungen neurochirurgische Kompetenz erfordert.

 

Ergänzend stellt das BSG heraus, dass die Krankenkasse die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung nach allgemeinen Grundsätzen überprüfen durfte und es erforderlich ist, dass das Krankenhaus den Sachverhalt gegenüber der Krankenkasse offenlegt.

 

Anmerkung

 

Das BSG hebt hervor, dass es – in Abkehr von der Rechtsprechung des 3. Senats – grundsätzlich keine rechtliche Möglichkeit sieht, die landesrechtlichen Vorschriften über den Krankenhausplan eigenständig auszulegen. Dies sei Aufgabe der Instanzgerichte. Nur ausnahmsweise darf das BSG die Entscheidung über die Aufnahme des Krankenhauses in den Krankenhausbedarfsplan selbst auslegen, wenn das LSG diese Auslegung nicht vorgenommen hat und weitere Feststellungen nicht mehr in Betracht kommen. Insoweit kommt es für die Krankenhäuser daher darauf an, auf eine sachgerechte Auslegung des Feststellungsbescheides auf der Basis des Krankenhausplanes durch die Instanzgerichte zu drängen.

 

Die Abgrenzung selbst, die das LSG nach dem spezifischen Zugangsweg vornimmt (Eröffnung der Schädeldecke nebst der harten Hirnhaut), wird vom BSG gestützt. Daher bewegte sich das Krankenhaus außerhalb seines Versorgungsauftrages HNO, da die streitige Leistung dem Fachgebiet Neurochirurgie zuzurechnen war. Allerdings hätte man auch wohl vertreten können, dass die streitige Leistung zur Fachkompetenz beider Gebiete zählt.

 

In seinem Urteil betont das BSG die Bedeutung der Einhaltung des Versorgungsauftrages und sieht die Leistungserbringung und Abrechnung bei Überschreitung des Versorgungsauftrages als objektiven groben Pflichtverstoß an.

 

Darüber hinaus schreibt das BSG den Krankenhäusern erneut ins „Stammbuch“, dass die Krankenhäuser verpflichtet sind, gegenüber den Krankenkassen den Sachverhalt offenzulegen. Damit ist vom BSG gemeint, dass bereits im Vorfeld den Krankenkassen Einzelheiten der Leistungserbringung in Zweifelsfällen offengelegt werden muss, bevor eine Abrechnung erfolgt. Das BSG hat vorliegend der Krankenhausträgerin eine grobe Pflichtverletzung unterstellt, „indem sie sehenden Auges eine vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses nicht umfasste neurochirurgische Operation bei der Versicherten durchführte und abrechnete, ohne zunächst den Sachverhalt offenzulegen“.  

 

Von Krankenhausseite ist daher die Einhaltung des Versorgungsauftrages strikt zu beachten, um sich nicht dem Vorwurf eines Pflichtverstoßes auszusetzen.

 

Das Urteil ist hier wiedergeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:52:15
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Newsletter Aufwandspauschale
 

Ein Anspruch auf zwei oder mehrere Aufwandspauschalen nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V setzt zwei oder mehrere Prüfaufträge der Krankenkasse an den MDK mit dem Ziel der Minderung des Abrechnungsbetrages voraus. Bei der Überprüfung der Fallzusammenführung beginnt die 6-Wochen-Frist nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V erst mit Eingang der zweiten Rechnung zu laufen.

BSG, Urteil vom 23.06.2015, B 1 KR 23/14 R

 

- Aufwandspauschale, Auffälligkeitsprüfung, sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung, Prüfauftrag, Fallzusammenführung, 6-Wochen-Frist -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG befasst sich vorliegend mit der Fragestellung, ob und unter welchen Voraussetzungen zwei oder mehrere Aufwandspauschalen nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V vom Krankenhaus abgerechnet werden können. Es stellt dabei auf den Prüfauftrag der Krankenkasse ab.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelte eine Patientin vollstationär vom 15. bis zum 25.09.2007 sowie vom 27.09. bis 10.10.2007 und stellte hierfür der beklagten Krankenkasse zwei Behandlungsfälle in Rechnung.

 

Die Krankenkasse beauftragte den MDK, die beiden Abrechnungen hinsichtlich einer Fallzusammenführung zu prüfen. Der MDK bestätigte die Auffassung des Krankenhauses, dass beide Behandlungsfälle nicht zusammenzuführen seien. Das Krankenhaus stellte daraufhin zwei Aufwandspauschalen in Rechnung. Die Krankenkasse zahlte jedoch nur eine Aufwandspauschale in Höhe von 100,00 €.

 

Das SG hat die Klage abgewiesen; das LSG hat der Berufung der Klägerin stattgegeben und die Krankenkasse zur Zahlung von weiteren 100,00 € Aufwandspauschale verurteilt.

 

Das BSG stellte das Urteil in I. Instanz wieder her.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG stellt für den Anspruch auf Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V auf den Prüfauftrag der Krankenkasse an den MDK ab. Nach Auffassung des BSG kommt es nicht auf die Zahl der Rechnungen an, die Gegenstand der Prüfung sind.

 

Dies leitet es aus dem Wortlaut, dem Regelungssystem und dem Regelungszweck entsprechend der Entstehungsgeschichte von § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V ab. Es kommt daher maßgeblich auf den Prüfauftrag an, mit dem die Krankenkasse den MDK beauftragt haben muss, eine gutachterliche Stellungnahme abzugeben mit dem Ziel, in Verfolgung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Verminderung der abgerechneten Vergütung zu gelangen.

 

Ziel des Gesetzgebers war es, eine effektivere Handhabung der Prüfaufträge durch die Krankenkassen zu erreichen. Dem entspricht es, die Aufwandspauschale auf jeden nicht die Abrechnung mindernden Prüfauftrag zu beziehen.

 

Dem Gesetzgeber ging es nicht etwa darum, ein „weiteres Instrument der Krankenhausfinanzierung zu schaffen“.

 

Anmerkung

 

Kernaussage des BSG ist, dass für den Anspruch auf Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V nicht auf die in die Prüfung einbezogenen Rechnungen des Krankenhauses, sondern auf den Prüfauftrag der Krankenkasse an den MDK abzustellen ist. Ergibt die Auslegung der Willenserklärungen der Krankenkasse, dass sie mehrere Prüfaufträge an den MDK erteilt hat, können ggf. auch mehrere Aufwandspauschalen abgerechnet werden.

 

Zu beachten ist jedoch, dass das BSG hierfür die Erfüllung von weiteren Voraussetzungen für erforderlich hält:

  • Der Prüfauftrag muss sich auf die Minderung des Abrechnungsbetrages beziehen.

  • Der Prüfauftrag umfasst eine Auffälligkeitsprüfung und zielt nicht allein auf eine Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit.

  • Der Prüfauftrag muss auf Abgabe einer gutachtlichen Stellungnahme des MDK gerichtet sein.

     

    Das BSG stellt in diesem Zusammenhang nochmals heraus, dass eine Aufwandspauschale nicht durch einen Auftrag auf Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit ausgelöst wird. Das BSG unterscheidet zwischen einer Abrechnungsprüfung im engeren Sinn, die es als Wirtschaftlichkeitsprüfung bezeichnet, von der sachlich-rechnerischen Abrechnungsprüfung. Nur die Wirtschaftlichkeitsprüfung hat ggf. einen Anspruch auf Aufwandspauschale zur Folge.

     

    Zum Begriff der Auffälligkeit verweist das BSG dabei auf seine Urteile vom 13.11.2012, Az.: B 1 KR 24/11 R und vom 10.03.2015, Az.: B 1 KR 2/15 R, juris, Rdz. 27. Das Urteil vom 13.11.2012, Az.: B 1 KR 24/11 R, bietet jedoch keine eindeutigen Abgrenzungsmerkmale zu den vom BSG genannten Prüfungsarten. Darauf kommt es jedoch maßgeblich an, da nur die Auffälligkeitsprüfung nach Auffassung des BSG die Aufwandspauschale auslöst. Im Urteil vom 13.11.2012, a.a.O., definiert das BSG Auffälligkeiten wie folgt:

     

    „Es bestehen Auffälligkeiten, die die KK zur Einleitung einer Abrechnungsprüfung unter Anforderung einer gutachtlichen Stellungnahme des MDK berechtigen und verpflichten, wenn die Abrechnung und/oder die vom Krankenhaus zur ordnungsgemäßen Abrechnung vollständig mitgeteilten Behandlungsdaten und/oder weitere zulässig von der KK verwertbare Informationen (vgl zu Letzterem Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 14/12 R - RdNr 33 und 35, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) Fragen nach der - insbesondere sachlich-rechnerischen - Richtigkeit der Abrechnung und/oder nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen, die die KK aus sich heraus ohne weitere medizinische Sachverhaltsermittlung und -bewertung durch den MDK nicht beantworten kann.“

     

    Das BSG stellt in diesem Urteil sowohl auf Fragen nach der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung als auch nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes ab. Diese begründen Auffälligkeiten, die die Krankenkasse zu einer Abrechnungsprüfung berechtigen und verpflichten. Eine Abgrenzung der vom BSG entwickelten unterschiedlichen Prüfungsarten geschieht an dieser Stelle gerade nicht.

     

    Auch das weitere Urteil des BSG vom 10.03.2015, a.a.O., schafft nicht die notwendige Klarheit zur Abgrenzung der vorgenannten Prüfungsarten. Dort wird nur ausgeführt, dass die Auffälligkeitsprüfung regelmäßig Fälle betrifft, in denen die Krankenkassen Zweifel daran haben kann, dass das Krankenhaus seine Leistung unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 Abs. 1 SGB V erbracht hat. Dies bezeichnet das BSG nunmehr als „Abrechnungsprüfung im engeren Sinne“.

     

    Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:52:48
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Newsletter Treu und Glauben
 

Die Vertragsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen verpflichten diese in partnerschaftlicher Weise zu gegenseitiger Rücksichtnahme nach dem Grundsatz von Treu und Glauben.

Ein Krankenhaus ist daher berechtigt, eine nach dem tatsächlichen Ablauf unzutreffende Kodierung im Laufe des Rechtsstreits gegen eine zutreffende Kodierung auszutauschen. Ein Anspruch auf Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V besteht bei einer sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung nicht.

 

Urteil des BSG vom 23.06.2015, Az.: B 1 KR 13/14 R

 

- Hauptdiagnose, Nebendiagnose, Treu und Glauben, Austausch der Nebendiagnose, Definition Nebendiagnose, DKR D003d, Aufwandspauschale, sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung, Auffälligkeitsprüfung -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

Kern des Rechtsstreits war die Frage, ob die Voraussetzungen der Nebendiagnose N17.9 (akutes Nierenversagen nicht näher bezeichnet) vorgelegen haben und das Krankenhaus berechtigt war, die ursprünglich angegebene Nebendiagnose N18.82 (chronische Niereninsuffizienz) durch die Nebendiagnose N17.9 (akutes Nierenversagen nicht näher bezeichnet) zu ersetzen. Letzteres hat das BSG unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben bejaht.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelte eine Patientin im Jahr 2008 wegen Diarrhöen, zunehmender Verwirrtheit und einer reduzierten Diurese.

 

Das Krankenhaus kodierte neben der Hauptdiagnose ICD10-GM K51.3 (Ulzeröse <chronische> Rektosigmoiditis) unter anderem die Nebendiagnose N18.82 (Chronische Niereninsuffizienz, Stadium 2) und rechnete die Fallpauschale G64A (entzündliche Darmerkrankung oder andere schwere Erkrankungen der Verdauungsorgane mit äußerst schweren CC) ab. Die beklagte Krankenkasse schaltete den MDK zur Prüfung ein. Dieser hielt lediglich die DRG G64B für zutreffend, da er der Auffassung war, die angegebene Nebendiagnose N18.82 sei nicht zu kodieren.

 

Das SG hat die Krankenkasse zur Zahlung verurteilt; das LSG hat die Berufung der Krankenkasse zurückgewiesen. Das LSG hielt die nachträgliche Änderung der Nebendiagnose zu N17.9 (Akutes Nierenversagen nicht näher bezeichnet) für zulässig. Dies führe zur DRG G64A.

 

Das BSG wies den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG befasst sich insbesondere mit den Voraussetzungen der Kodierung einer Nebendiagnose. Nebendiagnosen sind neben einer Hauptdiagnose für die Zuordnung zu einer DRG nur dann bedeutsam, soweit ihnen die Vertragsparteien zur angemessenen Bewertung von Versorgungsbesonderheiten Abrechnungsrelevanz beigemessen haben.

 

Die Kodierrichtlinien bestimmen, ob und welche Nebendiagnosen für die Abrechnung zusätzlich zur Hauptdiagnose zu kodieren sind. Das ist nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR 2008) dann der Fall, wenn die fragliche Diagnose überhaupt als Nebendiagnose zu kodieren ist und sich zudem auf das Versorgungsgeschehen tatsächlich im Sinne eines zusätzlichen Aufwands ausgewirkt hat. Dabei stellt das BSG auf die DKR D003d (Nebendiagnose) ab und gibt diese wörtlich wieder.

 

Ein Symptom wird nach der DKR D003d nicht kodiert, wenn es im Regelfall als eindeutige und unmittelbare Folge mit der zugrundeliegenden Krankheit vergesellschaftet ist.

 

Insoweit vermisst das BSG Feststellungen des LSG, ob die Versicherte an einem akuten Nierenversagen litt, das auch ohne Exsikkose und ggf. hierdurch bedingte deutlich erhöhte Retentionsparameter eine Volumentherapie erfordert hätte. Dann wäre auch die Nebendiagnose N17.9 zu kodieren gewesen und hätte zur Abrechnung der DRG G64A geführt.

 

In diesem Zusammenhang weist das BSG den Einwand der Krankenkasse zurück, dass der Austausch der Nebendiagnose zu N17.9 im Laufe des Rechtstreits nicht mehr zulässig gewesen sei. Aus dem beidseitig zu beachtenden Grundsatz von Treu und Glauben folge eine gegenseitige Rücksichtnahme. Das Krankenhaus sei daher im Laufe des Rechtsstreits nicht gehindert, eine unzutreffende Kodierung gegen eine zutreffende Kodierung auszutauschen, soweit nicht das einschlägige Vertragsrecht entgegenstehe.

 

Anmerkung

 

Das BSG befasst sich in klarer und nachvollziehbarer Weise mit den Voraussetzungen von Nebendiagnosen auf der Grundlage der DKR D003d.

 

Besondere Bedeutung erlangt das Urteil des BSG durch die „Wiederbelebung“ des Grundsatzes von Treu und Glauben. Es wendet diesen Grundsatz vorliegend zu Gunsten des Krankenhauses an. Der Grundsatz von Treu und Glauben verlange eine gegenseitige Rücksichtnahme. Vorliegend sah das BSG daher keinen Hinderungsgrund, dass das Krankenhaus eine unzutreffende Nebendiagnose durch eine zutreffende Nebendiagnose austauschte. Entgegenstehende Vertragsregelungen bestünden nicht.

 

Im Übrigen befasste sich das BSG noch mit dem potentiellen Anspruch des Krankenhauses auf Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V. Diesen schloss das BSG aus, da es vorliegend um eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung (§ 301 SGB V) ging, für die ein Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale nicht in Betracht kommt. 

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:53:21
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Newsletter Überschreitung Obere Grenzverweildauer
 

Das Wirtschaftlichkeitsgebot zwingt Krankenhäuser, bei der Behandlungsplanung die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativverhaltens zu prüfen. Das behandelnde Krankenhaus muss sich umfassend um eine rechtzeitige Verlegung der Versicherten kümmern.

BSG, Urteil vom 21.04.2015, B 1 KR 6/15 R

- Überschreitung Obere Grenzverweildauer, MDK-Prüfung, Auffälligkeitsprüfung, Verlegung, Wirtschaftlichkeitsgebot, fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

in dem vorgenannten Urteil stellt das BSG heraus, dass sich die Krankenhäuser frühzeitig um eine rechtzeitige Verlegung der Patienten kümmern müssen, um nicht Vergütungsnachteile zu haben.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelte eine Patientin vom 22. bis 30.07.2007 wegen akuter abdomineller Kolik bei Vasculitis. Die Patientin wurde erneut wegen Purpura Schoenlein-Henoch mit abdominellen Schmerzen am 06.08. aufgenommen und am 15.08.2007 in ein anderes Krankenhaus verlegt. Die Klägerin hatte am 08.08.2007 das andere Krankenhaus wegen weiterführender Diagnostik kontaktiert und wartete auf eine Rückmeldung des anderen Krankenhauses. Die beklagte Krankenkasse beauftragte den MDK mit einer Prüfung. Dieser kam zur Auffassung, dass die Patientin bereits am 14.08.2007 hätte verlegt werden können. Die Krankenkasse kürzte daher im Ergebnis die Rechnung um einen Tag wegen der Überschreitung der oberen Grenzverweildauer in Höhe von 230,01 €.

 

Die Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG stellt in den Entscheidungsgründen heraus, dass ein Vergütungsanspruch nur für eine erforderliche, wirtschaftliche Krankenhausbehandlung besteht. Bei unwirtschaftlicher Behandlung kann ein Krankenhaus allenfalls die Vergütung beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichen Alternativverhalten angefallen wäre.

 

Nach der Auffassung des BSG unterliegt bereits die Behandlungsplanung dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Bereits bei der Behandlungsplanung müssen die Krankenhäuser die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativverhaltens prüfen. Die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots erfordert, dass bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger, ausreichender und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind.

 

Das Wirtschaftlichkeitsgebot erfordert zudem, dass sich das Krankenhaus umfassend und rechtzeitig um eine Verlegung kümmert. Bleiben die Bemühungen des Krankenhauses allerdings trotz intensiver, dokumentierter und sachgerechter Suche zunächst ohne Erfolg und besteht die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung fort, hat die Krankenkasse die hierauf beruhenden Kosten der Krankenhausbehandlung zu tragen. Die Krankenkassen tragen nämlich die Strukturverantwortung für die Verfügbarkeit adäquater Behandlungskapazitäten der Krankenhäuser.

 

Letztlich stellt das BSG fest, dass die Voraussetzungen von § 275 Abs. 1c SGB V erfüllt waren. Auf die Dauer der Prüfbearbeitung des MDK komme es nicht an.

 

Anmerkung

 

Zum wiederholten Male befasst sich das BSG mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot, das alle Leistungserbringer, also auch die Krankenhäuser, zu beachten haben. Neu ist, dass das BSG das Wirtschaftlichkeitsgebot bereits auf die Behandlungsplanung erstreckt. Insoweit müssen die Krankenhäuser sich rechtzeitig und umfassend um eine notwendige Verlegung kümmern.

 

Bleiben die Bemühungen des Krankenhauses ohne Erfolg, weil z.B. geeignete andere Krankenhäuser keine entsprechenden Aufnahmekapazitäten haben, müssen die Krankenkassen die Behandlungskosten weiter tragen. Dies gilt allerdings nur, wenn nachweisbar die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung fortbesteht.

 

Den Krankenhäusern wird daher in diesem Falle empfohlen, die Kontaktaufnahme zu anderen Krankenhäusern und die weiteren Bemühungen sorgfältig zu dokumentieren. Nur dann können sie den entsprechenden Vergütungsanspruch vor Gericht durchsetzen.

 

Am Ende des Urteils geht das BSG auf die Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V kurz ein. Danach betrifft die Auffälligkeitsprüfung regelmäßig die Fälle, in denen die Krankenkassen Zweifel daran haben, dass das Krankenhaus seine Leistung unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots erbracht hat. Ob die Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V noch weitere Fallgestaltungen umfasst, lässt das BSG an dieser Stelle offen.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:53:55
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Newsletter Erstattungsanspruch
 

Krankenkassen können innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch geltend machen. Dem steht auch nicht das Rechtsinstitut der Verwirkung entgegen. 

Urteil des BSG vom 21.04.2015, Az.: B 1 KR 7/15 R

- Erstattungsanspruch, Verjährung, Verwirkung, sachlich-rechnerische Richtigkeit, Auffälligkeitsprüfung, Waffengleichheit -


Sehr geehrte Damen und Herren,

der 1. Senat des BSG hat sich erneut mit der Fragestellung befasst, ob einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Krankenkassen der Einwand der Verwirkung entgegengehalten werden kann. Er hat dies verneint.

Sachverhalt

Die klagende Krankenkasse hat gegen das Krankenhaus für eine Krankenhausbehandlung vom 09.-20.08.2004 am 18.12.2008 Widerklage erhoben, da für diesen Zeitraum keine Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung gegeben war. Das SG hat die Widerklage abgewiesen, das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und das Krankenhaus zur Zahlung von 3.159,21 € nebst Prozesszinsen verurteilt.

Mit der Revision hat das beklagte Krankenhaus eine Verletzung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gerügt und geltend gemacht, dem Erstattungsanspruch der Krankenkasse stehe der Verwirkungseinwand entgegen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Krankenhauses hatte keinen Erfolg.

Zunächst stellt das BSG fest, dass eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorliegend nicht gegeben war. Insoweit war es an die Feststellungen des LSG gemäß § 163 SGG gebunden.

Einwände gegen den öffentlichen-rechtlichen Erstattungsanspruch verneinte das BSG.

1.
§ 814 BGB stehe dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch nicht entgegen. Nach § 814 BGB kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht mehr zurückgefordert werden, wenn der Leistende wusste, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war.

Die vorbehaltlose Zahlung der Krankenkasse sei nicht einer positiven Kenntnis einer Nichtschuld gleichzusetzen.

2.
Die in § 275 Abs. 1c SGB V vorgesehene sechswöchige Ausschlussfrist für die Einleitung einer Einzelfallprüfung greife vorliegend nicht. Die Regelung ergreife nur Behandlungen, die nach dem 31.03.2007  begonnen haben. Im Übrigen erfasse die gesetzliche Sechs-Wochen-Frist nur die Prüfung aufgrund einer Auffälligkeit, nicht aber die Prüfung wegen sachlich-rechnerischer Richtigkeit, um die es vorliegend gehe. Krankenkassen seien jederzeit berechtigt, die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung zu überprüfen (§ 301 SGB V).

3.
Dem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch stehe auch nicht der Rechtsgedanke der Waffengleichheit entgegen. Im Verhältnis zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen gäbe es kein überpositives „Gebot der Waffengleichheit“.

4.
Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch sei weder verjährt noch verwirkt.

Die Forderung der Krankenkasse sei im Zeitpunkt der Überzahlung im Jahr 2004 entstanden und daher mit Widerklage vom 18.12.2008 innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist geltend gemacht worden. Dadurch sei der Eintritt der Verjährung gehemmt worden (§ 45 Abs. 2 SGB I analog iVm § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

Das Rechtsinstitut der Verwirkung passe grundsätzlich als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist nicht. Die Verwirkung finde nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung, wenn beispielsweise ein Krankenhaus nach vorbehaltlos erteilter Schlussrechnung außerhalb des laufenden Haushaltsjahres der Krankenkasse eine Nachforderung geltend mache. Der bloße Zeitablauf stelle kein die Verwirkung begründetes Verhalten dar. Die abweichende Auffassung des 3. Senats gibt das BSG ausdrücklich auf mit dem Hinweis, der 3. Senat sei nicht mehr für das Leistungserbringungsrecht der Krankenhäuser zuständig.

Anmerkungen

Der 1. Senat thematisiert erneut die sechswöchige Ausschlussfrist für die Einleitung einer Einzelfallprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V. Diese Sechs-Wochen-Frist gilt nach Auffassung des 1. Senats nur für eine Auffälligkeitsprüfung, nicht aber für die Prüfung wegen sachlich-rechnerischer Richtigkeit.

Eine dringend notwendige Abgrenzung zwischen Auffälligkeitsprüfung und sachlich-rechnerischer Prüfung unterlässt der 1. Senat an dieser Stelle. Er begnügt sich mit dem Hinweis auf § 301 SGB V. Die Regelung in § 275 Abs. 1c SGB V, die auf § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V verweist, umfasst alle Arten der Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie Auffälligkeiten der ordnungsgemäßen Abrechnung. Der 1. Senat verkürzt diesen Tatbestand auf reine Auffälligkeitsprüfungen. Insoweit sind deutliche Hinweise der Abgrenzung von Seiten des BSG überfällig.

Daher ist nunmehr der Gesetzgeber gefordert, der Anwendung von § 275 Abs. 1c SGB V auch für sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfungen Geltung zu verschaffen. Eine ähnliche Fallkonstellation eines Wertungswiderspruchs zwischen der Rechtsprechung des BSG und der gesetzlichen Regelung in § 137c Abs. 1 SGB V hat der Gesetzgeber zuletzt zu Gunsten der Anwendung des im Krankenhaus geltenden Grundsatzes der Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt aufgelöst und der Rechtsprechung des BSG eine Absage erteilt (§ 137c Abs. 3 SGB V idF des GKV-VSG vom 16.07.2015 BGBl I S. 1211). 

Auch die Anwendung des Verwirkungstatbestandes als Unterfall von Treu und Glauben erfolgt einseitig. Während das BSG den Verwirkungstatbestand für Krankenhäuser bei Nachforderungen nach vorbehaltloser Schlussrechnung – ohne dezidierte Begründung – zugrunde legt, weist es die Anwendung des Verwirkungstatbestandes gegenüber den Krankenkassen weit zurück. Bei Nachforderungen von Krankenhäusern reicht offensichtlich als Verwirkungstatbestand der reine Zeitablauf aus, was sich aus dem Hinweis des BSG auf die Nachforderung außerhalb des laufenden Haushaltsjahres der Krankenkassen erschließt.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

 

 

 

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:54:26
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Newsletter Zulässigkeit von Zahulungsklagen bis zu einer Höhe von 2.000 Euro
 

Für Streitigkeiten über Krankenhausvergütung bis zur Höhe von 2.000,00 €, in denen eine Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V tatsächlich erfolgte, ist ab 01.09.2015 die Anrufung des gesetzlich vorgesehenen Schlichtungsausschusses Zulässigkeitsvoraussetzung einer Leistungsklage.

Bis 31.08.2015 besteht Vertrauensschutz, so dass der Schlichtungsausschuss nicht angerufen werden muss, es sei denn, er wurde bereits eingerichtet und dies wurde den Krankenhäusern und Krankenkassen förmlich mitgeteilt.

BSG, Urteil vom 23.06.2015, Az.: B 1 KR 26/14 R

 

- Zulässigkeit von Zahlungsklagen bis zu einer Höhe von 2.000 Euro, Notwendigkeit der vorherigen Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nach § 17c Abs. 4 i.V.m. Abs. 4b Satz 3 KHG (Schlichtungsausschuss), Vertrauensschutz bis 31.08.2015, Übergangszeit bis zum Inkrafttreten des KHSG, Verwirkung, Ausnahmen von der Durchführung des Schlichtungsverfahrens, ambulante Behandlung AOP-Vertrag, Grund der Aufnahme -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

mit Mandantenrundschreiben vom 25.06.2015 habe ich Sie anhand des Terminsbericht des BSG über das Urteil des BSG vom 23.06.2015, Az.: B 1 KR 26/14 R, informiert. Gegenstand war die zwingende Anrufung des Schlichtungsausschusses/der Schiedsstelle vor Erhebung einer Leistungsklage (bei Vergütungsforderung bis zur Höhe von 2.000,00 €) ab 01.09.2015.

 

Inzwischen liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor, die nähere Aufschlüsse hierzu geben.

 

Sachverhalt

 

Auf die Schilderung des Sachverhaltes in dem vorhergehenden Mandantenrundschreiben vom 25.06.2015 darf ich verweisen.

 

Entscheidungsgründe

 

1.

Der 1. Senat des BSG gibt die Rechtsauffassung des 3. Senats des BSG auf, der mit Urteil vom 08.10.2014 – B 3 KR 7/14 R – davon ausgegangen ist, dass zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes eine förmliche Bekanntgabe erfolgen müsse, welches Gremium ab wann tatsächlich in der Lage sei, die Aufgaben des Schlichtungsausschusses zu bewältigen. Hierzu hatte der 3. Senat eine förmliche Anzeige gegenüber den jeweiligen Landeskrankenhausgesellschaften und den Verbänden der Krankenkassen für erforderlich gehalten.

 

Dieser Auffassung erteilt der 1. Senat eine Absage, da sie „die Grenzen verfassungskonformer Auslegung“ überschreite (BSG, a.a.O., Rdz. 21).

 

Aus Gründen des verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutzes (die Rechtspraxis hat sich auf die Entscheidungsgründe des Urteils des 3. Senats eingerichtet) gewährt der 1. Senat eine Übergangsfrist bis zum 31.08.2015. Danach gilt als Zulässigkeitsvoraussetzung die vorherige Anrufung des Schlichtungsausschusses/der Schlichtungsstelle für Vergütungsforderungen, die 2.000,00 € nicht überschreiten, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen.

 

2.

Der 1. Senat des BSG geht davon aus, dass § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG (vorherige Durchführung des Schlichtungsverfahren als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage) nur dann greift, wenn tatsächlich eine Abrechnungsprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V durchgeführt wurde. Hat tatsächlich eine Prüfung stattgefunden, die nicht von § 275 Abs. 1c SGB V erfasst ist oder ist es überhaupt nicht zu einer MDK-Prüfung gekommen, greift das Zulässigkeitserfordernis nicht ein (BSG, a.a.O., Rdz. 30). Als Beispielsfälle führt das BSG an:

 

- bloße interne Einschaltung des MDK durch die Krankenkasse ohne Einbeziehung des Krankenhauses

 

- keine Prüfung einer Krankenhausbehandlung, sondern Krankenhausaufenthalte wegen Schwangerschaft und Mutterschaft

 

- Keine Einschaltung des MDK

 

- Keine Information durch die Krankenkasse selbst oder durch den MDK über die Durchführung einer Prüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V.

 

3.

Über die vorgenannte prozessuale Fragestellung hinaus hat der 1. Senat Ausführungen über die erforderlichen Informationsobliegenheiten des Krankenhauses bei regelhaft vorgesehener ambulanter Behandlung (AOP-Vertrag gem. § 115b SGB V) gemacht. In Fällen, in denen regelhaft ambulante Behandlung ausreichend ist, muss das Krankenhaus Angaben zu Begleiterkrankungen oder zu sonstigen Gründen machen, die Anlass für die stationäre Versorgung des Patienten gaben. Ohne solche Angaben fehlen Informationen über den Grund der Aufnahme und damit eine der zentralen Angaben, die eine Krankenkasse für die ordnungsgemäße Abrechnungsprüfung benötigt. Verweigert das Krankenhaus diese Angaben trotz eines Hinweises auf ihre Erforderlichkeit, darf das Gericht davon ausgehen, dass die Anspruchsvoraussetzung nicht erfüllt ist (BSG, a.a.O., Rdz. 36).

 

Dieser Informationspflicht muss das Krankenhaus von sich aus nachkommen, es sei denn, die der Krankenkasse übermittelte Hauptdiagnose bzw. der übermittelte OPS-Kode und weitere Daten nach § 301 SGB V legen den Schluss nahe, dass eine stationäre Behandlung angezeigt war. Macht ein Krankenhaus diesbezüglich keine Angaben zum „Grund der Aufnahme“, wird die Vergütungsforderung nicht fällig (BSG, a.a.O., Rdz. 38).

 

4.

Des Weiteren macht das BSG Ausführungen zur Verwirkung. Das Rechtsinstitut der Verwirkung passt nach Auffassung des. 1. Senats als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist grundsätzlich nicht. Nur in engen Ausnahmekonstellationen findet dieses Rechtsinstitut Anwendung. Als Beispielsfall führt der 1. Senat die Nachforderung eines Krankenhauses nach vorbehaltlos erteilter Schlussrechnung außerhalb des laufenden Haushaltsjahres der Krankenkasse an. Letztlich betont das BSG, dass die Krankenkassen die vierjährige Verjährungsfrist für ihre Erstattungsforderungen voll ausschöpfen können. Der bloße Zeitablauf stelle kein die Verwirkung begründetes Verhalten dar. Auch insoweit gibt der 1. Senat die abweichende Rechtsprechung des 3. Senats auf.

 

Anmerkungen

 

In meinen Anmerkungen im Mandantenrundschreiben vom 23.06.2015 sind ausführliche Hinweise zum Schlichtungsverfahren als Zulässigkeitsvoraussetzung einer Leistungsklage enthalten. Wichtig erscheint mir an dieser Stelle noch einmal der Hinweis, dass der verbleibende Zeitrahmen bis zum 01.09.2015 von den Krankenhäusern zur Sichtung und Bewertung offener Vergütungsforderungen aus dem Jahr 2011 genutzt werden soll. Andernfalls könnten Probleme in den (meisten) Bundesländern auftreten, die keinen funktionsfähigen Schlichtungsausschuss eingerichtet haben bzw. bei denen die Schiedsstelle sich nach § 18a KHG nicht in der Lage sieht, diese Aufgabe wahrzunehmen. Es empfiehlt sich in diesen Fällen noch rechtzeitig vor dem 01.09.2015 Klagen zu den Sozialgerichten einzureichen.

 

Voraussichtlich wird es ab 01.01.2016 zur Aufhebung des Schlichtungsverfahrens als Zulässigkeitsvoraussetzung durch den Gesetzgeber im Rahmen des Krankenhausstrukturgesetzes kommen.

 

Auffällig ist, dass der 1. Senat an mehreren Stellen die Rechtsprechung des 3. Senats aufgibt und zum Teil mit Noten versieht („überschreitet die Grenzen verfassungskonforme Auslegung“). Daraus wird nachträglich deutlich, dass das BSG nicht mit einer Zunge spricht und wohl innerhalb des BSG unterschiedliche Rechtsauffassungen bestanden, die nicht ausgeräumt werden konnten. Gleichzeitig stellt der 1. Senat heraus, dass der 3. Senat nicht mehr für das Leistungserbringungsrecht der Krankenhäuser zuständig ist. Es kommt daher nunmehr auf die Sichtweise des 1. Senats des BSG an.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:55:22
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Newsletter halbstündige Transportentfernung
 

Der OPS-Kode 8-981 „Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls“ (Version 2007) setzt die 24-stündige Anwesenheit eines Facharztes für Neurologie oder eines Assistenzarztes in der Weiterbildung zum Facharzt für Neurologie voraus.

 Die halbstündige Transportentfernung zum Kooperationspartner für den unmittelbaren Zugang zu neurochirurgischen Notfalleingriffen sowie zu gefäßchirurgischen und interventionell–neuroradiologischen Behandlungsmaßnahmen stellt nicht auf das schnellste Transportmittel ab, sondern muss unabhängig vom Transportmittel gewährleistet sein. Ist der Kooperationspartner unter Einsatz von Sondersignalen innerhalb von 30 Minuten erreichbar, ist diese Mindestvoraussetzung erfüllt.

 

BSG, Urteil vom 21.04.2015, B 1 KR 8/15 R

 

- Akuter Schlaganfall, halbstündige Transportentfernung, Qualifikation des Arztes, Facharzt für Neurologie, Kooperation, Mindestvoraussetzung OPS-Kode 8-981 -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG hat vorliegend einen Grundsatzstreit zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen zur Auslegung des OPS-Kode 8-981 entschieden. Es hat sich sowohl mit der Qualifikation des Facharztes während der 24-stündigen ärztlichen Anwesenheit befasst als auch mit der Frage, wie die halbstündige Transportentfernung zum Kooperationspartner unabhängig vom Transportmittel auszulegen ist.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelte eine Patientin auf der Stroke Unit wegen Verdachts auf Hirninfarkt im Juni 2007 und rechnete dafür die B70C ab. Die Krankenkasse beauftragte den MDK mit einer Prüfung. Dieser kam zur Auffassung, dass der OPS-Kode 8-981.0 nicht erfüllt sei (Version 2007), da die geforderte 24-stündige ärztliche Anwesenheit eines Facharztes für Neurologie nicht gewährleistet sei. Die beklagte Krankenkasse hielt daher nur die DRG B70E für gerechtfertigt und verrechnete den aus ihrer Sicht überzahlten Betrag in Höhe von 1.374,01 € mit einer anderen Forderung der Klägerin.

 

Das SG gab der Klage statt; auf die Berufung der Krankenkasse hob das LSG das Urteil auf und wies die Klage ab. Das LSG vertrat die Auffassung, die halbstündige Transportentfernung unabhängig vom Transportmittel sei vorliegend nicht erfüllt.

 

Das BSG wies die Revision des Krankenhauses zurück.

 

Entscheidungsgründe

 

Zunächst befasst sich das BSG mit dem Mindestmerkmal „24-stündige ärztliche Anwesenheit im OPS-Kode 8-981 (Version 2007)“. In einem Klammerzusatz wird dort festgelegt:

 

„Der Arzt kann ein Facharzt oder ein Assistenzarzt in der Weiterbildung zum Facharzt sein."

 

Das BSG stellt voran, dass die Anwendung der Deutschen Kodierrichtlinien, der FPV-Abrechnungsbestimmungen, der ICD-Klassifikationen und OPS „eng am Wortlaut orientiert unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen“ sind. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes und damit „lernendes“ System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen.

 

Nach Auffassung des BSG lege bereits der (vorstehend zitierte) Wortlaut nahe, dass hierbei die 24-stündige Anwesenheit eines Facharztes für Neurologie oder eines Assistenzarztes in der Weiterbildung zum Facharzt Neurologie“ erforderlich sei. Wörtlich führt das BSG aus:

 

„Zwar enthält erst der seit 2012 geltende OPS die Einschränkung auf einen Facharzt bzw. einen Assistenzarzt in der Weiterbildung zum Facharzt ‚für Neurologie‘. Die Mindestmerkmale einer Neurologischen Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls wurden insoweit aber lediglich klarstellend konkretisiert, ohne eine inhaltliche Änderung zu erfahren.“

 

Dies ergäbe sich auch aus der Regelungssystematik des OPS 8-981 (2007). Dort werde die Behandlungsleitung durch ein Facharzt für Neurologie vorausgesetzt. Ein Arzt einer anderen Fachrichtung kann die fachliche Mindestanforderung für die 24-stündige Anwesenheit auf der Spezialeinheit nicht erfüllen. Es war nicht erforderlich, bei jeder Erwähnung des Arztes innerhalb des OPS-Kodes den ohnehin selbstverständlichen Zusatz auf die Fachrichtung zu wiederholen (BSG, a.a.O., Rdz. 19).

 

Zur halbstündigen Transportentfernung geht das BSG davon aus, dass diese Transportentfernung unabhängig vom Transportmittel gewährleistet sein muss. Ob ein Transport nur bei Einsatz von Sondersignalen unter 30 Minuten zu bewältigen ist, ist ebenso wenig von Bedeutung wie die konkreten Witterungs- oder Verkehrsbedingungen bei dem jeweiligen Transport. Ist – unabhängig vom Transportmittel – der Kooperationspartner bei Einsatz von Sondersignalen innerhalb von 30 Minuten erreichbar, ist diese Mindestvoraussetzung erfüllt (BSG, a.a.O., Rdz. 20).

 

Anmerkungen

 

Das BSG stützt sich auf seine bisherige Rechtsprechung, wonach OPS-Kodes eng am Wortlaut orientiert und durch systematische Erwägungen auszulegen sind, hält diese Vorgabe jedoch selbst in dieser Entscheidung nicht ein. Nunmehr geht das BSG davon aus, dass Abrechnungsbestimmungen und OPS-Kodes „eng am Wortlaut orientiert“ auszulegen sind; bisher hieß es: „streng am Wortlaut orientiert“. Ob damit eine Veränderung der Sichtweise erfolgt ist, kann hier offen bleiben.

 

Der Wortlaut des OPS-Kodes 8-981 („Der Arzt kann ein Facharzt oder ein Assistenzarzt in der Weiterbildung zum Facharzt sein.“) gibt jedenfalls keinen Hinweis darauf, dass dies ein Facharzt für Neurologie oder ein Assistenzarzt in der Weiterbildung zum Facharzt für Neurologie sein muss. Gerade die Änderung des OPS-Kodes ab dem Jahr 2012 („Der Arzt kann ein Facharzt oder ein Assistenzarzt in der Weiterbildung zum Facharzt für Neurologie sein.“) spricht dafür, dass die Versionen in den Vorjahren auch die Qualifikation anderer Ärzte als ausreichend angesehen haben. Insoweit ist es nach wie vor ausschließlich Aufgabe der Selbstverwaltung auf Bundesebene bzw. des DIMDI Ungereimtheiten und Unrichtigkeiten von Abrechnungsbestimmungen für die Zukunft zu beseitigen. Dies ist nicht Aufgabe des BSG. Andernfalls wird in die Vielzahl von Abrechnungskonstellationen nachträglich eingegriffen und es besteht für die Krankenhäuser und Krankenkassen keine Rechtssicherheit, wenn nachträglich über den Wortlaut hinaus eine andere Interpretation zu Grunde gelegt wird.

 

Die Auslegung des Mindestmerkmals „halbstündige Transportentfernung“ durch das BSG ist nachvollziehbar. Hiermit wird ein seit Jahren dauernder Rechtsstreit zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen beendet. Nach dem BSG kommt es nur darauf an, ob grundsätzlich der Kooperationspartner innerhalb von 30 Minuten erreichbar ist, dies kann auch unter Einsatz von Sondersignalen erfolgen. Des Weiteren spielen die konkreten Witterungs- und Verkehrsbedingungen im Einzelfall keine Rolle.

 

Inzwischen hat der OPS-Kode in dieser Hinsicht eine Änderung erfahren (ab Version 2014). Für die halbstündige Transportentfernung zählt die Zeit zwischen Rettungstransportbeginn und Rettungstransportende. Das Strukturmerkmal ist erfüllt, wenn die halbstündige Transportentfernung unter Verwendung des schnellstmöglichsten Transportmittels (z.B. Hubschrauber) grundsätzlich erfüllbar ist. Das schnellstmögliche Transportmittel muss tatsächlich verwendet werden, wenn das Zeitlimit nicht anders eingehalten werden kann. Wenn ein Patient transportiert wurde und die halbe Stunde nicht eingehalten werden konnte, darf der OPS-Kode 8-981 nicht angegeben werden.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:56:09
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Newsletter Zulässigkeit von Zahlungsklagen bis zu einer Höhe von 2.000 Euro
 

Für Streitigkeiten über Krankenhausvergütung bis zur Höhe von 2.000,00 €, in denen eine Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V tatsächlich erfolgte, ist ab 01.09.2015 die Anrufung des gesetzlich vorgesehenen Schlichtungsausschusses Zulässigkeitsvoraussetzung einer Leistungsklage Bis 31.08.2015 besteht Vertrauensschutz, so dass der Schlichtungsausschuss nicht angerufen werden muss, es sei denn, er wurde bereits eingerichtet und dies wurde den Krankenhäusern und Krankenkassen förmlich mitgeteilt.  

BSG, Urteil vom 23.06.2015, Az.: B 1 KR 26/14 R

 

- Zulässigkeit von Zahlungsklagen bis zu einer Höhe von 2.000 Euro, Notwendigkeit der vorherigen Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nach § 17c Abs. 4 i.V.m. Abs. 4b Satz 3 KHG (Schlichtungsausschuss), Vertrauensschutz bis 31.08.2015, Übergangszeit bis zum Inkrafttreten des KHSG -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der 1. Senat des BSG hat in seiner Sitzung am 23.06.2015 über einen Rechtsstreit entschieden, dem eine Zahlungsklage zu Grunde liegt, deren Streitwert 2.000 Euro nicht übersteigt. Für entsprechende Vergütungsstreitigkeiten, in denen eine Auffälligkeitsprüfung durch den MDK nach § 275 Abs. 1c SGB V tatsächlich erfolgte, ist ab 01.09.2015 die Anrufung des Schlichtungsausschusses Zulässigkeitsvoraussetzung.

 

Es wird daher empfohlen, die in Rechnung gestellten streitigen Vergütungsansprüche aus dem Jahr 2011 spätestens bis zum 31.08.2015 gerichtlich anhängig zu machen, es sei denn, es besteht ein förmlich eingerichteter Schlichtungsausschuss im Lande.

 

Sachverhalt

 

Die klagende Trägerin eines für die Behandlung Versicherter zugelassenen Krankenhauses behandelte die bei der beklagten Krankenkasse Versicherte vollstationär vom 5.4. bis 6.4.2009 wegen einer verhaltenen Fehlgeburt und erhielt hierfür 912,41 Euro (Fallpauschale - DRG <2009> O40Z, 20.4.2009; Zahlung 4.5.2009). Die Beklagte forderte die Klägerin Mitte Oktober 2013 vergeblich auf, bis zum 8.11.2013 den Grund für den stationären Aufenthalt mitzu­teilen, da die Leistung in der Regel ambulant erbracht werden könne. Die Beklagte rechnete daraufhin mit der Rückforderung von 912,41 Euro gegen Vergütungsansprüche der Klägerin für Krankenhausbehandlungen aus November 2013 auf (10.12.2013). Das SG hat die Beklagte auf die am 18.12.2013 erhobene Klage antragsgemäß verurteilt, 912,41 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Ein Schlich­tungsverfahren (§ 17c Abs 4 Satz 1 KHG) sei nicht erforderlich gewesen. Der Erstattungsanspruch der Beklagten sei, wenn er überhaupt entstanden sei, bereits vor Aufrechnung verjährt gewesen.
 
Die Beklagte rügt mit ihrer Sprungrevision die Verletzung des § 17c Abs 4b Satz 3 KHG und sinngemäß die Grundsätze der Verjährung sozialrechtlicher Ansprüche.

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat hat das SG-Urteil aufgehoben und die Klage der Krankenhausträgerin als unbegründet abgewiesen, da die Beklagte wirksam mit einem Erstattungsanspruch aufgerechnet habe. Die Klägerin habe nicht dargelegt, warum die streitgegenständliche Behandlung stationär durchgeführt werden musste. Die vierjährige Verjährungsfrist sei bei Zugang der Aufrechnungserklärung noch nicht abgelaufen gewesen.

 

Zentralpunkt der Entscheidung des 1. Senats ist die Frage, ob und wann eine Klage wegen Krankenhausvergütung bis zu 2.000 € zulässig ist, wenn kein Schlichtungsausschuss im Land eingerichtet wurde. Hierzu hatte der 3. Senat bereits mit Urteil vom 08.10.2014 erkannt, dass die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nur dann Prozessvoraussetzung ist, wenn der Schlichtungsausschuss tatsächlich eingesetzt und förmlich den Beteiligten gegenüber angezeigt worden ist (BSG, Urteil vom 08.10.2014, B 3 KR 7/14 R).

 

Der 1. Senat modifiziert die Rechtsprechung des 3. Senats dahingehend, dass nur noch eine kurze Übergangszeit aus Gründen des Vertrauensschutzes bis 31.08.2015 besteht. Ab 01.09.2015 ist die vorherige Anrufung des Schlichtungsausschusses Zulässigkeitsvoraussetzung, wenn in dem Vergütungsstreit eine Aufälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V tatsächlich durchgeführt wurde.

 

Die gesetzlich vorgesehenen Schlichtungsausschüsse seien an den folgenden Gerichtsverfahren nicht zu beteiligen.

 

Anmerkungen

 

Der 1. Senat bestätigt in seiner Entscheidung im Grundsatz die Rechtsprechung des 3. Senats vom 8.10.2014 (Az.: B 3 KR 7/14 R). In dieser Entscheidung hat der 3. Senat klargestellt, dass nach Sinn und Zweck des § 17c Abs. 4 i.V.m. Abs. 4b Satz 3 KHG sowie der Gesetzessystematik die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens nur dann Zulässigkeitsvoraussetzung einer Klage ist, wenn der zuständige Schlichtungsausschuss bzw. - seit Einführung der Auffangzuständigkeit ab dem 1.09.2014 - die Schiedsstelle auch tatsächlich von den Beteiligten angerufen werden kann, was seine bzw. ihre Einrichtung, Arbeits- und Funktionsfähigkeit sowie deren förmliche Bekanntgabe voraussetzt.

 

Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung durften die klagenden Krankenhäuser und Krankenkassen darauf vertrauen, dass die von ihnen erhobenen Klagen mit einem Streitwert bis 2.000 Euro im Lichte der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch ohne vorherige Durchführung eines Schlichtungsverfahrens zulässig sind, sofern die Anrufung des Schlichtungsausschusses bzw. der Schiedsstelle mangels förmlicher Anzeige der tatsächlichen Funktionsfähigkeit nicht möglich ist.

 

Der 3. Senat nahm in seinem Urteil keine zeitliche Begrenzung in Bezug auf die Zulässigkeit einer Zahlungsklage bis zu 2.000 € vor.

 

Hiervon weicht der 1. Senat nunmehr in seiner Entscheidung ab. Er stellt klar, dass Klagen mit einem Streitwert von bis zu 2.000 Euro, die ab dem 1.09.2015 anhängig gemacht werden, unzulässig sind, wenn vor Klageerhebung kein Schlichtungsverfahren durchgeführt wurde. Dies betrifft jedoch nur Vergütungsansprüche der Krankenhäuser, in denen tatsächlich eine Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V durchgeführt wurde. Wurde lediglich eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung durch die Krankenkassen durchgeführt, bedarf es danach nicht der Anrufung des Schlichtungsausschusses, auch wenn die streitige Vergütung bis zu 2.000,00 € beträgt.

 

Zudem vertritt der 1. Senat entgegen des 3. Senats die Rechtsauffassung, dass die Schlichtungsausschüsse nicht an den späteren gerichtlichen Verfahren zu beteiligen sind.

 

Empfehlung

 

Den Krankenhäusern verbleibt für die Geltendmachung von streitigen Vergütungsansprüchen bis zu 2.000,00 € noch eine Übergangszeit von 2 Monaten, wenn im Land noch kein Schlichtungsausschuss eingerichtet wurde und es sich um Vergütungsstreitigkeiten handelt, in denen eine Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V durchgeführt wurde.

 

Die Krankenhäuser sollten daher die verbleibende Zeit von maximal 2 Monaten intensiv nutzen, Ansprüche aus dem Jahr 2011 zu sichten und noch bis 31.08.2015 vor den Sozialgerichten einzuklagen. Es ist wohl nicht damit zu rechnen, dass (über Hamburg und NRW hinaus) weitere Schlichtungsausschüsse auf Landesebene eingerichtet werden, nachdem der Gesetzentwurf des Bundeskabinetts zum Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) zu erkennen gegeben hat, die Regelung zur Einrichtung von Schlichtungsausschüssen auf Landesebene nach § 17c Abs. 4 und Abs. 4b KHG aufzuheben. Stattdessen soll nach dem Kabinettsbeschluss zum KHSG eine unabhängige Schlichtungsperson zur Streitbeilegung vorgesehen werden.

 

Damit keine Verjährungswirkung eintritt, wird empfohlen, streitige Vergütungsansprüche aus dem Jahr 2011 bis spätestens 31.08.2015 gerichtsanhängig zu machen. Danach könnte es problematisch werden, da bis auf wenige Länder keine Schlichtungsausschüsse bestehen und nach Auffassung des 1. Senats ab 01.09.2015 die Anrufung des Schlichtungsausschusses Zulässigkeitsvoraussetzung einer Leistungsklage ist. Somit können die verbleibenden vier Monate bis zum Inkrafttreten des KHSG zum 01.01.2016 überbrückt werden.

 

Bisher liegt nur der Terminsbericht vor. Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werden wir Sie weiter unterrichten.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:56:55
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Newsletter wahlärztliche Leistung
 

BVerfG bestätigt Urteil des BGH vom 16.10.2014 (III ZR 85/14): Honorarärzte unterfallen nicht dem Anwendungsbereich des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG (Erbringung wahlärztlicher Leistungen) 

Nichtannahmebeschluss vom 03.03.2015, BVerfG, 1 BvR 3226/14

- wahlärztliche Leistung, Wahlleistungsvereinbarung, Privatabrede, Liquidation, Wahlarztkette, Honorararzt, Konsiliararzt, angestellter Arzt, Kooperationsarzt, beamteter Arzt, gesetzliches Verbot -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

mit Newsletter vom 10.12.2014 haben wir Sie bereits über die Entscheidung des BGH vom 16.10.2014, Az.: III ZR 85/14, informiert. Danach unterliegen Honorarärzte nicht dem Anwendungsbereich des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG und sind daher nicht berechtigt, wahlärztliche Leistungen abzurechnen.

 

Der im Rechtsstreit vor dem BGH unterlegene Facharzt für Neurochirurgie hat gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde zum BVerfG eingelegt. Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Sachverhalt

 

In einem Krankenhaus war ein niedergelassener Facharzt für Neurochirurgie auf Grund einer Kooperationsvereinbarung als Honorararzt tätig. Eine Anstellung erfolgte nicht. Die bei der Klägerin (ein Privatversicherungsunternehmen) versicherte Patientin schloss eine Vereinbarung über „Behandlung gegen Privatrechnung“ mit dem beklagten Facharzt für Neurochirurgie. Des Weiteren schloss sie mit dem Krankenhaus eine Wahlleistungsvereinbarung.

 

Nach Durchführung der Operation liquidierte der Beklagte seine ärztlichen Leistungen gegenüber der Patientin. Diese beglich die Rechnung. Die Klägerin erstattete der Patientin den Rechnungsbetrag und ließ sich einen etwaigen Rückforderungsanspruch gegen den Beklagten abtreten.

 

Die eingelegte Verfassungsbeschwerde des Facharztes für Neurochirurgie wurde nicht zur Entscheidung angenommen.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da weder eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsausübungsfreiheit) noch ein Verstoß gegen sonstige Grundrechte ersichtlich ist.

 

Im Zusammenhang mit der behaupteten Verletzung der Berufsausübungsfreiheit führt das BVerfG aus, dass Leistungserbringer der Wahlleistungen das Krankenhaus und nicht der ausführende Arzt ist. Das Gesetz räume dem – vom Krankenhaus insoweit berechtigten – Wahlarzt in § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG lediglich ein Liquidationsrecht für die von ihm durchgeführten wahlärztlichen Leistungen unmittelbar gegenüber dem Patienten ein (BVerfG, a.a.O., Rdz. 13). Demgegenüber erbringe ein Honorararzt auf Grund eines Dienstvertrages im stationären oder ambulanten Bereich des Krankenhauses ärztliche Leistungen für den Krankenhausträger, ohne bei diesem angestellt oder als Belegarzt oder Konsiliararzt tätig zu sein. Die rechtliche Grundlage für sein Tätigwerden bestehe nicht unmittelbar im Verhältnis zum Patienten, sondern zum auftraggebenden Krankenhausträger (BVerfG, a.a.O., Rdz. 14).

 

Die vom BGH vorgenommene Auslegung von § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG begegne keinerlei rechtlichen Bedenken. Danach ist § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG nur auf liquidationsberechtigte angestellte oder verbeamtete Krankenhausärzte sowie auf Ärzte, die auf Veranlassung eines angestellten oder verbeamteten Krankenhausarztes Leistungen erbringen, anwendbar. Die Aufzählung in § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG sei abschließend (BVerfG, a.a.O., Rdz. 23).

 

Anmerkungen

 

Nunmehr hat auch das BVerfG die Rechtsauffassung des BGH bestätigt, wonach nichtangestellte Honorarärzte nicht in den Kreis der liquidationsberechtigten Ärzte nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG einbezogen sind.

 

Das BVerfG geht (mit dem BGH) auch davon aus, dass die Ergänzung in § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG in der Fassung des Psych-Entgeltgesetzes vom 21.07.2012 (BGBl. I Seite 1613) zu keiner Änderung der Rechtslage geführt hat. In einem obiter dictum führt das BVerfG aus, dass die Gesetzesbegründung keinen Anhaltspunkt dafür gäbe, dass in Bezug auf wahlärztliche Leistungen eine Änderung der bisherigen Rechtslage herbeigeführt werden sollte.

 

Ergänzend weist das BVerfG darauf hin, dass nicht Gegenstand der Entscheidung gewesen sei, ob ein Honorararzt in der Wahlleistungsvereinbarung zwischen Krankenhausträger und Patienten als solcher bestimmt werden und in dieser Eigenschaft Leistungen abrechnen kann.

 

In einem obiter dictum führt das BVerfG aus, dass ein Honorararzt die ärztliche Hauptleistung im Auftrag des Krankenhausträgers erbringen könne; jedenfalls sieht das BVerfG hierbei keine Abrechnungsschwierigkeiten (BVerfG, a.a.O., Rdz. 24).

 

Erfreulich ist, dass das BVerfG wohl davon ausgeht, dass Honorarärzte auch Hauptleistungen für den Krankenhausträger erbringen können, obwohl dies nicht im Zentrum der Entscheidung des BVerfG stand.

 

Vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG kann nur die Empfehlung gegeben werden, hinzugezogene niedergelassene Fachärzte im Regelfall anzustellen. Dies ist sowohl unter vertragsärztlichen als auch unter krankenhausfinanzierungsrechtlichen Gesichtspunkten der risikoärmere Weg und führt zur Einbeziehung des angestellten Vertragsarztes in den Kreis der liquidationsberechtigten Ärzte nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:57:26
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Newsletter Fallzusammenführung
 

Das Wirtschaftlichkeitsgebot zwingt Krankenhäuser bereits bei der Behandlungsplanung dazu, die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativverhaltens zu prüfen und ggf. zu nutzen.

Krankenhäusern ist es verwehrt, vorzeitige („blutige“) Entlassungen im betriebswirtschaftlichen Eigeninteresse vorzunehmen, um z.B. durch ein planvolles, medizinisch überflüssiges Fallsplitting Zusatzeinnahmen zu erzielen.

Die Krankenhäuser können nur die Vergütung beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre.

 

BSG, Urteil vom 10.03.2015, B 1 KR 3/15 R

 

- Fallzusammenführung, Wirtschaftlichkeitsgebot, wirtschaftliches Alternativverhalten, unwirtschaftliche Leistungen -

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

mit seinem Urteil vom 10.03.2015, Az.: B 1 KR 3/15 R, hat das BSG erneut das Wirtschaftlichkeitsgebot hervorgehoben und zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelte eine Patientin vollstationär vom 05. bis 07.12.2008 wegen eines duktalen Karzinoms in situ des Milchgangs der rechten Brust (DCIS). Bei der Versicherten wurde eine brusterhaltende Operation durchgeführt und anschließend nachreseziert. In einem Nachresektat zeigte sich unter der Präparate-Radiographie „reichlich Mikrokalk“. Sämtliche Präparate wurden am 05.12.2008 zur histologischen Untersuchung geschickt. Am 07.12.2008 wurde die Patientin entlassen. Nachdem der endgültige Befund aus der histologischen Untersuchung am 09.12.2008 vorlag, der ein weiteres Karzinom bestätigte, wurde die Patientin am 19.12.2008 zu einer sekundären Mastektomie wieder aufgenommen und am Aufnahmetag operiert. Die Patientin wurde am 24.12.2008 entlassen.

 

Das Krankenhaus berechnete für die erste Behandlung die DRG J25Z und für die zweite Behandlung die DRG J23Z.

 

Die beklagte Krankenkasse beauftragte den MDK mit einer Einzelfallprüfung. Der MDK kam zur Auffassung, dass die Behandlung zum Zeitpunkt der ersten Entlassung am 07.12.2008 noch nicht beendet gewesen sei. Die Wiederaufnahme oberhalb der oberen Grenzverweildauer entspreche einem unerlaubtem Fallsplitting. Es werde eine Fallzusammenführung bei nicht abgeschlossener Behandlung der gleichen Erkrankung mit zwischenzeitlicher Beurlaubung und die Abrechnung der DRG J23Z empfohlen. Die Krankenkasse machte sich diese Auffassung zu Eigen.

 

Das Krankenhaus hatte in erster und zweiter Instanz Erfolg. Auf die Revision der beklagten Krankenkasse hat das BSG das Urteil des LSG aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG vermisst Tatsachenfeststellungen des LSG zur Wirtschaftlichkeit der Behandlung. Das Krankenhaus habe nur dann Anspruch auf Vergütung von zwei Krankenhausaufenthalten gehabt, wenn diese Form der Behandlung wirtschaftlich war. Behandelte die Klägerin dagegen die Patientin in nicht wirtschaftlicher Weise, beschränke sich der Anspruch auf die Vergütung wie sie bei fiktivem wirtschaftlichen Alternativverhalten angefallen wäre.

 

Zunächst stellt das BSG fest, dass die einschlägigen Rechtsvorschriften zur Fallzusammenführung im konkreten Fall nicht erfüllt waren. Weder handele es sich um die Einstufung in dieselbe Basis-DRG (§ 2 Abs. 1 Satz 1 FPV-2008) noch um die Eingruppierung der zweiten Fallpauschale in die „operative Partition“ (§ 2 Abs. 2 Satz 1 FPV-2008). Es handele sich auch nicht um eine Wiederaufnahme bei Komplikationen (§ 2 Abs. 3 Satz 1 FPV-2008). Des Weiteren geht das BSG davon aus, dass auch nicht die Voraussetzungen für eine Beurlaubung vorliegen.

 

Ausgangspunkt des BSG ist, dass eine Fallzusammenführung nicht allein deshalb vorzunehmen ist, weil rückschauend betrachtet die Behandlung zum Zeitpunkt der ersten Entlassung am 07.12.2008 noch nicht abgeschlossen war. Die Frage, ob ein oder mehrere abzurechnende Behandlungsfälle vorliegen, ist allein danach zu beurteilen, ob die Behandlung durch das Krankenhaus (zunächst) abgeschlossen wurde. Eine erneute Aufnahme und sei es auch wegen derselben Erkrankung rechtfertige deshalb nicht retrospektiv die Annahme, dass nur ein Behandlungsfall vorlag (BSG, a.a.O., Rdz. 20).

 

Mit diesen Feststellungen beendet das BSG jedoch nicht seine weiteren Überlegungen, sondern stellt darauf ab, ob vorliegend das Wirtschaftlichkeitsgebot eingehalten wurde.

 

Kernsatz ist, dass das Krankenhaus nur die Vergütung beanspruchen darf, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre. Ein Krankenhaus hat nämlich stets einen Vergütungsanspruch für eine erforderliche und wirtschaftliche Krankenhausbehandlung. Wählt das Krankenhaus einen unwirtschaftlichen Behandlungsweg, kann es allenfalls die Vergütung beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre. Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit erfordert, dass bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind (BSG, a.a.O., Rdz. 22).

 

Das Wirtschaftlichkeitsgebot zwinge Krankenhäuser bereits bei der Behandlungsplanung dazu, die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativverhaltens zu prüfen und ggf. zu nutzen.

 

Das BSG geht davon aus, dass vorliegend bereits bei der Planung und Durchführung der Behandlung Vorsorge für eine zeitgerechte Auswertung des histologischen Befundes zu treffen ist (Rdz. 28).

 

Das LSG hätte feststellen müssen, ob bereits die Ergebnisse der Präparate-Radiographie eine Entfernung der kompletten Brust medizinisch indizierten und ob nicht sogar das Qualitätsgebot eine derartige Ausweitung der ersten Operation nahelegte. Ergänzend weist das BSG darauf hin, dass evtl. das Krankenhaus das Ergebnis der histologischen Untersuchung habe abwarten müssen, bevor es die Patientin entlässt.

 

Das BSG wies daher die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück.

 

Anmerkungen

 

Das BSG rückt erneut das Wirtschaftlichkeitsgebot in den Vordergrund seiner Überlegungen. Nunmehr sollen die Krankenhäuser bereits bei der Behandlungsplanung die Möglichkeit von wirtschaftlicheren Alternativen prüfen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich nachträglich der Vergütungsanspruch auf die kostengünstigere Abrechnungsvariante beschränkt.

 

Damit wird für nachträgliche MDK-Wirtschaftlichkeitsprüfungen ein weiteres „Einfallstor“ geschaffen und letztlich dem Krankenhaus das Abrechnungsrisiko aufgebürdet.

 

Dies zeigt der vorliegende Fall besonders deutlich. Bestanden keine medizinischen Gründe, die Patientin über den 07.12.2008 hinaus im Krankenhaus zu versorgen, musste die Patientin an diesem Tag entlassen werden. Zu diesem Zeitpunkt war es völlig ungewiss, welches Resultat die histologische Untersuchung haben wird. Das Ergebnis lag erst am 09.12.2008 vor. Hätte man die Patientin bis zum Vorliegen der histologischen Untersuchung im Krankenhaus weiter versorgt, wäre man dem Vorwurf einer medizinisch nicht notwendigen Behandlung ausgesetzt gewesen. Es ist äußerst fraglich, ob das BSG diese Anwesenheitstage vergütungsmäßig anerkannt hätte, z.B. wenn es um die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer oder die Begründung der unteren Grenzverweildauer geht. Oder werden diese Tage vom BSG dann als medizinisch notwendig anerkannt, wenn ein zweiter Aufenthalt damit hätte vermieden werden können?

 

Zudem ist den Urteilsgründen des BSG zu entnehmen, dass es ein evtl. verspätetes Vorliegen des histologischen Befundes dem Krankenhaus anlastet (siehe BSG, a.a.O., Rdz. 28). Vom Ablauf her konnte wohl ein früheres Ergebnis der histologischen Untersuchung nicht erwartet werden. Der Tag der Entnahme der Präparate war ein Freitag, daran schloss sich das Wochenende an und am darauffolgenden Dienstag wurde das Ergebnis der histologischen Untersuchung mitgeteilt.

 

Das BSG lässt sich insgesamt von Idealvorstellungen eines medizinischen Behandlungsablaufes leiten, die den Unwägbarkeiten bei der Behandlung eines Patienten nicht ausreichend Rechnung tragen. Im Nachhinein ist man immer „schlauer“, insbesondere jedoch die Krankenkasse und der MDK. Auf diese Art und Weise wird das Vergütungsrisiko einer Behandlung auf das Krankenhaus verlagert. Die Ökonomisierung des Behandlungsgeschehens im Interesse der Krankenkassen schreitet so ungehindert voran.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:58:25
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Newsletter Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung
 

Der OPS-Kode 8-550 (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung (Version 2007) verlangt eine ununterbrochene Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit Zusatzweiterbildung oder Schwerpunktbezeichnung im Bereich Klinische Geriatrie. Die Krankenhausrechnung wird nur fällig, wenn das Krankenhaus alle Angaben nach § 301 Abs. 1 Satz 1 SGB V vollständig macht.

Seit Einführung der Frührehabilitation in § 39 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 SGB V ist bereits bei Aufnahme in das Akutkrankenhaus der funktionelle Status, das Rehabilitationspotential und der Rehabilitationsbedarf des Patienten in die Diagnosestellung einzubeziehen und ein am individuellen Bedarf ausgerichtetes Rehabilitationskonzept in die Krankenhausbehandlung zu integrieren.

 

Urteil des BSG vom 10.03.2015, B 1 KR 4/15 R

- Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung, sachlich-rechnerische Prüfung, Auffälligkeitsprüfung, Behandlungsleitung, Fälligkeit, Frührehabilitation, Mitwirkungsobliegenheiten des Krankenhauses -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Entscheidung des BSG dreht sich um die Auslegung des OPS-Kodes 8-550 im Hinblick auf die fachärztliche Behandlungsleitung. Es verlangt hierbei eine ununterbrochene fachärztliche Behandlungsleitung während der Dauer der Behandlung des Patienten. Des Weiteren gibt das BSG weiterführende Hinweise zur Rehabilitation, die von Anfang an integraler Bestandteil der medizinischen Versorgung im Krankenhaus sein soll.

 

Sachverhalt

 

Das Krankenhaus behandelte einen Patienten wegen eines Schlaganfalls vollstationär und berechnete hierfür die DRG B44D (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung). Es übermittelte der Krankenkasse keine Angaben über die durchgeführten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 SGB V.

 

Während des stationären Krankenhausaufenthaltes vom 20.09. bis 09.10.2007 war die allein zur Verfügung stehende Fachärztin mit der Zusatzweiterbildung Geriatrie an fünf Behandlungstagen nicht anwesend. Sie hatte daher auch an einer Teambesprechung nicht teilnehmen können.

 

Die Krankenkasse hat daher die Vergütung der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung abgelehnt.

 

Das Sozialgericht hat den Zahlungsanspruch der Klägerin abgelehnt. Die Sprungrevision blieb erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

 

Der OPS-Kode 8-550 verlangt als Mindestmerkmal die Behandlung durch ein geriatrisches Team unter fachärztlicher Behandlungsleitung (Zusatzweiterbildung oder Schwerpunktbezeichnung im Bereich klinischer Geriatrie erforderlich). Aus dem Wortlaut Behandlungsleitung leitet das BSG her, dass eine ununterbrochene Behandlungsleitung während des gesamten Behandungszeitraumes erforderlich ist. Da die einzig zur Verfügung stehende Fachärztin an fünf Tagen nicht anwesend war, sei das Mindestmerkmal fachärztliche Behandlungsleitung vorliegend nicht erfüllt.

 

Des Weiteren verlangt das BSG die vollständige Angabe der in § 301 Abs. 1 SGB V genannten Angaben. Dies umfasse auch die Angabe zu den durchgeführten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 SGB V). Diese Angaben seien unverzichtbar nicht nur für die Bewilligung künftiger Leistungen durch die Krankenkasse, sondern vor allem auch für die Kontrolle einer ordnungsgemäßen Abrechnung, für die Überprüfung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung, der Verweildauer sowie für Wirtschaftlichkeitsprüfungen (BSG, a.a.O., Rdz. 18). Fehlen diese Angaben, wird die Rechnung nicht fällig.

 

Im vorliegenden Fall geht das BSG von einer sachlich-rechnerischen Richtigkeitsprüfung der Krankenkasse und nicht von einer Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V aus. Es bestand daher auch kein Beweisverwertungsverbot, obwohl die MDK-Beauftragung außerhalb der 6-Wochen-Frist erfolgte. Wörtlich führt das BSG aus:

 

„Krankenkassen sind jederzeit berechtigt, die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung von Krankenhausvergütung mit Blick auf bestehende Leistungsverweigerungsrechte oder nicht verjährte Erstattungsforderungen zu überprüfen (§ 301 SGB V). Denn das Krankenhaus hat hierzu zutreffend und vollständig alle Angaben zu machen, denen es zur Überprüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung bedarf (§ 301 Abs. 1 SGB V).“ (BSG, a.a.O., Rdz. 16)

 

Erfüllt das Krankenhaus seine primären Informationsobliegenheiten bzw. –pflichten über die Abrechnungsgrundlage nicht, trifft das Krankenhaus spätestens auf Aufforderung der Krankenkassen die Obliegenheit, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. In diesem Fall müsse das Krankenhaus die Behandlungsunterlagen an den MDK oder bei einem anhängigen Rechtsstreit an das Gericht herausgeben. Die gesetzliche 6-Wochen-Frist nach § 275 Abs. 1c SGB V erfasse demgegenüber nur die Prüfung auf Grund einer Auffälligkeit.

 

In dem Urteil werden zudem umfangreiche Ausführungen zur Frührehabilitation nach § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V gemacht. Das BSG hebt hervor, dass danach bereits bei Aufnahme in das Akutkrankenhaus der funktionelle Status, das Rehabilitationspotenzial und der Rehabilitationsbedarf des Patienten in die Diagnosestellung einzubeziehen und ein am individuellen Bedarf ausgerichtetes Rehabilitationskonzept in die Krankenhausbehandlung zu integrieren ist. Vor diesem Hintergrund hält das BSG die Angabe über die durchgeführten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 SGB V für unverzichtbar.

 

Anmerkungen

 

Das BSG knüpft zunächst an seine Rechtsprechung an, wonach Vergütungsregelungen stets streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben sind und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen lassen. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes und damit „lernendes“ System angelegt ist, seien bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen.

 

Allerdings hält sich das BSG nicht konsequent an seine eigenen Vorgaben. Es ergänzt den Wortlaut fachärztliche Behandlungsleitung durch eine „ununterbrochene“ fachärztliche Behandlungsleitung. Dies ist dem klaren Wortlaut des OPS-Kode 8-550 selbst nicht zu entnehmen. Wenn ein OPS-Kode eine bestimmte zeitliche Anwesenheit eines Arztes verlangt, ist dies bisher auch im OPS-Kode selbst zum Ausdruck gebracht worden. Beispiel hierfür ist der OPS-Kode für die intensivmedizinische Komplexbehandlung (8-980) und die neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls (OPS-Kode 8-981). Es wäre daher Sache der Vertragsparteien auf Bundesebene gewesen, ggf. für eine Erweiterung des OPS-Kodes 8-550 zu sorgen.

 

Des Weiteren führt das BSG-Urteil seine Rechtsprechung weiter, wonach die Krankenkassen jederzeit berechtigt sind, die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung zu überprüfen (siehe BSG-Urteil vom 01.07.2014, Az.: B 1 KR 29/13 R – unsere Newsletter vom 17.10.2014). Ergeben sich daher für die Krankenkassen bereits geringste Anhaltspunkte für eine sachlich-rechnerische Unrichtigkeit oder erfüllt das Krankenhaus seine Obliegenheitspflichten nicht, hat das Krankenhaus an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Dabei legt das BSG dem Krankenhaus auch bei dieser Fallgestaltung die Verpflichtung auf, ggf. Behandlungsunterlagen an den MDK oder das Gericht herauszugeben. Die Vorstellung des BSG hierzu wird deutlich in dem Kernsatz „Nur so beugt das Krankenhaus einer Irreführung und darauf beruhender täuschungsbedingter ungerechtfertigter Vermögensverfügung der Krankenkassen vor, ermöglicht der Krankenkasse die sachlich-rechnerische Richtigkeitskontrolle und schafft damit die für die Zusammenarbeit unerlässliche Vertrauensbasis“.

 

Die Krankenhäuser sollte daher bei dieser Fallgestaltung dem Aufklärungsbedürfnis der Krankenkassen Rechnung tragen, andernfalls haben sie mit weitreichenden Folgen zu rechnen. Auf der anderen Seite fehlt eine scharfe Abgrenzung des BSG zur Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V. Inzwischen benutzen die Krankenkassen die Rechtsprechung des BSG dazu, selbst nach § 275 Abs. 1c SGB V eingeleitete Auffälligkeitsprüfungen durch Einschaltung des MDK in eine sachlich-rechnerische Richtigkeitsprüfung umzudeklarieren. Dies dient in erster Linie dazu, die Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € zu vermeiden. Stützt sich die Krankenkasse bei der Prüfungseinleitung auf § 275 Abs. 1c SGB V handelt es sich bereits aus diesem Grund um eine Auffälligkeitsprüfung und löst den Anspruch auf Aufwandspauschale bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen aus.

 

Hervorzuheben sind die gelungenen Ausführungen des BSG zur medizinischen Frührehabilitation nach § 39 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 SGB V. Danach ist bereits bei Aufnahme in das Krankenhaus die Behandlung auf die Frührehabilitation auszurichten. Diese Verpflichtung betrifft alle Fachabteilungen und nicht nur die geriatrische Fachabteilung.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:58:59
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Newsletter Apherese-Thrombozytenkonzentrate
 

Das Wirtschaftlichkeitsgebot gebietet, bei der Behandlung der Versicherten den kostengünstigeren Weg zu wählen (Gepoolte Thrombozytenkonzentrate vs. Apherese-Thrombozytenkonzentrate).

Urteil des BSG vom 10.03.2015, B 1 KR 2/15 R

- Apherese-Thrombozytenkonzentrate, gepoolte Thrombozytenkonzentrate, Notsituation, Wirtschaftlichkeitsgebot, Mittelbeschaffung, Blutspendedienst, wirtschaftliches Alternativverhalten -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

mit vorliegender Entscheidung hat sich das BSG mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot bei der Krankenhausbehandlung eingehend befasst. Im Ergebnis kommt das BSG zur Auffassung, dass vorliegend anstelle von Apherese-Thrombozytenkonzentrate gepoolte Thrombozytenkonzentrate ausgereicht hätten. Es hat daher die höhere Vergütung für Apherese-Thrombozytenkonzentrate abgelehnt, da keine medizinischen Gründe für das Verabreichen von Apherese-Thrombozytenkonzentraten vorlagen.

 

Sachverhalt

 

Die Klägerin hat einen Herzklappeneingriff mit Herz-Lungen-Maschine durchgeführt und während der Behandlung Apherese-Thrombozytenkonzentrate verabreicht. Die lokale Blutbank stellte nachweislich keine gepoolten Blutprodukte aus übergeordneten Gründen her, so dass im Laufe der Behandlung nur auf Apherese-Thrombozytenkonzentrate zurückgegriffen werden konnte. Die Klägerin konnte daher auch nur die zur Verfügung stehenden Apherese-Thrombozytenkonzentrate einsetzen.

 

Die Klägerin berechnete die DRG F03Z (Herzklappeneingriff mit Herz-Lungen-Maschine, mit komplizierenden Prozeduren) und das ZE84.02 (Apherese-Thrombozytenkonzentrate).

 

Der von der beklagten Krankenkasse beauftragte SMD hielt die Gabe von gepoolten Thrombozytenkonzentraten für ausreichend und kam zur Auffassung, dass lediglich die DRG F11A ohne ZE84.02 abzurechnen sei.

 

Die Krankenkasse verrechnete daher nachträglich einen Betrag in Höhe von ca. 5.500,00 € mit einer anderen Rechnung des Krankenhauses.

 

Die Klägerin vertrat die Auffassung, die Apherese-Thrombozytenkonzentrate seien zu vergüten. Schließlich standen keine Poolprodukte zum Zeitpunkt der Krankenhausbehandlung zur Verfügung. Die lokale Blutspendezentrale stelle auch keine Poolprodukte her. Insoweit handele es sich um eine unabwendbare Notsituation, so dass die Krankenkasse zur Zahlung verpflichtet gewesen sei. Letztendlich habe das Krankenhaus keinerlei Einfluss darauf, welche Blutprodukte zum Zeitpunkt der Krankenhausbehandlung zur Verfügung stünden.

 

Die Instanzgerichte wiesen die Zahlungsklage des Krankenhauses ab. Die Revision zum BSG blieb erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG stellt in seiner Entscheidung das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs. 1 Satz 2, § 2 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 3, § 70 Abs. 1 SGB V in den Vordergrund. Die Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Das Krankenhaus müsse bei Behandlung der Versicherten den jeweils kostengünstigeren Weg wählen (BSG, a.a.O., Rdz. 15).

 

Vorliegend habe objektiv das Verabreichen von (kostengünstigeren) Poolprodukten ausgereicht.

 

Keine Relevanz misst das BSG demgegenüber der Tatsache zu, dass die lokale Blutspendezentrale überhaupt keine Poolprodukte herstelle und zum Zeitpunkt der Behandlung somit nur Apherese-Thrombozytenkonzentrate zur Verfügung standen und das Krankenhaus daher auf Apherese-Thrombozytenkonzentrate angewiesen war.

 

Das BSG kommt zu dem Schluss, dass das Krankenhaus das Risiko der kostengünstigen Verschaffung der Mittel trage. Wörtlich führt das BSG aus:

 

„Das System der Fallpauschalen basiert auf einer klaren Risikoverteilung: Das Krankenhaus hat die Chance auf Gewinn durch Kostenersparnisse, trägt aber auch im Einzelfall grundsätzlich die zusätzlichen Kosten der Versorgung. (…) Wenn und solange das Krankenhaus die vollstationäre Versorgung durchführt, ist es auch zur Erbringung solcher Leistungen im Rahmen der allgemeinen Krankenhausleistungen verpflichtet, die es von vornherein nicht mit eigenen personellen und sächlichen Mitteln, sondern nur durch Dritte erbringen kann. Dafür erhalten DRG-Krankenhäuser als Vergütung Fallpauschalen, wie dargelegt.“ (BSG, a.a.O., Rdz. 22)

 

Das BSG lehnte daher die Vergütung der Apherese-Thrombozytenkonzentrate ab.

 

Anmerkungen

 

Das Urteil des BSG enttäuscht. Es lastet den Krankenhäusern auf, selbst Vorsorge für alle denkbaren Behandlungsmittel zu treffen und stets dafür zu sorgen, dass das günstigere Mittel zur Verfügung steht. Es verlagert das Risiko für die Mittelbeschaffung einseitig auf die Krankenhäuser. Dies wird im vorliegenden Fall besonders deutlich, da die lokale Blutbank überhaupt keine gepoolten Blutprodukte herstellt. Das BSG lässt sich davon nicht beirren und lastet daher auch dem Krankenhaus auf, im Vorfeld der Behandlung mit den erreichbaren Blutbanken bindende Vereinbarungen zur Lieferung von gepoolten Blutprodukten zu treffen. Eine Notsituation erkennt das BSG vorliegend nicht an. Insoweit überstrapaziert das BSG das Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 Abs. 1 Satz 2, § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V.

 

In Parallelfällen, in denen ein Krankenhaus nicht die kostengünstigere Behandlungsalternative wählt oder wählen konnte, ist zu beachten, dass das Krankenhaus nicht mit dem vollen Vergütungsanspruch ausfällt, sondern nach der Rechtsprechung des BSG einen Vergütungsanspruch in Höhe des fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens hat. Es bekommt dann die kostengünstigere Behandlungsalternative vergütet. 

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 15:59:32
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Newsletter OPS-Kode 8-981 (Version bis zum Jahr 2011)
 

Der OPS-Kode 8-981 (Version bis zum Jahr 2011) setzt u.a. auch voraus, dass die 24-stündige ärztliche Anwesenheit durch einen Facharzt für Neurologie bzw. einen Assistenzarzt in der Weiterbildung zum Facharzt für Neurologie gewährleistet wird.

Urteil des BSG vom 21.04.2015, Az.: B 1 KR 8/15 R

- OPS-Kode 8-981 (Version bis zum Jahr 2011), neurologische Komplexbehandlung, akuter Schlaganfall, ärztliche Anwesenheit, Facharzt für Neurologie -

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG hat sich mit Urteil vom 21.04.2015 mit der Auslegung des OPS-Kodes 8-981 (Version bis zum Jahr 2011) befasst. Es geht davon aus, dass die 24-stündige ärztliche Anwesenheit von einem Facharzt für Neurologie bzw. einem Assistenzarzt in der Weiterbildung zum Facharzt für Neurologie gewährleistet werden muss.

 

Sachverhalt

 

Ein Patient wurde im Jahr 2007 auf der Stroke Unit wegen Verdachts eines Hirninfarkts behandelt. Der Abrechnung lag der OPS-Kode 8-981 in der Version 2007 zu Grunde (Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, mindestens 24 bis höchstens 72 Stunden). Die beklagte Krankenkasse lehnte die Bezahlung eines Teilbetrages mit der Begründung ab, der MDK habe festgestellt, dass die 24-stündige Anwesenheit eines Facharztes für Neurologie nicht gewährleistet sei.

 

Das Sozialgericht gab der Klage statt; das LSG wies die Klage mit einer anderen Begründung ab (mehr als halbstündige Transportentfernung zum Kooperationspartner).

 

Das BSG wies die Revision des Krankenhauses zurück.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG vertritt die Auffassung, dass bereits der OPS-Kode 8-981.0 in der Version 2007 die 24-stündige Anwesenheit eines Facharztes für Neurologie bzw. eines Assistenzarztes zur Weiterbildung zum Facharzt für Neurologie voraussetze. Der OPS-Kode 8-981.0 (Version 2007) enthalte zwar keine entsprechende Vorgabe, aus der Version 2012 sei jedoch zu ersehen, dass für die Erfüllung des OPS-Kodes 8-981 die 24-stündige ärztliche Anwesenheit durch einen Facharzt für Neurologie bzw. einen Assistenzarzt in der Weiterbildung zum Facharzt für Neurologie erforderlich sei. Insoweit handele es sich bei der Version 2012 nur um eine Klarstellung.

 

Anmerkungen

 

Der OPS-Kode 8-981 in der Version bis zum Jahr 2011 enthielt folgendes Mindestmerkmal:

 

„24-stündige ärztliche Anwesenheit (von Montag bis Freitag wird tagsüber eine mindestens 12-stündige ärztliche Anwesenheit (der Arzt kann ein Facharzt oder ein Assistenzarzt in der Weiterbildung zum Facharzt sein)“.

 

Demgegenüber enthält die Version ab 2012 den Hinweis, dass der Arzt ein Facharzt für Neurologie oder ein Assistenzarzt in der Weiterbildung zum Facharzt Neurologie sein muss.

 

Das BSG-Urteil überträgt diese Regelung ab dem Jahr 2012 ohne Weiteres auf die vorhergehenden OPS-Versionen. Dies ist rechtlich bedenklich, da bisher die ständige Rechtsprechung des BSG darauf aufbaute, dass Vergütungsregelungen für die routinemäßige Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben sind und keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen lassen (BSG-Urteil vom 18.09.2008, B 3 KR 15/07 R). Ungereimtheiten und Widersprüche müssten von den Selbstverwaltungspartnern auf Bundesebene bereinigt werden.

 

Ausgehend von dem Wortlaut des OPS-Kodes 8-981 (Version 2007) hätte daher das BSG unter Anwendung seiner bisherigen Rechtsprechung zur Auffassung gelangen müssen, dass jeder qualifizierte Facharzt zur Behandlung von Schlaganfallpatienten bzw. ein Assistenzarzt in der Weiterbildung die 24-stündige Anwesenheit auf der Stroke Unit gewährleisten kann. Insoweit erstaunt das Urteil des BSG, das die Änderung des OPS-Kodes 8-981 ab dem Jahr 2012 als reine Klarstellung abtut. Aus dem Wortlaut des OPS-Kodes 8-981 (Versionen bis zum Jahr 2011) ist dies jedenfalls nicht erkennbar gewesen.

 

Bisher liegt nur der Terminsbericht vor. Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werden wir Sie weiter unterrichten.

  letzte Änderung: 08.08.2018 16:00:03
 
Newsletter EBM
 

Das BMG hat am 26.02.2015 die vom Bewertungsausschuss vorgenommenen Änderungen des EBM zur Vergütung ambulanter Notfallbehandlungen, denen Rückwirkung zum 01.01.2008 zugemessen wurden, beanstandet. Die Änderungen treten erst zum 01.04.2015 in Kraft.

- EBM, Vergütung ambulanter Notfallbehandlungen in Krankenhäusern, Notfallpauschale, Besuchsbereitschaft -

 

Die Änderungen des Bewertungsausschusses (Beschlüsse in der 341./344. Sitzung) bezüglich der Vergütung ambulanter Notfallbehandlungen in Krankenhäusern haben einer Überprüfung durch das BMG, soweit sie rückwirkend zum 01.01.2008 gelten sollten, nicht standgehalten. Im Folgenden wird Ihnen ein Überblick über die aktuelle Sach- und Rechtslage gegeben.

Sachverhalt

In seinen Entscheidungen vom 12.12.2012 (Akz.: B 6 KA 3/12 R und B 6 KA 4/12 R) hat das BSG festgestellt, dass die Regelungen des EBM 2008 über die gesonderte Vergütung der Besuchsbereitschaft in der ambulanten Notfallversorgung rechtswidrig sind. Hierzu hat das BSG folgende Leitsätze aufgestellt:

 

„1. Der Grundsatz gleicher Vergütung der in Notfällen im ärztlichen Notfalldienst bzw. von Notfallambulanzen erbrachten Leistungen darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass im Bewertungsmaßstab Zusatzpauschalen normiert werden, deren Leistungsinhalt Krankenhausambulanzen – anders als Vertragsärzte – von vornherein nicht erfüllen können.

 

2. Die Durchführung von Hausbesuchen gehört auch in Notfällen nicht zu den Aufgaben der Krankenhäuser.“

 Aufgrund dieser Entscheidung des BSG hat der Bewertungsausschuss als Normgeber eine rückwirkende Anpassung der Vergütung der Gebührenordnungspositionen (GOP) des Abschnitts 1.2. vorgenommen.

Die bisherige Notfallpauschale GOP 01210 wird in eine Tages- und eine Nachtpauschale unterteilt. Für die Abrechnung muss diesbezüglich die Uhrzeit der Inanspruchnahme angegeben werden.

 

Die Notfallpauschale nach der GOP 01210 (Tagespauschale) wird dahingehend geändert, dass sie nur noch bei Inanspruchnahme zwischen 07.00 Uhr und 19.00 Uhr (außer an Samstagen, Sonntagen, gesetzlichen Feiertage und am 24.12. und 31.12.) berechnungsfähig ist.

 

Für den einmaligen Behandlungsfall wird die GOP 01210 rückwirkend wie folgt neu bewertet:

 

- in der Zeit vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2008 mit 325 Punkten,

- in der Zeit vom 01.01 .2009 bis zum 30.09.2013 mit 360 Punkten und

-  für die Zeit ab dem 01.10.2013 mit 127 Punkten.

 

Daneben wird die GOP 01212 (Nachtpauschale) neu eingeführt. Diese gilt für die Inanspruchnahme zwischen 19.00 Uhr und 07.00 Uhr des Folgetages sowie ganztägig an Samstagen, Sonntagen, gesetzlichen Feiertagen sowie am 24.12. und 31.12.

 

Für den einmaligen Behandlungsfall wird die GOP 01212 rückwirkend wie folgt neu bewertet:

 

- in der Zeit vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2008 mit 500 Punkten,

- in der Zeit vom 01.01.2009 bis zum 30.09.2013 mit 550 Punkten und

- für die Zeit ab dem 01.10.2013 mit 195 Punkten.

Der Bewertungsausschuss hat des Weiteren die GOP zur Besuchsbereitschaft (01211, 01215, 01217 und 01219) komplett gestrichen. 

 

Daneben wird der „Besuch im organisierten Not(fall)dienst sowie der Besuch im Rahmen der Notfallversorgung durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Ärzte, Institute und Krankenhäuser“ aus der GOP 01411 ausgegliedert und in eine neue GOP 01418 überführt. Die GOP 01418 trifft eine Regelung für den „Besuch im organisierten Not(fall)dienst bzw. im Rahmen der Notfallversorgung durch nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende Arzte, Institute und Krankenhäuser.“ Die GOP 01411 gilt zukünftig nur noch zur Vergütung eines dringenden Besuches wegen der Erkrankung, unverzüglich nach Bestellung ausgeführt zwischen 19.00 Uhr und 22.00 Uhr, am Wochenende, an gesetzlichen Feiertagen sowie am 24.12. und 31.12. zwischen 07.00 Uhr und 19.00 Uhr.

 

Beanstandung durch das Bundesministerium für Gesundheit

 

Das BMG hat die rückwirkenden Änderungen des EBM, insbesondere die Aufteilung der bisherigen Notfallpauschale GOP 01210 in eine Tages- und Nacht- Notfallpauschale sowie die Angabe der Uhrzeit der Leistungserbringung, für rechtswidrig erachtet, da sie gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen. 

 

Ergänzend hat das BMG angeregt, die Leistungsbeschreibung der GOP 01418 zu überprüfen.

 

Soweit die Änderungen des EBM für die Zukunft Geltung beanspruchen sollen, wurden sie nicht beanstandet. „Für die Zukunft“ bedeutet nach Angabe des Bundesministeriums für Gesundheit ab dem 01.04.2015. 

 

Anmerkungen

 

Im Hinblick auf die Beanstandung des BMG bezüglich der rückwirkenden Einteilung der GOP 01210 in eine Tages- und Nacht- Notfallpauschale gilt für die Abrechnung der Krankenhäuser nunmehr Folgendes:

 

Hinsichtlich der bis zum 31.03.2015 erbrachten Leistungen gilt zunächst die bisherige (alte) Version weiter – ohne die beanstandeten Änderungen – bis der Bewertungsausschuss eine neue Regelung getroffen hat. Dies bedeutet, dass für diese Zeit keine Unterteilung in eine Tages- und Nacht- Notfallpauschale vorzunehmen ist und auch die rückwirkende Angabe der Uhrzeit nicht verlangt werden kann. Auch die punktemäßige Neu-Bewertung, die der Bewertungsausschuss vorgenommen hatte, wird daher für die Vergangenheit nicht greifen, da auch diese auf der Differenzierung zwischen Tages- und Nachtpauschale basiert. 

 

Zur Zeit ist nicht absehbar, wann der Bewertungsausschuss sich erneut mit der Ungleichbehandlung der Krankenhäuser in diesen Bereichen befasst und eine beanstandungsfreie EBM-Bewertung vornimmt, der der Rechtsprechung des BSG Rechnung trägt.

 

Aus diesem Grund sollten die Krankenhäuser gegen jede Art der Ungleichbehandlung vorgehen und ihre Ansprüche gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung geltend machen. 

 

Die Abrechnung des 3. Quartals 2014 sollte dahingehend überprüft werden, ob die Abrechnung des Krankenhauses nach dem „alten“ EBM erfolgte und für die GOP 01210 die Zahl von 157 Punkten zugrunde gelegt wurde.

 

Hinsichtlich des 4. Quartals 2014 sowie des 1. Quartals 2015  sollten die Krankenhäuser prüfen, ob die Kassenärztliche Vereinigung schon dazu übergegangen ist, die GOP 01210 nach der Neubewertung zu vergüten, also nicht in Höhe von 157 Punkten („alter“ EBM), sondern in Höhe von 127 Punkten nach der neuen – nunmehr beanstandeten – Tagespauschale. In diesem Fall müsste gegen den Honorarbescheid rechtlich vorgegangen werden. 

 

Ab dem 2. Quartal 2015 sind die Neuregelungen – z. B. Aufteilung in eine Tages- und Nachtpauschale sowie die Angabe der Uhrzeit der Leistungserbringung – der Abrechnung zugrunde zu legen. Das BMG hatte diese Regelungen, die in die Zukunft gerichtet sind, nicht beanstandet. 

 

Die vorgenommene Anpassung des EBM sieht - wie bereits oben ausgeführt - eine Differenzierung in eine Tagespauschale und in eine Nachtpauschale vor. 

 

Die Notfallpauschale GOP 01210 (Tagespauschale) gilt bei der Inanspruchnahme zwischen 07:00 Uhr und 19:00 Uhr (außer an Samstagen, Sonntagen, gesetzlichen Feiertagen, am 24.12. und am 31.12). Die GOP 01212 (Nachtpauschale) gilt für die Inanspruchnahme zwischen 19:00 Uhr und 07:00 Uhr, sowie ganztägig an Samstagen, Sonntagen, gesetzlichen Feiertagen sowie am 24.12. und am 31.12 des Jahres.

 

Die Angabe der exakten Zeit der Inanspruchnahme ist für die Abrechnung des Erstkontaktes erforderlich.

 

Die Besuchsbereitschaftspauschalen (GOP 01211, 01215, 01217 und 01219) sind gestrichen worden, und können ab dem 01.04.2015 nicht mehr in Ansatz gebracht werden.

 

Für die vergangenen Quartale bis einschließlich 1. Quartal 2015 sollte die Besuchsbereitschaft in Ansatz gebracht werden.

 

Im Hinblick auf die Vergütung der Besuchsbereitschaft für die Vergangenheit, wird daher empfohlen - wegen der nach wie vor bestehenden Ungleichbehandlung – Widerspruch einzulegen und ggf. den Klageweg zu beschreiten. Den Vertragsärzten wurde schließlich seit dem Jahr 2008 die Pauschale für die Besuchsbereitschaft vergütet. Der Bewertungsausschuss hat diesbezüglich bisher keinen Ausgleich für die Krankenhäuser wegen der darin begründeten Ungleichbehandlung vorgesehen.

Über die weitere Entwicklung werden wir Sie zeitnah informieren.

  letzte Änderung: 08.08.2018 16:00:40
 
Newsletter Knie-TEP
 

Die Durchführung von Knie-TEP gehört zum Kernbereich des Versorgungsauftrages „Orthopädie“. Die Erbringung von Knie-TEP in einer planungsrechtlich zugewiesenen Fachabteilung Chirurgie und Unfallchirurgie überschreitet den Versorgungsauftrag des Krankenhauses im Land Brandenburg.

Urteil des BSG vom 27.11.2014, Az.: B 3 KR 1/13 R

- Versorgungsauftrag, Fachgebiet, Orthopädie, Chirurgie und Unfallchirurgie, Planungsrecht, Knie-TEP, ärztliche Weiterbildungsordnung, ärztliches Berufsrecht -

 

Das BSG hat sich in einer Grundsatzentscheidung mit der Frage der Abgrenzung des Fachgebiets Chirurgie und Unfallchirurgie zum Fachgebiet Orthopädie befasst. Es unterscheidet den berufsrechtlichen vom planungsrechtlichen Ansatz.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus (im Land Brandenburg) behandelte im Jahr 2007 einen Patienten wegen einer Gonarthrose am rechten Kniegelenk. Der Patient wurde in der Fachabteilung Chirurgie und Unfallchirurgie behandelt. Hierfür rechnete die Klägerin die DRG I43A (Prothesenwechsel oder Implantation einer Scharnierendoprothese) in Höhe von 11.327,79 € ab. Die Klägerin verfügt über keine Fachabteilung Orthopädie.

 

Die beklagte Krankenkasse verweigerte die Begleichung der Rechnung aus verschiedenen Rechtsgründen.

 

Die Klage hatte in erster und zweiter Instanz keinen Erfolg. Das BSG bestätigte mit seinem Urteil die Vorinstanzen.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG stellt zunächst fest, dass der Krankenhausplan des Landes Brandenburg keine Festlegungen im Einzelnen trifft, welche Leistungen in den jeweils zugewiesenen Fachrichtungen erbracht werden dürfen (Rdz. 16).

 

Grundlage für die Bestimmung des Versorgungsauftrages ist die zum Zeitpunkt der Erstellung/Fortschreibung des Krankenhausplans maßgebliche ärztliche Weiterbildungsordnung. Soweit Krankenhauspläne auf die ärztliche Weiterbildungsordnung zur Bestimmung des Inhalts der Fachrichtung verweisen, handelt es sich um eine statische und nicht um eine dynamische Verweisung. Anderes gelte nur, wenn der Krankenhausplan auf die ärztliche Weiterbildungsordnung in der jeweiligen Fassung abstelle (Rdz. 17).

 

Zu beachten ist, dass die ärztliche Weiterbildungsordnung zum ärztlichen Berufsrecht gehöre. Der Krankenhausplan habe jedoch eine andere Zielrichtung, nämlich Krankenhausangebote unter fachlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu ordnen (Rdz. 18).

 

Berufsrechtlich gesehen, können die Knie-TEP sowohl im Fachgebiet Chirurgie und Unfallchirurgie als auch im Fachgebiet Orthopädie erbracht werden. Es handele sich also um Überschneidungen der Fachgebiete.

 

Anders stelle sich die Perspektive aus krankenhausplanerischer Sicht dar. Es könne nicht angenommen werden, dass die für die Aufstellung des Krankenhausplans zuständige Behörde in versorgungsrelevantem Umfang fachliche Überschneidungen habe zulassen wollen. Es müsse daher nach Hinweisen gesucht werden, die für die ausschließliche Zuordnung zu einem Fachgebiet sprechen. Nicht alles, was berufsrechtlich zulässig ist, muss auch planungsrechtlich erlaubt sein. Planungsrechtlich sollen Überschneidungen der Zuständigkeiten möglichst vermieden werden.

 

Aus berufsrechtlicher Sicht bestünden keine Bedenken, dass in der Abteilung Unfallchirurgie Knie-TEP vorgenommen werden.

 

Aus planungsrechtlicher Sicht ist die Einordnung in die jeweiligen Fachgebiete danach vorzunehmen, zu welchem Kernbereich die Knie-TEP gehören. Die Abgrenzung kann daher nur sinnvoll nach dem Kriterium des Kernbereiches eines medizinischen Fachgebietes vorgenommen werden. Versorgungsbezogen können Leistungen nur dann in verschiedenen Fachgebieten erbracht werden, wenn diese Leistungen entweder für beide Fachgebiete zum Kernbereich oder für keinen von ihnen zum Kernbereich gehören.

 

Vorliegend sind die Knie-TEP dem Kernbereich der Orthopädie zuzuordnen. Eine operative Tätigkeit auf dem Gebiet der Orthopädie ohne das Angebot von Endoprothesen könne nicht mehr sinnvoll ausgeübt werden und kein Arzt könne Orthopäde werden, der nicht zahlreiche Eingriffe dieser Art ausgeführt habe. Auf jeden Fall gehören alle endoprothetischen Eingriffe, die – wie hier – im konkreten Einzelfall medizinisch vorbereitet werden können und deshalb zu den „planbaren Leistungen“ i.S.d. § 137 SGB V zählen, also nicht unfallbedingt sofort durchgeführt werden müssen, krankenhausplanungsrechtlich zur Orthopädie und nicht zur Unfallchirurgie.

 

Das BSG hat daher den Versorgungsauftrag der Klägerin zur Erbringung von Knie-TEP verneint.

 

Anmerkungen

 

Das Urteil des BSG stützt sich auf eine eher formale Betrachtung der Abgrenzung der Fachgebiete. Gleichzeitig unterstellt es (für den Krankenhausplan Brandenburg), dass das Land eine ausschließliche Zuordnung von Leistungen zu einem Fachgebiet vornehmen wollte. Diese Annahme wird jedoch mit Fakten durch das BSG nicht unterlegt. Vielmehr stellt das BSG lediglich eine Vermutung in den Raum, wonach nicht angenommen werden könne, dass die für die Aufstellung des Krankenhausplans zuständige Behörde in versorgungsrelevantem Umfang fachliche Überschneidungen hat zulassen wollen. Insoweit sucht das BSG nach „Hinweisen“ (Rdz. 18).

 

Das Urteil bezieht sich zunächst nur auf den damaligen Krankenhausplan Brandenburg, der für das Jahr 2007 Geltung beanspruchte. In anderen Bundesländern kann die Perspektive des Krankenhausplanungsrechts eine ganz andere sein.

 

Aus hiesiger Sicht müsste zunächst klar aus dem Krankenhausplan des jeweiligen Landes hervorgehen, ob eine ausschließliche Leistungserbringung bestimmter Leistungen in einem Fachgebiet geplant ist. Des Weiteren müsste aus Rechtsschutzgründen diese Ausschließlichkeitsregelung im Feststellungsbescheid gegenüber dem Krankenhaus, dem der Versorgungsauftrag planerisch zugewiesen wird, zum Ausdruck kommen. Wird von Seiten des Landes ein Fachgebiet zugewiesen, dessen Inhalt sich nach der ärztlichen Weiterbildungsordnung richtet, kann und darf das Krankenhaus davon ausgehen, dass es den vollen Inhalt dieses Fachgebiets auch erbringen darf. Insoweit ist die Differenzierung des BSG zwischen Berufsrecht und Planungsrecht eine künstliche Unterscheidung. Insgesamt bestehen daher gegen die Ansätze im Urteil des BSG erhebliche rechtliche Bedenken.

 

Den Krankenhäusern wird daher empfohlen, nach Hinweisen in den Ausführungen im Krankenhausplan zu suchen, die eine Überschneidung der Fachgebiete aus planungsrechtlicher Sicht nahelegen.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 16:01:06
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Abgrenzung sachlich-rechnerische Prüfung zur Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1c Satz 2, 3 SGB V unter Berücksichtigung der Prüfverfahrensvereinbarung
 

In letzter Zeit mehren sich die Stimmen der Krankenkassen, wonach sie die Auffassung vertreten, die von ihnen veranlasste Prüfung durch den MDK sei keine Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1c Satz 2, 3SGB V gewesen, sondern eine sachlich-rechnerische Prüfung, die einem eigenen Prüfregime unterliege. Dabei stützen sie sich auf die jüngste Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 01.07.2014, Az.: B 1 KR 29/13 R, vom 01.07.2014, Az.: B 1 KR 24/13 R, vom 14.10.2014, Az.: B 1 KR 26/13 R). In diesen Urteilen bringt das BSG zum Ausdruck, dass § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V (Zahlung einer Aufwandspauschale) keine Anwendung im Rahmen der „Abklärung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung“ findet.

Ziel der Krankenkassen ist dabei in erster Linie, die Beachtung der 6-Wochen-Frist in § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V und die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V zu vermeiden.

Die Auffassung der Krankenkassen bedarf einer näheren Prüfung.

  1. Zunächst wird in § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V auf die Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V verwiesen.

     

    § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V enthält nach der Rechtsprechung des BSG zwei eigenständige Prüftatbestände, in denen die Krankenkassen verpflichtet sind, den MDK zur Prüfung einzuschalten.

  • In Halbsatz 1 ist die Prüfung bei der Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von deren Voraussetzungen, Art und Umfang (vor allem primäre und sekundäre Fehlbelegung) geregelt;

  • In Halbsatz 2 ist die Abrechnungsprüfung, also die Prüfung einer vom Krankenhaus bereits erteilten Zwischen- oder Schlussrechnung angesprochen

    (so: BSG, Urteil vom 27.11.2014, Az.: B 3 KR 7/13 R, Rdz. 15)

     

    Da § 275 Abs. 1c Satz 2, 3 SGB V immer eine Rechnung voraussetzt, betrifft diese Regelung die Abrechnungsprüfung nach Halbsatz 2 (sog. Auffälligkeitsprüfung).

     

    Liegt also eine Rechnung zum Zeitpunkt der Beauftragung des MDK (Prüfanzeige) durch die Krankenkasse vor, ist von einer Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1c Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 SGB V auszugehen.

     

    Umgekehrt bedeutet dies, dass vor ordnungsgemäßer Rechnungsstellung (Zwischen- oder Schlussrechnung) weder die 6-Wochen-Frist läuft, noch die Zahlung einer Aufwandspauschale in Betracht kommt.

  1. Den Krankenkassen steht es nicht frei, ob sie den MDK zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung beauftragen oder nicht. Geht es um Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder um den Krankheitsverlauf einer Behandlung, ist die Krankenkasse verpflichtet, den MDK zur Prüfung einzuschalten, wenn sich aus ihrer Sicht Auffälligkeiten ergeben.

     

    Liegt also eine Rechnung (Zwischen- oder Schlussrechnung) vor und beauftragt die Krankenkasse den MDK zur Ermittlung des medizinischen Sachverhalts, handelt es sich um das förmliche Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Absatz 1c SGB V (zum sogenannten dreistufigen Prüfungsschema des BSG siehe jüngst BSG-Urteil vom 27.11.2014, Rdz. 16). Zeigt die Krankenkasse bzw. der MDK dem Krankenhaus die Einleitung des Prüfverfahrens an bzw. fordert der MDK die Herausgabe bestimmter Behandlungsunterlagen beim Krankenhaus an bzw. begehrt er einen Begehungstermin vor Ort, handelt es sich um die dritte Stufe des vom BSG entwickelten Prüfverfahrens, also um das förmliche Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1c SGB V.

     

    Davon geht auch das BSG in seinem Urteil vom 01.07.2014, Az.: B 1 KR 29/13 R, Rdz. 23, aus: Nimmt die Krankenkasse sachlich-rechnerische Auffälligkeiten zum Anlass, von sich aus gezielt eine Auffälligkeitsprüfung einzuleiten, hat das Krankenhaus einen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale, wenn die Prüfung nicht zu einer Rechnungsminderung führt.

     

    Stützt sich daher die Krankenkasse gegenüber dem Krankenhaus auf ein Prüfungsrecht nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1c Satz 2 SGB V und schaltet den MDK ein, gilt sowohl die dort vorgesehene 6-Wochen-Frist als auch der Anspruch des Krankenhauses auf eine Aufwandspauschale, wenn es zu keiner Rechnungsminderung kommt.

     

  2. Die Krankenkassen können diese Regelung in § 275 Abs. 1c Satz 2, 3 SGB V auch nicht dadurch umgehen, dass sie nunmehr die Auffälligkeitsprüfung als sachlich-rechnerische Prüfung umfirmieren.

     

    Die sachlich-rechnerische Prüfung auf Richtigkeit der Abrechnung erfolgt ohne Mitwirkung des MDK gegenüber dem Krankenhaus. Die sachlich-rechnerische Prüfung ist ausschließlich auf der ersten und zweiten Stufe des BSG-Prüfschemas angesiedelt.

     

    Bei der ersten Stufe handelt es sich um die Sachverhaltsermittlung auf der Grundlage der Angaben nach § 301 Abs. 1 SGB V. Erschließen sich auf Grund dieser Angaben oder eines eventuell landesvertraglich vorgesehenen Kurzberichts die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung oder weiteren Abrechnungsvoraussetzungen nicht, hat die Krankenkasse auf der zweiten Stufe der Sachverhaltsermittlung beim MDK eine gutachtliche Stellungnahme einzuholen (sog. sozialmedizinische Fallberatung). Die sozialmedizinische Fallberatung auf der zweiten Stufe erfolgt auf der Grundlage der der Krankenkasse zur Verfügung stehenden Unterlagen (insbesondere Angaben nach § 301, ggf. vom Versicherten überlassene medizinische Befunde – siehe hierzu BSG, Urteil vom 27.11.2014, Az.: B 3 KR 7/13 R, Rdz. 16).

     

    Kann der MDK anhand dieser Unterlagen keine abschließende Beurteilung vornehmen, bedarf es der Beauftragung durch die Krankenkasse zur Durchführung eines förmlichen Prüfverfahrens. Erst auf dieser dritten Stufe ist das Krankenhaus verpflichtet, dem MDK die angeforderten Krankenunterlagen zur Verfügung zu stellen (§ 276 Abs. 2 Satz 1 SGB V).

     

    Tritt also der MDK gegenüber dem Krankenhaus als Beauftragter der Krankenkasse zur Prüfung auf und fordert Krankenunterlagen an, befindet sich das Verfahren bereits auf der dritten Stufe des BSG-Prüfschemas, somit also in dem förmlichen Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c Satz 2, 3 SGB V. Folge daraus ist, dass – unbeschadet wie dieser dritte Prüfungsschritt von den Krankenkassen bezeichnet wird – die 6-Wochen-Frist und der Anspruch des Krankenhauses auf die Aufwandspauschale Anwendung finden.

     

  3. Von dem förmlichen Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 SGB V zu unterscheiden sind nicht-medizinische Einwände gegen die Rechnung, für die der MDK nicht zuständig ist. So kann die Krankenkasse geltend machen, der Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasse nicht die erbrachte Leistung, es liege ein Verstoß gegen Abrechnungsregeln vor, die Mindestmengenregelung des GBA sei nicht erfüllt, der Datensatz nach § 301 SGB V sei nicht vollständig etc. Für diese Prüfung benötigt die Krankenkasse nicht den MDK, sondern nimmt eine eigenständige Prüfung der Rechnungsvoraussetzungen vor. Insoweit handelt es sich auf dieser Ebene um eine eigenständige Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Rechnung, für die es keine Ermittlung des medizinischen Sachverhaltes durch den MDK bedarf.

     

    Diese sachlich-rechnerische Prüfung ist der förmlichen Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1c SGB V vorgeschaltet. Dies ergibt sich aus § 3 Satz 4 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV). Danach beginnt die Prüfung nach der PrüfvV nach Abschluss der Kontrollen, die in der Datenübermittlungsvereinbarung nach § 301 Abs. 3 SGB V festgelegt sind. Hat die Krankenkasse eine Prüfung nach § 4 PrüfvV eingeleitet (Mitteilung gegenüber dem Krankenhaus) bringt sie damit zum Ausdruck, dass sie die vorher durchzuführenden Kontrollen (sprich sachlich-rechnerische Prüfung) abgeschlossen hat. Das Verfahren befindet sich nunmehr in einem anderen Verfahrensstadium, für das ab Einleitung des Prüfverfahrens nunmehr die Regelungen der PrüfvV gelten. Die sachlich-rechnerische Prüfung ist daher spätestens nach Mitteilung der Einleitung des Prüfverfahrens nach § 4 PrüfvV abgeschlossen.

  letzte Änderung: 08.08.2018 16:01:25
 
Newsletter Krankenhausapotheke
 

Ein Krankenhaus ist berechtigt, von der Krankenhausapotheke abgegebene Medikamente gegenüber der Krankenkasse abzurechnen, auch wenn sich aufgrund von Komplikationen ein stationärer Aufenthalt daran anschließt

Urteil des BSG vom 27.11.2014, Az.: B 3 KR 12/13 R

- Krankenhausapotheke, Ermächtigungsambulanz, Chemotherapie, Vergütungsanspruch für Medikamente, stationärer Aufenthalt -

Im vorliegenden Fall musste das BSG eine Abgrenzung der Vergütungsansprüche im ambulanten Versorgungsbereich für Arzneimittel von den Entgelten für den stationären Aufenthalt vornehmen. Leistungen, die im ambulanten, vertragsärztlichen Versorgungssektor bereits erbracht worden sind, können nicht durch spätere Ereignisse nachträglich dem stationären Sektor zugerechnet werden.

Sachverhalt

Ein ermächtigter Krankenhausarzt führte bei einem Patienten eine Chemotherapie durch. Hierzu wurden von ihm Medikamente aus der Krankenhausapotheke verabreicht. Nachdem es bei dem Patienten zu Schweißausbruch mit Unwohlsein, Magendrücken, Palpitationen und Tachykardie kam, wurde der Patient vom Notfallteam stationär im Krankenhaus aufgenommen. Der Krankenhausaufenthalt dauerte bis zum nächsten Tag an.

Das Krankenhaus rechnete neben der DRG E64D (Respiratorische Insuffizienz) die verabreichten Medikamente für die Chemotherapie in Höhe von 2.663,43 € ab.

Die Krankenkasse vertrat die Auffassung, dem Krankenhaus stehe nur die DRG-Fallpauschale zu. Sie forderte daher die Rückzahlung des bereits geleisteten Betrags für die verabreichten Medikamente. Die Medikamente seien nach Auffassung der Krankenkasse von der DRG-Fallpauschale mit umfasst.

Alle Instanzen bejahten den Anspruch des Krankenhauses auf Vergütung der ambulant verabreichten Medikamente im Rahmen der Chemotherapie.

Entscheidungsgründe

Der Rechtsanspruch des Krankenhauses auf Vergütung der vom ermächtigten Arzt verabreichten Medikamente im Rahmen der ambulant durchgeführten Chemotherapie folgt aus § 129a SGB V i. V. m. § 5 der hierzu abgeschlossenen entsprechenden Vereinbarung. Danach darf eine Krankenhausapotheke verordnete Arzneimittel zu Lasten der Krankenkasse an Versicherte abgeben und das Krankenhaus darf diese Arzneimittel gegenüber der Krankenkasse abrechnen, wenn diese Arzneimittel im Rahmen der ambulanten Behandlung verordnet wurden.

Der ermächtigte Krankenhausarzt habe eine ambulante Chemotherapie durchgeführt. Diese werde nicht dadurch zu einer stationären Behandlung, dass ein Versicherter aufgrund von Komplikationen noch am gleichen Tag stationär aufgenommen werden musste.

Leistungen, die im ambulanten, vertragsärztlichen Versorgungssektor bereits erbracht worden sind, können grundsätzlich nicht durch spätere Ereignisse nachträglich dem stationären Sektor zugeordnet werden.

Der Vergütungsanspruch für die ärztlichen Leistungen des ermächtigten Arztes ist gegenüber der KV, die Medikamente der Krankenhausapotheke im Rahmen der ambulanten Chemotherapie sind vom Krankenhausträger gegenüber der Krankenkasse abzurechnen. Unabhängig davon wird der stationäre Aufenthalt mit der entsprechenden DRG-Fallpauschale abgerechnet.

Anmerkungen

Das BSG stellt heraus, dass getrennte Abrechnungssysteme über die KV einerseits und über die Krankenkasse andererseits bestehen. Leistungen die einmal ambulant erbracht worden sind, verändern ihren Charakter durch nachträgliche Ereignisse nicht. Allerdings ist nach Auffassung des BSG die Schnittstelle zwischen vertragsärztlicher Versorgung und stationärer Versorgung wegen der getrennten Abrechnungssysteme punktgenau zu ermitteln.

Ermächtigte Krankenhausärzte erbringen nach § 116b SGB V in diesem Rahmen vertragsärztliche Leistungen. Aufgrund dieser personellen, organisatorischen und häufig auch räumlichen Trennung zwischen der ambulanten Behandlung durch Krankenhausärzte in der Ermächtigungsambulanz und den Leistungen des Krankenhauses kann eine als ambulante Behandlung begonnene Therapie im Regelfall nicht durch nachträgliche Ereignisse zu einer stationären Leistung des Krankenhauses werden. Dabei ist zur punktgenauen Ermittlung der Leistungsbereiche auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung abzustellen. Mit der Aufnahme des Patienten in das Krankenhaus wird dieser erst zum stationären Patienten. Die davor erbrachten Leistungen des ermächtigten Krankenhausarztes werden insoweit nach wie vor dem ambulanten Versorgungsbereich zugeordnet.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 16:02:17
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Newsletter Abrechnungsprüfung
 

Die Krankenkasse ist berechtigt, die Prüfanzeige nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V dem Krankenhaus unmittelbar zuzusenden. Aus der Anzeige muss hervorgehen, mit welchem Inhalt dem MDK ein Prüfauftrag erteilt wurde.

Urteil des BSG vom 27.11.2014, Az.: B 3 KR 7/13 R

- Abrechnungsprüfung, Fehlbelegung, Anzeige des Prüfverfahrens, Erstattungsanspruch, Prüfauftrag, Zugang, Ausschlussfrist -

in der Praxis war bisher höchst umstritten, ob auch die Krankenkasse die Prüfanzeige gegenüber dem Krankenhaus erstatten kann. Das BSG hat dies in seiner Entscheidung vom 27.11.2014 bejaht.

Sachverhalt

Das beklagte Krankenhaus hatte bei einem Patienten eine Bänderoperation an der Hand stationär durchgeführt. Diese Leistung ist im AOP-Vertrag jenen Eingriffen zugeordnet, die in der Regel ambulant durchgeführt werden können.

Die Krankenkasse hatte vom Krankenhaus die Herausgabe von Behandlungsunterlagen an den MDK zur Durchführung einer Abrechnungsprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1c SGB V verlangt. Das Krankenhaus verweigerte die Herausgabe mit dem Hinweis, sie habe zwar innerhalb der Sechs-Wochen-Frist nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V eine Prüfanzeige von der Krankenkasse erhalten. Diese Mitteilung sei jedoch irrelevant, da nur der MDK berechtigt sei, eine Prüfanzeige zu erstatten. Eine Prüfanzeige vom MDK sei ihr nicht innerhalb der gesetzlichen Frist zugegangen. Somit sei die Sechs-Wochen-Frist nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V nicht eingehalten.

Die Vorinstanzen haben den Anspruch auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen abgelehnt; das BSG hat die Urteile aufgehoben und das Krankenhaus zur Herausgabe der Behandlungsunterlagen verurteilt.

Entscheidungsgründe

Das BSG geht davon aus, dass die Prüfanzeige auch wirksam von der Krankenkasse erstattet werden kann. Die Regelung in § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V habe den Zweck, dem Krankenhaus innerhalb der Sechs-Wochen-Frist Gewissheit darüber zu verschaffen, ob die Krankenkasse eine Abrechnung als endgültig akzeptiert oder eine Überprüfung durch die Krankenkasse und den MDK beabsichtigt ist. Dabei ist es für das Krankenhaus ohne Bedeutung, ob es von einer beabsichtigten Abrechnungsprüfung durch die Krankenkasse selbst oder durch den MDK unterrichtet wird. Eine Prüfanzeige durch die Krankenkasse steht der Anzeige durch den MDK gleich, wenn aus der Anzeige hervorgeht, dass und mit welchem Inhalt dem MDK ein Prüfauftrag zuvor oder zeitgleich erteilt worden ist.

Der Begriff Einleitung der Prüfung in § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V beinhalte auch die Anzeige der Prüfung an das Krankenhaus. Insoweit bedürfe es auch nicht einer zusätzlichen Anzeige durch den MDK; dies hätte allenfalls noch deklaratorischen oder wiederholenden Charakter.

Ergänzend weist das BSG noch darauf hin, dass auch in der Begehung vor Ort mit dem Herausgabebegehren von Unterlagen durch den MDK eine eigenständige Prüfanzeige durch den MDK gesehen werden könnte. Diese wäre auch noch fristgerecht erfolgt, da das Krankenhaus es unterlassen habe, der Krankenkasse nach § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V mitzuteilen, weshalb im konkreten Fall eine stationäre Krankenhausbehandlung anstelle der möglichen ambulanten Behandlung erforderlich gewesen sei. Mangels dieser Angabe sei die Rechnung nicht fällig geworden und die Frist in § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V nicht ausgelöst worden.

Des Weiteren weist das BSG darauf hin, dass der MDK über den eigentlichen Prüfauftrag hinaus berechtigt und verpflichtet ist, den Prüfauftrag zu erweitern und weitere Ermittlungen in dieser Hinsicht vorzunehmen.

Anmerkungen

In seiner Grundsatzentscheidung stellt das BSG heraus, dass die Prüfanzeige auch von der Krankenkasse erstattet werden kann. Es wendet somit nicht den Wortlaut von § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V an, sondern richtet sich nach Sinn und Zweck der Prüfungseinleitung. Als zusätzliche Voraussetzung stellt das BSG darauf ab, dass aus der Prüfanzeige hervorgehen muss, mit welchem Inhalt der MDK mit einer Prüfung beauftragt worden ist. Die Prüfanzeige durch die Krankenkasse muss in jedem Fall dem Krankenhaus zugehen; den Zugang muss die Krankenkasse nachweisen.

Des Weiteren ruft das BSG noch einmal in Erinnerung, dass die Datenübermittlung vollständig vorzunehmen ist. Kann eine Leistung nach vertraglichen Regelungen (hier: AOP-Vertrag) auch regelhaft ambulant erbracht werden, bedarf es der zusätzlichen Angabe des Grundes der Aufnahme nach § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V. Es bedarf also der Mitteilung, warum im konkreten Fall die stationäre Aufnahme medizinisch notwendig war.

Des Weiteren geht das BSG davon aus, dass der MDK an den eigentlichen Prüfauftrag nicht gebunden ist und darüber hinausgehende Ermittlungen anstellen darf bzw. muss.


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  letzte Änderung: 08.08.2018 16:02:46
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Newsletter öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch
 

Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Krankenkassen kann innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist geltend gemacht werden

Urteil des BSG vom 01.07.2014, Az.: B 1 KR 2/13 R

 - öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, Grundsatz der Waffengleichheit, Verjährung, Verwirkung, Treu und Glauben -

 

Das BSG hat mit Urteil vom 01.07.2014, Az.: B 1 KR 2/13 R, zur Rechtsfrage Stellung genommen, ob einer Rückforderung der Einwand der Verwirkung entgegensteht, wenn die Krankenkasse sich mehr als zwei Jahre Zeit lässt, ihre Forderung geltend zu machen. Den Einwand der Verwirkung hält das BSG nicht für gerechtfertigt.

 

Sachverhalt

 

Das beklagte Krankenhaus verlegte innerhalb von 24 Stunden eine Patientin in ein anderes Krankenhaus. In der Rechnung wurde der Verlegungsabschlag nicht berücksichtigt. Vier Jahre nach der Behandlung berief sich die klagende Krankenkasse darauf, dass sie einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch in Höhe des nicht angesetzten Verlegungsabschlages habe. Das Krankenhaus verweigerte die Rückerstattung mit der Begründung, die Krankenkasse hätte den Anspruch spätestens bis zum Ende des auf die Schlussrechnung folgenden Kalenderjahres geltend machen müssen. Insoweit stehe dem Erstattungsanspruch der Grundsatz der Verwirkung entgegen.

 

Das beklagte Krankenhaus wurde in erster und zweiter Instanz zur Zahlung verurteilt. Das BSG wies die Revision zurück.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG bejahte zunächst einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Krankenkasse, da sie Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht hatte. Die Rechnung des Krankenhauses sei in Höhe des Verlegungsabschlages zu mindern. Insoweit liege eine Überzahlung der Krankenkasse vor.

 

Des Weiteren befasste sich das BSG mit den Einwänden des Krankenhauses.

 

Den Einwand des Krankenhauses, es sei das Gebot der Waffengleichheit verletzt, wenn den Krankenkassen eine längere Frist eingeräumt werde, Forderungen geltend zu machen, als dem Krankenhaus, wies das BSG zurück. Das Gebot der Waffengleichheit sei gesetzlich nicht normiert. Die einzelnen gesetzlichen Regelungen, die zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen gelten, könnten nicht mit dem schlichten Hinweis auf das Gebot der Waffengleichheit „überspielt werden“ (Rdz. 16).

 

Der Anspruch sei nicht verjährt, da er innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist von der Krankenkasse geltend gemacht worden sei. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch entstehe im Zeitpunkt der Überzahlung (hier: mit der vollständigen Begleichung der Schlussrechnung im Oktober 2004). Vor Eintritt der Verjährung (31.12.2008) sei Klage erhoben worden, so dass eine Hemmung der Verjährung der Forderung eingetreten sei.

 

Auch einen Verwirkungstatbestand sah das BSG nicht. Das Rechtsinstitut der Verwirkung passe wegen der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist grundsätzlich nicht. Es sei daher nicht auf den bloßen Zeitablauf abzustellen (Rdz. 21). Der Verwirkungstatbestand setze besondere Umstände voraus:

 

  • Ein Verwirkungsverhalten

  • Eine Vertrauensgrundlage

  • Einen Vertrauenstatbestand

  • Ein Vertrauensverhalten

     

    Vorliegende Tatbestände waren hier nicht ersichtlich.

     

    Anmerkungen

     

    Das Urteil des BSG (1. Senat) führt im Ergebnis dazu, dass für Rückforderungen der Krankenhäuser und der Krankenkassen andere Maßstäbe gelten. Für Krankenhäuser gelten für Nachforderungen besondere Voraussetzungen, die das BSG aus Treu und Glauben hergeleitet hat. Danach ist das Krankenhaus nur berechtigt - nach Ablauf der 6-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c SGB V - eine Nachforderung bis zum Ende des auf die unrichtige erste Abrechnung folgenden Kalenderjahres geltend zu machen (siehe Newsletter vom 07.03.2013, Urteil des BSG vom 22.11.2012, B 3 KR 1/12 R). Weitere Voraussetzungen sind, dass die Nachforderung über 300,00 € liegt und mehr als 5 % des Ausgangsrechnungsbetrages beträgt.

     

    Für die Krankenkassen gilt jedoch die Anwendung dieses Grundsatzes von Treu und Glauben in dieser Ausprägung nicht. Die öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüche unterliegen der vierjährigen Verjährungsfrist und können somit wesentlich länger als die Nachforderung der Krankenhäuser geltend gemacht werden. Ein rationaler Grund für diese Unterscheidung ist nicht ersichtlich.

     

    Bei dem Eintritt der Verjährung geht das BSG davon aus, dass der Rückforderungsanspruch bereits im Augenblick der Überzahlung entsteht. Dieser Zeitpunkt entspricht der vollständigen Begleichung der gestellten Rechnung. Somit kommt es nicht auf die Kenntnis der Krankenkassen von der Überzahlung an, um den Verjährungsbeginn zu bestimmen. Die Verjährung beginnt somit gem. § 45 Abs. 1 SGB I nach Ablauf des Kalenderjahres, indem der Anspruch entstanden ist (Zahlungszeitpunkt der Krankenkasse).

     

    Im Gegensatz zu dem 3. Senat stellt der 1. Senat bei der Verwirkung nicht auf den bloßen Zeitablauf ab, sondern fordert die Erfüllung der vorgenannten Voraussetzungen. Somit müssen besondere Umstände vorliegen, damit der Einwand der Verwirkung greift.

     

    Das Urteil ist hier wiedergegeben. 

 

  letzte Änderung: 08.08.2018 16:03:13
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Newsletter Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung
 

Eine vollstationäre Krankenhausbehandlung bedarf neben der generellen auch der individuellen Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung im Einzelfall. Die stationäre Krankenhausbehandlung muss dem Qualitätsgebot und dem Wirtschaftlichkeitsgebot Rechnung tragen.

Urteil des BSG vom 14.10.2014, Az.: B 1 KR 27/13 R

- Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung, generelle und individuelle Erforderlichkeit, Qualitätsgebot, Wirtschaftlichkeitsgebot, Beweislast, Auffälligkeitsprüfung -

Das Bundessozialgericht befasst sich erneut mit den Rechtsmaßstäben, die an eine Vergütung der Krankenhausbehandlung anzulegen ist. Im Vordergrund steht die generelle und individuelle Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung im Einzelfall.

Im Zeitraum 2001 bis Mitte 2003 behandelte ein Krankenhaus eine Vielzahl von Versicherten im Rahmen von Tagesbehandlungen mit der extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT). Grundlage für die Behandlung ist die Diagnose induratio penis plastica – (IPP). Die IPP ist eine durch Vernarbung im Schwellkörper des Penis verursachten Peniskrümmung, die mit Schmerzen insbesondere bei Erektion verbunden ist. Die ESWT bei IPP erfordert regelhaft keine stationären Akutmaßnahmen oder unter stationären Bedingungen durchzuführende Beobachtungen oder Überwachungen. Sie kann regelmäßig nach den Regeln der ärztlichen Kunst ambulant erbracht werden, ist für den ambulanten Bereich vom GBA aber nicht empfohlen worden.

Das Krankenhaus übermittelte der klagenden Krankenkasse jeweils nur den 301er Datensatz mit der Diagnose N48.6. Ein Hinweis auf die konkrete Behandlung mittels ESWT erfolgte nicht.

Die Krankenkasse wies die Beträge jeweils ohne Vorbehalt an und beauftragte den MDK mit der Überprüfung dieser Kurzliegerfälle. Der MDK stellte fest, dass die Versicherten mit der ESWT behandelt worden sind. Daraufhin forderte die Krankenkasse die Erstattung der bereits gezahlten Vergütung.

Die Vorinstanzen haben das Krankenhaus zur Rückerstattung der klageweise geltend gemachten Beträge verurteilt.

Die Revision des beklagten Krankenhauses blieb ohne Erfolg.

Vorliegend geht es um einen öffentlich rechtlichen Erstattungsanspruch der Krankenkasse. Das BSG geht davon aus, dass die Krankenkasse ohne rechtlichen Grund Zahlung geleistet hat, da das Krankenhaus keinen Anspruch auf Vergütung für die Behandlung der Versicherten mittels  ESWT hatte.

Im Einzelnen ließ sich das BSG von folgenden Rechtsgrundsätzen leiten:

1.
Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ist ein Krankheitszustand, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht. Ermöglicht es der Gesundheitszustand des Patienten, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege zu erreichen, so besteht kein Anspruch auf stationäre Behandlung und damit auch kein Vergütungsanspruch des Krankenhauses.

2.
Ob eine vollstationäre Krankenhausbehandlung notwendig ist, richtet sich ausschließlich nach medizinischen Erfordernissen. Es bedarf neben der generellen auch der individuellen Erforderlich der Krankenhausbehandlung im Einzelfall.

3.
Vorliegend verneint das BSG bereits die generelle Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung. Die Behandlung der IPP mittels ESWT wird ohne Schnitt und ohne Narkose durchgeführt, ist komplikationslos sowie risikoarm. Hierzu bedarf es weder einer apparativen Mindestausstattung eines Krankenhauses noch eines geschulten Pflegepersonals oder eines Krankenhausarztes. Die ambulante Behandlung reicht völlig aus.

4.
Die Beweislast für eine atypische Fallkonstellation, die eine Krankenhausnotwendigkeit begründen könnte, trägt das Krankenhaus. Grundsätzlich fällt es in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses, die Krankenkasse über das Vorliegen eines atypischen Falles zu informieren, der entgegen der Regel Behandlungsbedürftigkeit im Krankenhaus rechtfertigt. Unterlässt das Krankenhaus diese Angaben gegenüber der Krankenkasse, verbleibt es bei der fortbestehenden Informationspflicht des Krankenhauses und der damit verbundenen objektiven Beweislast.

5.
Die Krankenhäuser dürfen nur solche Leistungen bewirken, die ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Das Wirtschaftlichkeitsgebot ist daher vom Krankenhaus zu beachten. Auch dieser Gesichtspunkt spricht dafür, die objektive Beweislast beim Krankenhaus zu belassen.

Das Urteil des BSG reiht sich nahtlos in die jüngste Rechtsprechung des 1. Senats zur Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung und zur Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots ein. Es hebt noch einmal hervor, dass ausschließlich medizinische Erfordernisse die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung bestimmen. Hierfür sind die besonderen Mittel des Krankenhauses in die Beurteilung einzubeziehen. Dabei geht es um die apparative Mindestausstattung, geschultes Pflegepersonal und eines jederzeit präsenten und rufbereiten Arzt. Diese Mittel müssen generell und individuell zur Behandlung erforderlich sein. Hierfür ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen. In die Gesamtbetrachtung müssen die angestrebten Behandlungsziele einbezogen werden wie auch die vorhandene Möglichkeit einer vorrangigen ambulanten Behandlung.

Daneben thematisiert der 1. Senat erneut die Beachtung des Qualitätsgebots (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V) und des Wirtschaftlichkeitsgebotes. Genügt die eingeschlagene Behandlungsmaßnahme nicht diesen Geboten, ist die Leistung des Krankenhauses nicht abrechenbar.

Es wird daher den Krankenhäusern vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung empfohlen, sorgfältig zu dokumentieren, dass die besonderen Mittel des Krankenhauses im individuellen Fall erforderlich waren und das Qualitätsgebot sowie das Wirtschaftlichkeitsgebot beachtet wurde. Das Qualitätsgebot ist nur dann beachtet, wenn die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute die Behandlungsmethode befürwortet (s. Newsletter vom 19.12.2014).

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 08.08.2018 16:04:06
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Newsletter Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt
 

Krankenhausbehandlung im Sinne der §§ 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 39 SGB V ist grundsätzlich nur dann erforderlich, wenn die Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und notwendig ist.

Dabei muss die Krankenhausbehandlung dem Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V genügen, um gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbar zu sein. § 137c SGB V normiert lediglich einen bloßen Verbotsvorbehalt.

 

Urteil des BSG vom 17.12.2013, Az.: B 1 KR 70/12 R; Urteil des BSG vom 21.03.2013, Az.: B 3 KR 2/12 R (siehe Newsletter vom 05.04.2013)

 

- Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt, Qualitätsgebot, allgemein anerkannter Stand der medizinischen Erkenntnisse, grundrechtsorientierte Leistungsauslegung -

 

Einige gesetzliche Krankenkassen wenden häufig ein, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) und krankenhausindividuelle Entgelte nach § 6 KHEntgG nicht dem in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V normierten Qualitätsgebot entsprächen. Insoweit ergibt sich für die Leistungserbringer ein gewisses Risiko. Dies gibt Veranlassung, die Grundsätze der Urteile herauszustellen.

 

Nunmehr kann man von einer gefestigten Rechtsprechung des BSG ausgehen, die in den Urteilen des BSG vom 21.03.2013, Az.: B 3 KR 2/12 R, und vom 17.12.2013, Az.: B 1 KR 70/12 R, zum Ausdruck kommt:

 

1. Danach ist das in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V geregelte Qualitätsgebot bei der Leistungserbringung zu beachten. Dies bedeutet, dass die Behandlung dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und notwendig ist. Hierzu ist unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse nicht nur dem Grunde nach, sondern auch dem Umfang nach zu beachten, welche Reichweite der Therapie indiziert ist. Nur Leistungen, die dem Qualitätsgebot genügen, sind gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbar. Dem steht auch die Regelung in § 137c SGB V nicht entgegen. Diese Vorschrift normiert einen bloßen Verbotsvorbehalt und kann daher das Qualitätsgebot nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V auch im stationären Bereich nicht außer Kraft setzen.

 

2. Das Qualitätsgebot nach § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V erfordert, dass die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler) die Behandlungsmethode befürwortet und von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dies setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode – die in ihrer Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist – zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein. Diese Anforderung darf aber nicht als starrer Rahmen missverstanden werden, der unabhängig von den praktischen Möglichkeiten tatsächlich erzielbarer Evidenz gilt (so wörtlich: BSG, Urteil vom 17.12.2013, Az.: B 1 KR 70/12 R).

 

3. Auch die Möglichkeit einer Therapiealternative ist vom behandelnden Arzt zu prüfen.

 

4. Entspricht eine Behandlung nicht dem Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V, könnte eine Leistung nach den „Voraussetzungen grundrechtsorientierter Leistungsauslegung“ in Betracht kommen. Dabei müssen folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein:

 

a) Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vor.

 

b) Bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung.

 

c) Bezüglich der beim Versicherten ärztlich angewandten (neuen, nicht allgemein anerkannten) Behandlungsmethode besteht eine „auf Indizien gestützte“, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf.

(so wörtlich: BSG, Urteil vom 17.12.2013, B 1 KR 70/12 R, juris, Rdz. 28)

 

Im Ergebnis muss daher eine Art notstandsähnliche Situation für den Patienten vorliegen, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf mit der betreffenden Leistung typisch ist.

 

Empfehlung

 

Die restriktive Haltung beider Senate des BSG kann dazu führen, dass mit Neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) und anderen krankenhausindividuellen Entgelten für die Krankenhäuser ein wirtschaftliches Risiko verbunden ist, wenn die Krankenkassen nachträglich unter Einschaltung des MDK auf eine unzureichende Studienlage verweisen.

 

Es sollte daher vor der Vereinbarung von NUB, ggf. anderer krankenhausindividueller Entgelte, sorgfältig die Studienlage analysiert und zusammengestellt werden. Dies könnte auch in Zusammenarbeit mit den Medizinprodukteherstellern erfolgen. Dies gilt insbesondere für NUB-Entgelte, für die die Medizinproduktehersteller aussagefähige Studien anführen müssen, bevor eine Leistungserbringung erfolgt.

 

Bei grundlegenden Zweifeln an der Studienlage bleibt auch die Möglichkeit, von der Krankenkasse vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung der betreffenden Leistung einzuholen, die allerdings in diesem Fall vorbehaltlos ausgestaltet sein muss.

 

Das Urteil des BSG vom 17.12.2013, B 1 KR 70/12 R, ist unter www.juris.de zu ersehen. Das Urteil des BSG vom 21.03.2013, B 3 KR 2/12 R, ist unter der Newsletter vom 05.04.2013 zu ersehen.

  letzte Änderung: 09.08.2018 16:40:22
 
Newsletter Schlichtungsausschuss
 

Klagen auf Vergütung bis zu 2.000,00 € sind zulässig, solange nicht ein funktionsfähiger Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs. 4 KHG eingerichtet wurde.

Den zuständigen Verbänden der Krankenkassen und der Landeskrankenhausgesellschaft ist dies verbindlich anzuzeigen. Gleiches gilt für die Pflegesatzschiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG, die kraft Gesetzes die Aufgaben des Schlichtungsausschusses wahrnehmen soll.

 

Die Regelung über die vorherige Anrufung des Schlichtungsausschusses gilt für Vergütungsforderungen, unabhängig davon ob das Krankenhaus unmittelbar eine noch offene Krankenhausrechnung geltend macht oder sich gegen die Aufrechnung der Krankenkasse mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wendet.

 

Urteil des BSG vom 08.10.2014, Az.: B 3 KR 7/14 R

 

- effektiver Rechtsschutz, Schlichtungsausschuss, Pflegesatzschiedsstelle, Prozessvoraussetzung, Zulässigkeit der Klage, Behördeneigenschaft, Verwaltungsakt, Klagegegner -  

 

Mit Newsletter vom 10.10.2014 haben wir Sie über die weitreichende Grundsatzentscheidung des BSG zum Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs. 4, Abs. 4b KHG informiert.

 

Nunmehr liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor.

1. Zunächst stellt das BSG heraus, dass § 17c Abs. 4 Satz 3 KHG auch für Krankenhausbehandlungsfälle gilt, die vor dem 01.08.2013 durchgeführt worden sind. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts sind Änderungen der Rechtslage grundsätzlich ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens anzuwenden. Dabei spielt eine Rolle, dass der Gesetzgeber die Sozialgerichte sofort von Streitigkeiten um die Abrechnung von Krankenhausleistungen entlasten wollte.

2. Unerheblich ist nach Auffassung des BSG, ob das Krankenhaus unmittelbar eine offene Krankenhausrechnung rechtlich verfolgt oder sich gegen eine Aufrechnung der Krankenkasse mit einer unstreitigen Forderung wendet (öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch). Der Gesetzgeber wollte erreichen, dass die nach Durchführung einer Abrechnungsprüfung streitig gebliebenen Vergütungsforderung von Krankenhäusern in Höhe von maximal 2.000,00 € vor Eröffnung des Rechtsweges von einem Schlichtungsausschuss geprüft wird.  

3. Die Durchführung eines vorherigen Schlichtungsverfahrens als Prozessvoraussetzung setzt eine Abrechnungsprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V durch den MDK voraus. Die Regelung des § 275 Abs. 1c SGB V ist auf die Prüfung der Abrechnung von Krankenhausbehandlungen nach § 39 SGB V beschränkt.

4. § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG findet nur dann Anwendung, wenn das Schlichtungsverfahren nach § 17c Abs. 4 KHG tatsächlich durchführbar ist. Dies setzt wiederum die Anrufbarkeit des Schlichtungsausschusses voraus. Der Schlichtungsausschuss ist jedoch nur dann anrufbar, wenn er tatsächlich gebildet worden und auch funktionsfähig ist. Voraussetzung hierfür ist wiederum, dass Vereinbarungen zu den näheren Einzelheiten des Schlichtungsverfahrens abgeschlossen und Regelungen zur Finanzierung der wahrzunehmenden Aufgaben getroffen worden sind (§ 17c Abs. 4 Satz 8 KHG). Ferner muss die Funktionsfähigkeit bekannt gegeben werden. Die Anrufbarkeit des Schlichtungsausschusses stellt eine ungeschriebene, aber verfassungsrechtlich gebotene Anwendungsvoraussetzung für den Ausschluss der unmittelbaren Anrufung des Sozialgerichts dar (so wörtlich: BSG, a.a.O., Rdz. 18).  

5. Klagen vor den Sozialgerichten sind solange nicht unzulässig, wie nicht tatsächlich arbeitsfähige Schlichtungsausschüsse angerufen werden können. Daraus ergibt sich weiterhin, dass alle bis zum 31.08.2014 unmittelbar erhobenen Klagen auf Vergütungen im Sinne des § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG ohne Durchführung des Schlichtungsverfahrens zulässig sind. Ab dem 01.09.2014 kommt es darauf an, ob ein funktionsfähiger Schlichtungsausschuss besteht und dies bekannt gegeben wurde. Dies gilt somit auch für die ab 01.09.2014 eingeführte Neuregelung durch das GKV-FQWG, wonach die Schiedsstellen nach § 18a Abs. 1 KHG ab dem 01.09.2014 die Funktion des Schlichtungsausschusses übernehmen. Auch für die Pflegesatzschiedsstellen gilt, dass zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes eine förmliche Bekanntgabe erfolgen muss, welches Gremium ab wann tatsächlich in der Lage ist, die Aufgaben des Schlichtungsausschusses zu bewältigen (BSG, a.a.O., Rdz. 32). Folglich greift die Sperre des § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG erst dann ein, wenn die Schiedsstelle oder der Schlichtungsausschuss den jeweiligen Landeskrankenhausgesellschaften und den Verbänden der Krankenkassen förmlich angezeigt hat, dass sie „funktionsfähig errichtet“ ist (Schlichtungsausschuss) bzw. die Aufgaben der Schlichtung tatsächlich übernehmen kann (Schiedsstelle).

6. Die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG ist nach der Rechtsprechung des BSG eine Behörde im Sinne des Verfahrensrechts, die durch Verwaltungsakt entscheidet. Das gilt dann auch für den Schlichtungsausschuss, dessen Funktion die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG in unveränderter Ausgestaltung und Zusammensetzung zunächst übernehmen soll. Dies hat zur Folge, dass eine Klage gegen die Entscheidung des Schlichtungsausschusses nach § 17c Abs. 4 KHG gegen diesen Ausschuss selbst zu richten ist. In § 17 Abs. 4b KHG ist eine Regelung über Klagen gegen die Schlichtungsausschüsse nach § 17 Abs. 4 KHG getroffen worden. Danach hat eine Klage keine aufschiebende Wirkung, was beinhaltet, dass die Entscheidungen der Schlichtungsausschüsse Verwaltungsakte darstellen (BSG, a.a.O., Rdz. 40).

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 09.08.2018 16:44:47
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Newsletter Auffälligkeitsprüfung
 

Die 6-Wochen-Frist nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V gilt nur für die Prüfung der Krankenkasse auf Grund einer Auffälligkeit.

Demgegenüber ist die Krankenkasse jederzeit berechtigt, die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung der Krankenhausvergütung zu prüfen. Ergibt sich auch nur der geringste Anhaltspunkt dafür, dass die Abrechnung nicht sachlich-rechnerisch richtig ist und/oder dass das Krankenhaus seine primären Informationsobliegenheiten und ggf. –pflichten über die Abrechnungsgrundlagen nicht erfüllt, trifft das Krankenhaus die Obliegenheit, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere auch die Behandlungsunterlagen an den MDK oder das Gericht herauszugeben.

Urteil des BSG vom 14.10.2014, B 1 KR 25/13 
 

- Auffälligkeitsprüfung, sachlich-rechnerische Prüfung, Obliegenheitspflichten, Herausgabe von Behandlungsunterlagen, geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung -

 

Im Anschluss an das Urteil des BSG vom 01.07.2014 (B 1 KR 29/13 R) – siehe Newsletter vom 17.10.2014 – hat sich das BSG erneut mit den Prüfungsrechten der Krankenkassen befasst. Es hat erneut das umfassende Prüfungsrecht der Krankenkassen herausgestellt. Dabei unterscheidet der 1. Senat des BSG zwischen der sachlich-rechnerischen Prüfung und der Auffälligkeitsprüfung. Nur letztere unterliegt der gesetzlichen 6-Wochen-Frist in § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus behandelte eine Patientin und rechnete hierfür die DRG I34Z (Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung) ab. Die Beklagte vertrat die Auffassung, dass die Mindestmerkmale des OPS-Kodes 8-550.1 nicht erfüllt seien. Im Behandlungszeitraum sei der Geriater teilweise nicht anwesend gewesen. Eine Vertretung mit einem Facharzt mit der Zusatzbezeichnung „Klinische Geriatrie“ sei nicht erfolgt. Das klagende Krankenhaus vertrat die Auffassung, auf Grund des unbestrittenen Verstoßes gegen die 6-Wochen-Frist nach § 275 Abs.1c Satz 2 SGB V bestehe ein Beweisverwertungsverbot.

 

Das SG Magdeburg wies die Klage ab. Die zulässige Sprungrevision gegen das Urteil wurde vom BSG zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe 

 

Das BSG hat ein Verwertungsverbot im vorliegenden Fall verneint.

 

Wenn sich auch nur geringste Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Abrechnung des Krankenhauses nicht sachlich-rechnerisch richtig ist, trifft das Krankenhaus die Obliegenheit, an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken, insbesondere auch die Behandlungsunterlagen an den MDK bzw. ggf. an das Gericht herauszugeben.

 

Anhaltspunkte für die sachlich-rechnerische Unrichtigkeit der Abrechnung oder für die Verletzung der Informationsobliegenheiten bestehen in Fällen, in denen die vom Krankenhaus vorgenommene Auslegung und Anwendung von Abrechnungsvorschriften zweifelhaft ist oder sogar bestehender Kodierpraxis widerspricht oder in denen die erforderlichen Angaben unvollständig sind.

 

Wörtlich führt das BSG aus:

 

„Es entspricht nicht nur den gesetzlichen Vorgaben (§ 301 Abs. 1 SGB V), sondern den eigenen Interessen des Krankenhauses, der KK die entsprechenden Sachverhalte vollständig und nachvollziehbar mitzuteilen, die es zu seiner Auslegung der Abrechnungsvorschriften veranlasst haben. Nur so beugt das Krankenhaus einer Irreführung und darauf beruhender täuschungsbedingter ungerechtfertigter Vermögensverfügung der KK vor, ermöglicht der KK die sachlich-rechnerische Richtigkeitskontrolle und schafft damit die für die Zusammenarbeit unerlässliche Vertrauensbasis.“

(BSG, a.a.O., Rdz. 17)

 

Vorliegend moniert das BSG, dass die Klägerin keine Angaben zur medizinischen Rehabilitation gem. § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 SGB V gemacht hat. Diese Angaben seien nicht nur für die Bewilligung künftiger Leistungen, sondern vor allem auch für die Kontrolle einer ordnungsgemäßen Abrechnung unverzichtbar. Insoweit bestand daher auch kein Verwertungsverbot für das SG.

 

Unbeschadet dessen sei eines der Mindestmerkmale des OPS-Kodes 8-550.1 nicht erfüllt, da während des Behandlungszeitraumes der Geriater (teilweise) abwesend war.

 

Ergänzend macht das BSG Ausführungen zum grundsätzlichen Verständnis der Regelung über die Frührehabilitation in § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V. Wörtlich führt das BSG hierzu aus:

 

„Über die bereits vorhandenen Rehabilitationsansätze im Krankenhaus hinaus sind jedenfalls seit Einführung der Frührehabilitation in § 39 Abs. 1 Satz 3 Halbs 2 SGB V bereits bei Aufnahme in das Akutkrankenhaus der funktionelle Status, das Rehabilitationspotential und der Rehabilitationsbedarf des Patienten in die Diagnosestellung einzubeziehen und ein am individuellen Bedarf ausgerichtetes Rehabilitationskonzept in die Krankenverhandlung zu integrieren.“

(BSG, a.a.O., Rdz. 18)

 

Somit ist davon auszugehen, dass die Rehabilitation von Anfang an integraler Bestandteil der medizinischen Versorgung im Krankenhaus sein soll.

 

Anmerkung

 

Das BSG unterscheidet nunmehr scharf zwischen der Auffälligkeitsprüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung. Im Anschluss an das BSG-Urteil vom 01.07.2014 (B 1 KR 29/13 R) gilt die gesetzliche 6-Wochen-Frist nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V nur für die Prüfung auf Grund einer Auffälligkeit.

 

Diese Auffassung lässt sich anhand des Gesetzestextes in § 275 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1c Satz 1, 2 SGB V nicht nachvollziehen. § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V bezieht sich auf die Prüfung nach § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V und schließt somit alle Prüfkonstellationen von § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V mit ein. Diese Regelung umfasst daher auch die Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, also auch die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung.

 

Mit dieser Auslegung vermeidet jedoch das BSG die Anwendung der 6-Wochen-Frist und die Aufwandspauschale, die dann für die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit keinen Anwendungsbereich hat.

 

Den Krankenhäusern wird zudem ins Stammbuch geschrieben, dass es den eigenen Interessen des Krankenhauses entspreche, den Informationspflichten bzw. Informationsobliegenheiten vollständig und nachvollziehbar nachzukommen. Hierzu bedarf es der Mitteilung der Sachverhalte, die das Krankenhaus zu seiner Auslegung der Abrechnungsvorschriften veranlasst haben. Das Vorverständnis des 1. Senats des BSG kommt darin zum Ausdruck, dass diese Informationsobliegenheiten des Krankenhauses einer Irreführung und darauf beruhender täuschungsbedingter ungerechtfertigter Vermögensverfügungen der Krankenkassen vorbeugen.

 

Positiv zu werten sind die Ausführungen des 1. Senats zur Bedeutung der Frührehabilitation nach § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V. Es ist davon auszugehen, dass die Rehabilitation von Anfang an integraler Bestandteil der medizinischen Versorgung im Krankenhaus sein muss und unabhängig von der planerischen Zuweisung von Fachabteilungen durchzuführen ist. Dafür sprechen die Ausführungen des 1. Senats, wonach bei Aufnahme in das Akutkrankenhaus das Rehabilitationspotential und der Rehabilitationsbedarf zu ermitteln und festzulegen sind.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben (siehe auch die Parallelentscheidung vom 14.10.2014, Az.: B 1 KR 26/13 R, die hier auch wiedergegeben wird).

  letzte Änderung: 09.08.2018 16:45:34
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FAQ-Liste zur Prüfverfahrensvereinbarung gem. § 17c Abs. 2 KHG
 

Letzte Aktualisierung am 12.12.2014 

Sehr geehrte Damen und Herren,

an dieser Stelle richte ich als besonderen Service eine FAQ-Liste zur Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) ein. Dort werden die sich in der Praxis ergebenden grundsätzlichen Fragestellungen zum Inhalt der PrüfvV nach bestem Wissen beantwortet. Sollten sich nachträglich neue Erkenntnisse ergeben, z.B. anhand der Rechtsprechung wird die FAQ-Liste überarbeitet. Der Stand der Beantwortung wird daher mit einem Datum verstehen.

Gleichzeitig bietet Ihnen die FAQ-Liste die Möglichkeit, Ihrerseits grundsätzliche Fragestellungen einzubringen unter ra1@medizinrecht-ra-mohr.de unter Angabe des Stichwortes „FAQ PrüfvV“. Die FAQ-Liste dient dabei nicht der Lösung konkreter Einzelfälle, sondern einer allgemeinen Interpretation der in der PrüfvV getroffenen Regelungen. Soweit ihre Fragen grundsätzliche Bedeutung haben, werden sie in die FAQ-Liste mit der entsprechenden Antwort aufgenommen. Eine individuelle Beratung kann jedoch in diesem Forum nicht erfolgen.

 

Folgende grundsätzliche Fragen stellen sich bereits:

 

FAQ 1:

 

Reicht es aus, dass die Krankenkasse bei der Einleitung des Prüfverfahrens nach § 4 PrüfvV lediglich die Art der Prüfung (Teilprüfung, Vollprüfung, Fehlbelegungsprüfung oder Fragen zur Voraussetzung bestimmter Maßnahmen) benennt?

 

Antwort (04.09.2014):

 

§ 4 Abs. 1 Satz 1 PrüfvV bestimmt, dass die Krankenkasse Auffälligkeiten „so konkret wie möglich“ mitzuteilen hat. Durch die Worte „und hierzu zumindest die Art der Prüfung wie folgt zu bestimmen“ wird herausgestellt, dass die Art der Prüfung zusätzlich anzugeben ist. Andernfalls würde auch die Verpflichtung der Krankenkasse „die Auffälligkeiten so konkret wie möglich mitzuteilen“ leerlaufen. Im Übrigen ist die Angabe der Art der Prüfung keine Angabe einer Auffälligkeit.

 

FAQ 2:

 

Muss der MDK bei einer Prüfung im schriftlichen Verfahren nach § 7 Abs. 2 Satz 2 PrüfvV die erforderlichen Unterlagen konkret benennen und bei dem Krankenhaus anfordern?

 

Antwort (12.12.2014):

 

Ja. § 7 Abs. 2 Satz 2 PrüfvV regelt, dass der MDK die Übersendung einer Kopie der Unterlagen verlangen kann, die er zur Prüfung benötigt. Des Weiteren spricht § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV von einer „Unterlagenanforderung“. Der MDK kann daher in seiner Anforderung nicht offenlassen, welche Unterlagen er zur Prüfung benötigt. Insbesondere darf er es nicht dem Krankenhaus selbst überlassen, welche Unterlagen übersandt werden sollen. Dies birgt die Gefahr für das Krankenhaus, dass ggf. unklar bleibt, ob es die Unterlagen innerhalb der vorgesehenen Frist von vier Wochen komplett übersandt hat. Das Krankenhaus sollte daher ggf. konkret beim MDK nachfragen, welche Unterlagen dieser für erforderlich hält.

 

Kommt der MDK der aus § 7 Abs. 2 Satz 2 PrüfvV herzuleitenden Verpflichtung zur konkreten Anforderung von Krankenunterlagen nicht nach, wird die in § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV vorgesehene 4-Wochen-Frist nicht in Gang gesetzt. Somit kann auch die Sanktion aus § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV nicht ausgelöst werden.

 

FAQ 3:

 

Sieht die PrüfvV ein Widerspruchsverfahren vor?

 

Antwort (04.09.2014):

 

Bisher war es üblich, dass das Krankenhaus einem negativen MDK-Gutachten widersprechen kann. Dies wurde in der Praxis rechtlich unscharf als „Widerspruch“ benannt. Dabei handelt es sich hier nicht um einen förmlichen Widerspruch, sondern um eine Gegendarstellung. Eine explizite Rechtsgrundlage gab es dafür nicht. Die PrüfvV sieht daher auch kein „Widerspruchsverfahren“ vor. Selbstverständlich bleibt es jedoch dem Krankenhaus immer unbenommen, seine Auffassung dem MDK bzw. der Krankenkasse mitzuteilen. Einer formalen Regelung in der PrüfvV bedarf es hierzu nicht. Ändern der MDK bzw. die Krankenkasse ihre Auffassung nicht, bleibt nur die Möglichkeit, ggf. den Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs. 4 KHG anzurufen oder direkt Klage vor dem Sozialgericht zu erheben.

 

FAQ 4:

 

Ist der MDK verpflichtet, das MDK-Gutachten an das Krankenhaus zu übermitteln?

 

Antwort (04.09.2014):

 

§ 8 Abs. 1 Satz 1 PrüfvV regelt, dass die Krankenkasse dem Krankenhaus ihre abschließende Leistungsentscheidung mitzuteilen und die wesentlichen Gründen hierfür darzulegen hat. Nicht geregelt ist die Frage, ob das Krankenhaus einen Anspruch auf Übermittlung des MDK-Gutachtens hat. Die diesbezüglichen Rechtspflichten ergeben sich aus § 277 Abs. 1 SGB V, wonach der MDK verpflichtet ist, dem Krankenhaus das Ergebnis der Begutachtung mitzuteilen. Einen Anspruch auf das Komplettgutachten folgt daraus nicht. Allerdings können Landesregelungen (Landesverträge nach § 112 Abs. 2 SGB V) eine Übermittlung des MDK-Gutachtens vorsehen (z.B. § 2 Abs. 7 KÜV NRW). Nach § 11 Satz 2 PrüfvV handelt es sich diesbezüglich um eine ergänzende Landesregelung, die zulässig ist.

 

FAQ 5:

 

§ 7 Abs. 5 PrüfvV sieht eine einmalige Korrektur/Ergänzung der Datensätze durch das Krankenhaus innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des Prüfverfahrens vor. Kann eine Korrektur/Ergänzung des Datensatzes auch dann noch erfolgen, wenn das Prüfverfahren vom MDK vor Ablauf der 5-Monats-Frist abgeschlossen wurde?

 

Antwort (06.10.2014):

 

Der MDK hat die Korrekturen/Ergänzungen von Datensätzen nach § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV zu berücksichtigen, wenn sie innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens an die Krankenkasse erfolgt sind. Aus § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV ist zunächst zu entnehmen, dass die Korrekturen/Ergänzungen von Datensätzen gegenüber der Krankenkasse zu erfolgen hat. Die Krankenkasse ist nach der Rechtsprechung des BSG „Herrin des Verfahrens“. Die Krankenkasse ist daher verpflichtet, den MDK mit einer erneuten Prüfung zu beauftragen. Nur so kann der MDK § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV Rechnung tragen und die Korrekturen/Ergänzungen in die Prüfung einzubeziehen.

 

FAQ 6:

 

Hat die Prüfung vor Ort durch den MDK Vorrang vor dem schriftlichen Verfahren?

 

Antwort (06.10.2014):

 

§ 7 Abs. 1 Satz 1 PrüfvV geht davon aus, dass sich MDK und Krankenhaus über die Form der Prüfung verständigen. Diese Verständigung kann auch fallbezogen unterschiedlich erfolgen. Die Letztentscheidung über die Form der Prüfung liegt jedoch beim MDK. Stimmt der MDK einer Prüfung vor Ort nicht ausdrücklich zu, erfolgt die Prüfung im schriftlichen Verfahren. Insoweit kann daher nicht von einem Vorrang des Prüfungsverfahrens vor Ort gesprochen werden.

 

FAQ 7:

 

Fällt die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V an, wenn nach einer Korrektur/Ergänzung des Datensatzes durch das Krankenhaus, während des Prüfverfahrens, der MDK die Krankenhausrechnung „anerkennt“?

 

Antwort (06.10.2014):

 

Nach bisheriger Rechtsprechung des BSG kam es in erster Linie darauf an, ob die „Fehlangabe“ des Krankenhauses die Prüfung durch die Krankenkasse verursacht hatte. Nunmehr gilt § 7 Abs. 5 Satz 5 PrüfvV. Danach findet die Regelung über die Aufwandspauschale keine Anwendung auf Prüfungen, die auf Grund von Korrekturen nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führen. Damit wird nach wie vor ein Kausalitätsverhältnis zwischen der Korrektur des Datensatzes und der Nichtminderung verlangt. War die Korrektur, z.B. einer Nebendiagnose, von vornherein nicht erlösrelevant, steht sie nicht im kausalen Zusammenhang mit der Nichtminderung der Rechnung. In diesem Fall sollte die Aufwandspauschale nach wie vor geltend gemacht werden. Des Weiteren findet § 7 Abs. 5 Satz 5 PrüfvV seinem Wortlaut nach nicht auf Ergänzungen des Datensatzes Anwendung. Wird z.B. eine weitere Nebendiagnose ergänzt, kann auch hier die Aufwandspauschale bei Nichtminderung der Rechnung in Betracht kommen.

 

FAQ 8:

 

Vertragliche Regelungen nach § 112 SGB V auf Landesebene sehen ein Aufrechnungsverbot für die Krankenkassen vor. Gilt diese Regelung nach wie vor?

 

Antwort (06.10.2014):

 

Ein landesvertragliches Aufrechnungsverbot ist nicht mehr zulässig. § 9 Satz 1 PrüfvV gestattet den Krankenkassen mit einem fristgerecht mitgeteilten Erstattungsanspruch aufzurechnen. Die Aufrechnung durch die Krankenkasse mit einem unstreitigen Leistungsanspruch setzt jedoch voraus, dass die Krankenkasse ihren Erstattungsanspruch innerhalb von 9 Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige dem Krankenhaus mitgeteilt hat. Dies ist eine Ausschlussfrist. Daraus ist zu schließen, dass eine nicht fristgerechte Mitteilung eines Erstattungsanspruches dazu führt, dass die Krankenkasse diesen nicht mehr geltend machen kann. Somit kann sie dann auch nicht mehr aufrechnen.

 

FAQ 9:

 

§ 3 Satz 3 PrüfvV regelt, dass die Krankenhäuser ihre Mitwirkungsobliegenheiten zu erfüllen haben. Was ist damit gemeint?

 

Antwort (12.12.2014):

 

In erster Linie stellt § 3 Satz 3 PrüfvV auf die Datenübermittlungspflicht aus § 301 und ergänzende landesvertragliche Bestimmungen ab. Durch das Wort „insbesondere“ wird jedoch klargestellt, dass weitere Mitwirkungsobliegenheiten der Krankenhäuser in Betracht kommen können. Gesetzliche Grundlage für eine Auskunftspflicht des Krankenhauses im Verhältnis zu den Krankenkassen ist § 284 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 8 SGB V. Als Mitwirkungsobliegenheit hat die Rechtsprechung z.B. die Auskunft des Krankenhauses an die Krankenkasse angesehen, warum anstelle einer ambulanten Behandlung eine stationäre Behandlung durchgeführt wurde (z.B. Leistungen im Bereich des AOP-Vertrages). Des Weiteren hat die Rechtsprechung eine Auskunftspflicht bejaht, wenn eine stationär durchgeführte Leistung grundsätzlich dem vertragsärztlichen Bereich zugewiesen wurde. Das Krankenhaus muss selbst seine primären Informationspflichten ordnungsgemäß erfüllen. Es hat ggf. für die Auslegung und Anwendung von Abrechnungsvorschriften eine erweiterte Informationspflicht gegenüber den Krankenkassen (siehe BSG, Urteil vom 22.04.2009, Az.: B 3 KR 24/07 R, Urteil vom 13.11.2012, B 1 KR 14/12 R und Urteil vom 21.03.2013, Az.: B 3 KR 28/12 R).

 

Nicht dazu gehört die Übersendung von Krankenunterlagen an die Krankenkassen. Hierzu hat der MDK aus Datenschutzgründen das exklusive Einsichtsrecht.

 

Nach bisheriger Rechtsprechung des BSG kann die versäumte Mitwirkungsobliegenheit auch nachgeholt werden (z.B. der Grund der Aufnahme bei Leistungen nach dem AOP-Vertrag). Allerdings wird die Forderung erst zum Zeitpunkt des Zugangs der Mitteilung an die Krankenkasse fällig, so dass sich der Fälligkeitszeitpunkt der Rechnung hinausschiebt (BSG, Urteil vom 21.03.2013, B 3 KR 28/12 R).

 

Erfüllt das Krankenhaus nicht vollständig seine Mitwirkungsobliegenheiten, wird der Zahlungsanspruch des Krankenhauses nicht fällig und es liegen noch keine vollständigen Abrechnungsdaten, also die erforderlichen zahlungsbegründenden Unterlagen nach § 3 Satz 2 PrüfvV, vor. Des Weiteren läuft die in § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V geregelte 6-Wochen-Frist nicht an.

 

FAQ 10:

 

Ist es zulässig, nach Einleitung und Anzeige des Prüfverfahrens dem MDK über die Anforderung der vorzulegenden Unterlagen hinaus die vollständige Krankenakte zur Verfügung zu stellen?

 

Antwort (24.10.2014):

 

Die Unterlagenanforderung bei Durchführung einer MDK-Prüfung ist in § 7 Abs. 2 Satz 2 und 3 PrüfvV geregelt. Danach bestimmt der MDK, welche Unterlagen er zur Beurteilung der Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt. Diese Unterlagen hat das Krankenhaus an den MDK bei der Prüfung im schriftlichen Verfahren herauszugeben. Im Interesse des Datenschutzes der Patientinnen und Patienten kann nicht empfohlen werden, darüber hinaus gehende Unterlagen dem MDK zur Verfügung zu stellen. Ggf. könnte ein Patient sich auf die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht berufen, die nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbewehrt ist.

 

FAQ 11:

 

Welche Bedeutung hat die Regelung in § 3 PrüfvV, wonach die Krankenkasse die vom Krankenhaus übermittelten Leistungs- und Abrechnungsdaten nicht nur auf Korrektheit, sondern auch im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistungen überprüfen darf?

 

Antwort (24.10.2014):

 

Das Wirtschaftlichkeitsgebot folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V. § 12 Abs. 1 Satz 2 lautet: „Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.“

 

Krankenhäuser haben nach der jüngsten Rechtsprechung des BSG, das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Das Wirtschaftlichkeitsgebot zwingt die Krankenhäuser, bei der Behandlungsplanung die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativerhaltens zu prüfen (Urteil des BSG vom 01.07.2014, B 1 KR 62/12 R).

 

Diesen Grundsatz greift § 3 Satz 1 PrüfvV als eigenständigen Prüfungsbereich auf. Somit kann die Krankenkasse die Leistungs- und Abrechnungsdaten, die das Krankenhaus übermittelt hat, einer Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit unterziehen, und ggf. auch unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit vom MDK prüfen lassen, indem es ein Prüfverfahren nach § 4 PrüfvV einleitet. Hierbei muss sie dann neben der konkreten Angabe der Auffälligkeit die Art der Prüfung angeben (Fragen zur Voraussetzung bestimmter Maßnahmen, z.B. zur wirtschaftlichen Leistungserbringung).

 

FAQ 12:

 

Darf der MDK über den Prüfauftrag hinaus, der ihm von Krankenkassenseite mitgeteilt wurde, andere Fragestellungen in die Prüfung einbeziehen?

 

Antwort (12.11.2014)

 

Der MDK zeigt dem Krankenhaus die Einleitung der MDK-Prüfung, einschließlich des Datums seiner Beauftragung, unverzüglich an. Die von der Krankenkasse mitgeteilten Auffälligkeiten, die den Prüfungsauftrag bestimmen, sind dem Krankenhaus in der Prüfanzeige mitzuteilen und ggf. zu konkretisieren bzw. zu ergänzen. Allerdings ist der MDK auf den dort genannten Prüfauftrag nicht beschränkt. In § 6 Abs. 3 Satz 3 PrüfvV heißt es, dass der MDK auf den Prüfanlass nicht beschränkt ist. Dem Krankenhaus ist jedoch die Erweiterung des Prüfanlasses mitzuteilen.

 

FAQ 13:

 

Darf der MDK bei einer Erweiterung des Prüfauftrags (siehe  § 6 Abs. 3 Satz 4 PrüfvV) weitere, ergänzende Unterlagen beim Krankenhaus anfordern?

 

Antwort (12.11.2014)

 

Ja, im schriftlichen Verfahren bestimmt der MDK, welche Unterlagen er benötigt. Voraussetzung ist jedoch, dass eine wirksame Beauftragung des MDK innerhalb der in § 6 Abs. 2 PrüfvV geregelten Ausschlussfristen erfolgte. Ist eine Beauftragung des MDK wirksam und stellt er fest, dass er weitere Unterlagen zur Beurteilung der Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt, ist er berechtigt, ergänzende Unterlagen beim Krankenhaus anzufordern. Dies gilt auch bei einer Erweiterung des Prüfauftrags durch den MDK.

 

FAQ 14:

 

§ 7 Abs. 2 Satz 3 PrüvV sieht für die Übermittlung der Unterlagen an den MDK eine Frist von 4 Wochen vor. Läuft die 4-Wochen-Frist erneut, wenn der MDK weitere, ergänzende Unterlagen anfordert?

 

Antwort (12.11.2014)

 

Ja, davon ist auszugehen. § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüvV sieht eine 4-Wochen-Frist für die Übersendung von Unterlagen an den MDK zwingend vor. Wird diese Frist überschritten, besteht eine gravierende Sanktion: Das Krankenhaus hat nur noch einen Anspruch auf den unstrittigen Betrag, also den Betrag, der nicht Gegenstand der Prüfung ist. Diese Frist ist daher ernst zu nehmen, so dass zu empfehlen ist, für jedwede Anforderung von Krankenunterlagen durch den MDK die Frist zu beachten. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass ein geeigneter Nachweis der Zusendung an den MDK geführt werden kann. Für die Einhaltung der Frist kommt es nicht auf den Tag der Absendung, sondern auf den Zugang beim MDK an. Somit ist der normale Postlauf miteinzukalkulieren.

 

FAQ 15:

 

In welchen Fällen darf die Krankenkasse aufrechnen?

 

Antwort (12.11.2014):

 

§ 9 regelt die Aufrechnung im Geltungsbereich der PrüfvV. Ist ein Prüfverfahren nach § 4 PrüfvV von der Krankenkasse rechtmäßig eingeleitet worden, sieht § 9 Satz 1 PrüfvV zwei Fallgestaltungen vor, in denen aufgerechnet werden darf.

 

Aufgerechnet werden darf ein einvernehmlich als bestehend festgestellter Erstattungsanspruch (siehe § 5 Abs. 5 PrüfvV) oder ein nach § 8 PrüfvV (leistungsrechtliche Entscheidung) fristgerecht mitgeteilter Erstattungsanspruch.

 

FAQ 16:

 

Kann in der Informationsübermittlungsvereinbarung nach § 10 PrüvV auch die Anforderung von Krankenunterlagen von dem MDK nach § 7 Abs. 2 PrüfvV geregelt werden?

 

Antwort (12.11.2014):

 

§ 10 PrüfvV stellt auf die Informationsübermittlung zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern ab. Die Informationsübermittlung zwischen MDK und Krankenhaus ist dort nicht geregelt. Diese erfolgt daher in üblicher Form.

 

FAQ 17:

 

Kann vom MDK ein Nachweis des Zugangs der übersandten Unterlagen gefordert werden?

 

Antwort (12.12.2014):

 

Der MDK kann im schriftlichen Verfahren nach § 7 Abs. 2 Satz 2 PrüfvV vom Krankenhaus die Übersendung von Krankenunterlagen verlangen, die er zur Prüfung benötigt. Nach Zugang der Unterlagenanforderung muss das Krankenhaus die Unterlagen innerhalb von vier Wochen an den MDK übermitteln.

 

Vorliegend handelt es sich um zwei empfangsbedürftige Willenserklärungen: Der MDK muss den Zeitpunkt des Zugangs der Unterlagenanforderung nachweisen, das Krankenhaus den Zugang der an den MDK übersandten Unterlagen.

 

Zugegangen sind Willenserklärungen bzw. Unterlagen, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt sind, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Briefe gehen mit der Aushändigung an den Empfänger zu. Der Einwurf in einen Briefkasten bewirkt den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme zu rechnen ist. Als Zustellformen kommen in erster Linie Einschreibebrief und Einwurf-Einschreiben in Betracht.

 

Die Beweislast des Zugangs trägt derjenige, der sich auf den Zugang beruft. Soweit es auf die Rechtzeitigkeit des Zugangs wie hier nach § 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV ankommt, muss die beweisbelastete Partei auch den Zeitpunkt des Zugangs (nicht: Zeitpunkt des Absendens) nachweisen.

 

Für Postsendungen, Zugang von Telefaxen, Einschreibebrief gibt es keinen Anscheinsbeweis, dass eine aufgegebene Sendung den Empfänger erreicht.

 

Sowohl der MDK als auch das Krankenhaus muss daher im Streitfall den Zeitpunkt des Zugangs beim Anderen nachweisen. Gelingt dies nicht, trägt die jeweilige Partei die damit verbundenen Nachteile.

 

Mit dem MDK könnte vereinbart werden, dass er ein vom Krankenhaus vorbereitetes Empfangsbekenntnis mit Bestätigung des Zugangs der übersandten Unterlagen unterschreibt. Ein Anspruch auf Bestätigung des Empfanges durch den MDK besteht nach § 7 Abs. 2 PrüfvV jedoch nicht.

 

FAQ 18:

 

Welche rechtlichen Konsequenzen sind mit der Nichteinhaltung der in § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV geregelten 4-Wochen-Frist verbunden?

 

(Antwort (12.12.2014):

 

§ 7 Abs. 2 Satz 4 PrüfvV enthält bei Nichteinhaltung der 4-Wochen-Frist eine Sanktion: Der Anspruch des Krankenhauses beschränkt sich auf den unstrittigen Rechnungsbetrag.

 

Dies bedeutet zunächst, dass das Krankenhaus einen Rechtsanspruch auf den unstreitigen Rechnungsbetrag hat, der vor dem Schlichtungsausschuss bzw. den Sozialgerichten durchgesetzt werden kann. Ggf. muss nachträglich inhaltlich geklärt werden, welcher Betrag streitig ist. Dabei muss in erster Linie auf den Prüfungsauftrag und die mitgeteilten Auffälligkeiten abgestellt werden (Prüfanlass). Des Weiteren ist zu beachten, dass nach § 6 Abs. 3 Satz 3 PrüfvV eine Erweiterung des Prüfanlasses durch den MDK möglich ist. Die Erweiterung des Prüfanlasses unterliegt jedoch einer Anzeigepflicht nach § 6 Abs. 3 Satz 4 PrüfvV. Erfolgte keine Anzeige der Erweiterung des Prüfanlasses ist von dem bisherigen Prüfungsauftrag auszugehen. Dieser bestimmt daher den streitigen Teil des Rechnungsbetrages.

 

Beispiele:

 

Stellt die Krankenkasse die Notwendigkeit des Krankenhausaufenthaltes insgesamt in Frage, ist Streitgegenstand die gesamte Krankenhausrechnung.

 

Bestreitet die Krankenkasse die Erfüllung eines Strukturmerkmals eines OPS-Kodes, beschränkt sich der Streitgegenstand darauf; ggf. ist daher eine Alternativberechnung für die Krankenhausbehandlung (ohne streitigen OPS-Kode) vorzunehmen.

 

Soll die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer geprüft werden, beschränkt sich der Streitgegenstand auf den daraus resultierenden Betrag, so dass eine Alternativberechnung ohne Überschreitung der oberen Grenzverweildauer vorzunehmen ist. Gleiches gilt für die Prüfung der unteren Grenzverweildauer.

 

FAQ 19:

 

Welche Möglichkeiten der Datenkorrektur-/ergänzung hat ein Krankenhaus nach der PrüfvV?

 

Antwort (12.12.2014):

 

Die in der PrüfvV vorgesehenen Möglichkeiten zur Korrektur/Ergänzung von Datensätzen richten sich nach bestimmten in der PrüfvV angegebenen Zeitabschnitten:

  • Zeitraum von bis zu 6 Wochen nach Einleitung des Prüfverfahrens (§ 5 Abs. 1 PrüfvV):

     

    In diesem Zeitraum kann der zunächst übermittelte Datensatz und ggf. eine Rechnung mehrfach korrigiert bzw. ergänzt werden. Eine Beschränkung der Zahl der Korrekturen bzw. Ergänzungen besteht nicht.

     

  • Zeitraum des Falldialogs (§ 5 Abs. 4 PrüfvV):

     

    Während des Falldialogs kann das Krankenhaus wiederum die Datensätze korrigieren. Die Anzahl der Möglichkeiten zur Datenkorrektur während des Falldialogs sind nicht begrenzt.

     

  • Zeitraum während des MDK-Prüfverfahrens (§ 7 Abs. 5 Satz 1 PrüfvV):

     

    Wurde ein MDK-Prüfverfahren rechtswirksam eingeleitet, besteht nur eine einmalige Korrektur/Ergänzung von Datensätzen durch das Krankenhaus (§ 7 Abs. 5 Satz 1 PrüfvV). Gleichzeitig wird hierfür eine Frist von 5 Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens vorgegeben. Datensatzkorrekturen-/ergänzungen werden nur dann prüfungsrelevant, wenn sie innerhalb von 5 Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens durch das Krankenhaus erfolgen.

     

    Wird der Prüfanlass nach § 6 Abs. 3 Satz 4 PrüfvV durch Prüfanzeige des MDK erweitert, besteht wiederum für das Krankenhaus eine einmalige Möglichkeit der Korrektur oder Ergänzung des Datensatzes. Auch hier ist die Korrektur/Ergänzung des Datensatzes innerhalb von 5 Monaten nach Anzeige der Erweiterung des Prüfanlasses vorzunehmen.

     

    FAQ 20:

     

    Was ist unter Korrektur/Ergänzung der Datensätze zu verstehen?

     

    Antwort (12.12.2014):

     

    Eine Definition der Korrektur und/oder Ergänzung von Datensätzen enthält die PrüfvV nicht. Allerdings stellt § 3 Abs. 1 Satz 2 PrüfvV bei der Definition der zahlungsbegründenden Unterlagen auf die Daten nach § 301 SGB V i.V.m. den hierzu getroffenen Vereinbarungen ab. Diese Daten sind korrekt und vollständig zu übermitteln. Wird eine dieser zahlungsbegründenden Daten geändert, handelt es sich um eine Korrektur. Werden neben den bisher übermittelten Daten zusätzliche zahlungsbegründende Daten angegeben, handelt es sich um eine Ergänzung.

     

    Aus der Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 PrüfvV kann geschlossen werden, dass nicht zahlungsbegründenden Daten, also Daten, die keinen Einfluss auf die Rechnungsstellung haben, im Sinne der PrüfvV keine Korrektur bzw. Ergänzung des Datensatzes darstellen. Danach wäre auch außerhalb der Vorgaben der PrüfvV zur Datensatzkorrektur-/ergänzung die nachträgliche Angabe einer nicht erlösrelevanten Nebendiagnose noch möglich.

     

    FAQ 21:

     

    Sind die Regelungen in Landesverträgen nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V zum Kurzberichtsverfahren noch anwendbar?

     

    Antwort (12.12.2014):

     

    In Landesverträgen nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung ist häufig eine Regelung über die Anforderung eines Kurzberichts enthalten (z.B. § 2 Abs. 1 Satz 1 Berliner Landesvertrag zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung; § 2 Abs. 1 Satz 1, 2 Rheinland-Pfälzischer Landesvertrag zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung).

     

    § 11 Satz 1 PrüfvV bestimmt, dass die Verfahrensregeln der PrüfvV landesvertraglichen Regelungen vorgehen. In einem Landesvertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V können daher nur Fragestellungen ergänzend geregelt werden, die nicht Gegenstand der PrüfvV sind.

     

    Der Kurzbericht dient dazu, vor Beauftragung des MDK eine Stellungnahme des Krankenhauses zur Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung einzuholen.

     

    Insoweit besteht eine Überschneidung mit dem in § 5 PrüfvV vorgesehenen Vorverfahren/Falldialog, die der Klärung des Krankenhausbehandlungsfalls vor Beauftragung des MDK dienen. Daraus könnte man den Schluss ziehen, dass das Kurzberichtsverfahren grundsätzlich obsolet ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich ein Falldialog durchgeführt wird, da § 11 PrüfvV allgemein den Vorrang der Prüfverfahrensvereinbarung anordnet.

     

    Es wird empfohlen, hierzu die Auffassung der jeweiligen Krankenhausgesellschaft einzuholen, die ggf. mit den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen abklären kann, inwieweit das Kurzberichtsverfahren noch durchgeführt werden soll.

     

    FAQ 22:

     

    Wie ist der Rechtsbegriff unverzüglich in § 6 Abs. 3 Satz 1 PrüfvV zu verstehen?

     

    Nach § 6 Abs. 3 PrüfvV hat der MDK dem Krankenhaus die Einleitung der MDK-Prüfung einschließlich des Datums seiner Beauftragung unverzüglich anzuzeigen.

     

    Nach der Legaldefinition in § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB bedeutet der Rechtsbegriff unverzüglich „ein Handeln ohne schuldhaftes Zögern“. Dieser im BGB verankerte Rechtsbegriff findet in anderen Rechtsbereichen Anwendung.

     

    Die unverzügliche Anzeigepflicht trifft den MDK als Körperschaft des öffentlichen Rechts und nicht einzelne Prüfärzte. Der MDK ist verpflichtet, die Anzeigepflicht ohne schuldhaftes Zögern zu erfüllen. Er hat daher Vorkehrungen für Abwesenheitszeiten wegen Urlaub, Krankheit, Fortbildung etc. einzelner Prüfärzte zu treffen.

     

    In anderen Rechtsbereichen wird eine Obergrenze von zwei Wochen angenommen, danach wird von einem schuldhaften Zögern auszugehen sein. Allerdings ist die nicht fristgerechte Anzeige in § 6 Abs. 3 Satz 1 PrüfvV nicht ausdrücklich sanktioniert. Unbeschadet dessen wird eine nicht fristgerechte Anzeige als Verletzung einer Mitwirkungsobliegenheit des MDK anzusehen sein, die sich die Krankenkasse zurechnen lassen muss.

 

  letzte Änderung: 09.08.2018 16:45:55
 
Newsletter wahlärztliche Leistung
 

Der liquidationsberechtigte Kreis von Wahlärzten nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG umfasst nicht Honorarärzte

BGH, Urteil vom 16.10.2014, III ZR 85/14

- wahlärztliche Leistung, Wahlleistungsvereinbarung, Privatabrede, Liquidation, Wahlarztkette, Honorararzt, Konsiliararzt, angestellter Arzt, Kooperationsarzt, beamteter Arzt, gesetzliches Verbot -

 

Der BGH hat sich mit der Frage befasst, ob der Honorararzt zu dem Kreis der liquidationsberechtigten Wahlärzte zählt. Er hat dies verneint.

 

Sachverhalt

 

In einem Krankenhaus war ein niedergelassener Facharzt für Neurochirurgie auf Grund einer Kooperationsvereinbarung als Honorararzt tätig. Eine Anstellung erfolgte nicht. Die bei der Klägerin (ein Privatversicherungsunternehmen) versicherte Patientin schloss eine Vereinbarung über „Behandlung gegen Privatrechnung“ mit dem beklagten Facharzt für Neurochirurgie. Des Weiteren schloss sie mit dem Krankenhaus eine Wahlleistungsvereinbarung.

 

Nach Durchführung der Operation liquidierte der Beklagte seine ärztlichen Leistungen gegenüber der Patientin. Diese beglich die Rechnung. Die Klägerin erstattete der Patientin den Rechnungsbetrag und ließ sich einen etwaigen Rückforderungsanspruch gegen den Beklagten abtreten.

 

Die Klägerin vertritt die Auffassung, der Beklagte sei nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG nicht liquidationsberechtigt. Sie erhob daher Klage gegen den Beklagten. Das Amtsgericht und das Landgericht haben den Rückforderungsanspruch der Klägerin bestätigt.

 

Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Arzt seine Rechtsauffassung weiter.

 

Entscheidungsgründe

 

Der BGH hat die Revision zurückgewiesen.

 

Er lässt sich von folgenden Rechtsgründen leiten:

 

§ 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG bestimme abschließend den Kreis der liquidationsberechtigten Ärzte des Krankenhauses. Insoweit beziehe sich § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG nur auf angestellte oder beamtete Ärzte des Krankenhauses. Damit sei der Kreis der liquidationsberechtigten Ärzte abschließend festgelegt; Kooperations-/Honorarärzte gehören nicht dazu.

 

Die Operation habe der Beklagte als Honorararzt erbracht. Darunter ist ein Facharzt zu verstehen, „der im stationären und/oder ambulanten Bereich des Krankenhauses ärztliche Leistungen für den Krankenhausträger erbringt, ohne bei diesem angestellt oder als Belegarzt oder Konsiliararzt tätig zu sein.“

 

Von der in § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG normierten Wahlarztkette werden nicht alle an der Behandlung beteiligten Ärzte umfasst; Honorarärzte fallen nicht darunter. § 17 Abs. 3 Satz 1 letzter HS KHEntgG beziehe sich zwar auch auf Leistungen von Ärzten und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses, soweit diese Leistungen im Rahmen der Behandlung des Patienten von angestellten oder beamteten Krankenhausärzten mit eigenem Liquidationsrecht veranlasst werden. Vorliegend sei die Operation des Beklagten jedoch auf Grund des Kooperationsvertrages mit dem Krankenhaus erfolgt und nicht auf Veranlassung eines angestellten oder beamteten Krankenhausarztes mit eigenem Liquidationsrecht.

 

Da die Wahlleistungsvereinbarung gegen ein gesetzliches Verbot verstoße, sei diese gem. § 134 BGB nichtig.

 

Letztlich verneint der BGH auch einen Anspruch auf Liquidation auf Grund der mit der Patientin geschlossenen „Vereinbarung über Behandlung gegen Privatrechnung“. § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG lege den Kreis der liquidationsberechtigten Wahlärzte abschließend fest. Hierbei handele es sich um eine dem Schutz des Privatpatienten dienende zwingende preisrechtliche Norm. Davon könne auch nicht durch eine individuelle Vergütungsvereinbarung abgewichen werden.

 

Anmerkung

 

Das Urteil des BGH zur Auslegung von § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG hat für die Krankenhausträger weitreichende Bedeutung. Danach sind Honorarärzte/Kooperationsärzte nicht in den Kreis der liquidationsberechtigten Ärzte einbezogen. Hierzu zählen angestellte und beamtete Ärzte des Krankenhauses mit Liquidationsberechtigung. Auch zur Wahlarztkette gehören Honorarärzte/Kooperationsärzte nicht. Nur soweit externe Fachärzte auf Veranlassung von angestellten bzw. beamteten Ärzten des Krankenhauses mit Liquidationsberechtigung tätig werden, sind sie in die Wahlarztkette mit einbezogen (§ 17 Abs. 3 Satz 1 letzter HS KHEntgG).

 

Im vorliegenden Fall war § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG i.d.F. des Psych-Entgeltgesetzes vom 21.07.2012 (BGBl. I, S. 1613) nicht relevant. § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG n.F. bestimmt seit 01.01.2013, dass Krankenhausleistungen auch durch nicht fest angestellte Ärztinnen und Ärzte erbracht werden dürfen. Aus der Gesetzesbegründung leitet der BGH her, dass sich die Neuregelung nur auf allgemeine Krankenhausleistungen, also nicht auf wahlärztliche Leistungen bezieht. § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG wurde nicht durch das Psych-Entgeltgesetz geändert. Daraus schließt der BGH, dass auch unter der Neuregelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG der Kreis der liquidationsberechtigten Ärzte sich auf angestellte bzw. beamtete Ärzte des Krankenhauses mit Liquidationsberechtigung beschränkt. Auch nach der Neuregelung gehören daher Honorarärzte/Kooperationsärzte  nicht zum Kreis der liquidationsberechtigten Ärzte.

 

Es kann daher auch an dieser Stelle nur die Empfehlung wiederholt werden, hinzugezogene niedergelassene Fachärzte im Krankenhaus anzustellen. Dies ist sowohl unter vertragsärztlichen Gesichtspunkten (§ 20 Ärzte-ZV) als auch unter krankenhausfinanzierungsrechtlichen Gesichtspunkten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG) der richtige Weg.  

  letzte Änderung: 09.08.2018 16:46:27
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FAQ-Liste zur Prüfverfahrensvereinbarung gem. § 17c Abs. 2 KHG
 

Letzte Aktualisierung am 12.11.2014

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

an dieser Stelle richte ich als besonderen Service eine FAQ-Liste zur Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) ein. Dort werden die sich in der Praxis ergebenden grundsätzlichen Fragestellungen zum Inhalt der PrüfvV nach bestem Wissen beantwortet. Sollten sich nachträglich neue Erkenntnisse ergeben, z.B. anhand der Rechtsprechung wird die FAQ-Liste überarbeitet. Der Stand der Beantwortung wird daher mit einem Datum verstehen.

 

Gleichzeitig bietet Ihnen die FAQ-Liste die Möglichkeit, Ihrerseits grundsätzliche Fragestellungen einzubringen unter ra1@medizinrecht-ra-mohr.de unter Angabe des Stichwortes „FAQ PrüfvV“. Die FAQ-Liste dient dabei nicht der Lösung konkreter Einzelfälle, sondern einer allgemeinen Interpretation der in der PrüfvV getroffenen Regelungen. Soweit ihre Fragen grundsätzliche Bedeutung haben, werden sie in die FAQ-Liste mit der entsprechenden Antwort aufgenommen. Eine individuelle Beratung kann jedoch in diesem Forum nicht erfolgen.

 

Folgende grundsätzliche Fragen stellen sich bereits:

 

1. Frage:

 

Reicht es aus, dass die Krankenkasse bei der Einleitung des Prüfverfahrens nach § 4 PrüfvV lediglich die Art der Prüfung (Teilprüfung, Vollprüfung, Fehlbelegungsprüfung oder Fragen zur Voraussetzung bestimmter Maßnahmen) benennt?

 

Antwort (04.09.2014):

 

§ 4 Abs. 1 Satz 1 PrüfvV bestimmt, dass die Krankenkasse Auffälligkeiten „so konkret wie möglich“ mitzuteilen hat. Durch die Worte „und hierzu zumindest die Art der Prüfung wie folgt zu bestimmen“ wird herausgestellt, dass die Art der Prüfung zusätzlich anzugeben ist. Andernfalls würde auch die Verpflichtung der Krankenkasse „die Auffälligkeiten so konkret wie möglich mitzuteilen“ leerlaufen. Im Übrigen ist die Angabe der Art der Prüfung keine Angabe einer Auffälligkeit.

 

2. Frage:

 

Muss der MDK bei einer Prüfung im schriftlichen Verfahren nach § 7 Abs. 2 Satz 2 PrüfvV die erforderlichen Unterlagen konkret benennen und bei dem Krankenhaus anfordern?

 

Antwort (04.09.2014):

 

Ja. § 7 Abs. 2 Satz 2 PrüfvV regelt, dass der MDK die Übersendung einer Kopie der Unterlagen verlangen kann, die er zur Prüfung benötigt. Des Weiteren spricht § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV von einer „Unterlagenanforderung“. Der MDK kann daher in seiner Anforderung nicht offenlassen, welche Unterlagen er zur Prüfung benötigt. Insbesondere darf er es nicht dem Krankenhaus selbst überlassen, welche Unterlagen übersandt werden sollen. Dies birgt die Gefahr für das Krankenhaus, dass ggf. unklar bleibt, ob es die Unterlagen innerhalb der vorgesehenen Frist von vier Wochen komplett übersandt hat. Das Krankenhaus sollte daher ggf. konkret beim MDK nachfragen, welche Unterlagen dieser für erforderlich hält.

 

3. Frage:

 

Sieht die PrüfvV ein Widerspruchsverfahren vor?

 

Antwort (04.09.2014):

 

Bisher war es üblich, dass das Krankenhaus einem negativen MDK-Gutachten widersprechen kann. Dies wurde in der Praxis rechtlich unscharf als „Widerspruch“ benannt. Dabei handelt es sich hier nicht um einen förmlichen Widerspruch, sondern um eine Gegendarstellung. Eine explizite Rechtsgrundlage gab es dafür nicht. Die PrüfvV sieht daher auch kein „Widerspruchsverfahren“ vor. Selbstverständlich bleibt es jedoch dem Krankenhaus immer unbenommen, seine Auffassung dem MDK bzw. der Krankenkasse mitzuteilen. Einer formalen Regelung in der PrüfvV bedarf es hierzu nicht. Ändern der MDK bzw. die Krankenkasse ihre Auffassung nicht, bleibt nur die Möglichkeit, ggf. den Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs. 4 KHG anzurufen oder direkt Klage vor dem Sozialgericht zu erheben.

 

4. Frage:

 

Ist der MDK verpflichtet, das MDK-Gutachten an das Krankenhaus zu übermitteln?

 

Antwort (04.09.2014):

 

§ 8 Abs. 1 Satz 1 PrüfvV regelt, dass die Krankenkasse dem Krankenhaus ihre abschließende Leistungsentscheidung mitzuteilen und die wesentlichen Gründen hierfür darzulegen hat. Nicht geregelt ist die Frage, ob das Krankenhaus einen Anspruch auf Übermittlung des MDK-Gutachtens hat. Die diesbezüglichen Rechtspflichten ergeben sich aus § 277 Abs. 1 SGB V, wonach der MDK verpflichtet ist, dem Krankenhaus das Ergebnis der Begutachtung mitzuteilen. Einen Anspruch auf das Komplettgutachten folgt daraus nicht. Allerdings können Landesregelungen (Landesverträge nach § 112 Abs. 2 SGB V) eine Übermittlung des MDK-Gutachtens vorsehen (z.B. § 2 Abs. 7 KÜV NRW). Nach § 11 Satz 2 PrüfvV handelt es sich diesbezüglich um eine ergänzende Landesregelung, die zulässig ist.

 

5. Frage:

 

§ 7 Abs. 5 PrüfvV sieht eine einmalige Korrektur/Ergänzung der Datensätze durch das Krankenhaus innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des Prüfverfahrens vor. Kann eine Korrektur/Ergänzung des Datensatzes auch dann noch erfolgen, wenn das Prüfverfahren vom MDK vor Ablauf der 5-Monats-Frist abgeschlossen wurde?

 

Antwort (06.10.2014):

 

Der MDK hat die Korrekturen/Ergänzungen von Datensätzen nach § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV zu berücksichtigen, wenn sie innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens an die Krankenkasse erfolgt sind. Aus § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV ist zunächst zu entnehmen, dass die Korrekturen/Ergänzungen von Datensätzen gegenüber der Krankenkasse zu erfolgen hat. Die Krankenkasse ist nach der Rechtsprechung des BSG „Herrin des Verfahrens“. Die Krankenkasse ist daher verpflichtet, den MDK mit einer erneuten Prüfung zu beauftragen. Nur so kann der MDK § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV Rechnung tragen und die Korrekturen/Ergänzungen in die Prüfung einzubeziehen.

 

6. Frage:

 

Hat die Prüfung vor Ort durch den MDK Vorrang vor dem schriftlichen Verfahren?

 

Antwort (06.10.2014):

 

§ 7 Abs. 1 Satz 1 PrüfvV geht davon aus, dass sich MDK und Krankenhaus über die Form der Prüfung verständigen. Diese Verständigung kann auch fallbezogen unterschiedlich erfolgen. Die Letztentscheidung über die Form der Prüfung liegt jedoch beim MDK. Stimmt der MDK einer Prüfung vor Ort nicht ausdrücklich zu, erfolgt die Prüfung im schriftlichen Verfahren. Insoweit kann daher nicht von einem Vorrang des Prüfungsverfahrens vor Ort gesprochen werden.

 

7. Frage:

 

Fällt die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V an, wenn nach einer Korrektur/Ergänzung des Datensatzes durch das Krankenhaus, während des Prüfverfahrens, der MDK die Krankenhausrechnung „anerkennt“?

 

Antwort (06.10.2014):

 

Nach bisheriger Rechtsprechung des BSG kam es in erster Linie darauf an, ob die „Fehlangabe“ des Krankenhauses die Prüfung durch die Krankenkasse verursacht hatte. Nunmehr gilt § 7 Abs. 5 Satz 5 PrüfvV. Danach findet die Regelung über die Aufwandspauschale keine Anwendung auf Prüfungen, die auf Grund von Korrekturen nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führen. Damit wird nach wie vor ein Kausalitätsverhältnis zwischen der Korrektur des Datensatzes und der Nichtminderung verlangt. War die Korrektur, z.B. einer Nebendiagnose, von vornherein nicht erlösrelevant, steht sie nicht im kausalen Zusammenhang mit der Nichtminderung der Rechnung. In diesem Fall sollte die Aufwandspauschale nach wie vor geltend gemacht werden. Des Weiteren findet § 7 Abs. 5 Satz 5 PrüfvV seinem Wortlaut nach nicht auf Ergänzungen des Datensatzes Anwendung. Wird z.B. eine weitere Nebendiagnose ergänzt, kann auch hier die Aufwandspauschale bei Nichtminderung der Rechnung in Betracht kommen.

 

8. Frage:

 

Vertragliche Regelungen nach § 112 SGB V auf Landesebene sehen ein Aufrechnungsverbot für die Krankenkassen vor. Gilt diese Regelung nach wie vor?

 

Antwort (06.10.2014):

 

Ein landesvertragliches Aufrechnungsverbot ist nicht mehr zulässig. § 9 Satz 1 PrüfvV gestattet den Krankenkassen mit einem fristgerecht mitgeteilten Erstattungsanspruch aufzurechnen. Die Aufrechnung durch die Krankenkasse mit einem unstreitigen Leistungsanspruch setzt jedoch voraus, dass die Krankenkasse ihren Erstattungsanspruch innerhalb von 9 Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige dem Krankenhaus mitgeteilt hat. Dies ist eine Ausschlussfrist. Daraus ist zu schließen, dass eine nicht fristgerechte Mitteilung eines Erstattungsanspruches dazu führt, dass die Krankenkasse diesen nicht mehr geltend machen kann. Somit kann sie dann auch nicht mehr aufrechnen.

 

9. Frage:

 

§ 3 Satz 3 PrüfvV regelt, dass die Krankenhäuser ihre Mitwirkungsobliegenheiten zu erfüllen haben. Was ist damit gemeint?

 

Antwort (24.10.2014):

 

In erster Linie stellt § 3 Satz 3 PrüfvV auf die Datenübermittlungspflicht aus § 301 und ergänzende landesvertragliche Bestimmungen ab. Durch das Wort „insbesondere“ wird jedoch klargestellt, dass weitere Mitwirkungsobliegenheiten der Krankenhäuser in Betracht kommen können. Gesetzliche Grundlage für eine Auskunftspflicht des Krankenhauses im Verhältnis zu den Krankenkassen ist § 284 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 8 SGB V. Als Mitwirkungsobliegenheit hat die Rechtsprechung z.B. die Auskunft des Krankenhauses an die Krankenkasse angesehen, warum anstelle einer ambulanten Behandlung eine stationäre Behandlung durchgeführt wurde (z.B. Leistungen im Bereich des AOP-Vertrages). Des Weiteren hat die Rechtsprechung eine Auskunftspflicht bejaht, wenn eine stationär durchgeführte Leistung grundsätzlich dem vertragsärztlichen Bereich zugewiesen wurde. Das Krankenhaus muss selbst seine primären Informationspflichten ordnungsgemäß erfüllen. Es hat ggf. für die Auslegung und Anwendung von Abrechnungsvorschriften eine erweiterte Informationspflicht gegenüber den Krankenkassen (siehe BSG, Urteil vom 22.04.2009, Az.: B 3 KR 24/07 R, Urteil vom 13.11.2012, B 1 KR 14/12 R und Urteil vom 21.03.2013, Az.: B 3 KR 28/12 R).

 

Nicht dazu gehört die Übersendung von Krankenunterlagen an die Krankenkassen. Hierzu hat der MDK aus Datenschutzgründen das exklusive Einsichtsrecht.

 

Erfüllt das Krankenhaus nicht vollständig seine Mitwirkungsobliegenheiten, wird der Zahlungsanspruch des Krankenhauses nicht fällig und es liegen noch keine vollständigen Abrechnungsdaten, also die erforderlichen zahlungsbegründenden Unterlagen nach § 3 Satz 2 PrüfvV, vor. Des Weiteren läuft die in § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V geregelte 6-Wochen-Frist nicht an.

 

10. Frage:

 

Ist es zulässig, nach Einleitung und Anzeige des Prüfverfahrens dem MDK über die Anforderung der vorzulegenden Unterlagen hinaus die vollständige Krankenakte zur Verfügung zu stellen?

 

Antwort (24.10.2014):

 

Die Unterlagenanforderung bei Durchführung einer MDK-Prüfung ist in § 7 Abs. 2 Satz 2 und 3 PrüfvV geregelt. Danach bestimmt der MDK, welche Unterlagen er zur Beurteilung der Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt. Diese Unterlagen hat das Krankenhaus an den MDK bei der Prüfung im schriftlichen Verfahren herauszugeben. Im Interesse des Datenschutzes der Patientinnen und Patienten kann nicht empfohlen werden, darüber hinaus gehende Unterlagen dem MDK zur Verfügung zu stellen. Ggf. könnte ein Patient sich auf die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht berufen, die nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbewehrt ist.

 

11. Frage:

 

Welche Bedeutung hat die Regelung in § 3 PrüfvV, wonach die Krankenkasse die vom Krankenhaus übermittelten Leistungs- und Abrechnungsdaten nicht nur auf Korrektheit, sondern auch im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistungen überprüfen darf?

 

Antwort (24.10.2014):

 

Das Wirtschaftlichkeitsgebot folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V. § 12 Abs. 1 Satz 2 lautet: „Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.“

 

Krankenhäuser haben nach der jüngsten Rechtsprechung des BSG, das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Das Wirtschaftlichkeitsgebot zwingt die Krankenhäuser, bei der Behandlungsplanung die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativerhaltens zu prüfen (Urteil des BSG vom 01.07.2014, B 1 KR 62/12 R).

 

Diesen Grundsatz greift § 3 Satz 1 PrüfvV als eigenständigen Prüfungsbereich auf. Somit kann die Krankenkasse die Leistungs- und Abrechnungsdaten, die das Krankenhaus übermittelt hat, einer Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit unterziehen, und ggf. auch unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit vom MDK prüfen lassen, indem es ein Prüfverfahren nach § 4 PrüfvV einleitet. Hierbei muss sie dann neben der konkreten Angabe der Auffälligkeit die Art der Prüfung angeben (Fragen zur Voraussetzung bestimmter Maßnahmen, z.B. zur wirtschaftlichen Leistungserbringung).

 

12. Frage

 

Darf der MDK über den Prüfauftrag hinaus, der ihm von Krankenkassenseite mitgeteilt wurde, andere Fragestellungen in die Prüfung einbeziehen?

 

Antwort (12.11.2014)

 

Der MDK zeigt dem Krankenhaus die Einleitung der MDK-Prüfung, einschließlich des Datums seiner Beauftragung, unverzüglich an. Die von der Krankenkasse mitgeteilten Auffälligkeiten, die den Prüfungsauftrag bestimmen, sind dem Krankenhaus in der Prüfanzeige mitzuteilen und ggf. zu konkretisieren bzw. zu ergänzen. Allerdings ist der MDK auf den dort genannten Prüfauftrag nicht beschränkt. In § 6 Abs. 3 Satz 3 PrüfvV heißt es, dass der MDK auf den Prüfanlass nicht beschränkt ist. Dem Krankenhaus ist jedoch die Erweiterung des Prüfanlasses mitzuteilen.

 

13. Frage

 

Darf der MDK bei einer Erweiterung des Prüfauftrags (siehe  § 6 Abs. 3 Satz 4 PrüfvV) weitere, ergänzende Unterlagen beim Krankenhaus anfordern?

 

Antwort (12.11.2014)

 

Ja, im schriftlichen Verfahren bestimmt der MDK, welche Unterlagen er benötigt. Voraussetzung ist jedoch, dass eine wirksame Beauftragung des MDK innerhalb der in § 6 Abs. 2 PrüfvV geregelten Ausschlussfristen erfolgte. Ist eine Beauftragung des MDK wirksam und stellt er fest, dass er weitere Unterlagen zur Beurteilung der Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt, ist er berechtigt, ergänzende Unterlagen beim Krankenhaus anzufordern. Dies gilt auch bei einer Erweiterung des Prüfauftrags durch den MDK.

 

14. Frage

 

§ 7 Abs. 2 Satz 3 PrüvV sieht für die Übermittlung der Unterlagen an den MDK eine Frist von 4 Wochen vor. Läuft die 4-Wochen-Frist erneut, wenn der MDK weitere, ergänzende Unterlagen anfordert?

 

Antwort (12.11.2014):

 

Ja, davon ist auszugehen. § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüvV sieht eine 4-Wochen-Frist für die Übersendung von Unterlagen an den MDK zwingend vor. Wird diese Frist überschritten, besteht eine gravierende Sanktion: Das Krankenhaus hat nur noch einen Anspruch auf den unstrittigen Betrag, also den Betrag, der nicht Gegenstand der Prüfung ist. Diese Frist ist daher ernst zu nehmen, so dass zu empfehlen ist, für jedwede Anforderung von Krankenunterlagen durch den MDK die Frist zu beachten. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass ein geeigneter Nachweis der Zusendung an den MDK geführt werden kann. Für die Einhaltung der Frist kommt es nicht auf den Tag der Absendung, sondern auf den Zugang beim MDK an. Somit ist der normale Postlauf miteinzukalkulieren.

 

15. Frage

 

In welchen Fällen darf die Krankenkasse aufrechnen?

 

Antwort (12.11.2014):

 

§ 9 regelt die Aufrechnung im Geltungsbereich der PrüfvV. Ist ein Prüfverfahren nach § 4 PrüfvV von der Krankenkasse rechtmäßig eingeleitet worden, sieht § 9 Satz 1 PrüfvV zwei Fallgestaltungen vor, in denen aufgerechnet werden darf.

 

Aufgerechnet werden darf ein einvernehmlich als bestehend festgestellter Erstattungsanspruch (siehe § 5 Abs. 5 PrüfvV) oder  ein nach § 8 PrüfvV (leistungsrechtliche Entscheidung) fristgerecht mitgeteilter Erstattungsanspruch.

 

16. Frage

 

Kann in der Informationsübermittlungsvereinbarung nach § 10 PrüvV auch die Anforderung von Krankenunterlagen von dem MDK nach § 7 Abs. 2 PrüfvV geregelt werden?

 

Antwort (12.11.2014):

 

§ 10 PrüfvV stellt auf die Informationsübermittlung zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern ab. Die Informationsübermittlung zwischen MDK und Krankenhaus ist dort nicht geregelt. Diese erfolgt daher in üblicher Form.

 

Mainz, den 12.11.2014

 

Friedrich W. Mohr

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht

 

  letzte Änderung: 09.08.2018 16:46:50
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Newsletter Wirtschaftlichkeitsgebot
 

Krankenhäuser haben das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Das Wirtschaftlichkeitsgebot zwingt Krankenhäuser, bei der Behandlungsplanung die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativerhaltens zu prüfen. Wählt das Krankenhaus einen unwirtschaftlichen Behandlungsweg, kann es allenfalls die Vergütung beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativerhalten angefallen wäre.

Urteil des BSG vom 01.07.2014, B 1 KR 62/12 R

 

- Wirtschaftlichkeitsgebot, Vergütungsanspruch, fiktiver Vergütungsanspruch, Alternativverhalten, unwirtschaftliche Behandlung -

 

Das BSG hat sich mit Urteil vom 01.07.2014, B 1 KR 62/12 R, grundsätzlich mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot befasst. Es kam zu der Auffassung, Krankenhäuser hätten – wie andere Leistungserbringer auch – das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Eine Vergütung fällt insoweit nur in Höhe der wirtschaftlich gerechtfertigten Behandlungsweise an (fiktives wirtschaftliches Alternativverhalten).

 

Sachverhalt

 

Das Krankenhaus behandelte eine Patientin vom 05.-15.11.2004 wegen eines akuten Herzinfarkts. Es plante eine Linksherzkatheteruntersuchung mit Koronarangiographie, für die eine Krankenhausaufnahme vom 22.11.2004 bis zum 24.11.2004 vorgesehen war. Die Patientin wurde dementsprechend in diesem Zeitraum erneut vollstationär aufgenommen.

 

Das Krankenhaus berechnete für die erste Behandlung die DRG-Fallpauschale F60B und für die zweite Behandlung die F41B. Der von der Krankenkasse eingeschaltete MDK hielt lediglich die DRG F41B für den zweiten Krankenhausaufenthalt für gerechtfertigt. Die Krankenkasse ging davon aus, dass die Patientin allein aus wirtschaftlichen Gründen vorzeitig entlassen worden sei, um die eigentlich bereits indizierte Diagnostik in einem zweiten Aufenthalt durchzuführen.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG hält eine Prüfung des Krankenhauses für notwendig, ob sich eine wirtschaftlichere Alternative zur tatsächlichen eingeschlagenen Behandlungsweise angeboten hätte. Unstreitig sei, dass die Patientin wegen Herzinfarkts eine stationäre Krankenhausbehandlung einschließlich einer Linksherzkatheteruntersuchung mit Koronargiographie bedurfte.

 

Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegungen des BSG ist das Wirtschaftlichkeitsgebot, das nach § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1, § 70 Abs. 1 SGB V für alle Leistungserbringer gilt. Danach trifft die Krankenhäuser die Pflicht, nur solche Leistungen zu bewirken, die ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind und die das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.

 

Daraus folge, dass Krankenhäuser nur Vergütungsansprüche für eine wirtschaftliche Behandlung haben. Dabei verweist das BSG auf die wirtschaftliche Aufklärungspflicht gegenüber Privatpatienten. Es würde merkwürdig anmuten, bei Krankenhäusern im Bereich der GKV andere Maßstäbe anzulegen.

 

Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit erfordere, dass bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind (BSG, a.a.O., Rdz. 24).

 

Bezogen auf den konkreten Fall stellt das BSG fest, dass das Krankenhaus prüfen musste, ob verschiedene gleich zweckmäßige und notwendige Behandlungsmöglichkeiten bestanden. Das Krankenhaus müsse die Kosten von Alternativen für den hiermit zu erzielenden gleichen zu erwartenden Erfolg miteinander vergleichen und den dann kostengünstigeren Weg wählen. Z.B. hätte das Krankenhaus prüfen müssen, ob die Gesamtbehandlung innerhalb eines einzigen Behandlungszeitraums hätte erfolgen können.

 

Die Höhe des Vergütungsanspruches richte sich dann auf die Höhe der Vergütung bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten. Bereits unter Geltung der BPflV im somatischen Bereich waren die nicht erforderlichen Tage der Krankenhausbehandlung nicht zu berücksichtigen, ohne dass eine ausdrückliche Regelung in der BPflV bestand.

 

Abschließend stellt das BSG fest, es sei danach nicht geboten, zu einem völligen Vergütungsausschluss zu kommen.

 

Da letztlich nicht feststand, in welcher Höhe der Anspruch auf Vergütung im Rahmen einer fiktiven wirtschaftlichen Alternative bestand, wies das BSG die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück.

 

Anmerkung

 

Mit diesem Urteil hat das BSG eine Grundsatzentscheidung zur Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V gefällt. § 12 Abs. 1 Satz 2 lautet: „Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.“

 

Das BSG geht davon aus, dass die behandelnden Krankenhausärzte Alternativen der Behandlung in Erwägung ziehen, die ggf. wirtschaftlicher, also kostengünstiger, für die Krankenkassen sind. Stellt sich eine wirtschaftlichere Alternative heraus, beschränkt sich der Vergütungsanspruch auf die Vergütung für die fiktive wirtschaftliche Alternative.

 

Den Nachweis der Wirtschaftlichkeit hat das Krankenhaus zu führen. Es wird daher empfohlen, bei der Dokumentation des Behandlungsfalles zu begründen, welche wirtschaftlicheren Alternativen bestanden haben und warum – aus medizinischen Gründen – der eingeschlagene Behandlungsweg verfolgt wurde.

 

Zu beachten ist zudem, dass die ab 01.01.2015 geltende Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) ausdrücklich in § 3 Satz 1 PrüfvV ein Prüfungsrecht der Krankenkassen „im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistungen“ vorsieht.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 09.08.2018 16:47:38
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Newsletter Mindestmenge
 

Der GBA war befugt, in der Mindestmengenvereinbarung gemäß § 137 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 SGB V eine jährliche Mindestmenge von 50 Kniegelenktotalendoprothesen (Knie-TEPs) im Kalenderjahr je Betriebsstätte festzulegen.

Urteil des BSG vom 14.10.2014, B 1 KR 33/13 R

- Mindestmenge, GBA, Knie-TEP, Qualitätssicherung -

 

Im Rahmen eines Rechtsstreits über die Vergütung des Krankenhauses hat das BSG inzidenter die Rechtmäßigkeit der Mindestmengenregelung des GBA zu Knie-TEPs geprüft. Er kommt zum Schluss, dass die diesbezügliche Mindestmengenregelung vom GBA rechtmäßig ist.

 

Sachverhalt 

 

Die klagende Krankenhausträgerin behandelte eine Patientin Anfang 2006 wegen eines Binnenschadens an einem Kniegelenk und rechnete hierfür die DRG I44B (verschiedene Endoprotheseneingriffe am Kniegelenk) ab. Das SG hat die Klage abgewiesen, das LSG hat die beklagte Krankenkasse zur Zahlung verurteilt. Es vertrat die Auffassung, dass das Krankenhaus davon ausgehen durfte, die Mindestmenge im Jahr 2006 wieder zu erreichen, nachdem es im Jahr 2003 66, im Jahr 2004 64 und im Jahr 2005 35 Knie-TEP implantiert hatte.

 

Auf die Revision der Krankenkasse wies das BSG die Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG geht davon aus, dass die vom GBA festgelegte Mindestmenge von 50 Knie-TEP je Betriebsstätte und Kalenderjahr rechtswirksam ist. Die Knie-TEPs sind planbare Leistungen, deren Ergebnisqualität in besonderem Maße von der Menge der erbrachten Leistungen abhängt. Dies ist hinreichend mit wissenschaftlichen Belegen untermauert. Die Einschätzung des GBA sei vertretbar, wonach eine Mindestmenge von 50 Knie-TEPs im Kalenderjahr je Betriebsstätte die Güte der Versorgung fördert. Die Beachtung der Mindestmenge von 50 Knie-TEP pro Betriebsstätte im Kalenderjahr erfordert, dass das Krankenhaus durchschnittlich einmal pro Woche eine Knie-TEP implantiert.

 

Anmerkung

 

Das BSG hat in letzter Instanz einen Grundsatzstreit beendet. Zuletzt hatte das LSG Berlin-Brandenburg im August 2011 der Klage eines Krankenhauses gegen die Mindestmengenregelung für Knie-TEPs stattgegeben (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.08.2011, Az.: L 7 KA 77/08 KL). Dagegen hatte der GBA Revision beim BSG eingelegt und die seit dem 01.01.2006 geltende Regelung ausgesetzt, bis eine rechtskräftige Entscheidung in der Hauptsache ergeht.

 

In dem hier zu Grunde liegenden Abrechnungsstreit hat letztendlich der GBA seine Auffassung zur Rechtmäßigkeit der Mindestmengenregelung von Knie-TEPs erfolgreich durchgesetzt. Es ist daher damit zu rechnen, dass der – noch bestehende – Aussetzungsbeschluss vom GBA demnächst aufgehoben wird, so dass eine Mindestmenge von 50 Knie-TEPs je Betriebsstätte pro Kalenderjahr zu Grunde zu legen ist.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben. 

 

  letzte Änderung: 10.08.2018 14:14:31
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FAQ-Liste zur Prüfverfahrensvereinbarung gem. § 17c Abs. 2 KHG
 

FAQ-Liste zur Prüfverfahrensvereinbarung gem. § 17c Abs. 2 KHG

Fortlaufende Aktualisierung

Sehr geehrte Damen und Herren,

an dieser Stelle richte ich als besonderen Service eine FAQ-Liste zur Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) ein. Dort werden die sich in der Praxis ergebenden grundsätzlichen Fragestellungen zum Inhalt der PrüfvV nach bestem Wissen beantwortet. Sollten sich nachträglich neue Erkenntnisse ergeben, z.B. anhand der Rechtsprechung wird die FAQ-Liste überarbeitet. Der Stand der Beantwortung wird daher mit einem Datum verstehen.

Gleichzeitig bietet Ihnen die FAQ-Liste die Möglichkeit, Ihrerseits grundsätzliche Fragestellungen einzubringen unter ra1@medizinrecht-ra-mohr.de unter Angabe des Stichwortes „FAQ PrüfvV“. Die FAQ-Liste dient dabei nicht der Lösung konkreter Einzelfälle, sondern einer allgemeinen Interpretation der in der PrüfvV getroffenen Regelungen. Soweit ihre Fragen grundsätzliche Bedeutung haben, werden sie in die FAQ-Liste mit der entsprechenden Antwort aufgenommen. Eine individuelle Beratung kann jedoch in diesem Forum nicht erfolgen.

Folgende grundsätzliche Fragen stellen sich bereits:

1. Frage:

Reicht es aus, dass die Krankenkasse bei der Einleitung des Prüfverfahrens nach § 4 PrüfvV lediglich die Art der Prüfung (Teilprüfung, Vollprüfung, Fehlbelegungsprüfung oder Fragen zur Voraussetzung bestimmter Maßnahmen) benennt?

Antwort (04.09.2014):

§ 4 Abs. 1 Satz 1 PrüfvV bestimmt, dass die Krankenkasse Auffälligkeiten „so konkret wie möglich“ mitzuteilen hat. Durch die Worte „und hierzu zumindest die Art der Prüfung wie folgt zu bestimmen“ wird herausgestellt, dass die Art der Prüfung zusätzlich anzugeben ist. Andernfalls würde auch die Verpflichtung der Krankenkasse „die Auffälligkeiten so konkret wie möglich mitzuteilen“ leerlaufen. Im Übrigen ist die Angabe der Art der Prüfung keine Angabe einer Auffälligkeit.

2. Frage:

Muss der MDK bei einer Prüfung im schriftlichen Verfahren nach § 7 Abs. 2 Satz 2 PrüfvV die erforderlichen Unterlagen konkret benennen und bei dem Krankenhaus anfordern?

Antwort (04.09.2014):

Ja. § 7 Abs. 2 Satz 2 PrüfvV regelt, dass der MDK die Übersendung einer Kopie der Unterlagen verlangen kann, die er zur Prüfung benötigt. Des Weiteren spricht § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV von einer „Unterlagenanforderung“. Der MDK kann daher in seiner Anforderung nicht offenlassen, welche Unterlagen er zur Prüfung benötigt. Insbesondere darf er es nicht dem Krankenhaus selbst überlassen, welche Unterlagen übersandt werden sollen. Dies birgt die Gefahr für das Krankenhaus, dass ggf. unklar bleibt, ob es die Unterlagen innerhalb der vorgesehenen Frist von vier Wochen komplett übersandt hat. Das Krankenhaus sollte daher ggf. konkret beim MDK nachfragen, welche Unterlagen dieser für erforderlich hält.

3. Frage:

Sieht die PrüfvV ein Widerspruchsverfahren vor?

Antwort (04.09.2014):

Bisher war es üblich, dass das Krankenhaus einem negativen MDK-Gutachten widersprechen kann. Dies wurde in der Praxis rechtlich unscharf als „Widerspruch“ benannt. Dabei handelt es sich hier nicht um einen förmlichen Widerspruch, sondern um eine Gegendarstellung. Eine explizite Rechtsgrundlage gab es dafür nicht. Die PrüfvV sieht daher auch kein „Widerspruchsverfahren“ vor. Selbstverständlich bleibt es jedoch dem Krankenhaus immer unbenommen, seine Auffassung dem MDK bzw. der Krankenkasse mitzuteilen. Einer formalen Regelung in der PrüfvV bedarf es hierzu nicht. Ändern der MDK bzw. die Krankenkasse ihre Auffassung nicht, bleibt nur die Möglichkeit, ggf. den Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs. 4 KHG anzurufen oder direkt Klage vor dem Sozialgericht zu erheben.

4. Frage:

Ist der MDK verpflichtet, das MDK-Gutachten an das Krankenhaus zu übermitteln?

Antwort (04.09.2014):

§ 8 Abs. 1 Satz 1 PrüfvV regelt, dass die Krankenkasse dem Krankenhaus ihre abschließende Leistungsentscheidung mitzuteilen und die wesentlichen Gründen hierfür darzulegen hat. Nicht geregelt ist die Frage, ob das Krankenhaus einen Anspruch auf Übermittlung des MDK-Gutachtens hat. Die diesbezüglichen Rechtspflichten ergeben sich aus § 277 Abs. 1 SGB V, wonach der MDK verpflichtet ist, dem Krankenhaus das Ergebnis der Begutachtung mitzuteilen. Einen Anspruch auf das Komplettgutachten folgt daraus nicht. Allerdings können Landesregelungen (Landesverträge nach § 112 Abs. 2 SGB V) eine Übermittlung des MDK-Gutachtens vorsehen (z.B. § 2 Abs. 7 KÜV NRW). Nach § 11 Satz 2 PrüfvV handelt es sich diesbezüglich um eine ergänzende Landesregelung, die zulässig ist.

5. Frage:

§ 7 Abs. 5 PrüfvV sieht eine einmalige Korrektur/Ergänzung der Datensätze durch das Krankenhaus innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des Prüfverfahrens vor. Kann eine Korrektur/Ergänzung des Datensatzes auch dann noch erfolgen, wenn das Prüfverfahren vom MDK vor Ablauf der 5-Monats-Frist abgeschlossen wurde?

Antwort (06.10.2014):

Der MDK hat die Korrekturen/Ergänzungen von Datensätzen nach § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV zu berücksichtigen, wenn sie innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens an die Krankenkasse erfolgt sind. Aus § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV ist zunächst zu entnehmen, dass die Korrekturen/Ergänzungen von Datensätzen gegenüber der Krankenkasse zu erfolgen hat. Die Krankenkasse ist nach der Rechtsprechung des BSG „Herrin des Verfahrens“. Die Krankenkasse ist daher verpflichtet, den MDK mit einer erneuten Prüfung zu beauftragen. Nur so kann der MDK § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV Rechnung tragen und die Korrekturen/Ergänzungen in die Prüfung einzubeziehen.

6. Frage:

Hat die Prüfung vor Ort durch den MDK Vorrang vor dem schriftlichen Verfahren?

Antwort (06.10.2014):

§ 7 Abs. 1 Satz 1 PrüfvV geht davon aus, dass sich MDK und Krankenhaus über die Form der Prüfung verständigen. Diese Verständigung kann auch fallbezogen unterschiedlich erfolgen. Die Letztentscheidung über die Form der Prüfung liegt jedoch beim MDK. Stimmt der MDK einer Prüfung vor Ort nicht ausdrücklich zu, erfolgt die Prüfung im schriftlichen Verfahren. Insoweit kann daher nicht von einem Vorrang des Prüfungsverfahrens vor Ort gesprochen werden.

7. Frage:

Fällt die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V an, wenn nach einer Korrektur/Ergänzung des Datensatzes durch das Krankenhaus, während des Prüfverfahrens, der MDK die Krankenhausrechnung „anerkennt“?

Antwort (06.10.2014):

Nach bisheriger Rechtsprechung des BSG kam es in erster Linie darauf an, ob die „Fehlangabe“ des Krankenhauses die Prüfung durch die Krankenkasse verursacht hatte. Nunmehr gilt § 7 Abs. 5 Satz 5 PrüfvV. Danach findet die Regelung über die Aufwandspauschale keine Anwendung auf Prüfungen, die auf Grund von Korrekturen nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führen. Damit wird nach wie vor ein Kausalitätsverhältnis zwischen der Korrektur des Datensatzes und der Nichtminderung verlangt. War die Korrektur, z.B. einer Nebendiagnose, von vornherein nicht erlösrelevant, steht sie nicht im kausalen Zusammenhang mit der Nichtminderung der Rechnung. In diesem Fall sollte die Aufwandspauschale nach wie vor geltend gemacht werden. Des Weiteren findet § 7 Abs. 5 Satz 5 PrüfvV seinem Wortlaut nach nicht auf Ergänzungen des Datensatzes Anwendung. Wird z.B. eine weitere Nebendiagnose ergänzt, kann auch hier die Aufwandspauschale bei Nichtminderung der Rechnung in Betracht kommen.

8. Frage:

Vertragliche Regelungen nach § 112 SGB V auf Landesebene sehen ein Aufrechnungsverbot für die Krankenkassen vor. Gilt diese Regelung nach wie vor?

Antwort (06.10.2014):

Ein landesvertragliches Aufrechnungsverbot ist nicht mehr zulässig. § 9 Satz 1 PrüfvV gestattet den Krankenkassen mit einem fristgerecht mitgeteilten Erstattungsanspruch aufzurechnen. Die Aufrechnung durch die Krankenkasse mit einem unstreitigen Leistungsanspruch setzt jedoch voraus, dass die Krankenkasse ihren Erstattungsanspruch innerhalb von 9 Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige dem Krankenhaus mitgeteilt hat. Dies ist eine Ausschlussfrist. Daraus ist zu schließen, dass eine nicht fristgerechte Mitteilung eines Erstattungsanspruches dazu führt, dass die Krankenkasse diesen nicht mehr geltend machen kann. Somit kann sie dann auch nicht mehr aufrechnen.

9. Frage:

§ 3 Satz 3 PrüfvV regelt, dass die Krankenhäuser ihre Mitwirkungsobliegenheiten zu erfüllen haben. Was ist damit gemeint?

Antwort (24.10.2014):

In erster Linie stellt § 3 Satz 3 PrüfvV auf die Datenübermittlungspflicht aus § 301 und ergänzende landesvertragliche Bestimmungen ab. Durch das Wort „insbesondere“ wird jedoch klargestellt, dass weitere Mitwirkungsobliegenheiten der Krankenhäuser in Betracht kommen können. Gesetzliche Grundlage für eine Auskunftspflicht des Krankenhauses im Verhältnis zu den Krankenkassen ist § 284 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 8 SGB V. Als Mitwirkungsobliegenheit hat die Rechtsprechung z.B. die Auskunft des Krankenhauses an die Krankenkasse angesehen, warum anstelle einer ambulanten Behandlung eine stationäre Behandlung durchgeführt wurde (z.B. Leistungen im Bereich des AOP-Vertrages). Des Weiteren hat die Rechtsprechung eine Auskunftspflicht bejaht, wenn eine stationär durchgeführte Leistung grundsätzlich dem vertragsärztlichen Bereich zugewiesen wurde. Das Krankenhaus muss selbst seine primären Informationspflichten ordnungsgemäß erfüllen. Es hat ggf. für die Auslegung und Anwendung von Abrechnungsvorschriften eine erweiterte Informationspflicht gegenüber den Krankenkassen (siehe BSG, Urteil vom 22.04.2009, Az.: B 3 KR 24/07 R, Urteil vom 13.11.2012, B 1 KR 14/12 R und Urteil vom 21.03.2013, Az.: B 3 KR 28/12 R).

Nicht dazu gehört die Übersendung von Krankenunterlagen an die Krankenkassen. Hierzu hat der MDK aus Datenschutzgründen das exklusive Einsichtsrecht.

 

Erfüllt das Krankenhaus nicht vollständig seine Mitwirkungsobliegenheiten, wird der Zahlungsanspruch des Krankenhauses nicht fällig und es liegen noch keine vollständigen Abrechnungsdaten, also die erforderlichen zahlungsbegründenden Unterlagen nach § 3 Satz 2 PrüfvV, vor. Des Weiteren läuft die in § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V geregelte 6-Wochen-Frist nicht an.

10. Frage:

Ist es zulässig, nach Einleitung und Anzeige des Prüfverfahrens dem MDK über die Anforderung der vorzulegenden Unterlagen hinaus die vollständige Krankenakte zur Verfügung zu stellen?

Antwort (24.10.2014):

Die Unterlagenanforderung bei Durchführung einer MDK-Prüfung ist in § 7 Abs. 2 Satz 2 und 3 PrüfvV geregelt. Danach bestimmt der MDK, welche Unterlagen er zur Beurteilung der Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt. Diese Unterlagen hat das Krankenhaus an den MDK bei der Prüfung im schriftlichen Verfahren herauszugeben. Im Interesse des Datenschutzes der Patientinnen und Patienten kann nicht empfohlen werden, darüber hinaus gehende Unterlagen dem MDK zur Verfügung zu stellen. Ggf. könnte ein Patient sich auf die Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht berufen, die nach § 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbewehrt ist.

 

11. Frage:

 

Welche Bedeutung hat die Regelung in § 3 PrüfvV, wonach die Krankenkasse die vom Krankenhaus übermittelten Leistungs- und Abrechnungsdaten nicht nur auf Korrektheit, sondern auch im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistungen überprüfen darf?

 

Antwort (24.10.2014):

 

Das Wirtschaftlichkeitsgebot folgt aus § 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V. § 12 Abs. 1 Satz 2 lautet: „Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.“

Krankenhäuser haben nach der jüngsten Rechtsprechung des BSG, das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Das Wirtschaftlichkeitsgebot zwingt die Krankenhäuser, bei der Behandlungsplanung die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativerhaltens zu prüfen (Urteil des BSG vom 01.07.2014, B 1 KR 62/12 R).

Diesen Grundsatz greift § 3 Satz 1 PrüfvV als eigenständigen Prüfungsbereich auf. Somit kann die Krankenkasse die Leistungs- und Abrechnungsdaten, die das Krankenhaus übermittelt hat, einer Prüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit unterziehen, und ggf. auch unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit vom MDK prüfen lassen, indem es ein Prüfverfahren nach § 4 PrüfvV einleitet. Hierbei muss sie dann neben der konkreten Angabe der Auffälligkeit die Art der Prüfung angeben (Fragen zur Voraussetzung bestimmter Maßnahmen, z.B. zur wirtschaftlichen Leistungserbringung).

 

Mainz, den 24.10.2014

Friedrich W. Mohr

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht

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Neue Prüfverfahrensvereinbarung nach § 275 Abs. 1c SGB V gem. § 17c Abs. 2 KHG
 

Neue Prüfverfahrensvereinbarung nach § 275 Abs. 1c SGB V gem. § 17c Abs. 2 KHG

- Wirtschaftlichkeitsprüfung, Prüfung der Korrektheit der Krankenhausrechnung, Einleitung Prüfverfahren, Vorverfahren, MDK-Prüfverfahren, Ausschlussfristen, Aufwandspauschale -

Der GKV-Spitzenverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft haben sich im Rahmen eines Schiedsverfahrens vor der Bundesschiedsstelle über die Ausgestaltung des Prüfverfahrens nach § 275 Abs. 1c SGB V geeinigt und hierzu eine Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) geschlossen. Nach Durchführung des Unterschriftenverfahrens wird die PrüfvV am 01.09.2014 in Kraft treten. Sie gilt jedoch erstmals für die Überprüfung bei Patienten, die ab dem 01.01.2015 in das Krankenhaus aufgenommen werden (§ 12 Abs. 1 PrüfvV). Die in der PrüfvV enthaltenen Regelungen sind verbindlich für alle Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland und gehen eventuellen Regelungen in Landesverträgen nach § 112 SGB V vor. In Landesverträgen können lediglich ergänzende Regelungen vorgenommen werden, die nicht Gegenstand dieser Vereinbarung sind. Die nachstehenden Ausführungen sind als vorläufige Anmerkungen zu verstehen. Es ist damit zu rechnen, dass die Verbände ergänzende Hinweise zur Umsetzung der PrüfvV geben werden. Sobald diese vorliegen, werde ich auch darüber unterrichten.

Im Einzelnen enthält die PrüfvV folgende Regelungen:

1. Anwendungsbereich (§ 2 PrüfvV)

Die PrüfvV findet für Krankenhausbehandlungen nach § 39 SGB V Anwendung. Dies umfasst vollstationäre, teilstationäre, vor- und nachstationäre (§ 115a SGB V) sowie ambulante Krankenhausbehandlungen (§ 115b SGB V). Nicht einbezogen sind Behandlungen nach § 116b SGB V (ambulante spezialfachärztliche Versorgung) und Entbindungen nach § 24 f. SGB V. Wandelt sich der Entbindungsfall in eine stationäre Krankenhausbehandlung um, gilt jedoch die PrüfvV, da es sich dann um eine stationäre Behandlung nach § 39 SGB V handelt. Die PrüfvV gilt verbindlich für alle Krankenkassen, den MDK/den SMD und die zugelassenen Krankenhäuser.

2. Prüfungsbereiche (§ 3 PrüfvV)

Die PrüfvV sieht nunmehr ausdrücklich eine Wirtschaftlichkeitsprüfung der Krankenkassen nach § 12 SGB V vor und geht damit über den in § 275 Abs. 1c SGB V angesprochenen Prüfungsbereich (Voraussetzung, Art und Umfang der Leistungen, Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung) hinaus. Neben der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistungen bezieht sich die PrüfvV auf die Korrektheit der Abrechnung der Krankenhausleistungen.

3. Prüfgrundlage (§ 3 PrüfvV)

Grundlage der Prüfung sind die Daten, die die Krankenhäuser nach § 301 SGB V i.V.m. der Datenübermittlungsvereinbarung (DÜV) den Krankenkassen korrekt und vollständig zu übermitteln haben. Herausgestellt wird hierbei, dass die Krankenhäuser ihre Mitwirkungsobliegenheiten, insbesondere aus § 301 SGB V und ggf. ergänzenden landesvertraglichen Bestimmungen vollständig zu erfüllen haben. Somit ist neben der reinen korrekten und vollständigen Datenübermittlung von den Krankenhäusern zu beachten, dass sie ggf. zusätzliche Auskünfte den Krankenkassen zu geben haben, die insbesondere aus der jüngsten Rechtsprechung des BSG resultieren (z.B. Angabe von Gründen, warum ein in der Regel im vertragsärztlichen Bereich zugewiesener Patient stationär zu behandeln ist). In diesem Zusammenhang stellt die PrüfvV nur auf Mitwirkungsobliegenheiten der Krankenhäuser und nicht der Krankenkassen ab. Als Prüfungsbeginn ist nach § 3 Satz 4 PrüfvV der Abschluss der Kontrollen vorgesehen, die die Krankenkassen nach der DÜV zu § 301 Abs. 3 SGB V vornehmen. Dies ist insbesondere das in Anlage 4 zur DÜV geregelte Fehlerverfahren, das in 4 Stufen erfolgen kann. Für die Krankenhäuser ist daher zunächst nicht zu erkennen, wann die Krankenkassen den Abschluss der Kontrollen vorgenommen haben.

4. Einleitung des Prüfverfahrens (§ 4 PrüfvV)

In § 4 PrüfvV ist nunmehr ausdrücklich normiert, dass die Krankenkassen bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistungen oder der Korrektheit der Abrechnung dem Krankenhaus die Auffälligkeiten, die zur Einleitung des Prüfverfahrens führen, so konkret wie möglich mitteilen müssen. Diese Mitteilung muss dem Krankenhaus innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Eingang der zahlungsbegründenden Unterlagen (§ 3 PrüfvV) bei den Krankenkassen zugehen. Im Gegensatz zu anderen Regelungen in der PrüfvV (siehe z.B. § 6 Abs. 2 Satz 3, § 8 Satz 4 PrüfvV) ist nicht klargestellt, ob es sich hier um eine Ausschlussfrist handelt. Neben der konkreten Angabe der Auffälligkeiten hat die Krankenkasse die Art der Prüfung dem Krankenhaus anzugeben. In Betracht kommt eine Teilprüfung der Rechnung (bestimmte Diagnosen, bestimmte Prozeduren etc.), eine Vollprüfung der Rechnung (alle abrechnungsrelevanten Diagnosen/Prozeduren etc.), eine Fehlbelegungsprüfung oder Fragen zur Voraussetzung bestimmter Maßnahmen (medizinische Indikation, NUB etc.). Nicht geregelt sind die Rechtsfolgen, wenn die Krankenkassen die entsprechenden Angaben überhaupt nicht, nicht in ausreichendem Maße oder nicht fristgerecht machen. Hier bietet sich ein neues Feld für die Rechtsprechung.

5. Vorverfahren (§ 5 PrüfvV)

Das Vorverfahren findet in Form eines Falldialogs statt (§ 5 Abs. 3 PrüfvV). Der Falldialog ist insoweit freiwillig, da sowohl die Krankenkasse als auch das Krankenhaus die Möglichkeit hat, den Falldialog anzunehmen oder abzulehnen. Diese Erklärung hat innerhalb einer Zwei-Wochen-Frist zu erfolgen. Entscheiden sich die Partner für einen Falldialog, erfolgt dieser auf der Grundlage der übermittelten Datensätze unter Einschluss ggf. korrigierter Datensätze. Das Krankenhaus hat nach Einleitung des Prüfverfahrens die Möglichkeit, innerhalb eines Zeitraums von 6 Wochen (Beginn: Einleitung des Prüfverfahrens) die übermittelten Datensätze zu korrigieren oder zu ergänzen bzw. eine geänderte Rechnung der Krankenkasse zuzuleiten (§ 5 Abs. 1, Abs. 4 Satz 2 PrüfvV). Der Falldialog ist innerhalb eines Zeitraums von 12 Wochen nach Einleitung des Prüfverfahrens abzuschließen. Diese Frist kann einvernehmlich verlängert werden (§ 5 Abs. 6 Satz 3 PrüfvV). Der Falldialog kann jederzeit von jeder Seite beendet werden. Einigen sich die Parteien im Rahmen des Falldialogs, endet das Prüfverfahren. Kommt es zu einer einvernehmlichen Rechnungskorrektur soll diese innerhalb von vier Wochen erfolgen (§ 5 Abs. 5 PrüfvV). Auch wenn die Rechnung im Rahmen des Falldialogs nicht gemindert wird, findet § 275 Abs. 1c SGB V nach dem Willen der Vertragsparteien keine Anwendung. Das Krankenhaus verzichtet somit auf die Aufwandspauschale, wenn es sich auf einen Falldialog einlässt und es in diesem Rahmen zu einem Abschluss des Verfahrens kommt ohne Minderung des Rechnungsbetrages. Dies gilt es jeweils zu beachten. Entscheidet die Krankenkasse, dass auf Grund der vom Krankenhaus vorgenommenen Datenkorrektur oder –ergänzung die Notwendigkeit der Beauftragung des MDK entfällt, endet das Prüfverfahren. Hierzu sieht § 5 Abs. 2 Satz 1 PrüfvV eine Mitteilung der Krankenkasse an das Krankenhaus vor. Erfolgt – aus welchen Gründen auch immer – keine Mitteilung der Krankenkasse, endet das Prüfverfahren in diesem Fall spätestens 12 Wochen nach der Einleitung des Prüfverfahrens. Es kann dabei davon ausgegangen werden, dass dann ein erneutes Prüfungsverfahren durch die Krankenkasse nicht mehr eingeleitet werden kann. Ein ausdrücklicher Einwendungsausschluss ist in der PrüfvV jedoch nicht enthalten.

6. Beauftragung des MDK (§ 6 PrüfvV)

§ 6 PrüfvV regelt 5 Fallgestaltungen zur Beauftragung des MDK nach § 275 Abs. 1c SGB V: - Die Krankenkasse entscheidet sich für eine direkte Beauftragung des MDK (§ 6 Abs. 1e) PrüfvV) - Es wird trotz Aufforderung kein Falldialog durchgeführt (§ 6 Abs. 1c) PrüfvV) - Es wird ein Falldialog durchgeführt, jedoch keine Einigung erzielt (§ 6 Abs. 1d) PrüfvV) - Es wird ein Vorverfahren durchgeführt, in dem eine Datenkorrektur oder –ergänzung durch das Krankenhaus erfolgt und dadurch ist die Notwendigkeit einer Beauftragung des MDK aus Sicht der Krankenkasse nicht entfallen (§ 6 Abs. 1b) PrüfvV) Letztlich sieht § 6 Abs. 1a) eine Beauftragung auch dann vor, wenn im Vorverfahren keine Datenkorrektur oder Ergänzung erfolgt. Diese Regelung bleibt unklar, da eine nicht vorgenommene Datenkorrektur oder Ergänzung nicht einen Grund für die Durchführung des Prüfverfahrens darstellen kann. Maßgebend wird hier in diesem Fall die Regelung in § 6 Abs. 1c) und d) PrüfvV sein. Bei der direkten Beauftragung des MDK durch die Krankenkasse bleibt die in § 275 Abs. 1c SGB V vorgesehene Ausschlussfrist von 6 Wochen für die Einleitung des Prüfverfahrens und die Anzeige durch den MDK/SMD maßgebend. In den übrigen Fällen erfolgt die Beauftragung des MDK/SMD innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung des Vorverfahrens, spätestens jedoch 12 Wochen nach Einleitung des Prüfverfahrens. Hier ist ausdrücklich geregelt, dass die hier genannten Fristen Auschlussfristen darstellen (§ 6 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV). Nach Ablauf dieser Fristen ist somit die Beauftragung des MDK/SMD nicht mehr möglich, so dass die Krankenkassen mit medizinischen Einwendungen wohl ausgeschlossen sind. Die hier genannten Ausschlussfristen, die für § 6 Abs. 1a-d) PrüfvV gelten, können nur einvernehmlich verlängert werden (siehe auch § 5 Abs. 6 Satz 3 PrüfvV).

7. Prüfanzeige durch den MDK/SMD (§ 6 Abs. 3 PrüfvV)

Beauftragt die Krankenkasse in den Fällen des § 6 PrüfvV den MDK/SMD, hat dieser die Einleitung der Prüfung unverzüglich anzuzeigen. Zur Überprüfung der Ausschlussfristen (siehe § 6 Abs. 2 PrüfvV) durch das Krankenhaus, hat der MDK auch das Datum seiner Beauftragung dem Krankenhaus mitzuteilen. Die Prüfanzeige umfasst auch die Angabe der Auffälligkeiten, die die Krankenkasse zur Prüfung veranlasst hat. Diese können durch Erkenntnisse im Rahmen des Vorverfahrens vom MDK ergänzt werden. Ausdrücklich stellt § 6 Abs. 3 PrüfvV heraus, dass eine Beschränkung der MDK/SMD-Prüfung auf den Prüfanlass, den die Krankenkasse angegeben hat, nicht besteht. Der MDK kann also die Prüfung nachträglich erweitern. Dies ist allerdings dem Krankenhaus vom MDK anzuzeigen (§ 6 Abs. 3 Satz 4 PrüfvV). Damit trägt die PrüfvV der jüngsten (äußerst umstrittenen) Rechtsprechung des 1. Senats des BSG Rechnung.

8. Durchführung der Prüfung (§ 7 PrüfvV)

Die Prüfung kann vom MDK vor Ort oder im schriftlichen Verfahren durchgeführt werden. § 7 Abs. 1 Satz 1 PrüfvV zielt auf eine Verständigung zwischen MDK und Krankenhaus, welches Verfahren Anwendung finden soll. Letztendlich bleibt es jedoch der Letztentscheidung des MDK überlassen, welche Prüfungsart er für geeignet hält. Wird das schriftliche Verfahren durch den MDK durchgeführt, hat das Krankenhaus die Unterlagen innerhalb von vier Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung an den MDK zu übermitteln. Erfolgt dies nicht fristgerecht, besteht eine scharfe Sanktion für das Krankenhaus: Das Krankenhaus hat nunmehr nur noch Anspruch auf den unstrittigen Rechnungsbetrag. Dies kann bedeuten, dass das Krankenhaus wegen Fristüberschreitung ggf. insgesamt mit seiner Forderung ausfällt. Eine entsprechende Fristüberwachung ist von Seiten des Krankenhauses unverzichtbar, wenn es finanzielle Nachteile aus formalen Gründen vermeiden will. Auch im Rahmen des Prüfverfahrens durch den MDK kann von Seiten des Krankenhauses eine Datensatzkorrektur oder –ergänzung erfolgen (§ 7 Abs. 5 Satz 1 PrüfvV). Allerdings kann diese Datensatzkorrektur oder –ergänzung nur einmalig erfolgen. Auch hierfür gilt eine Frist. Die korrigierten bzw. ergänzten Datensätze werden vom MDK nur berücksichtigt, wenn sie der Krankenkasse innerhalb von 5 Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfungsverfahrens zugegangen sind. Auch hier ist eine Fristüberwachung von Seiten des Krankenhauses notwendig. Des Weiteren ist zu beachten, dass die korrigierten bzw. ergänzten Datensätze nicht dem MDK/SMD, sondern der Krankenkasse fristgerecht übermittelt werden müssen. Darüber hinaus ist eine weiteren Datensatzkorrektur bzw. Datenergänzung durch das Krankenhaus möglich, wenn der Prüfanlass nach § 6 Abs. 3 Satz 3 PrüfvV durch den MDK/SMD erweitert wird. Hierzu ist eine Prüfanzeige über die Erweiterung des Prüfanlasses erforderlich (siehe § 6 Abs. 3 Satz 4 PrüfvV). Bei Erweiterung des Prüfanlasses kann wiederum eine einmalige Korrektur oder Ergänzung des Datensatzes innerhalb von 5 Monaten nach der Prüfanzeige über die Prüfungserweiterung erfolgen (§ 7 Abs. 5 Satz 3 PrüfvV). Ggf. verlängert sich dadurch die Gesamtprüffrist, die in § 8 Satz 3 PrüfvV grundsätzlich auf 9 Monate nach Übermittlung der Prüfanzeige festgelegt ist. Letztlich bestimmt § 7 Abs. 5 Satz 5 PrüfvV, dass das Krankenhaus keinen Anspruch auf eine Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V hat, wenn es korrigierte bzw. ergänzte Datensätze einreicht und es auf Grund dieser Korrekturen nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages kommt. Die Krankenhäuser müssen daher im Vorfeld kritisch überlegen, ob sie Korrekturen tatsächlich vornehmen (z.B. Austausch von nicht abrechnungsrelevanten Nebendiagnosen).

9. Entscheidung der Krankenkasse nach Vorlage MDK-Gutachten (§ 8 PrüfvV)

Erstmalig wurde in § 8 PrüfvV ein Ende des Prüfverfahrens festgelegt. Die Gesamtprüffrist beläuft sich grundsätzlich auf 9 Monate. Diese Frist ist ausdrücklich als Ausschlussfrist normiert (§ 8 Satz 4 PrüfvV). Fristbeginn für die Endentscheidung der Krankenkasse zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung ist die Übermittlung der Prüfanzeige nach § 6 Abs. 3 PrüfvV (§ 8 Satz 3 PrüfvV). Nur ausnahmsweise wird die Gesamtprüffrist von 9 Monaten verlängert, wenn die Prüffrist nach § 7 Abs. 5 Satz 4 PrüfvV verlängert wird (Verlängerung um den Zeitraum bis zum Eingang der Korrektur bzw. Ergänzung des Datensatzes durch das Krankenhaus). Die Krankenkasse ist somit verpflichtet, ihre abschließende Entscheidung dem Krankenhaus mitzuteilen. Kommt es zur Rechnungskürzung, sind dem Krankenhaus die wesentlichen Gründe hierfür darzulegen. Akzeptiert die Krankenkasse die Rechnung, bedarf es keiner Begründung.

10. Aufrechnung (§ 9 PrüfvV)

Die Krankenkasse hat nach § 9 PrüfvV die Möglichkeit, einen einvernehmlich mit dem Krankenhaus festgestellten Erstattungsanspruch mit anderen Krankenhausforderungen aufzurechnen. Eine weitere Aufrechnungsmöglichkeit besteht für die Krankenkasse, wenn sie fristgerecht innerhalb der 9-Monats-Frist des § 8 Satz 3 PrüfvV dem Krankenhaus ihren Erstattungsanspruch mitgeteilt hat. Daraus ist abzuleiten, dass ein nicht fristgerecht mitgeteilter Erstattungsanspruch nicht aufgerechnet werden darf. Erklärt die Krankenkasse die Aufrechnung, hat sie den Leistungsanspruch und den Erstattungsanspruch genau zu bezeichnen.

Die Vereinbarung ist hier wiedergeben.

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Newsletter QBAA-RL
 

Der GBA ist befugt in der Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung für die stationäre Versorgung bei der Indikation Bauchaortenaneurysma (QBAA-RL) Krankenhäuser von der Erbringung der Leistung und Vergütung auszuschließen, wenn sie die dort geregelten Qualitätsvorgaben nicht erfüllen.

Urteil des BSG vom 01.07.2014, Az.: B 1 KR 15/13 R

 

- QBAA-RL, Leistungsausschluss, Vergütungsausschluss, Qualitätsgebot, Qualitätsvorgaben, Gestaltungsspielraum des GBA -

 

In dieser Grundsatzentscheidung hat das BSG festgestellt, dass der GBA befugt ist, Krankenhäuser von der Leistungserbringung bzw. von der Vergütung auszuschließen, wenn sie zwingende verbindliche Vorgaben zur Qualitätssicherung nicht erfüllen, die der GBA in einer Richtlinie nach § 137 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V befugtermaßen festgelegt hat.

 

Sachverhalt

 

Das klagende Krankenhaus hatte bei einer Patientin eine elektive Resektion eines Bauchaortenaneurysmas bei offenchirurgischer Vorgehensweise durchgeführt. Die beklagte Krankenkasse lehnte die Bezahlung der Rechnung ab, weil sie die Auffassung vertrat, das Krankenhaus erfülle nicht alle Voraussetzungen der GBA-Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung für die stationäre Versorgung bei der Indikation Bauchaortenaneurysma (QBAA-RL). Die Krankenkasse wurde in erster Instanz zur Zahlung verurteilt; das LSG wies die Berufung der Krankenkasse zurück. Das LSG vertrat die Auffassung, der GBA dürfe den Umfang des Versorgungsauftrages des Krankenhauses nicht begrenzen. Hierzu bestehe nach § 137 Abs. 1 Satz 2 SGB V keine Ermächtigungsgrundlage.

 

Das BSG hob die Entscheidung auf und wies die Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.

 

Entscheidungsgründe 

 

Das BSG lässt sich von folgenden Überlegungen leiten:

 

Krankenhäuser sind auch innerhalb ihres Versorgungsauftrages nicht befugt, eine ungeeignete Versorgung der Versicherten zu erbringen und daher auch nicht berechtigt, eine Vergütung hierfür zu fordern.

 

Der GBA ist befugt, durch Richtlinien zwingende Mindestanforderungen an die Qualitätssicherung bei der Durchführung von Bauchaortenaneurysma vorzugeben. Die Ermächtigung des GBA folgt aus § 137 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V. Diese Regelungskompetenz umfasst auch die Regelung über Konsequenzen, insbesondere über Vergütungsabschläge für Leistungserbringer, die die Vorgaben zur Qualitätssicherung nicht einhalten.

 

Daraus folgt, dass der GBA aus Gründen der Qualitätssicherung durch die Regelungen in § 3 Abs. 1 i.V.m. §§ 4, 5 QBAA-RL zugelassene Krankenhäuser im Hinblick auf bestimmte Krankheiten und Prozeduren von der Versorgung sämtlicher Patienten ausschließen durfte, wenn sie die vom GBA für unverzichtbar angesehenen Qualitätsanforderungen nicht erfüllen. Der Versorgungsausschluss bezieht sich auf GKV-Versicherte, Selbstzahler einschließlich der privat Krankenversicherten und Beihilfeberechtigten, Personen mit freier Heilfürsorge.

 

Der GBA habe seinen Gestaltungsspielraum nicht verletzt, indem er risikoadäquat hohe personelle und fachliche Anforderungen stellt. Der GBA fordere insoweit sachgerecht, die stationäre postprozedurale Versorgung durch eine Ärztin oder einen Arzt mit Erfahrungen in der Gefäßchirurgie sicherzustellen. Die Einrichtung müsse u.a. über einen eigenständigen gefäßchirurgischen Dienst verfügen. Zu jeder Zeit muss dieser Dienst mindestens durch eine Fachärztin oder einen Facharzt für Gefäßchirurgie sichergestellt sein (§ 4 Abs. 2 QBAA-RL). Es muss in jeder Schicht eine Pflegekraft mit Fachweiterbildung im Bereich Intensivpflege und Anästhesie eingesetzt werden (§ 4 Abs. 3 Satz 4 QBAA-RL).

 

Diese Qualitätsvorgaben seien erforderlich, da die offenchirurgische Versorgung des Bauchaortenaneurysmas zu den gefährlichsten elektiven Eingriffen in der Chirurgie zählt. Zwar greifen diese Regelungen, insbesondere zum Leistungs- und Vergütungsausschluss, in die Berufsausübungsfreiheit ein, jedoch führe eine Abwägung der Interessen dazu, der Qualitätssicherung Vorrang gegenüber den Interessen des Leistungserbringers einzuräumen.

 

Anmerkung

 

In seiner Grundsatzentscheidung kommt das BSG zur Auffassung, dass der GBA bei verbindlichen Qualitätsvorgaben eine weitreichende Gestaltungsfreiheit hat. Nachdem das GKV-WSG den GBA auch ermächtigt hat, Konsequenzen zur Durchsetzung der Qualitätssicherung zu treffen, durfte der GBA auch Leistungs- und Vergütungsausschlüsse regeln. Das BSG kommt zu der Auffassung, dass auch ein vollständiger Leistungs- und Vergütungsausschluss bei Nichterfüllung der verbindlichen Qualitätsvorgaben zulässig ist. Erfüllt danach ein Krankenhaus die in der QBAA-RL vorgegebenen strukturellen Qualitätsvorgaben nicht, darf es diese Leistung weder für GKV-Versicherte noch für Selbstzahler einschließlich der privaten Krankenversicherten und Beihilfeberechtigten erbringen. Werden sie trotzdem erbracht, ist ein Vergütungsausschluss die Folge.

 

In der Praxis am häufigsten umstritten ist jedoch die Auslegung von einzelnen Vorgaben in der QBAA-RL. Hierzu hat jedoch das BSG – angesichts der Grundsatzfrage – keine Notwendigkeit zu weiterführenden Hinweisen gesehen und den Rechtsstreit zu weiteren Ermittlungen an das LSG zurückverwiesen. Das BSG hat dabei darauf hingewiesen, dass das LSG die MDK-Gutachten einschränkungslos verwerten dürfe, die aus Veranlassung einer Qualitätssicherungsprüfung nach § 275 Abs. 4 SGB V erfolgten.

 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

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Newsletter Erweiterungs des Prüfauftrags
 

Krankenkassen sind jederzeit berechtigt, die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung des Krankenhauses zu überprüfen. Das Überprüfungsrecht der Krankenkassen von Krankenhausabrechnungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit unterliegt einem eigenen Prüfregime.

Urteil des BSG vom 01.07.2014, Az.: B 1 KR 29/13 R

- Erweiterung des Prüfauftrags, Überprüfungsrecht, sachlich-rechnerische Richtigkeit, Auffälligkeitsprüfung, prüfrechtliches Beschleunigungsgebot, kompensatorisches Beschleunigungsgebot, Auffälligkeitsprüfung, Aufwandspauschale

 

Mit dem Urteil vom 01.07.2014 befasst sich das BSG noch einmal ausführlich mit den Prüfungsrechten der Krankenkassen im Rahmen der Krankenhausabrechnung.  

 

Sachverhalt

 

Die Klägerin behandelte in der Frauenklinik eine Patientin vom 25.-28.03.2010 wegen Unterleibsschmerzen. Das Krankenhaus berechnete die Fallpauschale DRG G12C. Die beklagte Krankenkasse beauftragte den MDK am 18.15.2010 zur Prüfung der Notwendigkeit und Dauer der stationären Behandlungsbedürftigkeit. Der MDK ging von einer zweitägigen Notwendigkeit der Behandlungsdauer aus, die keine Rechnungskürzung zur Folge hatte. Die beklagte Krankenkasse wandte sich am 20.07.2010 erneut an den MDK zur Überprüfung der Hauptdiagnose. Die Krankenkasse zahlte lediglich einen Teilbetrag, da sie die Auffassung vertrat, es sei nur die DRG N25Z zu berechnen. Der MDK bestätigte anschließend die Auffassung der Krankenkasse.

 

In der Folge verweigerte das Krankenhaus, die Behandlungsunterlagen zu Ermittlungszwecken zur Verfügung zu stellen. Es vertrat die Auffassung, eine Erweiterung des ersten Prüfauftrages, der sich auf die Notwendigkeit und Dauer der stationären Behandlungsbedürftigkeit bezogen habe, sei nicht zulässig, nachdem die in § 75 Abs. 1c Satz 2 SGB V vorgesehene 6-Wochen-Frist abgelaufen sei. Das zweite Prüfverfahren, das die Hauptdiagnose betrifft, dürfe nicht mehr durchgeführt werden.

 

Das SG und das LSG wiesen die Klage ab. Das BSG wies die Revision des Krankenhauses zurück.

 

Entscheidungsgründe

 

Zunächst stellt das BSG fest, dass das Krankenhaus die objektive Feststellungslast (Beweislast) für die Richtigkeit der Abrechnung trägt. Dies entspricht den allgemeinen Grundsätzen über die Beweislast.

 

In der Folge geht das BSG davon aus, dass die Krankenkassen ein eigenständiges Prüfrecht von Krankenhausabrechnungen auf sachlich-rechnerische Richtigkeit haben. Kernsatz ist, dass Krankenkassen jederzeit berechtigt sind, die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung von Krankenhausvergütung zu überprüfen. Nach Auffassung des BSG gibt es keinerlei Obliegenheit oder Pflicht der Krankenkassen, Zweifel an der Erfüllung einer Anspruchsvoraussetzung durch substantiierten Vortrag zu untermauern. Dabei stützt sich das BSG auf den Beschluss des Großen Senats des BSG vom 25.09.2007 (Az.: GS 1/06), wonach die Entscheidung über den Anspruch des Versicherten auf vollstationäre Krankenhausbehandlung allein der Krankenkasse und im Streitfall dem Gericht obliege.

 

Andererseits ist es als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn Krankenkassen flächendeckend ohne irgendeinen Anhaltspunkt jede Krankenhausrechnung beanstandeten. Dieser Fall läge jedoch dann nicht vor, wenn sich auch nur geringste Anhaltpunkte dafür ergeben, dass die Abrechnung nicht sachlich-rechnerisch richtig sei und/oder das Krankenhaus seine primären Informationsobliegenheiten und ggf. –pflichten über die Abrechnungsgrundlagen nicht erfülle. Das Krankenhaus hat spätestens nach Anforderung der Krankenkassen die Obliegenheit, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken und insbesondere die Behandlungsunterlagen an den MDK oder das Gericht herauszugeben. Aus den Landesverträgen nach § 112 SGB V könnten sich weitergehende Mitteilungspflichten der Krankenhäuser ergeben.

 

Vorliegend kam das BSG zur Auffassung, dass die zweite Prüfung durch den MDK zulässig ist und die Einwände des Krankenhauses im Hinblick auf 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V nicht durchschlagen. Das prüfrechtliche Beschleunigungsgebot aus § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V enthalte nur eine Sanktion in § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V. Werde der 6-Wochen-Frist nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse nicht Rechnung getragen, bestehe ein auch auf das Gerichtsverfahren sich erstreckendes Beweisverwertungsverbot. Darüber hinaus bestehende Sanktionen enthalte die Vorschrift nicht. Im vorliegenden Fall sei das Prüfverfahren rechtzeitig eingeleitet und vom MDK angezeigt worden.

 

Des Weiteren ergebe sich ein Anspruch des Krankenhauses auf Aufwandspauschale, wenn die Auffälligkeitsprüfung nicht zu einer Rechnungsminderung führt (§ 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V).

 

Das BSG verneint dann aber einen Anspruch auf Aufwandspauschale, wenn das Krankenhaus dem MDK lediglich im Rahmen der Abklärung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung entsprechend seinen bestehenden Mitwirkungsobliegenheiten oder –pflichten die Möglichkeit eröffnet, die Behandlungsunterlagen einzusehen und/oder eine Krankenhausbegehung durchzuführen. Denn es handelt sich hierbei dann nicht um eine Auffälligkeitsprüfung, sondern um eine Mitwirkung des MDK zu Gunsten des beweisbelastenden Krankenhauses, um diesem die Möglichkeit zu eröffnen, seinen aus § 301 SGB V abzuleitenden Informationsobliegenheiten bzw. bestehenden Auskunfts- und Mitteilungspflichten aus dem Landesvertrag nach § 112 SGB V zu entsprechen (BSG, a.a.O., Rdz. 23).

 

Anmerkungen

 

Der Kernpunkt des Urteils des BSG ist die Unterscheidung zwischen Prüfung der Krankenkassen von Krankenhausabrechnung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit und der Auffälligkeitsprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Dabei geht das BSG von einem eigenen Prüfregime der Krankenkassen aus. Im Rahmen des Überprüfungsrechts auf sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung sind die Krankenkassen jederzeit berechtigt, die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung von Krankenhausvergütung mit Blick auf eine Leistungsverweigerung oder nicht verjährte Erstattungsforderung zu überprüfen. Im Rahmen dieses eigenen ständigen Überprüfungsrechts der Krankenkassen gibt es keinerlei Obliegenheit oder Pflicht der Krankenkassen, Zweifel an der Erfüllung einer Anspruchsvoraussetzung durch substantiierten Vortrag zu untermauern. Auf dieser Ebene unterliegt die Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit einer Abrechnung nicht dem prüfrechtlichen Beschleunigungsgebot aus § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V. Auch wenn keine Rechnungsminderung erfolgt, kann eine Aufwandspauschale nicht geltend gemacht werden (BSG, a.a.O., Rdz. 23).

 

Das BSG geht sogar davon aus, dass die Abklärung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung in Zusammenarbeit mit dem MDK im Interesse des Krankenhauses liege, wenn die Krankenkasse nicht von sich aus gezielt eine Auffälligkeitsprüfung einleitet. Es handele sich dabei „um eine Mitwirkung  des MDK zu Gunsten des beweisbelastenden Krankenhauses, um diesem die Möglichkeit zu eröffnen, seinen Informationsobliegenheiten bzw. Auskunfts- und Mitteilungspflichten zu entsprechen“.

 

Dies ist ein völlig neuer Aspekt, den das BSG herausgearbeitet hat. Bisher konnte man davon ausgehen, dass der MDK lediglich Auftragnehmer und verlängerter Arm der Krankenkassen ist. Nunmehr wirkt der MDK sogar zu Gunsten des Krankenhauses mit. Die vorstehenden Ausführungen passen insoweit nicht zur bisherigen Rechtsprechung des BSG zur Aufgabenstellung des MDK. 

 

Es wird den Krankenhäusern von hier aus empfohlen, gegenüber den Krankenkassen auf Klarheit zu drängen, ob für Anfragen des MDK bereits ein Prüfungsauftrag vorliegt oder der MDK sich im Vorfeld im Auftrag der Krankenkassen an das Krankenhaus zur Abklärung des Sachverhalts wendet. Andernfalls besteht die Gefahr, dass kein Anspruch auf Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V besteht.

 

Die Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV), die für Behandlungsfälle gilt, die ab 01.01.2015 aufgenommen werden, sieht nunmehr ein Vorverfahren (Falldialog) vor, das allerdings freiwillig ist. Lässt man sich auf ein Vorverfahren ein und kommt es zu keiner Rechnungsminderung besteht kein Anspruch auf die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V (§ 5 Abs. 7 PrüfvV). In dem Vorverfahren ist eine Beteiligung des MDK nicht vorgesehen. Der Falldialog erfolgt ausschließlich zwischen Krankenkasse und Krankenhaus auf der Grundlage der Daten nach § 301 SGB V. Das vom BSG in den Vordergrund gerückte Überprüfungsrecht der Krankenkasse auf sachlich-rechnerische Richtigkeit ist in § 3 Satz 1 PrüfvV geregelt. Danach hat die Krankenkasse die vom Krankenhaus übermittelten Leistungs- und Abrechnungsdaten im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistungen und Korrektheit deren Abrechnung näher zu prüfen. Erkennt die Krankenkasse bei dieser Prüfung Auffälligkeiten, die es erforderlich machen, eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistungen oder der Korrektheit deren Abrechnung einzuleiten, hat sie die Auffälligkeiten innerhalb von 6 Wochen so konkret wie möglich mitzuteilen und die Art der Prüfung zu bestimmen (§ 4 Abs. 1 PrüfvV). Insoweit dürfte die hier wiedergegebene Rechtsprechung des BSG nicht zur Anwendung kommen, soweit das BSG davon ausgeht, dass es keine Pflicht oder Obliegenheit der Krankenkasse gibt, Zweifel an der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen durch substantiierten Vortrag zu untermauern. Nunmehr gilt § 4 Satz 1 PrüfvV, der eine Substantiierungspflicht vorsieht.

 

Das Urteil ist hier wiedergeben.

  letzte Änderung: 10.08.2018 14:17:01
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Newsletter Schlichtungsausschuss
 

Klagen auf Vergütung bis zu 2.000,00 € sind zulässig, solange nicht ein funktionsfähiger Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs. 4 KHG eingerichtet wurde. Den zuständigen Verbänden der Krankenkassen und der Landeskrankenhausgesellschaft ist dies verbindlich anzuzeigen. Gleiches gilt für die Pflegesatzschiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG.

Urteil des BSG vom 08.10.2014, Az.: B 3 KR 7/14 R

- effektiver Rechtsschutz, Schlichtungsausschuss, Pflegesatzschiedsstelle, Prozessvoraussetzung, Zulässigkeit der Klage, Behördeneigenschaft, Verwaltungsakt, Klagegegner -

Mit Newsletter vom 08.10.2014 hatten wir Sie über die weitreichende Grundsatzentscheidung des BSG zum Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs. 4 KHG anhand der Medieninformation des BSG informiert. Nunmehr liegt der Terminsbericht vor, der auch Aussagen zur Rechtsnatur der Entscheidungen des Schlichtungsausschusses Stellung nimmt. Des Weiteren wird der Frage nachgegangen, ob der Schlichtungsausschuss – wenn er funktionsfähig eingerichtet wurde – auch für Behandlungsfälle vorab angerufen werden muss, die vor dem 01.08.2013 durchgeführt wurden (Inkrafttreten des § 17c Abs. 4 i.V.m. Abs. 4b Satz 3 KHG).

Im Einzelnen hat das BSG folgende Festsetzungen getroffen:

  • Die Entscheidungen der Schiedsstelle/des Schlichtungsausschusses nach § 17c Abs. 4 KHG sind Verwaltungsakte. Die Schiedsstelle/der Schlichtungsausschuss ist als Behörde einzuordnen.

 

  • Die Klage gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle/des Schlichtungsausschusses ist gegen die Schiedsstelle/den Schlichtungsausschuss zu richten.  

 

  • Die Anrufung der Schiedsstelle/des Schlichtungsausschusses nach § 17c Abs. 4 KHG ist auch notwendig für Krankenhausbehandlungsfälle (Krankenhausvergütungen), die vor dem 01.08.2013 durchgeführt worden sind.

Der Terminsbericht ist hier wiedergegeben.

Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werde ich weiter berichten. 

  letzte Änderung: 10.08.2018 14:19:08
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Newsletter Schlichtungsausschuss
 

Klagen auf Vergütung bis zu 2.000,00 € sind zulässig, solange nicht ein funktionsfähiger Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs. 4 KHG eingerichtet wurde. Den zuständigen Verbänden der Krankenkassen und der Landeskrankenhausgesellschaft ist dies verbindlich anzuzeigen. Gleiches gilt für die Pflegesatzschiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG.

Urteil des BSG vom 08.10.2014, Az.: B 3 KR 7/14 R

 

- effektiver Rechtsschutz, Schlichtungsausschuss, Pflegesatzschiedsstelle, Prozessvoraussetzung, Zulässigkeit der Klage - 

 

In einer weitreichenden Grundsatzentscheidung musste sich das BSG mit der Frage befassen, ob Klagen der Krankenhäuser auf Vergütung bis zu 2.000,00 € nach dem 01.08.2013 unzulässig sind, da § 17c Abs. 4 i.V.m. Abs. 4b Satz 3 KHG die vorherige Anrufung des Schlichtungsausschusses voraussetze. Das BSG hat in seiner Grundsatzentscheidung unmittelbare Klagen vor den Sozialgerichten für zulässig erachtet, solange kein funktionsfähiger Schlichtungsausschuss bzw. keine funktionsfähige Pflegesatzschiedsstelle besteht und dies den zuständigen Verbänden der Krankenkassen und der Landeskrankenhausgesellschaft verbindlich angezeigt wurde.

 

Sachverhalt

 

Das Krankenhaus hatte eine Restvergütung in Höhe von 1.018,30 € wegen Krankenhausbehandlungskosten im November 2009 geltend gemacht, die von der beklagten Krankenkasse nicht bezahlt wurde. Die Klageerhebung erfolgte nach dem 01.08.2013. Bezogen auf die Prozessvoraussetzungen nach § 17c Abs. 4 i.V.m. Abs. 4b Satz 3 KHG vertraten beide Parteien die Rechtsauffassung, dass die Klage zulässig sei, da die Neuregelung ausschließlich Vergütungsansprüche wegen Krankenhausbehandlungen nach dem 01.08.2013 (Aufnahmedatum) betreffe.

 

Das Sozialgericht hielt die Klage für unzulässig. Der Umstand, dass kein Schlichtungsausschuss zum Zeitpunkt der Klageerhebung bestanden habe, hielt das Sozialgericht für unerheblich. Das verfassungsrechtliche Gebot effektivem Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG sei nicht verletzt. Das Sozialgericht ließ die Sprungrevision zum BSG zu.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG hob die Entscheidung des Sozialgerichts auf. Es stellte fest, dass die Regelung über die vorherige Anrufung des Schlichtungsausschusses vor Klageerhebung für Vergütungen bis 2000,00 € nur dann gilt, wenn ein Schlichtungsausschuss errichtet ist und die Aufgabe der Streitschlichtung effektiv wahrgenommen werden kann. Dies folge aus der verfassungsrechtlichen Garantie effektiven Rechtsschutzes. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung bestand in dem betreffenden Bundesland noch kein Schlichtungsausschuss.

Das BSG hebt hervor, dass die Klage auch nicht nachträglich unzulässig geworden ist, weil seit dem 01.09.2014 die – tatsächlich bestehende – Schiedsstelle nach § 18 Abs. 1 KHG die Funktion eines Schlichtungsausschusses per Gesetz übernehmen muss. Klagen, die zum Zeitpunkt ihrer Erhebung zulässig waren, bleiben dies nach allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätzen auch nach späteren Rechtsänderungen.

Darüber hinaus stellt das BSG fest, dass auch derzeit – also auch nach dem 01.09.2014 – Klagen über streitig gebliebene Vergütungen von Krankenhausleistungen noch unmittelbar zulässig sind. Die Sperre des § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG (vorherige Anrufung des Schlichtungsausschusses bei Klagen bis 2000,00 €) greift nur dann ein, wenn die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 KHG oder der zu errichtende Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs. 4 KHG den örtlich zuständigen Verbänden der Krankenkassen und der Landeskrankenhausgesellschaft verbindlich angezeigt hat, welches Gremium die Schlichtung durchführt und dass es tatsächlich handlungsfähig ist.

 

Anmerkung

 

In einer wichtigen Rechtsfrage hat das BSG nunmehr Klarheit geschaffen. Alle Klagen auf Vergütung bis zu 2.000,00 € von Seiten der Krankenhäuser (und der Krankenkassen) waren und sind zulässig, solange nicht von der Pflegesatzschiedsstelle oder dem Schlichtungsausschuss den zuständigen Verbänden der Krankenkassen und der Krankenhausgesellschaft verbindlich angezeigt wurde, welches Gremium die Schlichtung durchführt und dass es tatsächlich handlungsfähig ist. Die Sozialgerichte hatten sich insoweit aus prozessualen Gründen mit einer Entscheidung schwergetan, obwohl die Krankenhausseite durchgängig auf das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes hingewiesen hatte. Mit Recht führt das BSG daher zusätzlich an, dass es einzelnen Krankenhäuser und Krankenkassen nicht zumutbar ist, von sich aus die Zuständigkeit und Handlungsfähigkeit des zur Schlichtung berufenen Gremiums zu recherchieren. Dabei bringt es zum Ausdruck, dass die Anrufung eines nicht arbeitsfähigen Schlichtungsgremiums in der Regel nicht die Verjährung eines Zahlungs- oder Rückzahlungsanspruches hemmt.

Die Fragestellung, ob die Anrufung des Schlichtungsausschusses, wenn er einmal funktionsfähig errichtet wurde, für Krankenhausbehandlungsfälle vor dem 01.08.2013 (Aufnahmedatum) gilt, wenn der eingeklagte Rechnungsbetrag bis zu 2.000,00 € beträgt, ließ das BSG in seinem Terminsbericht offen.

Die Medieninformation des BSG vom 08.10.2014 ist hier wiedergegeben. 

 

Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werde ich ergänzend berichten. 

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Newsletter Krankenhausplan 2003 Rheinland-Pfalz
 

Die Zusatzangabe [0/3] im Planfeststellungsbescheid des rheinland-pfälzischen Gesundheitsministeriums bei der Fachrichtung Innere Medizin beschränkt den Versorgungsauftrag des Krankenhauses nicht auf die Intensivüberwachung

Urteil des OVG Rheinland-Pfalz vom 24.06.2014, Az.: 7 A 11124/13.OVG (nicht rechtskräftig)

- Krankenhausplan 2003 Rheinland-Pfalz, Auslegung des Bescheides, Gebiet Innere Medizin, Rahmenplanung, Intensivüberwachung, Intensivbehandlung, Versorgungsauftrag, evidenter Abrechnungsmangel -

Das OVG Rheinland-Pfalz musste sich mit Grundfragen der Auslegung von Planfeststellungsbescheiden im Zusammenhang mit dem Krankenhausplan 2003 des Landes Rheinland-Pfalz befassen. In dem vorliegenden Rechtsstreit bestritten die Krankenkassen den Versorgungsauftrag des Krankenhauses zur Durchführung der Intensivbehandlung. Sie waren daher nicht bereit, bestimmte DRGs (A09E und A13E) im Rahmen des Krankenhausbudgets zu vereinbaren.

Das OVG Rheinland-Pfalz gab dem Krankenhaus Recht. Danach umfasst der Versorgungsauftrag des Gebietes Innere Medizin auch Intensivbehandlungsfälle.

Sachverhalt

Durch Planfeststellungsbescheid vom 01.01.2004 wurde dem Krankenhaus das Fachgebiet Innere Medizin mit folgender Angabe zugewiesen:

Fachgebiet

Betten

Bestand

(Datum)

Schwerpunkte/Anmerkungen*

Innere Medizin

60

[0/3]

Ger, PS

       

*Anmerkungen und Schwerpunkte gemäß Inhaltsverzeichnis des Landeskrankenhausplans 2003/2007

Aus dem Klammerzusatz schlossen die Krankenkassen, dass sich die Angabe 0 auf Intensivbehandlungsbetten und die Angabe 3 auf Intensivüberwachungsbetten beziehe. Das Krankenhaus vertrat die Auffassung, dass der Klammerzusatz aus sich heraus nicht verständlich ist und daher keine Einschränkung des Versorgungsauftrages bedeuten kann. Maßgeblich sei somit die Zuweisung des Fachgebiets Innere Medizin, das nach der Weiterbildungsordnung für Ärzte auch die Intensiv-Behandlung umfasse. Auch das beklagte Land vertrat die Auffassung, dass der Klammerzusatz nur eine Mindestgröße zur Intensivversorgung darstelle.

Entscheidungsgründe

Das OVG teilte die Auffassung des Krankenhauses und des beklagten Landes, dass die DRG-Fallpauschalen, die sich auf die Intensivbehandlung bezogen, im Rahmen des Versorgungsauftrages Innere Medizin liegen. Auf einzelne Abrechnungsvoraussetzungen der DRG-Fallpauschalen sei nicht abzustellen.

Das OVG stellt in seiner Grundsatzentscheidung auf die Auslegungsgrundsätze von Bescheiden ab. Maßgeblich für die Entscheidung ist der Feststellungsbescheid gegenüber dem Krankenhaus, mit dem der Krankenhausplan im Einzelfall mit Außenwirkung umgesetzt wird. Der Feststellungsbescheid bestimme Inhalt und Reichweite des Versorgungsauftrages des einzelnen Krankenhauses. Demgegenüber komme dem Krankenhausplan selbst keine Außenwirkung, sondern die Rechtswirkung einer innerdienstlichen Weisung an die zuständige Landesbehörde zu.

Bei der im öffentlichen Recht entsprechend anzuwendenden Auslegungsregel des § 133 BGB (i.V.m. § 157 BGB) ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Wörtlich führt das OVG aus:

"Die Auslegung eines Verwaltungsaktes hat zum einen nach seinem objektiven Erklärungswert unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Erklärung und zum anderen danach zu erfolgen, wie ihn der Adressat nach Treu und Glauben verstehen darf (BVerwG, Beschluss vom 31.01.2008 – 7 B 48.07 -, juris Rn. 6).“

Es komme daher nicht darauf an, wie die beteiligten Krankenkassen den Verwaltungsakt verstanden haben, sondern wie das beigeladene Krankenhaus als Adressatin den Feststellungsbescheid – am Maßstab einer objektivierten Betrachtung – verstehen durfte.

Dem Wortlaut des Bescheides kann eine Begrenzung des Versorgungsauftrages auf 3 Überwachungsbetten nicht entnommen werden. Aus dem Klammerzusatz selbst ist nicht zu erkennen, ob und welche Regelungen getroffen werden sollten. Schließlich ist zu beachten, dass nach § 6 Abs. 2 Satz 1 LKG lediglich Fachabteilungen mit dem entsprechenden Umfang an Krankenhausbetten zu bestimmen waren. Eine weitergehende Differenzierung nach Teilbereichen und im Sinne einer Höchstzahl sehe das Gesetz nicht vor. Auch ist zu beachten, dass der Krankenhausplan 2003 eine Rahmenplanung mit geringer Planungsdichte darstelle, die den Krankenhäusern zur Erfüllung ihrer Aufgaben einen größeren Tätigkeitsspielraum einräumen soll. Inhalt des Fachgebietes Innere Medizin ist die fachgebundene Intensivbehandlung und Intensivüberwachung, ohne dass es der Benennung bedurfte. Dem Klammerzusatz [0/3] komme die Bedeutung einer Vorhalteverpflichtung von 3 fachgebundenen Intensivüberwachungsbetten zu. Er hat daher nicht die Bedeutung eines Ausschlusskriteriums.

Der zweite wesentliche Teil der Entscheidungsgründe des OVG Rheinland-Pfalz befasst sich mit den Abrechnungsvoraussetzungen der intensivmedizinischen Komplexbehandlung (OPS-Kode 8-980). Zum Zeitpunkt der Entscheidung der Schiedsstelle waren zwar diesbezüglich Rechtsstreitigkeiten vor dem Sozialgericht anhängig, aber letztendlich nicht entschieden. Ein sogenannter evidenter Abrechnungsmangel lag insoweit nicht vor. Im Anschluss an seine Entscheidung vom 25.02.2010 – 7 A 10976/09.OVG – hält es das OVG für zulässig, dass es für die Schiedsstelle im Rahmen der Ausübung seines Einschätzungsermessens sachgerecht sein kann, allein auf den Versorgungsauftrag des Krankenhauses abzustellen. Die Krankenkassen und das Krankenhaus hätten unterschiedliche Standpunkte zu den Abrechnungsvoraussetzungen eingenommen, die erst der sozialgerichtlichen Klärung bedurften. Die Schiedsstelle selbst habe nur eingeschränkte Ermittlungsmöglichkeiten. Erst zum Zeitpunkt der Durchführung des Genehmigungsverfahrens lag ein Urteil des SG Speyer vor, das die Vergütung eines Intensivbehandlungsfalles aus dem Jahr 2007 aus strukturellen Gründen verneinte. Erst mit Urteil vom 18.07.2013 sei durch das BSG eine Grundsatzentscheidung hierüber gefällt worden. Es sei daher von Seiten der Schiedsstelle richtigerweise ausschließlich auf den Versorgungsauftrag des Krankenhauses abgestellt worden.

Anmerkungen

Das Urteil des OVG Rheinland-Pfalz ist äußerst lesenswert. Es setzt sich mit den Auslegungsregeln von Planfeststellungsbescheiden dezidiert auseinander. Dabei stellt es heraus, dass ein Planfeststellungsbescheid aus dem Empfängerhorizont des Krankenhauses heraus auszulegen ist und nicht danach, wie ihn Krankenkassen verstehen könnten. Dies ist insoweit konsequent, da die Krankenkassen selbst einen Planfeststellungsbescheid mangels Rechtsschutzinteresses nicht angreifen können. Bei der Auslegung ist nicht nur auf den bloßen Wortlaut des Feststellungsbescheides, sondern unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs des Bescheides abzustellen, sondern auch der Gesamtzusammenhang zu berücksichtigen. Dabei spielt eine wesentliche Rolle, wie ihn das Krankenhaus nach Treu und Glauben verstehen durfte.

In der Praxis stellt sich häufig die Frage, wie tief die Schiedsstelle in die einzelnen, vielfältigen Abrechnungsvoraussetzungen einer DRG-Fallpauschale einsteigen muss. Häufig sind die strukturellen Mindestmerkmale zwischen Krankenhaus und Krankenkasse äußerst umstritten. Der Schiedsstelle wäre zuviel aufgebürdet, wenn sie auch noch Einzelabrechnungsvoraussetzungen von DRG-Fallpauschalen beurteilen müsste. Insoweit lässt es das OVG zu, dass die Schiedsstelle im Rahmen der Prognose künftiger Leistungen allein auf den Versorgungsauftrag des Krankenhauses abstellt. Nur wenn ein Abrechnungsmangel evident ist, also ins Auge springt, dass strukturelle Mindestmerkmale nicht vorliegen, können bestimmte DRG-Fallpauschalen aus dem Budget herausgenommen werden. Die Klärung von Abrechnungsvoraussetzungen obliegt insoweit der Sozialgerichtsbarkeit und nicht der Verwaltungsgerichtsbarkeit, die über das Erlösbudget befindet.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 10.08.2018 14:23:48
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Newsletter Krankenhausvergütung
 

Ein Anspruch auf Krankenhausvergütung ist nur unter „besonderen Umständen“ verwirkt. Nichtstun, also Unterlassen, begründet ein schutzwürdiges Vertrauen nur in Ausnahmefällen. Der bloße Zeitablauf stellt kein die Verwirkung begründendes Verhalten dar.

Urteil des BSG vom 01.07.2014, B 1 KR 47/12 R

- Krankenhausvergütung, Nichtstun, Unterlassen, Widerspruch, Verwirkung -

Sehr geehrte Damen und Herren,

das BSG hat sich am 01.07.2014 in zwei Entscheidungen mit dem Verwirkungstatbestand befasst. Im Urteil des BSG vom 01.07.2014 (B 1 KR 48/12 R) berief sich das Krankenhaus auf Verwirkung. Dabei ging es um ein „Nichtstun“ der Krankenkasse. Insoweit wird auf den Newsletter vom 04.09.2014 verwiesen. In dem Parallelverfahren (Az.: B 1 KR 47/12 R) berief sich nunmehr die Krankenkasse auf Verwirkung auf Grund des „Nichtstuns“ des Krankenhauses.

Sachverhalt

Das Krankenhaus stellte der beklagten Krankenkasse Krankenhausbehandlungskosten in Rechnung. Die Krankenkasse zahlte unter Vorbehalt, beauftragte den MDK und verrechnete anschließend den bereits bezahlten Betrag auf Grund des MDK-Gutachtens mit einer anderen Forderung des Krankenhauses und zahlte den nach ihrer Auffassung korrekten Betrag am 04.06.2009 an die Klägerin. Das Krankenhaus widersprach der Verrechnung rund 1 ½ Jahre später (im Februar 2011). Die Krankenkasse hielt zwar in erster Instanz an ihrer Auffassung zur Kürzung der Rechnung nicht mehr fest, berief sich aber nunmehr auf den Tatbestand der Verwirkung. Das SG verurteilte die Krankenkasse antragsgemäß. Ein Verwirkungstatbestand werde durch bloßes Nichtstun nicht begründet. Daraufhin legte die Krankenkasse Sprungrevision beim BSG ein.

Entscheidungsgründe

Das BSG bestätigte das Urteil in erster Instanz und schloss einen Verwirkungstatbestand aus. Es stellte fest, dass das Rechtsinstitut der Verwirkung als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist grundsätzlich nicht passe. Nur ausnahmsweise könne man sich auf den Tatbestand der Verwirkung berufen. Es müssen die Verwirkung auslösende „besondere Umstände“ vorliegen. Dies setze ein Verwirkungsverhalten, eine Vertrauensgrundlage und ein Vertrauensverhalten voraus. Wörtlich führt das BSG folgende Grundsätze an:

„Solche, die Verwirkung auslösenden ‚besonderen Umstände‘ liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde.“

Im vorliegenden Fall verneinte das BSG diese auslösenden „besonderen Umstände“ für den Verwirkungstatbestand. Das Schweigen des Krankenhauses nach Überweisung der Teilzahlung begründe kein Verwirkungsverhalten. Auch der bloße Zeitablauf von 1 ½ Jahren genüge nicht. Aus dem Schweigen des Krankenhauses nach Rechnungskürzung konnte die Krankenkasse nicht schließen, das Krankenhaus werde seinen Anspruch nicht mehr geltend machen. Eine Äußerungspflicht konnte die Krankenkasse ihrerseits nicht begründen, indem sie „ohne Rechtsgrundlage die Einhaltung von selbst erdachtenWiderspruchsfristen‘“ forderte.

Anmerkungen

Der 1. Senat des BSG hat sich ausführlich mit den Voraussetzungen des Verwirkungstatbestandes befasst. Diese Voraussetzungen werden gleichmäßig angewandt auf Ansprüche der Krankenkassen wie auch auf Ansprüche der Krankenhäuser (siehe unseren Newsletter vom 04.09.2014). Es stellt sich jedoch damit gegen die Rechtsprechung des 3. Senats, der das Verstreichen eines längeren Zeitraumes als Verwirkungstatbestand ansah (Urteil des BSG vom 18.07.2013, B 3 KR 22/12 R). In dem hier besprochenen Fall ging die Auffassung des 1. Senats zu Gunsten des Krankenhauses aus. Der 1. Senat sieht ein Nichtstun des Krankenhauses nur ausnahmsweise als Verwirkungsverhalten an, wenn die Krankenkasse dies „als bewusst und planmäßig erachten darf“. Dies gilt selbstverständlich auch umgekehrt.

Ein Ausnahmefall könne unter den aufgestellten Voraussetzungen nach Auffassung des 1. Senats des BSG dann angenommen werden, wenn eine Nachforderung eines Krankenhauses nach vorbehaltlos erteilter Schlussrechnung außerhalb des laufenden Jahres der Krankenkasse erfolgt. Auch hier scheint eine Abweichung zur Rechtsprechung des 3. Senats vorzuliegen, das eine Nachforderung des Krankenhauses noch bis zum Ende des auf die unrichtige 1. Abrechnung folgenden Kalenderjahres unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zulässt (Urteil des BSG vom 22.11.2012, Az.: B 3 KR 1/12 R – Newsletter vom 07.03.2013) 

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 10.08.2018 14:24:18
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Newsletter Brustzentrum
 

Unter einem (Brust-)Zentrum im Sinne von § 5 Abs. 3 i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 KHEntgG ist eine Einrichtung zu verstehen, die in dem betreffenden Fachbereich besonders spezialisiert ist und sich auf Grund medizinischer Kompetenz und Ausstattung von anderen Krankenhäusern abhebt. Das Zentrum muss sich durch die Wahrnehmung spezieller Aufgaben von den Krankenhäusern ohne Zentrumsfunktion unterscheiden.

Urteil des BVerwG vom 22.05.2014, Az.: 3 C 8.13

- Brustzentrum, Zentrum, spezielle Leistungen, besondere Aufgaben, mittelbare und unmittelbare Behandlungsleistungen, Krankenhausplanung -

Sehr geehrte Damen und Herren,

in einer Reihe von Musterentscheidungen vom 22.05.2014 (Az.: 3 C 8.13, 3 C 9.13, 3 C 12.13, 3 C 14.13, 3 C 15.13) hat sich das BVerwG damit befasst, ob Krankenhäusern im Land Nordrhein-Westfalen ein Brustzentrumszuschlag zusteht. Dies hat es durchweg bejaht.

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall machte ein Krankenhaus für das Jahr 2006 einen Brustzentrumszuschlag nach § 5 Abs. 3 KHEntgG in Höhe von 128.909,00 € geltend. Durch bestandskräftigen Bescheid wurde das Krankenhaus mit Wirkung vom 01.04.2005 u.a. im Teilgebiet Senologie (Brustheilkunde) in den Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen aufgenommen. Der Bescheid enthielt den Passus, dass das Krankenhaus mit einem anderen Krankenhaus ein kooperatives Brustzentrum bilde. Vorausgesetzt wurde des Weiteren, dass spätestens ein Jahr nach Anerkennung als Brustzentrum und danach alle drei Jahre das Krankenhaus definierte Qualitätsstandards einzuhalten habe und dies zu überprüfen sei. Würden die Standards nicht erfüllt, könne dies zu einem Widerruf des Versorgungsauftrages als Brustzentrum führen.

Die Krankenkassen vertraten demgegenüber die Auffassung, dass bereits dem Grunde nach kein Zentrumszuschlag in Betracht zu ziehen sei, da das Krankenhaus die Zentrumseigenschaft im Sinne des KHEntgG nicht erfülle. Im Übrigen seien die geltend gemachten Leistungen keine besonderen Aufgaben im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 KHEntgG.

Entscheidungsgründe

Das BVerwG hat die Voraussetzungen für die Gewährung eines Zentrumszuschlages bejaht. Ausgangspunkt des BVerwG ist der bestandskräftige Feststellungsbescheid des Landes, wonach das Krankenhaus als Brustzentrum mit dem entsprechenden besonderen Versorgungsauftrag in den Krankenhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen aufgenommen worden ist. Wegen der Verknüpfung von Krankenhausplanungs- und Krankenhausfinanzierungsrecht sei auch entgeltrechtlich von einem Zentrum auszugehen.

Zum Zentrumsbegriff weist das BVerwG ergänzend darauf hin, dass der Zentrumsbegriff durch das Fallpauschalenänderungsgesetz vom 17.07.2003 (BGBl. I, Seite 1461) erweitert worden ist. Die Regelung über Zentren ist bewusst für weitere Zentren und Schwerpunkten in anderen medizinischen Fachbereichen geöffnet worden. Krankenhäuser, deren Versorgungsauftrag – wie hier – nur auf einen bestimmten Teilbereich der onkologischen Erkrankungen bezogen ist, sind somit vom Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 KHEntgG mit umfasst.

Das BVerwG geht sodann von folgender Definition eines Zentrums aus:

„Danach ist unter einem Zentrum im Sinne von § 5 Abs. 3 i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 KHEntgG eine Einrichtung zu verstehen, die in dem betreffenden Fachbereich besonders spezialisiert ist und sich auf Grund medizinischer Kompetenz und Ausstattung von anderen Krankenhäusern abhebt. Überdies weist der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 KHEntgG darauf hin, dass sich die Einrichtung durch die Wahrnehmung spezieller Aufgaben von den Krankenhäusern ohne Zentrumseigenschaft unterscheiden muss“.

(BVerwG, a.a.O., Rdz. 31)

Zum Inhalt der besonderen Leistungen, die Gegenstand eines Zentrumszuschlags sein können, führt das BVerwG aus, dass diese besonderen Leistungen sowohl unmittelbare Behandlungsleistungen als auch mittelbare Behandlungsleistungen umfassen. Patientenübergreifende Leistungen seien im Sinne dieser Vorschrift allgemeine Krankenhausleistungen, auch wenn sie der stationären Versorgung nur mittelbar (patientenübergreifend) zu Gute kommen. Auch Behandlungsleistungen seien nicht vom Anwendungsbereich der Regelung ausgenommen. Dies ergäbe sich auch aus dem Zweck des § 17b Abs. 1 Satz 4 KHG, der einen besonderen Finanzierungstatbestand für allgemeine Krankenhausleistungen darstelle, die sich über das pauschalierende Entgeltsystem nicht sachgerecht abbilden lassen.

Das BVerwG ordnet Tumorkonferenzen als besondere, über den Zuschlag zu finanzierende Aufgabe ein.

Darüber hinaus erkennt das BVerwG Patientenbefragungen, Qualitätsdarlegung/interne Audits, Qualitätsbericht und Management-Review, strukturierte Fortbildung, Dokumentation und Wissenschaft/Evaluation grundsätzlich an, auch wenn sie der stationären Versorgung des einzelnen Patienten nicht unmittelbar dienen. Allerdings sieht das BVerwG noch weiteren Aufklärungsbedarf zu diesen Leistungspositionen im Hinblick auf die Finanzierung. Es hat daher den Rechtsstreit an das OVG zurückverwiesen.

Anmerkung

Das BVerwG hat sich ausführlich mit den Voraussetzungen der Gewährung eines Zentrumszuschlages für Brustzentren befasst. Die Besonderheit liegt hierin, dass in NRW Brustzentren planerisch ausgewiesen werden. Daran anknüpfend bejaht das BVerwG die Zentrumseigenschaft des Brustzentrums. Ausdrücklich lässt das BVerwG offen, ob es einer entsprechenden Verknüpfung zwischen Krankenhausplanungsrecht und Finanzierungsrecht bedarf, wenn Brustzentren planerisch nicht ausgewiesen werden. Dies betrifft z.B. die Bundesländer Hessen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Sachsen. Hierfür ist die Rechtslage bisher noch nicht höchstrichterlich geklärt.

Unabhängig von dieser weiteren Grundsatzfrage hat das BVerwG die Zentrumseigenschaft definiert. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Auffassung der Krankenkassen widersprochen wird, es bedürfe eines überregionalen Einzugsbereiches und es bedürfe einer zahlenmäßigen Beschränkung der Zentren. Es reicht aus, dass eine Einrichtung in dem betreffenden Fachbereich besonders spezialisiert ist und sich auf Grund seiner medizinischen Kompetenz und Ausstattung von anderen Krankenhäusern abhebt. Zudem muss das Zentrum spezielle Aufgaben wahrnehmen, die sich von Krankenhäusern ohne Zentrumsfunktion unterscheiden.

Soweit diese Voraussetzungen bei den Krankenhäusern zutreffen, sollte ein Zentrumszuschlag kalkuliert und in die Budgetverhandlungen mit den Krankenhäusern eingeführt werden.

Das Urteil ist hier wiedergegeben. 

  letzte Änderung: 10.08.2018 14:25:30
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Newsletter AOP-Vertrag
 

§ 275 Abs. 1c SGB V gilt nicht für ambulante Operationen und sonstige stationsersetzende Eingriffe nach dem AOP-Vertrag gem. § 115b Abs. 1 SGB V

Urteil des BSG vom 01.07.2014, Az.: B 1 KR 1/13 R

- AOP-Vertrag, Prüfungsrecht der Krankenkassen, fachspezifische Grundpauschale, präoperative Laboruntersuchungen, Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsgebot, Vergütung ambulanter Leistungen nach § 115b SGB V -

Das BSG hat sich mit Urteil vom 01.07.2014, Az.: B 1 KR 1/13 R, ausführlich mit den Voraussetzungen der Leistungserbringung auf der Grundlage des AOP-Vertrages gem. § 115b Abs. 1 SGB V befasst. Dabei hat es entschieden, dass § 275 Abs. 1c SGB V auf die Prüfung von Leistungen nach § 115b SGB V nicht anwendbar ist.

Sachverhalt

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der klagende Krankenhausträger betreibt ein Krankenhaus u.a. mit einer Fachabteilung Frauenheilkunde und Geburtshilfe. In diesem Rahmen ist es zu ambulanten Operationen sowie zu stationsersetzenden Eingriffen zugelassen. Auf Grund einer Überweisung einer niedergelassenen Gynäkologin wurde vom Krankenhaus eine ambulante therapeutische Kürettage durchgeführt. Das Krankenhaus erbrachte präoperative Laborleistungen und führte den Eingriff ambulant durch. Die Klägerin berechnete u.a. die fachspezifische gynäkologische Grundpauschale und die präoperativen Laboruntersuchungen. Die beklagte Krankenkasse vergütete anstelle der Grundpauschale lediglich die Konsultationspauschale (Differenz 69,32 €). Die präoperativen Laboruntersuchungen wurden von ihr nicht vergütet. Das SG verurteilte die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung; das LSG wies die Berufung der Krankenkasse zurück. Auf die Revision der Krankenkasse hob das BSG das LSG-Urteil auf und verwies die Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurück.

Entscheidungsgründe

Das BSG setzt sich ausführlich mit den Vergütungsvoraussetzungen nach dem AOP-Vertrag auseinander. Es gelten folgende Maßgaben: - Es bedarf einer Zusatzzulassung des Krankenhauses. Hierzu bedarf es einer Mitteilung des Krankenhauses an die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen, die Kassenärztliche Vereinigung und den Zulassungsausschuss. Die Mitteilung selbst kann sich wirksam nur auf solche Leistungen erstrecken, die Bezug zum Fachgebiet haben, für das das Krankenhaus zur stationären Versorgung zugelassen ist. Nach § 1 Abs. 2 AOP-Vertrag sind in dieser Mitteilung die entsprechenden abteilungsbezogenen Leistungsbereiche und einzelnen Leistungen auf der Grundlage des AOP-Katalogs maschinenlesbar zu benennen. - Der Umfang dieser Leistungen wird durch das Fachgebiet bestimmt. Dies ist im vorliegenden Fall das Fachgebiet Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Für nicht fachgebietsbezogene Leistungen muss das Krankenhaus den Patienten an einen niedergelassenen Vertragsarzt dieses anderen Fachgebietes überweisen. Zur Gebietsbeschreibung stellt das BSG auf die ärztliche Weiterbildungsordnung ab. Dabei stellt es Zweifel in den Raum, ob das Gebiet Frauenheilkunde und Geburtshilfe auch die Durchführung von Laboruntersuchungen umfasst. - Die Vergütung richtet sich im Übrigen nach dem EBM (siehe § 7 AOP-Vertrag). Im Einzelnen ist daher noch näher zu prüfen, ob die Voraussetzungen der Grundpauschale (EBM 08211) gegeben waren. Liegt eine Auftragsüberweisung vor, könne die Grundpauschale nicht abgerechnet werden. Es bedürfe hierbei einer Überweisung zur Mit- oder Weiterbehandlung. - Das Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsgebot gelte auch für Leistungen nach dem AOP-Vertrag. Nach § 2 Abs. 4 SGB V haben auch die Krankenhäuser darauf zu achten, dass die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden. - Eine Anwendung von § 275 Abs. 1c SGB V auf ambulante Operationen und stationsersetzende Eingriffe nach dem AOP-Vertrag schließt das BSG aus. Die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität erfolgt nach § 115b SGB V durch die Krankenkassen (siehe § 115b Abs. 2 Satz 5 SGB V). Ein Verweis auf die Regelung in § 275 Abs.1c SGB V sei an dieser Stelle nicht erfolgt. Insoweit treffe § 115b SGB V eine eigenständige Regelung zu den Prüfungen.

Anmerkung

Das BSG bewertet den Umfang der fachgebietsbezogenen Leistungen strikt nach der ärztlichen Weiterbildungsordnung. Geht die Mitteilung des Krankenhauses über die Gebietsdefinition hinaus, ist es zur Leistung nicht zugelassen. Es muss dann die entsprechenden Leistungen außerhalb dieses Gebietes von niedergelassenen Ärzten, ermächtigen Ärzten oder anderen zugelassenen Einrichtungen erbringen lassen. Des Weiteren hat sich die Abrechnung streng an den Voraussetzungen des EBM auszurichten, so z.B. bei der Abrechnung der fachgebietsbezogenen Grundpauschale. Überraschend ist die Entscheidung des BSG zu § 275 Abs. 1c SGB V. Schließlich verweist § 275 Abs. 1c SGB V auf § 39 SGB V. In § 39 SGB V ist selbst Bezug genommen auf ambulante Operationen nach § 115b SGB V. Das BSG begründet seine Auffassung mit dem eigenständigen Charakter von § 115b SGB V. Danach ist eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit und der Qualität den Krankenkassen in einem eigenständigen Regelungskreis zugewiesen. Konsequenz dieser Rechtsprechung ist, dass für Leistungen nach dem AOP-Katalog § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V keine Anwendung findet, also auch keine Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € angesetzt werden kann.

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  letzte Änderung: 10.08.2018 14:25:57
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Newsletter Herausgabe von Behandlungsunterlagen
 

Krankenkassen haben Anspruch auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen an den Medizinischen Dienst, auch wenn mehr als 4 Jahre seit Rechnungsstellung vergangen sind

Urteil des BSG vom 01.07.2014, B 1 KR 48/12 R

- Herausgabe von Behandlungsunterlagen, Stufenklage, Einleitung des Prüfungsverfahrens, Auffälligkeit, Anfangsverdacht, Waffengleichheit, Verwirkung, Verjährung -

In dem jüngsten Urteil setzt sich der 1. Senat des BSG mit dem Anspruch auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen im Einzelnen auseinander. Er bejaht diese Anspruch der Krankenkasse, obwohl zwischen der Schlussrechnung und dem Anforderungsbegehren auf Herausgabe der Unterlagen mehr als vier Jahre vergangen sind. Des Weiteren setzt sich der 1. Senat mit dem Begriff der Auffälligkeit, dem Rechtsgedanken der Waffengleichheit zwischen Krankenkassen und Krankenhaus sowie der Verwirkung auseinander. Er stellt sich insoweit gegen Ausführungen des 3. Senats des BSG.

Sachverhalt

Das Krankenhaus behandelte einen Patienten im Juni 2006 stationär wegen einer Femurfraktur. Auf die Schlussrechnung vom 06.07.2006 leistete die Krankenkasse Zahlung. Mit Schreiben vom 24.09.2010 unterrichtete der Medizinische Dienst (MD) das Krankenhaus über einen Prüfauftrag der Krankenkasse und forderte die Überlassung von einzelnen Behandlungsunterlagen. Im Hinblick auf den langen Zeitablauf verweigerte das Krankenhaus die Herausgabe der angeforderten Behandlungsunterlagen. Das Krankenhaus berief sich dabei auf das Beschleunigungsgebot und auf Treu und Glauben. Während die Vorinstanzen dem Krankenhaus Recht gaben, hob das BSG die Entscheidungen auf und verurteilte das Krankenhaus auf Herausgabe der begehrten Behandlungsunterlagen. Im Übrigen verwies das BSG den Rechtsstreit an das LSG zurück.

Entscheidungsgründe

Eingangs stellt das BSG fest, dass es sich vorliegend um eine Stufenklage handelt. Dabei wird auf der ersten Stufe über die Herausgabe von Behandlungsunterlagen und auf der zweiten Stufe über den Zahlungsanspruch (Forderungsbetrag der Krankenkassen) entschieden. Die Krankenkasse kann den Anspruch auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen an den MD verlangen. Sie ist insoweit Gläubigerin des Herausgabeanspruchs. § 276 Abs. 2 SGB V bezieht sich auf die Erfüllung des Herausgabeanspruchs, nicht darauf, wem der Anspruch auf Herausgabe der Behandlungsunterlagen zusteht. Des Weiteren bejaht das BSG, dass vorliegend Auffälligkeiten bestanden, die die Krankenkasse zu einer Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V berechtigt. Jede Auffälligkeit begründe einen Anfangsverdacht. Entgegen der Auffassung des 3. Senats bedürfe es weder eines konkreten Verdachts, noch müsse ein solcher von der Krankenkasse bewiesen werden. Vorliegend bestand der Verdacht einer Doppelkodierung. Insoweit seien alle Voraussetzungen zur Einleitung der Prüfung durch den MD erfüllt (Rdz. 14). Der MD habe auch nicht verspätet die Einleitung der Prüfung und die Auffälligkeiten mitgeteilt. Der konkrete Prüfauftrag könne auch noch im laufenden Berufungsverfahren mitgeteilt werden. Weder aus dem Landesvertrag noch aus sonstigen Gründen sei eine Verpflichtung zu ersehen, den konkreten Prüfungsauftrag dem Krankenhaus mitzuteilen. Die von der Krankenkasse beabsichtigte Überprüfung könne auch noch geraume Zeit nach Abschluss der jeweiligen stationären Behandlung anhand vorliegender Unterlagen und Dokumentationen sachgerecht vorgenommen werden. Auf die anschauliche Erinnerung des Krankenhausarztes komme es hierbei nicht an (Rdz. 17). Auch ein Verstoß gegen das prüfrechtliche Beschleunigungsgebot nach § 275 Abs. 1c SGB V sei nicht ersichtlich. Diese Vorschrift sei erst zum 01.04.2007 anzuwenden. Der zeitliche Anwendungsbereich einer gesetzlichen Regelung richte sich nach den allgemeinen für das intertemporale Sozialrecht geltenden Grundsätzen. § 275 Abs. 1c SGB V sei daher nur für Behandlungen, die nach dem 31.03.2007 begonnen haben, anzuwenden. Der Grundsatz der Waffengleichheit sei nicht verletzt. Im Übrigen könne sich das Krankenhaus auch nicht auf Verjährung berufen. Ein Verwirkungstatbestand sei nicht ersichtlich. Das Rechtsinstitut der Verwirkung passe als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist grundsätzlich nicht.

Anmerkung

Der erste Senat stellt sich in einigen Punkten gegen die Auffassung des 3. Senats. So ist der 3. Senat bisher davon ausgegangen, dass es sich bei der Auffälligkeit um einen konkreten Anfangsverdacht handelt. Aus den Urteilsgründen des 1. Senats ist ersichtlich, dass jede Möglichkeit einer sachlich rechnerischen Unrichtigkeit eine Auffälligkeit begründen kann. Nach Auffassung des 1. Senats muss dem Krankenhaus vom MD auch nicht der konkrete Prüfauftrag mitgeteilt werden. Des Weiteren nimmt das BSG Abschied von dem Grundsatz der Waffengleichheit. Bemerkenswert ist dabei folgender Satz in den Urteilsgründen: „Vielmehr schöpft Waffengleichheit als wertungsplausibles Bild innere, assoziative Strahlkraft aus dem Turnierkampf“. Trotz dieses anschaulichen Bildes wendet das BSG den bisherigen Grundsatz der Waffengleichheit nicht auf das materielle Recht an. Eine Übertragung des Bildes der Waffengleichheit ins materielle Recht wirke verwässernd. Es gäbe daher kein „quasi überpositives Gebot der Waffengleichheit in den Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkasse und Krankenhaus“. Bestehende Ungleichgewichte würden durch das Gesetz ausgeglichen. Abschließend macht der 1. Senat auch umfassend Ausführungen zum Verwirkungstatbestand, den der 3. Senat des BSG (Urteil vom 18.07.2013, B 3 KR 22/12 R) zuletzt bejaht hat. Der 3. Senat hatte insbesondere darauf verwiesen, dass der Verwirkungstatbestand dann greift, wenn ein längerer Zeitraum verstrichen ist. Das Umstandsmoment sah er dann als erfüllt an, wenn die Krankenkassen ihre Korrekturmöglichkeiten bis zum Ende des auf die Krankenhausabrechnung folgenden Kalenderjahrs nicht wahrnehmen. Davon nimmt der 1. Senat nunmehr Abstand und stellt heraus, dass ein Nichtstun der Krankenkasse nur in Ausnahmefällen ein schutzwürdiges Vertrauen darstelle, wenn das Krankenhaus diese Vorgehensweise als bewusst und planmäßig erachten dürfe. Eine Notwendigkeit zur Anrufung des Großen Senats sah der 1. Senat hierbei nicht, da die Rechtsprechung des 3. Senats als obiter dicta zu verstehen ist. Für Behandlungsfälle ab 01.01.2015 gilt jedoch die Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) auf Bundesebene. Danach ist die Krankenkasse verpflichtet, bei Prüfungseinleitung dem Krankenhaus die Auffälligkeiten so konkret wie möglich mitzuteilen und die Art der Prüfung zu bestimmen (§ 4 PrüfvV). Die Auffälligkeiten sind innerhalb von 6 Wochen nach Eingang der 301er-Daten und der Krankenhausrechnung konkret zu benennen. Wird der MDK mit einer Prüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V beauftragt, muss der MDK die Einleitung der MDK-Prüfung einschließlich des Datums seiner Beauftragung dem Krankenhaus unverzüglich anzeigen. In der Prüfanzeige sind die bei der Einleitung des Prüfverfahrens mitgeteilten Auffälligkeiten ggf. zu konkretisieren und eventuell zu ergänzen. Im Regelfall muss die Krankenkasse dem Krankenhaus die abschließende leistungsrechtliche Entscheidung innerhalb von 9 Monaten nach Übermittlung der Prüfanzeige nach § 6 Abs. 3 PrüfvV mitteilen (§ 8 Satz 3 PrüfvV).

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 10.08.2018 14:26:23
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Newsletter vorstationäre Behandlung
 

 

Eine vorstationäre Behandlung ist regelmäßig nicht erforderlich, wenn stattdessen vertragsärztliche Versorgung ausreichend ist. Dies ist der Fall, wenn sich aus der Verordnung von Krankenhausbehandlung und den beigefügten Unterlagen ohne weiteres ergibt, dass die notwendige vertragsärztliche Diagnostik nicht ausgeschöpft ist. Unabhängig von den zeitlichen Fristen in § 115a SGB V entsteht keine Vergütung für die vorstationäre Behandlung, wenn es sich um denselben Behandlungsfall handelt.

BSG-Urteile vom 17.09.2013 B 1 KR 67/12 R, B 1 KR 2/12 R und B 1 KR 21/12 R

- vorstationäre Behandlung, Vorrang Vertragsarzt, vertragsärztliche Diagnostik, Behandlungsfall, Abrechnung -

In mehreren Fällen musste sich das BSG mit der Abrechnung vorstationärer Behandlungsfälle befassen. Es hat hierzu wesentliche Grundsätze für die Leistungserbringung im Krankenhaus aufgestellt. Im Folgenden wird insbesondere auf das Urteil des BSG vom 17.09.2013, Az.: B 1 KR 67/12 R, eingegangen.

Sachverhalt

Eine Vertragsärztin verordnete Krankenhausbehandlung zur „Abklärung/evtl. OP“ einer Urge-Inkontinenz. Der Krankenhausarzt nahm vorstationär eine urodynamische Messung vor und kam zur Auffassung, dass eine vollstationäre Krankenhausbehandlung nicht erforderlich sei. Hierfür rechnete das Krankenhaus die vorgesehene Vergütungspauschale in Höhe von 119,13 € ab. Die beklagte Krankenkasse schaltete den MDK zur Prüfung ein. Dieser kam zu der Auffassung, die urodynamische Messung hätte ambulant erfolgen können. SG und LSG verurteilten die Beklagte zur Zahlung der vorstationären Pauschale.

Entscheidungsgründe

Das BSG wies die Revision zurück und bestätige die Urteile der Vorinstanzen zur Abrechnung der vorstationären Pauschale. In diesem Zusammenhang macht das BSG grundsätzliche Ausführungen zu den Voraussetzungen der Abrechnung einer vorstationären Leistung. Danach muss die vorstationäre Behandlung medizinisch gerade dazu geeignet sein, speziell die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären oder die vollstationäre Krankenhausbehandlung vorzubereiten. Die in § 115a Abs. 2 Satz 1 SGB V vorgesehenen zeitlichen Begrenzungen seien erfüllt, da die vorstationäre Behandlung an einem Behandlungstag erfolgte. Des Weiteren stellt das BSG auf das Merkmal der Erforderlichkeit der vorstationären Behandlung ab. Dieses Merkmal sei zwar in § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht ausdrücklich erwähnt. Jedoch folge dies aus den allgemeinen Vorgaben für das Leistungsrecht im Zusammenspiel mit § 115a SGB V. In § 115a Abs. 1 Satz 1 SGB V werde auf „medizinisch geeignete Fälle“ abgestellt. Dieses Merkmal müsse zusätzlich erfüllt sein. Dies folge letztlich aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V. Eine vorstationäre Behandlung sei regelmäßig nicht erforderlich, wenn vertragsärztliche Versorgung ausreichend sei (BSG, aaO., juris Rdz. 19). Dies ergebe sich auch aus den Krankenhausbehandlungsrichtlinien, an denen sich der Vertragsarzt verbindlich auszurichten habe. Das Regelungssystem unterstreicht den Vorrang vertragsärztlicher Versorgung. Vor- und nachstationäre Behandlung seien nämlich bloß in engem Zusammenhang mit vollstationärer Behandlung zulässig, die gegenüber ambulanter Behandlung nachrangig ist. Das Krankenhaus habe die Erforderlichkeit der vorstationären Behandlung nach objektiven medizinischen Kriterien zu prüfen (BSG, aaO., juris Rdz. 26). Der Vertragsarzt habe der Verordnung die erforderlichen Behandlungsunterlagen beizufügen (§ 6 Krankenhaus-behandlungsrichtlinien). Ergibt sich daraus, dass der Vertragsarzt pflichtwidrig die notwendige vertragsärztliche Diagnostik nicht ausgeschöpft hat, hat das Krankenhaus eine vorstationäre Abklärung abzulehnen. In einem solchen Fall entfällt die vorstationäre Vergütung. Für die Beurteilung der Erforderlichkeit ist auf den zum Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes abzustellen.

Anmerkung

Das BSG betont erstmals auch für die Fallgestaltung vor- und nachstationär die Erforderlichkeit dieser Behandlungsform. An der Erforderlichkeit fehlt es, wenn eine vertragsärztliche Versorgung ausreichend ist. Dies setzt das Ausschöpfen der vertragsärztlichen Diagnostik voraus. Liegt eine vertragsärztliche Diagnostik jedoch vor, kann in die vorstationäre Behandlung eingetreten werden. Einen Parallelfall hat das BSG mit Urteil vom 17.09.2013 – B 1 KR 21/12 R – entschieden. Nach § 8 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. HS KHEntgG ist eine vorstationäre Behandlung neben einer DRG-Fallpauschale nicht gesondert berechenbar. Hierbei stellt das BSG nicht auf die zeitlichen Fristen in § 115a Abs. 2 Satz 1 SGB V ab, sondern darauf, ob es sich um einen Behandlungsfall handelt. Bisher war die Abrechnung der vorstationären Behandlung neben der Fallpauschale dann möglich, wenn die Fristen überschritten wurden. Nunmehr stellt das BSG auf den Behandlungsfall insgesamt ab. Vor- und vollstationäre Behandlung betreffen denselben Behandlungsfall, wenn derselbe Versicherte aufgrund derselben Erkrankung unter vergleichbaren Prämissen mit derselben Gesamtzielrichtung behandelt werden soll. Insoweit muss ein die Behandlung prägender sachlicher Zusammenhang zwischen den Behandlungsepisoden bestehen (BSG-Urteil vom 17.09.2013, B 1 KR 2 /12 R, juris Rdz. 18).

  letzte Änderung: 10.08.2018 14:27:23
 
Newsletter Anerkenntnis Aufwandspauschale
 

Die Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V nach Klageerhebung und dann angenommenen Anerkenntnis des Hauptanspruches im gerichtlichen Verfahren ist von Gesetzeswegen nicht vorgesehen.

Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 09.07.2013, Az.: S 8 KR 276/11 - nicht rechtskräftig -

- Anerkenntnis, Aufwandspauschale, Abweichung vom Gesetzeswortlaut, MDK-Prüfung -

Das SG Leipzig hat sich mit der Frage befasst, ob dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V zusteht, wenn die beklagte Krankenkasse erst im Laufe des Rechtsstreites vor dem Sozialgericht die Hauptforderung anerkennt. Das Sozialgericht hat dies (überraschenderweise) verneint.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus stellte der beklagten Krankenkasse die DRG I42Z (Multimodale Schmerztherapie) in Rechnung. Die Krankenkasse erteilte dem MDK fristgerecht einen Prüfungsauftrag. Der MDK kam zur Auffassung, dass nicht alle Voraussetzungen des OPS-Kodes 8-918 erfüllt seien. Eine Behandlung wäre auch ambulant/teilstationär möglich gewesen. Nach Widerspruch des Krankenhauses wurde vom MDK ein Zweitgutachten erstellt. Danach seien die Voraussetzungen des OPS-Kodes nunmehr nachvollziehbar; die medizinische Notwendigkeit einer vollstationär durchzuführenden Schmerztherapie könne den Unterlagen allerdings nicht entnommen werden. Daraufhin verrechnete die Beklagte den vollen Rechnungsbetrag. Das Krankenhaus erhob daraufhin Klage und machte weiterhin die Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € geltend. Die Beklagte erkannte nunmehr die Hauptforderung an, verweigerte aber ein Anerkenntnis der zusätzlich geltend gemachten Aufwandspauschale.

Entscheidungsgründe

Das SG lehnt den Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V ab. Zwar sei der Gesetzeswortlaut erfüllt, wonach es vorliegend nach Überprüfung durch den MDK zu keiner Rechnungsminderung gekommen sei. Nach Auffassung des SG sei der Wortlaut von § 275 Abs. 1 c Satz 3 SGB V jedoch einschränkend zu interpretieren. § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V sei sinngemäß dahingehend auszulegen, dass eine Aufwandspauschale den beteiligten Krankenhäusern nur zusteht, wenn nach Abschluss des vorgerichtlichen Verfahrens eine zutreffende Kodierung festgestellt wird bzw. der Rechnungsbetrag nach Überprüfung durch den MDK unverändert bleibt. Die Zahlung einer Aufwandspauschale nach Klageerhebung und dann angenommenen (Teil-) Anerkenntnis im gerichtlichen Verfahren sei hingegen von Gesetzeswegen nicht vorgesehen.

Anmerkungen

Bereits der Wortlaut des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V spricht gegen die Auffassung des SG. Danach kommt es darauf an, ob die Prüfung des MDK nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt. Vorliegend stellte die beklagte Krankenkasse selbst fest, dass die Prüfung des MDK nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt und hat daher die Hauptforderung vollständig anerkannt. Damit sind die Voraussetzungen des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V erfüllt. Das SG verkennt, dass bei streitigen Fällen erst im nachfolgenden Rechtsstreit geklärt wird, ob die Prüfung des MDK zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führen kann. Dies hängt davon ab, ob die Voraussetzungen der Abrechnung objektiv gegeben sind. Dies kann auch im Laufe des Rechtsstreites durch Anerkenntnis der Beklagten – wie hier – festgestellt werden. Im Ergebnis führte daher die MDK Prüfung zu keiner Minderung des Abrechnungsbetrages. Dem Sozialgericht ist auch nicht in seiner Auffassung zu folgen, dass der Aufwand des Krankenhauses erst im Laufe des anhängigen Rechtsstreites entstanden ist und dem allgemeinen Prozessrisiko zuzurechnen ist. Der Aufwand des Krankenhauses ist bereits im Vorfeld im Rahmen des Prüfungsverfahrens entstanden. Ausweislich des Sachverhaltes hat das klagende Krankenhaus am 08.07.2010 – also vor Klageerhebung – eine zusätzliche Dokumentation zur Verfügung gestellt, um die Voraussetzungen der Multimodalen Schmerztherapie zu belegen. Das BSG hat zuletzt mit Urteil vom 28.11.2013 – Az.: B 3 KR 4/13 R nur eine einzige Abweichung vom Gesetzeswortlaut des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V zugelassen, wenn unstreitig eine fehlerhafte Abrechnung vorliegt und dadurch die Krankenkasse zur Einleitung des Prüfverfahrens veranlasst wurde (s. Newsletter vom 04.12.2013). Im vorliegenden Fall liegt das Gegenteil vor, nämlich eine unstreitige fehlerfreie Abrechnung. Das Sozialgericht hätte daher der Klage stattgeben müssen. Das Urteil des SG Leipzig ist nicht rechtskräftig. Da sich verstärkt Krankenkassen auf dieses Urteil (und das Urteil des SG Leipzig im Parallelverfahren vom 25.06.2013 – Az.: S 8 KR 323/11) beziehen, wird empfohlen, nach wie vor die Aufwandspauschale geltend zu machen. Dies gilt jedenfalls für die Fälle, in denen von dem MDK im Rahmen des Prüfungsverfahrens Unterlagen angefordert wurden.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 10.08.2018 14:27:57
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Newsletter Kardiologie
 

Ein Krankenhaus ist berechtigt, anstelle einer DRG, die nicht vom Versorgungsauftrag umfasst ist, die Leistungen abzurechnen, die sie im Übrigen erbracht hat.

Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 19.03.2014, Az.: S 23 KR 1036/13

- Kardiologie, Innere Medizin, Versorgungsauftrag, Linksherzkathetermessplatz, Auffang-DRG, Papierform der Rechnung, Nacherfassung -

Das Sozialgericht für das Saarland hat sich vorliegend mit der interessanten Frage auseinandergesetzt, welche Leistungen abgerechnet werden dürfen, wenn die ursprünglich abgerechnete Leistung nicht vom Versorgungsauftrag umfasst war. Im Ergebnis hat es der Auffassung des Krankenhauses Rechnung getragen und die Vergütung der Auffang-DRG anerkannt.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus hatte ursprünglich die DRG F19A (Andere perkutan-tranluminale Intervention an Herz, Aorta und Lungengefäßen mit äußerst schweren CC) abgerechnet. In einem parallel geführten Rechtsstreit vor dem Verwaltungsgericht wegen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses wurde rechtskräftig festgestellt, dass die Klägerin nicht berechtigt sei, kardiologische Leistungen mit Hilfe eines Linksherzkathetermessplatzes zu erbringen. Diese seien vom Versorgungsauftrag nicht umfasst. In der Folge änderte die Klägerin die Rechnung unter Ausschluss der OPS-Kodes, die die kardiologischen Leistungen mittels Linksherzkathetermessplatzes betrafen. Die Klägerin rechnete nunmehr die DRG-Fallpauschale F69A ab (Herzklappenerkrankungen mit äußerst schweren oder schweren CC). Die Rechnung konnte die Klägerin nur in Papierform stellen, da in der Zwischenzeit das EDV-System krankenhausintern umgestellt worden ist. Die beklagte Krankenkasse beglich auch diese Rechnung nicht und wandte ein, die Klägerin sei insgesamt nicht berechtigt, die abgerechneten Leistungen zu erbringen. Es sei rechtlich nicht zulässig, aus der ursprünglichen Rechnung die Linksherzkatheteruntersuchung herauszurechnen.

Entscheidungsgründe

Zunächst schließt sich das SG der Auffassung des VG an, wonach die Klägerin nicht berechtigt sei, kardiologische Linksherzkathetermessplatzuntersuchungen zu erbringen. Diese seien vom Versorgungsauftrag nicht umfasst. Der Versorgungsauftrag der Klägerin umfasse aber die kardiologischen Leistungen, die in der Weiterbildungsordnung im Teilgebiet „Innere Medizin – allgemein“ aufgeführt seien. Die Klägerin sei berechtigt, alle Leistungen zu erbringen, die vom Versorgungsauftrag umfasst seien. Sie habe die entsprechenden OPS-Ziffern, die die Linksherzkatheteruntersuchung betreffen, herausgenommen. Dementsprechend sei sie aber berechtigt, alle anderen Leistungen, die innerhalb des Versorgungsauftrages liegen, abzurechnen. Rechtsgründe, die dagegen sprächen, seien nicht ersichtlich. Die Klägerin sei auch berechtigt gewesen, die neue Rechnung lediglich in Papierform zu erstellen und der Beklagten zuzusenden. Zwar bestehe die Pflicht nach § 301 Abs. 1 SGB V, Rechnungen im Wege der elektronischen Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern den Krankenkassen zu übermitteln. § 303 Abs. 3 Satz 1 SGB V sehe in diesem Fall die Nacherfassung der Daten durch die Krankenkassen vor. Einfluss auf die Fälligkeit der Rechnung habe dies jedoch nicht.

Anmerkungen

Krankenkassen berufen sich regelmäßig bei Abrechnungen von Leistungen, die nicht vom Versorgungsauftrag umfasst sind, darauf, dass die Aufnahme des Patienten bereits unzulässig gewesen sei. Im vorliegenden Fall hat sich die beklagte Krankenkasse u.a. darauf berufen, der Patient wäre nur wegen der Durchführung der Linksherzkatheteruntersuchung ins Haus gekommen. Das SG erkennt in diesem Fall an, dass die übrigen Leistungen, die vom Krankenhaus innerhalb des Versorgungsauftrags erbracht wurden, abgerechnet werden dürften. In der Tat kommt es nicht darauf an, was der Aufnahmeanlass gewesen ist, sondern darauf an, welche Leistungen das Krankenhaus zu Recht erbringen durfte. Somit ist ein Krankenhaus berechtigt, die entsprechende Auffang-DRG abzurechnen, die die im Versorgungsauftrag liegenden Leistungen abbilden. Keine Bedenken bestehen gegen die Auffassung des SG, im Ausnahmefall dürfe das Krankenhaus auch Rechnungen in Papierform stellen. Enthält diese Rechnung alle nach § 301 Abs. 1 SGB V erforderlichen Daten, wird der Anspruch fällig. Die einzige Sanktion, die das Gesetz vorsieht, ist die Möglichkeit der Rechnungskürzung nach § 303 Abs. 3 Satz 2 SGB V, wenn das Krankenhaus die nicht maschinell verwertbare Datenübermittlung zu vertreten hat. Danach kann die Krankenkasse bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen die Rechnung in Höhe von 5 % des Rechnungsbetrages kürzen.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 10.08.2018 14:28:37
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Newsletter Schlichtungsausschuss
 

Vor Klageerhebung mit einem Streitwert bis 2.000,00 € ist ein Schlichtungsverfahren nach § 17c Abs. 4 SGB V durchzuführen. Dies gilt auch für Behandlungsfälle, die vor Inkrafttreten am 01.08.2013 durchgeführt wurden.

Urteil des SG Karlsruhe vom 24.02.2014, Az.: S 5 KR 4463/13 – nicht rechtskräftig

- Schlichtungsausschuss, Inkrafttreten von § 17c Abs. 4b KHG, effektiver Rechtsschutz, intertemporales Prozessrecht -

Vorliegend geht es um die Rechtsfrage, ob § 17c Abs. 4b KHG i.d.F. des Beitragsschuldengesetzes vom 15.07.2013 (BGBl. I S. 2423) auch für Behandlungsfälle anzuwenden ist, die vor dem Inkrafttreten dieser Vorschrift zum 01.08.2013 durchgeführt wurden. Dies hat das SG Karlsruhe bejaht und die Klage als unzulässig abgewiesen.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus behandelte einen Patienten im Oktober 2011. Hierfür stellte es 1.300,01 € in Rechnung. Die beklagte Krankenkasse zahlte zunächst. Auf der Grundlage eines MDK-Gutachtens verrechnete sie jedoch diesen Betrag im März 2012 mit einer anderen Forderung des Krankenhauses. Das Krankenhaus klagte den offenstehenden Betrag im Dezember 2013 ein. Die Anrufung des Schlichtungsausschuss als Sachurteilsvoraussetzung scheide aus, da diese Regelung erst für Behandlungsfälle ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens (01.08.2013) gelte. Im Übrigen existiere bisher noch kein „arbeitsfähiger“ Schlichtungsausschuss im Lande. Es bestünde daher nur die Möglichkeit, das Sozialgericht direkt anzurufen. Auch die Beklagte schloss sich dieser Auffassung an und hielt die Klage für zulässig. Einen Antrag stellte sie jedoch nicht.

Entscheidungsgründe

Die Klage wurde vom Sozialgericht abgewiesen. Die Beteiligten hätten vor Anrufung des Sozialgerichts das in § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG vorgesehene Schlichtungsverfahren durchführen müssen, da der Wert der Forderung 2.000,00 € nicht übersteige. Die Regelung gelte auch für Erstattungsforderungen der Krankenkassen wegen zu Unrecht geleisteter Vergütung. Des Weiteren sei § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG auch für Vergütungsansprüche anzuwenden, die sich auf Behandlungen bezögen, die vor dem 01.08.2013 liegen. Die allgemeinen Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts stünden dieser Auffassung nicht entgegen. Von einer Rechtsänderung würden sogar Klagen erfasst werden, die bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits anhängig sind. Eine Einschränkung dieser Grundsätze könne nur durch den im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Grundsatz des Vertrauensschutzes erfolgen. Ein Vertrauensschutz scheide hier aus, da die Klage erst nach Inkrafttreten der Regelung (01.08.2013) erfolgt sei. Angesichts dessen konnte die Klägerin zu keinem Zeitpunkt davon ausgehen, ein Schlichtungsverfahren sei nicht erforderlich. Das Urteil des BSG vom 22.06.2010 (B 1 KR 29/09 R) zur Aufwandspauschale betreffe nicht das Prozessrecht, sondern materielles Leistungsrecht. Vorliegend gehe es ausschließlich um eine prozessuale Regelung, die den Zugang zum gerichtlichen Verfahren normiert. Auch der Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes werde nicht verletzt. In Baden-Württemberg bestehe ein Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs. 4 KHG nach altem Recht. Es bedürfe daher in Baden-Württemberg auch keiner Neugründung, da der bereits existierende Ausschuss zuständig sei. Im Übrigen drohe der Klägerin auch kein Rechtsverlust, da gemäß § 45 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB die Verjährung durch die Einleitung des Schlichtungsverfahrens gehemmt werde.

Anmerkung

Die vom Sozialgericht Karlsruhe entschiedene Rechtsfrage ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt. Bedauerlicherweise hat das SG die Sprungrevision nicht zugelassen. Bisher wurde noch in keinem Bundesland ein arbeitsfähiger Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs. 4 KHG i.d.F. des Beitragsschuldengesetzes vom 15.07.2013 eingerichtet. Es gibt lediglich die Alt-Ausschüsse in den Bundesländern (aber auch nicht in allen Bundesländern – wie z.B. in Rheinland-Pfalz), die eine völlig andere Zielsetzung hatten. Sie befassten sich ausschließlich mit den Ergebnissen der Stichprobenprüfung von MDK-Prüfungen und nicht mit Abrechnungs-Einzelfällen. Zumindest in den Ländern, in denen bisher noch kein Schlichtungsausschuss etabliert war, stellt sich nach wie vor die Frage, ob die Neuregelung in § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG für Behandlungsfälle/Rechnungen/MDK-Prüfungen vor dem 01.08.2013 Anwendung findet. Auch die damit verbundene Rechtsfrage des effektiven Rechtsschutzes bei Nichtexistenz des Schlichtungsausschusses ist noch nicht höchstrichterlich geklärt. Es ist daher abzuwarten, ob eines der Sozialgerichte in anderen Verfahren die Sprungrevision zur Klärung durch das BSG zulässt. Zeitnaher Klärungsbedarf ist hier unmittelbar gegeben, da nicht abzusehen ist, wann arbeitsfähige Schlichtungsausschüsse nach § 17b Abs. 4 KHG i.d.F. des Beitragsschuldengesetzes eingerichtet werden können.

Das Urteil ist kann nachgelesen werden unter https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=167620

  letzte Änderung: 31.08.2018 14:11:16
 
Newsletter Zulassung von Heilmittelerbringern
 

Die vollständige Ausgliederung des Heilmittelbereiches eines Krankenhauses bei grundsätzlicher Erforderlichkeit dieses Leistungsbereiches zur Krankenhausbehandlung ist rechtlich unzulässig

Urteil des BSG vom 19.09.2013, Az.: B 3 KR 8/12 R

- Zulassung von Heilmittelerbringern, Ausgliederung des Heilmittelbereichs, Abrechnung von Heilmitteln -

In einer weitreichenden Entscheidung hat sich das BSG mit der Frage befasst, ob ein Heilmittelerbringer nach § 124 Abs. 2 SGB V zur ambulanten Leistungserbringung zuzulassen ist, wenn er seinen Schwerpunkt der Leistungserbringung als Auftragnehmer des Krankenhauses im stationären Bereich hat. Darüber hinaus macht das BSG Kernaussagen zur Ausgliederung von nicht ärztlichen Leistungsbereichen im Krankenhaus.

Sachverhalt

Der Krankenhausträger hat den kompletten Bereich der Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie ausgegliedert. Dieser Leistungsbereich wird nunmehr von einer rechtlich selbständig geführten GmbH erbracht, die nunmehr eine Tochter der Krankenhausträgerin ist. Diese GmbH erbringt sämtliche Leistungen für den stationären Bereich des Krankenhauses im Bereich der Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie. Der stationäre Bereich deckt ca. 85 % und der ambulante Bereich ca. 15 % der Erlöse der GmbH ab. Im vorliegenden Fall hat die GmbH die Zulassung zur ambulanten Erbringung von physiotherapeutischen, ergotherapeutischen und logopädischen Leistungen nach § 124 Abs. 2 SGB V beantragt. Hintergrund hierfür war nach den Feststellungen des BSG, dass die bisherige Abrechnung auf der Basis des § 124 Abs. 3 SGB V mit etwa 15 – 20 % unter dem Preisniveau liegt, das für niedergelassene Leistungserbringer nach § 124 Abs. 2 SGB V vereinbart worden ist.

Entscheidungsgründe

Das BSG hat den Antrag der GmbH auf Zulassung zur ambulanten Leistungserbringung abgelehnt. Der Zulassungsanspruch nach § 124 Abs. 2 SGB V setze voraus, dass der Schwerpunkt der Leistungserbringung im Heilmittelbereich im ambulanten Bereich liege. Einrichtungen, die überwiegend stationäre (Auftrags-)Leistungen erbringen, können keine Zulassung nach § 124 Abs. 2 SGB V zur Abgabe von ambulanten Heilmitteln beanspruchen, weil sie keine Praxis zur ambulanten Heilmittelerbringung betreiben (BSG, a.a.O., Rdz. 20). Darüber hinaus setzt sich das BSG damit auseinander, ob ambulante Leistungserbringer im nicht ärztlichen Bereich von Krankenhäusern als Dritte gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG beauftragt werden dürfen. Das BSG geht davon aus, dass die Abgabe von Krankenhausleistungen durch Dritte nur dann erfolgen dürfe, wenn dies im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig ist. Aus dem Merkmal „im Einzelfall“ folgert das BSG, dass die Leistungen Dritter nicht regelmäßig und nur in einem untergeordneten Umfang angefordert werden dürfen. Wörtlich heißt es im Urteil: „ein überwiegendes oder gar – wie hier – vollständiges Outsourcen von wesentlichen ärztlichen oder auch nicht-ärztlichen Hilfeleistungen ist nicht zulässig.“ (BSG, a.a.O., Rdz. 31) Des Weiteren äußert das BSG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vollständigen Verlagerung des Heilmittelbereichs von dem Krankenhaus auf die GmbH. Unter Bezug auf die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 KHEntgG hält das BSG die Ausgliederung eines regelmäßig vom Krankenhaus vorzuhaltenden Leistungsbereichs auf einen Dritten für unzulässig. Dies gelte umsomehr, wenn in umfangreicher Weise das Krankenhaus chirurgisch-orthopädisch ausgerichtet ist und in diesen Bereichen die physiotherapeutische Nachsorge von hervorragender Bedeutung ist (BSG, a.a.O., Rdz. 34). Im Ergebnis kommt daher das BSG zu dem Schluss, dass das Krankenhaus rechtswidrig nach § 124 Abs. 3 SGB V die ambulante Heilmittelerbringung abgerechnet hat, da sie seit der Ausgliederung ihres Heilmittelbereiches die diesbezüglichen Voraussetzungen nicht mehr erfülle.

Anmerkung

Das BSG unterscheidet zu Recht die Leistungserbringung nach § 124 Abs. 2 und Abs. 3 SGB V. Die Krankenhäuser sind nach § 124 Abs. 3 SGB V insoweit privilegiert, da sie für die Erbringung ambulanter Heilmittel keiner zusätzlichen Zulassung bedürfen. Demgegenüber sind andere Leistungserbringer hierzu nur berechtigt, wenn sie hierfür zugelassen wurden (§ 124 Abs. 2 SGB V). Die Abgrenzung hat das BSG danach vorgenommen, worin der Leistungsschwerpunkt bei der Leistungserbringung liegt. Vorliegend drängte sich auf, den Leistungsschwerpunkt im stationären Bereich zu sehen, da die selbständig agierende GmbH zu 85 % Auftragnehmer des Krankenhauses war, also in derem Auftrag stationäre Leistungen erbrachte. Nicht einleuchtend sind jedoch die weiteren Beurteilungen des BSG zur Leistungserbringung durch Dritte, die als obiter dictum gefasst sind, also für die Entscheidung letztlich nicht notwendig waren. Nicht zutreffend ist die Auffassung des BSG, dass Leistungen Dritte nicht regelmäßig und nur in einem untergeordneten Umfang vom Krankenhaus angefordert werden dürfen. Zwar erwähnt § 2 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG das Merkmal „Einzelfall“. Dieses Merkmal bezieht sich jedoch nicht auf die Leistungserbringung des Krankenhauses allgemein, sondern hat ausschließlichen Patientenbezug. Danach darf das Krankenhaus nur Leistungen von Dritten anfordern, die für den jeweiligen Patienten im Einzelfall erforderlich sind. Damit ist in erster Linie die Abrechnungsseite angesprochen und nicht die grundsätzliche Befugnis des Krankenhauses, Dritte in den Leistungsprozess grundsätzlich allgemein einzubeziehen. Gar keine Rede ist in § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG davon, dass die Leistungen Dritter „nur in einem untergeordneten Umfang angefordert werden dürfen“. Damit liest das BSG etwas in die Vorschrift hinein, was dort nicht zum Ausdruck gekommen ist. Bedenklich sind insbesondere die Ausführungen des BSG unter Rdz. 31, wonach dies auch für wesentliche ärztliche Hilfeleistungen gelte. Dabei wird verkannt, dass § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG durch das PsychEntgG zum 01.01.2013 eine wesentliche Änderung erfahren hat. Danach können Krankenhausleistungen auch durch nicht festangestellte Ärztinnen und Ärzte erbracht werden. Die Gesetzesbegründung hierzu enthält sogar den Hinweis, dass die Vorgabe für Krankenhäuser nach § 107 Abs. 1 Nr. 3 SGB V (mit Hilfe von jederzeit verfügbarem ärztlichen Personal) statusneutral zu verstehen ist. Mit anderen Worten: Es ist unerheblich, ob die Leistungserbringung durch angestellte Ärzte oder kooperativ tätige Ärzte erfolgt. Diese Gesetzesänderung erwähnt das BSG mit keinem Wort.

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  letzte Änderung: 31.08.2018 14:18:38
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Newsletter Akutes Nierenversagen
 

Die Nebendiagnose N17.8 („sonstiges akutes Nierenversagen“) umfasst das gesamte Spektrum des akuten Nierenversagens

Urteil des SG Freiburg vom 24.05.2012, Az.: S 5 KR 6370/11

- Akutes Nierenversagen, Deutsche Kodierrichtlinien 2008 D003d, wortgetreue Auslegung -

Das SG Freiburg hat sich mit einem für die Praxis außerordentlich wichtigen Problem befasst. Es ging der Frage nach, ob die erlösrelevante Nebendiagnose N17.8 (sonstiges akutes Nierenversagen) alle AKIN-Stadien umfasst. Es hat dies schlüssig begründet.

Sachverhalt

Das Krankenhaus behandelte einen Patienten im Jahr 2008 wegen einer akuten Zystitis. Als Nebendiagnose wurde u.a. die Diagnose N17.8 („sonstiges akutes Nierenversagen“) verschlüsselt. Für die Krankenhausbehandlung stellte das Krankenhaus die DRG L63C (Infektionen der Harnorgane mit äußerst schweren CC) in Rechnung, die auf Grund der Nebendiagnose N17.8 angesteuert wurde. Der MDK hielt die Nebendiagnose N17.8 nicht für kodierfähig. Er vertrat die Auffassung, dass nur Patienten im Stadium AKIN 3 (Failure) als Nebendiagnose N17.8 verschlüsselt werden könnte. Die Krankenkasse akzeptierte daher nur die DRG L63F (Infektionen der Harnorgane ohne äußerst schwere CC). Den Differenzbetrag klagte daher das Krankenhaus ein.

Entscheidungsgründe

Das Sozialgericht kam zur Auffassung, dass die Nebendiagnose N17.8 alle Stadien des akuten Nierenversagens umfasse. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG sind Abrechnungsbestimmungen streng nach ihrem Wortlaut anzuwenden. Die wortgetreue Auslegung des Begriffs „akutes Nierenversagen“ muss sich an den in medizinischen Fachkreisen eingebürgerten Begrifflichkeiten orientieren. Im Anschluss an die RIFLE-Kriterien (Risk, Injury, Failure, Loss und End stage kidney disease) habe eine internationale Arbeitsgruppe AKIN (Acute Kidney Injury Network) diese Kriterien aufgegriffen und überarbeitet. Eine Beschränkung der Kodierung der Nebendiagnose 17.8 auf ausschließlich AKIN 3, wie es der MDK vornehme, sei nicht sachgerecht. Der Terminus Acute Kidney Injury umfasse in allen Stadien per definitionem das gesamte Spektrum des akuten Nierenversagens. Dies gehe aus der Original-Publikation zu den AKIN-Kriterien hervor, in der es wörtlich heiße: „the term acute kidney injury is proposed to represent the entire spectrum of acute renal failure” Ergänzend könne auf die Klarstellung zur Kodierung des akuten Nierenversagens vom 26.02.2010 der DGfN verwiesen werden, die von einem akuten Nierenversagen ausgehe, wenn ein Anstieg des Serumkreatinins von einem gemessenen oder angenommenen Ausgangswert um mehr als 50 % innerhalb von sieben Tagen oder ein Anstieg über einen gemessenen Ausgangswert um mehr als 0,3 mg/dl innerhalb von 48 Stunden vorliege. Außerdem liege ein akutes Nierenversagen bei nicht dehydrierten Patienten mit einer gemessenen Urinausscheidung von weniger als 0,5 ml/kg/h in 6 Stunden vor. Gemessen daran sind die Kriterien des AKIN Stadium 1 im vorliegenden Fall erfüllt worden. Das Krankenhaus habe daher die erlösrelevante Nebendiagnose 17.8 zu Recht kodiert.

Anmerkung

Das SG tritt dem Versuch des MDK entgegen, die Nebendiagnose 17.8 („sonstiges akutes Nierenversagen“) einschränkend zu interpretieren. Es stellt zurecht auf die üblichen, in medizinischen Fachkreisen verwendeten Begriffe ab. Danach sind alle Stadien des AKIN von dem Begriff akutes Nierenversagen umfasst. Im vorliegenden Fall bestätigt es die Erfüllung der Kriterien des AKIN Stadium 1 („… or increase (in serum creatinine) to 150 % to 200 % or more from baseline“). Dies ergibt sich auch aus der Klarstellung zur Kodierung des akuten Nierenversagens der DGfN vom 26.02.2010, die hier einschlägig sind. Es wird daher empfohlen, die Nebendiagnose N17.8/N17.9 bei allen AKIN Stadien zu kodieren und die entsprechend höhere DRG bei Vorliegen der Voraussetzungen abzurechnen.

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  letzte Änderung: 31.08.2018 14:18:25
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Newsletter Aufwandspauschale
 

Ein Krankenhaus kann nach Ablauf der 6-Wochen-Frist (§ 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V) die Herausgabe von Sozialdaten an den MDK verweigern

Urteil des BSG vom 17.12.2013, Az.: B 1 KR 14/13 R

- Aufwandspauschale, Einleitung des Prüfverfahrens, Prüfanzeige, Prüfauftrag, Sperrwirkung, Fristablauf, Herausgabe von Sozialdaten -

Das BSG musste sich mit der Frage befassen, ob eine zweite Einleitung eines Prüfverfahrens durch die Krankenkasse eine zweite Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V auslösen kann, wenn die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt. Das BSG hat dies im Ergebnis verneint.

Sachverhalt

In einem stationären Behandlungsfall beauftragte die beklagte Krankenkasse den MDK fristgemäß mit der Prüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung. Das MDK-Gutachten führte zu keiner Rechnungsminderung. Daraufhin schaltete die Krankenkasse den MDK erneut ein mit der Prüfung, ob die Dialyse-Leistung nachgewiesen sei. Die Einleitung des zweiten Prüfverfahrens erfolgte weit nach Ablauf der 6-Wochen-Frist. Das Krankenhaus stellte die entsprechenden Unterlagen dem MDK zur Verfügung. Der MDK kam bei seiner zweiten Prüfung zum Ergebnis, dass die Dialyse-Leistung nachgewiesen und die Rechnung daher gerechtfertigt sei. Das klagende Krankenhaus stellte daraufhin der Krankenkasse zwei Aufwandspauschalen in Rechnung. Die beklagte Krankenkasse zahlte jedoch nur eine Aufwandspauschale. Die Krankenkasse wurde in zweiter Instanz zur Zahlung der zweiten Aufwandspauschale verurteilt. Das BSG hob das Urteil auf.

Entscheidungsgründe

Eingangs seines Urteils stellt das BSG heraus, dass nach seiner Auffassung grundsätzlich von einem weiten Prüfauftrag auszugehen ist, soweit die Krankenkasse nicht ausdrücklich Einschränkungen vorgegeben hat. Soweit der MDK im Laufe der Prüfung weitere der Krankenkasse zunächst verborgene Auffälligkeiten feststellt, die über einen eingeschränkten Prüfauftrag hinausgehen, entfaltet der ursprüngliche Prüfauftrag keine Sperrwirkung. Der MDK dürfe und müsse dann – ggf. nach Rückfrage bei der Krankenkasse – weitere Ermittlungen anstellen. Dies folge zwingend aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Zweck der Abrechnungsprüfung, auf eine ordnungsgemäße Abrechnung hinzuwirken. Des Weiteren folgert das BSG aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot, dass die Krankenkassen – unbeschadet dessen, ob sie einen umfassenden oder eingeschränkten Prüfauftrag erteilt haben – solange befugt sind, erneut Informationen von den Krankenhäusern anzufordern, wie es dafür sachgerechte Gründe gibt. Dies könne im Einzelfall die Pflicht des Krankenhauses begründen, dem MDK auch wiederholt Behandlungsunterlagen zugänglich zu machen. Die Aufwandspauschale sei nicht als Entgelt für eine einmalige Zurverfügungstellung von Sozialdaten zu verstehen, die mit jeder weiteren Anforderung zwingend erneut anfalle (BSG, a.a.O., Rdz. 15). Im konkreten Fall hielt das BSG dem Krankenhaus entgegen, dass es sich trotz Fristablaufs auf eine weitere Prüfung eingelassen hat (unterstellt, es habe sich um ein zweites selbständiges Prüfbegehren gehandelt). Das Gesetz schütze Krankenhäuser vor unverhältnismäßigen, nicht sachgerechten Auffälligkeitsprüfungen mittelbar durch den Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale. Dieses Schutzes bedarf es aber dann nicht mehr, wenn sie in Folge des Fristablaufs eine Herausgabe von Sozialdaten an den MDK verweigern könnten. Insoweit beruhe die Herausgabe der Sozialdaten auf Freiwilligkeit des Krankenhauses. Dies schließe eine weitere Aufwandspauschale aus.

Anmerkungen

Das BSG-Urteil hat weitreichende Konsequenzen. Es beschränkt die Prüfung des MDK nicht auf die Prüfungsgründe, die die Krankenkasse angegeben hat. Ausgehend vom Wirtschaftlichkeitsgebot lässt das BSG es zu, dass der MDK in Eigenregie weitere Ermittlungen anstellen darf bzw. muss, die über den Prüfauftrag hinausgehen (BSG, a.a.O., Rdz. 13). Der 1. Senat des BSG geht sogar noch weit darüber hinaus und gibt den Krankenkassen die Befugnis, nach Prüfungseinleitung erneut Informationen von den Krankenhäusern anzufordern. Dies könne auch die Pflicht der Krankenhäuser begründen, dem MDK wiederholt Behandlungsunterlagen zur Verfügung zu stellen. Diese Kernaussagen des BSG sind als kritisch anzusehen. Legt man die Auffassung des BSG zu Grunde, ist es letztlich unerheblich, welchen Inhalt der Prüfauftrag der Krankenkasse hat. In letzter Konsequenz kommt es dann nur noch darauf an, ob überhaupt eine Prüfungseinleitung innerhalb der gesetzlich vorgesehenen 6-Wochen-Frist erfolgt ist. Liegt eine Prüfungseinleitung vor, kann nach Auffassung des BSG sowohl die Krankenkasse als auch der MDK weitere Informationen bzw. Behandlungsunterlagen anfordern. Im Ergebnis führt die Auffassung des BSG dazu, dass das Prüfverfahren wiederholt aufgegriffen werden kann, bis letztlich die vierjährige Verjährungsfrist abgelaufen ist. Dies steht im deutlichen Widerspruch zu den Ausführungen des BSG, dass die Einführung der 6-Wochen-Frist in § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V dem Beschleunigungsgrundsatz dient. Vielmehr wird durch diese Rechtsprechung der Beschleunigungsgrundsatz ausgehebelt. Bei Fallgestaltungen, in denen die 6-Wochen-Frist von der Krankenkasse nicht eingehalten wurde, ist das Krankenhaus berechtigt, die Herausgabe von Sozialdaten an den MDK zu verweigern. Gibt das Krankenhaus trotz Fristablaufs Krankenunterlagen heraus, hat es an einer Prüfung mitgewirkt und kann sich nachträglich nicht auf den Fristablauf berufen. Das BSG geht davon aus, dass das Krankenhaus nach Fristablauf nicht gehindert ist, dem MDK Sozialdaten aus freien Stücken zur Verfügung zu stellen. Zusätzlich schließt das BSG dann auch noch einen Anspruch auf eine Aufwandspauschale aus, da die Behandlungsunterlagen freiwillig herausgegeben wurden. Es ist daher den Krankenhäusern zu empfehlen konsequent den Fristablauf zu prüfen und ggf. die Herausgabe von Sozialdaten zu verweigern.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 31.08.2018 14:18:15
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Newsletter Auffälligkeiten
 

Vermeintliche Auffälligkeiten begründen keinen Anlass zur Einzelfallprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 SGB V – auch Erstattungsansprüche der Krankenkassen unterliegen der Verwirkung

Urteil des BSG vom 18.07.2013, A.: B 3 KR 22/12 R

- Auffälligkeiten, Beschleunigungsgebot, Einzelfallprüfung, Rechnungsprüfung, öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, Verwirkung -

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Anschluss an unsere Newsletter vom 09.09.2013 darf ich Sie, nachdem die schriftlichen Urteilsgründe des BSG vorliegen, ergänzend informieren. Der Entscheidung des BSG lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Sachverhalt

Das Krankenhaus hatte der klagenden Krankenkasse am 22.08.2006 für die Behandlung in der geriatrischen Fachabteilung eine Rechnung gestellt, die die Krankenkasse vollständig ausglich. Dreieinhalb Jahre später – vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist – beauftragte die Krankenkasse den MDK mit der Prüfung der Hauptdiagnose und des Aufnahmeanlasses. Die klagende Krankenkasse stellte die Plausibilität der angegebenen Hauptdiagnose und des Aufnahmeanlasses in Frage. Sie hat hierzu lediglich pauschal angegeben, sie vermute eine Fehlkodierung wegen eines Verstoßes gegen die Kodiervorgaben, ohne darzulegen, worauf sie diese Vermutung stützt. Das beklagte Krankenhaus lehnte die Herausgabe von medizinischen Unterlagen ab. Es vertrat die Auffassung, dass keine zeitnahe Einleitung der Prüfung durch den MDK erfolgt sei. Sowohl das angerufene SG als auch das LSG lehnten den Herausgabeanspruch ab.

Entscheidungsgründe

Das BSG bestätigte die Entscheidung der Vorinstanzen. Es stellt heraus, dass zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern wechselseitige Auskunfts-, Prüf- und Mitwirkungspflichten bestehen. Die Mitwirkungspflicht des Krankenhauses entfällt jedoch, wenn die Krankenkasse die Vorgaben zur Einleitung eines Prüfverfahrens nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V nicht eingehalten hat. Dabei geht das BSG davon aus, dass § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zwei eigenständige Prüftatbestände regelt: Halbsatz 1 die Prüfung bei der Leistungserbringung (vor allem primäre und sekundäre Fehlbelegung) und Halbsatz 2 die eigentliche Abrechnungsprüfung. § 275 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 SGB V setze für die Einleitung des Prüfverfahrens eine Auffälligkeit voraus (BSG, a.a.O., Rdz. 17). Im vorliegenden Fall konnte das BSG keine Auffälligkeit gemäß § 275 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbsatz SGB V erkennen. Die klagende Krankenkasse hatte ohne nähere Angabe von Gründen „die Plausibilität der angegebenen Hauptdiagnose und den Aufnahmeanlass“ in Frage gestellt. Dies reiche als Prüfungsanlass nicht aus. Des Weiteren stützt das BSG sein Urteil darauf, dass auch für die öffentlich-rechtlichen Erstattungsansprüche der Krankenkassen der Beschleunigungsgrundsatz gelte. Die Einleitung des Prüfverfahrens 3 ½ Jahre nach Rechnungslegung sei zu spät erfolgt. Insoweit verstoße die Krankenkasse gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Es nahm daher eine Verwirkung des Erstattungsanspruches der Krankenkasse an.

Anmerkung

Das BSG-Urteil fügt ergänzend zur bisherigen Rechtsprechung einen weiteren Baustein zur Frage, wann eine Auffälligkeit für eine Einzelfallprüfung vorliegt, an. Dabei stellt das BSG zunächst auf die Angabe der Diagnosen im 301er-Datensatz ab. Die dort angegebenen Diagnosen seien im Zusammenhang mit der Abrechnung der DRG B44A (geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung) in sich schlüssig. Darin könne daher keine Auffälligkeit gesehen werden. Auch die pauschale Angaben der Krankenkasse, sie vermute eine Fehlkodierung wegen eines Verstoßes gegen die Kodiervorgaben, ohne darzulegen, worauf sie diese Vermutung stütze, reiche nicht aus. Es habe daher keinen Anlass für eine Einzelfallprüfung (Rechnungsprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 SGB V) gegeben. Bei vergleichbaren Situationen dürfen daher die Krankenhäuser die Prüfung verweigern, ohne gegen ihre Mitwirkungspflichten zu verstoßen. Im Grunde hätte der MDK bereits den Prüfungsauftrag ablehnen müssen. Ein weiterer interessanter Aspekt dieses Urteils ist das Abstellen auf den Beschleunigungsgrundsatz. Auch wenn dies einen Altfall betraf, ist dieser Gesichtspunkt nach wie vor unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben relevant. So kann die Situation eintreten, dass die Krankenkasse die Prüfung einleitet und ein mehrjähriger Zeitraum vergeht, ohne dass das Krankenhaus über das Prüfungsergebnis des MDK informiert wird. Zwar besteht in diesen Fällen für die Krankenkassen die Möglichkeit, Erstattungsansprüche noch innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist geltend zu machen, allerdings unterliegt auch dies dem Gesichtspunkt der Verwirkung. Schulbuchmäßig stellt das BSG in diesem Zusammenhang die Voraussetzungen der Verwirkung dar, auf die sich Krankenhäuser berufen können (BSG, a.a.O., Rdz. 27): Es bedarf für die Verwirkung eines Rechts dreier Voraussetzungen: Das Zeitmoment: Seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, muss ein längerer Zeitraum verstrichen sein. Das Umstandsmoment: Das Krankenhaus hatte sich darauf eingestellt, dass die Krankenkasse auf Grund des geschaffenen Vertrauenstatbestandes ihr Recht nicht mehr geltend machen wird. Dies ist der Fall, wenn die Krankenkasse unter solchen Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken, dass sie ihr Recht nicht mehr geltend machen wird. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn Krankenkassen ihre Korrekturmöglichkeiten bis zum Ende des auf die Krankenhausabrechnung folgenden Kalenderjahres nicht wahrnehmen. Die Untätigkeit: In dem längeren Zeitraum muss die Krankenkasse bezüglich der Geltendmachung ihrer Rechte untätig geblieben sein. Liegen entsprechende Anhaltspunkte hierfür vor, sollten die Krankenhäuser sich ausdrücklich auf das Rechtsinstitut der Verwirkung berufen.

  letzte Änderung: 31.08.2018 14:18:04
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Newsletter Fallzusammenführung
 

Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 1 FPV 2006 über die Fallzusammenführung von stationären Behandlungen setzt voraus, dass die Wiederaufnahme innerhalb von 30 Kalendertagen ab Aufnahmedatum des ersten Krankenhausaufenthaltes erfolgt.

Die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 FPV 2006 ist so angelegt, dass über die Fallzusammenführung anhand von DRG-Nummern und Partitionen sowie von konkreten Fristen entschieden wird.

Urteil des BSG vom 28.11.2013, Az.: B 3 KR 33/12 R

- Fallzusammenführung, Wiederaufnahme, 30-Tages-Frist, Wirtschaftlichkeitsgebot, Auslegung von Vertragsvorschriften -

Über die Entscheidung des BSG wurde bereits vorab auf Grund der mündlichen Verhandlung am 28.11.2013 berichtet. Nunmehr liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor.

Sachverhalt

Ein Patient wurde wegen eines Prostataleidens zweimal stationär aufgenommen und behandelt. Der erste Krankenhausaufenthalt dauerte vom 04. bis 06.05.2006 wegen „Prostatahyperplasie mit Harnstauungsniere“. Bei Entlassung des Patienten wurde ein Wiederaufnahmetermin für den 06.06.2006 festgelegt, um eine transurethrale Prostataresektion durchzuführen. Diese erfolgte am 07.07.2006. Für die Krankenhausaufenthalte rechnete das Krankenhaus die M61Z (benigne Prostatahyperplasie) und die DRG M02Z (transurethrale Prostataresektion) ab. Damit war die Krankenkasse nicht einverstanden und verlangte eine Fallzusammenführung. Sie vertrat die Auffassung, der Patient hätte ohne weiteres drei Tage vorher wieder aufgenommen werden können, so dass die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 FPV zur Anwendung komme.

Entscheidungsgründe

Das BSG wendet § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FPV 2006 streng nach seinem Wortlaut an. Da zwischen der Erstaufnahme und der Wiederaufnahme 33 Kalendertage lagen, verneint das BSG eine Fallzusammenführung beider stationären Behandlungen. Das BSG stellt heraus, dass über eine Fallzusammenführung nur anhand von DRG-Nummern und Partitionen sowie von konkreten Fristen zu entscheiden ist. Bei der Abrechnung handelt es sich um ein Massengeschäft, das über die EDV abgewickelt wird. Beurteilungsspielräume der Beteiligten und somit Streit zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern sollen auf diese Weise vermieden werden. Dies schließt es aus, jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die zweite stationäre Behandlung schon früher hätte begonnen werden können, so dass sie innerhalb der vorgegebenen 30-Tages-Frist hätte erfolgen können. Den Vertragsparteien auf Bundesebene stehe es frei, im Rahmen des jährlichen Anpassungsprozesses Ungereimtheiten zu beseitigen oder Änderungen vorzunehmen. Vorliegend stellt das BSG zusätzlich klar, dass die Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FPV 2006 sowohl einen sachlichen Zusammenhang als auch ein Zeitmoment umfasst. Beide Merkmale müssen kumulativ vorliegen. Insoweit komme auch keine analoge Anwendung anderer vertraglicher Abrechnungsvorschriften in Betracht. Auslegungsregelungen für gesetzliche Vergütungsvorschriften könne nicht auf vertragliche Vergütungsvorschriften übertragen werden. Letztlich verneint der 3. Senat des BSG auch den Einfluss des Wirtschaftlichkeitsgebotes in vorgenannter Sache. Das Wirtschaftlichkeitsgebot allein verpflichte ein Krankenhaus nicht dazu, die für die Krankenkasse finanziell günstigste Art der Durchführung einer Behandlung zu wählen.

Anmerkung

Die Entscheidung des BSG ist im Hinblick auf die getroffenen Kernaussagen beachtlich. Das BSG betont noch einmal die Anwendungsregel für vertragliche Vergütungsvorschriften. Diese sind grundsätzlich streng nach ihrem Wortlaut anzuwenden, um Fehlinterpretationen und Missverständnisse zu vermeiden. Nur so sind sie für die routinemäßige Anwendung im Massengeschäft der Abrechnung der zahlreichen Behandlungsfälle handhabbar (BSG, a.a.O., Rdz. 18). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG. Es ist daher nicht überraschend, dass das BSG die Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 1 FPV zur Fallzusammenführung anhand von DRG-Nummern, Partitionen sowie konkreten Fristen anwendet. Insoweit bestätigt es die Vorinstanz vollinhaltlich. Des Weiteren arbeitet das BSG heraus, dass § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 FPV aus 2 Elementen besteht, die kumulativ vorliegen müssen (prägender sachlicher Zusammenhang beider Behandlungen und das Zeitmoment – 30 Tages-Frist). Der prägende sachliche Zusammenhang reicht daher nicht aus. Interessant ist das Urteil auch im Hinblick auf die grundsätzlichen Ausführungen zum Wirtschaftlichkeitsgebot. Der 3. Senat stellt heraus, dass das Krankenhaus keine Fürsorgepflicht für die sparsame Mittelverwendung des Vertragspartners hat. „Die sich aus der auf Dauer angelegten intensiven Vertragsbeziehung zwischen einem Leistungserbringer und einer Krankenkasse ergebenden gegenseitigen Treue- und Rücksichtnahmepflichten (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V iVm § 241 Abs. 2 BGB und § 242 BGB) gehen nicht soweit, dass vertraglich eingeräumte Vergütungsansprüche nicht voll ausgeschöpft werden dürfen. Treue- und Rücksichtnahmepflichten aus Vertragsverhältnissen wirken sich regelmäßig lediglich auf vertragliche Nebenpflichten aus, die nicht ausdrücklich geregelt sind. Eindeutig vereinbarte Vergütungsansprüche können dadurch nicht eingeschränkt werden. Das Wirtschaftlichkeitsgebot verpflichtet ein Krankenhaus lediglich, innerhalb der gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben wirtschaftlich zu handeln, nicht aber, darüber hinaus – gegen eigene Interessen - weitere Vorgaben aus Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten aufzustellen; es muss also nur die ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal einsetzen und die vertraglichen und gesetzlichen Voraussetzungen einhalten“ (so wörtlich BSG, a.a.O., Rdz. 21). Diese Aussagen sind bemerkenswert und nachlesenswert.

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  letzte Änderung: 31.08.2018 14:17:51
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Newsletter ambulante Behandlung im Krankenhaus
 

Nachstationäre Behandlung nach § 115a SGB V kann innerhalb der vorgegebenen Fristen sowohl im Krankenhaus als auch von Vertragsärzten im Anschluss an eine vollstationäre Krankenhausbehandlung durchgeführt werden

Urteil des BSG vom 17.07.2013, B 6 KA 14/12 R

- ambulante Behandlung im Krankenhaus, nachstationäre Behandlung, Vertragsärzte, Ermächtigung eines Krankenhausarztes -

Im Rahmen eines Rechtsstreits über die persönliche Ermächtigung eines Arztes hat sich das BSG auch mit dem Verhältnis zwischen nachstationärer Behandlung im Krankenhaus gemäß § 115a SGB V und der ambulanten Behandlung befasst.

Sachverhalt

Ein Chefarzt besaß eine persönliche Ermächtigung zur ambulanten Nachbehandlung im Anschluss einer stationären Krankenhausbehandlung. Die KV weigerte sich, diese Leistungen zu vergüten, da die Nachbehandlung innerhalb von 14 Tagen stets der stationären Versorgung zuzurechnen und somit abgegolten sei.

Entscheidungsgründe

Das BSG kam im Ergebnis zur Entscheidung, dass der ermächtigte Arzt keinen Vergütungsanspruch hat, da die in Rechnung gestellten Leistungen bereits durch die DRG-Fallpauschale abgegolten seien. Aus § 8 Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 KHEntgG sei zu folgern, dass innerhalb der Grenzverweildauer die DRG auch die nachstationäre Behandlung mit abdecke. Gleichzeitig stellte das BSG jedoch fest, dass die nachstationäre Behandlung nicht zwingend innerhalb der 14-Tages-Frist vom Krankenhaus durchzuführen sei. Bei der vor- und nachstationären Behandlung handele es sich um eine Sonderform der ambulanten Versorgung, die lediglich als „Annex“ zur vollstationären Versorgung im Krankenhaus stationäre Behandlung im weiteren Sinne sei. Zuvor vollstationär behandelte Patienten sind damit nach einer vollstationären Behandlung im Krankenhaus generell nicht gehindert, sich stattdessen weiterhin ambulant von Vertragsärzten behandeln zu lassen. Die nachstationäre Behandlung setze einen engen medizinischen Zusammenhang mit der vollstationär durchgeführten Behandlung voraus, z.B. bei komplizierten großen Wunden nach Operationen oder bei problematischen Wundheilungsprozessen.

Anmerkung

Das BSG hat mit dieser Grundsatzentscheidung die von der KV häufig vertretene Auffassung deutlich zurückgewiesen, dass generell das Krankenhaus für die nachstationäre Behandlung zuständig sei und diese Leistungen stets vom Krankenhaus zu erbringen seien. Es hat herausgestellt, dass die vor- und nachstationäre Behandlung einer Sonderform der ambulanten Versorgung ist. Daraus folgt, dass letztlich die medizinische Entscheidung bei den Krankenhausärzten liegt, ob im Anschluss an eine vollstationäre Behandlung eine nachstationäre Behandlung durchzuführen ist oder der Patient an seinen Vertragsarzt verwiesen wird.

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  letzte Änderung: 31.08.2018 14:17:37
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Newsletter Versorgungsauftrag Innere Medizin
 

Leistungen zur Durchführung von Lungenvolumenreduktionen durch Einsatz von Ventilen und Coils gehören zum Gebiet Innere Medizin – die Ausweisung eines Gebietes Thoraxchirurgie bedarf es hierfür nicht

Beschluss der Schiedsstelle KHG Rheinland vom 18.11.2013, Verf.-Nr.: 2/2013

- Versorgungsauftrag Innere Medizin, Thoraxchirurgie, Lungenvolumenreduktion (LVRC), Coils, Abzug wegen „MDK-Prüfquote“ -

Die Schiedsstelle musste sich vorliegend u.a. mit der Frage befassen, ob der Versorgungsauftrag des Krankenhauses für die Fachrichtung Innere Medizin auch die Durchführung von Lungenvolumenreduktionen (LVRC) durch Einsatz von Ventilen (ZE100) und Coils (NUB) umfasst. Dies hat die Schiedsstelle mit beachtlichen Gründen bejaht. Des Weiteren befasste sich die Schiedsstelle mit der Frage, ob von den kalkulierten Leistungen ein Abzug wegen MDK-Prüfungen vorzunehmen ist. Dies hat die Schiedsstelle verneint.

Sachverhalt

Das Krankenhaus hatte in den Budgetverhandlungen Leistungen der DRG E05A (Andere große Eingriffe am Thorax mit äußerst schweren CC) und E05C (Andere große Eingriffe am Thorax ohne äußerst schwere CC) sowie die entsprechenden Zusatzentgelte (ZE100) beantragt. Die Sozialleistungsträger lehnten die Vereinbarung ab, da sie die Auffassung vertraten, der Versorgungsauftrag Innere Medizin umfasse nicht die Leistungen der Lungenvolumenreduktion (LVRC). Hierfür bedürfe es der planerischen Ausweisung einer Thoraxchirurgie. Das Krankenhaus war daher gehalten, die Schiedsstelle zur Festsetzung anzurufen. Die Schiedsstelle schloss sich der Rechtsauffassung des Krankenhauses vollinhaltlich an.

Entscheidungsgründe

Ausgangspunkt der Entscheidung der Schiedsstelle ist § 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 KHEntgG. Der Versorgungsauftrag eines Plankrankenhauses ergebe sich aus den Festsetzungen des Krankenhausplans i.V.m. den Bescheiden zu seiner Durchführung. Da aber allein dem an den betreffenden Krankenhausträger gerichteten Feststellungsbescheid Außenwirkung zukomme, beurteile sich der Versorgungsauftrag zunächst nach seinem Inhalt. Der Krankenhausplan ist hingegen lediglich im Rahmen der Auslegung ergänzend heranzuziehen. Dies entspräche der ständigen Spruchpraxis der Schiedsstelle. Zur Auslegung des Feststellungsbescheides sei auf den Inhalt der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer zurückzugreifen. Werden in dem Feststellungsbescheid nur Gebiete ausgewiesen und wird nicht ausdrücklich bestimmt, dass Leistungen eines Teilgebiets davon nicht umfasst sind, so gelten Leistungen im gesamten Gebiet als vom Versorgungsauftrag umfasst (so wörtlich: Schiedsstellenbeschluss vom 18.11.2013). Der maßgebliche Planfeststellungsbescheid weise dem Krankenhaus das Gebiet „Innere Medizin“ zu, ohne dass in dem Feststellungsbescheid irgendwelche Einschränkungen im Hinblick auf dieses Gebiet enthalten seien. Nach der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Nordrhein umfasse das Gebiet „Innere Medizin“ auch die „konservative und interventionelle Behandlung der Gesundheitsstörungen und Erkrankungen der Atmungsorgane“. Wörtlich heißt es hierzu im Beschluss der Schiedsstelle vom 18.11.2013: „Teilgebiet der Inneren Medizin ist nach der Weiterbildungsordnung u.a. die Pneumologie. Folglich fallen auch die streitigen Leistungen mit der DRG E05A/E05C unter das Gebiet der ‚Inneren Medizin‘ und das gleichzeitige vollständige Fehlen von Unterausweisungen für Teilgebiete lasse unter Berücksichtigung eines objektiven Erklärungsgehalts nur das Verständnis zu, dass das gesamte Gebiet der ‚Inneren Medizin‘ dem Krankenhaus der Antragstellerin durch den Feststellungsbescheid zugewiesen wurde.“ Das Krankenhaus sei hierfür auch leistungsfähig gem. § 2 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG. Einer Ausweisung des Gebiets Thoraxchirurgie bedürfe es hierfür nicht. Durch die Zuweisung eines Versorgungsauftrages sei zunächst einmal davon auszugehen, dass das jeweilige Krankenhaus hierfür die hinreichende Leistungsfähigkeit besitze. Nur in vereinzelten Fällen treten Komplikationen bei der Erbringung der LVRC-Leistungen auf, die ggf. den Eingriff eines Thoraxchirurgen erforderlich machen könnten. Dabei handele es sich jedoch auch nicht um eine Notfallmaßnahme, sondern ein solcher Eingriff werde im Fall von Komplikationen frühestens eine Woche nach dem Einsetzen der Coils erforderlich. Im Übrigen bestehe eine enge Zusammenarbeit mit einem unmittelbar benachbarten Krankenhaus, das über eine Thoraxchirurgie verfüge. Des Weiteren ist nach Auffassung der Schiedsstelle kein Abzug wegen einer potentiellen MDK-Prüfung von den kalkulierten Leistungen vorzunehmen. Die Schiedsstelle könne insoweit nicht der Argumentation der Sozialleistungsträger folgen. Hierzu heißt es wörtlich im Schiedsstellenbeschluss: „Die MDK-Prüfung hat der Gesetzgeber als eigenständiges Verfahren ausgestaltet. Allein dies spricht dafür, dass Schiedsstellenverfahren und MDK-Verfahren grundsätzlich getrennt voneinander ablaufen sollen. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber den Schiedsstellen aufgegeben, innerhalb sehr kurzer Zeit, nämlich gem. § 13 Abs. 2 KHEntgG, innerhalb von 6 Wochen über die Gegenstände zu entscheiden, über die keine Einigung erreicht werden konnte. Auch aus dieser Zeitvorgabe lässt sich schließen, dass die Schiedsstelle gerade nicht parallel zum Verfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V ebenfalls bewerten müsste, ob das jeweilige Krankenhaus die Leistungen erbringen darf. Insofern ist es der Schiedsstelle im Regelfall gar nicht möglich, das Vorliegen von Abrechnungsvoraussetzungen für die im Vereinbarungszeitraum zu erbringenden Leistungen zu beurteilen und in die Prognose einzustellen (OVG Koblenz, Urt. vom 25.02.2010, 7 A 10976/09). Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass § 275 SGB V eine Einzelfallprüfung verlangt. Von daher ist die von den Antragsgegnern geltend gemachte Generalisierung der Einzelergebnisse von MDK-Prüfungen als solches schon für die Festsetzung eines sachgerecht prognostizierten Budgets systemfremd. Im Übrigen würde die Berücksichtigung von Ergebnissen der MDK-Prüfungen in der Vergangenheit im Rahmen der Prognose bedeuten, dass das Krankenhaus auch in Zukunft eine entsprechende Beanstandungsquote durch den MDK aufweist. Unterstellt man, dass jegliche Beanstandungen des MDK zutreffend erfolgt sind, so würde das bedeuten, dass dem Krankenhaus auch für die Zukunft zu unterstellen ist, sich nicht an die Vorgaben für die stationäre Versorgung zu halten. Für einen solchen Schluss gibt es allerdings keine sachliche Grundlage. Von daher sieht die Schiedsstelle sowohl sachliche als auch rechtliche Hindernisse, pauschal im Rahmen der realistischen Leistungsprognose eine ‚MDK-Quote‘ zulasten des Krankenhauses anzunehmen, da letztlich das MDK-Verfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V auf eine Prüfung im Einzelfall angelegt ist und damit schon nach der gesetzlichen Konzeption dieses Rechtsinstituts dies einer Generalisierung seiner Ergebnisse entgegensteht.“ Die Schiedsstelle ist daher im Wesentlichen der Argumentation des Antrages des Krankenhauses gefolgt.

Anmerkung

Die Sozialleistungsträger bestreiten häufig den Versorgungsauftrag für bestimmte hochkomplexe Leistungen, wie hier vorliegend für Leistungen der LVRC. Dabei übersehen sie, dass die Sozialleistungsträger keine Berechtigung haben, Leistungen zu beschränken. Der Versorgungsauftrag ergibt sich ausschließlich aus dem Feststellungsbescheid, da dieser nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG Außenwirkung hat. Demgegenüber hat der Krankenhausplan nur internen Weisungscharakter gegenüber der Krankenhausplanungsbehörde. Der Schiedsstellenbeschluss ist in dieser Hinsicht bemerkenswert klar in seiner Aussage und stellt heraus, dass für die Auslegung eines Gebietes die ärztliche Weiterbildungsordnung der Ärztekammer maßgeblich ist und nicht die Auffassung der Krankenkassen. Sie kommt daher mit beachtenswerten Argumenten zum Schluss, dass das Gebiet Innere Medizin auch Leistungen der Lungenvolumenreduktion mittels Ventile und Coils umfasst. Der Zuweisung des Gebiets Thoraxchirurgie bedarf es auch unter Qualitätsgesichtspunkten nicht. Auch in einem weiteren Punkt schafft die Schiedsstelle Klarheit. Die Sozialleistungsträger nehmen häufig einen Abzug wegen vermuteten MDK-Prüfungspotentials von den gemäß Abschnitt E1 AEB kalkulierten Leistungen vor. Dies lehnt die Schiedsstelle dem Antrag des Krankenhauses folgend grundsätzlich ab. Sie kommt zu dem Schluss, dass es sich hier um zwei unterschiedliche Ebenen handele, einmal die Budgetkalkulation und ein andermal um eine Einzelfallprüfung, die anderen Regelungen folge. Die Schiedsstelle hat daher die Berücksichtigung einer „MDK-Quote“ abgelehnt. Die Sozialleistungsträger haben einen Antrag auf Nichtgenehmigung gestellt.

Über den Fortgang des Verfahrens werde ich zu gegebener Zeit berichten.

  letzte Änderung: 31.08.2018 14:17:22
 
Newsletter Behandlungsunterlagen
 

Die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer begründet eine Auffälligkeit im Sinne des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V

Urteil des BSG vom 17.12.2013, Az.: B 1 KR 52/12 R

- Behandlungsunterlagen, Einzelfallprüfung, Auffälligkeit, Zuständigkeit MDK -

Im vorliegenden Fall klagte die Krankenkasse auf die Herausgabe von Behandlungsunterlagen. Dabei musste sich das BSG auch mit der Frage auseinandersetzen, ob die Überschreitung der Oberen Grenzverweildauer eine Auffälligkeit im Sinne des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V darstellt.

Sachverhalt

Das beklagte Krankenhaus mit Sitz in NRW behandelte einen Versicherten der Klägerin aus NRW. Die klagende Krankenkasse beauftragte den MDK der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz damit, die Überschreitung der Oberen Grenzverweildauer zu überprüfen. Das Krankenhaus verweigerte die Herausgabe der Behandlungsunterlagen, da nicht die Zuständigkeit des MDK Rheinland-Pfalz gegeben sei. Die Vorinstanzen verurteilten das Krankenhaus auf Herausgabe der Krankenunterlagen.

Entscheidungsgründe

Das BSG bestätigte die Urteile der Vorinstanzen. Es kommt zu der Auffassung, dass keine ausschließliche Zuständigkeit des MDK des Leistungsortes gesetzlich vorgegeben sei. Insoweit sei es rechtlich zulässig, den MDK Rheinland-Pfalz anstelle des MDK in NRW zu beauftragen. Das BSG hat zudem erkannt, dass die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer eine Auffälligkeit i.S.d. § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V darstellt, da sie nicht bereits aus sich heraus für die Krankenkasse plausibel war. Substantiierungspflichten der Krankenkassen gebe es rechtlich insoweit nicht. Es kam daher zu der Auffassung, dass alle Prüfvoraussetzungen gegeben seien und verurteilte das beklagte Krankenhaus zur Herausgabe der Behandlungsunterlagen.

Anmerkung

Das BSG hat sich verschiedentlich mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen eine Auffälligkeit gemäß § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V vorliegt. Auf die Newsletter vom 22.10.2013 darf ich verweisen. Fehlt eine Auffälligkeit im Rechtssinne, darf das Krankenhaus die Herausgabe von Krankenunterlagen verweigern. Auffälligkeiten wurden bisher für folgende Einzelfälle angenommen: - Entlassung an einem Montagmorgen, - falsche Hauptdiagnose in der Kodierung, - erneute stationäre Aufnahme nach Entlassung des Patienten innerhalb der oberen Grenzverweildauer, - Durchführung einer Koronarangiographie, die auch ambulant hätte durchgeführt werden können. (siehe im Einzelnen: Urteil des BSG vom 16.05.2013, B 3 KR 32/12 R) Diese Kasuistik reichert nunmehr der 1. Senat des BSG mit der Überschreitung der oberen Grenzverweildauer an und bejaht in diesem Fall eine Auffälligkeit. Dabei wird eine Auffälligkeit dann angenommen, wenn die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer nicht aus sich heraus selbsterklärend ist. Wichtig in diesem Zusammenhang ist die ergänzende Feststellung des BSG, dass es keine rechtlich vorgegebenen Substantiierungspflichten der Krankenkassen gibt. Daraus folgt, dass es als ausreichend angesehen wird, wenn die Krankenkasse die Auffälligkeit benennt, einer Begründung, warum aus Sicht der Krankenkasse eine Auffälligkeit vorliegt, bedarf es somit nicht. Zurzeit liegt nur der Terminsbericht des BSG vor. Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werde ich weiter berichten.

Der Terminsbericht ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 31.08.2018 14:17:11
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Newsletter Maskenbeatmung
 

Die Entwöhnungszeiten werden bei der Berechnung der Beatmungsdauer eines Patienten hinzugezählt (DKR 2007)

Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 05.12.2013, Az.: L 1 KR 300/11

- Maskenbeatmung, weaning, nicht-invasive Beatmung, intermittierende Beatmung, DKR 1001f 2007, DKR 1001h 2009 -

Im vorliegenden Rechtsstreit musste sich das LSG mit der Frage auseinandersetzen, wie die Dauer der Beatmung nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR 1001f) zu berechnen ist. Streitig war insbesondere, ob die Entwöhnungszeiten einbezogen werden müssen.

Sachverhalt

Die Klägerin rechnete für eine Krankenhausbehandlung die DRG F43B (Beatmung > 24 h bei Krankheiten und Störungen des Kreislaufsystems). Voraussetzung hierfür ist eine Beatmungszeit von mehr als 24 Stunden. Der Patient wurde am 09.09.2007 um 9.15 Uhr auf die Intensivstation verlegt. Dort wurde eine Maskenbeatmung in bestimmten Zeitabständen durchgeführt, die mit Entwöhnungsphasen sich abwechselte. Die letzte Maskenbeatmung wurde am 11.09.2007 von 3 Uhr bis 5 Uhr durchgeführt. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass die Entwöhnungszeiten in die Berechnung der Dauer der Beatmung einzubeziehen seien. Die beklagte Krankenkasse vertrat demgegenüber die Auffassung, dass eine intermittierende, nicht-invasive Beatmung gegeben sei. Auf Grund der Kürze der Beatmungsintervalle (6 bzw. 8 Stunden) könne noch keine Gewöhnung an die Beatmung eingetreten sein. Eine „weaning-Situation“ habe daher nicht vorgelegen. Die Beklagte berücksichtigte daher nur 11 Stunden Beatmungszeit und erkannte nur die DRG F62B (Herzinsuffizienz und Schock mit äußerst schweren CC) an. Das SG erkannte auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens den Zahlungsanspruch an. Das LSG holte weitere Sachverständigengutachten ein und bestätigte das erstinstanzliche Urteil.

Entscheidungsgründe

Das LSG knüpft an die ständige Rechtsprechung des BSG an, wonach die Vergütungsregelungen streng nach ihrem Wortlaut und den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben seien. Dabei gebe es grundsätzlich keinen Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen (siehe BSG, Urteil vom 18.07.2013, Az.: B 3 KR 7/12). Im vorliegenden Fall legte das LSG die DKR 1001f (2007) zu Grunde. Danach wird die Dauer der Entwöhnung insgesamt (inklusive beatmungsfreier Intervalle während der jeweiligen Entwöhnung) bei der Berechnung der Beatmungsdauer eines Patienten hinzugezählt. Es kann mehrere Versuche geben, den Patienten vom Beatmungsgerät zu entwöhnen. Bei mehreren Beatmungsperioden während eines Krankenhausaufenthalts ist die Gesamt-Beatmungszeit zu ermitteln und die Summe zur nächsten ganzen Stunde aufzurunden. Die Kodierrichtlinien 2007 definieren nicht den Begriff der Entwöhnung. Eine allgemein anerkannte Definition gebe es nicht. Aus Beschreibungen in der Fachliteratur sei nicht erkennbar, in welchem Maße eine Gewöhnung an die künstliche Beatmung eingetreten sein muss, um von einer Entwöhnung ausgehen zu können. Das LSG kommt daher zu dem Schluss, dass bei Auslegung streng nach dem Wortlaut „eine Entwöhnung von der künstlichen Beatmung mit deren Beginn anfängt.“ Die DKR enthalten keine Festlegungen oder Einschränkungen für den Begriff der Entwöhnung. Der Auffassung des MDK, eine Entwöhnung liege erst dann vor, wenn eine maßgebliche Gewöhnung an die Beatmung eingetreten sei, sei nicht zu folgen. Für die Entwöhnung spreche auch, dass die Beatmungsphasen sich zunehmend verringert hatten.

Anmerkung

Das LSG hat mit dem Urteil einen lang anhaltenden Grundsatzstreit zu Gunsten des Krankenhauses entschieden. Dabei hat das LSG den Ansatz des MDK verworfen, die DKR 1001f (2007) über ihren Wortlaut hinaus anzuwenden. Über eine eigene Begriffsdefinition „Entwöhnung“ hat der MDK versucht, die Berechnung der Beatmungszeiten unter Einbezug der Entwöhnungszeiten zu verhindern. Dem ist das LSG zu Recht nicht gefolgt, da die DKR 1001f (2007) keine Eingrenzung oder Beschränkung des Begriffes Entwöhnung enthält. Mit dem Beginn der künstlichen Beatmung geht bereits die Entwöhnung einher. Dieser Auffassung der eingeholten Sachverständigengutachten hat sich das LSG vollinhaltlich angeschlossen. Die Entscheidung des LSG bezieht sich auf die Fassung der DKR 2007. Ab dem Jahr 2009 hat die DKR zur maschinellen Beatmung (DKR 1001h 2009) eine Änderung erfahren. Im speziellen Fall einer Entwöhnung mit intermittierenden Phasen der maschinellen Unterstützung der Atmung durch Masken-CPAP im Wechsel mit Spontanatmung ist eine Anrechnung auf die Beatmungszeit nur möglich, wenn die Spontanatmung des Patienten insgesamt mindestens 6 Stunden pro Kalendertag durch Masken-CPAP unterstützt wurde. Diese Fassung der DKR gilt jedoch erst ab dem Jahr 2009 und konnte daher für das Jahr 2007 nicht entscheidungsrelevant sein.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 31.08.2018 14:17:01
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Newsletter Dreistufiges Prüfverfahren
 

Bleiben bei der Krankenkasse nach Übersendung des Kurzberichtes noch medizinische Zweifel, ist sie verpflichtet, das Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V einzuleiten

Gerichtsbescheid des SG für das Saarland vom 09.12.2013, Az.: S 23 KR 757/13 – nicht rechtskräftig

- Dreistufiges Prüfverfahren, Eingriffe nach dem AOP Vertrag § 115 b SGB V, Kurzbericht, Einleitung des Prüfverfahrens, Sechs-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V, Ausschlussfrist -

Das Sozialgericht musste sich mit der Frage befassen, ob das Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V bei Eingriffen, die grundsätzlich dem Katalog zum ambulanten Operieren nach § 115 b SGB V unterliegen, hätte eingeleitet werden müssen und ob hierfür die Ausschlussfrist nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V Anwendung findet.

Sachverhalt

Das Krankenhaus hatte einen Patienten vollstationär aufgenommen. Durchgeführt wurde insbesondere eine diagnostische Urethrozystoskopie mit Resektion von erkranktem Gewebe der Harnblase. Die beklagte Krankenkasse wendete dagegen ein, diese Leistung unterliege dem Katalog zum ambulanten Operieren nach § 115 b SGB V. Sie bat daher um Angabe spezifischer Gründe für die stationäre Aufnahme. Daraufhin übersandte das Krankenhaus auf Anforderung einen entsprechenden Kurzbericht. Trotz weiterer medizinischer Zweifel leitete die Krankenkasse keine Prüfung nach § 275 Abs. 1 c Satz 2 SGB V ein. Sie vertrat die Auffassung, die Rechnung sei mangels ausreichender Angaben nicht fällig geworden. Das Krankenhaus verfolgte seinen Zahlungsanspruch mit der Klage vor dem Sozialgericht weiter. Insbesondere berief es sich auf die in § 275 Abs. 1 c Satz 2 SGB V verankerte Ausschlussfrist. Das Sozialgericht gab der Klage statt.

Entscheidungsgründe

Das Sozialgericht stellt zunächst heraus, dass im Verhältnis zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern Auskunfts- und Prüfpflichten auf drei Ebenen bestehen. Bei Eingriffen, die dem Katalog ambulantes Operieren nach § 115 b SGB V unterliegen, ist das Krankenhaus verpflichtet, notwendige Angaben zu machen, warum eine im Regelfall ambulant durchführbare Behandlung im konkreten Einzelfall stationär vorgenommen wurde. Erfolgen diese Angaben zum Grund der Aufnahme nach § 301 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB V vom Krankenhaus nicht, wird die Rechnung nicht fällig. Vorliegend geht das Sozialgericht davon aus, dass durch den Kurzbericht der Auskunftspflicht Genüge getan wurde. In dem Kurzbericht sei als Grund der stationären Aufnahme ein Schlafabnoesyndrom des Patienten angegeben worden. Nach der Rechtsprechung des BSG könne diese ergänzende Angabe auch nachträglich erfolgen. Vorgaben für den Inhalt der Angabe des Grundes ergeben sich weder aus der Rechtsprechung des BSG noch aus gesetzlichen Vorschriften. Erschließt sich die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung aus diesen Angaben einschließlich der Vorlage des Kurzberichtes den medizinisch nicht geschulten Mitarbeitern der Krankenkasse nicht, ist die Krankenkasse verpflichtet, ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V einzuleiten. Da die Krankenkasse kein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V trotz erheblicher medizinischer Bedenken eingeleitet hatte, gilt die in § 275 Abs. 1 c Satz 2 SGB V verankerte Ausschlussfrist. Somit ist eine nachträgliche Überprüfung durch das Sozialgericht ausgeschlossen. Die Krankenkasse wurde daher ohne weitere Sachverhaltsermittlung zur Zahlung verurteilt.

Anmerkung

Die Entscheidungen des Sozialgerichts setzen die Rechtsprechung des BSG zur ergänzenden Angabe des Grundes der Aufnahme bei grundsätzlich ambulant möglichen Eingriffen nach § 115 b SGB V konsequent um. Dabei ist auf das Urteil des BSG vom 21.03.2013, Az.: B 3 KR 28/12 R hinzuweisen, über das wir mit Mandantenrundschreiben vom 09.09.2013 ausführlich berichtet haben. Das BSG hat in diesem Urteil hervorgehoben, dass das Krankenhaus in den Fällen des AOP Vertrages nach § 115 b SGB V ergänzend verpflichtet ist, über den Datenkranz des § 301 Abs. 1 SGB V hinaus den Grund der Aufnahme anzugeben. Ob dieser Grund dann tatsächlich gegeben war und die durchgeführte stationäre Versorgung wirklich trägt, ist an eine medizinische Frage, die ausschließlich vom MDK zu prüfen ist. Hierzu bedarf es dann der Einleitung eines Prüfverfahrens nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Im vorliegenden Fall hat das Krankenhaus den vom Beklagten erbetenen Kurzbericht ausgefüllt und mit der Angabe des Grundes der stationären Aufnahme versehen. Zu darüber hinausgehenden Angaben war das Krankenhaus nicht verpflichtet. Die verbliebenen Zweifel an der stationären Aufnahme sind dann durch den MDK zu prüfen. Da die beklagte Krankenkasse keine Einleitung eines Prüfverfahrens vorgenommen hat, unterlag sie der in § 275 Abs. 1 c Satz 2 SGB V vorgesehenen Ausschlussfrist. Das Sozialgericht war damit nicht mehr verpflichtet, weitere Ermittlungen vorzunehmen (zur Ausschlussfrist s. BSG, Urteil vom 16.05.2012, Az.: B 3 KR 14/11 R).

Der Gerichtsbescheid vom 09.12.2013 ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 31.08.2018 14:16:16
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Newsletter Aufrechnung
 

Die Aufrechnung einer Krankenkasse mit einer anderen Forderung des Krankenhauses löst eine neue Verjährungsfrist von 4 Jahren aus

Gerichtsbescheid des SG für das Saarland vom 18.11.2013

- Aufrechnung, Vergütungsanspruch, Verjährung, 4 jährige Verjährungsfrist -

Verschiedentlich wenden die Krankenkassen nach erfolgter Aufrechnung ein, der Vergütungsanspruch sei bereits verjährt. In diesen Fällen muss daher geklärt werden, ab wann die Verjährungsfrist läuft. Das SG für das Saarland hat sich mit dieser Rechtsfrage ausführlich befasst.

Sachverhalt

Das Krankenhaus stellte für die Behandlung einer Patientin der beklagten Krankenkasse am 07.01.2009 eine Rechnung. Die Krankenkasse zahlte den Rechnungsbetrag in voller Höhe. Nach Prüfung durch den MDK setzte sie am 12.04.2010 einen Teilbetrag von einer anderen Rechnung ab. Das Krankenhaus erhob erst am 24.07.2013 Zahlungsklage. Die Krankenkasse wendete ein, der Zahlungsanspruch sei bereits verjährt.

Entscheidungsgründe

Das Sozialgericht legt seiner Beurteilung die vierjährige Verjährungsfrist zugrunde, die nach ständiger Rechtsprechung des BSG für Zahlungsansprüche Anwendung findet (siehe BSG, Urteil vom 12.05.2005, Az.: B 3 KR 32/04 R). Vorliegend geht es davon aus, dass der ursprüngliche Vergütungsanspruch des Krankenhauses durch Zahlung der Beklagten erfüllt und damit nach § 362 Abs. 1 BGB erloschen ist. Durch die Aufrechnung mit einer anderen Forderung sei der Teilvergütungsanspruch des Krankenhauses zu diesem Zeitpunkt wieder entstanden. Damit beginnt zu diesem Zeitpunkt die vierjährige Verjährungsfrist neu. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung sei die Verjährungsfrist daher noch nicht abgelaufen. Zusätzlich begründet das Sozialgericht seine Rechtsauffassung mit der entsprechenden Anwendung von § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Danach beginnt eine Verjährungsfrist erneut, wenn der Schuldner den Vergütungsanspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt. Durch die vorbehaltlose Zahlung des gesamten Rechnungsbetrages liegt nach Auffassung des Sozialgerichts auch ein solches Anerkenntnis vor.

 

Anmerkung

Mit der Aufrechnung der Krankenkasse mit einer anderen Forderung des Krankenhauses wird diese Forderung nur teilweise beglichen. Diesen Anspruch verfolgt nunmehr das Krankenhaus, so dass die vierjährige Verjährungsfrist für diese andere Forderung zu laufen beginnt. Die Krankenkasse stellt diesem Anspruch lediglich einen öffentlich rechtlichen Erstattungsanspruch gegenüber, die sie durch Aufrechnung geltend macht. Die Auffassung des Sozialgerichts ist daher im Ergebnis richtig, dass die vierjährige Verjährungsfrist erst ab dem Aufrechnungszeitpunkt zu laufen beginnt. Eines Rückgriffs auf § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB bedurfte es jedoch nicht.

Der Gerichtsbescheid ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 31.08.2018 14:16:49
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Newsletter Nachstationäre Behandlung
 

Die nachstationäre Behandlung nach § 115a Abs. 1 SGB V ist nur dann abrechnungsfähig, wenn sie im Anschluss an eine notwendige Krankenhausbehandlung erforderlich ist

Urteil des BSG vom 17.09.2013, Az.: B 1 KR 51/12 R

- Nachstationäre Behandlung, Geeignetheit, Erforderlichkeit, Einbeziehung in die DRG, Verordnung, Wirtschaftlichkeitsgebot -

In einer weitreichenden Entscheidung hat sich das BSG mit den Voraussetzungen der nachstationären Behandlung nach § 115a Abs. 1 SGB V auseinandergesetzt. Dabei ging es insbesondere um die Frage der Notwendigkeit der nachstationären Behandlung und um die Berücksichtigung bei der Abrechnung der entsprechenden DRG.

Sachverhalt

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Das klagende Krankenhaus ist auch zur ambulanten Strahlentherapie ermächtigt. Es behandelte den Patienten vom 01. bis 11.07.2008 wegen eines nicht operablen Bronchialkarzinoms mit 8 Einheiten Hochvolt-Strahlentherapie und 1 Chemotherapie. Nachdem der Patient entlassen wurde, wurden vom Krankenhaus vom 14. bis 22.07.2008 7 Einheiten Hochvolt-Strahlentherapie und 1 Chemotherapie durchgeführt. Das Krankenhaus rechnete für die stationäre Behandlung einschließlich der nachstationären Behandlung die DRG E08B (Strahlentherapie bei Krankheiten und Störungen der Atmungsorgane) ab. Ab dem 23.07.2008 führte die Klägerin die simultane Radiochemotherapie auf Grund ihrer Ermächtigung ambulant weiter. Die beklagte Krankenkasse bestritt die Notwendigkeit der nachstationären Behandlung und verwies auf die ambulante Abrechnung gegenüber der KV. Eine Einbeziehung der nachstationär erbrachten Leistungen in die DRG sei daher nicht zulässig. Es sei daher nur die DRG E08C abzurechnen.

Entscheidungsgründe

Die Vorinstanzen erkannten den Anspruch des Krankenhauses an. Das BSG hob die Urteile auf und wies die Klage ab. Das BSG ließ sich von folgenden Gründen leiten: Das BSG bezieht in die Beurteilung nur 8 Bestrahlungen ein, da es die nachstationäre Behandlung, die zur DRG E08B geführt hätte, als nicht erforderlich ansieht. Dabei geht es davon aus, dass eine nachstationäre Behandlung nicht die Möglichkeit eröffnet, „eine abweichende Fallpauschale zu berechnen“ (BSG, Urteil, a.a.O., juris, Rdz. 12). Die nachstationäre Behandlung habe nur insofern auf die Berechnung Auswirkung, als die Summe aus den stationären Belegungstagen und den vor- und nachstationären Behandlungstagen die obere Grenzverweildauer überschreite. Die Fallpauschale decke insoweit die allgemeinen voll- und teilstationären Krankenhausleistungen und die einzubeziehenden Behandlungen mit ab. Das BSG verneint auch die zusätzliche Vergütung gem. der Vergütungsvereinbarung nach § 115a Abs. 3 SGB V. Dies setze voraus, dass die nachstationäre Behandlung erforderlich sei. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben, da eine vertragsärztliche Versorgung ausgereicht hätte. Zunächst stellt das BSG voran, dass es für die nachstationäre Behandlung keiner separaten Verordnung eines Vertragsarztes bedarf. Eine solche Verordnung ist nach ihrem Sinn und Zweck nur für die vorstationäre Behandlung erforderlich. Zusätzlich erfordere die nachstationäre Behandlung jedoch, dass sie im Sinne des allgemeinen Leistungsrechts notwendig ist. Dies folge auch für die vor- und oder nachstationäre Behandlung aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V. Dies sei auch aus dem Wortlaut des § 115a Abs. 1 Satz 1 SGB V zu folgern, der auf „medizinisch geeignete Fälle abstelle“. Medizinisch geeignete Fälle seien nur solche, bei denen nachstationäre Leistungen erforderlich sind. Im vorliegenden Fall kommt das BSG zur Auffassung, dass eine vertragsärztliche Leistung für die nachstationäre Behandlung ausreichend gewesen sei. Der Vorrang der ambulanten Behandlung aus § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V gelte auch für den vor- und nachstationären Bereich. Die nachstationäre Behandlung sei als Annex der voll- oder teilstationären Krankenhausleistungen zu betrachten und unterfalle dem Rechtsregime des Qualitätsgebots für Krankenhausleistungen. Bei der Erbringung der vor- und der nachstationären Behandlung nach § 115a SGB V handele es sich um Krankenhausbehandlung.

Anmerkung

Das BSG betont im vorliegenden Fall das Tatbestandsmerkmal „in medizinisch geeigneten Fällen“ in § 115a Abs. 1 SGB V. Dieses Tatbestandsmerkmal hat bisher in der Urteilspraxis nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Im Zusammenhang mit dem allgemeinen Leistungsrecht (Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V) wendet nunmehr das BSG auch den Grundsatz der Erforderlichkeit gemäß § 39 SGB V auf die vor- und nachstationäre Behandlung an. Die Vergütungsregelungen für die nachstationäre Behandlung werden jedoch in ihrer Gesamtheit nicht vollständig betrachtet. § 8 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 KHEntgG regelt, dass zusätzlich zu einer Fallpauschale eine nachstationäre Behandlung nach 115a SGB V berechnet werden darf, soweit die Summe aus den stationären Belegungstagen und den vor- und nachstationären Behandlungstagen die Grenzverweildauer der Fallpauschale übersteigt. Das BSG beschränkt die Vergütungsregelung für nachstationäre Behandlungen auf diesen Punkt. Dabei bezieht es die Regelung in § 1 Abs. 6 Satz 5 FPV mit nicht ein, wonach die Diagnosen und Prozeduren bei der Gruppierung und der Abrechnung der zugehörigen vollstationären Behandlung zu berücksichtigen sind und auf dieser Grundlage eine Neugruppierung vorzunehmen ist. Die Sichtweise des BSG ist daher zu eng.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 07.09.2018 14:13:59
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Newsletter Fallzusammenführung
 

Unabhängig von der Frage einer Fallzusammenführung löst die Prüfung von zwei Krankenhausbehandlungen unter bestimmten Voraussetzungen zwei Aufwandspauschalen nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V aus

Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 07.02.2013, L 5 KR 117/11

- Fallzusammenführung, doppelte Aufwandspauschale, MDK, Prüfaufträge -

Im vorliegenden Fall musste sich das Schleswig-Holsteinische LSG mit der Frage befassen, ob ein Krankenhaus Anspruch auf zwei Aufwandspauschalen hat. Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Sachverhalt

Ein Patient wurde wegen Erkrankung von Gallenblase und Gallenwegen bzw. Erkrankungen der Verdauungsorgane zweimal im Krankenhaus behandelt. Hierfür rechnete das Krankenhaus für den Erstaufenthalt die DRG H64Z und für den zweiten Aufenthalt die DRG G67B ab. Für beide Abrechnungen schaltete die beklagte Krankenkasse den MDK zur Prüfung ein. Der Prüfauftrag richtete sich dabei auf die richtige Kodierung der Behandlung, die Verweildauer und eine Fallzusammenführung beider Abrechnungsfälle. Der MDK gelangte zur Auffassung, dass keine Fallzusammenführung vorzunehmen ist und die Kodierung und die Verweildauer nicht zu beanstanden seien. Daraufhin stellte das Krankenhaus zwei Aufwandspauschalen in Rechnung, die die Beklagte nicht bezahlte.

Entscheidungsgründe

Das LSG bestätigte das erstinstanzliche Urteil, wonach das Krankenhaus einen Anspruch auf zwei Aufwandspauschalen nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V hat. Ausgangspunkt des Urteils ist die Feststellung, dass es vorliegend nicht nur um die Frage einer Fallzusammenführung gehe, da der Prüfauftrag beider Einzelfälle sich auch auf die richtige Kodierung und Verweildauer bezogen habe. Die Haupt- und Nebendiagnosen beider Abrechnungsfälle seien unabhängig von der Frage der Fallzusammenführung überprüft worden. Insoweit folge das LSG einer formalistischen Betrachtungsweise, die sich in erster Linie danach richte, ob ein Fall oder zwei Einzelfälle geprüft werden sollen. Es handele sich vorliegend um zwei getrennt zu beurteilende Abrechnungsfälle. Somit habe das Krankenhaus Anspruch auf zwei Aufwandspauschalen.

Anmerkung

Das Urteil des LSG lässt ausdrücklich offen, ob ein ausschließlicher Prüfauftrag wegen Fallzusammenführung zweier Abrechnungsfälle auch zwei Aufwandspauschalen auslöst. Diese Frage musste das LSG hier nicht entscheiden, da sich der Prüfauftrag der Krankenkasse neben der Frage der Fallzusammenführung auch auf die richtige Kodierung und die Verweildauer der beiden Einzelfälle bezog. Das Urteil des LSG ist in sich konsequent, da die Prüfung zweier Einzelfälle veranlasst wurde, die unabhängig von einer Fallzusammenführung zu beurteilen sind.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 07.09.2018 14:14:25
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Newsletter Aufwandspauschale
 

Die Abrechnung einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V scheidet – bei Vorliegen aller tatbestandlichen Voraussetzungen – nur dann aus, wenn unstreitig eine fehlerhafte Abrechnung vorliegt und dadurch die Krankenkasse zur Einleitung des Prüfverfahrens veranlasst wurde

Urteil des BSG vom 28.11.2013, Az.: B 3 KR 4/13 R

- Aufwandspauschale, fehlerhafte Abrechnung, Veranlassung des Prüfverfahrens, Ausnahmeregelung -

Im vorliegenden Fall musste das BSG über den Anspruch des Krankenhauses auf eine Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V entscheiden. Dem lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus stellte der beklagten Krankenkasse für die Krankenhausbehandlung eines Patienten die DRG I41Z in Rechnung. Als Hauptdiagnose wurde M81.45 angegeben. Als Nebendiagnose wurde S42.21 angegeben. Die Krankenkasse beauftragte den MDK mit einer Einzelfallprüfung. Dieser vertrat die Auffassung, anstelle der vom Krankenhaus angesetzten Hauptdiagnose sei die Hauptdiagnose S42.21 anzusetzen. Das Grouping-Ergebnis habe sich jedoch dadurch nicht geändert, so dass der Zahlungsanspruch der Klägerin begründet sei. Die Krankenkasse lehnte daraufhin die Zahlung der Aufwandspauschale ab, da die Hauptdiagnose vom MDK geändert worden sei. Die MDK-Prüfung sei bei richtiger Angabe der Hauptdiagnose nicht erforderlich gewesen. Das Krankenhaus blieb bei seiner Auffassung, dass es die Hauptdiagnose richtig angegeben habe und bestritt, dass sie die Prüfung des MDK veranlasst hatte.

Entscheidungsgründe

Das BSG stellte zunächst fest, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V erfüllt seien. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG sei jedoch auch zu prüfen, ob ein Anspruch auf Aufwandspauschale ausscheide, wenn eine fehlerhafte Abrechnung zur Einleitung des Prüfungsverfahrens durch das Krankenhaus veranlasst worden sei. Im vorliegenden Fall verneinte das BSG das Vorliegen einer Ausnahme. Eine fehlerhafte Kodierung liege nicht vor, vielmehr sei dieser Sachverhalt zwischen den Parteien nach wie vor streitig. In der damaligen Entscheidung des BSG vom 22.06.2010 (Az.: B 1 KR 1/10 R) habe unstreitig eine fehlerhafte Kodierung der Hauptdiagnose vorgelegen. Im zu entscheidenden Fall liege dies nicht vor. Des Weiteren sei die Prüfung durch das Krankenhaus auch nicht veranlasst worden, da die Krankenkasse die Abrechnungsprüfung auf die primäre und sekundäre Fehlbelegung ausgerichtet habe. Somit habe das Krankenhaus den gesetzlich verbrieften Anspruch auf die Aufwandspauschale.

Anmerkung

Der 1. Senat des BSG hatte in seiner Grundentscheidung am 22.06.2010 (Az.: B 1 KR 1/10 R) trotz Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Aufwandspauschale verneint, wenn die Krankenkasse durch eine fehlerhafte Abrechnung zur Einleitung des Prüfverfahren veranlasst wurde. Es hat damit eine gesetzlich nicht vorgesehene Ausnahmeregelung geschaffen, die sich auch aus der Gesetzesbegründung zu § 275 Abs. 1c SGB V nicht herleiten lässt. Das hier wiedergegebene Urteil des 3. Senats wendet die Ausnahmeregelung zwar an, beschränkt sie aber gleichzeitig auf den vom 1. Senat entschiedenen Ausnahmefall. Danach muss unstreitig eine fehlerhafte Hauptdiagnose vorliegen. Das Krankenhaus sollte bei einer unstreitigen falschen Kodierung der Hauptdiagnose nicht noch mit der Abrechnung der Aufwandspauschale belohnt werden. Im vorliegenden Fall wurde ausdrücklich die Auswechselung der Hauptdiagnose von Seiten des Krankenhauses bestritten. Insoweit konnte das BSG nicht von einer fehlerhaften Hauptdiagnose ausgehen. Des Weiteren stützt das BSG seine Entscheidung darauf, dass dadurch keine Veranlassung zur Abrechnungsprüfung von Seiten des Krankenhauses gegeben worden sei. Der Prüfungsauftrag der Krankenkasse sei auf die Prüfung der primären und sekundären Fehlbelegung ausgerichtet gewesen. Letztlich stellt das BSG heraus, dass es keine Veranlassung sieht, vom gesetzlichen Tatbestand des § 275 Abs. 1c SGB V weitere Ausnahmen zuzulassen. Somit bestehe als einzige Ausnahme der Sachverhalt, dass eine unstreitige Fehlkodierung vorliege und zudem das Krankenhaus dadurch eine Ursache zur Prüfungseinleitung gesetzt haben muss. Aus der hier wiedergegebenen Entscheidungen folgt, dass das Krankenhaus im Regelfall einen Anspruch auf Aufwandspauschale hat. Man sollte sich daher nicht aus pragmatischen Gründen auf eine Auswechselung der Haupt- bzw. Nebendiagnosen einlassen, sondern an seiner sachgerechten Auffassung festhalten. Darüber hinaus ist immer der Kausalzusammenhang des Prüfauftrag mit der angeblich fehlerhaften Kodierung zu überprüfen. Geht der Prüfauftrag darüber hinaus, wurde die Prüfung durch die angeblich fehlerhafte Kodierung im Sinne der Ausnahmeregelung des BSG vom Krankenhaus gerade nicht veranlasst.

Der Terminsbericht ist hier wiedergegeben. Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werden wir Sie weiter informieren.

  letzte Änderung: 07.09.2018 14:15:02
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Newsletter Fallzusammenführung
 

Die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 FPV 2006 über die Fallzusammenführung bei Wiederaufnahme des Patienten innerhalb von 30 Kalendertagen ist streng nach seinem Wortlaut auszulegen

Urteil des BSG vom 28.11.2013, Az.: B 3 KR 33/12 R

- Fallzusammenführung, Wiederaufnahme, 30 Kalendertage, Erstattungsanspruch der Krankenkassen -

In der Sitzung am 28.11.2013 musste das BSG über die Frage entscheiden, ob eine Fallzusammenführung vorzunehmen ist, obwohl der Versicherte erst nach 33 Kalendertagen im Krankenhaus wieder aufgenommen wurde. Der 3. Senat hat dies mit überzeugenden Gründen abgelehnt.

Sachverhalt

Ein Patient wurde wegen eines Prostataleidens zweimal stationär aufgenommen und behandelt. Der erste Krankenhausaufenthalt dauerte vom 04. bis 06.05.2006 wegen „Prostatahyperplasie mit Harnstauungsniere“. Bei Entlassung des Patienten wurde ein Wiederaufnahmetermin für den 06.06.2006 festgelegt, um eine transurethrale Prostataresektion durchzuführen. Diese erfolgte am 07.07.2006. Für die Krankenhausaufenthalte rechnete das Krankenhaus die M61Z (benigne Prostatahyperplasie) und die DRG M02Z (transurethrale Prostataresektion) ab. Damit war die Krankenkasse nicht einverstanden und verlangte eine Fallzusammenführung. Sie vertrat die Auffassung, der Patient hätte ohne weiteres drei Tage vorher wieder aufgenommen werden können, so dass die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 FPV zur Anwendung komme.

Entscheidungsgründe

Das BSG verneinte einen Erstattungsanspruch der beklagten Krankenkasse. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 FPV 2006 sei nur eine Fallzusammenführung vorzunehmen, wenn der Patient innerhalb von 30 Kalendertagen seit Erstaufnahme wieder aufgenommen wurde. Die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 FPV ist streng nach ihrem Wortlaut auszulegen. Nach dem Wortlaut komme es auf den tatsächlichen kalendermäßigen Verlauf an. Es stehe allein den Vertragsparteien zu, Fehlinterpretationen und Missverständnisse von Abrechnungsbestimmungen auszuräumen. Die FPV werde jährlich von der Selbstverwaltung auf Bundesebene überarbeitet bzw. erlassen.

Anmerkung

Das BSG bleibt seiner Auffassung treu, wonach Abrechnungsbestimmungen der Selbstverwaltung auf Bundesebene streng nach ihrem Wortlaut auszulegen sind. Analoge Anwendungen oder erweiterte und/oder einengende Interpretationen sind nicht zulässig. Insoweit hat es die Selbstverwaltung auf Bundesebene in der Hand, eventuellem Anpassungsbedarf Rechnung zu tragen. Eine Ausnahme macht das BSG jedoch, wenn eine vorzeitige Wiederaufnahme des Versicherten aus medizinischen Gründen geboten gewesen wäre oder wenn es sich um ein systematisches Ausnutzen der 30-Tages-Frist zur Gewinnoptimierung gehandelt hätte. Hierfür waren keine Anhaltspunkte vorhanden. Dieser Fall ist auch deshalb interessant, da üblicherweise die Krankenkassen beanstanden, wenn Patienten kurz vor dem Wochenende aufgenommen bzw. erst am Montag entlassen werden. Im vorliegenden Fall vertraten sie jedoch die Meinung, der Patient hätte bereits am Wochenende aufgenommen werden müssen. Dies war im vorliegenden Fall Pfingstsamstag. Insoweit war die Argumentation der beklagten Krankenkasse ausschließlich finanztechnisch begründet.

Der Terminsbericht ist hier wiedergegeben. Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werde ich ergänzend berichten.

  letzte Änderung: 07.09.2018 14:15:29
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Newsletter Fallzusammenführung
 

Die Nebenwirkung einer Chemotherapie kann eine Fallzusammenführung nach § 8 Abs. 5 Satz 1 KHEntgG rechtfertigen (im Jahr 2007)

Urteil des BSG vom 18.07.2013, Az.: B 3 KR 6/12

- Fallzusammenführung, Abgrenzung Komplikation und Nebenwirkung, obere Grenzverweildauer, unvermeidbare Nebenwirkungen, Chemotherapie -

Das BSG hat sich vorliegend mit der Frage befasst, ob Nebenwirkungen einer Chemotherapie als Komplikation nach § 8 Abs. 5 Satz 1 KHEntgG anzusehen sind und somit eine Fallzusammenführung vorzunehmen ist. Für das Jahr 2007, um das es hier ging, hat es dies bejaht. Ab dem 01.01.2008 ist jedoch durch § 2 Abs. 3 Satz 2 FPV eine Ausnahmeregelung für unvermeidbare Nebenwirkungen einer Chemotherapie geschaffen worden.

Sachverhalt

Eine Patientin, die wegen eines Mammakarzinoms eine Chemotherapie erhielt, wurde am 30.03.2007 entlassen und am darauffolgenden Tag wegen Übelkeit und Kreislaufstörung erneut vollstationär aufgenommen und mit einer Infusionstherapie behandelt. Das klagende Krankenhaus rechnete zwei Fallpauschalen hierfür ab. Die beklagte Krankenkasse verlangte eine Fallzusammenführung und verrechnete den aus ihrer Sicht überzahlten Betrag.

Entscheidungsgründe

Das BSG bestätigte mit seinem Urteil beide Vorinstanzen, die die Klage abgewiesen hatten. Es stellt zunächst heraus, dass nach ständiger Rechtsprechung des BSG Vergütungsregelungen streng nach ihrem Wortlaut auszulegen sind; nur so sind sie für die routinemäßige Anwendung in zahlreichen Behandlungsfällen handhabbar. Das BSG setzte sich ausführlich mit dem Wortlaut von § 8 Abs. 5 Satz 2 KHEntgG i.V.m. § 2 Abs. 3 FPV 2007 auseinander. Der Begriff Komplikation umfasse alle negativen Folgen einer medizinischen Behandlung wie z.B. Nachblutungen, Hämatome, Thrombosen, Infektionen und auch deren unerwünschte Nebenwirkungen. Unerwünschte Nebenwirkungen von Medikamenten, z.B. einer Chemotherapie, werden davon ebenfalls erfasst. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des Begriffs der Komplikation und aus dem, was allgemein unter Nebenwirkungen von Medikamenten zu verstehen ist. Dieses Ergebnis werde durch die Ausnahmeregelung in § 2 Abs. 3 Satz 2 FPV 2008 gestützt; diese Regelung gelte aber erst ab 01.01.2008 und könne nicht rückwirkend angewandt werden (BSG, a.a.O., juris, Rdz. 16).

Anmerkung

Mit diesem Urteil ist ein langjähriger Streit zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern entschieden worden. Für „Altfälle“ hat das Urteil noch Bedeutung. Ab 01.01.2008 gilt – bis heute – für unvermeidbare Nebenwirkungen einer Chemotherapie in § 2 Abs. 3 Satz 2 FPV folgende Ausnahmeregelung: „Eine Zusammenfassung und Neueinstufung wird nicht vorgenommen bei unvermeidbaren Nebenwirkungen von Chemotherapien und Strahlentherapien im Rahmen onkologischer Behandlungen.“ Das BSG stellt ergänzend heraus, dass eine Fallzusammenführung und Neueinstufung nur bei Komplikationen gerechtfertigt ist, die im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung stehen. Besteht zwischen der eingetretenen Störung des Krankheitsverlaufes und der vom Krankenhaus zuvor erbrachten Leistung kein hinreichender Zusammenhang, kommt eine Fallzusammenführung nicht in Betracht (BSG-Urteil, a.a.O., juris, Rdz. 23).

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 07.09.2018 14:16:07
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Newsletter Mehrleistungsabschlag
 

Der Mehrleistungsabschlag nach § 4 Abs. 2a KHEntgG ist genehmigungsfrei

Urteil des BVerwG vom 30.05.2013, Az.: 3 C 16.12

- Mehrleistungsabschlag, Genehmigung, Schiedsstelle -

Das BVerwG musste sich mit der Frage befassen, ob der Mehrleistungsabschlag nach § 4 Abs. 2a KHEntgG genehmigungsbedürftig ist. Er hat dies verneint.

Sachverhalt

Nachdem die Vertragsparteien sich nicht über die Mehrleistungen gegenüber der Vereinbarung des Vorjahres einigen konnten, musste die Schiedsstelle u.a. auch über die Höhe des Mehrleistungsabschlages entscheiden. Das Krankenhaus beantragte die Genehmigung bei der Regierung von Unterfranken, die Krankenkassen beantragten, die Genehmigung zu versagen. Nach Auffassung der Krankenkassen sei der Mehrleistungsabschlag rechtswidrig zu niedrig festgesetzt worden. Die Genehmigungsbehörde genehmigte den Schiedsstellenbeschluss, nahm aber den Mehrleistungsabschlag von der Genehmigung aus. Sie vertrat die Auffassung, die Entscheidung der Schiedsstelle zum Mehrleistungsabschlag sei weder genehmigungspflichtig noch genehmigungsfähig. Das Verwaltungsgericht teilte die Auffassung der Genehmigungsbehörde und wies die Klage der Kostenträger gegen die Entscheidung der Genehmigungsbehörde zurück. Mit der vom VG zugelassenen Revision verfolgten die Krankenkassen ihre Interessen weiter.

Entscheidungsgründe

Das BVerwG bestätigte das erstinstanzliche Urteil. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG beziehe sich die Genehmigungspflicht ausschließlich auf das Erlösbudget nach § 4, die Entgelte nach § 6 und die Zu- und Abschläge nach § 5 KHEntgG. Der Abschlag nach § 4 Abs. 2a KHEntgG gehöre weder zum Erlösbudget noch zu den Abschlägen nach § 5 KHEntgG. Dies ergäbe sich mit Deutlichkeit bereits aus dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG. Eine Regelungslücke bestehe nicht, da der Wortlaut eindeutig sei. Die Genehmigung sei ein vertragsgestaltender Verwaltungsakt und bedeute einen Eingriff in die Vertragsfreiheit der Parteien, der aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf das Erforderliche zu beschränken ist. Demgemäß bleiben alle jene Vereinbarungsgegenstände genehmigungsfrei, für die der Gesetzgeber keine spezifischen gesetzlichen Kontrollzwecke sieht.

Anmerkung

Das Urteil des BVerwG überrascht auf den ersten Blick. Man konnte vorliegend auch die Auffassung vertreten, dass eine zu schließende Regelungslücke besteht, da der Mehrleistungsabschlag nach § 4 Abs. 2a KHEntgG in direktem Zusammenhang mit dem Erlösbudget steht, das die Mehrleistungen mit umfasst. Am klaren Wortlaut von § 14 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG orientiert, ist die Auffassung des BVerwG nachvollziehbar. Das BVerwG stützt sich auf die Rechtslage im Jahre 2011. Allerdings gilt die Entscheidung des BVerwG auch in den Folgejahren, da die Regelung über das Erlösbudget in § 4 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG ausdrücklich festlegt, dass das Erlösbudget nicht die Zu- und Abschläge nach § 7 Abs. 1 KHEntgG umfasst. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 KHEntgG erwähnt insoweit auch die Zu- und Abschläge nach § 4 Abs. 2a KHEntgG. Diese gehören daher qua definitionem nicht zum Erlösbudget. Die Konsequenz des Urteils des BVerwG ist, dass nunmehr eine getrennte Vorgehensweise bei Klagen erforderlich ist. Die Klage gegen den Genehmigungsbescheid ist gegen die Genehmigungsbehörde zu richten. Ist Klagestand die Höhe des Mehrleistungsabschlages, richtet sich die Klage gegen die Schiedsstelle unmittelbar. An dieses Verfahren werden sich die Pflegesatzschiedsstellen noch gewöhnen müssen. Dies ist allerdings auch nicht außergewöhnlich, da bisher schon im Einzelfall die Pflegesatzschiedsstelle direkt verklagt werden musste, wenn z.B. ambulante Leistungen der psychiatrischen Institutsambulanzen Klagegegenstand waren (§ 120 Abs. 4 SGB V).

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 07.09.2018 14:16:41
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Newsletter vollstationäre Krankenhausbehandlung
 

Eine vollstationäre Krankenhausbehandlung ist auch dann anzunehmen, wenn ein Patient lediglich 16 Stunden im Krankenhaus verbleibt

Urteil des BSG vom 19.09.2013, Az.: B 3 KR 34/12 R

- vollstationäre Krankenhausbehandlung, Aufenthaltsdauer, Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V -

Das BSG hat sich erneut mit der Frage befasst, ob eine vollstationäre Behandlung auch bei einer kurzzeitigen Krankenhausbehandlung angenommen werden kann. Vorliegend hat das BSG dies bejaht.

Sachverhalt

Ein Patient wurde um 20.38 Uhr als Notfall wegen akuter Gastroenteritis mit rezidivierender hypotoner Kreislaufdisregulation im Krankenhaus der Klägerin aufgenommen. Die Entlassung erfolgte am Folgetag um 12.28 Uhr. In der Aufnahmeanzeige wurde als voraussichtlicher Entlassungstermin der übernächste Tag angegeben. Die Beklagte verweigerte die Zahlung der Rechnung, da sie die Auffassung vertrat, eine vollstationäre Versorgung setze die Unterbringung des Patienten über mindestens 24 Stunden voraus. Es sei auf den tatsächlichen und nicht auf den geplanten Krankenhausaufenthalt abzustellen. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen, das LSG hat die beklagte Krankenkasse antragsgemäß verurteilt. Mit der Revision verfolgt die Krankenkasse ihre Rechtsauffassung weiter.

Entscheidungsgründe

Das BSG hat der Auffassung der Krankenkasse eine komplette Absage erteilt. Aus der Rechtsprechung des BSG sei eine starre Mindestaufenthaltsdauer von 24 Stunden nicht zu entnehmen. Entgegen der Auffassung der Krankenkasse komme es nicht auf die tatsächliche Aufenthaltsdauer sondern auf die geplante Aufenthaltsdauer an. Somit sei auch eine 16-stündige Aufenthaltsdauer als vollstationäre Behandlung anzusehen. Im Übrigen wies das BSG darauf hin, dass die Beklagte die 6-Wochen-Frist nach § 275 Abs. 1c SGB V hat verstreichen lassen. Eine medizinische Klärung könne daher nicht mehr erfolgen. Medizinische Zweifel können daher von der Krankenkasse nicht mehr ins Feld geführt werden.

Anmerkung

Das BSG hat bereits mit Urteil vom 28.02.2007, Az.: B 3 KR 17/06 R, darauf hingewiesen, dass eine Behandlungsmaßnahme als vollstationäre Krankenhausbehandlung angesehen werden könne, auch wenn sich diese selbst nur über einige wenige Stunden erstrecke. Es sei in diesem Fall nicht erforderlich, dass der Patient über Nacht im Krankenhaus verbleibe. Das vorliegende Urteil vom 19.09.2013 reiht sich in diese Rechtsprechung nahtlos ein. Verwunderlich bleibt jedoch die Haltung der Krankenkassen, wonach eine starre Behandlungsdauer von 24 Stunden erforderlich sei. Seit dem Urteil vom 28.02.2007 war bereits klar, dass keine starre Mindestverweildauer vorgegeben ist und es auf die geplante Aufenthaltsdauer ankommt. Dieser Rechtsprechung hat der 3. Senat des BSG erneut Rechnung getragen und somit auch noch die letzten Zweifel der Krankenkassen ausgeräumt. Zur Zeit liegt nur der Terminsbericht vor, der hier wiedergegeben ist.

Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werden wir weiter berichten.

  letzte Änderung: 07.09.2018 14:17:16
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Newsletter OPS 8-980
 

Das Mindestmerkmal im OPS-Kode 8-980 „Ständige ärztliche Anwesenheit“ ist eine strukturelle Abrechnungsvoraussetzung, die unabhängig vom einzelnen Behandlungsfall auf Grund der allgemeinen Organisation und Dienststruktur des Krankenhauses zu beurteilen

Urteil des BSG vom 18.07.2013, Az.: B 3 KR 25/12 R

- OPS-Kode 8-980, Mindestmerkmal, strukturelle Abrechnungsvoraussetzung, intensivmedizinische Komplexbehandlung, ständige ärztliche Anwesenheit -

In dem vorliegenden Urteil hat sich das BSG mit der Grundsatzfrage auseinandergesetzt, ob die Mindestmerkmale des OPS-Kode 8-980 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung) patientenbezogen zu verstehen sind oder strukturelle Abrechnungsvoraussetzungen darstellen. Das BSG hat nunmehr entschieden, dass die ständige ärztliche Anwesenheit – wie sie vom OPS-Kode 8-980 gefordert wird – eine strukturelle Abrechnungsvoraussetzung ist.

Sachverhalt

Das Krankenhaus hatte den Bereitschaftsdienst der Stufe D so organisiert, dass dieser für die gesamte Abteilung Innere Medizin einschließlich der darin eingegliederten Intensivstation für die ärztliche Versorgung nach 16.30 bis 8.00 Uhr morgens am nächsten Tag zuständig ist. Gleiches galt für Feiertage und Wochenenden. Das Krankenhaus wies im Einzelnen darauf hin, dass nachweislich der ärztliche Bereitschaftsdienst vorrangig die Intensivstation zu versorgen hat und im vorliegenden Behandlungsfall auch ein Arzt ständig anwesend war. Dem gegenüber wies die Krankenkasse darauf hin, es fehle an den strukturellen Voraussetzungen zur Abrechnung des OPS-Kode 8-980 („Ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation“), da der diensthabende Arzt nachts und an Wochenenden auch für die gesamte Abteilung Innere Medizin zuständig sei. Die Krankenkasse verweigerte daher die Bezahlung der in Rechnung gestellten DRG A07C und vergütete nur einen Teilbetrag.

Entscheidungsgründe

Zunächst stellt das BSG fest, dass die im OPS-Kode 8-980 vorgesehenen Mindestmerkmale kumulativ vorliegen müssen. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG sind die Mindestmerkmale streng nach ihrem Wortlaut auszulegen. Eine „Gewährleistung“ der ständigen ärztlichen Anwesenheit ist daher nur gegeben, wenn ein speziell auf die Intensivstation bezogener Bereitschaftsdienst gegeben ist. Es reiche nicht aus, wenn ein Arzt nur im Notfall bzw. nach Bedarf auf der Intensivstation anwesend sei. Der Wortlaut „Gewährleistung“ stelle auf eine Planungs- und Strukturkomponente ab. Wörtlich heißt es in dem BSG-Urteil: \"Eine \'Gewährleistung \' der ständigen ärztlichen Anwesenheit ist nur bei einer dies unter allen - vorhersehbaren - Umständen sicherstellenden, speziell auf die Intensivstation bezogenen Bereitschaftsdienstplanung des Krankenhauses gegeben.\" Das Mindestmerkmal „Ständige ärztliche Anwesenheit“ sei unabhängig vom einzelnen Behandlungsfall zu beurteilen. Maßgeblich sei hierfür die allgemeine Organisation und Dienststruktur des Krankenhauses.

Anmerkung

Das Urteil des BSG hat eine weitreichende Bedeutung, da es bestimmten Mindestmerkmalen die Qualität einer strukturellen Abrechnungsvoraussetzung zumisst, wie hier der ständigen ärztlichen Anwesenheit auf der Intensivstation. Maßgeblich hierfür ist nach Auffassung des BSG die allgemeine Organisation und Dienststruktur für die Intensivstation. Dies bedeutet, dass die Darlegung des Dienstplanes als ausreichend angesehen wird, um die ständige Anwesenheit des Arztes zu belegen. Umgekehrt heißt dies auch, dass es dann nicht auf die Erfüllung im konkreten Einzelfall ankommt, sondern auf die allgemeine Organisation und Dienststruktur der Intensivstation. Mit dem entsprechenden Nachweis durch den Dienstplan ist das Mindestmerkmal dann als erfüllt anzusehen. Interessant ist des Weiteren, dass das BSG hierbei nicht von einer medizinischen Sachfrage des konkreten Einzelfalles ausgeht und einen Anlass für eine MDK-Prüfung nach § 275 Abs. 1 Satz 1 SGB V verneint. Dies bedeutet, dass der MDK zur Klärung des Mindestmerkmales des OPS-Kode 8-980 nicht eingeschaltet werden muss.

Das Urteil ist hier wiedergeben.

  letzte Änderung: 07.09.2018 14:17:48
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Newsletter Abrechnungsprüfung
 

Eine Abrechnungsprüfung gemäß § 275 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. SGB V ist nur bei festgestellten Auffälligkeiten zulässig – ein Rechtsmissbrauch der Krankenkasse liegt nur vor, wenn es eine Vielzahl von Abrechnungsfällen betrifft

Urteil des BSG vom 16.05.2013, Az.: B 3 KR 32/12 R

- Abrechnungsprüfung, Auffälligkeiten, MDK-Prüfung, Prüfverfahren, Rechtsmissbrauch der Krankenkasse, Beweisverwertungsverbot -

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus führte bei einem Versicherten wegen einer Darmerkrankung eine Operation im November 2006 durch. Der Patient war am Vortag der Operation im Krankenhaus aufgenommen worden. Die beklagte Krankenkasse vertrat die Auffassung, dass der Patient bereits am Aufnahmetag hätte operiert werden können und kürzte die Rechnung um 1.337,84 €. Die Klägerin vertrat u.a. die Auffassung, dass die Krankenkasse das in § 275 Abs. 1 SGB V vorgesehene Prüfungsverfahren nicht eingehalten habe; eine Beauftragung des MDK zur Prüfung der Rechnung sei nicht erfolgt. Da die Beklagte keine vollständige Zahlung leistete, erhob das Krankenhaus Zahlungsklage vor dem Sozialgericht. Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens hat der MDK eine Stellungnahme abgegeben. Das Sozialgericht hat weitere entscheidungserhebliche Ermittlungen durchgeführt. Das Sozialgericht, das Landessozialgericht und das BSG haben den Klageanspruch des Krankenhauses verneint.

Entscheidungsgründe

Das BSG stellte fest, dass die Krankenkasse das Prüfungsverfahren in doppelter Hinsicht verletzt habe: (1) Eine Rechnungsprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. SGB V sei nur zulässig, wenn sich Auffälligkeiten ergeben, die die Krankenkasse von sich aus oder ohne weitere Sachverhaltsermittlung und –bewertung durch den MDK nicht klären kann. Entsprechende Auffälligkeiten habe die Krankenkasse weder benannt noch belegt. Es gäbe vielmehr Anzeichen, dass es sich bei der Krankenkasse um eine routinemäßige Abfrage gehandelt habe mit dem Ziel, eine Kostenreduzierung zu erreichen (Unterschreitung der unteren Grenzverweildauer). (2) Entgegen der Auffassung des LSG sei es nicht zulässig, das Krankenhaus wiederholt zur Angabe medizinischer Gründe bzw. zur Vorlage medizinischer Unterlagen an den MDK aufzufordern. Die Krankenkasse ist vielmehr verpflichtet, bei medizinischen Fragestellungen den MDK einzuschalten (von bestimmten Ausnahmen abgesehen). Die Krankenkasse dürfe ihre gesetzlichen Obliegenheiten nicht auf die Krankenhäuser verlagern. Die Krankenkasse habe sich an das vom BSG in ständiger Rechtsprechung entwickelte dreistufige Prüfverfahren zu halten. Die vom BSG festgestellten Verstöße gegen die Prüfungspflichten hatten jedoch keine rechtliche Konsequenz. Das BSG stellt fest, dass die vom Sozialgericht vorgenommene Amtsermittlung und die erst im Laufe des Rechtsstreits vorgelegte Stellungnahme des MDK keinem Beweisverwertungsverbot unterliegt. In dem Prüfungsverhalten der Krankenkasse sah das BSG auch keinen Rechtsmissbrauch. Es wies daher die Revision des Krankenhauses zurück.

Anmerkungen

Das BSG begrenzt die Einschaltung des MDK zur Abrechnungsprüfung auf „Auffälligkeiten“. Damit orientiert sich das BSG streng am Wortlaut des § 275 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. SGB V. Es knüpft damit an das Urteil des BSG vom 13.11.2012, Az.: B 1 KR 24/11 R, Rdz. 18 an. Danach muss die gestellte Rechnung Fragen nach der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Krankenhausrechnung und/oder nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen, die die Krankenkasse ohne Einschaltung des MDK von sich aus nicht beantworten kann. Im vorliegenden Fall hatte die Krankenkasse lediglich Verdachtsmomente geäußert, ohne Auffälligkeiten zu benennen bzw. zu belegen. Eine Rechnungsprüfung hätte daher nicht erfolgen dürfen. Dabei betont das BSG, dass eine beabsichtige Kostenreduzierung allein kein Grund für eine Rechnungsprüfung darstellt. Im Übrigen spricht sich das BSG gegen eine Verlagerung der den Krankenkassen obliegenden Verpflichtungen auf das Krankenhaus aus. Damit bietet es Versuchen der Krankenkassen Einhalt, über die gesetzlich vorgesehenen Daten nach § 301 SGB V hinaus zusätzliche Begründungen und Auskünfte vom Krankenhaus zu verlangen. Allerdings gibt es hierzu auf Grund der Rechtsprechung des BSG Ausnahmen im Bereich von Leistungen, die dem Vertragsarztbereich zugeordnet sind bzw. bei Leistungen nach dem AOP-Vertrag (siehe zuletzt Urteil des BSG vom 21.03.2013, Az.: B 3 KR 28/12 R – wir berichteten hierüber). Trotzdem hat das BSG dem Klageanspruch des Krankenhauses nicht stattgegeben. Dies überrascht, da das BSG in ständiger Rechtsprechung von gegenseitigen Mitwirkungs- und Treuepflichten ausgeht. Diese gelten für Krankenhäuser und Krankenkassen gleichermaßen. Wenn es um daraus herzuleitende Konsequenzen geht, zögert allerdings das BSG, wenn die Krankenhäuser sich auf Rechtsverstöße berufen. Im vorliegenden Fall hebt das BSG hervor, dass eine Verletzung des besonderen Beschleunigungsgebotes (Einleitung des Prüfungsverfahrens nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V – 6-Wochen-Frist) nur dann anzunehmen ist, wenn vom Krankenhaus Beweismittel „auf besondere gerichtliche Anforderung zur Verfügung gestellt worden sind.“ Das Beweisverwertungsverbot gelte zudem nicht für Behandlungsfälle vor dem 01.04.2007. Des Weiteren stützt das BSG seine Argumente darauf, dass ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot nicht greife, wenn die entscheidungserheblichen Ermittlungen vom Sozialgericht bereits durchgeführt sind. Auch dies überrascht. In der Grundentscheidung des BSG (Urteil vom 16.05.2012, Az.: B 3 KR 14/11 R; siehe auch Urteil vom 13.11.2012, Az.: B 1 KR 14/12 R) hat das BSG bisher ein Beweisverwertungsverbot im Sozialgerichtsverfahren angenommen. Wörtlich hat das BSG im Urteil vom 16.05.2012, a.a.O., juris, Rdz. 28, ausgeführt: „Mit ihrem Schutzzweck (lies § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V) wäre es unvereinbar, wenn anstelle des nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zur Prüfung berufenen, wegen Ablaufs der Sechs-Wochen-Frist aber nicht mehr befugten MDK nunmehr die Sozialgerichte an dessen Stelle erstmals den von einer Krankenkasse aufgeworfenen medizinischen Zweifelsfragen nachgehen und in aller Regel umfangreich Beweis erheben müssten. Sie würden hierdurch nachhaltig in die Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen eingreifen und im vorgerichtlichen Verfahren nicht mehr zulässige Einzelfallprüfungen im Sozialgerichtsprozess durchführen, obwohl der Gesetzgeber mit der Einführung von § 275 Abs. 1c S 2 SGB V bewusst derartige Einzelfallprüfungen beschränken und statt dessen die Stichprobenprüfung nach § 17c Abs. 2 KHG aufwerten wollte. Deshalb ist, wie das LSG mit Recht angenommen hat, eine Begrenzung der gerichtlichen Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG geboten, soweit das Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V verspätet eingeleitet worden und deshalb eine Prüfung durch den MDK nach § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbs 2 SGB V ausgeschlossen ist.“ Somit hätte das BSG im vorliegenden Fall zur Auffassung kommen müssen, dass die Amtsermittlung des SG nicht mehr zulässig gewesen sei und daher einem Beweisverwertungsverbot unterliege. Auch davon löst sich das BSG, wenn es nunmehr vom Sozialgericht nachträglich durchgeführte Ermittlungen zulässt, obwohl die 6-Wochen-Frist nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V verstrichen ist. Die bisher angenommene Sperrwirkung („Verwertung im Widerstreit erlangter Beweisergebnisse“) legt das BSG vorliegend zur Seite. Letztlich sieht das BSG in der doppelten Verletzung der Prüfpflichten durch die Krankenkasse keinen Rechtsmissbrauch. Ein rechtsmissbräuchliches Prüfverhalten liege nach Auffassung des BSG nur vor, wenn unabhängig von der einzelnen Abrechnung „systematisch eine Vielzahl von Abrechnungsfällen einem Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zugeführt“ wurde, weil sie ein „abstraktes Kürzungspotential“ enthalten. Dies beschreibt das BSG als Ausnahmesituation, die von ihm nur einmal bei den sogenannten Berliner Fällen vom BSG angenommen worden ist. Für die Krankenhäuser bedeutet dies, dass durch das jüngste Urteil des BSG weitere Unsicherheit besteht, wie man sich bei Verletzung von Prüfpflichten durch den MDK/Krankenkasse verhalten muss. Im Zweifel ist wohl davon auszugehen, dass nur gravierende und systematische Verstöße gegen die Prüfpflichten in einer Vielzahl von Abrechnungsfällen rechtlich durchschlägt. Auch der vom BSG herausgestellte Grundsatz, dass eine Abrechnungsprüfung nur bei festgestellten Auffälligkeiten zulässig ist, ist wenig handhabbar. Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der auslegungsfähig und auslegungsbedürftig ist. Aus dem Urteil des BSG ist zu entnehmen, dass ein konkreter (Anfangs-)Verdacht einer fehlerhaften Abrechnung durch die Krankenkasse bestehen muss, um daraus die Berechtigung einer MDK-Prüfung herzuleiten. Dies betrifft bisher folgende konkrete Auffälligkeiten: - Entlassung an einem Montagmorgen - Falsche Hauptdiagnose der Kodierung - Erneute stationäre Aufnahme nach Entlassung des Patienten innerhalb der oberen Grenzverweildauer - Durchführung einer Koronarangiographie, die auch ambulant hätte durchgeführt werden können. Eine Auffälligkeit wurde verneint, wenn die Rechnungsprüfung nur mit der Schwere der Erkrankung und einem latent suizidalem Zustand begründet wurde. Des Weiteren wurde eine Auffälligkeit verneint, wenn der Patient im Rahmen der vorgesehenen Grenzverweildauer behandelt wurde. Auch daraus ergibt sich, dass ein Krankenhaus sich einem gewissen Risiko aussetzt, wenn es mangels Angabe einer Auffälligkeit seine Mitwirkung an der Prüfung verweigert. Kommt das Sozialgericht zur Auffassung, es habe doch aus seiner Sicht eine Auffälligkeit vorgelegen, könnte die Verletzung der Mitwirkungspflicht dem Krankenhaus zur Last gelegt werden.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 07.09.2018 14:18:25
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Newsletter Einzelfallprüfung
 

Voraussetzung für eine Einzelfallprüfung durch die Krankenkasse ist das Vorliegen einer Auffälligkeit i.S.d. § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V; die Rechnungsprüfung unterliegt auch vor Inkrafttreten des § 275 Abs. 1c SGB V dem Beschleunigungsgebot

Urteil des BSG vom 18.07.2013, Az.: B 3 KR 22/12 R

- Einzelfallprüfung, Auffälligkeiten, Beschleunigungsgebot -

Sachverhalt

Das Krankenhaus hatte der klagenden Krankenkasse am 22.08.2006 für die Behandlung in der geriatrischen Fachabteilung eine Rechnung gestellt, die die Krankenkasse vollständig ausglich. Dreieinhalb Jahre später – vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist – beauftragte die Krankenkasse den MDK mit der Prüfung der Hauptdiagnose und des Aufnahmeanlasses. Das beklagte Krankenhaus lehnte die Herausgabe von medizinischen Unterlagen ab. Es vertrat die Auffassung, dass keine zeitnahe Einleitung der Prüfung durch den MDK erfolgt sei. Sowohl das angerufene SG als auch das LSG lehnten den Herausgabeanspruch ab.

Entscheidungsgründe

Das BSG bestätigte die Vorinstanzen. Zunächst stellt es fest, dass eine Einzelfallprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V Auffälligkeiten voraussetze. Die klagende Krankenkasse habe keine Auffälligkeiten benannt. Insoweit bestand kein hinreichender Anlass für eine Einzelfallprüfung. Im Übrigen wies das BSG darauf hin, dass bereits vor Inkrafttreten von § 275 Abs. 1c Satz 1 und 2 SGB V (Grundsatz der zeitnahen Prüfung) das Beschleunigungsgebot zu beachten war.

Anmerkungen

Das Urteil des BSG ist insoweit bemerkenswert, da es herausstellt, dass die Zulässigkeit einer Einzelfallprüfung u.a. davon abhängt, ob die Krankenkasse Auffälligkeiten bei der ordnungsgemäßen Abrechnung geltend gemacht hat. Es knüpft insoweit an die jüngste Rechtsprechung des BSG an (BSG, Urteil vom 16.05.2013, B 3 KR 32/12 R; Urteil vom 13.11.2012, B 1 KR 24/11 R). Danach muss die gestellte Rechnung Fragen nach der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Krankenhausrechnung und/oder in Bezug auf die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen, die die Krankenkasse ohne Einschaltung des MDK von sich aus nicht beantworten kann. Verdachtsmomente reichen insoweit nicht aus. Des Weiteren geht das BSG auch vor Inkrafttreten von § 275 Abs. 1c SGB V vom Beschleunigungsgebot bei einer Einzelfallprüfung aus. Allerdings hat der Gesetzgeber mit Inkrafttreten von § 275 Abs. 1c Satz 1 und 2 SGB V die Einleitungsfrist einer MDK-Prüfung konkretisiert und auf 6 Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse festgelegt. Das Urteil des BSG bezieht sich insoweit ausschließlich auf die Einleitungsfrist und nicht auf die Bearbeitungsfrist durch den MDK. Zur Zeit liegt nur der Terminsbericht vor, der hier wiedergegeben ist.

Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werden wir Sie weiter unterrichten.

  letzte Änderung: 07.09.2018 14:19:20
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Newsletter Einzelfallprüfung
 

Das nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V fristgerecht eingeleitete Prüfverfahren muss in der Regel 6 Monate nach Zugang der vollständigen Krankenhausrechnung bei der Krankenkasse auch abgeschlossen sein – für eine Überschreitung dieser Regelfrist sieht das Gesetz jedoch keine Sanktion vor

Urteil des BSG vom 18.07.2013, B 3 KR 21/12 R

- Einzelfallprüfung, Prüfungsfrist, Beschleunigungsgrundsatz, Abschluss des Prüfverfahrens durch den MDK/SMD -

Sachverhalt

Das Krankenhaus stellte der Krankenkasse wegen einer stationären Krankenhausbehandlung am 02.10.2009 Rechnung. Nach Bezahlung der Rechnung beauftragte die Krankenkasse den Sozialmedizinischen Dienst (SMD) mit der Durchführung der Abrechnungsprüfung und zeigte dies dem Krankenhaus an. Die Stellungnahme des SMD erfolgte erst am 22.04.2010. Die Vorinstanzen verurteilten die Krankenkasse zur Zahlung, da ein Verstoß gegen das Gebot zur zeitnahen Durchführung der Überprüfung vorliege.

Entscheidungsgründe

Der 3. Senat stellt fest, dass das Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V nicht nur innerhalb von 6 Wochen eingeleitet werden, sondern in der Regel 6 Monate nach Zugang der vollständigen Krankenhausrechnung auch abgeschlossen sein muss. Spätestens dann muss das Gutachten des MDK vorliegen. Allerdings sieht er im Anschluss an die Rechtsprechung des 1. Senats (Urteil vom 13.11.2012, B 1 KR 24/11 R) keine gesetzgeberische Sanktion bei einem Verstoß gegen die vorgenannte Regelfrist von 6 Monaten. Im vorliegenden Fall hatte daher der Verstoß der Krankenkasse gegen die Vorgaben des Prüfverfahrens keine negativen Rechtsfolgen. Der 3. Senat wies daher den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurück.

 

Anmerkungen

Das Urteil des BSG lässt ansatzweise Vorbehalte gegen das vorher ergangene Urteil des 1. Senats des BSG (Urteil vom 13.11.2012 – B 1 KR 24/11 R) erkennen. Er hält diese Rechtsprechung lediglich für vertretbar und vermeidet somit eine Anrufung des Großen Senats des BSG. Im Ergebnis läuft daher die Argumentation des BSG ins Leere, wonach in der Regel das Prüfungsverfahren innerhalb von 6 Monaten nach Zugang der vollständigen Krankenhausrechnung bei der Krankenkasse abgeschlossen sein muss. Es hätte nahegelegen, für diese Fragestellung auf den vom BSG entwickelten Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme abzustellen und Einwände der Krankenkassen wegen Verstoß gegen den Beschleunigungsgrundsatz auszuschließen. Demgegenüber ruft das BSG nunmehr nach dem Gesetzgeber und regt eine Klarstellung an, da er das Ergebnis für unbillig hält. Wörtlich führt der 3. Senat im Terminsbericht aus: „Allerdings ist das dadurch bedingte Ergebnis – die Krankenhäuser müssen bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist mit medizinischen Überprüfungen und Erstattungsanforderungen rechnen und entsprechend hohe Rücklagen bilden – weder mit dem im Leistungserbringungsrecht allgemein geltenden Beschleunigungsgrundsatz noch mit den Motiven des Gesetzgebers zur Einführung des § 275 Abs. 1c SGB V vereinbar. Dort wird ausdrücklich hervorgehoben, dass der Begriff ‚Zeitnähe’ für sämtliche Schritte der Einleitung des Prüfverfahrens durch die Krankenkassen und die Durchführung der Prüfung durch den MDK (SMD) geltend soll (BT-Drucks 16/3100 S 171).“

Der Terminsbericht ist hier wiedergegeben. Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werden wir Sie weiter informieren.

  letzte Änderung: 07.09.2018 14:19:49
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Newsletter Mitteilungspflichten
 

Ein Krankenhaus ist verpflichtet, bei Leistungen nach dem AOP-Vertrag den Grund der stationären Aufnahme gegenüber den Krankenkassen anzugeben

Urteil des BSG vom 21.03.2013, Az.: B 3 KR 28/12 R

- Mitteilungspflichten, Angabe zum Grund der Aufnahme, Nachholen fehlender Angaben, AOP-Vertrag -

Sachverhalt

Im Krankenhaus wurde eine Herzkatheter Untersuchung vollstationär durchgeführt. Dabei handelt es sich um eine Leistung nach Kategorie 2 des AOP-Vertrages, die sowohl ambulant als auch stationär durchgeführt werden kann. Die beklagte Krankenkasse beauftragte den MDK, der zum Ergebnis kam, dass eine stationäre Behandlung von einem Tag nachvollziehbar sei. Die Krankenkasse zahlte jedoch nicht. Sowohl das SG als auch das LSG haben die Klage abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Zunächst stellt der 3. Senat des BSG fest, dass die Krankenkasse und der MDK bei einer einzelfallbezogenen Abrechnungsprüfung nach Ablauf der Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V auf die Daten beschränkt sind, die das Krankenhaus der Krankenkasse im Rahmen seiner Informationsobliegenheiten bei der Krankenhausaufnahme und zur Abrechnung jeweils zur Verfügung gestellt hat (siehe Urteil des BSG vom 16.05.2012, B 3 KR 14/11 R). Im Zusammenhang damit stehen wechselseitige Auskunfts-, Prüf- und Mitwirkungspflichten zwischen Krankenhäusern, Krankenkassen und MDK, die nach ständiger Rechtsprechung des BSG auf 3 Ebenen besteht (sog. 3-stufiges Prüfungsverfahren – siehe Urteil des BSG vom 16.05.2012, a.a.O.). Auf der ersten Stufe sind die Angaben nach § 301 Abs. 1 SGB V zu machen. Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist abschließend und enumerativ aufgelistet, welche Angaben der Krankenkasse bei einer Krankenhausbehandlung auf jeden Fall zu übermitteln sind. Dazu gehört auch der „Grund der Aufnahme“ (§ 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V). Auf der zweiten Stufe der Sachverhaltserhebung hat die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme beim MDK einzuholen (interne Fallberatung). Lässt sich unter Auswertung der Sozialdaten ein abschließendes Ergebnis nicht finden, so greift die 3. Stufe der Sachverhaltserhebung, wonach das Krankenhaus bei einer ordnungsgemäß eingeleiteten Prüfung (siehe § 275 Abs. 1 c Satz 2 SGB V – 6-Wochen-Frist) weitere Angaben zu erteilen und Unterlagen vorzulegen hat, die im Einzelfall zur Beantwortung der Prüfanfrage der Krankenkassen benötigt werden. Diese nachgelagerte Mitwirkungspflicht des Krankenhauses entfällt jedoch, wenn die Krankenkasse bzw. der MDK einen entsprechenden Prüfauftrag nicht innerhalb der 6-Wochen-Frist zeitgerecht erteilt und dem Krankenhaus hierüber Mitteilung gemacht hat (§ 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V). Das System setze jedoch voraus, dass von Seiten der Krankenhäuser die Krankenkassen ordnungsgemäß informiert werden nach Maßgabe der Mitwirkungsobliegenheiten, die aus § 301 SGB V sowie aus ergänzenden landesvertraglichen Regelungen folgen. Entsprechend dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ hat ein Krankenhaus deshalb im Rahmen des § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V (Grund der Aufnahme) ebenfalls notwendige Angaben darüber zu machen, warum eine im Regelfall ambulant durchführbare Versorgung im konkreten Einzelfall stationär vorgenommen worden ist. Die Pflicht des Krankenhauses zu ergänzenden Angaben betrifft keine gem. § 301 SGB V unzulässige medizinische Auskunft an die Krankenkasse, sondern ähnlich wie Einweisungs- und Aufnahmediagnose – lediglich den Grund für das Abweichen vom Standardvorgehen „ambulant vor stationär“. Ob dieser Grund tatsächlich vorliegt und die durchgeführte stationäre Versorgung wirklich trägt, ist dann eine medizinische Frage, die zu klären allein dem MDK obliegt. Eine Krankenhausabrechnung ist grundsätzlich nur dann schlüssig, wenn ihr im Sinne von § 301 Abs. 1 Nr. 3 SGB V ausreichende Angaben zum Grund der stationären Leistungserbringung beigegeben werden. Entgegen der Auffassung des LSG kann der Grund der stationären Aufnahme auch nachträglich angegeben werden. Holt das Krankenhaus die notwendige Begründung nach, wird die Rechnung nachträglich fällig. Ab diesem Zeitpunkt läuft die 6-Wochen-Frist nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V. Nach Ablauf der Frist ist weder das Krankenhaus verpflichtet, Unterlagen an den MDK herauszugeben, noch sind die Sozialgerichte berechtigt, von sich aus Beweise zu erheben. Da die Krankenkasse den MDK lediglich auf der zweiten Stufe der Sachverhaltserhebung beigezogen und keinen Prüfungsauftrag im Sinne der 3. Stufe der Sachverhaltsaufklärung erteilt hatte, können im vorliegenden Fall die Behandlungsunterlagen des Krankenhauses wegen der Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V nicht berücksichtigt werden. Insoweit sind zur Beurteilung der Abgrenzung ambulant/stationär nur die bisher vorgelegten Unterlagen zur Beurteilung heranzuziehen. Die nachträgliche Beiziehung der Krankenbehandlungsunterlagen als Beweismittel scheidet dagegen aus.

Anmerkungen

Das BSG erstreckt die Angabe eines Grundes nach § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V nicht nur auf Leistungen, die in der Regel dem vertragsärztlichen Bereich zuzuordnen sind, sondern nunmehr auch auf die Leistungen nach dem AOP-Vertrag. Aus dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ folge, dass die stationäre Versorgung auch bei den Katalogleistungen nach § 115b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V Nachrang hat, unabhängig davon ob es sich um Leistungen nach Kategorie 1 oder 2 handelt. Das Krankenhaus hat nach dem BSG-Urteil die Krankenkasse über den Grund der Aufnahme bei Behandlungsfällen nach § 115b SGB V zu informieren. Das BSG schließt allerdings nicht aus, dass die entsprechende Angabe von Nebendiagnosen ausreichend ist, um ein Abweichen vom ambulanten Regelfall für die Krankenkasse „früh plausibel“ zu machen (BSG, Urteil vom 21.03.2013, Rdz. 17). Des Weiteren führt das BSG aus, dass in vielen Fällen die Krankenkassen die notwendigen Angaben schon zweifelsfrei dem vom Krankenhaus übermittelten Datensatz entnehmen können. Daraus ist zu schließen, dass die zusätzlichen Angaben über den Grund der Aufnahme nur dann erforderlich sind, wenn sich dies nicht bereits aus dem Datenkranz des § 301 SGB V erschließt. Zur Form der Angaben geht das BSG davon aus, dass – solange ein entsprechender Datensatz dies noch nicht vorsieht – die Angaben per separatem Schreiben, Fax oder per E-Mail gemacht werden können. Besondere Bedeutung kommt der Entscheidung zur Frage der Nachholung der Begründung zu. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann der Grund der Aufnahme auch nachträglich mitgeteilt werden. Die zunächst nicht fällige Forderung wird zum Zeitpunkt der Mitteilung dann fällig und es läuft ab diesem Zeitpunkt die 6-Wochen-Frist nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V. Lässt die Krankenkasse die 6-Wochen-Frist verstreichen, unterliegt der Fall Beweisbeschränkungen. Der Fall kann dann nur noch auf der Basis der bereits vorliegenden Unterlagen bewertet und entschieden werden.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 07.09.2018 14:20:16
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Newsletter Multimodale Schmerztherapie
 

Der OPS-Kode 8-918 (Multimodale Schmerztherapie) in der Version 2008 verlangt keine Zusatzbezeichnung für die „Spezielle Schmerztherapie“. Es reicht aus, wenn eine entsprechende Zusatzqualifikation „Spezielle Schmerztherapie“ beim Verantwortlichen besteht

Urteil des BSG vom 18.07.2013, Az.: B 3 KR 7/12 R

- Multimodale Schmerztherapie, Zusatzqualifikation „Spezielle Schmerztherapie“, Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ -

Das Bundessozialgericht musste sich mit der bis zum Jahre 2008 streitigen Grundsatzfrage befassen, ob der OPS-Kode 8-918 (Multimodale Schmerztherapie, Version 2008) eine nach der ärztlichen Weiterbildungsordnung vorgesehene Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ verlangt oder ob eine sonstige Zusatzqualifikation „Spezielle Schmerztherapie“ ausreicht. Das Bundessozialgericht gab insoweit dem Krankenhaus Recht, dass eine sonstige Zusatzqualifikation „Spezielle Schmerztherapie“ ausreicht.

Sachverhalt

Im vorliegenden Fall rechnete das Krankenhaus die DRG I42Z (Multimodale Schmerztherapie bei Krankheiten und Störungen an Muskel-Skelett-System und Bindegewebe) ab, dem der OPS-Kode 8-918 zu Grunde lag. Die Krankenkasse leistete nur Teilzahlung mit dem Hinweis, die externe Schmerztherapeutin sei nicht Verantwortliche im Sinne des OPS-Kodes, da sie nur einmal wöchentlich im Krankenhaus tätig gewesen sei. Der Chefarzt als Verantwortlicher verfüge jedoch nicht über die erforderliche Zusatzqualifikation „Spezielle Schmerztherapie“ im Sinne der ärztlichen Weiterbildungsordnung. Er habe nur eine sonstige Zusatzqualifikation „Spezielle Schmerztherapie“ erworben. Die Klägerin wies darauf hin, dass erst ab dem Jahre 2009 eine Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ im OPS-Kode 8-918 verankert worden sei.

Entscheidungsgründe

Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BSG ist die Auslegung eines OPS-Kodes strikt nach seinem Wortlaut vorzunehmen. Der OPS-Kode 8-918 für das Jahr 2008 sah (lediglich) die Zusatzqualifikation „Spezielle Schmerztherapie“ bei dem Verantwortlichen vor. Aus dem OPS-Kode (Version 2008) ist nicht zu entnehmen, dass eine Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ erforderlich ist. Eine sonstige Zusatzqualifikation „Spezielle Schmerztherapie“, die vorliegend der Chefarzt der Abteilung „Konservative Orthopädie“ erworben habe, reiche aus.

Anmerkungen

Mit dieser Entscheidung des BSG ist ein Grundsatzstreit zwischen den Krankenhäusern und den Krankenkassen beendet worden. Allerdings ist ab dem Jahr 2009 der OPS-Kode 8-918 geändert worden. Nunmehr wird eine Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ verlangt. Dies ist eine formale Voraussetzung nach der ärztlichen Weiterbildungsordnung der jeweiligen Landesärztekammer. Bisher liegt nur der Terminsbericht vor. Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werde ich weiter berichten.

Der Terminsbericht ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 07.09.2018 14:24:54
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Newsletter Ausbildungsbudget
 

Die Mehrkosten in Folge der Praxisanleitung sind im Rahmen des Ausbildungsbudgets nach § 17a Abs. 3 Satz 1 KHG jeweils für jedes Jahr neu zu berechnen und zu finanzieren

Urteil des VG Neustadt an der Weinstraße vom 27.06.2013, Az.: 4 K 978/12.NW (nicht rechtskräftig)

- Ausbildungsbudget, Praxisanleitung, Mehrkosten, Anrechnungsschlüssel -

Das VG Neustadt musste sich mit der Rechtsfrage auseinandersetzen, ob die Mehrkosten für die Praxisanleitung im Ausbildungsbudget für das Jahr 2010 zu finanzieren sind. Es kam zu der Auffassung, dass § 17a Abs. 1 Satz 1 KHG auch die Mehrkosten für die Praxisanleitung umfasst.

Sachverhalt

Die Vertragsparteien nach § 18 Abs. 2 KHG stritten über die Finanzierung der Mehrkosten der Praxisanleitung im Rahmen des Ausbildungsbudgets für das Jahr 2010. Das beteiligte Krankenhaus vertrat die Auffassung, dass ab dem Jahr 2009 in jedem Falle davon auszugehen sei, dass nach § 17a Abs. 1 Satz 1 KHG (i.d.F. des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes – KHRG) die Mehrkosten der Praxisanleitung in Folge des Krankenpflegegesetzes vom 16.07.2003 zu finanzieren sind. Mit dieser Regelung bestehe ein ausdrücklicher Finanzierungstatbestand für die Praxisanleitung. Demgegenüber beriefen sich die klagenden Krankenkassen darauf, dass die Praxisanleitungskosten durch den Anrechnungsschlüssel nach § 17a Abs. 1 Satz 3 KHG pauschal finanziert seien. Sie beriefen sich insoweit auf das Urteil des BVerwG vom 20.11.2008 – 3 C 39.07. Nachdem die Schiedsstelle und die Genehmigungsbehörde die Mehrkosten für die Praxisanleitung zuerkannt hatten, beschritten die Krankenkassen den Klageweg.

Entscheidungsgründe

Das VG Neustadt teilte die Rechtsauffassung der Genehmigungsbehörde und des Krankenhauses. Bereits aus dem Wortlaut des § 17a Abs. 1 Satz 1 KHG in der Fassung des KHRG ergebe sich, dass die Mehrkosten in Folge der Praxisanleitung als 3. Finanzierungstatbestand zu finanzieren sind. Der Gesetzgeber habe mit dieser Formulierung der Anwendung des Urteils des BVerwG vom 20.11.2008, a.a.O., den Boden entzogen. Ebenso wie die Kosten der Ausbildungsstätte sind die Mehrkosten der Praxisanleitung als neugeregelter Finanzierungstatbestand im Wege einer Ist-Kosten-Berechnung nach § 17a Abs. 3 Satz 1 KHG jeweils für jedes Jahr neu zu berechnen und zu finanzieren. Für die vom BVerwG noch angenommene pauschalierte Finanzierung unter Anwendung des Anrechnungsschlüssels nach § 17a Abs. 1 Satz 3 KHG bestehe insoweit kein Raum mehr. Dies ergebe sich auch aus den Gesetzesmaterialen zum KHRG. Diese Finanzierung folge auch aus der auf Bundesebene verbindlich getroffenen Rahmenvereinbarung vom 25.02.2009, die für die Vertragsparteien nach § 18 Abs. 2 KHG verbindlich ist.

Anmerkungen

Es ist verwunderlich, dass die klagenden Krankenkassen trotz der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 17a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 KHG im vorliegenden Fall immer noch auf die Anwendung des Urteils des BVerwG vom 20.11.2008 beharren, dem die Rechts- und Sachlage für das Jahr 2005 zu Grunde lag. Im Jahr 2005 gab es in Rheinland-Pfalz noch keine verbindlichen Regelungen zum Umfang der Praxisanleitung. Diese wurden jedoch ab dem Jahre 2006 geschaffen (mindestens 250 Stunden/Schüler) und sind insoweit auch im Sinne der Rechtsprechung des BVerwG neuartige Lasten. Der Ansatz der Krankenkassen, die Mehrkosten der Praxisanleitung seien vom Anrechnungsschlüssel nach § 17a Abs. 1 Satz 3 KHG (9,5 zu 1) umfasst, ging daher ins Leere. Zu Recht verwies das VG Neustadt auch auf die verbindliche Rahmenvereinbarung auf Bundesebene, die im Rahmen des verbindlichen Kalkulationsschemas auch die praktische Anleitung durch Praxisanleiter/-innen als eigenständig zu finanzierende Kosten vorsieht. Den notwendigen Vollkräftebedarf mit Personalkosten in Höhe von 48.411,00 € wurde vom VG als unbedenklich angesehen. Die bisherige Schiedsstellenpraxis in Rheinland-Pfalz nimmt unter Bezug auf den Wortlaut in § 17a Abs. 1 Satz 1 KHG einen pauschalen Abzug von 15 % vor. Dieser Abzug war jedoch nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. In diesem Zusammenhang hat jedoch das VG Neustadt Bedenken angemeldet. Nach Ansicht der Kammer erscheint es eher zweifelhaft, ob die Kosten der Praxisanleitung in dem Anrechnungsschlüssel von 1985, der im Übrigen erst mit einer Änderung des § 15 Abs. 2 BPflV im Jahre 1989 in Höhe von 7 zu 1 geregelt wurde, überhaupt erfasst waren. Gesetzliche Vorgaben für den Abzug von 15 % gebe es somit nicht. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 07.09.2018 14:25:27
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Newsletter Abrechnungsprüfung
 

Eine Abrechnungsprüfung gem. § 275 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. SGB V ist nur bei festgestellten Auffälligkeiten zulässig

Urteil des BSG vom 16.05.2013, Az.: B 3 KR 32/12 R

- Abrechnungsprüfung, Auffälligkeiten, MDK-Prüfung, 3-stufiges Prüfverfahren -

Ich darf Sie über eine interessante und weitreichende Entscheidung des BSG informieren, die sich mit den Voraussetzungen einer Abrechnungsprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. SGB V befasst.

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus führte bei einem Versicherten wegen einer Darmerkrankung eine Operation durch. Der Patient war am Vortag der Operation im Krankenhaus aufgenommen worden. Die beklagte Krankenkasse vertrat die Auffassung, dass der Patient bereits am Aufnahmetag hätte operiert werden können und kürzte die Rechnung um 1.337,84 €. Die Klägerin vertrat u.a. die Auffassung, dass die Krankenkasse das in § 275 Abs. 1 SGB V vorgesehene Prüfungsverfahren nicht eingehalten habe; eine Beauftragung des MDK zur Prüfung der Rechnung sei nicht erfolgt. Da die Beklagte keine vollständige Zahlung leistete, erhob das Krankenhaus Zahlungsklage vor dem Sozialgericht.

Entscheidungsgründe

Das BSG stellte fest, dass die Krankenkasse das Prüfungsverfahren in doppelter Hinsicht verletzt habe: (1) Eine Rechnungsprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. SGB V sei nur zulässig, wenn sich Auffälligkeiten ergeben, die die Krankenkasse von sich aus oder ohne weitere Sachverhaltsermittlung und –bewertung durch den MDK nicht klären kann. Entsprechende Auffälligkeiten habe die Krankenkasse weder benannt noch belegt. Es gäbe vielmehr Anzeichen, dass es sich bei der Krankenkasse um eine routinemäßige Abfrage gehandelt habe mit dem Ziel, eine Kostenreduzierung zu erreichen (Unterschreitung der unteren Grenzverweildauer). (2) Entgegen der Auffassung des LSG sei es nicht zulässig, das Krankenhaus wiederholt zur Angabe medizinischer Gründe bzw. zur Vorlage medizinischer Unterlagen an den MDK aufzufordern. Die Krankenkasse ist vielmehr verpflichtet, bei medizinischen Fragestellungen den MDK einzuschalten (von bestimmten Ausnahmen abgesehen). Die Krankenkasse dürfe ihre gesetzlichen Obliegenheiten nicht auf die Krankenhäuser verlagern. Die Krankenkasse habe sich an das vom BSG in ständiger Rechtsprechung entwickelte dreistufige Prüfverfahren zu halten. Im Ergebnis wies das BSG die Revision des Krankenhauses jedoch zurück, da es den Feststellungen des LSG, dass eine stationäre Behandlung am Aufnahmetag nicht erforderlich gewesen sei, nicht widersprochen habe.

Anmerkungen

Das BSG begrenzt die Einschaltung des MDK zur Abrechnungsprüfung auf „Auffälligkeiten“. Damit orientiert sich das BSG streng am Wortlaut des § 275 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. SGB V. Es knüpft damit an das Urteil des BSG vom 13.11.2012, Az.: B 1 KR 24/11 R, Rdz. 18 an. Danach muss die gestellte Rechnung Fragen nach der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Krankenhausrechnung und/oder nach der Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots aufwerfen, die die Krankenkasse ohne Einschaltung des MDK von sich aus nicht beantworten kann. Im vorliegenden Fall hatte die Krankenkasse lediglich Verdachtsmomente geäußert, ohne Auffälligkeiten zu benennen bzw. zu belegen. Eine Rechnungsprüfung hätte daher nicht erfolgen dürfen. Dabei betont das BSG, dass eine beabsichtige Kostenreduzierung allein kein Grund für eine Rechnungsprüfung darstellt. Im Übrigen spricht sich das BSG gegen eine Verlagerung der den Krankenkassen obliegenden Verpflichtungen auf das Krankenhaus aus. Damit bietet es Versuchen der Krankenkassen Einhalt, über die gesetzlich vorgesehenen Daten nach § 301 SGB V hinaus zusätzliche Begründungen und Auskünfte vom Krankenhaus zu verlangen. Allerdings gibt es hierzu auf Grund der Rechtsprechung des BSG Ausnahmen im Bereich von Leistungen, die dem Vertragsarztbereich zugeordnet sind bzw. bei Leistungen nach dem AOP-Vertrag (siehe zuletzt Urteil des BSG vom 21.03.2013, Az.: B 3 KR 28/12 R – wir berichteten hierüber). Den Krankenhäusern ist daher zu empfehlen, wenn die Krankenkasse den Zeitraum der unteren Grenzverweildauer in Frage zieht, sich von der Krankenkasse erläutern zu lassen, worin die Auffälligkeit i.S.d § 275 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. SGB V liegt. Diese Angabe ist für das weitere Prozedere von entscheidender Bedeutung. Zur Zeit liegt lediglich der Terminsbericht des BSG vor. Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werde ich Sie weiter informieren.

Der Terminsbericht ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 07.09.2018 14:26:41
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Newsletter Landesvertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V Ba-Wü
 

Die Regelung des 6-monatigen Einwendungsausschlusses gem. § 19 Abs. 2 Satz 2 Landesvertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Ba-Wü ist rechtswidrig

Urteil des BSG vom 13.11.2012, Az.: B 1 KR 27/11 R

- Landesvertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V Ba-Wü, Einwendungsausschluss, MDK-Prüfung, Wirtschaftlichkeitsgebot, Beschleunigungsgebot -

Sachverhalt

§ 19 Abs. 2 Landesvertrag Ba-Wü (Beschluss der Schiedsstelle vom 21.09.2005) beinhaltete einen 6-monatigen Einwendungsausschluss und die Durchführung des MDK-Überprüfungsverfahrens innerhalb der Zahlungsfrist von 30 Tagen. Diese von der Schiedsstelle festgesetzten Bestimmungen wurden von Krankenkassenseite angegriffen. Das BSG teilte die Rechtsauffassung der klagenden Krankenkasse.

Entscheidungsgründe

Die in § 19 Abs. 2 Satz 2 LV getroffene Regelung, wonach Einwendungen gegen die Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung sowie gegen die Art der Abrechnung nur innerhalb von 6 Monaten nach Rechnungszugang geltend gemacht werden können, verstoße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot (BSG, a.a.O., Rdz. 36). Im Übrigen bestehe für die Vertragsparteien und die Schiedsstelle kein Raum für über § 275 SBB V hinausgehende materiell-rechtliche wirkende Ausschlussfristen. Insoweit handele es sich hierbei in § 275 Abs. 1c SGB V um eine bereichspezifische Ausgestaltung des Prüfverfahrens bei Krankenhausbehandlung, die der Verfahrensbeschleunigung diene. In § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V bestehe eine Ausschlussfrist von 6 Wochen, innerhalb derer die Krankenkassen die Prüfung einzuleiten und der MDK dem Krankenhaus anzuzeigen hat (BSG, a.a.O., Rdz. 39). Daraus ergebe sich gleichzeitig, dass die Regelung in § 19 Abs. 2 Satz 3 LV über das MDK-Prüferfordernis dem Wirtschaftlichkeitsgebot widerspreche. Prüfverfahren zur Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes auf der ersten und zweiten Prüfungsstufe dürfen in Verträgen nach § 112 SGB V nicht ausgeschlossen werden. Darüber hinaus stehe die Regelung (30 Tage-Frist für die Einleitung von MDK-Überprüfungen) nicht in Einklang mit § 275 Abs.1c Satz 2 SGB V. § (BSG, a.a.O., Rdz. 43).

Anmerkungen

Die Entscheidung des BSG geht über die Gültigkeit der Regelung in § 19 LV weit hinaus. Zur Ausschlussfrist nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V führt das BSG aus, dass der Lauf der Frist die vollständige Übermittlung der Daten durch das Krankenhaus voraussetzt. Rechtsfolge des ungenutzten Ablaufes der 6-Wochen-Frist sei (lediglich), dass die Krankenkassen und der MDK auf die Daten beschränkt sind, die das Krankenhaus der Krankenkasse im Rahmen seiner Informationsobliegenheiten zur Verfügung gestellt hat. Die Krankenkassen seien auch nach Ablauf der Frist nicht gehindert, anhand der Ihnen vorliegenden Daten eine sachliche und rechnerische Überprüfung vorzunehmen. § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V bedeute daher vom rechtlichen Ansatz her kein Einwendungsausschluss. Letztlich bleibt daher für das Krankenhaus nur noch die Möglichkeit, sich auf die vierjährige Verjährungsfrist bzw. auf die Verwirkung zu berufen, wenn die Krankenkassen Erstattungsansprüche geltend machen.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 07.09.2018 14:27:20
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Newsletter Aufwandspauschale
 

Die Aufwandspauschale ist auch für eine zweite Prüfung der gleichen Rechnung anzusetzen, wenn keine Minderung des Rechnungsbetrages erfolgt

Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 18.04.2013, Az.: L 5 KR 200/12 (nicht rechtskräftig)

- Aufwandspauschale, Zweite Prüfung durch den MDK, keine Minderung des Abrechnungsbetrages, Prüfauftrag -

Das LSG Rheinland-Pfalz hat sich mit der Fragestellung befasst, ob eine zweite Prüfung der gleichen Krankenhausrechnung durch den MDK im Auftrag einer Krankenkasse eine zusätzliche Aufwandspauschale gem. § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V auslöst. Es hat diese Frage bejaht.

Sachverhalt

Nach Rechnungsstellung hat die Krankenkasse den MDK innerhalb der vorgesehenen 6-Wochen-Frist mit der Prüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung beauftragt. Der MDK machte hiergegen keine Einwände geltend. Die Beklagte bezahlte daraufhin die in Rechnung gestellte Aufwandspauschale. Im Anschluss darauf beauftragte die Krankenkasse den MDK mit der Prüfung, ob während des stationären Aufenthaltes tatsächlich eine Dialyse durchgeführt worden sei. Der MDK zeigte auch diese Prüfung dem Krankenhaus nach § 275 Abs. 1c SGB V an. In seinem Gutachten bejahte er, dass eine Hämodialyse durchgeführt worden sei. Daraufhin stellte das Krankenhaus eine zweite Aufwandspauschale in Rechnung. Das Sozialgericht wies die Klage ab. Auf die Berufung des Krankenhauses hin gab das LSG Rheinland-Pfalz der Klage statt.

Entscheidungsgründe

Zunächst stellt das LSG Rheinland-Pfalz dar, dass aus dem Wortlaut des § 275 Abs. 1c SGB V nicht zwingend herzuleiten sei, dass jeweils nur eine Aufwandspauschale abgerechnet werden könne. Das Wort „eine“ sei als unbestimmter Artikel und nicht als anzahlmäßige Begrenzung zu verstehen. Diese Formulierung schließe daher nicht aus, dass zur Klärung der ordnungsgemäßen Abrechnung mehrere Prüfungen erfolgen. Für jede dieser Prüfungen könne eine Aufwandspauschale anfallen. Der Zweck der Aufwandspauschale, den bürokratischen Aufwand und dessen Folgen auf Krankenhausseite möglichst gering zu halten, rechtfertige bei der vorliegenden Fallgestaltung auch den zweifachen Ansatz der Aufwandspauschale. Dies folge auch aus den zwei gesondert gestellten Prüfaufträgen der Krankenkasse. Hinzu käme, dass dem Krankenhaus bereits das erste Gutachten bekannt gegeben worden sei und die Beklagte auch die Aufwandspauschale für die erste Prüfung entrichtet habe. Bei diesem zeitlichen Ablauf konnte das Krankenhaus davon ausgehen, dass die durchgeführte Prüfung abgeschlossen sei und die Prüfunterlagen weggelegt werden konnten. Auch inhaltlich handele es sich um Prüfaufträge mit verschiedener Zielrichtung.

Anmerkungen

Die konkrete Rechtsfrage ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. Insoweit kommt der Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz eine besondere Bedeutung zu. In dem Urteil wurde herausgestellt, dass bei bestimmten Fallkonstellationen auch mehrere Aufwandspauschalen in Rechnung gestellt werden können. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die erste Prüfung ohne Minderung des Rechnungsbetrages bereits abgeschlossen ist und die zweite Prüfung eine andere Zielrichtung hat. Nicht Gegenstand der Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz war die Fragestellung, ob die zweite Prüfung auch innerhalb der vorgegebenen 6-Wochen-Frist eingeleitet werden muss. Nach meiner Auffassung können erweiterte bzw. ergänzende Prüfaufträge an den MDK abgelehnt werden, wenn die 6-Wochen-Frist bereits überschritten ist. Das BSG hat für die MDK-Prüfung entschieden, dass § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V eine Ausschlussfrist und ein Verwertungsgebot beinhaltet (BSG-Urteil vom 16.05.2012, Az.: B 3 KR 14/11 R). Dies muss dann auch für eine Zweitprüfung gelten. Das LSG Rheinland-Pfalz hat die Revision zugelassen.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

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Newsletter Versorgungsauftrag
 

Krankenhäuser können auch außerhalb ihres Versorgungsauftrages Notfallbehandlungen auf der Basis der Entgeltkataloge abrechnen.

Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 15.03.2013 – Az.: S 23 KR 95/13 WA

- Versorgungsauftrag, kardiologische Leistungen, Linksherzkathetermessplatz, Notfallbehandlung –

 

Sachverhalt

Das Verwaltungsgericht für das Saarland hatte zunächst entschieden, dass das Krankenhaus für die mit Hilfe des Linksherzkathetermessplatzes erbrachten kardiologischen Leistungen keinen Versorgungsauftrag hat. Im vorliegenden Abrechnungsstreit machte die Klägerin jedoch geltend, ihr stehe für die Krankenhausbehandlung die DRG-Fallpauschale F52A zu, da sie in vorliegendem Fall eine Notfallbehandlung durchgeführt habe. Die beklagte Krankenkasse lehnte die Bezahlung auch für die Notfallbehandlung ab. Das Krankenhaus sei nach dem Feststellungsbescheid auch auf die Basisnotfallversorgung in der Inneren Medizin beschränkt. Das Krankenhaus erhob daher Klage.

Entscheidungsgründe

Das Sozialgericht verwies zunächst darauf, dass nach dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts für das Saarland ein Versorgungsauftrag für kardiologische Leistungen, die mit Hilfe eines Linksherzkathetermessplatzes erbracht wurden, nicht bestehe. Es bejahte jedoch im vorliegenden Fall eine Notfallbehandlung. Liege eine Notfallbehandlung vor, würden die Leistungen nach denselben Grundsätzen abgerechnet, wie für Krankenhäuser, die hierfür einen Versorgungsauftrag hätten. Dabei nimmt das Sozialgericht Bezug auf die grundlegende Entscheidung des BSG vom 09.10.2001 – Az.: B 1 KR 6/01 R. Ein Notfall liege vor, wenn aus medizinischen Gründen eine umgehende Behandlung des Patienten so dringlich ist, dass ein zugelassener Leistungserbringer nicht in der geboten Eile herbeigerufen oder aufgesucht werden könne. Eine dringende Behandlungsdürftigkeit sei anzunehmen, wenn ohne sofortige Behandlung Gefahr für Leib und Leben bestehen oder Schmerzen unzumutbar lange andauern würden. Demgegenüber läge keine Notfallbehandlung vor, wenn der Gesundheitszustand des Versicherten es zulasse, dass er einen zugelassenen Leistungserbringer aufsuchen kann und eine Behandlungsdürftigkeit wegen eines Notfalls ende, wenn der Versicherte zu einem zugelassenen Leistungserbringer verlegt werden könne (siehe: BSG, Urteil vom 18.07.2006 – Az.: B 1 KR 9/05 R; BSG, Urteil vom 28.07.2008 – AZ.: B 1 KR 5/08 R). Dabei komme es für die Beurteilung einer Notfallbehandlung auf objektive Kriterien der konkreten Behandlung und nicht auf hypothetische Erwägungen an. Im vorliegenden Fall bejahte das Sozialgericht einen Notfall, da der Patient mit einem kardiologischen Schock mit Reanimationspflicht bei STEMI der Vorderwand und Typ A Dissektion notfallmäßig eingeliefert worden sei. Er sei instabil gewesen und es habe eine Linksherzkatheteruntersuchung unter Reanimation stattgefunden. Letztlich sei auch der Tod des Patienten ein Indiz für eine unmittelbare Notfallbehandlung. Somit war auch eine Verlegung in eine andere Klinik nicht mehr möglich. Das Sozialgericht hat daher der Klage vollinhaltlich stattgegeben.

Anmerkung

Das Sozialgericht geht der weiteren Frage des Versorgungsauftrages nicht mehr im Detail nach, obwohl dies erforderlich gewesen wäre. Das Sozialgericht ist nicht an die Entscheidung des Verwaltungsgerichts gebunden, da dieses ausschließlich unter Budgetgesichtspunkten entscheidet. Im vorliegenden Fall geht es jedoch um einen Abrechnungsstreit im Gleichordnungsverhältnis. Das Sozialgericht hat insoweit die Entscheidung des Verwaltungsgerichts unbesehen übernommen. Es bejaht jedoch unter Anwendung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im vorliegenden Fall einen Notfall. Entgegen der Auffassung der Krankenkassen ist die Notfallbehandlung nach objektiven Gegebenheiten zu beurteilen; eine Beschränkung der Notfallleistungen sei nicht gegeben. Dabei ist das Sozialgericht von der Definition der Notfallbehandlung durch das BSG ausgegangen. Danach liegt eine dringende Behandlungsdürftigkeit (Notfall) vor, wenn ohne sofortige Behandlung Gefahr für Leib und Leben bestehe oder Schmerzen unzumutbar lange andauern würden. Die Entscheidung des Sozialgerichts reiht sich in vorhergehende Entscheidungen ein, bei denen jeweils auch ein Notfall bejaht wurde und die Abrechnung der DRG-Fallpauschalen für zulässig angesehen wurde (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 01.10.2012 – Az.: S 23 KR 504/12 WA; Gerichtsbescheid des Sozialgericht für das Saarland vom 15.03.2003 – Az.: S 23 KR 114/13 WA).

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Newsletter Prüfrechtliches Beschleunigungsgebot
 

§ 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V (6-wöchige Frist zur Einleitung des Prüfverfahrens) setzt voraus, dass das Krankenhaus selbst seine primären Informationspflichten ordnungsgemäß erfüllt

Urteil des BSG vom 13.11.2012, B 1 KR 14/12 R

- Prüfrechtliches Beschleunigungsgebot, Informationspflichten, Sachverhaltsermittlung, Beweisverwertungsverbot -

In einem interessanten Fall musste sich das BSG u.a. mit der Frage befassen, ob das Beweisverwertungsverbot im Sinne des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V gilt, wenn das Krankenhaus bestimmten Informationspflichten nicht nachkommt. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Sachverhalt

Eine Universitätsklinik führte eine simultane Nieren- und Bauchspeicheldrüsen-Transplantation durch. Der Patient war sofort dialysefrei, bedurfte alsbald jedoch einer Insulintherapie und erhielt wegen des Verdachts einer Abstoßung des Bauchspeicheldrüsentransplantats auch eine Cortison-Stoß-Therapie. Danach war der sonographische Befund regelrecht. Auch das organgerechte arbeitende Nierentransplantat zeigte keine Abstoßungsreaktion. Das klagende Krankenhaus berechnete hierfür die DRG A02A (Transplantation von Nieren und Pankreas mit Transplantatabstoßung). Die beklagte Krankenkasse setzte sich mit dem Patienten in Verbindung, der telefonisch mitteilte, es habe keine Transplantatabstoßung gegeben. Daraufhin bezahlte die Beklagte nur die DRG A02B (Transplantation von Niere und Pankreas ohne Transplantatabstoßung). Die Krankenkasse hatte kein Prüfungsverfahren nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V eingeleitet und durchgeführt. Das Sozialgericht und das LSG wiesen die Klage ab. Die Revision des Krankenhauses hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

Das BSG stützt sein Urteil auf mehrere Gründe. Zunächst stellt es fest, dass der Anspruch des Krankenhauses sich nur nach der DRG A02B (Transplantation von Niere und Pankreas ohne Transplantatabstoßung) richte. Weder versagte das Pankreastransplantat des Versicherten noch wurde es abgestoßen. Versagen und Abstoßung gemäß ICD-Code T86.82 seien alternative Transplantationsergebnisse. Versagen bedeute nach seinem Wortlaut den Verlust der physiologischen Funktionen des transplantierten Organs als Dauerzustand. Ein vorübergehender Funktionsausfall sei hingegen nur eine Funktionsstörung. Der Verdacht einer Abstoßungsreaktion reiche nicht aus. Eine Verdachtsdiagnose gemäß der Kodierregel D008b der DKR 2007 liege nur vor, wenn am Ende eines stationären Aufenthaltes weder eine Diagnose sicher bestätigt noch sicher ausgeschlossen werden könne. Verdachtsdiagnosen seien nur unter dieser Voraussetzung kodierfähig. In der Folge befasst sich das BSG ausführlich mit dem prüfrechtlichen Beschleunigungsgebot. Im Zusammenhang mit dem prüfrechtlichen Beschleunigungsgebot gem. § 275 Abs. 1c SGB V führt das BSG aus, dass ein Verstoß hiergegen ein Beweisverwertungsverbot und ein Auskunftsverweigerungsrecht des Krankenhauses zur Folge habe. Im vorliegenden Fall stellt das BSG dem jedoch entgegen, dass das Krankenhaus seine primären Informationspflichten nicht erfüllt habe. Erst mit der Einführung der Epikrise in das Berufungsverfahren habe der Kläger seine Informationspflichten ausreichend erfüllt, danach war der Sachverhalt geklärt. Mit der Epikrise habe der Kläger bestätigt, dass das Pankreas-Transplantat bei Entlassung aus der stationären Behandlung organgerecht funktioniert habe und es keine Hinweise auf eine Abstoßung im dargelegten Rechtssinne gab. Eine ordnungsgemäße Information der Krankenkasse sei unverzichtbare Grundlage und Bestandteil einer ordnungsgemäßen Abrechnung. In Fällen, in denen die vom Krankenhaus vorgenommene Auslegung und Anwendung von Abrechnungsvorschriften offenkundig zweifelhaft oder offen umstritten sei, gebiete § 301 Abs. 1 SGB V dem Krankenhaus, der Krankenkasse die entsprechenden Sachverhalte nachvollziehbar mitzuteilen, die es zu seiner Auslegung der Abrechnungsvorschriften veranlasst haben. Nur so werde das Krankenhaus seinen Informationspflichten gerecht und schaffe damit die unerlässliche Basis dafür, dass die Krankenkasse der Abrechnung vertrauen könne. Schließlich führt das BSG aus, dass die Befragung des Patienten datenschutzrechtlich zulässig war. Der Krankenkasse sei es erlaubt, sich bei ihrem Versicherten nach seinem Gesundheitszustand zu erkundigen und von ihm Sozialdaten zu erheben (§ 67a Abs. 2 Satz 1 SGB X, § 276 Abs. 1 Satz 2 SGB V, § 67b Abs. 1 Satz 1 SGB X i.V.m. § 284 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 SGB V, § 284 Abs. 3 Satz 1 SGB V).

Anmerkung

Das BSG hat erstmalig erweiterte Informationspflichten des Krankenhauses angenommen. Bisher beschränkte sich das BSG auf die zusätzliche Angabe des Grundes der Aufnahme bei Leistungen, die ihren Ursprungsgrund im vertragsärztlichen Bereich oder im Bereich des ambulanten Operierens (Kategorie-2-Leistungen) haben (siehe hierzu zuletzt BSG-Urteil vom 21.03.2013, Az.: B 3 KR 28/12 R). Darüber geht das BSG weit hinaus, wenn es nunmehr auch für die Auslegung und Anwendung von Abrechnungsvorschriften zusätzliche erweiterte Informationspflichten des Krankenhauses etabliert, wenn Abrechnungsvorschriften offenkundig zweifelhaft oder gar umstritten sind. Diese zusätzlichen Informationspflichten leitet es wiederum aus dem Vertrauensverhältnis zwischen Krankenkassen und Krankenhaus her. Des Weiteren ist das Urteil bemerkenswert, da es eigene Nachforschungen der Krankenkasse beim Versicherten datenschutzrechtlich für unbedenklich hält. In solchen Fällen bedarf es nach Auffassung des BSG keiner Einleitung eines Prüfungsverfahrens, da die Auswertung der gewonnenen Informationen ohne Hilfe des MDK möglich ist.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 12.09.2018 10:11:42
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Newsletter Aufwandspauschale
 

Die Prüfung der künftigen Verweildauer eines Patienten im Krankenhaus löst nicht die Aufwandspauschale aus

Urteil des BSG vom 13.11.2012, Az.: B 1 KR 10/12 R

- Aufwandspauschale, Abrechnungsprüfung, Begutachtung der Krankenhausverweildauer -

Mit dem vorliegenden Rechtsstreit musste sich das BSG mit den Grundvoraussetzungen für die Abrechnung der Aufwandspauschale befassen. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Sachverhalt

Die klagende Krankenhausträgerin behandelte einen Patienten wegen psychiatrischer Erkrankungen vollstationär. In der Folge teilte die Klägerin der Krankenkasse die Verlängerungsanzeige für den weiteren Krankenhausaufenthalt mit. Daraufhin beauftragte die beklagte Krankenkasse den MDK mit der Prüfung, wie lange die weitere stationäre Behandlung erforderlich sei. Der MDK zeigte den Prüfauftrag der Klägerin an und forderte die Behandlungsunterlagen an. Nach Entlassung des Patienten prüfte der MDK die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung bis zum Entlassungszeitpunkt und bejahte dies. Das Krankenhaus stellte daraufhin der Krankenkasse die Aufwandspauschale von (damals) 100,00 € in Rechnung. Die Beklagte verweigerte die Zahlung der Aufwandspauschale. Das SG gab der Klage statt, das LSG wies die Klage ab. Das BSG bestätigte das Urteil des LSG.

Entscheidungsgründe

Das BSG stellte fest, dass es bereits an einem Prüfauftrag der Beklagten mit dem Ziel einer Verminderung des Rechnungsbetrages fehle. Gegenstand des Prüfauftrags sei die Prüfung der künftigen Verweildauer auf Grund des Antrages des Krankenhauses auf Verlängerung der Kostenübernahmeerklärung. Nicht jede Rückfrage der Krankenkasse und damit im Zusammenhang stehende Prüfung reiche zur Begründung der Aufwandspauschale aus. Vielmehr müsse es sich gerade um eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V handeln. Im Ergebnis kommt daher das BSG zu dem Schluss, es komme auf das Vorliegen einer Rechnung im vorliegenden Fall nicht mehr an.

 

Anmerkung

Das BSG befasst sich noch einmal umfassend mit den Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Zahlung einer Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V. Die Grundvoraussetzungen lauten wie folgt: (1) Abrechnung des Krankenhauses – Schlussrechnung oder Zwischenrechnung (2) Einleitung und Durchführung einer Prüfung gem. § 275 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1c Satz 1 SGB V mit dem Ziel einer Verminderung des Rechnungsbetrages (3) Zusätzlicher Verwaltungsaufwand beim Krankenhaus bei der erneuten Befassung mit dem Behandlungs- und Abrechnungsfall. Da es im vorliegenden Fall um die künftige Verweildauer des Patienten im Krankenhaus ging, lehnte das BSG die 2. Grundvoraussetzung ab. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass das BSG (1. Senat und 3. Senat) davon ausgeht, dass ein Prüfauftrag regelmäßig gezielt zur Abrechnungsminderung erteilt worden ist, wenn er sich zumindest teilweise auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum erstreckt, für den das Krankenhaus der Krankenkasse eine Rechnung übersandt hat (siehe hierzu auch BSG, Urteil vom 16.05.2012, B 3 KR 12/11 R). Nach wie vor vertritt das BSG – entgegen des pauschalierenden Charakters der Aufwandspauschale – die Auffassung, dass ein zusätzlicher Aufwand beim Krankenhaus mit der Befassung des Falles entstanden sein muss.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 12.09.2018 10:12:08
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Newsletter Zeitnaher Abschluss des Prüfungsverfahrens
 

§ 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V (Grundsatz der zeitnahen Prüfung) enthält keine eigenständige Sanktion.

Diese Vorschrift wird in § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V lediglich präzisiert mit der Folge, dass bei Fristversäumnis Auskunftsverweigerungsrechte und Beweisverwertungsverbote bestehen. Darüber hinaus ist das Prüfungsrecht der Krankenkassen nicht beschränkt.

Urteil des BSG vom 13.11.2012, Az.: B 1 KR 24/11 R

- Zeitnaher Abschluss des Prüfungsverfahrens, Beschleunigungsgebot, Verwirkung, Verjährung, Wirtschaftlichkeitsgebot -

Das BSG musste sich mit der Frage befassen, ob der Grundsatz der zeitnahen Prüfung, wie er in § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V angelegt ist, auch den zeitnahen Abschluss des Prüfungsverfahrens durch den MDK umfasst und in welchem Zeitrahmen das Prüfungsverfahren durch den MDK abzuschließen ist. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz (Bayerisches LSG) misst das BSG dieser Regelung keinen eigenständigen Charakter mit Sanktionsmöglichkeit zu. Die eigentlichen Sanktionen ergeben sich aus § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V, wonach bei Überschreitung der 6-Wochen-Frist ein Auskunftsverweigerungsrecht und Beweisverwertungsverbot besteht. Im Rahmen einer Stufenklage hatte eine Ersatzkasse Klage auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen an den MDK verlangt. Der MDK hatte die Prüfanzeige fristgerecht erstattet, sich jedoch weit über 7 Monate Zeit gelassen, die Prüfung durchzuführen. Das Krankenhaus hat vor diesem Hintergrund die Herausgabe der Krankenunterlagen verweigert. Das SG gab der Klage statt. Auf die Berufung des Krankenhauses hin wurde vom LSG die Klage abgewiesen. Das BSG schloss sich im Ergebnis der Auffassung des SG an und hob das Urteil des LSG auf. Der Herausgabeanspruch basiert auf § 276 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz SGB V. Danach kann die Krankenkasse für Prüfungszwecke die Herausgabe von Behandlungsunterlagen an den MDK beanspruchen. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Nur unter bestimmten Voraussetzungen könne das Krankenhaus die Herausgabe von Behandlungsunterlagen verweigern, nämlich die, die für die Abrechnungsprüfung nicht erforderlich sind. Dies gelte auch dann, wenn keine Auffälligkeiten vorliegen (§ 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Im vorliegenden Fall erkannte das BSG, dass Einwendungen gegen den Herausgabeanspruch nicht durchgreifen. Weder sei das kompensatorische noch das prüfrechtliche Beschleunigungsgebot verletzt. Der Auskunftsanspruch sei weder verwirkt noch bestünden sonstige Einwendungen. Auch wegen Ablaufs von vier Jahren seit Zugang der Rechnung sei ein Prüfverfahren nicht ausgeschlossen. Vertragliche Ausschlussfristen bestünden nicht. Zum kompensatorischen Beschleunigungsgebot führt das BSG aus, dass Abschlagszahlungen von den Krankenkassen unter Hinweis auf eine noch nicht abgeschlossene Prüfung nicht verweigert werden dürfen. Es wäre auch eine unzulässige Rechtsausübung, wenn die Krankenkassen unter Verstoß gegen ein vertraglich vereinbartes Prüfungsverfahren routinemäßig und pauschal die Begleichung von Krankenhausrechnungen verweigerten, weil angebliche Erfahrungswerte zur erforderlichen Verweildauer überschritten wären (Rdz. 27). Erklären die Krankenkassen bei ihrer Begleichung der Rechnung einen Vorbehalt, dürfen sie bei Vorliegen der Prüfergebnisse die zu Unrecht geleisteten Zahlungen zurückfordern. Dies habe keine Auswirkungen auf die ursprüngliche Beweislasterteilung zwischen Krankenhaus und Krankenkasse. Zum prüfrechtlichen Beschleunigungsgebot führt das BSG aus, dass § 275 Abs. 1c SGB V abschließend die sozialrechtlichen Sanktionen bei Verstößen regele. § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V enthalte keinen eigenen Sanktionscharakter. Ausschließlich § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V enthalte eine Sanktion, nämlich ein Auskunfts- und Beweisverwertungsverbot (Rdz. 30). Zu den elementaren Aufgaben der Krankenkasse gehöre auf die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots Acht zu geben. Schließlich sei in § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V selbst keine Ausschlussfrist vorgesehen; diese sei lediglich im Satz 2 enthalten. Der Gesetzgeber habe daher bei Satz 1 von der Formulierung einer Ausschlussfrist abgesehen (Rdz. 34). Zeitgrenze sei lediglich die vierjährige Verjährungsfrist (Rdz. 36). Das Rechtsinstitut der Verwirkung als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist greife nicht.

Anmerkung

Eingangs seines Urteils stellt das BSG heraus, dass das Krankenhaus verpflichtet sei, seinen eigenen Informationspflichten nachzukommen. Letztlich sieht es keine einengende Zeitgrenze für den Abschluss des Prüfverfahrens, wenn eine Prüfanzeige durch den MDK zeitgerecht erfolgt ist. Grenze ist somit für den zeitnahen Abschluss des Prüfverfahrens die vierjährige Verjährungsfrist. Im Ergebnis wird damit den Krankenkassen eine geringere Mitwirkungspflicht auferlegt als den Krankenhäusern. So hat der 1. Senat des BSG eine Nachforderung des Krankenhauses als Verstoß gegen Treu und Glauben gewertet, wenn sie erst vier Jahre nach Stellung der Schlussrechnung erfolgte (siehe zuletzt BSG-Urteil vom 13.11.2012, Az.: B 1 KR 6/12 R).

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  letzte Änderung: 12.09.2018 10:12:44
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Newsletter Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt
 

§ 137c SGB V (Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt) setzt die Geltung des Qualitätsgebots aus § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V auch im stationären Bereich nicht außer Kraft

Urteil des BSG vom 21.03.2013, Az.: B 3 KR 2/12 R

- Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt, Qualitätsgebot, Prüfverfahren -

In einer Grundsatzentscheidung hat sich das BSG mit der Frage befasst, inwieweit auf Grund des § 137c SGB V eine generelle Erlaubnis der Methoden im Krankenhaus besteht. Das BSG hat § 137c SGB V einschränkend interpretiert und festgesetzt, dass die Geltung des Qualitätsgebots aus § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V auch im stationären Bereich gilt. Im Lichte dieser Vorschrift ist daher § 137c SGB V einschränkend zu interpretieren. § 137c SGB V bewirke vor diesem Hintergrund lediglich, dass – anders als für den Bereich der vertragsärztlichen Leistungen – nicht in einem generalisierten formellen Prüfverfahren vor Einführung neuer Behandlungsmethoden im Krankenhaus deren Eignung, Erforderlichkeit und Wirtschaftlichkeit überprüft wird, sondern der Prüfung der eingesetzten Methoden grundsätzlich präventiv durch das Krankenhaus selbst und retrospektiv lediglich im Einzelfall anlässlich von Beanstandungen ex post erfolgt. Auch die Änderung der Rechtslage durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz in § 137c Abs. 1 Satz 2 SGB V führe zu keiner anderen Beurteilung und gelte im Übrigen erst für den Zeitraum ab 2012. Die vorstehend geäußerte Auffassung des 3. Senats steht im Einklang mit der Rechtsprechung des 1. Senats, dem sich der 3. Senat angeschlossen hat. Insoweit besteht nunmehr Rechtsklarheit bei der Frage der Auslegung des § 137c SGB V. Das BSG stellt heraus, dass es für den Einsatz der Methoden im Bereich des Krankenhauses keines generalisierten formellen Prüfverfahrens vor Einführung neuer Behandlungsmethoden gibt. Die Prüfung selbst wird – so das BSG – präventiv durch das Krankenhaus selbst durchgeführt. Allerdings erfolgt im Einzelfall eine Überprüfung, wenn im Einzelfall Beanstandungen ex post vorliegen. Eine Beanstandung kann z.B. von den Krankenkassen erfolgen. Im sich anschließenden Sozialgerichtsverfahren ist daher der Frage nachzugehen, ob die durchgeführte Behandlungsmethode dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprach.

Das Urteil des BSG ist hier wiedergegeben. 

  letzte Änderung: 12.09.2018 10:13:11
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Newsletter Mitteilungspflichte
 

Ein Krankenhaus ist verpflichtet bei Leistungen der Kategorie 2 (ambulante oder stationäre Durchführung) des AOP-Vertrages den Grund der stationären Aufnahme gegenüber den Krankenkassen anzugeben

Urteil des BSG vom 21.03.2013, Az.: B 3 KR 28/12 R

- Mitteilungspflichten, Angabe zum Grund der Aufnahme, Nachholen fehlender Angaben, AOP-Vertrag, Kategorie-2-Leistungen -

Wir hatten Sie bereits über das bedenkliche Urteil des LSG Niedersachsen vom 18.07.2012 – Az.: L 4 KR 15/10 – informiert, das insbesondere eine Nachholung des Grundes einer stationären Behandlung nicht zuließ.

In der anschließenden Revision vor dem BSG hob der 3. Senat die Entscheidung auf und verwies den Rechtsstreit zu weiteren Entscheidungen an das LSG zurück. Im Krankenhaus wurde eine Herzkatheteruntersuchung vollstationär durchgeführt. Dabei handelt es sich um eine Leistung nach Kategorie 2 des AOP-Vertrages, die sowohl ambulant als auch stationär durchgeführt werden kann. Die beklagte Krankenkasse beauftragte den MDK, der zum Ergebnis kam, dass eine stationäre Behandlung von einem Tag nachvollziehbar sei. Die Krankenkasse zahlte jedoch nicht. Sowohl das SG als auch das LSG haben die Klage abgewiesen. Im Anschluss an die grundlegende Entscheidung des BSG vom 16.05.2012 (Az.: B 3 KR 14/11 R) geht der 3. Senat davon aus, dass auch für die Leistungen der Kategorie 2 des AOP-Vertrages (ambulante oder stationäre Leistungen) der Grund der stationären Aufnahme gemäß § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V anzugeben ist. Die Forderung des Krankenhauses werde erst fällig, wenn der Grund der Krankenkassen mitgeteilt wurde. Entgegen der Auffassung des LSG könne der Grund der stationären Aufnahme auch nachträglich erfolgen. Holt das Krankenhaus die notwendige Begründung nach, wird die Rechnung nachträglich fällig. Ab diesem Zeitpunkt läuft die 6-Wochen-Frist nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V. Nach Ablauf der Frist ist weder das Krankenhaus verpflichtet, Unterlagen an den MDK herauszugeben, noch sind die Sozialgerichte berechtigt, von sich aus Beweise zu erheben. Das BSG erstreckt die Angabe eines Grundes nach § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V nicht nur auf Leistungen, die in der Regel dem vertragsärztlichen Bereich zuzuordnen sind, sondern nunmehr auch auf die Leistungen der Kategorie 2 des AOP-Vertrages. Dabei führt das BSG aus, dass die erforderlichen Angaben analog zu § 301 Abs. 1 Satz 2 SGB V auch in nicht maschinenlesbarer Form oder auch auf andere Art und Weise erfolgen können. Besondere Bedeutung kommt der Entscheidung zur Frage der Nachholung der Begründung zu. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann der Grund der Aufnahme auch nachträglich mitgeteilt werden. Die zunächst nicht fällige Forderung wird zum Zeitpunkt der Mitteilung dann fällig und es läuft ab diesem Zeitpunkt die 6-Wochen-Frist nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V. Lässt die Krankenkasse die 6-Wochen-Frist verstreichen, unterliegt der Fall Beweisbeschränkungen. Der Fall kann dann nur noch auf der Basis der bereits vorliegenden Unterlagen bewertet und entschieden werden.

Zur Zeit liegt nur der Terminsbericht des BSG vor, der hier wiedergegeben wird. Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werden wir Sie weiter informieren.

  letzte Änderung: 12.09.2018 10:13:46
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Newsletter Weitererhebung
 

Ein Krankenhaus hat Anspruch auf Weitererhebung eines NUB-Entgelts gem. § 15 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG über den Jahreswechsel hinaus.

Urteile des SG Fulda vom 28.02.2013, Az.: S 4 KR 901/11 und S 4 KR 997/11 (nicht rechtskräftig)

- Weitererhebung, NUB-Entgelt, Befristung, Weitergeltung -

Das Sozialgericht Fulda hat sich in zwei gleichlautenden Musterverfahren mit der Frage befasst, ob ein vereinbartes NUB-Entgelt über den Jahreswechsel hinaus abrechnungsfähig ist. In einer ausführlichen, alle rechtlichen Aspekte einbeziehenden Entscheidung hat das Sozialgericht Fulda dies bejaht. Das Krankenhaus hatte mit den Sozialleistungsträgern für den Zeitraum 2009 ein NUB-Entgelt „Drug Eluting Balloon“ in Höhe von 965,00 € vereinbart. Erst Anfang August 2010 kam es zu einer weiteren Entgeltvereinbarung für den Zeitraum 2010 in Höhe von 1.100,00 €. Die Genehmigung des Regierungspräsidiums erfolgte zum 01.09.2010. Für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis zum 31.08.2010 rechnete das Krankenhaus das NUB-Entgelt 2009 ab. Die Krankenkassen berufen sich auf die Befristung des NUB 2009 bis zum 31.12.2009. Daraufhin erhob das Krankenhaus in einer Vielzahl von Fällen Klage vor dem Sozialgericht Fulda. Das Sozialgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Es stützt sich dabei auf § 15 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG. Nach dieser Vorschrift sind die bisher geltenden Entgelte der Höhe nach weiter zu erheben, es sei denn, es liegen die in Ziffer 1 und 2 dieser Vorschrift aufgeführten Ausschlussgründe vor, die hier nicht gegeben sind. Das SG klärt zunächst, dass § 15 Abs. 2 KHEntgG alle krankenhausinvididuell zu vereinbarende Entgelte umfasst, also auch das NUB-Entgelt. Dies leitet es aus § 4 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG her. § 15 Abs. 2 KHEntgG verlange des Weiteren für die Weitererhebung einen Rechtsgrund. Dieser ergäbe sich aus § 6 Abs. 2 KHEntgG in Form der Entgeltvereinbarung 2010. Der NUB-Vereinbarung 2010 komme insoweit Rückwirkung zum 01.01.2010 zu. Die Genehmigung sei zum 01.09.2010 erfolgt; für den übrigen Geltungszeitraum der NUB-Vereinbarung 2010 vom 01.01. bis 31.08.2010 verbleibe es somit gemäß § 15 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG bei der vorherigen Entgelthöhe entsprechend der NUB-Vereinbarung 2009. Das Sozialgericht Fulda hat daher der Klage des Krankenhauses stattgegeben. Die Auslegung von § 15 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG, wonach es sich bei dem NUB-Entgelt um ein krankenhausindividuell zu vereinbarendes Entgelt handelt, begegnet keinen Bedenken. Insoweit enthält § 4 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG eine Legaldefinition der krankenhausindividuell zu vereinbarenden Entgelte, die ausdrücklich die NUB-Entgelte nach § 6 Abs. 2 KHEntgG einbezieht. Die Ausführungen zu § 15 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG sind im Ergebnis richtig. Auch nach Auffassung des Krankenhauses bedarf es eines Rechtsgrundes für die Weitererhebung eines NUB-Entgeltes. Dies ist richtiger Ansicht nach die getroffene Vereinbarung für das Jahr 2009 und nicht – wie das Sozialgericht Fulda meint – die Vereinbarung für das Jahr 2010.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 12.09.2018 10:14:25
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Newsletter Schlussrechnung
 

Die zeitliche Grenze für die Nachforderung durch das Krankenhaus ist das Ende des auf die unrichtige erste Abrechnung folgenden Kalenderjahres

Urteil des BSG vom 22.11.2012, Az.: B 3 KR 1/12 R

- Schlussrechnung, Nachforderung, Rechnungsjahr, Geschäftsjahr, Kalenderjahr, Treu und Glauben, Bagatellgrenzen -

Wir hatten Sie kürzlich über das Urteil des 1. Senats vom 13.11.2012 – B 1 KR 6/12 R – informiert. Der 1. Senat hat auf das Rechnungsjahr der Krankenkasse und auf das Geschäftsjahr des Krankenhauses abgestellt. Der 3. Senat bestimmt im Anschluss an die Rechtsprechung des 1. Senats nunmehr die zeitliche Grenze der Nachforderung durch das Krankenhaus (Urteil des BSG vom 22.11.2012, a.a.O., Rdz. 19) und sieht als äußersten Zeitpunkt für Korrekturmöglichkeiten das Ende des auf die unrichtige erste Abrechnung folgenden Kalenderjahres an (Urteil des BSG vom 22.11.2012, a.a.O., Rdz. 19). Im vorliegenden Fall knüpft der 3. Senat an seine Entscheidung zur Bagatell-Grenze vom 17.12.2009 an (B 3 KR 12/08 R). Mit diesem Urteil hat der 3. Senat den Begriff der Zeitnähe in einem ersten Schritt auf eine 6-Wochen-Frist in Analogie zu § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V eingegrenzt und außerhalb dieser Frist Bagatell-Grenzen eingeführt. Ergänzend hierzu stellt das BSG nunmehr fest, dass unabhängig von den Bagatell-Grenzen auch nach Ablauf der 6- Wochen-Frist eine Nachforderung geltend gemacht werden kann, wenn die Krankenkassen den MDK mit der Überprüfung der Schlussrechnung beauftragt haben und sich während des laufenden Prüfverfahrens herausstellt, dass die Rechnung entgegen der Erwartung der Krankenkasse nicht zu kürzen, sondern die Behandlung sogar mit einem höheren Betrag zu vergüten ist. Des Weiteren analysiert der 3. Senat die Entscheidung des 1. Senats vom 13.11.2012 (B 1 KR 6/12 R). Der erste Senat habe darin ausgeführt, dass das Krankenhaus jedenfalls innerhalb eines vollständigen Geschäftsjahres durch ihre Binnenkontrolle abklären muss, dass die erteilten Schlussrechnungen vollständig seien. Damit habe der 1. Senat die aus seiner früheren Entscheidung zu entnehmende Korrekturfrist offensichtlich erweitert, und zwar unabhängig davon, ob die Schlussrechnung aus dem 1. oder 2. Halbjahr eines Kalenderjahres stamme. Danach stünde den Krankenhäusern ein „vollständiges Geschäftsjahr“ zur Verfügung. Daraus schließt der 3. Senat, dass es auf das vom 1. Senat aufgestellte Kriterium „laufendes Rechnungsjahr“ nicht mehr entscheidend ankomme und die Nachberechnung prinzipiell bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist denkbar ist. Allerdings darf die Nachberechnung nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen; dies wäre z.B. der Fall bei einer regelmäßigen systematischen Rechnungsoptimierung (z.B. mehr als 10 % des Erlösbudgets) oder wenn dem Anspruch des Krankenhauses das Rechtsinstitut der Verwirkung entgegenstehen würde. Den zeitlichen Rahmen für zulässige Nachberechnungen setzt der 3. Senat nunmehr auf das Ende des auf die unrichtige erste Abrechnung folgenden Kalenderjahres als äußersten Zeitpunkt für Korrekturmöglichkeiten durch das Krankenhaus. Werde diese Frist nicht eingehalten, ist der Anspruch auf die noch offene restliche Vergütung in der Regel nach Treu und Glauben verwirkt - BSG, Urteil vom 22.11.2012, a.a.O., Rdz. 19. Der 3.Senat ist augenscheinlich bemüht, die Rechtsprechung des 1. und des 3. Senats in Einklang zu bringen. Die Schlussfolgerungen und die Argumentation sowie das daraus entwickelte Korrekturschema des 3. Senats ist in sich schlüssig. Eine Korrektur kann somit unter folgenden Voraussetzungen erfolgen: - bei offensichtlichen Schreib- und Rechenfehlern, - bei zulässiger Zahlung „unter Vorbehalt“, - solange das MDK-Prüfverfahren noch läuft („Prinzip der Waffengleichheit“), - innerhalb von sechs Wochen seit Rechnungseingang bei der Krankenkasse, - nach Ablauf von sechs Wochen nur noch bei Überschreitung der Bagatellgrenzen (Nachforderung über 300 € und mindestens 5 % des Ausgangsrechnungswertes) und - bis zum Ende des auf die unrichtige erste Abrechnung folgenden Kalenderjahres.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

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Newsletter Schlussrechnung
 

Nachforderungen des Krankenhauses müssen zeitnah erfolgen

Urteil des BSG vom 13.11.2012, Az.: B 1 KR 6/12 R

- Schlussrechnung, Nachforderung, Haushaltsjahr der Krankenkasse, Geschäftsjahr des Krankenhauses, Verjährungsfrist, Treu und Glauben, gegenseitige Rücksichtnahme -

Wir hatten Sie zeitnah über das Urteil des BSG vom 13.11.2012 informiert, wonach die Nachforderung der Krankenhausvergütung mehr als vier Jahre nach erteilter Schlussrechnung als Verstoß gegen Treu und Glauben gewertet wird, wenn kein ausdrücklicher Vorbehalt von Seiten des Krankenhauses erfolgt ist. Demgegenüber steht die Rechtsprechung des 3. Senats des BSG, der mit Urteil vom 22.11.2012 die Korrektur einer Schlussrechnung bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist zugelassen hat. Nach dem Urteil des 3. Senats kommt es auf das Kriterium „Rechnungsjahr“ nicht entscheidend an (Urteil des BSG vom 22.11.2012, B 3 KR 1/12 R). Inzwischen liegen die Urteilsgründe des Urteils des 1. Senats vom 13.11.2012 vor. Der 1. Senat geht davon aus, dass die Rechtsprechung des 3. Senats der Rechtsprechung des 1. Senats nicht entgegensteht, darauf aufbaut und sie ergänzt. Auch nach der Rechtsprechung des 3. Senats verpflichten die dauerhaften Vertragsbeziehungen zu gegenseitiger Rücksichtnahme. Auf Grund dieser Sonderbeziehung sei die Befugnis der Krankenhäuser zur nachträglichen Rechnungskorrektur begrenzt. Im vorliegenden Fall wendet der 1. Senat seine bisherige Rechtsprechung an und kommt zu dem Schluss, dass die Nachforderung des Klägers nicht mehr zeitnah erfolgt sei. Dabei stellt er insbesondere auf das laufende Haushaltsjahr der Krankenkasse ab. Da die Korrektur der Rechnung erst vier Jahre nach Übersendung und Bezahlung der ersten Rechnung erfolgte, sei dies treuwidrig. Krankenkassen müssten nicht hinnehmen, dass Krankenhäuser innerhalb der Verjährungsfristen ihre Abrechnung nachträglich um Positionen ergänzen, die sie bei normaler Sorgfalt von Anfang an in ihrer ersten Schlussrechnung hätten berücksichtigen können. Für den vorliegenden Fall gilt dies nach Auffassung des 1. Senates jedenfalls dann, wenn das Krankenhaus seinerseits ein vollständiges Geschäftsjahr Zeit gehabt hat, die nicht offensichtliche Unvollständigkeit der eigenen Schlussrechnung zu korrigieren (Urteil des BSG, a.a.O., Rdz. 21). Anmerkung Nach wie vor bleiben Widersprüche in der Rechtsprechung des 1. und des 3. Senats. Zwar wenden beide Senate den Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme der Vertragspartner an. Jedoch stellt der 1. Senat das Haushaltsjahr der Krankenkasse in den Vordergrund, während der 3. Senat in seinem Urteil vom 22.11.2012 – B 3 KR 1/12 R – diesem Kriterium keine entscheidende Bedeutung zumisst. Weitere Unterschiede in der Rechtsprechung liegen darin, dass nunmehr der 1. Senat einen Sorgfaltsmaßstab für die Nachberechnung einführt und darauf abstellt, ob „bei normaler Sorgfalt“ von Anfang an die nachberechneten Positionen hätten berücksichtigt werden können. Ergänzend stellt nunmehr der 1. Senat auf das Kriterium „vollständiges Geschäftsjahr“ des Krankenhauses ab und geht davon aus, dass das Krankenhaus innerhalb des vollständigen Geschäftsjahres die Nachberechnung vornehmen muss. Das Urteil des 1. Senats ist hier wiedergegeben.

Die schriftlichen Urteilsgründe des Urteils des 3. Senats vom 22.11.2012 liegen noch nicht vor. Sobald diese vorliegen, werde ich ergänzend hierüber berichten.

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Newsletter Fallzusammenführung
 

Eine Fallzusammenführung wegen Rückverlegung setzt einen medizinischen Zusammenhang der Behandlungen voraus

Urteil des Thüringer Landessozialgericht vom 28.08.2012, Az.: L 6 KR 295/11

- Fallzusammenführung, Rückverlegung, Behandlungszusammenhang -

Das LSG Thüringen hat sich mit der Frage befasst, ob bei einer Rückverlegung eine Fallzusammenführung nach § 3 Abs. 3 FPV (2005) vorzunehmen ist. Dies hat es im vorliegenden Fall mangels Behandlungszusammenhang der Krankheiten verneint. Das klagende Krankenhaus hatte eine Patientin, die im Rahmen einer geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung behandelt wurde, entlassen. Diese stürzte und wurde wegen eines Oberschenkelbruchs in einem anderem Krankenhaus behandelt und am Entlassungstag wieder ins Krankenhaus der Klägerin zurückverlegt. Im Rahmen des zweiten Krankenhausaufenthaltes nahm die Klägerin eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen am Muskel-Skelett-System und Bindegewebe vor. Die Krankenkasse verlangte eine Neueinstufung in eine Fallpauschale nach § 3 Abs. 3 FPV (2005). Die Klägerin vertrat die Auffassung, eine Fallzusammenführung sei nicht vorzunehmen, weil es sich um zwei völlig unterschiedliche Erkrankungen handelte. Eine Fallzusammenführung komme nicht in Betracht. Das SG verurteilte die beklagte Krankenkasse zur Zahlung. Das LSG Thüringen wies die Berufung der Krankenkasse zurück. Das LSG verneint die Voraussetzungen für eine Fallzusammenführung nach § 3 Abs. 3 FPV (2005). Eine sachgerechte Auslegung von § 3 Abs. 3 Satz 1 FPV (2005) führe dazu, dass nur dann eine Fallzusammenführung in Betracht zu ziehen sei, wenn zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus die erforderliche medizinische Behandlung für den Versicherten noch nicht abgeschlossen sei. Die Annahme einer Verlegung im Sinne der § 3 Abs. 3 Satz 1, 1 Abs. 1 Satz 4 FPV sei ausgeschlossen, wenn zum Zeitpunkt der Entlassung des Versicherten aus dem Krankenhaus eine weitere Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit nicht mehr bestand und seine Aufnahme in einem anderen Krankenhaus – wie hier – auf einem unerwarteten Geschehensverlauf beruhe. In erfreulicher Weise stützt sich das LSG Thüringen nicht ausschließlich auf den Wortlaut der Abrechnungsregel (§ 3 Abs. 3 Satz 1 FPV (2005)), sondern geht dem Sinn und Zweck der Regelung nach. In der Tat gibt es keinen Sinn, eine (Rück-)Verlegung anzunehmen, wenn der erste Behandlungsfall abgeschlossen und zudem noch eine andere medizinische Behandlung betraf. Es entspricht der Rechtsprechung des BSG, dass ergänzend zum engen Wortlaut einer Abrechnungsregel systematische Überlegungen angestellt werden können. Die systematischen Gründe des LSG führen dazu, dass zwischen beiden Behandlungen, die zu einem Fall zusammengeführt werden sollen, ein medizinischer Zusammenhang bestehen muss. Dies war hier nicht der Fall.

Die Urteilsgründe sind entnommen aus www.juris.de

  letzte Änderung: 12.09.2018 10:16:39
 
Newsletter OPS-Kode 8-550 (2005)
 

Eine Fallzusammenführung wegen Rückverlegung setzt einen medizinischen Zusammenhang der Behandlungen voraus

SG Stuttgart, Urteil vom 24.10.2012, Az.: S 10 KR 6999/10

- OPS-Kode 8-550 (2005), geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung, wochenbezogene Dokumentation, Teambesprechung, Protokollierung -

In einem Rechtsstreit vertrat die beklagte Krankenkasse unter Bezug auf eine MDK-Prüfung die Auffassung, der OPS-Kode 8-550.1 verlange die Protokollierung der Teamsitzungen. Jeder Teilnehmer habe zu unterschreiben. Das SG stellte fest, dass der OPS-Kode 8-550.1 lediglich eine wöchentliche Teambesprechung unter Beteiligung aller Berufsgruppen mit wochenbezogener Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele verlange. Weder das Führen eines Protokolls noch das Abzeichnen eines Teambesprechungsprotokolls durch alle anwesenden Therapeuten werde verlangt. Es bedarf auch keiner Unterschrift aller an der Teambesprechung anwesenden Teilnehmer. Der OPS-Kode verlange eine wochenbezogene Dokumentation, d.h. eine Zusammenstellung bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele in schriftlicher Form. Dem habe das Krankenhaus ausreichend Rechnung getragen. Das SG Stuttgart hat daher der Klage des Krankenhauses voll stattgegeben. Die Entscheidung des SG Stuttgart ist bemerkenswert. Sie orientiert sich an der ständigen Rechtsprechung des BSG, wonach die Vergütungsregelungen keinen Raum für Bewertungen oder Abwägungen über ihren Wortlaut hinaus zulassen. Der OPS-Kode 8-550 (2005) verlangt in der Tat lediglich eine wöchentliche Teambesprechung unter Beteiligung aller Berufsgruppen. Dabei sieht er weder ein Teamprotokoll noch die Unterschrift aller Teilnehmer an der Teambesprechung vor. Die Anforderungen des MDK gehen wie so häufig weit über die tatsächlichen Anforderungen hinaus. Dem hat das SG Stuttgart nicht Rechnung getragen und hat eine wochenbezogene Dokumentation bisheriger Behandlungsergebnisse und weiterer Behandlungsziele in welcher Art auch immer für ausreichend erachtet. Dabei hat das SG Stuttgart hervorgehoben, dass eine Vervielfachung der Dokumentation nicht angezeigt ist.

  letzte Änderung: 12.09.2018 10:17:04
 
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Einem Krankenhaus steht bei Entbindungsfällen keine Aufwandspauschale zu

Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht vom 29.11.2012 – Az.: L 5 KR 34/11

- Aufwandspauschale, Entbindung, Überprüfung durch MDK -

Das LSG musste sich mit der Frage befassen, ob das klagende Krankenhaus bei Entbindungsfällen nach § 197 RVO einen Anspruch auf Aufwandspauschale hat. Es verneinte einen Anspruch aus § 275 Abs. 1 c Satz 3 SGB V. Das Urteil des LSG orientiert sich am bloßen Wortlaut von § 275 Abs. 1 c SGB V. Bei dieser Vorschrift kommt es zudem nicht darauf an, ob ein überschaubarer Aufwand entstanden ist. Dieser Gesichtspunkt würde bei jeder Aufwandspauschale greifen. Gerade § 275 Abs. 1 c SGB V wollte einen pauschalen Ausgleich des Aufwandes, der einmal geringer aber auch höher ausfallen kann. Letztlich würde das Urteil des LSG dazu führen, eine Prüfungskompetenz des MDK für Entbindungsanstaltspflege nach § 197 RVO zu verneinen. Dies hätte zur Folge, dass die Krankenkassen die Entbindungs-DRG nicht prüfen lassen können. Bejaht man jedoch die Prüfungskompetenz der Krankenkassen müsste der damit verbundene Aufwand unter den Voraussetzungen des § 275 Abs. 1 c Satz 3 SGB V ausgeglichen werden. Insoweit ist die Entscheidung des LSG nicht konsequent.

Die Entscheidung ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 12.09.2018 10:17:44
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Newsletter Notfallversorgung
 

Abschlag wegen Nichtteilnahme an der stationären Notfallversorgung

Hess. VGH Urteil vom 19.12.2012, Az.: 5 A 2201/10

- Abschlag, Notfallversorgung, Tatbestandsmerkmale, Rettungsdienst, Möglichkeiten der Intensivüberwachung und Intensivbeatmung -

Der Hess. VGH hat im Anschluss an seine erste Grundsatzentscheidung zum Abschlag wegen Notfallversorgung (Urteil vom 05.10.2011 – 5 A 1702/10) seine Auffassung zu den vier Tatbestandsmerkmalen der Bundesvereinbarung vom 15.12.2000 verdeutlicht. Er hat herausgestellt, dass es auf die Kriterien des hessischen Rettungsdienstgesetzes und auch auf Planungsvorgaben des Landes nicht ankommt. Für die Zulassung der Notfallversorgung gibt die Bundesvereinbarung keinen Standard vor. Maßgeblich seien die konkreten tatsächlichen Verhältnisse vor Ort. Zudem bedürfe es keiner umfassenden Notfallversorgung, belegärztliche Organisationsstrukturen reichen aus. Es handele sich um vergütungsrechtliche Merkmale. Letztendlich bejaht der Hess. VGH auch die Möglichkeiten der Intensivüberwachung und Intensivbeatmung auf einer Intermediate-Care-Station.

Das Urteil wird hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 14.09.2018 10:20:00
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Newsletter Nachberechnung
 

Korrektur einer Schlussrechnung ist innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist grundsätzlich zulässig

Urteil des BSG vom 22.11.2012, Az.: B 3 KR 1/12 R

- Nachberechnung, Schlussrechnung, Rechnungsjahr, Bagatellgrenze, Rechnungsoptimierung -

Das klagende Krankenhaus hatte am 31.07.2006 der beklagten Krankenkasse eine Schlussrechnung über 1.780,94 € gestellt. Zeitversetzt stellte das Krankenhaus fest, dass irrtümlicherweise hierbei erlösrelevante Nebendiagnosen übersehen worden waren. Das Krankenhaus nahm daher gegenüber der beklagten Krankenkasse am 20.02.2007 eine Nachberechnung in Höhe von 1.007,10 € vor. Die Krankenkasse berief sich darauf, dass die Nachberechnung außerhalb des Haushaltsjahres erfolgt und daher unzulässig sei. Im Übrigen verstoße nach Ansicht der Krankenkasse die Nachberechnung gegen Treu und Glauben, da weitere 15 Nachberechnungen im Jahre 2006 erfolgt seien. Insoweit handele es sich um eine regelmäßige systematische Nachberechnung. Die Vorinstanzen gaben der Zahlungsklage des Krankenhauses statt, mit der Revision verfolgte die Krankenkasse ihre Rechtsauffassung weiter. Der 3. Senat des BSG wies die Revision der Krankenkasse zurück. Die Nachberechnung verstoße weder gegen § 9 des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V (KBV) noch gegen das krankenversichungsrechtliche Beschleunigungsgebot. Auch der Grundsatz von Treu und Glauben stehe im vorliegenden Fall der Nachberechnung nicht entgegen. Der 3. Senat des BSG teilte daher im Ergebnis die Rechtsauffassung des Krankenhauses und der Vorinstanzen. Der 3. Senat des BSG trägt mit diesem Urteil zur Rechtssicherheit wesentlich bei. Aus der Terminsmitteilung über das Urteil des 1. Senats vom 13.11.2012 war nicht eindeutig zu erkennen, unter welchen Voraussetzungen eine Nachberechnung vorgenommen werden darf. In der Gesamtschau der Rechtsprechung der beiden Senate hat der 3. Senat zusammenfassend dargestellt, wann eine Korrektur einer Schlussrechnung möglich ist. Diese kommt in Betracht - bei offensichtlichen Schreib- und Rechenfehlern, - bei zulässiger Zahlung „unter Vorbehalt“, - solange das MDK-Prüfverfahren noch läuft („Prinzip der Waffengleichheit“), - innerhalb von sechs Wochen seit Rechnungseingang bei der Krankenkasse und - nach Ablauf von sechs Wochen nur noch bei Überschreitung der Bagatellgrenzen (Nachforderung über 300 € und mindestens 5 % des Ausgangsrechnungswertes). Der 3. Senat des BSG stellt heraus, dass grundsätzlich eine Nachberechnung bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist möglich ist. Auf das Kriterium „Rechnungsjahr“ komme es nicht entscheidend an. Auf der anderen Seite darf die Nachberechnung jedoch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. Als Verstoß gegen Treu und Glauben sieht das BSG an, wenn eine regelmäßige, systematische Rechnungsoptimierung von Krankenhausseite vorgenommen wird oder wenn dem Anspruch des Krankenhauses das Rechtsinstitut der Verwirkung entgegensteht. Bei dem Gesichtspunkt der „regelmäßigen, systematischen Rechnungsoptimierung“ führt das BSG eine Bewertungsgrenze an. Voraussetzung hierfür ist, dass mehr als 10 % des Erlösbudgets der regelmäßigen, systematischen Rechnungsoptimierung unterliegt.

Diese Informationen basieren auf der Teilnahme des Unterzeichners an der mündlichen Verhandlung vor dem BSG und auf dem Terminbericht Nr. 61/12 vom 23.11.2012, der hier wiedergegeben ist.

  letzte Änderung: 14.09.2018 10:21:26
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Newsletter BSG
 

Weitreichende Entscheidungen des BSG am 13.11.2012 für den Krankenhausbereich

Wie dem Terminbericht Nr. 59/12 vom 14.11.2012 zu entnehmen ist, hat der 1. Senat des BSG weitreichende Entscheidungen zur Abrechnung im Krankenhausbereich getroffen. Es handelt sich um folgende Themenbereiche: 1. Grundsatz der zeitnahen Prüfung nach § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V - Urteil des BSG vom 13.11.2012, Az.: B 1 KR 24/11 R - Nach der Entscheidung des BSG begründet § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V keine eigenständige Einwendung. Danach besteht für die Krankenhäuser keine Möglichkeit, sich wegen zögerlicher Prüfbearbeitung des MDK auf Verwirkung oder auf sonstige auf Treu und Glauben gestützte Einwendungen zu berufen. Das Urteil überrascht, da das BSG bisher die gegenseitigen Mitwirkungspflichten nach Treu und Glauben in den Vordergrund gerückt hat. Davon nimmt das BSG offensichtlich im Interesse der Versichertengemeinschaft Abstand. 2. Nachforderungen der Krankenhausvergütung - Urteil des BSG vom 13.11.2012, Az.: B 1 KR 6/12 R - Das BSG hat die Nachforderung der Krankenhausvergütung mehr als 4 Jahre nach erteilter Schlussrechnung als Verstoß gegen Treu und Glauben gewertet. Es hat dabei Bezug genommen auf sein Urteil vom 08.09.2009 (B 1 KR 11/09 R), in dem das Haushaltsjahr angesprochen wurde. Das BSG führt aus, dass diese Rechtsprechung sich mit der Rechtsprechung des 3. Senats ergänze (Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 12/08 R). Dort wird ausschließlich auf eine Bagatellgrenze abgestellt (5 % des Ausgangsrechnungsbetrages und mehr als 300,00 €). Demgegenüber stellt der erste Senat nunmehr heraus, dass die Krankenkassen von Krankenhäusern erwarten können, dass sie – im Einklang mit ihren eigenen Interessen – jedenfalls innerhalb eines vollständigen Geschäftsjahrs durch ihre Binnenkontrolle abklären lassen, dass die erteilten Schlussrechnungen vollständig sind. Aus dem Terminsbericht selbst lässt sich das Zusammenspiel des Urteils des 1. Senats mit der Rechtsprechung des 3. Senates nicht entnehmen. Insoweit bleibt abzuwarten, wie die schriftlichen Urteilsgründe ausfallen. Ein Parallelfall ist Gegenstand der Entscheidung des 3. Senats am 22.11.2012, in dem der Zeitraum zwischen Rechnungsstellung und Nachforderung weniger als ein halbes Jahr betrug. Hierüber werde ich Sie wiederum zeitnah informieren. 3. Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V - Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.11.2012, Az.: B 1 KR 10/12 R Das Bundessozialgericht hat die Frage entschieden, ob eine Aufwandspauschale auch dann anfällt, wenn ein Prüfauftrag zur weiteren stationären Behandlung erteilt wurde und zu diesem Zeitpunkt noch keine Rechnung vorlag. Das BSG hat den Anspruch verneint, da § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V eine Rechnungsstellung voraussetze. Die Entscheidung des BSG ist in sich konsequent, da die Prüfung nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V auf eine Minderung des Abrechnungsbetrages abzielen muss. Bereits entschieden ist die Frage, dass eine Zwischenrechnung hierfür ausreicht (Urteil des BSG vom 16.05.2012, Az.: B 3 KR 12/11 R).

Die Terminsberichte sind hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 14.09.2018 10:22:20
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Newsletter G-BA-Beschluss
 

Die Einbindung des MDK zum Nachweis der Erfüllung von Qualitätssicherungsmaßnahmen, die der GBA gemäß § 137c SGB V beschlossen hat, ist rechtlich bedenklich

(GBA-Beschluss vom 15.12.2011 über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Protonentherapie bei Patientinnen und Patienten mit Ösophagus-Karzinom)

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Rahmen der Prüfung des Beschlusses des GBA vom 15.12.2011 über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Protonentherapie bei Patientinnen und Patienten mit Ösophagus-Karzinom hat das BMG mit Bescheid vom 30.04.2012 sich auch zur Frage geäußert, inwieweit die Einbindung des MDK rechtsbedenkenfrei ist. Der Beschluss des GBA vom 15.12.2011 enthält in § 5 Abs. 2 folgende Regelung: „(2) Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) ist berechtigt, in einzelnen Kliniken die Richtigkeit der Angaben in dem ausgefüllten Vordruck nach Anlage II vor Ort zu überprüfen. Bis spätestens 4 Wochen vor der Prüfung hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Information über den Grund der Prüfung zu übermitteln.“ Das BMG hat grundsätzliche Bedenken geäußert. Danach hält sich die Einbindung des MDK im Rahmen des Verfahrens zum Nachweis der Erfüllung der Anforderungen nicht im Rahmen der grundlegenden Strukturen der Qualitätssicherung, weil dem MDK in den Vorschriften zur Qualitätssicherung keine eigenständige Funktion zugewiesen wird. Das BMG hat den Beschluss des GBA vom 15.12.2011 nicht beanstandet, jedoch ergänzende Hinweise gegeben. Wörtlich enthält der Bescheid des BMG folgenden Hinweis: „Die vom MDK nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. SGB V erstellten Gutachten sind einzelfallbezogene Prüfungen, die die Krankenkasse eigenverantwortlich in Auftrag gibt. Die in § 5 Abs. 2 der vorgelegten Richtlinie vorgesehene Prüfung zielt dagegen im Kern die Überprüfung der Klinik hinsichtlich der Richtigkeit ihrer Angaben zur Strukturqualität nach Anlage II der Richtlinie ab.“ Anmerkung: Meines Erachtens hat dieser Hinweis des BMG weitreichende Bedeutung, die über den eigentlichen – nicht beanstandeten – Beschluss des GBA vom 15.12.2011 hinausgeht. In den bisherigen Beschlüssen des GBA zur Qualitätssicherung nach § 137c SGB V ist eine analoge Regelung zum Nachweisverfahren vorgesehen, wobei bestimmte Unterlagen dem MDK zur Prüfung vorzulegen sind. Unter Bezug auf den Hinweis des BMG in seinem Bescheid vom 30.04.2012 dürfte auch das dort geregelte Nachweisverfahren rechtlich bedenklich sein. Zu Recht weist das BMG darauf hin, dass für eine Nachweispflicht/Prüfberechtigung des MDK im Rahmen der Qualitätssicherungsmaßnahmen keine Rechtsgrundlage besteht. Wenn die Krankenkassen den MDK einbinden möchten, sind sie auf Einzelfallprüfungen nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V bzw. auf Stichprobenprüfungen nach § 17c KHG beschränkt. Insoweit muss die Nachweispflicht des Krankenhauses nur gegenüber den Sozialleistungsträgern bzw. deren Arbeitsgemeinschaften erfüllt werden. Insoweit besteht daher keine Nachweispflicht gegenüber dem MDK. Dies gilt m.E. erst Recht für sog. Strukturprüfungen von Komplexpauschalen, deren Grundlage nicht eine Einzelfallprüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ist. Eine Rechtsgrundlage für Strukturprüfungen allgemeiner Art ist nicht ersichtlich. Insoweit kommt der Rechtsauffassung des BMG auch in diesem Zusammenhang Bedeutung zu.

  letzte Änderung: 14.09.2018 10:22:57
 
Newsletter Hauptdiagnose
 

Die zur Aufnahme führende mechanische Störung des Shunts wird durch den ICD-Kode T82.5 spezifischer abgebildet als durch den ICD-Kode N18.5 (Chronische Nierenkrankheit)

Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 19.09.2012, Az.: S 13 KR 686/11

Hauptdiagnose; spezifische Diagnose; Kodierrichtlinie D002f (2010); Shunt-Verschluss; dialysepflichtige Niereninsuffizienz - nicht rechtskräftig -

Der im Krankenhaus der Klägerin behandelte Patient litt an einer dialysepflichtigen chronischen Niereninsuffizienz. Für die Dialyse wurde am linken Unterarm ein Cimono-Shunt angelegt. Da ein Shunt-Verschluss bestand, wurde am rechten Arm die Neuanlage eines Shunts vorgenommen. Die Klägerin stellte der Beklagten die DRG F54.Z in Rechnung. Der Abrechnung lag die Hauptdiagnose T82.5 (Mechanische Komplikation durch sonstige Geräte und Implantate im Herzen und in den Gefäßen) zu Grunde. Als Nebendiagnose wurde der ICD-Kode N18.5 (Chronische Nierenkrankheit) angegeben. Die Beklagte beauftragte den MDK mit einem Gutachten. Dieser kam zur Auffassung, dass als Hauptdiagnose der ICD-Kode N18.5 zu verschlüsseln sei. Diese Hauptdiagnose führe zur DRG L09D. Die Klägerin erhob daraufhin Klage. Das Sozialgericht gab der Klägerin Recht. Die Kodierung des ICD-Kode T82.5 (Version 2010) sei nicht zu beanstanden. Grundlage für die Kodierung seien u.a. die Kodierrichtlinien 2010, die streng nach ihrem Wortlaut anzuwenden sind. Nach der Kodierrichtlinie D002f sei als Hauptdiagnose die Diagnose zu verschlüsseln, die nach Analyse hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist. Der Begriff „nach Anlayse“ bezeichne die Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes. Der Shunt-Verschluss war für den stationären Krankenhausaufenthalt hauptsächlich verantwortlich, da eine mechanische Störung des Shunts bestand. Zweck der Aufnahme war es, den ausgefallenen Shunt am linken Arm durch die Neuanlage eines Shunts am rechten Arm zu ersetzen. Es sollte nicht hauptsächlich eine sonstige Behandlung der chronischen Nierenkrankheit vorgenommen werden. Diese mechanische Störung des Shunts werde durch den ICD-Kode T82.5 spezifischer abgebildet als durch die zu Grunde liegende chronische Nierenkrankheit, die als Nebendiagnose mit dem ICD-Kode N18.5 zu verschlüsseln sei. Letztlich sei nach der Kodierrichtlinie nicht auf die beabsichtigte Behandlung zum Aufnahmezeitpunkt abzustellen, sondern auf die die Aufnahme veranlassende Erkrankung bzw. Störung. Der ICD-Kode T82.5 bilde dies spezifischer ab als der auf die Grunderkrankung bezogene ICD-Kode N18.5. Das Sozialgericht Speyer hat sich streng an den Kodierrichtlinien 2010 orientiert. Danach ist am Ende des Krankenhausaufenthaltes eine Bewertung vorzunehmen, um festzustellen, welche Krankheit hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes war. Dabei ist auf die spezifischere Abbildung abzustellen. Das Sozialgericht Speyer hat zu Recht festgestellt, dass der Patient nicht wegen seiner Grundkrankheit (Chronische Niereninsuffizienz) aufgenommen wurde, sondern wegen des Shunt-Verschlusses. Insoweit stellt der ICD-Kode T82.5 (Version 2010) die spezifischere Diagnose dar. Im Übrigen hat das Sozialgericht Speyer außer Betracht gelassen, ob die DRG F54.Z in der Gesamtbewertung die Krankenhausleistung adäquat abbildet. Diese Bewertung haben die Selbstverwaltungspartner auf Bundesebene vorzunehmen und ggf. daraus resultierende Bewertungswidersprüche zu klären (siehe BSG, Urteil vom 08.11.2011 – B 1 KR 8/11 R).

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 28.09.2018 14:13:14
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Newsletter Mitteilungspflichten der Krankenhäuser
 

Ein Krankenhaus ist verpflichtet, ausreichende Angaben zum Grund der Krankenhausaufnahme mitzuteilen. Dies gelte, wenn eine Leistung dem vertragsärztlichen Bereich zugewiesen werde. Fehlende Angaben können wegen Verstoß gegen Treu und Glauben nicht nachgeholt werden.

Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 18.07.2012, Az.: L 4 KR 15/10

Mitteilungspflichten der Krankenhäuser; Angabe zum Grund der Krankenhausaufnahme; Verstoß gegen Treu und Glauben; Nachholen fehlender Angaben - nicht rechtskräftig -

Dem Rechtsstreit lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Im Krankenhaus wurde eine vollstationäre Herzkatheteruntersuchung durchgeführt und die DRG F66Z (2008) abgerechnet. Das LSG stellte fest, dass zwischen den Parteien unstreitig sei, dass die Herzkatheteruntersuchung in der Regel Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung und daher ambulant durchzuführen sei. Die Krankenkasse beauftragte den MDK, der bei periinterventionell erhöhtem RR einen Belegungstag für nachvollziehbar hielt. Das Krankenhaus hielt den gesamten Krankenhausaufenthalt für notwendig und erhob Zahlungsklage. Entsprechend der Rechtsprechung des BSG orientiert sich das LSG an den Ebenen zur Sachverhaltserhebung, die das BSG aufgestellt hat (BSG, Urteil vom 14.05.2012, a.a.O.). Im vorliegenden Fall bewegt sich der Rechtsstreit nach Auffassung des LSG auf der ersten Ebene der Sachverhaltsermittlung. Die Forderung des Krankenhauses wäre nur fällig geworden, wenn alle erforderlichen Angaben vom Krankenhaus gemacht worden wären. Die hier durchgeführte Herzkatheteruntersuchung sei der vertragsärztlichen ambulanten Versorgung zugewiesen und könne nur in begründeten Ausnahmefällen stationär erbracht werden. Aus den Akten der Beklagten seien keine Angaben der Klägerin zu ersehen, die einen stationären Aufenthalt rechtfertigen könnten. Im Sinne von § 301 Abs. 1 Nr. 3 SGB V fehlten daher Informationen über den Grund der stationären Aufnahme und damit eine der zentralen Angaben, die eine Krankenkasse für die ordnungsgemäße Abrechnung zur Prüfung benötige. Die Forderung der Klägerin sei daher nicht fällig geworden. Das Krankenhaus könne die fehlenden Angaben auch nicht später nachholen. Nach § 242 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben) sei das Krankenhaus mit einer nachgeholten Begründung für den stationären Aufenthalt ausgeschlossen. Denn die Nachholung sei erst nach mehreren Schriftwechseln und erst ca. 8 Monate nach der Abrechnung durch die Klägerin erfolgt. Auf das MDK-Gutachten, das einen Belegungstag für nachvollziehbar gehalten habe, komme es im Ergebnis nicht an. Die Prüfung des MDK bewege sich nicht auf der dritten Ebene der Sachverhaltsermittlung, sondern verbliebe auf der ersten bzw. zweiten Ebene der Sachverhaltsermittlung. Das LSG verschärft die Begründungspflicht der Krankenhäuser im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG (BSG-Urteil vom 14.05.2012, B 3 KR 14/11 R). Während im Rechtsstreit des BSG (a.a.O.) eine konkrete Anforderung der Krankenkasse zur medizinischen Begründung vorlag, geht offensichtlich das LSG von einer unabhängig davon bestehenden Begründungspflicht des Krankenhauses aus. Dies lässt sich schwerlich mit dem elektronischen Datenträgeraustausch nach § 301 SGB V in Einklang bringen. Nach § 301 Abs. 1 Nr. 3 SGB V besteht eine Begründungspflicht nur bei Überschreitung der voraussichtlichen Dauer der Krankenhausbehandlung und auf Verlangen der Krankenkasse. Über diese zwingende Rechtsvorschrift setzt sich das LSG hinweg. Nicht nachvollziehbar ist zudem die Auffassung des LSG, dass eine ergänzende Begründung im Laufe des Verfahrens, z.B. des Prüfungsverfahrens durch den MDK, nicht möglich sein soll. Beauftragt die Beklagte den MDK mit einer Prüfung, bewegt sie sich von der ersten und zweiten Ebene weg und befindet sich dann automatisch auf der dritten Ebene der Sachverhaltserhebung. Dies wird im vorliegenden Rechtsstreit dadurch belegt, dass die Beklagte den Gutachter des MDK einschaltete und dieser den Arztbrief hinzuzog. Insoweit blendet das LSG den konkreten Sachverhalt aus und bewegt sich lediglich hypothetisch auf der ersten Stufe der Sachverhaltserhebung. Das LSG greift auch in erhebliche Verfahrensrechte des Krankenhauses ein, wenn sie ein Nachholen im Rahmen des weiteren Verfahrens präkludiert. Hierfür hätte es einer konkreten gesetzlichen Regelung bedurft, wie sie z.B. für die gesetzlichen Krankenkassen gilt (Ausschlussfrist nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V). Das Urteil ist nicht rechtskräftig und wird beim BSG unter dem Aktenzeichen B 3 KR 28/12 R geführt. An dieser Stelle möchte ich mich bei Herrn Kollegen RA Bregenhorn-Wendland für die Überlassung des Urteils bedanken.

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Newsletter Notfallbehandlung
 

Für die Behandlung von Notfallpatienten bedarf es keines Versorgungsauftrages des Krankenhauses. Es gelten die entsprechenden Pflegesätze für Krankenhäuser mit Versorgungsauftrag.

Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 01.10.2012, Az.: S 23 KR 504/12 WA

Notfallbehandlung; Versorgungsauftrag; Linksherzkatheteruntersuchung, Vergütung; Pflegesätze

Die Parteien stritten über mehrere Jahre darüber, ob ein Versorgungsauftrag für kardiologische Leistungen durch Inbetriebnahme eines Linksherzkathetermessplatzes besteht. Nach Ausschöpfung des Rechtswegs stellten die Verwaltungsgerichte rechtskräftig fest, dass diese Leistungen nicht durch den Versorgungsauftrag der Klägerin gedeckt seien. Parallel dazu hat die Klägerin Zahlungsklage erhoben und u.a. ausgeführt, dass es sich im vorliegenden Fall um einen Notfall gehandelt habe. Hierfür bedürfe es keines Versorgungsauftrages, wie sich aus § 8 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz KHEntgG ergäbe. Die Beklagte verweigerte die Zahlung. Nach ihrer Auffassung handele es sich nicht um einen Notfall. Das SG verurteilte die Beklagte zur Zahlung. Ausgangspunkt der Überlegungen des SG ist, dass Krankenhäuser auch ohne entsprechenden Versorgungsauftrag Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbringen dürfen, wenn es sich um einen Notfall handele. Wird ein solcher Patient im Krankenhaus aufgenommen, so wird er für die Dauer der Notfallbehandlung in das öffentlich-rechtlich geprägte Sachleistungssystem der Krankenversicherung einbezogen. Das Krankenhaus erbringe dann seine Leistungen nach denselben Grundsätzen, die für zugelassene Krankenhäuser mit entsprechendem Versorgungsauftrag gelten. Insoweit nimmt das SG auf das Urteil des BSG vom 09.10.2001, Az.: B 1 KR 6/01 R, Bezug. Danach habe das Krankenhaus einen Vergütungsanspruch ausschließlich gegenüber der Krankenkasse. Des Weiteren knüpft das SG an den Notfallbegriff des BSG an (BSG, Urteil vom 14.12.2006 – B 1 KR 114/06 B). Ein Notfall liege vor, wenn aus medizinischen Gründen eine umgehende Behandlung des Patienten so dringlich sei, dass ein zugelassener Leistungserbringer nicht in der gebotenen Eile herbeigerufen oder aufgesucht werden kann. Eine dringende Behandlungsbedürftigkeit ist anzunehmen, wenn ohne sofortige Behandlung Gefahr für Leib und Leben bestehe oder Schmerzen unzumutbar lange andauern würden. Keine Notfallbehandlung liege vor, wenn der Gesundheitszustand des Versicherten es zulasse, dass er einen zugelassenen Leistungserbringer aufsuchen kann und eine Behandlungsbedürftigkeit wegen eines Notfalls endet, wenn der Versicherte zu einem zugelassenen Leistungserbringer verlegt werden kann (SG für das Saarland im Anschluss an BSG, Urteil vom 18.07.2006, B 1 KR 9/05 R, Urteil vom 28.07.2008, B 1 KR 5/08 R). Maßgebliches Kriterium für die Beurteilung einer Notfallbehandlung sind die objektiven Gegebenheiten der konkreten Behandlung und nicht hypothetische Erwägungen. Im vorliegenden Fall bejahte die Kammer uneingeschränkt die Voraussetzungen der Notfallbehandlungen. Der Gerichtsbescheid des SG für das Saarland ist lesenswert und gibt die aktuelle Rechtsprechung des BSG zur Notfallbehandlung wieder. Der Vergütungsanspruch des Krankenhauses folgt hierbei aus § 8 Abs. 1 Satz 3 2. Halbsatz KHEntgG. Dieser regelt allerdings nicht konkret, welche Vergütung für die Notfallbehandlung anzusetzen ist. Im Anschluss an die Rechtsprechung des BSG wendet das SG die Vergütungsregelungen, die für zugelassene Krankenhäuser mit entsprechendem Versorgungsauftrag gelten, an.

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Newsletter Altfall
 

Die Krankenkasse verstößt gegen die Verpflichtung zur Förderung der Zusammenarbeit, wenn sie das Überprüfungsverfahren nicht zeitnah durchführt. Dieser Grundsatz gilt auch für Altfälle (vor dem 01.04.2007)

Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 13.09.2012, Az.: S 15 KR 626/12

Altfall; Förderung der Zusammenarbeit; Mitwirkungspflichten; zeitnahe Einleitung des Prüfungsverfahrens - nicht rechtskräftig -

Die Klägerin hat für eine Krankenhausbehandlung der Beklagten Rechnung gestellt. Diese hat die Rechnung nicht bezahlt. Beide Parteien warfen sich gegenseitig Verletzungen ihrer Mitwirkungspflichten vor. Die Klägerin trug vor, dass sie ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen sei, insbesondere habe sie auf Anforderung der Beklagten vom 09.01.2007 einen Kurzbericht per Datenträgeraustausch am 06.03.2007 übermittelt. Die Klägerin wandte zudem ein, dass die Beklagte keine zeitnahe Prüfung vorgenommen habe. Die Beklagte berief sich darauf, dass die medizinische Begründung verspätet erfolgt sei; des Weiteren habe diese der Form nach nicht dem Landesvertrag entsprochen. Die Klägerin habe daher ihren Zahlungsanspruch verwirkt. Das SG gab der Zahlungsklage des Krankenhauses statt. Zunächst stellt das SG heraus, dass die Klägerin alles Erforderliche auf der ersten Stufe der Sachverhaltserhebung getan habe. Aus § 301 Abs. 1 SGB V ergäbe sich abschließend und enumerativ, welche Angaben der Krankenkasse zu übermitteln sind. Diese Angaben habe die Klägerin unstreitig gemacht. Des Weiteren prüft das SG § 2 Abs. 1 Satz 2 Krankenhausüberprüfungsvertrag (KÜV). Danach könne die Krankenkasse vor Beauftragung des MDK/SMD unter Angabe des Überprüfungsanlasses eine Stellungnahme des Krankenhauses zu einzelnen Behandlungsfällen anfordern. Diesen Kurzbericht habe die Klägerin erstattet. Dies könne auch im Rahmen des Datenträgeraustausches erfolgen. Der Kurzbericht sei auch ausreichend zeitnah (innerhalb von zwei Monaten) abgegeben worden. Somit hätte die Beklagte auf der zweiten Stufe der Sachverhaltsermittlung ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V einleiten müssen. Dies bedeute eine Verpflichtung für die Krankenkassen. Diese Prüfpflicht habe die Beklagte vorliegend verletzt, da sie den SMD nicht mit einer Prüfung beauftragt habe. Die Beklagte habe auch ihre Verpflichtung zur Förderung der Zusammenarbeit mit dem Krankenhaus verletzt. Zwar gelte die Regelung über eine zeitnahe Prüfung (§ 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V) erst ab 01.04.2007, jedoch ergebe sich aus § 1 Krankenhausbehandlungsvertrag (KBV) und den Regelungen nach § 112 SGB V, dass dieser Grundsatz bereits vor dem 01.04.2007 Anwendung finde. Wie bereits durch Newsletter berichtet, wendet das SG für das Saarland den Grundsatz der zeitnahen Prüfung auch für Altfälle (vor dem 01.04.2007) an (siehe Gerichtsbescheid des SG für das Saarland vom 06.09.2012, Az.: S 15 KR 610/12). Insoweit kann nunmehr von einer gefestigten Rechtsprechung des Sozialgerichts für das Saarland ausgegangen werden. Interessant ist zudem an dieser Entscheidung, dass das Sozialgericht es genügen lässt, wenn eine medizinische Begründung im Wege des Datenträgeraustausches erfolgt. Eine Verwendung des in § 2 Abs. 1 Satz 3 KÜV vorgesehenen Kurzberichtes ist nicht erforderlich. In diesem Zusammenhang beurteilt das SG die Übermittlung der medizinischen Begründung in einem Zeitrahmen von zwei Monaten als ausreichend. Nach dieser gefestigten Rechtsprechung müssen daher die gesetzlichen Krankenkassen ihrer Prüfungspflicht nach § 275 Abs. 1 SGB V zeitnah nachkommen. Erfolgt dies nicht, sind sie ohne weitere Beweiserhebung zur Zahlung zu verurteilen. Zur Rechtslage ab 01.04.2007 wird auf das Urteil des BSG vom 16.05.2012, Az.: B 3 KR 14/11 R, verwiesen. Das vom Sozialgericht verwandte Prüfungsschema ergibt sich aus dem Urteil des BSG vom 22.04.2009 – B 3 KR 24/07 R.

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  letzte Änderung: 28.09.2018 14:14:32
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Newsletter Abgrenzung Verbringung/Verlegung
 

Die Krankenkasse verstößt gegen die Verpflichtung zur Förderung der Zusammenarbeit, wenn sie das Überprüfungsverfahren nicht zeitnah durchführt. Dieser Grundsatz gilt auch für Altfälle (vor dem 01.04.2007)

Urteil des LSG für das Saarland vom 22.08.2012, Az.: L 2 KR 118/09

Koronarangiographie; Abgrenzung Verbringung/Verlegung; Rückverlegung innerhalb von 24 Stunden; - rechtskräftig -

Das klagende Krankenhaus hatte von dem abgebenden Krankenhaus einen Patienten am 03.06.2005 übernommen. Am Aufnahmetag wurde eine Koronarangiographie im übernehmenden Krankenhaus durchgeführt. Die behandelnden Ärzte gingen bei der Aufnahme von einer voraussichtlichen Entlassung am 10.06.2005 aus. Der Patient wurde nach Durchführung der Konorarangiographie über Nacht zur Beobachtung dabehalten und am 04.06.2005 wieder in das abgebende Krankenhaus überstellt. Die Beklagte verweigerte die Bezahlung der DRG F49C mit der Begründung, die Rückverlegung sei innerhalb von 24 Stunden erfolgt; es handele sich daher um eine Verbringung. Die Klägerin habe daher nur einen Zahlungsanspruch gegenüber dem abgebenden Krankenhaus. Das Sozialgericht verurteilte die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung. Das LSG für das Saarland wies die Berufung als unbegründet zurück. Es hebt hervor, dass maßgeblich für die Abgrenzung einer Verbringung zur Verlegung ist, ob ein klarer Einzelauftrag des abgebenden Krankenhauses an das aufnehmende Krankenhaus bestand. Nur dann würden keine Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkasse und aufnehmendem Krankenhaus entstehen. Entscheidend sei zudem, wer die Gesamtverantwortung für die Krankenhausbehandlung habe. Von einem Verbleib der Gesamtverantwortung des abgebenden Krankenhauses könne nur dann gesprochen werden, wenn das abgebende Krankenhaus in der Lage ist, zu jedem Zeitpunkt des Leistungsgeschehens in rechtlich relevanter Weise hierauf Einfluss zu nehmen. Dies setze in der Regel ein vertragliches Verhältnis oder ein „rechtliches Band“ zwischen den Beteiligten voraus. Der Senat verneinte diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall, da sich aus dem Bericht des abgebenden Krankenhauses ergab, dass es Wille des Krankenhauses war, die Gesamtverantwortung für die weitere Behandlung auf das aufnehmende Krankenhaus zu übertragen. Ein weiteres Indiz hierfür stellte die Aufnahmeanzeige dar, die von einem geplanten Krankenhausaufenthalt bis zum 10.06.2005 ausgegangen ist. Schließlich wies der Senat das Argument der Beklagten zurück, wonach noch eine Rückverlegung am Tag der Durchführung der Koronarangiographie möglich gewesen wäre. Darauf komme es im vorliegenden Fall nicht an, da auch eine Rückverlegung am Aufnahmetag nichts an dem stationären Charakter der stationären Behandlung geändert hätte. Die Abgrenzung Verbringung von der Verlegung ist ein Dauerbrenner in der Auseinandersetzung mit den gesetzlichen Krankenkassen. Immer wieder schieben die gesetzlichen Krankenkassen das Argument in den Vordergrund, bei einer Rückverlegung innerhalb von 24 Stunden handele es sich um eine Verbringung. Diese Argumentation hat das LSG abschlägig beschieden. Es setzt für den Begriff der Verbringung einen klaren Einzelauftrag des abgebenden Krankenhauses voraus, aus dem sich mit hinreichender Deutlichkeit ergeben muss, dass das abgebende Krankenhaus für die Kosten des Einzelauftrages aufkommt. Des Weiteren müsste in diesem Fall die Gesamtverantwortung beim abgebenden Krankenhaus verbleiben. Das LSG setzt hierbei voraus, dass das abgebende Krankenhaus in der Lage ist, zu jedem Zeitpunkt in rechtlich-relevanter Weise auf das Leistungsgeschehen Einfluss nehmen zu können. Dies setze mindestens ein „rechtliches Band“ zwischen abgebendem und aufnehmendem Krankenhaus voraus. An diesen Voraussetzungen wird es häufig fehlen. Ergänzend ist anzumerken, dass das BSG bereits mit Urteil vom 28.02.2007 – Az.: B 3 KR 17/06 R, juris, Rdz. 22 – darauf hingewiesen hat, dass dann, wenn die Verantwortung für die Gesamtbehandlung vollständig auf das aufnehmende Krankenhaus übergeht, kein Verbringungsfall vorliegt. In diesem Fall scheidet der Patient aus den stationären Behandlungsabläufen und der Gesamtverantwortung des abgebenden Krankenhauses aus und wird in die stationären Abläufe des aufnehmenden Krankenhauses integriert (BSG, Urteil vom 28.02.2007, a.a.O.). Das LSG für das Saarland wendet die vom BSG aufgestellten Rechtsgrundsätze uneingeschränkt an.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

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Newsletter § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V
 

Auch für Altfälle (vor dem 01.04.2007) gilt der Grundsatz des zeitnahen Prüfungsabschlusses

Gerichtsbescheid des Sozialgericht für das Saarland vom 06.09.2012, Az.: S 15 KR 610/12

- § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V, Dauer des Prüfungsverfahrens, Beschleunigungsgebot, Einwendungsausschluss, zeitnaher Abschluss des Prüfungsverfahrens -

Das KH hat am 10.10.2005 für eine stationäre Behandlung der Beklagten eine Rechnung gestellt. Erst weit nach einem Jahr erfolgte eine Rechnungskürzung (Verrechnung) durch die Beklagte. Das Prüfungsverfahren des SMD wurde am 15.05.2006 (7 Monate nach Rechnungsstellung) abgeschlossen. Das SG gab der Klage statt. Das SG hat ausgeführt, dass der Grundsatz der Förderung der Zusammenarbeit eine zeitnahe Prüfung durch den SMD verlange. Zwar galt § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V noch nicht, da der Behandlungsfall vor dem 01.04.2007 lag. Darin komme aber der Grundsatz zum Ausdruck, „dass eine zeitnahe Prüfung jedenfalls dann nicht mehr vorliegt, wenn wie hier ein erheblicher Prüfzeitraum vergangen ist“. Insoweit verweist das SG auf das Urteil des LSG für das Saarland vom 21.03.2012 (L 2 KR 57/11), das verlangt, dass das Prüfungsverfahren innerhalb von 12 Wochen nach Einleitung der Prüfung durch den SMD abzuschließen ist. Hier seien mehr als ein halbes Jahr vergangen. Die Klägerin durfte daher vertrauen, dass ihre Rechnung ohne Beanstandung bleibt. Der klare Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot führe zum Einwendungsausschluss gegen die Rechnung vom 10.10.2005. Neben dem Urteil des LSG zum zeitnahen Abschluss gibt es die Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts vom 04.10.2011 (Az.: L 5 KR 14/11). Inzwischen musste sich das SG Saarland auch mit der Frage befassen, welche Grundsätze vor dem 01.04.2007 (Einführung von § 275 Abs. 1c SGB V) anzuwenden sind. Das Sozialgericht geht auch hier von dem Grundsatz des zeitnahen Abschlusses des Prüfverfahrens aus und rechnet das Fehlverhalten des SMD der Krankenkasse zu. Insgesamt ist dies eine begrüßenswerte und weiterführende Entscheidung.

Der Gerichtsbescheid ist noch nicht rechtskräftig und hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 28.09.2018 14:22:38
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Newsletetr Apherese-Thrombozytenkonzentrate
 

Das Risiko, dass nur Apherese-Thrombozytenkonzentrate anstelle von Poolkonzentraten zur Verfügung stehen, trägt das Krankenhaus

Urteil des LSG für das Saarland vom 22.08.2012, Az.: L 2 KR 39/09

- Apherese-Thrombozytenkonzentrate, Poolkonzentrate, Risikoverteilung -

Ich möchte Sie über eine weitreichende Entscheidung des LSG für das Saarland informieren. Das Krankenhaus stellte der beklagten Krankenkasse das Zusatzentgelte ZE84 für die Gabe von Apherese-Thrombozytenkonzentrate in Rechnung. Die Krankenkasse vertrat die Auffassung, die Gabe von gepoolten Thrombozytenkonzentraten sei ausreichend; es dürfe daher nur die DRG F11A abgerechnet werden. Das Krankenhaus vertrat die Auffassung, dass sie auf die Lieferung von Thrombozytenkonzentrate keinen Einfluss habe. Zur Zeit der Behandlung der Patientin hätten nachweislich nur Apherese-Thrombozytenkonzentrate zur Verfügung gestanden. Das LSG hat sich der Rechtsauffassung des SG angeschlossen, das die Klage abgewiesen hatte. Die Berufung des Krankenhauses wurde daher zurückgewiesen. Kern des Rechtsstreits war die Frage, wer das finanzielle Risiko für Abweichungen von der geplanten Krankenhausbehandlung bei Umständen trägt, die außerhalb des unmittelbaren Verantwortungsbereiches des Krankenhauses oder der Krankenkasse liegen. Unter Bezug auf den Beschluss des Großen Senats des BSG (Beschluss vom 25.09.2007, GS 1/06, Rdz. 19) hat das LSG das Risiko der Nichtverfügbarkeit von Poolkonzentraten dem Krankenhaus auferlegt. Dies gelte dann, wenn die Krankenbehandlung aus medizinischen Gründen keine Apherese-Thrombozytenkonzentrate – wie hier – erfordere. M.E. kann das LSG sich nicht auf den Beschluss des Großen Senats vom 25.09.2007 stützen. Im vorliegenden Fall geht es nicht um strukturelle oder organisatorische Fragen, sondern um die sachgerechte Krankenhausbehandlung. Insoweit handelt es sich – im Gegensatz zur Auffassung des LSG – bei der Verabreichung von Apherese-Thrombozytenkonzentraten anstelle der nicht verfügbaren Poolkonzentrate um medizinische Gründe, die untrennbar mit der Krankenhausbehandlung verbunden sind. Der Große Senat des BSG hatte sich in seinem Grundsatzbeschluss ausdrücklich darauf berufen, dass es Aufgabe der GKV sei, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern (§ 1 Satz 1 SGB V). Dabei gehe es um die Bereitstellung der für diese Zwecke benötigten medizinischen Versorgung (BSG GS, a.a.O., Rdz. 19). Im vorliegenden Fall geht es um eine medizinisch notwendige Versorgung der Patientin, für die zum Behandlungszeitpunkt ausschließlich Apherese-Thrombozytenkonzentrate zur Verfügung standen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Obwohl es sich um eine grundsätzliche Entscheidung handelt, hatte das LSG die Revision nicht zugelassen, so dass beim BSG Nichtzulassungsbeschwerde eingereicht wurde.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 28.09.2018 14:23:15
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Newsletter Verantwortungsbereich
 

Auslegung des Begriffes Verantwortungsbereich nach § 2 Abs. 3 FPV 2008 

Urteil des BSG vom 12.07.2012, Az.: B 3 KR 15/11 R

- unvermeidbare Komplikationen, Wiederaufnahme, Obere Grenzverweildauer, Risikotragung, Verantwortungsbereich -

Mit Newsletter vom 20.07.2012 haben wir Sie bereits auf der Grundlage der Pressemitteilung des BSG über die Auslegung von § 2 Abs. 3 FPV 2008 (Fallzusammenführung wegen Komplikation) informiert. Inzwischen liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor. Das BSG hatte zu klären, ob unvermeidbare Komplikationen in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallen. Dies betrifft all jene Komplikationen, die bei bestimmten Krankheiten bzw. Eingriffen typischerweise oder auch nur in Ausnahmefällen auftreten und nicht (bzw. nicht beweisbar) auf ein irgendwie geartetes fehlerhaftes Verhalten der Krankenhausärzte oder des Pflegepersonals zurückzuführen sind. Diese Kategorie verweist das BSG in dem Verantwortungsbereich des Krankenhauses. Zur weiteren Begründung stützt sich das BSG auf den Sinn und Zweck der Regelung in § 2 Abs. 3 FPV 2008. Ziel der Fallzusammenführung sei es, im Hinblick auf mögliche Komplikationen zu frühe Entlassungen der Patienten zu vermeiden, zumindest jedoch hierzu keinen finanziellen Anreiz zu geben. Das Krankenhaus trage daher das Risiko von innerhalb der oberen Grenzverweildauer auftretenden Komplikationen, soweit sie nicht auf das Verhalten des Versicherten oder Dritter zurückzuführen sind. Wörtlich führt das BSG hierzu aus: „Nur wenn die erneute Einweisung in dasselbe Krankenhaus auf Umständen beruht, die mit der frühen Behandlung in keinerlei Zusammenhang im Sinne direkter oder gemeinsamer Ursächlichkeit stehen, handelt es sich um einen neuen Behandlungsfall, der zur Abrechnung einer weiteren Fallpauschale berechtigt.“ (BSG, a.a.O., Rdz. 23) Mit dem vorliegenden Urteil hat das BSG eine Grundsatzentscheidung zur Frage der Fallzusammenführung bei Komplikationen gefällt. Die Entscheidung des BSG führt dazu, dass bei Komplikationen das Krankenhaus grundsätzlich die Verantwortung für den Behandlungsfall innerhalb der oberen Grenzverweildauer trägt. Es hat daher eine Fallzusammenführung vorzunehmen, es sei denn, es liegen Umstände vor, die mit der früheren Behandlung in keinerlei Zusammenhang im Sinne direkter oder gemeinsamer Ursächlichkeit stehen.

Das Urteil ist hier wiedergeben.

  letzte Änderung: 28.09.2018 14:23:57
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Newsletter Mindestmenge Knie-TEP
 

Mindestmengenregelung für Kniegelenk-TEPs

Urteil des BSG vom 12.09.2012, Az.: B 3 KR 10/12 R

- Mindestmenge Knie-TEP, GBA-Beschluss, Zusammenhang zwischen Behandlungsmenge und -qualität, Ausübungsverbot -

Im Gegensatz zur Vorinstanz hat das BSG die Beweisanforderungen zum Zusammenhang zwischen Menge der Leistungen und der Behandlungsqualität abgemildert. Es bedürfe keiner belastbaren wissenschaftlichen Belege zum Nachweis für einen Zusammenhang von Qualität und Quantität im Sinne der Auslegung durch die Vorinstanz. Das Vorinstanz hatte einen wissenschaftlichen Beleg zum Nachweis gefordert, dass „die nach der gesetzlichen Wertung zu Grunde liegende Vermutung für einen Zusammenhang von Qualität und Quantität stärker als üblich und eine nennenswerte, greifbare und patientenrelevante Beziehung zwischen Menge und Qualität besteht“. Das BSG geht demgegenüber davon aus, dass es sich um hochkomplexe medizinische Leistungen handeln muss, bei denen die mit wissenschaftlichen Belegen untermauerte Erwartung berechtigt ist, dass die Güte der Leistungserbringung in besonderem Maße auch von der Erfahrung und Routine mit der jeweiligen Versorgung beeinflusst ist. Hierzu reichen aussagefähigen Studien aus, die einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der durchgeführten Operationen und der Qualität des Behandlungsergebnisses wahrscheinlich machen. Die für Knie-TEPs vorliegende Studienlage belege einen solchen Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Versorgungsqualität. Das BSG konnte jedoch keine abschließende Entscheidung treffen, da im vorliegenden Fall vom GBA nicht dargelegt worden ist, von welchen Annahmen und Erwägungen sich der GBA bei der Festlegung der Mindestmenge bei Knie-TEPs auf 50 Operationen pro Jahr und Krankenhaus hat leiten lassen und ob seine Entscheidung demgemäß als vertretbar anzusehen ist. Das BSG vermisst auch eine nachvollziehbare Begründung vom GBA, weshalb bei der Mindestmengenfestlegung auf Krankenhäuser und nicht auf Operateure abgestellt wurde. Ergänzend führt das BSG an, dass § 137 Abs. 3 Satz 2 SGB V ein Ausübungsverbot für die Leistungserbringer darstelle. In dem weiteren Verfahren habe daher das LSG zu prüfen und zu klären, ob der GBA in hinreichender Weise Ausnahmetatbestände geschaffen hat, um die Rechtsfolgen des Ausübungsverbotes abzumildern. Der Terminsbericht ist hier wiedergegeben.

Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werde ich weiter berichten.

  letzte Änderung: 28.09.2018 14:24:29
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Newsletter ZE2007-41
 

Die Anwendung einer apparativen Funktionsdiagnostik gemäß OPS-Kode 8-977 (2007) umfasst auch die Röntgenuntersuchung 

Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 21.06.2012, Az.: L 5 KR 232/11 (nicht rechtskräftig)

- ZE2007-41 (Multimodal-nichtoperative Komplexbehandlung des Bewegungssystems) -

Die Parteien streiten darüber, ob das Krankenhaus den OPS-Kode 8-977 (2007) verschlüsseln durfte. Die Krankenkasse verweigerte die Zahlung des ZE2007-41 (Multimodal-nichtoperative Komplexbehandlung des Bewegungssystems) mit der Begründung, eine Röntgenaufnahme stelle keine apparative Funktionsdiagnostik dar. Gegen das Urteil in I. Instanz, das dem Krankenhaus den Zahlungsanspruch zuerkannte, hat die beklagte Krankenkasse Berufung eingelegt (siehe Newsletter zum Urteil des SG Koblenz vom 07.11.2011, S 3 KR 193/09). Das LSG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 21.06.2012 die Berufung zurückgewiesen. Der OPS-Kode 8-977 (2007) sei streng nach seinem Wortlaut auszulegen. Der Begriff apparative Funktionsdiagnostik lasse erkennen, dass es sich um ein technisches Untersuchungsverfahren („apparativ“) handeln muss, das der Diagnose von Funktionsstörungen dient. Beim Stehen handele es sich um eine wesentliche Funktion des Bewegungsapparates. Somit sei die durchgeführte Röntgendiagnostik auch vom Begriff „apparative Funktionsdiagnostik“ mit umfasst. Entsprechend der Rechtsprechung des BSG hat sich das LSG streng am Wortlaut des OPS-Kodes orientiert. Es konnte daher keinem Zweifel unterliegen, dass eine Röntgenaufnahme eine apparative Funktionsdiagnostik darstellt. In der OPS-Version 2009 ist inzwischen auch das Röntgen ausdrücklich als apparative Funktionsdiagnostik aufgeführt.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 28.09.2018 14:25:10
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Newsletter Versorgungsauftrag
 

Operative Eingriffe an der Wirbelsäule einschließlich Bandscheibenoperationen gehören auch zum Gebiet Chirurgie

Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 19.07.2012, Az.: 22 U 55/10 – nicht rechtskräftig

- Versorgungsauftrag, Chirurgie, Neurochirurgie, Wirbelsäulenoperationen, Bandscheibenoperationen, Leistungserbringung durch Dritte -

Die Klinik und eine Patientin streiten über die Behandlungskosten für eine Operation an der Wirbelsäule (Bandscheibenoperation). Die Beklagte hat die Rechnung nicht gezahlt, da die Behandlung vom Versorgungsauftrag der Klinik nicht gedeckt sei. Der Klinik sei nur das Gebiet Chirurgie und nicht das Gebiet der Neurochirurgie bzw. Neurologie zugewiesen. In erster Instanz hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das OLG Frankfurt am Main hat das Urteil des Landgerichts abgeändert und die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Das OLG Frankfurt am Main geht davon aus, dass Chirurgie und Neurochirurgie zwei getrennte Gebiete in der Weiterbildungsordnung für Ärzte darstellen. Die Krankenhausplanung in Hessen richtet sich nach der Weiterbildungsordnung für Ärzte. Die in Frage stehenden Operationen an der Wirbelsäule können sowohl dem Gebiet der Neurochirurgie als auch dem Gebiet der Chirurgie (Orthopädie) zugeordnet werden. Die Bandscheibenoperationen gehören daher zum Versorgungsauftrag der Klinik. Gegen die Hinzuziehung eines Neurochirurgen als Honorararzt bestünden keine Bedenken. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG gehören zu den allgemeinen Krankenhausleistungen auch die vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter. Das Urteil des OLG Frankfurt nimmt Bezug auf Entscheidungen des VG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.02.2010, Az.: 5 K 1985/08) und des VG Hannover (Urteil vom 22.07.2010, Az.: 7 A 3146/08). Insoweit schließt es sich dieser Rechtsprechung an, die den Versorgungsauftrag im Gebiet Chirurgie für Bandscheibenoperationen (Wirbelsäulenoperationen) bejaht hat. Bemerkenswert sind auch die Ausführungen zur Hinzuziehung eines Vertragsarztes bei der Leistungserbringung. Das OLG Frankfurt am Main hat die Hinzuziehung auf der Grundlage des § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG uneingeschränkt bejaht. Inzwischen hat der Gesetzgeber jedoch zur Rechtssicherheit beigetragen. Das Psych-Entgeltgesetz vom 21.07.2012 (BGBl. I, Seite 1613) hat § 2 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG geändert. Danach können Krankenhausleistungen „auch durch nicht festangestellte Ärztinnen und Ärzte“ erbracht werden. Aus der Gesetzesbegründung ist zu ersehen, dass es sich hierbei um eine Klarstellung handelt.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

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Newsletter Komplikation
 

 

Auslegung des Begriffes Verantwortungsbereich nach § 2 Abs. 3 FPV 2008: Auch unvermeidbare Komplikationen fallen in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses, sofern sie vor Ablauf der oberen Grenzverweildauer zur Wiederaufnahme eines Patienten führen

Urteil des BSG vom 12.07.2012, Az.: B 3 KR 15/11 R

- Komplikation, Wiederaufnahme, Obere Grenzverweildauer, Risikotragung -

 

In einer Grundsatzentscheidung hat sich das BSG mit der Auslegung des Begriffes Verantwortungsbereich in § 2 Abs. 3 FPV 2008 befasst. In einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten war die Frage offen, ob auch unvermeidbare Komplikationen in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallen, sofern sie vor Ablauf der oberen Grenzverweildauer zur Wiederaufnahme eines Patienten führen. In seiner Grundsatzentscheidung weist das BSG das Risiko unvermeidbarer Komplikationen dem Krankenhaus zu. Mit dem Auftrag zur Behandlung eines Versicherten übernehme das Krankenhaus die Verantwortung für die insgesamt vorgesehene Verweildauerzeit. Wird der Versicherte vorzeitig entlassen, konkretisiere die Wiederaufnahme wegen einer mit der durchgeführten Leistung in Zusammenhang stehenden Komplikation lediglich das Risiko des Krankenhauses, seine Leistungen bis zum Erreichen der oberen Grenzverweildauer erbringen zu müssen. Nicht in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallen aber solche Komplikationen, die zwar auch im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung stehen, aber maßgeblich erst durch ein unvernünftiges Verhalten des Versicherten – mangelnde Compliance – oder durch das Dazwischentreten eines Dritten hervorgerufen worden sind. Ergänzend führt das BSG aus, das Ziel der Fallzusammenführung sei es, im Hinblick auf mögliche Komplikationen zu frühe Entlassungen der Patienten zu vermeiden, zumindest keinen finanziellen Anreiz in diese Richtung zu geben. Damit ist die Grundsatzentscheidung des BSG zu Gunsten der Versichertengemeinschaft gefällt worden. Bisher liegt nur die Pressemitteilung des BSG vom 12.07.2012 vor, auf den sich diese Newsletter stützt. Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werde ich ausführlich berichten.

Der Terminsbericht ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 28.09.2018 14:26:46
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Aufrechnungsverbot in NRW; Sanierungsbeitrag I. Quartal 2007
 

- Aufrechungsverbot in NRW, Weiteranwendung des Landesvertrages NRW nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V, Sanierungsbeitrag, Erstattungsanspruch -

Die Krankenkasse hatte einen Erstattungsanspruch nach § 8 Abs. 9 Satz 2 KHEntgG a.F. auch für das I. Quartal 2007 geltend gemacht. Sie vertrat die Auffassung, dass auf Grund des GKV-WSG mit Wirkung vom 01.01.2007 ein Abschlag in Höhe von 0,5 % des Rechnungsbetrages anzusetzen ist (sog. Sanierungsbeitrag). Da das GKV-WSG erst am 30.03.2007 verkündet worden ist, erfolgten im I. Quartal 2007 noch keine Rechnungskürzungen. Die Beklagte hat daher u.a. auch für das I. Quartal 2007 mit Rechnungen für andere Krankenhausbehandlungen die ihrer Auffassung nach zustehenden Erstattungsbeträge (Sanierungsbeitrag) verrechnet. Hiergegen hat das Krankenhaus geklagt. Die beklagte Krankenkasse hat Widerklage erhoben. Das LSG hat bezogen auf die Klage des Krankenhauses herausgestellt, dass in NRW ein Aufrechnungsverbot besteht, wenn sachliche Einwendungen geltend gemacht werden. Entsprechend seiner früheren Rechtsprechung (LSG NRW, Urteil vom 03.06.2003, Az.: L 5 KR 205/02 und Urteil vom 01.09.2011, Az.: L 16 KR 212/08) folge aus § 15 Abs. 4 Satz 2 des Landesvertrages NRW nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V ein Aufrechnungsverbot in Fällen der Beanstandung sachlicher Art. An dieser Rechtsauffassung werde festgehalten. Der Landesvertrag sei zwar am 08.04.2003 gekündigt worden. Die Vertragsparteien hätten sich aber darauf verständigt, bis zu einer Neuregelung den Vertrag weiter zu praktizieren. Des Weiteren hat das LSG NRW bezogen auf die Widerklage der Krankenkasse festgestellt, dass der Sanierungsbeitrag auch rückwirkend zum 01.01.2007 erhoben werden durfte. § 8 Abs. 9 KHEntgG a.F. ist verfassungsgemäß, auch was die rückwirkende Erhebung des Sanierungsbeitrages zum 01.01.2007 betrifft. Zum Einen sei durch die nachträgliche Erhebung des Sanierungsbeitrages kein wesentlicher Nachteil für die Krankenhäuser zu verzeichnen (Bagatell-Vorbehalt), zum Anderen bestünden vorrangige Gründe des Gemeinwohls (finanzielle Stabilität der GKV). Das Urteil des LSG NRW stellt noch einmal heraus, dass in NRW für die Krankenkassen ein vertragliches Aufrechnungsverbot bei Beanstandungen sachlicher Art besteht. Es hält an seiner bisherigen Rechtsprechung somit ausdrücklich fest. Als erstes Berufungsgericht musste sich das LSG NRW auch mit der Frage der Rückwirkung des Sanierungsbeitrages zum 01.01.2007 befassen. Es ordnet die nachträgliche Anwendung des Sanierungsbeitrages für das I. Quartal 2007 als echte Rückwirkung ein. Allerdings ist diese Rückwirkung entweder als sog. „Bagatell-Vorbehalt“ oder auf Grund vorrangiger Gründe des Gemeinwohls rechtlich zulässig. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung wurde die Revision zugelassen.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 28.09.2018 14:27:12
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Newsletter Amtsermittlungsgrundsatz
 

§ 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V stellt eine Ausschlussfrist für Einwendungen der Krankenkassen dar, die auch in sozialgerichtlichen Verfahren beachtlich ist und den Amtsermittlungsgrundsatz einschränkt. Sie sperrt die Verwertung dazu im Widerstreit erlangter Beweisergebnisse.

Urteil des BSG vom 16.05.2012, Az.: B 3 KR 14/11 R

- Amtsermittlungsgrundsatz, Ausschlussfrist, Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung, Verwertungsverbot -

Das BSG hat nochmals in besonderer Tiefe die drei Prüfungsebenen der Krankenkassen beleuchtet und vertiefend dargestellt (siehe bereits BSG, Urteil vom 22.04.2009, B 3 KR 24/07 R). Die erste Prüfungsebene stellt die Sachverhaltserhebung auf Grund der Angaben nach § 301 Abs. 1 SGB V dar. Bestehen weitere Zweifel der Krankenkasse, greift die zweite Ebene des Prüfungsverfahrens. Die zweite Ebene des Prüfungsverfahrens bezieht sich auf die Sachverhaltserhebung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Die Krankenkasse hat eine gutachterliche Stellungnahme des MDK einzuholen. Hierzu stellt die Krankenkasse dem MDK die ihr vorliegenden Unterlagen zur Verfügung (Daten nach § 301; vom Versicherten überlassene Unterlagen; Kurzbericht). Das von den Krankenkassen einzuleitende Prüfungsverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V stellt die dritte Ebene des Prüfungsverfahrens der Krankenkassen dar. Es greift dann, wenn sich auf der ersten und zweiten Prüfungsebene keine abschließende Beurteilung ergibt. Danach ist das Krankenhaus verpflichtet, dem MDK gem. § 276 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V alle Sozialdaten zu übermitteln (BSG-Urteil, a.a.O., Rdz. 21). Das BSG stellt heraus, dass die Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V nur für die dritte Ebene des Prüfungsverfahrens Bedeutung hat. Wird die Prüfungsfrist überschritten, kann der medizinische Sachverhalt nicht mehr durch Ermittlung des MDK gemäß § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V überprüft oder weiter aufgeklärt werden. Entsprechende Prüfaufträge an den MDK sind unzulässig und die Krankenhäuser sind nicht mehr zur Übermittlung von Sozialdaten verpflichtet. Insoweit erfolgt eine Begrenzung der Sachverhaltsermittlung, die auch im Gerichtsverfahren fortwirkt. Das Sozialgericht darf insoweit keine zusätzlichen Ermittlungen mehr vornehmen bzw. verwerten. Schließlich befasst sich das BSG noch mit der wichtigen Frage, wann die Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c SGB V in Gang gesetzt wird. Nach Auffassung des BSG greift die Ausschlussfrist nur, „wenn das Krankenhaus seinerseits die ihm obliegenden Mitteilungspflichten im Verhältnis zur Krankenkasse über Anlass und Verlauf der abgerechneten Krankenhausversorgung bis zur Vorlage der Abrechnung ordnungsgemäß erfüllt und damit den Lauf der Ausschlussfrist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V überhaupt in Gang gesetzt hat.“ (BSG-Urteil, a.a.O., Rdz. 31).

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 28.09.2018 14:27:40
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Newsletter Zeitnahe Durchführung der Prüfung
 

Die Prüfung des SMD muss innerhalb von 12 Wochen nach Einleitung des Prüfverfahrens abgeschlossen werden – der Verstoß gegen die zeitnahe Prüfung hat einen Einwendungsausschluss der Krankenkasse zur Folge

Urteil des LSG für das Saarland vom 21.03.2012, L 2 KR 57/11 – nicht rechtskräftig

- Zeitnahe Durchführung der Prüfung, Einwendungsausschluss, Präklusionswirkung -

Für eine Krankenhausbehandlung stellte das Krankenhaus der Knappschaft die DRG F62B (2009) in Rechnung. Die Knappschaft beauftragte ihren sozialmedizinischen Dienst (SMD) mit einer gutachterlichen Stellungnahme nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Die Prüfungsmitteilung des SMD erfolgte am 21.10.2009 an das Krankenhaus. Die gutachterliche Stellungnahme des SMD datierte vom 22.04.2010. Er kam zur Auffassung, dass die DRG F62C abzurechnen sei, da bestimmte Nebendiagnosen nicht zu kodieren seien. Das LSG hat der Auffassung des Krankenhauses Rechnung getragen und die verspätete Überprüfung durch den SMD für treuwidrig erachtet. Unter Bezug auf die Gesetzesbegründung zum GKV-WSG (BT-Drucks. 16/3100) folgert das LSG, dass eine Prüfung nur dann zeitnah gemäß § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V sei, wenn sie innerhalb von 12 Wochen nach Einleitung des Prüfverfahrens abgeschlossen ist. Dabei orientierte sich das LSG an der in § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V vorgesehenen 6-Wochen-Frist für die Einleitung des Prüfverfahrens. Für die Durchführung des Prüfverfahrens sei diese Frist zu verdoppeln. Somit müsse das Prüfungsverfahren innerhalb von 12 Wochen nach Einleitung des Prüfverfahrens abgeschlossen sein. Der Verstoß des SMD gegen das in § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V verankerte Gebot der zeitnahen Prüfung sei der Knappschaft zuzurechnen. Der Verstoß gegen den Grundsatz der zeitnahen Prüfung habe zur Folge, dass die Krankenkasse mit allen Einwendungen ausgeschlossen sei, die sich auf die Sachverhaltsermittlung beziehe. Die Ausschlusswirkung könne sich nur darauf beziehen, was einer Überprüfung durch den SMD (MDK) nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zugänglich sei. Zu den tatsächlichen Umständen, die einer Überprüfung durch den SMD zugänglich sind, gehört auch die medizinische Seite der Kodierung. Die zu klärenden Nebendiagnosen seien medizinische Fragestellungen, die im vorliegenden Fall damit der Präklusionswirkung unterliegen. Das BSG hatte kürzlich bereits entschieden, dass ein Verstoß gegen die Einleitung des Prüfungsverfahrens innerhalb der 6-Wochen-Frist einen Einwendungsausschluss der Krankenkasse einschließlich eines Verwertungsverbotes zur Folge hat (BSG-Urteil vom 16.05.2012, Az.: B 3 KR 14/11 R – wir berichteten hierüber). Das LSG erstreckt die Präklusionswirkung nunmehr auch auf die Durchführung des Prüfverfahrens. Das LSG lässt ausdrücklich offen, ob seine Grundsatzentscheidung auch für den MDK Anwendung findet. Diese Fragestellung ist zur Zeit beim BSG anhängig (Az.: B 1 KR 24/11 R). Des Weiteren liegt dem BSG bereits die Fragestellung vor, ob bei beanstandeter Kodierung der MDK nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V einzuschalten ist (Az.: B 1 KR 14/12 R). Das LSG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Die schriftlichen Urteilsgründe werden in Kürze hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 28.09.2018 14:28:17
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Newsletter Aufwandspauschale
 

Der Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V besteht auch nach Stellung einer Zwischenrechnung

Urteil des BSG vom 16.05.2012, Az.: B 3 KR 12/11 R

- Aufwandspauschale, Schlussrechnung, Zwischenrechnung -

Das klagende Krankenhaus hatte für einen psychiatrischen Patienten (Langlieger) eine Zwischenrechnung gestellt. Der MDK bestätigte die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung. Die Krankenkasse beglich in der Folge alle Rechnungen in voller Höhe. Die Zahlung der Aufwandspauschale lehnte sie ab, da sie die Auffassung vertrat, dass § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V eine Schlussrechnung voraussetze. Das BSG gab dem klagenden Krankenhaus Recht. Die Tatsache, dass das Krankenhaus lediglich eine Zwischenrechnung gestellt habe, sei unbeachtlich. Nach Zugang einer Zwischenrechnung (§ 8 Abs. 7 Satz 2 KHEntgG) werde vermutet, dass eine danach erfolgte Beauftragung des MDK in aller Regel zur Abrechnungsprüfung dient. Voraussetzung ist auch hier, dass das Krankenhaus alle seine gegenüber der Krankenkasse bestehenden Rechtspflichten erfüllt habe. Das Urteil des BSG bestätigt die Rechtsauffassung der Krankenhäuser, dass eine Aufwandspauschale zu zahlen ist, wenn die in § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V genannten Voraussetzungen vorliegen, unabhängig davon, ob eine Zwischen- oder Schlussrechnung gestellt wurde. Von einer Abrechnungsprüfung im Sinne von § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V ist regelmäßig dann auszugehen, wenn der vom MDK erteilte Prüfungsauftrag bei objektiver Betrachtungsweise eine Herabsetzung der im Raume stehenden Krankenhausvegütung zur Folge haben kann und zudem zum Zeitpunkt der Auftragserteilung an den MDK zumindest bereits eine erste Krankenhausrechnung ordnungsgemäß erstellt und bei der Krankenkasse eingegangen ist. In diesem Fall wird unwiderleglich vermutet, dass Ziel des beauftragen MDK-Gutachtens eine Minderung der Vergütung ist (BSG, a.a.O., Rdz. 17).

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 01.10.2018 16:44:34
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Newsletter Amtsermittlungsgrundsatz
 

§ 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V stellt eine Ausschlussfrist für Einwendungen der KK dar, die auch in sozialgerichtl. Verf. beachtlich ist und den Amtsermittlungsgrundsatz einschränkt. Sie sperrt die Verwertung dazu im Widerstreit erlangter Beweisergebnisse

Urteil des BSG vom 16.05.2012, Az.: B 3 KR 14/11 R

- Amtsermittlungsgrundsatz, Einwendungsausschluss, Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung, Verwertungsverbot -

Das BSG hat sich in einer Grundsatzentscheidung mit der Frage befasst, ob § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V eine Ausschlussfrist für die Krankenkassen darstellt, so dass diese nach Ablauf der 6-Wochen-Frist mit Einwendungen ausgeschlossen sind. Dies hat das Bundessozialgericht bejaht. Es hat festgestellt, dass die in § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V vorgesehene 6-Wochen-Frist eine Ausschlussfrist darstellt. Diese Einwendungs-Ausschlussfrist ist auch in sozialgerichtlichen Verfahren beachtlich und schränkt den Amtsermittlungsgrundsatz ein. Die Ausschlussfrist hat Sperrwirkung in dem Sinne, dass im Widerstreit hierzu erlangte Beweisergebnisse nicht verwertet werden dürfen (Verwertungsverbot). Zunächst liegt nur der Terminbericht des BSG vor, der hier wiedergegeben wird.

Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werde ich weiter berichten.

  letzte Änderung: 01.10.2018 16:45:04
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Newsletter Sicherstellungszuschlag
 

Sicherstellungszuschlag für Krankenhäuser nach § 5 Abs. 2 KHEntgG i. V. m. § 17 b Abs. 1 Satz 6 KHG

Urteil vom 01.03.2012, Az.: 7 K 1593/09.GI - rechtskräftig

- Sicherstellungszuschlag, Pampaszuschlag, geringer Versorgungsbedarf, Vorhaltekosten -

Das Verwaltungsgericht Gießen hat in einer Grundsatzentscheidung festgestellt, dass einem Krankenhaus aufgrund der finanziellen Unterdeckung in der Intensivstation mit sechs Betten ein Sicherstellungszuschlag dem Grunde nach zusteht. Das Sozialministerium hatte den Antrag auf Gewährung eines Sicherstellungszuschlages (außerhalb einer Insellage) abgelehnt. Es hatte zur Voraussetzung gemacht, dass das Krankenhaus insgesamt insolvenzgefährdet sei. In Auslegung von §§ 5 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG, 17b Abs. 1 Satz 6 KHG kommt das VG zur Auffassung, dass die Regelungen über die nicht kostendeckende Finanzierung der Leistungen nicht auf das gesamte Krankenhaus, sondern auf die defizitär arbeitende konkrete Krankenhausabteilung abstellen. Anknüpfungspunkt für die zusätzliche Vergütung über Zuschläge sei immer eine konkret vorgehaltene Leistungsart. Das VG Gießen hat als erstes Verwaltungsgericht in der Bundesrepublik Deutschland eine positive Grundsatzentscheidung über die Gewährung des Sicherstellungszuschlages gefällt. Die Krankenkassen, mit denen nach § 5 Abs. 2 KHEntgG zunächst über den Sicherstellungszuschlag zu verhandeln ist, lehnen grundsätzlich Sicherstellungszuschläge ab und gewährten nur bei einer Insellage einen Zuschlag. Im vorliegenden Fall ging es jedoch um einen Sicherstellungszuschlag „in der Fläche“ (sog. Pampaszuschlag).

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 01.10.2018 16:45:34
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Newsletter OPS-Kode 8-918 (20017)
 

 Der OPS-Kode 8-918 (Multimodale Schmerztherapie) setzt Anwesenheit des verantwortlichen Arztes im Krankenhaus in einem bestimmtem Mindestumfang voraus - – nicht rechtskräftig

- OPS-Kode 8-918 (2007), Verantwortlicher, Spezielle Schmerztherapie

Die Parteien streiten über die Erfüllung des OPS-Kode 8-918 ( Multimodale Schmerztherapie - 2007), der für die Abrechnung der DRG I42Z relevant ist. Der Krankenhausträger und der Chefarzt hat einer Ärztin die Verantwortlichkeit für die multimodale Schmerztherapie übertragen. Diese Ärztin verfügt über die Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“. Die angestellte Ärztin war in zwei Krankenhäusern des selben Krankenhausträgers tätig. Sie hat die Patientin zweimal persönlich untersucht und behandelt und im Übrigen während der Behandlungszeit an drei Teambesprechungen teilgenommen. Die Krankenkasse verweigerte die Bezahlung. Das LSG geht davon aus, dass der Begriff „Verantwortlicher“ im OPS-Kode 8-918 eine Anwesenheit in dem betreffenden Krankenhaus zumindest in einem bestimmten Mindestumfang voraussetze. Welcher Mindestumfang der Tätigkeit notwendig ist, lässt das LSG offen. Es grenzt insoweit den Begriff negativ ab und stellt fest, dass die Anwesenheit an einem Tag in der Woche jedenfalls nicht ausreiche, um der Verantwortung für Leistungen, wie sie im OPS-Kode 8-918 beschrieben werden, gerecht zu werden. Das Urteil des LSG begegnet Bedenken. Die Wahrnehmung der Verantwortlichkeit setzt bereits begrifflich keine Tätigkeit am Patienten voraus. Wie die Vorinstanz festgestellt hat, genügt hierfür eine planende, überwachende und steuernde Funktion. Die Verantwortung wird im Regelfall durch Weisungen sichergestellt.

Die Klägerin hat Revision beim BSG eingelegt, so dass das Urteil nicht rechtskräftig ist. Über den weiteren Fortgang des Verfahrens werden wir Sie zeitnah informieren.

  letzte Änderung: 01.10.2018 16:46:29
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Newsletter Zahlungsvorbehalt
 

Negative Feststellungsfrage des Krankenhauses wegen Zahlungsvorbehalt der Krankenkasse

– Urteil des SG Koblenz vom 13.12.2011, Az.: S 12 KR 367/10 – nicht rechtskräftig 

Eine Krankenkasse aus Rheinland-Pfalz hat die Bezahlung einer Krankenhausrechnung unter Vorbehalt vorgenommen. Der Vorbehalt lautete sinngemäß wie folgt: Sollte eine Prüfung nach § 17c Abs. 2 KHG zu dem Ergebnis führen, dass die Notwendigkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung von der Klägerin nicht korrekt beurteilt werde bzw. medizinisch nicht vorgelegen habe oder die Abrechnung/Kodierung seitens der Klägerin nicht korrekt erfolgt sei, werde die Krankenkasse den gezahlten Betrag zurückfordern bzw. mit zukünftigen Forderungen des Krankenhauses verrechnen. Das Krankenhaus wandte sich gegen den Vorbehalt mit der Begründung, mangels Schlichtungsstelle in Rheinland-Pfalz sei eine Stichprobenprüfung nach § 17c KHG nicht zulässig. Es erhob eine neg. Feststellungsklage. Das Sozialgericht Koblenz hält die negative Feststellungsklage für unzulässig und für unbegründet. Das Sozialgericht Koblenz kommt zu dem Schluss, dass dem Krankenhaus ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Unzulässigkeit des Rückforderungsvorbehalts fehle. Schließlich verfüge das Krankenhaus bereits über den Rechnungsbetrag. Ergänzend weist das SG darauf hin, dass die Feststellungsklage auch unbegründet sei. Die in Rheinland-Pfalz fehlende Schlichtungsstelle schließe nicht aus, eine Stichprobenprüfung nach § 17c KHG vorzunehmen. Die Gesetzesregelung sei als Kann-Bestimmung vorgegeben. Der Schlichtungsausschuss müsse nicht angerufen werden. Aus dem Urteil geht hervor, dass bei einer sog. negativen Feststellungsklage ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis (Feststellungsinteresse) vorliegen muss. Dies hat es im vorliegenden Fall verneint. Das Krankenhaus hätte abwarten können, bis die Krankenkasse verrechnet. Demgegenüber bestehen grundsätzliche Bedenken zur Rechtsauffassung des Sozialgerichts zur Durchführung einer Stichprobenprüfung nach § 17c KHG, obwohl im Land Rheinland-Pfalz keine Schlichtungsstelle eingerichtet wurde. § 17c Abs. 4 KHG setzt die Einrichtung eines Schlichtungsausschusses voraus. Aufgabe des Schlichtungsausschusses ist die Schlichtung zwischen den Vertragsparteien. Dabei verkennt das Sozialgericht den Regelungsgehalt von § 17c Abs. 4 Satz 1 KHG. Dort ist lediglich geregelt, dass die Vertragsparteien den Schlichtungsausschuss anrufen können. Nicht geregelt wird, dass der Schlichtungsausschuss eingerichtet werden kann; dies ist keine Ermessensvorschrift. Die Rechtsauffassung des SG Koblenz ist daher zurückzuweisen. Damit wird in erhebliche Verfahrensrechte des Krankenhauses eingegriffen, dem die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit, die Schlichtungsstelle anzurufen, von vornherein genommen ist.

  letzte Änderung: 01.10.2018 16:47:15
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Newsletter Wiederaufnahme
 

Der Zeitablauf bei der Wiederaufnahme in dasselbe Krankenhaus unterliegt nicht der Prüfung

– Urteil des LSG für das Saarland vom 16.02.2011 – L 2 KR 51/08 - rechtskräftig 

Ein Patient wurde vom 29.11.2004 bis 07.12.2004 (Dienstag) sowie vom 13.12.2004 (Montag) bis 29.12.2004 im Krankenhaus stationär behandelt. Die beklagte Krankenkasse verlangte eine Fallzusammenführung gemäß § 2 Abs. 3 KFPV 2004 (siehe jetzt: § 2 Abs. 3 FPV 2012). Sie vertrat die Auffassung, dass der Patient bereits am Freitag, dem 10.12.2004, hätte aufgenommen werden können. In diesem Fall hätte eine Fallzusammenführung erfolgen müssen, da der Patient dann innerhalb der oberen Grenzverweildauer wieder aufgenommen worden wäre. Die verzögerte Wiederaufnahme verstoße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot aus § 12 SGB V. Das Sozialgericht verurteilte die Krankenkasse zur Zahlung. Die dagegen gerichtete Berufung der Krankenkasse war erfolglos. Das LSG stützt seine Entscheidung darauf, dass über die Fallzusammenlegung anhand von DRG-Nummern oder Partitionen sowie von Fristen entschieden wird. Es handele sich dabei um Entscheidungen im Massengeschäft, die durch EDV getroffen werden. Beurteilungsspielräume sollen vermieden werden. Diesem Ziel würde es widersprechen, wenn jeweils im Einzelfall geprüft werden müsste, ob eine zweite außerhalb der oberen Grenzverweildauer liegende stationäre Behandlung schon früher hätte begonnen werden können, so dass sie innerhalb der oberen Grenzverweildauer der ersten stationären Behandlung liegen würde. Das LSG kommt zu dem Schluss, dass der zeitliche Ablauf für die Wiederaufnahme im Krankenhaus nicht einer Prüfung unterliegt. Es kann daher nicht geprüft werden, ob eine zweite außerhalb der oberen Grenzverweildauer liegende stationäre Behandlung schon früher hätte begonnen werden können. Die Auffassung der beklagten Krankenkasse zur früheren Wiederaufnahme wird strikt zurückgewiesen. Der besondere Charme dieses Falles liegt darin, dass die Krankenkasse ausführte, der Patient hätte noch am Freitag, also auch über das Wochenende hinaus, im Krankenhaus der Klägerin behandelt werden müssen. Bisher hatte die Krankenkasse durchweg das Gegenteil vertreten. Beachtlich sind in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen des LSG, dass das Rücksichtnahmegebot nicht soweit geht, dass ein Krankenhaus verpflichtet sei, Patienten ohne medizinische Notwendigkeit stationär aufzunehmen, um eine Abrechnungsoptimierung zu Gunsten der Krankenkasse zu erreichen.

  letzte Änderung: 01.10.2018 16:47:43
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Newsletter Unbedingte Zahlungspflicht
 

Unbedingte Zahlungspflicht der Krankenkassen gemäß Pflegesatzvereinbarung

Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 07.02.2012, Az.: L 5 KR 344/11 

Die Klägerin betreibt eine Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie und für geriatrische Rehabilitation. In der Pflegesatzvereinbarung für 2007 ist vereinbart, dass die Rechnung des Krankenhauses innerhalb von 3 Wochen nach Rechnungseingang zu bezahlen ist, andernfalls entstehen Verzugszinsen in Höhe von 4 % des jeweiligen Basiszinssatzes. Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art sind durch Zahlung nicht ausgeschlossen. Stellt sich im Nachhinein eine unberechtigte Rechnungslegung heraus, storniert das Krankenhaus nach der Pflegesatzvereinbarung die ursprüngliche Rechnung, stellt eine neue Rechnung aus und zahlt den zuviel erhaltenen Betrag innerhalb von 3 Wochen zurück. Die Krankenkasse leistete auf die Rechnungen des Krankenhauses keine Zahlung. Letztlich lehnte sie unter Bezug auf Äußerungen und gutachterliche Stellungnahmen des MDK eine Bezahlung endgültig ab. Das Sozialgericht lehnte die Klage ab, weil keine akutstationäre Krankenhausbehandlung erfolgt sei; es handele sich vielmehr um eine rehabilitationsähnliche Behandlung. Auf die Berufung der Klägerin hat das Bayerische Landessozialgericht der Klage stattgegeben und das vorinstanzliche Urteil aufgehoben. Das LSG führt aus, dass der Vergütungsanspruch für die erbrachten Krankenhausleistungen mit Rechnungsstellung entstanden ist. Nach der Pflegesatzvereinbarung ist der entstandene Vergütungsanspruch innerhalb von 3 Wochen fällig geworden. Die Beklagte war daher zur zeitgerechten Bezahlung verpflichtet. Auf die Einwände der Beklagten zur Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit komme es nicht an. Die Pflegesatzvereinbarung geht davon aus, dass das Krankenhaus die Bezahlung verlangen kann. Nur im Falle, dass sich im Nachhinein herausstellen sollte, dass die gestellten Rechnungen unberechtigt waren, wäre ein zuviel erhaltener Betrag zurückzuzahlen. Das bedeutet: Solange ein Abrechnungsstreit ungeklärt ist, ist die Krankenkasse zur Zahlung verpflichtet. Ist der Abrechnungsstreit geklärt, muss binnen dreier Wochen eine Korrektur/Ausgleich erfolgen. Durch die umgehende Zahlungspflicht werden die Krankenkassen nicht unzumutbar schlecht gestellt. Schließlich sind sie mit nachträglichen Einwänden nicht ausgeschlossen. Zur Begründung der umgehenden Zahlungspflicht stützt sich das LSG auf das GKV-WSG vom 24.10.2006 (BT-Drucks. 16/3100). Aus dem Gesetzentwurf ergäbe sich, dass es einer Krankenkasse nicht gestattet sei, bei beanstandeten Rechnungen lediglich den unbestrittenen Teil der Forderung gleichsam als Vorschusszahlung unter Zurückbehaltung des bestrittenen Anteils bis zur abschließenden Klärung zu leisten. Danach gehe auch der Gesetzgeber von der grundsätzlichen Zahlungspflicht der Krankenkassen aus. Das LSG-Urteil verdient im Krankenhausbereich besondere Beachtung. In konsequenter Umsetzung der Zahlungsregelungen in der Pflegesatzvereinbarung geht das LSG von folgenden Leitgedanken aus: Das Krankenhaus erbringt durch die Krankenhausbehandlung eine Vorleistung. Es tritt damit regelmäßig in längerfristige Vorlage. Die Regelung in der Pflegesatzvereinbarung löst daher eine primäre Zahlungspflicht der Krankenkasse innerhalb des vereinbarten Zahlungszieles aus. Das Prüfungsverfahren sei ein sekundäres Klärungsverfahren und setze die umgehende Zahlungspflicht voraus. Im Ergebnis sei daher der Zahlungsklage eines Krankenhauses bei Nichtzahlung innerhalb von 3 Wochen gemäß der Regelung in der Pflegesatzvereinbarung stattzugeben, ohne dass Einwendungen der Krankenkassen zur Rechtmäßigkeit der Abrechnung geprüft werden dürfen.

  letzte Änderung: 01.10.2018 16:48:13
 
Newsletter 6-Wochen-Frist
 

Die Krankenkassen sind nach Ablauf der 6-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V mit ihren Einwendungen endgültig ausgeschlossen

- Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 09.03.2012 (S 17 KR 136/10) 

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Klägerin hat der Beklagten für die stationäre Behandlung eines Patienten (Behandlungszeitraum 14:32-19:28 Uhr) die DRG-Fallpauschale F67D unter Berück¬sichtigung eines Abschlages bei Grenzverweildauerunterschreitung in Rechnung gestellt. Die Beklagte verweigerte die Zahlung mit der Begründung, dass eine vollstationäre Krankenhausbehandlung nicht vorliegen würde. Nachdem die Klägerin im Mai 2010 Klage erhoben hatte, beauftragte die Beklagte den MDK. Der MDK kam zum Ergebnis, dass der Patient lediglich in der Notfallambulanz behandelt wurde. Eine Integration des Patienten in den Krankenhausbetrieb habe nicht stattgefunden. Das Sozialgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Das Sozialgericht bewertet die 6-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V als Ausschlussfrist. Versäumt die Krankenkasse innerhalb der 6-Wochen-Frist den MDK einzuschalten, kann die Krankenkasse im Klageverfahren das Prüfverfahren nicht nachholen. Das Sozialgericht hat sich hier der Auffassung des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 13.07.2011, L 1 KR 501/10 – nicht rechtskräftig) angeschlossen, wonach es sich bei der 6-Wochen-Frist um eine Einwendungsausschlussfrist handelt. Da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, hat das Sozialgericht die Berufung zugelassen.

Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werden diese hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 01.10.2018 16:48:41
 
Newsletter Pflicht zur zeitnahen Prüfung
 

 

Rückerstattungsanspruch der Krankenkassen innerhalb der 4-jährigen Verjährungsfrist

Urteil des Landessozialgericht für das Saarland vom 19.10.2011, Az.: L 2 KR 55/09

Pflicht zur zeitnahen Prüfung, Krankenhausabrechnung, Treu und Glauben, Bagatellgrenze 

Das klagende Krankenhaus hatte im Jahre 2004 der beklagten Krankenkasse für einen Krankenhausbehandlungsfall eine Rechnung gestellt, die zunächst voll - unter Vorbehalt – beglichen wurde. Ende 2008 teilte die beklagte Krankenkasse dem Krankenhaus mit, dass sie mit der Höhe der Forderung nicht einverstanden sei. Die beklagte Krankenkasse verrechnete daher ihre Forderung auf Erstattung mit einer anderen Rechnung des Krankenhauses Anfang 2009. Das Krankenhaus wandte im Laufe des Rechtsstreits ein, dass die Aufrechnung verspätet erfolgt sei. Die späte Aufrechnung der Krankenkasse verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Das Landessozialgericht wies die Klage ab. Im Folgenden kommt das Landessozialgericht zu dem Schluss, dass die (sehr späte) Aufrechnung nicht treuwidrig war. Zunächst geht das Landessozialgericht davon aus, dass die Krankenkasse mit ihrer sehr späten Aufrechnung gegen die Pflicht zur zeitnahen Prüfung der Krankenhausrechnung verstoßen habe. Die Krankenkasse habe dafür Sorge zu tragen, dass eine Krankenhausrechnung innerhalb kurzer Zeit auf ihre sachliche und rechnerische Richtigkeit geprüft werde. Erst recht gelte dies nach Einführung von § 275 Abs. 1 c SGB V. In der Folge wendet das LSG die Rechtsprechung des Bundessozialgericht zur Nachforderung von Krankenkassen entsprechend an (siehe BSG Urteile vom 08.09.2009 – B 1 KR 11/09 R und Urteil vom 17.09.2009 – B 3 KR 12/08 R). Nach dem „Prinzip der Waffengleichheit“ sei die vom Bundessozialgericht entwickelte Bagatellgrenze auch für den umgekehrten Fall (Bereicherungsanspruch der Krankenkassen) heranzuziehen. Da im vorliegenden Fall der Aufrechnungsbetrag über 300,00 € liege und auch mehr als 5 % des ursprünglichen Rechnungsbetrages ausmache, habe die beklagte Krankenkasse aufrechnen können. Im Ergebnis hat das Landessozialgericht die Klage daher abgewiesen. Im vorliegenden Fall geht es noch um einen Altfall, für den die sechs-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1 c Satz 2 SGB V noch nicht galt. Dieser Tatbestand wurde erst durch das GKV-WSG zum 01.04.2007 eingeführt. Aus den Urteilsgründen ist jedoch zu entnehmen, dass das LSG allgemein die Bagatellgrenze zugrunde legen möchte. Dies ist bedenklich. Der Grundsatz der zeitnahen Prüfung nach § 275 Abs. 1 c Satz 1 SGB V gebietet die Einhaltung der Pflicht zur zeitnahen Prüfung. Dieser Grundsatz würde unterlaufen wenn die Krankenkasse noch Jahre nach Stellen der Krankenhausrechnung einen Rechtsgrund zur Aufrechnung geltend machen könnte. Der Verstoß gegen die Pflicht zur zeitnahen Prüfung, den das Landessozialgericht bejaht hat, bliebe ansonsten sanktionslos. Das Urteil des Landessozialgericht begegnet daher Bedenken.

Es bleibt abzuwarten, wie das Bundessozialgericht hierüber entscheidet.

  letzte Änderung: 01.10.2018 16:49:32
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Newsletter Nebendiagnose D62
 

Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 20.09.2011 (S 4 KR 75/10) zur Kodierung einer akuten Blutungsanämie

-Nebendiagnose D62, Bereitstellung von Blutkonserven, personeller und überwachungstechnischer Aufwand- 

Eine bei der beklagten Krankenkasse versicherte Patientin wurde im klagenden Krankenhaus im November 2008 stationär behandelt. Postoperativ entwickelte die Patientin eine Nachblutung mit Hämatombildung, die einen Revisionseingriff erforderlich machte. Es kam zur Anämie, so dass von den behandelnden Ärzten die Bereitstellung zweier Blutkonserven für die Patientin sowie die hierfür erforderliche „Blutkreuzung“ veranlasst wurde. Die bereitgestellten Blutkonserven wurden aber nicht transfundiert. Die Klägerin rechnete gegenüber der Beklagten die DRG-Fallpauschale F59A ab. Kodiert wurde unter anderem die Nebendiagnose D62 (akute Blutungsanämie). Die Beklagte erkannte unter Bezugnahme auf ein MDK-Gutachten die oben genannte Nebendiagnose nicht an und vergütete lediglich die DRG-Fallpauschale F54Z. Das Krankenhaus erhob Zahlungsklage vor dem Sozialgericht Fulda. Die Beklagte wurde vom Sozialgericht zur Zahlung verurteilt. Das Sozialgericht hat festgestellt, dass das Krankenhaus die Nebendiagnose D62 kodieren durfte. Um Blutkonserven zur Verfügung zu stellen, müsse im Vorfeld bei dem Patienten eine Verträglichkeitsprüfung hinsichtlich der Blutgruppe AB0-System, Rhesus-System und Kell-System erfolgen, was auch die Durchführung eines Antikörpersuchtests beinhalte. Die Identität des Patienten müsse im Labor zum wiederholten Male überprüft werden; erst dann könne die Blutprobe gekreuzt werden. Die Kreuzung von Blutkonserven erfordere einen apparativen Aufwand, vor allem aber einen erheblichen Personaleinsatz im Rahmen der Diagnostik und Überwachung. Dieser Aufwand entstehe völlig unabhängig davon, ob die Blutkonserven letztlich einem Patienten verabreicht werde. Die Bereitstellung von Blutkonserven nach erfolgter Blutkreuzung unterscheide sich deutlich von der Anforderung oder Bevorratung von Fertigmedikamenten, die als solche lediglich in Bestand gehalten werden, ohne das hierzu ein Aufwand in beschriebenem Umfang erforderlich wäre. Das Sozialgericht hat somit festgestellt, dass die Kreuzung von Blutkonserven auch ohne deren Transfusion zusätzlichen diagnostischen Aufwand verursacht und damit das Patientenmanagement entsprechend der DKR D003d beeinflusst hat. Für die Kodierung der Diagnose D62 als Nebendiagnose ist somit eine Verabreichung von Blutkonserven nicht erforderlich; der dargestellte personelle und überwachungstechnische Aufwand reicht zur Kodierung aus.

Das Urteil wird demnächst hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 01.10.2018 16:50:06
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Newsletter Abgrenzung ambulant/stationär
 

 

Urteil des Landessozialgerichts Schleswig-Holstein vom 24.03.2011 (L 5 KR 50/10)

- Abgrenzung ambulant - stationär, Eingliederung in die Infrastruktur - 

Eine bei der beklagten Krankenkasse versicherte Patientin befand sich über eine Zeitraum von ca. 5 ½ Stunden im klagenden Krankenhaus. Die beklagte Krankenkasse war der Auffassung, dass hier eine ambulante Behandlung vorlag, da die Patientin weniger als 24 Stunden stationär geführt wurde und verweigerte die Zahlung Rechnung. In erster Instanz wurde die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Das Landessozial-gericht hat dieses Urteil bestätigt. Das Landessozialgericht hat festgestellt, dass die Krankenhausbehandlung nicht ambulant, sondern stationär – und zwar vollstationär – durchgeführt wurde. Nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 04.03.2004 – B 3 KR 4/03 R) sei eine vollstationäre Behandlung im Sinne einer physischen organisatorischen Eingliederung in das spezifische Versorgungssystem dann gegeben, wenn sie sich nach dem Behandlungsplan des Krankenhauses in der Vorschau zeitlich mindestens über einen Tag und eine Nacht erstreckt. Das Bundessozialgericht habe jedoch weiter ausgeführt (Urteil vom 20.02.2007 – B 3 KR 17/06 R), dass sich mit diesem Kriterium lediglich bei Operationen eine in aller Regel praktikable Abgrenzung der stationären Behandlung vom ambulantem Operieren erzielen lasse. Entscheidend sei letztendlich, in welchem Umfang neben der Dauer der Behandlung die Versicherten die Infrastruktur des Krankenhauses eingliedert wurde. Dies hänge davon ab, welche konkrete Erkrankung vorliegt und wie diese üblicherweise zu behandeln ist. Wird ein Versicherter mit Verdacht auf eine lebensbedrohliche Erkrankung in eine eigens solchen Fällen vorbehalten Intensivstation eingeliefert, so stelle dies die nachhaltigste Form der Einbindung in einen Krankenhausbetrieb und damit den Prototyp einer stationären Behandlung dar. Die Versicherte habe als Notfallpatientin eine Infrastruktur in Anspruch genommen, wie sie nur im Krankenhaus vorgehalten wird. Eine ambulante Behandlung hätte nicht ausgereicht. Das Landessozialgericht hat in Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG festgestellt, dass für die Abgrenzung zwischen ambulanten Behandlung und stationärer Krankenhausbehandlung zu prüfen ist, ob eine physische und organisatorische Eingliederung in den Krankenhausbetrieb erfolgt ist. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn die Patientin für weniger als 24 Stunden in ein Krankenhaus aufgenommen wird und eine ambulante Behandlung nicht ausgereicht hätte.

Das Urteil wird in Kürze hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 01.10.2018 16:50:42
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Newsletter Nachberechnung
 

Nachberechnung bei Überschreitung des Haushaltsjahres der Krankenkassen ist zulässig

(Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 10.11.2011, Az.: L 5 KR 75/11) - nicht rechtskräftig 

Die Klägerin hatte der beklagten Krankenkasse am 08.08.2006 eine Schlussrechnung für die Behandlung eines Versicherten in Höhe von 1.780,94 € übersandt. Nachdem die Klägerin festgestellt hatte, dass Nebendiagnosen nicht kodiert worden waren, wurde die alte Rechnung storniert und eine neue Rechnung am 20.02.2007 über 2.788,04 € gestellt. Die beklagte Krankenkasse verweigerte die Zahlung des Restbetrages mit der Begründung, die Klägerin führe regelmäßige Nachprüfungen durch. Im Übrigen sei das Haushaltsjahr der Krankenkasse zum Zeitpunkt der Nachberechnung überschritten. Das SG Lübeck gab der Klage statt. Die Berufung der Krankenkasse wurde durch das Schleswig-Holsteinische LSG zurückgewiesen. Das LSG hat die Revision zugelassen. Nach Auffassung des LSG spielt die Überschreitung des Haushaltsjahres der Krankenkasse keine Rolle, da das BSG in der Fortentwicklung der Rechtsprechung für die Beurteilung der Nachberechnung eine Bagatellgrenze (Rechnungskorrektur beträgt mindesten 300 € und 5 % des Ausgangsrechnungsbetrages) eingeführt hat.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 01.10.2018 16:51:10
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Newsletter OPS-Kode 8-977
 

Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 07.11.2011 (S 3 KR 193/09) zum OPS-Kode 8-977 (multimodal-nichtoperative Komplexbehandlung des Bewegungssystems) - nicht rechtskräftig 

Zwischen den Beteiligten war strittig, ob das klagende Krankenhaus den OPS-Kode 8-977 Version 2007 (multimodal-nichtoperative Komplexbehandlung des Bewegungssystems) kodieren durfte. Die Klägerin hatte der Beklagten in einem stationären Behandlungsfall die DRG-Fallpauschale B71D und das Zusatzentgelt ZE2008-41 (multimodal-nichtoperative Komplexbehandlung des Bewegungssystems) in Rechnung gestellt. Die Krankenkasse bestritt die Erfüllung der Voraussetzungen der Anwendung einer apparativen Funktionsdiagnostik und verweigerte die Zahlung des Zusatzentgeltes ZE2008-41. Das Krankenhaus hatte hier statische Momentaufnahmen der Lendenwirbelsäule durchgeführt und dies als apparative Funktionsdiagnostik bewertet. Im Klageverfahren hat das Sozialgericht ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Sachverständige kam zum Ergebnis, dass die Voraussetzungen einer apparativen Funktionsdiagnostik erfüllt seien. Auch rein statische Momentaufnahmen der Lendenwirbelsäule ließen wesentliche funktionelle Aspekte erkennen. Die Betrachtung und Analyse eines Röntgenbildes durch einen Orthopäden gehe weit über die reine Strukturanalyse hinaus. Das Sozialgericht hat die Beklagte zur Zahlung des Zusatzentgeltes ZE2008-41 verurteilt. Das Sozialgericht stützt seine Auffassung insbesondere auf das Ergebnis der Beweisaufnahme. Die durchgeführte Röntgenuntersuchung sei als apparative Funktionsdiagnostik im Sinne des OPS 8-977 (Version 2007) anzusehen. Im Text des OPS in der Version 2007 sei dabei nicht näher spezifisiert, was unter dem Begriff der apparativen Funktionsdiagnostik zu verstehen sei. Das Röntgen sei ausdrücklich erst in der OPS-Version 2009 aufgeführt. Allerdings sei bereits in der Version 2007 das Röntgen als ein Fall der apparativen Funktionsdiagnostik anzusehen, da die Auswertung des Röntgenbildes immer funktionsanalytische Überlegungen durch den behandelnden Orthopäden fordern würde. Die funktionsanalytischen Aspekte auch der Aufnahme im Stehen sei neben der Strukturanalyse für den Orthopäden entscheidend wichtig. Die Ergänzungen im OPS 2009 seien als Klarstellungen anzusehen. Durch das Urteil des Sozialgerichts ist nunmehr klargestellt, dass die ergänzende Aufzählung bezüglich der apparativen Funktionsdiagnostik (z.B. Röntgen, MRT, CT, videogestützte Bewegungsanalyse, Posturographie, computergestützte Bewegungs- oder Kraftmessung, EMG, Optimetrie) des OPS 8-977 in der Version 2009 als erläuternde Klarstellung anzusehen ist und nicht als Neuregelung.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:30:52
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Newsletter NUB 30 Mitralclip
 

Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB 30 Mitralclip) kann (auch) in einer Fachabteilung Innere Medizin (Kardiologie) durchgeführt werden - der Versorgungsauftrag ist zu bejahen – Beschluss der Schiedsstelle Hessen vom 29.06.2011, Az.: Sch 10/20 

Die Sozialleistungsträger bekämpfen bundesweit die Vereinbarung von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden „Mitralclip“ in Krankenhäusern, die eine Fachabteilung Innere Medizin (Kardiologie) und keine herzchirurgische Fachabteilung vorhalten. Dies gilt selbst für Krankenhäuser der Maximalversorgung. In einem bundesweit ersten Schiedsstellenverfahren hat die Schiedsstelle der Auffassung des Krankenhauses vollständig Rechnung getragen und das NUB Mitralclip zum Versorgungsauftrag eines Krankenhauses gerechnet, das lediglich eine Fachabteilung Innere Medizin Kardiologie planerisch zugewiesen bekommen hatte (Beschluss der Schiedsstelle Hessen vom 29.06.2011, Az.: Sch. 10/2011 (2011)). Das Regierungspräsidium hat den Schiedsstellenbeschluss genehmigt und sich dabei auf die Stellungnahme der Landesärztekammer Hessen gestützt. Diese hat in ihrer Stellungnahme ausgeführt, dass die Leistungen Mitralclip vom Versorgungsauftrag Innere Medizin (Kardiologie) gedeckt seien. Die Landesärztekammer führt aus, dass diese Methode in mehreren Krankenhäusern von Kardiologen praktiziert werde. Die Implantation eines Mitralclips erfolge mittels Kathetertechnik in Narkose aber ohne Verwendung einer Herz-Lungen-Maschine. Das Gebiet Innere Medizin und Kardiologie sei wie folgt umschrieben: „Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in (...) - interventionellen Therapien von erworbenen und kongenitalen Erkrankungen des Herzens und der herznahen Venen.“ Unerheblich sei, dass auch das Gebiet Herzchirurgie diese Leistung mit umfasse. Die Sozialleistungsträger vertreten bei diesem Verfahren eine sehr restriktive Auffassung, die sich mit dem zugewiesenen Versorgungsauftrag nicht in Einklang bringen lässt. Der Versorgungsauftrag eines Krankenhauses richtet sich nach dem Planfeststellungsbescheid des Landes. Dieser stellt regelmäßig auf die Gebiete nach der ärztlichen Weiterbildungsordnung ab. Maßgeblich ist somit die Definition des jeweiligen Fachgebietes. Die Landesärztekammer Hessen hat anhand der Gebietsdefinition Innere Medizin und Kardiologie in einwandfreier Weise den Inhalt des Gebietes beschrieben. Somit gehört das NUB Mitralclip zum Gebiet Innere Medizin (Kardiologie). Daneben bringt es zum Ausdruck, dass selbstverständlich auch das Gebiet der Herzchirurgie diese Leistung erbringen kann.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:32:19
 
Newsletter OPS-Kode 8-981
 

Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 17.11.2011 (S 23 KR 114/11) zum OPS-Kode 8-981.1 und zum Einwendungsausschluss bei fehlender MDK-Prüfung - nicht rechtskräftig 

Eine bei der beklagten Krankenkasse versicherte Patientin wurde auf der Stroke-Unit der Klägerin behandelt. Die inkomplette globale Aphasie war innerhalb von 24 Stunden komplett rückläufig. Hinzu kamen jedoch weitere neurologische Auffälligkeiten wie zunehmende Verwirrtheit, Taubheitsgefühl und schiefer Mund. Die Klägerin kodierte den OPS-Kode 8-981.1 Version 2006 (Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls: Mehr als 72 Stunden). Die Beklagte beglich die in Rechnung gestellten Behandlungskosten nur teilweise mit der Begründung, dass der OPS-Kode 8-981.1 nicht erfüllt sei. Bei einer kompletten Rückbildung der transitorischen ischämischen Attacke (TIA) innerhalb von 24 Stunden sei eine Behandlung auf der Stroke-Unit von mehr als 72 Stunden nicht gerechtfertigt, so dass lediglich der OPS-Kode 8-981.0 Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls: Mindestens 24 Stunden bis höchstens 72 Stunden) erfüllt sei. Die Krankenkasse hat ein Prüfverfahren durch den Sozialmedizinischen Dienst eingeleitet. Eine Mitteilung über das Ergebnis der Begutachtung wurde dem Krankenhaus zu keiner Zeit übermittelt. Das Krankenhaus erhob Zahlungsklage vor dem Sozialgericht für das Saarland. Die Beklagte wurde vom Sozialgericht zur Zahlung verurteilt. Das Sozialgericht hat festgestellt, dass die Abrechnung des Krankenhauses korrekt sei. Aus der Tatsache, dass sich nach Ablauf von 24 Stunden die TIA vollständig zurückgebildet hatte ergebe sich nicht, dass eine Kodierung des OPS 8-981.1 nicht zulässig sei. Der OPS sehe in seinen Mindestmerkmalen nicht das Vorliegen der TIA von über 24 Stunden vor. Dies ergebe sich nicht nur aus dem eindeutigen Wortlaut des OPS, sondern auch aus dem Umstand, dass in den späteren Kodierrichtlinien nunmehr ausdrücklich der Hinweis enthalten ist, dass dieser Kode auch bei Vorliegen einer TIA angegeben werden kann. Somit sei davon auszugehen, dass auch andere neurologische Defizite, die innerhalb von mehr als 72 Stunden vorgelegen und die Fortführung der neurologischen Komplexbehandlung notwendig gemacht haben, zur Kodierung des OPS 8-981.1 führen könne. Falls die Krankenkasse weitere konkrete Zweifel an dem Vorliegen der Mindestmerkmale gehabt hätte, sei diese verpflichtet gewesen, zeitnah eine abschließende Begutachtung durch den Sozialmedizinischen Dienst zu veranlassen. Da dies nicht geschehen sei wäre nunmehr ein entsprechender Einwand der Krankenkasse nicht mehr zulässig. Das Sozialgericht hat somit festgestellt, dass die Kodierung des OPS-Kodes 8-981.1 Version 2006 auch beim Vorliegen einer TIA angegeben werden kann. Auch bei einer kompletten Rückbildung der TIA innerhalb von 24 Stunden kann bei Vorliegen weiterer neurologischer Defizite die weitere Behandlung auf der Stroke-Unit erforderlich sein. Des Weiteren hat das Sozialgericht klargestellt, dass die Krankenkasse bei einer versäumten Einleitung des Prüfverfahrens mit ihren Einwendungen gegen das Vorliegen der Mindestmerkmale des oben genannten OPS ausgeschlossen ist.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:32:45
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Newsletter § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V
 

Urteil des Bayerischen Landessozialgericht vom 04.10.2011 – L 5 KR 14/11 - Eine Überprüfung einer Krankenhausbehandlung 8 Monate nach Rechnungsstellung ist nicht mehr zeitnah im Sinne des § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V - nicht rechtskräftig 

Die Krankenkasse hat Klage auf Herausgabe von Krankenhausunterlagen in einem Behandlungsfall erhoben. Das Krankenhaus hatte am 24.05.2007 der Klägerin eine Rechnung gestellt. Diese hatte zunächst die Rechnung unter Vorbehalt gezahlt und gleichzeitig den MDK innerhalb der Sechswochenfrist mit einer Prüfung beauftragt. Der MDK zeigte die Prüfung ordnungsgemäß an, jedoch wurde die Prüfung selbst nicht durchgeführt. Nach Ablauf von 8 Monaten teilte das Krankenhaus mit, es lehne eine Prüfung nunmehr ab, da die Abrechnungsprüfung nicht zeitnah erfolgt sei. Aus seiner Sicht sei der Fall abgeschlossen. Daraufhin erhob die Krankenkasse Stufenklage. In erster Instanz wurde das Krankenhaus zur Herausgabe der Unterlagen verurteilt; auf die Berufung des Krankenhauses hin hob das LSG das Urteil auf und wies die Klage ab. Das LSG stützte seine Rechtsauffassung auf den Grundsatz von Treu und Glauben, aus dem wechselseitige Obhutspflichten folgten. Der Gesetzgeber habe selbst den unbestimmten Begriff „zeitnah“ nicht näher ausgefüllt, somit sei es Aufgabe des Sozialgerichts, diesen zu konkretisieren. Die Zeitnähe sei unter Berücksichtigung der gegenseitigen Interessenlagen von Krankenkassen und Krankenhäusern zu bestimmen. Für die Krankenhäuser bestehe ein Beschleunigungsbedarf. Die Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung seien wirtschaftlich zu verwenden und deshalb betriebswirtschaftlich zu verwalten; dies bedinge eine zügige Abwicklung von Beanstandungs- und Nichtzahlungsfällen. Auch die jährlich zu führenden Pflegesatzverhandlungen setzen ein gewisses Maß an Sicherheit für die Ermittlung des Finanzbedarfs voraus. Auch die Beweislastregeln sprächen für den Beschleunigungs-grundsatz. Bei der Bestimmung der Zeitnähe sei zugunsten der Krankenkasse zu berücksichtigen, dass der MDK sämtliche Abrechnungen zu prüfen habe. Daraus resultiere ein erheblicher Prüfaufwand. Der MDK müsse ein Prüfteam zusammenstellen, Ort und Zeit der Überprüfung abstimmen und einen ausreichenden Zeitraum für die Sachaufklärung vorsehen. Eine genaue Festlegung eines exakten Zeitraumes bedürfe es im konkreten Fall nicht, da jedenfalls nach weit über 7 Monate Zeitablauf seit Ankündigung der Überprüfung das Kriterium der Zeitnähe nicht mehr erfüllbar sei. Nach Auffassung des LSG folge daraus die dauerhafte Unzulässigkeit der Abrechnungsprüfung . Nur durch diese konsequente Folge könne dem Gebot der Zeitnähe zur Wirksamkeit verholfen werden. Die Krankenkasse sei die Herrin des Verfahrens. Der MDK sei insoweit als Erfüllungsgehilfe der Krankenkasse tätig geworden. Das Urteil des LSG hat in bemerkenswerter Klarheit den Grundsatz der Zeitnähe nach § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V konkretisiert. Es hat als Ausgangspunkt das gegenseitige Treueverhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse gewählt und ausgehend davon die unterschiedlichen Interessenlagen bewertet. Dabei hat es in die Waagschale geworfen, dass das Krankenhaus ein Bedürfnis nach Bilanz- und Kalkulationssicherheit hat. Auf der anderen Seite steht das Interesse der Krankenkasse und des MDK, im Rahmen der zu bewältigenden Vielzahl von Prüfungen nicht überfordert zu werden. Nach der sorgfältigen Abwägung beidseitiger Interessen ging es um die Frage, welche Rechtsfolge die Verletzung des gesetzlichen Gebots zur Zeitnähe auslöst. Dies führt nach Auffassung des LSG zur dauerhaften Unzulässigkeit der Abrechnungsprüfung. Nur durch diese Rechtsfolge könne den vorgenannten Interessen der Krankenhäuser Rechnung getragen werden . § 275 Abs. 1c Satz 1 SGB V sei eine Regelung zum Schutze der Krankenhäuser. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat das LSG die Revision zugelassen.

Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, wird das Urteil hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:33:20
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Newsletter Nachberechnung
 

Nachberechnung bei Überschreitung des Haushaltsjahres der Krankenkassen ist zulässig (Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 10.11.2011, Az.: L 5 KR 75/11) - nicht rechtskräftig 

Die Klägerin hatte der beklagten Krankenkasse am 08.08.2006 eine Schlussrechnung für die Behandlung eines Versicherten in Höhe von 1.780,94 € übersandt. Nachdem die Klägerin festgestellt hatte, dass Nebendiagnosen nicht kodiert worden waren, wurde die alte Rechnung storniert und eine neue Rechnung am 20.02.2007 über 2.788,04 € gestellt. Die beklagte Krankenkasse verweigerte die Zahlung des Restbetrages mit der Begründung, die Klägerin führe regelmäßige Nachprüfungen durch. Im Übrigen sei das Haushaltsjahr der Krankenkasse zum Zeitpunkt der Nachberechnung überschritten. Das SG Lübeck gab der Klage statt. Die Berufung der Krankenkasse wurde durch das Schleswig-Holsteinische LSG zurückgewiesen (Az.: L 5 KR 75/11); die Revision wurde zugelassen. Das Urteil des LSG Schleswig-Holstein stützt sich auf die grundlegenden Ausführungen des 3. Senats des BSG und entwickelt einen in sich logischen Prüfungsfahrplan: 1. Prüfungsschritt: Offensichtlicher Fehler: Unbeschränkte Nachberechnung zulässig 2. Prüfungsschritt: Nachberechnung innerhalb der 6-Wochen-Frist nach Rechnungsstellung: Unbeschränkte Nachberechnung zulässig 3. Prüfungsschritt: Noch kein Abschluss des Prüfungsverfahrens der ersten Rechnung Unbeschränkte Nachberechnung zulässig 4. Prüfungsschritt: Außerhalb der 6-Wochen-Frist: Überschreitet die Rechnungs- korrektur 300 € und 5 % des Ausgangsrechnungsbetrages: Nachberechnung zulässig 5. Prüfungsschritt: Systematische Rechnungsoptimierung im Sinne, dass die Schlussrechnung nur den Charakter einer Abschlagszahlung erhält und große Anzahl der Fälle: Keine Nachberechnung zulässig Auf der Grundlage des Urteils des 3. Senats spielt die Überschreitung des Haushaltsjahres der Krankenkasse keine Rolle, da das BSG in der Fortentwicklung der Rechtsprechung die Beurteilung der Nachberechnung auf „neue Füße“ gestellt und eine Bagatellgrenze eingeführt hat. Das LSG hat die Revision zugelassen, da es sich auf die Rechtsprechung des 3. Senats des BSG stützt und damit eine gewisse Divergenz zum Urteil des 1. Senats des BSG sieht.

Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, wird das Urteil hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:34:01
 
Newsletter OPS-Kode 1-563
 

Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 04.08.2011 (L 5 KR 230/10) zur Frage der Kodierung des OPS-Kode 1-563.0 (Biopsie an Prostata durch Inzision) - nicht rechtskräftig 

Das LSG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 04.08.2011 festgestellt, dass der OPS-Kode 1-563.0 (OPS 2008) nur dann kodiert werden kann, wenn die Inzision nicht allein der Einführung des Biopsiewerkzeuges dient, sondern der weitergehenden (operativen) Öffnung eines Zugangs zum Biopsiegebiet dient oder die Biopsie im Rahmen eines aus anderen Gründen operativ (durch Inzision) eröffneten Zugangs zum Biopsiegebiet vorgenommen wird. Dem Urteil begegnen erhebliche Bedenken, da das LSG die Kodiervorschriften entgegen des Wortlautes weit auslegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind die Abrechnungsbestimmungen jedoch streng nach ihrem Wortlaut anzuwenden (siehe BSG, Urteile vom 13.12.2001 – B 3 KR 1/01 R, vom 21.02.2002 – B 3 KR 30/01 R und vom 18.09.2008 – B 3 KR 15/07 R). Aus der Kodiervorschrift selbst ergibt sich kein Hinweis darauf, dass eine Biopsie durch Inzision dann nicht vorliegt, wenn sie nur zu dem Zweck durchgeführt wird, um die Nadel problemloser einführen zu können. Das klagende Krankenhaus hat Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG eingelegt.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:34:35
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Newsletter OPS-Kode 8-918
 

OPS-Kode 8-918 (OPS Version 2007) „Multimodale Schmerztherapie“ - hier: Frage der Verantwortlichkeit - nicht rechtskräftig 

Sachverhalt

Für die Krankenhausbehandlung eines Patienten hatte das Krankenhaus der Krankenkasse unter Berücksichtigung der Prozedur 8-918 die DRG-Fallpauschale I42Z in Rechnung gestellt. Die Krankenkasse beglich lediglich die DRG-Fallpauschale I68D mit der Begründung, dass die Prozedur 8-918.1 nicht zu kodieren sei, da der Verantwortliche der Abteilung für konservative Orthopädie nicht über die erforderliche Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ verfüge. Im Krankenhaus wurde die Patientin schmerztherapeutisch von einer Ärztin mit der Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ zweimal untersucht. Diese Ärztin nahm an diesen zwei Tagen auch an den interdisziplinären Teambesprechungen teil. Entscheidung Das Sozialgericht hat die Klage teilweise abgewiesen mit der Begründung, dass der streitige OPS-Kode 8-918 hier nicht zu kodieren sei. Verantwortlich für die Behandlung der Patientin sei der Chefarzt der Abteilung gewesen. An vier Behandlungstagen habe eine Chefarztvisite stattgefunden. Des Weiteren habe der Chefarzt auch den Entlassungsbrief unterschrieben und die Verantwortung für die Therapie auf seiner Station nach außen übernommen. Da dem Chefarzt jedoch die Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ fehle, könne der streitige OPS nicht kodiert werden . Anmerkung Das Sozialgericht stellt sich mit dieser Entscheidung in Widerspruch zur bisherigen Auffassung des Sozialgerichts Koblenz. Das Sozialgericht Koblenz hat mit Urteil vom 18.08.2010 in zwei Parallelverfahren (S 6 KR 195/09 und S 6 KR 196/09) die ordnungsgemäße Abrechnung des OPS-Kode 8-918 bestätigt. Das Sozialgericht war hier der Auffassung, dass der Chefarzt die Verantwortung für die Behandlung der Patienten der Ärztin mit der Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“ übertragen konnte, so dass der OPS-Kode 8-981 kodiert werden durfte. Das Urteil des Sozialgerichts Koblenz ist nicht rechtskräftig.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:35:04
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Newsletter Aufwandspauschale
 

Urteil zur des Sozialgerichts Mainz vom 30.05.2011 (S 7 KR 194/08) zur Abrechnung der Aufwandspauschale gemäß § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V - nicht rechtskräftig 

Sachverhalt

Im Rahmen einer MDK-Prüfung bestätigte der von den Krankenkassen beauftragte MDK die ordnungsgemäß Abrechnung der Hauptdiagnose die 84.0 (mechanische Komplikation durch eine Gelenkendoprothese) und die Nebendiagnosen D62, I50.01 (sekundäre Rechtsherzinsuffizienz) und S72.10. Der MDK strich die Nebendiagnose I50.19 (Linksherzinsuffizienz), da sie in der Diagnose I50.01 enthalten war. Die Nebendiagnose J44.13 wurde hinzugefügt. Die Änderung der Nebendiagnosen führte nicht zu einer Änderung der abgerechneten DRG-Fallpauschale. Die Krankenkasse verweigerte sodann die vom klagenden Krankenhaus in Rechnung gestellte Aufwandspauschale mit der Begründung, dass der MDK einige Nebendiagnosen gestrichen und ergänzt habe und damit eine mangelhafte Kodierqualität und teilweise fehlerhafte Datenübermittlung durch die Klägerin bestätigt habe. Somit läge eine schuldhafte Pflichtverletzung seitens der Klägerin vor. Begründung Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Es geht davon aus, dass die Einleitung des Prüfverfahrens auf ein Fehlverhalten des Krankenhauses zurückzuführen sei. Die Klägerin habe ihre Übermittlungspflicht nach § 301 SGB V verletzt, indem sie die Nebendiagnosen nicht ordnungsgemäß kodiert habe. Die Klägerin habe somit die Prüfung der Krankenhausrechnung veranlasst. Das Sozialgericht bezieht sich in seiner Begründung auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 22.06.2010 (B 1 KR 1/10 R) wonach das Krankenhaus die Aufwandspauschale dann nicht beanspruchen kann, wenn ein eigenes Fehlverhalten des Krankenhauses, etwa ein Verstoß gegen die sich aus § 301 SGB V ergebenden Pflichten, zu einer überflüssigen, nutzlosen Prüfung führt oder wenn sich sogar der Abrechnungsbetrag im Nachhinein zu Lasten der Krankenkasse erhöht. Das Urteil des Sozialgerichts Mainz ist nicht rechtskräftig.

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  letzte Änderung: 02.10.2018 16:35:28
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Newsletter Nachforderung
 

Nachforderung von Krankenhäusern außerhalb des Haushaltjahres der Krankenkassen – Urteil des SG Lübeck vom 21.06.2011 (Az.: S 1 KR 615/10) 

Nachdem das BSG mit Urteil vom 17.12.2009 (Az.: B 3 KR 12/08 R) im Rahmen eines Musterrechtsstreits die Voraussetzungen zur Nachberechnung (Nachforderung/Nach¬kodierung) aufgestellt hat, berufen sich die Krankenkassen verstärkt auf das Urteil des BSG vom 08.09.2009 (Az.: B 1 KR 11/09 R). Das BSG-Urteil vom 17.12.2009 lässt bekanntlich eine Nachberechnung unter folgenden Voraussetzungen zu: (1) Unproblematisch ist eine Nachberechnung innerhalb von 6 Wochen nach Zustellung der Rechnung. (2) Nach Ablauf der 6-Wochen-Frist ist eine Nachberechnung immer dann zulässig, wenn der Nachforderungsbetrag über 300,00 € (bis 25.03.2009 über 100,00 €) liegt und der Nachforderungsbetrag mindestens 5 % des Ausgangsrechnungsbetrages beträgt. Mit diesen vom BSG aufgestellten Voraussetzungen wird eine Bagatellgrenze bestimmt. Weitere Einschränkungen enthält das Urteil nicht. Die Krankenkassen versuchen zusätzlich, eine Nachberechnung zu verhindern, wenn die Nachberechnung außerhalb des Haushaltsjahres der Krankenkasse erfolgt (z.B. Rechnungsstellung am 15.11. und Nachberechnung am 15.01. des Folgejahres). Sie stützen sich dabei auf das Urteil des BSG vom 08.09.2009 (Az.: B 1 KR 11/09 R). Dieses hatte u.a. ausgeführt, dass eine Nachforderung zwei Jahre nach Erstellung der Schlussrechnung nicht mehr zeitnah, insbesondere nicht innerhalb des laufenden Haushaltsjahres des Beklagten, erfolgt ist und dies als Verstoß gegen Treu und Glauben angesehen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass den Urteilsgründen des 1. Senats nicht zu entnehmen ist, dass in jedem Falle eine Nachforderung ausscheidet, wenn diese außerhalb des Haushaltsjahres der Krankenkasse geltend gemacht wurde. Den ergänzenden Ausführungen des 1. Senats kommt keine eigenständige Bedeutung zu. Sie diente lediglich zur Abrundung der Begründung, warum die Nachberechnung nach zwei Jahren nicht mehr als zeitnah anzusehen ist. In dem Urteil des 3. Senats vom 17.12.2009 spielt das Haushaltsjahr keine Rolle. In der Zwischenzeit ist hierzu auch ein Urteil des Sozialgericht Lübeck vom 21.06.2011 (Az.: S 1 KR 615/10) ergangen. Wörtlich führt das Sozialgericht Folgendes aus: „Die Beklagte (lies: Krankenkasse) geht fehl in der Annahme, dass Nachforderungen nur in den Grenzen des Haushaltsjahres (= Kalenderjahr) möglich sind. Zwar hat der 3. Senat (richtigerweise: 1. Senat) des BSG in seiner Entscheidung vom 08. September 2009 ausgeführt, dass es die Krankenkassen nicht hinnehmen müssen, wenn Krankenhäuser innerhalb der Verjährungsfristen durch Nachforderungen trotz erteilter Schlussrechnung ihrer Abrechnung nachträglich optimieren (BSG, a.a.O., Rn. 21) und darauf hingewiesen, die Nachforderung erfolge dann nicht mehr zeitnah, wenn sie nicht innerhalb des laufenden Haushaltsjahres, sondern mehr als zwei Jahre nach Übersendung und Bezahlung der ersten Rechnung erfolgt. Daraus kann jedoch unter Berücksichtigung der neueren Entscheidung des 3. Senats vom 17. Dezember 2009 nicht geschlossen werden, dass Nachforderungen nur in den Grenzen des Haushaltsjahres zulässig sind. Auch der Leitsatz des Urteils vom 08. September 2009 enthielt nicht diese Einschränkung, denn er lautet lediglich: ‚Ein Krankenhausträger kann von einer Krankenkasse nach Begleichung einer Endabrechnung eine weitere Vergütung wegen der bereits abgerechneten Leistung nur unter Beachtung von Treu und Glauben geltend machen, soweit vertraglich nicht Näheres geregelt ist.’ Im Übrigen hat der 3. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 17. Dezember 2009 (a.a.O.) diesen Grundsatz ausreichend konkretisiert und das Kriterium des Haushaltsjahrs nicht mehr herangezogen.“ Somit vertritt auch das Sozialgericht Lübeck die Auffassung, dass dem Haushaltsjahr bei der Frage der zulässigen Nachberechnung keine eigenständige Bedeutung zukommt. Es hat daher die Krankenkasse zur Zahlung verurteilt. Anmerkung Im Grunde ist es selbstverständlich, dass dem Haushaltsjahr der Krankenkassen bei der Nachberechnung keine Bedeutung zukommen kann. Andernfalls wäre eine Nachberechnung in den ersten Monaten eines Jahres ohne weiteres möglich, während es gegen Ende des Jahres dem Krankenhaus versagt wäre, eine Nachberechnung durchzuführen. Dass dies zu unbilligen Ergebnissen führt, liegt auf der Hand. Es ist daher davon auszugehen, dass das Urteil des 3. Senats des BSG maßgeblich ist für die Frage, wann eine Nachberechnung durchgeführt werden kann. Dort spielt das Haushaltsjahr keine Rolle. Erfreulicherweise stellt auch das Sozialgericht Lübeck dies heraus und lässt auch eine Nachberechnung dann zu, wenn das Haushaltsjahr der Krankenkasse bereits verstrichen ist. Es stellt ausschließlich auf die Voraussetzungen ab, die der 3. Senat in seinem Urteil vom 17.12.2009 (Az.: B 3 KR 12/08 R) aufgestellt hat. Das Urteil des SG Lübeck ist noch nicht rechtskräftig.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:35:54
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Newsletter Finanzierung der Praxisanleitung nach § 17a KHG
 

Nach wie vor umstritten ist die Frage, ob die arbeitsplatzbezogenen Kosten der Praxisanleitung zu finanzieren sind.

Das VG Braunschweig hatte mit Urteil vom 01.12.2010 (Az.: 5 A 134/09) bereits entschieden, dass die arbeitsplatzbezogenen Kosten der Praxisanleitung über das Ausbildungsbudget zu finanzieren sind. Hierüber haben wir bereits berichtet. Nunmehr hat sich auch das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Rheinland-Pfalz der Rechtsauffassung der Krankenhäuser angeschlossen. Es hat dabei ausgeführt, dass das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.11.2008 (3 C 39/07) nur den Zeitraum 2005 umfasse. Ab 01.01.2006 sei in Rheinland-Pfalz auf Grund eines neuen Rahmenlehrplanes für die Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflege verbindlich 300 Stunden Praxisanleitung vorgeschrieben worden. Auch im Sinne der Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts handele es sich somit um neuartige Kosten. In einer sehr umfassenden Begründung kommt das Ministerium daher zur Auffassung, dass die arbeitsplatzbezogenen Kosten der Praxisanleitung über das Ausbildungsbudget zu finanzieren sind.

Der Bescheid ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:36:23
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Newsletter Wiederaufnahme bei Komplikationen
 

Urteile zur Wiederaufnahme bei Komplikationen gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 FPV

Im Klageverfahren SG Landshut (Urteil vom 26.05.2011, Az. S 1 KR 223/09) war der dort gerichtlich bestellte Gutachter davon ausgegangen, dass die erlittene Nachblutung ein schicksalhaftes Ereignis war, dessen Ursache nicht ermittelt werden konnte. Das Sozialgericht hat festgestellt, dass die Krankenkasse die materielle Beweislast für das Vorliegen einer in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallenden Komplikation hat. Da entsprechende Feststellungen nicht getroffen werden konnten, ging die Unerweislichkeit zu Lasten der Krankenkasse. Die lapidare Feststellung des MDK, ein "medizinischer Zusammenhang mit dem Erstaufenthalt sei erkennbar", enthält keine Aussage dahingehend, dass die Komplikation in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fällt. Dieser Auffassung folgt das Sozialgericht Köln (Urteil vom 16.08.2011, Az: S 29 KR 1075/10) Allein das Vorliegen eines Kausalzusammenhanges (conditio sine qua non) reicht für eine Fallzusammenführung nach § 2 Abs. 3 FPV nicht aus. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:36:49
 
Newsletter Überprüfungsverfahren
 

Der Abschluss eines Überprüfungsverfahrens mehr als 7 Monate nach Übersendung der Rechnung verstößt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben – die Aufrechnung durch die Krankenkasse ist treuwidrig--

Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 29.04.2011, S 23 KR 78/11

Das Sozialgericht für das Saarland hat nunmehr erstmalig einen Fall entschieden, bei dem der Überprüfungsabschluss erst 7 Monate nach Rechnungszugang erfolgte. Die Krankenkasse hatte keine nachvollziehbare Begründung angegeben, warum die Überprüfung 7 Monate andauerte. Wie bereits in vorhergehenden Gerichtsbescheiden (Gerichtsbescheid vom 20.04.2011, S 23 KR 82/11 – ich berichtete hierüber) hat das Sozialgericht für das Saarland den späten Abschluss des Überprüfungsverfahren als Verstoß gegen Treu und Glauben bewertet. Das Krankenhaus konnte auf Grund des Zeitablaufes darauf vertrauen, dass die Krankenkasse keine Einwendungen mehr erheben wird, zumal das Haushaltsjahr des Klägers beendet war. Darüber hinaus sei auch die Planungssicherheit des Krankenhauses und der Umstand zu beachten, dass nach einem längeren Zeitablauf auch die Möglichkeiten des Reagierens auf Einwendungen gegen Rechnungen in der Regel sehr eingeschränkt sein werden. Der Gesetzgeber habe durch die Einführung des § 275 Abs. 1c SGB V und die darin enthaltene Fristsetzung deutlich gemacht, dass die Einzelfallprüfungen von Abrechnungen zielorientiert und zügig zu erfolgen haben (so wörtlich: SG Saarland, a.a.O.). Schließlich führt das SG Saarland aus, dass eine Krankenkasse verpflichtet sei, dafür Sorge zu tragen, dass der Prüfauftrag durch den MDK zeitnah durchgeführt werde. Der Gerichtsbescheid ist noch nicht rechtskräftig.

Die Entscheidung ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:37:41
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Newsletter Sechs-Wochen-Frist
 

Krankenkassen können nach Ablauf der Sechs-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V im Klageverfahren die versäumte Einschaltung des MDK´s nicht nachholen 

Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 13.07.2011 (nicht rechtskräftig) 

Die Klägerin hat der Beklagten für die stationäre Behandlung eines Patienten im Schlaflabor die DRG-Fallpauschale E63Z (Schlafapnoesyndrom) in Rechnung gestellt. Die Beklagte zahlte die Rechnung nicht. Der MDK wurde nicht eingeschaltet. Nachdem die Klägerin im Dezember 2007 Klage erhoben hatte, zog das Sozialgericht Braunschweig die Krankenakten bei und übermittelte die Akte der Beklagten zur Einsichtnahme durch den MDK. Der MDK kam zum Ergebnis, dass die stationäre Behandlung im Schlaflabor medizinisch nicht notwendig war. Das Sozialgericht wies die Klage ab mit der Begründung, dass eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit nicht vorgelegen habe. Des Weiteren sei es unerheblich, dass die Beklagte die Sechs-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V nicht eingehalten habe. Durch die Versäumung dieser Frist habe die Beklagte lediglich ihr Recht auf medizinische Prüfung des Falles durch den MDK unter Mithilfe des Krankenhauses verloren. Im Klageverfahren habe das Sozialgericht den Sachverhalt vollständig aufzuklären. Gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig legte die Klägerin Berufung ein. Das Landessozialgericht hat das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig aufgehoben und der Klage stattgegeben. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen bewertet die Sechs-Wochen-Frist des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V als Ausschlussfrist. Versäumt die Krankenkasse innerhalb der Sechs-Wochen-Frist, den MDK einzuschalten, ist es den Sozialgerichten verwehrt, im Verfahren den medizinischen Sachverhalt vollständig aufzuklären. Das Urteil ist bemerkenswert. Zum ersten Mal hat sich ein Landessozialgericht mit der Frage befassen müssen, ob es sich bei der Sechs-Wochen-Frist um eine Einwendungsausschlussfrist handelt. Dies wurde bejaht. Da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, hat das Landessozialgericht die Revision zugelassen.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:38:16
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Newsletter Aufwandspauschale
 

Krankenhäuser dürfen für die MDK-Prüfung der Fallzusammenlegung zwei Aufwandspauschalen abrechnen, wenn gegenüber dem Krankenhaus die Prüfung in beiden Fällen angezeigt wurde

Urteil des Sozialgerichts Trier vom 25.05.2011 (S 5 KR 128/10) 

Sachverhalt

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein bei der Beklagten Versicherter wurde im Krankenhaus der Klägerin vom 31.10.2008 bis 02.11.2008 wegen akuter Nierenkolik stationär behandelt. Am 03.11.2008 wurde der Patient erneut wegen massiver Koliken stationär aufgenommen und bis zum 05.11.2008 behandelt. Die Beklagte lies den ersten Krankenhausaufenthalt durch den MDK begutachten. Der MDK bestätigte die Notwendigkeit der Verweildauer. Die von der Klägerin gestellte Rechnung über die Aufwandspauschale wurde von der Beklagten auch beglichen. Am 27.01.2009 zeigte der MDK gegenüber der Klägerin die Begutachtung beider stationären Aufenthalte an. Der Klägerin gingen zwei Prüfanzeigen zu. Der Prüfgrund wurde nicht angegeben. Es fand eine Prüfung mit einer Begehung im Krankenhaus der Klägerin statt. Gegenstand der Prüfung war, ob eine Fallzusammenfassung aufgrund der Wiederaufnahmeregelung FPV vorliegt. Der MDK bestätigte in jedem der Behandlungsfälle, dass eine Fallzusammenführung nicht zu erfolgten hat. Der MDK erstellte für jeden Behandlungsfall ein Gutachten. Die Klägerin stellte der Beklagten für diese beiden MDK-Prüfungen jeweils eine Aufwandspauschale in Rechnung. Die Beklagte beglich nur eine dieser Rechnungen mit der Begründung, dass mehrere MDK-Prüfungen zur Fallzusammenführung die Aufwandspauschale nur einmal auslösen können. Begründung Das Sozialgericht hat der Klage stattgegeben. Die beiden erneuten MDK-Prüfungen lösen jeweils eine Aufwandspauschale gemäß § 275 Abs. 1c SGB V aus, weil sie verschiedene Behandlungsfälle und somit keinen einheitlichen medizinischen Lebenssachverhalt betreffen. Gegenüber der Klägerin wurden durch die beiden Schreiben des MDK vom 27.01.2009 lediglich die Begutachtung beider stationärer Aufenthalte angezeigt, ohne dass irgendwie erkennbar geworden wäre, dass es um einen (potentiell) einheitlichen Lebenssachverhalt im Sinne einer einheitlichen Einzelfallprüfung geht. Die Klägerin durfte somit für jeden Behandlungsfall die Aufwandspauschale abrechnen. Anmerkung Da die Rechtsfrage, ob die Prüfung einer Fallzusammenlegung eine oder zwei Aufwandspauschalen auslösen kann, eine Vielzahl von Fällen betrifft, hat das Sozialgericht die Berufung zugelassen.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:38:46
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Newsletter § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V
 

Führen die Krankenkassen keine ordnungsgemäße Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V durch ist eine Aufrechnung (Rechnungskürzung) rechtswidrig. 

Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 12.05.2011 (S 23 KR 48/11) (nicht rechtskräftig) 

Sachverhalt

Dem Gerichtsbescheid lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das klagende Krankenhaus rechnete am 19.10.2005 eine stationäre Krankenhausbehandlung gegenüber der beklagten Krankenkasse mit der DRG-Fallpauschale G46B ab. Die Beklagte zahlte den gesamten Rechnungsbetrag. Die Beklagte forderte die Klägerin mit Schreiben vom 27.10.2005 auf, eine sozialmedizinische Stellungnahme an den SMD abzugeben. Am 08.12.2005 teilte die Beklagte mit, dass der Behandlungsfall mit der DRG G46C abgerechnet werde, nachdem die Klägerin die angeforderten Unterlagen nicht übersandt habe. Ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V leitete die Beklagte nicht ein. Streit bestand über die Verschlüsselung der Nebendiagnose. Begründung Das Sozialgericht hat der Klage stattgegeben, ohne die Streitfrage der korrekten Abrechnung zu klären. Nach Auffassung des Sozialgerichts kann die Frage, ob die Nebendiagnose korrekt kodiert worden war, dahingestellt bleiben, da die Krankenkasse das Prüfverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat. Die Beklagte habe nicht den MDK mit der Prüfung beauftragt, sondern bereits vor einer möglichen Beauftragung eine medizinische Begründung für die Kodierung der Nebendiagnose angefordert. Die Klägerin sei nicht verpflichtet gewesen, auf das Anforderungsschreiben der Beklagten vom 27.10.2005 zu reagieren. Der Kurzbericht umfasse nicht die Pflicht des Krankenhauses, ärztliche Unterlagen zu übersenden. Voraussetzung hierfür sei die Einleitung eines Prüfverfahrens durch die Krankenkasse. Da die Beklagte den Behandlungsfall nicht ordnungsgemäß überprüft habe, stehe ihr auch nicht das Recht zu, die Rechnung der Klägerin willkürlich zu kürzen, allein mit dem Argument, die Klägerin habe ihre Mitwirkungspflichten verletzt. Eine Überprüfung des Abrechnungsfall zum jetzigen Zeitpunkt sei nach so langem Zeitablauf gemäß dem Grundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen. Anmerkung Das Sozialgericht beruft sich hier auf die Rechtsprechung des Bundessozialgericht, wonach die Rechtsbeziehung zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern unter dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB stehen und damit Einwendungen der Krankenkassen ausgeschlossen sein können, wenn diese das vorgesehene Überprüfungsverfahren nicht rechtzeitig eingeleitet und auch durchgeführt haben (siehe BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 12/09 R). Das BSG hat bereits vor Einführung der Vorschrift des § 275 Abs. 1c SGB V ein allgemeines Beschleunigungsgebot für das Überprüfungsverfahren bestätigt (siehe BSG, Urteil vom 28.09.2006 - B 3 KR 23/05 R).

Der Gerichtsbescheid ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:39:17
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Newsletter MDK-Prüfung
 

Krankenhäuser dürfen ihre Abrechnung dem Ergebnis einer MDK-Prüfung anpassen und einen Behandlungsfall nachträglich als zwei getrennte Aufenthalte abrechnen

Urteil des Sozialgerichts Trier vom 31.03.2011 (S 1 KR 104/10) (nicht rechtskräftig) 

Sachverhalt

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin hat der Beklagten für den stationären Aufenthalt eines Patienten vom 23.06.2009 bis 07.07.2009 die DRG-Fallpauschale I21Z mit einem Zuschlag für Langlieger (4 Tage) in Rechnung gestellt. Die Beklagte ließ die Behandlung durch den MDK prüfen. Der MDK kam zum Ergebnis, dass der Patient am 29.06.2009 aus der stationären Behandlung (chirurgische Abteilung) hätte entlassen werden müssen. Der Aufenthaltszeitraum vom 01.07.2009 bis zur Entlassung auf der internistischen Abteilung sei medizinisch begründet. Die Klägerin stornierte sodann die Ursprungsrechnung und passte ihre Abrechnung dem Ergebnis der MDK-Prüfung an. Zur Abrechung kam für den Krankenhausaufenthalt vom 23.06. bis 29.06.2009 die DRG-Fallpauschale I21Z und für den Krankenhausaufenthalt vom 01.07. bis 07.07.2009 die DRG-Fallpauschale F62B. Die Beklagte verweigerte die Zahlung mit der Begründung, dass die Falldaten nach § 301 SGB V so zu übermitteln seien, wie sich der Fall ursprünglich darstellte. Gekürzte Tage seien als „Tage ohne Berechnung“ auszuweisen. Begründung Das Sozialgericht hat der Klage stattgegeben. Die auf den Rechnungen aufgeführten Aufnahme- und Entlassungstage sind korrekt, da diese Angaben auf der von der Beklagten veranlassten Überprüfung beruhen. Da der MDK die Notwendigkeit zweier getrennter Krankenhausaufenthalte festgestellt hatte, durfte die Klägerin der Beklagten zwei Krankenhauaufenthalte in Rechnung stellen. Anmerkung Das Urteil ist bemerkenswert. Akzeptiert das Krankenhaus und die Krankenkasse das MDK-Gutachten spricht nichts dagegen, nachträglich die Abrechnung der Auffassung des MDK anzupassen. Erfolgt dies noch vor Abschluss des konkreten Verfahrens durch die Krankenkasse und/oder übersteigt der Nachforderungsbetrag die Bagatellgrenze (siehe Urteil des BSG vom 17.12.2009 – B 3 KR 12/09 R) kann sich die Krankenkasse auch nicht auf einen Verstoß gegen Treu und Glauben berufen.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:39:48
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Newsletter § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V
 

Krankenkassen haben das Überprüfungsverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zügig durchzuführen – 10 Monate sind zu lang

Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 20.04.2011 (S 23 KR 82/11)  

Ich möchte Sie auf die Entscheidung des Sozialgerichts für das Saarland vom 20.04.2011 aufmerksam machen, die sich mit dem Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V befasst. Dem Gerichtsbescheid lag folgender Sachverhalt zugrunde: Das klagende Krankenhaus rechnete am 06.10.2006 eine stationäre Krankenhausbehandlung gegenüber der beklagten Krankenkasse ab. Die Beklagte zahlte den gesamten Rechnungsbetrag. Der MDK zeigte am 01.12.2006 dem Krankenhaus an, dass der Abrechnungsfall überprüft werde. Erst am 17.08.2007 teilte die Krankenkasse dem Krankenhaus mit, dass sich hier ein geringerer Rechnungsbetrag ergebe und nahm eine Verrechnung vor. Streit bestand über die Verschlüsselung der Hauptdiagnose. Das Sozialgericht hat der Klage stattgegeben, ohne die Streitfrage der korrekten Hauptdiagnose zu klären. Nach Auffassung des Sozialgerichts kann die Frage, ob die Hauptdiagnose korrekt kodiert worden war, dahingestellt bleiben, da die Krankenkasse aufgrund des Zeitablaufes zwischen Rechnungszustellung und Beendigung des Prüfungsverfahrens zur Rechnungskorrektur nicht mehr berechtigt war. Der Prüfungsabschluss eines Leistungsfalls mehr als 10 Monate nach Übersendung der Rechnung, ist nach Auffassung des Gerichts ein Verstoß gegen Treu und Glauben, so dass kein Rückforderungsanspruch geltend gemacht werden kann. Das Sozialgericht beruft sich hier auf die Rechtsprechung des Bundessozialgericht, wonach die Rechtsbeziehung zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern unter dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB stehen und damit Einwendungen der Krankenkassen ausgeschlossen sein können, wenn diese das vorgesehene Überprüfungsverfahren nicht rechtzeitig eingeleitet und auch durchgeführt haben (siehe BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 12/09 R). Das BSG hat bereits vor Einführung der Vorschrift des § 275 Abs. 1c SGB V ein allgemeines Beschleunigungsgebot für das Überprüfungsverfahren bestätigt (siehe BSG, Urteil vom 28.09.2006 - B 3 KR 23/05 R). Die Krankenkassen haben sicher zu stellen, dass der Medizinische Dienst sachlich und personell so ausgestattet ist, dass er seinen Aufgaben, nämlich zeitnah die Prüfung durchzuführen, nachkommen kann. Der Gerichtsbescheid ist nicht rechtskräftig.

Die Entscheidung ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:40:23
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Newsletter OPS-Kode 8-980 (2008)
 

Auslegung des OPS-Kode 8-980 (2008) Intensivmedizinische Komplexbehandlung Erforderlichkeit einer MDK-Prüfung der Mindestmerkmale nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V

Das Sozialgericht Speyer hat sich mit der Auslegung des OPS-Kode 8-980 (2008) befasst (Urteile vom 30.03.2011, Az.: S 13 KR 337/08 und S 13 KR 417/08). Bei beiden Urteile bestehen erhebliche rechtliche Bedenken. Die Fallgestaltung für die Gewährleistung der ständigen ärztlichen Anwesenheit war so, dass das Krankenhaus einen Bereitschaftsdienst der Stufe D für die gesamte Abteilung für Innere Medizin eingerichtet hatte, deren integraler Bestandteil die Intensivstation war. Die Bereitschaftsdienst leistenden Ärzte waren angewiesen, der Intensivstation absolute Priorität einzuräumen. Dabei hat das Krankenhaus anonymisierte Patientenlisten vorgelegt, die belegen, dass mehrere Patienten auf der Intensivstation parallel zur Behandlung des betreffenden Falles durchgängig von einem Arzt auf der Intensivstation versorgt und betreut wurden. Des Weiteren hat das Krankenhaus eingewandt, dass von Seiten des MDK keine Prüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V durchgeführt wurde, so dass die Krankenkasse mit allen Einwänden ausgeschlossen sei. Das Sozialgericht Speyer wies die Klagen ab. Es hat eine ständige Anwesenheit auf der Intensivstation im Sinne des OPS-Kode 8-980 verneint. Es kommt nach Auffassung des Sozialgerichts auf eine planmäßige Anwesenheit auf der Intensivstation an. Der Begriff Gewährleistung stelle eine Planungs- und Strukturkomponente dar. Es komme daher – entgegen der Auffassung des Krankenhauses – nicht darauf an, ob im Einzelfall bei einer bestimmten Behandlung ein Arzt tatsächlich ständig auf der Intensivstation anwesend ist. Zur Notwendigkeit der MDK-Prüfung führt das Sozialgericht Speyer aus, der OPS-Kode 8-980 sei als strukturelle Abrechnungsvoraussetzung anzusehen, die unabhängig vom einzelnen Behandlungsfall auf Grund der allgemeinen Organisation des Krankenhauses zu beurteilen sei. Ein in § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V genannter Begutachtungsanlass liege nicht vor. Es bedürfe daher keiner Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung der Abrechnung. Anmerkung: Das Sozialgericht Speyer verkennt, dass die OPS-Kodes patientenbezogen anzuwenden sind und es sich hierbei nicht um allgemeingültige Strukturvoraussetzungen handelt, sondern um Mindestmerkmale für die Abrechnung konkreter Behandlungen. Insoweit hätte das Sozialgericht Speyer die Nachweise (Patientenlisten) akzeptieren müssen. Nicht nachvollziehbar sind die Ausführungen des Sozialgerichts Speyer zu § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift ist die Krankenkasse verpflichtet, den MDK zur Prüfung der Voraussetzungen der Leistungen einzuschalten. Bei dem OPS-Kode 8-980 handelt es sich unstreitig um eine Voraussetzung der Leistung. Das Sozialgericht hätte daher ohne weitere Aufklärung der Klage stattgeben müssen, da § 275 Abs. 1c SGB V richtiger Ansicht nach einen Einwendungsausschluss zur Folge hat. Beide Urteile sind nicht rechtskräftig. Die Urteile sind hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:40:53
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Newsletter OPS-Kode 8-977
 

Auslegung des OPS-Kodes 8-977 (Multimodal-nicht operative Komplexbehandlung des Bewegungssystems - 2008)

Urteil des SG Koblenz vom 30.03.2011, Az.: S 6 KR 186/09 

Das Sozialgericht Koblenz musste sich mit der Frage befassen, ob die Hinweise des OPS-Kodes 8-977 (im Jahr 2008) erfüllt worden sind. Die Krankenkassen wendeten ein, dass die Wirbelsäulenoptrimetrie keine Funktionsdiagnostik im Sinne des OPS-Kodes 8-977 darstelle, da diese eine statische Abbildung sei. Des Weiteren wandte die Krankenkasse ein, dass die gleichzeitige Anwendung von fünf diagnostischen Verfahren nicht auf zwei Fachabteilungen (Allg. Chirurgie und kons. Orthopädie) aufgeteilt werden dürfe; alle erforderlichen fünf diagnostischen Verfahren müssten auf der Fachabteilung Orthopädie erfolgen. In einer ausführlichen und überzeugenden Begründung hat das Sozialgericht dem Klageanspruch stattgegeben. Zunächst stellt das Sozialgericht Koblenz fest, dass im OPS-Kode 8-977 kein Hinweis enthalten ist, in welcher Fachabteilung die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen durchgeführt werden müssen. Richtigerweise komme es nur auf das Durchführen der erforderlichen Verfahren im Rahmen der gesamten stationären Behandlung im Krankenhaus an. Es stützte sich dabei auf eine Auskunft des DIMDI vom 27.10.2010. Des Weiteren kam das Sozialgericht Koblenz zur Auffassung, dass die Wirbelsäulenoptrimetrie eine apparative Funktionsdiagnostik darstelle.

Das Urteil des Sozialgericht Koblenz vom 30.03.2011 und das Schreiben des DIMDI vom 27.10.2010 ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:41:16
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Newsletter § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V
 

Anzeige der MDK-Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V durch die Krankenkasse – Landessozialgericht Rheinland-Pfalz – L 5 KR 222/10 

Ich möchte Sie über einen Hinweis des Landessozialgerichts im Berufungsverfahren L 5 KR 222/10 bezüglich des streitigen Ausschlusscharakter der 6-Wochen-Frist des § 275 Abs, 1c Satz 2 CGB V informieren. In diesem Fall hatte die beklagte Krankenkasse bereits auf den Kostenübernahmeantrag des Krankenhauses hin eine Überprüfung der Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung ihres Versicherten eingeleitet und dies dem Krankenhaus mitgeteilt. Auf die Rechnung vom 20.11.2008 hat die beklagte Krankenkasse dem Krankenhaus am 02.12.2008 erneut mitgeteilt, dass eine Überprüfung „zur Zeit“ vorgenommen wird. Das LSG folgt hieraus, dass die Überprüfung der Abrechnung im Sinne des § 275 Abs. 1c SGB V „zeitnah“ eingeleitet und dem Krankenhaus angezeigt worden ist. Dass die Anzeige der Prüfung innerhalb der Frist des § 275 Abs. 1c SGB V nicht durch den MDK sondern durch die Kasse erfolge, sei nach Auffassung des LG rechtlich irrelevant. Das Landessozialgericht verkennt mit seiner Auffassung, dass der Gesetzgeber von einer 6-wöchigen Ausschlussfrist ausgegangen ist, in der die Prüfanzeige ausschließlich durch den MDK zu erfolgen hat. In der Gesetzesbegründung zu § 275 Abs. 1c SGB V heißt es : Durch Satz 2 wird nach Eingang des Rechnungsdatensatzes bei der Krankenkasse eine Ausschlussfrist von sechs Wochen eingeführt, innerhalb derer die Krankenkasse die Prüfung einzuleiten und der Medizinische Dienst dem Krankenhaus die Prüfung anzuzeigen hat (BT-Drucks. 16/3100, S. 171). Hieraus ist jedoch nicht zu entnehmen, dass eine Prüfanzeige der Krankenkasse für die Einhaltung der 6-Wohen-Frist ausreicht. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit § 275 Abs. 1c Satz 2SGB v entgegen dessen Wortlaut die Prüfanzeige des MDK mit einer Anzeige durch die Krankenkasse gleichstellen wollte. Es bleibt abzuwarten, wie das Landessozialgericht in der Sache entscheiden wird.

Wir werden Sie in dieser Sache weiter informieren.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:41:57
 
Newsletter geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung
 

Budgetvereinbarung über die geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung im Rahmen der Fachabteilung Neurologie (DRG B44B und B44D) 

Die Vertragsparteien konnten sich über die Vereinbarung der DRG B44B und B44D im Rahmen des Erlösbudgets nicht einigen. Für die Leistungserbringung der geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung sei nach Auffassung der Krankenkassen eine Fachabteilung Geriatrie erforderlich, über die das Krankenhaus (unstreitig) nicht verfüge. Das Krankenhaus vertrat die Auffassung, dass sie berechtigt sei, diese Leistungen im Rahmen der Fachabteilung Neurologie zu erbringen. Damit seien auch diese Leistungen im Erlösbudget zu berücksichtigen. Die Schiedsstelle schloss sich der Meinung des Krankenhauses an. Nach Auffassung der Schiedsstelle ist die Erbringung der DRGs B44B und B44D vom Versorgungsauftrag der Neurologie abgedeckt. Die Frührehabilitation im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 3 SGB V gehöre zu den allgemeinen Krankenhausleistungen. Darauf verweise auch § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 KHEntgG.

Der Inhalt des Schiedsstellenbeschlusses wird hier auszugsweise wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:42:54
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Newsletter Kooperation nach AOP-Vertrag
 

Kooperation zwischen Vertragsärzten und einem Krankenhaus beim ambulanten Operieren nach dem AOP-Vertrag

Urteil des BSG vom 23.03.2011 – Az.: B 6 KA 11/10 R 

Das Bundessozialgericht hat im vorliegenden Fall über eine Sonderkonstellation der Kooperation zwischen Vertragsärzten (niedergelassene Gefäßchirurgen und Neurochirurgen) und einem Krankenhaus entschieden. Es ist dabei zum Ergebnis gekommen, dass die vorliegende Kooperation als rechtswidrig einzuordnen ist. Die Kooperation zwischen den niedergelassenen Vertragsärzten und dem Krankenhaus war so angelegt, dass die niedergelassenen Chirurgen die Operationen in den Räumen des Krankenhauses durchführten und als eigene Leistungen abrechneten. Das Krankenhaus stellte die anästhesiologischen Leistungen bei. Das BSG hat die Kooperation in seinem Urteil vom 23.03.2011 als rechtswidrig eingestuft. Nach § 115b SGB V und dem AOP-Vertrag (in der Fassung 2005/2006) sind Operationen durch Vertragsärzte, die nicht belegärztlich mit dem Krankenhaus verbunden sind, nicht vorgesehen. In dem vorliegenden Rechtsstreit ging es somit nicht um die Konstellation, dass Krankenhäuser niedergelassene Vertragsärzte zur Erbringung von ambulanten Operationsleistungen hinzuziehen. Inwieweit sich das BSG auch hierzu im Rahmen der Urteilsbegründung äußert, bleibt abzuwarten. Sobald die Urteilsbegründung vorliegt, werde ich ergänzende Ausführungen machen. Der Terminsbericht ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:43:19
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Newsletter Praxisanleitung
 

Kosten für Praxisanleitung nach § 17a Abs. 1 Satz 1 KHG

Urteil VG Braunschweig vom 01.12.2010, Az.: 5 A 134/09 (rechtskräftig) 

Die Frage, ob die Kosten für Praxisanleitung im Ausbildungsbudget nach § 17a Abs. 1 KHG (in der Fassung vom 17.03.2009 – im Folgenden mit n.F. bezeichnet) zu berücksichtigen sind, ist nach wie vor zwischen den Krankenkassen und den Krankenhäusern stark umstritten. Für Klarheit hat nunmehr das VG Braunschweig mit Urteil vom 01.12.2010 (5 A 134/09) gesorgt, das den Anspruch des Krankenhauses auf Finanzierung der arbeitsplatzbezogenen Kosten für die Praxisanleitung im Ausbildungsbudget des Jahres 2009 anerkennt. Das Urteil ist rechtskräftig. In einer umfassenden und tiefgehenden Begründung kommt das VG Braunschweig zur Rechtsauffassung, dass die Kosten der Praxisanleitung auch die arbeitsplatzbezogenen Kosten der Praxisanleiter umfasst. In dem Urteil wurde daher die Klage der Sozialleistungsträger gegen den Genehmigungsbescheid des Ministeriums abgewiesen und 3,78 VK budgeterhöhend berücksichtigt (3,78 VK x 48.689,00 € Jahresgehalt = 184.044,42 €). Es folgte damit der Auffassung des Krankenhauses. Empfehlung Den Krankenhäusern, die Ausbildungsstätten vorhalten, wird empfohlen, die arbeitsplatzbezogenen Kosten für die Praxisanleiter im Ausbildungsbudget anzusetzen. Dies gilt vor allem für die Länder, in denen die zuständige Behörde eine Vorgabe für die Umsetzung des Krankenpflegegesetzes und den Umfang der Praxisanleitung gemacht hat. § 17a Satz 1 KHG n.F. enthält die entsprechende Rechtsgrundlage für den Anspruch der Krankenhäuser. Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:43:45
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Newsletter Mehrleistungsabschlag
 

Mehrleistungsabschlag nach § 4 Abs. 2a Satz 1 KHEntgG – VG Braunschweig bestätigt Entscheidung der Schiedsstelle Niedersachsen vom 11.05.2009 (SK 6/2009) über einen Mehrleistungsabschlag von 10 %

Sachverhalt

Die Schiedsstelle Niedersachsen hat in ständiger Entscheidungspraxis für Mehrleistungen einen Abschlag in Höhe von 10 % festgesetzt. Hiergegen hat der vdek Klage erhoben und den Genehmigungsbescheid des zuständigen Ministeriums angegriffen. Urteil des VG Braunschweig vom 01.12.2010 (Az.: 5 A 181/09) In einer bundesweit ersten Entscheidung hat das VG Braunschweig der Auffassung des Krankenhauses Rechnung getragen und die Klage des vdek abgewiesen. Zur Begründung führte das VG Braunschweig aus, dass der Gesetzgeber in § 4 Abs. 2a Satz 1 KHEntgG keine festen Vorgaben für die Berechnung des Abschlages gemacht habe. Er habe es vielmehr dem freien Spiel der Kräfte im Rahmen der Selbstverwaltung überlassen, einen angemessenen Abschlag zu finden. Daraus ergebe sich auch, dass eine Aufteilung in fixe oder variable Kosten nicht zwingend vorgegeben sei. Des Weiteren stellte das VG Braunschweig fest, dass die Schiedsstelle ihr Ermessen sachgerecht ausgeübt habe. Anmerkung Diese Entscheidung ist auch relevant für die künftigen Verhandlungen, da das GKV-FinG ab dem Jahr 2012 wiederum die Höhe des Abschlages für vereinbarte Mehrleistungen in die Hände der Vertragsparteien vor Ort legt. Eine schriftliche Begründung des Urteils liegt noch nicht vor. Sobald diese vorliegt, werde ich darüber ergänzend berichten.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:44:44
 
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Einwendungsausschluss der Krankenkassen nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V 

Mehrere Urteile des SG Braunschweig gehen davon aus, dass der Einwendungsausschluss nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V die Krankenkassen nur daran hindern, ein MDK-Prüfungsverfahren nachträglich durchzuführen. Aus den Urteilen geht hervor, dass das SG Braunschweig dem Amtsermittlungsgrundsatz Vorrang einräumt. Im Ergebnis läuft daher die Vorschrift des § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V leer, da das Sozialgericht Braunschweig den Sachverhalt nachträglich aufklärt. Diesen Urteilen begegnen erhebliche rechtliche Bedenken. Nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ist der MDK zwingend einzuschalten. Die Nichteinschaltung führt zum Einwendungsausschluss der Krankenkassen. Insoweit bedarf es nicht weiterer Ermittlungen des Sozialgerichts. Mit diesen Urteilen stellt sich auch das Sozialgericht Braunschweig gegen die Rechtsprechung anderer Sozialgerichte (SG Darmstadt, Urteil vom 20.50.2010, Az.: S 18 KR 344/08, SG Hannover, Urteil vom 18.06.2010, Az.: S 10 KR 885/09; Gerichtsbescheid vom 13.01.2010, S 19 KR 441/09; SG Augsburg, Urteil vom 22.07.2009, Az.: S 12 KR 35/09). Gegen die Urteile ist Berufung eingelegt worden, so dass diese nicht rechtskräftig sind. Ein Urteil des Sozialgerichts Braunschweig ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:45:07
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Newsletter ambulante Notfallbehandlung
 

Vergütung ambulanter Notfallbehandlung

Urteil LSG Berlin-Brandenburg vom 12.03.2010 (L 24 KA 1017/05) 

Das LSG Berlin-Brandenburg musste vor Kurzem über die Frage entscheiden, ob ein Krankenhaus einen Vergütungsanspruch geltend machen kann, wenn es Patienten nach § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V notfallmäßig behandelt und im Anschluss daran der Patient in einem anderen Krankenhaus stationär aufgenommen wird. Die KV lehnte die Vergütung ab, da sie von einer stationären Behandlung ausging. Das Krankenhaus bestand auf die Vergütung, da es die Patienten nicht selbst im Anschluss an die Notfallbehandlung stationär aufgenommen hatte. Entscheidung des LSG Das LSG gab der KV Recht. Folge auf eine Notfallbehandlung eine stationäre Aufnahme, liege eine „einheitliche stationäre Behandlung“ vor. Es mache keinen Unterschied in Bezug auf das Vorliegen einer stationären oder einer ambulanten Behandlung, ob die weiterführende Behandlung nach der Notfallbehandlung im selben oder in einem anderen Krankenhaus stattfinde. Anmerkung Dieses Urteil begegnet erheblichen Bedenken: Bereits vom Ergebnis her gesehen, würde das erstbehandelnde ambulant tätige Krankenhaus mit einer Vergütung ausfallen, obwohl es eine Leistung erbracht hat. Es hat weder einen Anspruch gegen die KV, noch gegen die Krankenkasse („ambulante Behandlung“), noch gegen das übernehmende Krankenhaus („keine Auftragsleistung“). Das LSG verkennt, dass das Krankenhaus eine eigenständige Leistung als „anderer Arzt“ gemäß § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V erbracht hat. Dies löst den Vergütungsanspruch nach ambulanten Grundsätzen gegenüber der KV aus. Diese Leistungen sind unabhängig davon, ob der Patient nach Hause entlassen wird oder ein anderes Krankenhaus aufsuchen muss. Ein einmal entstandener Vergütungsanspruch kann nicht rückwirkend entfallen. Im Ergebnis handelt es sich sogar um eine Ungleichbehandlung mit dem niedergelassenen Vertragsarzt, der selbst nach der Auffassung des LSG Berlin-Brandenburg eine Berechtigung hätte, seine Leistungen abzurechnen. Es wird daher empfohlen, entsprechende Vergütungsansprüche weiterzuverfolgen und rechtlich geltend zu machen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass andere Landessozialgerichte oder das Bundessozialgericht die Rechtsfrage anders entscheiden. Das Urteil des LSG ist rechtskräftig geworden.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:45:33
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Abrechnung I42Z – Multimodale Schmerztherapie (OPS-Kode 8-918 [2007])

Urteil des SG Koblenz vom 18.08.2010 – S 6 KR 195/09 (nicht rechtskräftig) 

In einer beachtenswerten Entscheidung hat sich das Sozialgericht Koblenz damit befasst, welche Voraussetzungen für den „Verantwortlichen“ nach dem OPS-Kode 8-918 vorliegen müssen. Die Krankenkassen verlangten eine überwiegende Anwesenheit des Verantwortlichen vor Ort. Das Krankenhaus vertrat die Meinung, eine eintägige Anwesenheit reiche hierfür aus. Das Sozialgericht Koblenz teilt die Auffassung des Krankenhauses und gab der Klage voll statt. Eine eintägige Tätigkeit pro Woche reiche aus, um als Verantwortlicher aufzutreten. Dem Verantwortlichen obliege das Schmerzmanagement. Seine Aufgabe habe eine planende, überwachende und steuernde Funktion. In keinster Weise werde verlangt, dass der Verantwortliche selbst Einzelmaßnahmen im Rahmen der Schmerztherapie durchführt. Anmerkung Eine erfreuliche Entscheidung, die der Rechtsprechung des BSG Rechnung trägt (Urteil vom 18.09.2008 – B 3 KR 15/07 R), wonach der OPS-Kode streng nach seinem Wortlaut auszulegen ist. Aus dem Wortlaut des OPS-Kode 8-918 (2007) geht nicht hervor, dass eine überwiegende Anwesenheit vor Ort erforderlich sei, geschweige denn eine tägliche Anwesenheit des Verantwortlichen. Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:46:06
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Finanzierung fehlender Personalstellen nach der Psych-PV gem. § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 BPflV 

Nach wie vor tun sich die Schiedsstellen schwer mit der Auslegung von § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und 2 BPflV. Umso erfreulicher ist die jüngste Schiedsstellenentscheidung der Schiedsstelle für die Festsetzung der Krankenhauspflegesätze für Rheinland-Pfalz vom 01.06.2010 (Az.: 01/10 S). Als erste Schiedsstelle im Bundesgebiet hat die Schiedsstelle von dem in § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BPflV vorgesehenen Ermessen gebrauch gemacht. Sie hat daher eine Umsetzung der Vorgaben der Psych-PV von über 90 % festgesetzt (konkret: 92,62 %). Zunächst führt die Schiedsstelle aus, dass - entsprechend der Auffassung der Mehrheit der bisherigen Schiedsstellen - auf den tatsächlich vorhandenen Personalbestand zum 31.12.2008 abzustellen ist. Im Übrigen erteilt es den Einschränkungen der Schiedsstelle in Baden-Württemberg eine Absage. Die Schiedsstelle Baden-Württemberg hatte teilweise den grundsätzlich bestehenden Anspruch abgelehnt, wenn die Vertragsparteien im Vorjahr vereinbart haben, dass sie der Psych-PV Genüge getan hätten. Richtigerweise hebt die Schiedsstelle hervor, dass mit der Regelung in § 6 Abs. 4 Satz 1 BPflV das bestehende Vereinbarungsprinzip nicht tangiert wird. Ebenso wenig hat sich die Schiedsstelle den Erwägungen der brandenburgischen Schiedsstelle anschließen können, wonach es darauf ankomme, welcher Personalbestand mit den zur Verfügung stehenden Budgetmitteln hätte finanziert werden können. Nach Auffassung der Schiedsstelle Rheinland-Pfalz stelle sich diese Frage nicht. Zur Anwendung von § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPflV (Umsetzung über 90 %) führt die Schiedsstelle aus, dass sie hierbei von ihrem Ermessen Gebrauch macht. Dabei stellt die Schiedsstelle auf die hierfür vom Krankenhaus verwandten Finanzmittel ab, die zusätzlich im Jahr 2009 ca. 500.000,00 € ausgemacht hatten. Diese Finanzmittel seien vom Krankenhaus für die Einstellung zusätzlicher Vollkräfte und für Überstundenvergütung aufgewandt worden. Weitere Nachweise hierfür hat die Schiedsstelle Rheinland-Pfalz nicht für erforderlich gehalten. Der in § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BPflV geforderte Nachweis beziehe sich ausschließlich auf den Bedarf nach der Psych-PV. Schließlich hat die Schiedsstelle auch den Antrag der Kostenträger auf nachträgliche Vorlage von weiteren Nachweisen zurückgewiesen. Auch eine Verpflichtung zur Rückerstattung nicht zweckentsprechend verwendeter Mittel lehnt die Schiedsstelle ab. § 6 Abs. 4 BPflV sehe – im Gegensatz zu anderen Rechtsvorschriften – keine Nachweispflicht bzw. Rückerstattungspflicht vor. Das Begehren der Kostenträger laufe bereits deshalb ins Leere, da das Krankenhaus die ihm gewährten Mittel bereits verwendet habe. Der Beschluss ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:46:30
 
Integrationsverträge - Vorlagepflicht
 

Vorlagepflicht Integrationsverträge 

Im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde hat das LSG Rheinland-Pfalz mit Beschluss vom 01.07.2010 (L 5 KR 86/10 NZB) ausgeführt, dass eine Vorlagepflicht der Integrationsverträge durch die Krankenkassen im Gerichtsverfahren besteht. Der Senat geht davon aus, dass im Streitfall der Inhalt der von den Krankenkassen geschlossenen Verträge darauf hin zu überprüfen ist, ob überhaupt ein Vertrag vorliegt, der eine integrierte Versorgung zum Gegenstand hat. Dieses werde von der BQS weder geprüft noch verbindlich festgestellt. Die geschlossenen Verträge sind anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG zu prüfen. Der Beschluss ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:47:01
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Die Aufwandspauschale ist nur für Behandlungsfälle anwendbar, die ab dem 01.04.2007 stattgefunden haben 

BSG, Urteil vom 22.06.2010, Az.: B 1 KR 29/09 R 

Das BSG hat mit Urteil vom 22.06.2010 das Urteile des LSG Rheinland-Pfalz (L 5 KR 20/09) aufgehoben und entschieden, dass die Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V nur auf Behandlungsfälle anwendbar ist, bei denen die stationäre Behandlung ab dem 01.04.2007 stattgefunden hat. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts - hier dem Leistungsfallprinzip und dem Grundsatz des Regelungsschwerpunkts, nicht aber nach dem Geltungszeitraumprinzip - ist § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die vollständig nach seinem Inkrafttreten verwirklicht werden. Da ein Anspruch auf Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung u.a. voraussetzt, dass die Behandlung erforderlich war, gehört es zu den Pflichten der Krankenkassen, diese Voraussetzungen zu überprüfen und nach § 275 Abs. 1 SGB V ggfs. den MDK einzuschalten. Die Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser hat am Zusammenspiel von Behandlung, Vergütung und Prüfung nichts geändert. Nach Auffassung des BSG entspricht es der durch § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V geschaffenen, in der Breite nicht unerheblichen finanziellen Belastung der Krankenkassen, dass die Krankenkassen die Möglichkeit haben müssen, Behandlungsfälle im Krankenhaus in Kenntnis dieses wirtschaftlichen Risikos bereits vom Behandlungsbeginn an zu begleiten. Der Terminsbericht des BSG ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:47:31
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Newsletter Aufwandspauschale
 

Zahlung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V bei falscher Krankenhausabrechnung ohne Minderung des Abrechnungsbetrages

Urteil des BSG vom 22.06.2010, Az.: B 1 KR 1/10 R 

Das BSG hat mit Urteil vom 22.06.2010 entschieden, dass die Krankenkasse die Aufwandspauschale nicht zu zahlen hat, wenn die Prüfungseinleitung durch eine fehlerhafte Krankenhausabrechnung veranlasst wurde und die Prüfung nicht zu einer Rechnungsminderung geführt hat. Nach dem BSG führen Sinn und Zweck des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V und sein funktionales Zusammenspiel mit der Prüfpflicht nach Abs. 1 Nr. 1 zu einer den Wortlaut einschränkenden Interpretation. Allein die Erfüllung der Prüfpflicht nach § 275 Abs. 1 SGB V löse noch keine Zahlungsansprüche eines Krankenhauses aus, weil die damit verbundenen Kosten der Krankenkassen zusätzlich und allein nur ausnahmsweise auferlegt werden können. Von Krankenhäusern und Krankenkassen ist innerhalb ihrer dauerhaften Zusammenarbeit gegenseitige Rücksichtnahme mit der Konsequenz der Begrenzung wechselseitig vorgesehener Ansprüche zu erwarten. Das BSG verweist hierbei auf das Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 12/08 R, mit dem die nachträgliche Rechnungskorrektur eingeschränkt worden ist. Das Krankenhaus kann die Aufwandspauschale nicht beanspruchen, wenn eigenes Fehlverhalten des Krankenhauses (hier: Verstoß gegen § 301 SGB V) zu einer überflüssigen, nutzlosen Prüfung führt oder wenn sich sogar der Abrechnungsbetrag noch im Nachhinein zu Lasten der Krankenkasse erhöht. § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V zielt auf die Einschränkung von Prüfungen ab, die Krankenkassen ohne berechtigen Anlass oder gar missbräuchlich eingeleitet haben, nicht aber auf Prüfverfahren, zu denen es nur durch ein Fehlverhalten des Krankenhauses gekommen ist. In diesem vom BSG entschiedenen Fall ergab die MDK-Prüfung, dass das Krankenhaus die nach § 301 SGB V übermittelte Hauptdiagnose falsch kodiert hatte. Die anschließende Korrektur der Hauptdiagnose führte zu keiner Änderung des Rechnungsbetrages. Die Beklagte hatte hier dem MDK keinen allgemeinen Prüfauftrag erteilt, sondern nur die Richtigkeit der Hauptdiagnose prüfen lassen. Das BSG hatte somit den Einzelfall zu entscheiden, dass die fehlerhaft übermittelte Hauptdiagnose die MDK-Prüfung veranlasst hatte. Die fehlerhafte Kodierung der Hauptdiagnose wurde sodann vom MDK bestätigt. Das BSG macht hier grundsätzliche Ausführungen zur Vergütung der Aufwandspauschale bei einer fehlerhaften Kodierung. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch, dass diese Ausführungen auf alle Fälle übertragbar sind, in denen es im Rahmen der MDK-Prüfung zur Änderung der Kodierung gekommen ist. Der Gesetzgeber hat die Verpflichtung der Krankenkasse zur Zahlung der Aufwandspauschale ausschließlich davon abhängig gemacht, dass die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt. In der Praxis werden die Krankenkassen den Nachweis führen müssen, dass sie bei einer korrekten Kodierung die Prüfung nicht veranlasst hätten.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:47:56
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Newsletter Nachträgliche Korrekturen
 

Nachträgliche Korrekturen von Krankenhausrechnungen

Bundessozialgericht Urteil vom 17.12.2009 – B 3 KR 12/08 R 

Das lang erwartete Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.12.2009 liegt nun vor. Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass eine nachträgliche Rechnungskorrektur durch einen Krankenhausträger lediglich innerhalb von 6 Wochen nach Erstellung der Schlussrechnung zulässig ist. Nach dem Urteil ist eine spätere Rechnungskorrektur nur dann möglich, wenn das Interesse des Krankenhauses an der Fehlerkorrektur das der Krankenkasse am endgültigen Verfahrensabschluss überwiegt. Dies ist dann der Fall, wenn der Nachforderungsbetrag erstens in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V über 100,00 € bzw. ab dem 25.03.2009 über 300,00 € liegt und zweitens mindestens 5 % des Ausgangsrechnungswertes erreicht (siehe Randziffer 15). Wird diese Bagatellgrenze nicht erreicht, ist das Krankenhaus mit einer Rechnungskorrektur nach Treu und Glauben ausgeschlossen. In diesem vom BSG entschiedenen Fall betrug der Korrekturbetrag 58,06 € und damit ca. 1,7 % des Ausgangsrechnungsbetrages. Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:48:21
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Newsletter Verträge der AOK RLP über integrierte Versorgung rechtswidrig
 

Verträge der AOK RLP über integrierte Versorgung rechtswidrig 

Das Sozialgericht Mainz hat sich mit 13 Vertragsgestaltungen der AOK – Die Gesundheitskasse in Rheinland-Pfalz befasst und keinen einzigen Vertrag als Integrations-Vertrag im Sinne der Regelungen nach § 140a Abs. 1 Satz 1 SGB V eingeordnet. Bei den 13 Vertragsgestaltungen der AOK ging es um insgesamt 66 Einzelverträge, die mit unterschiedlichen Leistungserbringern in den Jahren 2004 bis 2006 abgeschlossen worden waren. Im Wesentlichen ging es dabei um Verträge über hausarztorientierte integrierte Versorgung, Verträge über integrierte Versorgung im Rahmen von ambulanten OPs und integrierte Versorgung im Bereich der Katarakte (Urteil SG Mainz vom 11.12.2009 - S 11 KR 188/07). Die AOK wurde daher verurteilt, an die Klägerin über 68.000,00 € zurückzuzahlen. Vor diesem Hintergrund wird empfohlen, sich nicht auf geringe „Abfindungssummen“ für die vergangenen Jahre einzulassen, sondern auf Vorlage der Integrationsverträge zu drängen, damit eine objektive Beurteilung der Verträge (ggf. durch die Sozialgerichte) erfolgen kann. Es bleibt abzuwarten, ob die Beklagte Berufung einlegt. Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:48:45
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Kooperation zwischen Belegkrankenhäusern und Honorarärzten
 

Kooperation zwischen Belegkrankenhäusern und Honorarärzten 

In einer bundesweit ersten Musterentscheidung hat sich das VG Frankfurt a.M. mit der Frage befasst, ob ein Belegkrankenhaus über den Belegarzt einen Kooperationsarzt bei der Leistungserbringung einschalten darf. Dies hat das VG Frankfurt am Main in seiner Entscheidung vom 09.02.2010 uneingeschränkt bejaht (Urteil vom 09.02.2010 - Az.: 5 K 1985/08.F (V)). Das Verwaltungsgericht hat herausgestellt, dass der Versorgungsauftrag (unstreitig) auch die Bandscheibenoperationen mit umfasse. Diese Leistungen könnten auch durch Dritte erbracht werden (§ 18 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KHEntgG i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG). Durch den Kooperationsvertrag werde die Leistungserbringung konkretisiert. Insoweit bestünden auch keine Bedenken gegen die Behandlungskette. Die Entscheidung des VG Frankfurt am Main ist für alle Krankenhäuser, die mit Vertragsärzten bei der Leistungserbringung kooperieren, von größter Bedeutung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV die Kooperation mit Vertragsärzten ausdrücklich zulässt. Dies muss auch für Belegkrankenhäuser gelten. Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:49:08
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Newsletter Strukturprüfung des MDK – Keine Berücksichtigung bei Entgeltverhandlungen
 

Strukturprüfung des MDK – Keine Berücksichtigung bei Entgeltverhandlungen 

In einem bundesweit ersten Musterverfahren hat das OVG Rheinland-Pfalz die Frage entschieden, ob Abrechnungsvoraussetzungen im Rahmen des Schiedsstellenverfahrens Berücksichtigung finden (Urteil vom 25.02.2010 - 7 A 10976/09.OVG). Im vorliegenden Fall ging es um die neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalles. Die Krankenkassen wollten daher das Budget ohne die umstrittenen Leistungen vereinbaren. Die Schiedsstelle folgte dem Antrag des Krankenhauses und setzte das Erlösbudget einschließlich der umstrittenen DRGs fest. Das OVG folgte der Auffassung des Krankenhauses. Angesichts der unterschiedlichen Standpunkte der Vertragsparteien werde die Schiedsstelle überfordert, im Rahmen des Schiedsstellenverfahrens Abrechnungsvoraussetzungen zu überprüfen. Die Schiedsstelle habe nur eingeschränkte Prüfungsmöglichkeiten. Das Krankenhaus sei an das Gutachten des MDK nicht gebunden. Die Auffassung der Schiedsstelle, wegen Abrechnungsstreitigkeiten seien das Krankenhaus auf die Klärung durch das Sozialgericht angewiesen, sei nicht zu beanstanden. Die Schiedsstelle habe sich daher vom Rahmen ihres Einschätzungsermessens gehalten. Nur in Evidenzfällen, wenn also der Strukturmangel „ins Auge springt“, können die DRGs nicht vereinbart und von der Schiedsstelle auch nicht festgesetzt werden. Diese Evidenzfälle werden allerdings sehr selten sein. Das Urteil ist hier abgedruckt.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:49:27
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Newsletter Vergütung ambulanter Notfallbehandlung in Krankenhäusern auf der Grundlage des EBM 2000 plus
 

Vergütung ambulanter Notfallbehandlung in Krankenhäusern auf der Grundlage des EBM 2000 plus 

Der Erweiterte Bewertungsausschuss nach § 87 Abs. 4 SGB V hat mit Beschluss vom 16.12.2009 die Urteile des Bundessozialgerichts vom 17.09.2008 (B 6 KA 46 und 47/07 R), wonach die in Krankenhäusern erbrachten ambulanten Notfallbehandlungen nachträglich mit 500 Punkten bewertet werden müssen, umgesetzt (Ziffer 01210 – Ordinationskomplex – 500 Punkte). Die Krankenhäuser, die auf Grund der Ungleichbehandlung bei der Vergütung für ambulante Notfallbehandlungen gegen die Honorarbescheide Widerspruch eingelegt haben, können ihren Anspruch auf eine höhere Vergütung nunmehr durchsetzen. Es hat sich demnach gelohnt, entsprechend unserer Empfehlung gegen die rechtswidrigen Honorarbescheide vorzugehen. Der Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses wird hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:49:44
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Newsletter Mehrleistungsabschlag
 

Mehrleistungsabschlag nach § 4 Abs. 2a Satz 1 KHEntgG - Schiedsstelle Hessen: Im Regelfall 26,5 % des LBFW

Die Schiedsstelle Hessen leitet aus der bisherigen Konvergenzphase der Jahre 2005 bis 2008 eine Obergrenze des Abschlages von 43 % her. Der Korridor reicht von 10 % bis 43 % Abschlag. Sind für die Schiedsstelle keine Anhaltspunkte für die ökonomische Zumutbarkeit ersichtlich, bietet es sich an, den Korridor zwischen 10 % und 43 % zu mitteln und einen Abschlag von 26,5 % vorzusehen. Dementsprechend hat die Schiedsstelle Hessen im vorliegenden Fall 26,5 % Mehrleistungsabschlag auf den Landesbasisfallwert 2009 festgelegt. Die Ergebnisse der Schiedsstellen anderer Bundesländer können Sie aus der Anlage ersehen.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:50:04
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Newsletter Umsetzung der Psychiatrie-Personalverordnung gemäß § 6 Abs. 4 BPflV
 

Umsetzung der Psychiatrie-Personalverordnung gemäß § 6 Abs. 4 BPflV 

In einer ersten Entscheidung zu dieser Fragestellung hatte die Schiedsstelle für die Festsetzung der Pflegesätze von Krankenhäusern in Schleswig-Holstein (Beschluss vom 16.06.2009) den Antrag des Krankenhauses abgelehnt. Die Schiedsstelle hatte darauf abgestellt, dass das Krankenhaus in den bisherigen Pflegesatzvereinbarungen die vollständige Umsetzung bestätigt habe. Das zuständige Ministerium hat nunmehr dem Antrag auf Versagung der Genehmigung Rechnung getragen. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift soll es darauf ankommen, die am 31.12.2008 nicht vorhandenen, d.h. tatsächlich nicht besetzten Personalstellen nachzubesetzen. Auch das BMG hatte sich aus Anlass dieser Entscheidung mit dieser Fragestellung befasst und mit Schreiben vom 30.07.2009 festgestellt: „Zu verhandeln ist über die Finanzierung der ‚zu diesem Stichtag fehlenden Personalstellen’. Wie viele Stellen fehlen ergibt sich aus der Differenz zwischen der tatsächlichen ‚Umsetzung’ der Psych-PV zum 31. Dezember 2008 (Ist-Bestand) und dem Soll nach der Psych-PV.“ Das Schreiben des BMG vom 30.07.2009 ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 02.10.2018 16:50:23
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Newsletter Mehrleistungsabschlag
 

Mehrleistungsabschlag nach § 4 Abs. 2a Satz 1 KHEntgG 

Am 04.12.2009 hat sich die Schiedsstelle Schleswig-Holstein mit der Höhe des Abschlages nach § 4 Abs. 2a Satz 1 KHEntgG (Rechnungsabschlag vom Landesbasisfallwert) befasst. Auf Grund einer stillschweigenden Einigung in Schleswig-Holstein werden grundsätzlich 30 % als Abschlag angesetzt. Dies hielt das Krankenhaus auf Grund der mit einem Neubau verbundenen Fixkosten nicht für sachgerecht. Die Schiedsstelle entschied zu Gunsten des Krankenhauses und setzte lediglich einen 20%igen Mehrleistungsabschlag an. Inzwischen liegen in sechs weiteren Bundesländern Beschlüsse zum Abschlag vor. Näheres können Sie aus der Anlage ersehen.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:28:58
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Newsletter Abschluss der zeitnahen Prüfung
 

Abschluss der zeitnahen Prüfung – Vorlage von Dienstplänen

SG Saarland, Gerichtsbescheid vom 07.10.2009 – S 23 KR 355/09 

In einer bundesweit ersten Entscheidung musste sich das Sozialgericht für das Saarland mit der Frage befassen, wann eine Prüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V zeitnah abgeschlossen ist. Im Ergebnis hat das Sozialgericht in einem obiter dictum die Auffassung vertreten, dass der Abschluss eines Prüfungsverfahrens, das über ein Jahr nach Einleitung erfolgte, nicht mehr zeitnah ist. Darüber hinaus hat das SG erkannt, dass die Vorlage von Dienstplänen nicht von der Vorlagepflicht gemäß § 276 SGB V umfasst sei. Der Gerichtsbescheid ist nicht rechtskräftig.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:29:34
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Newsletter Nachforderungen von Krankenhäusern
 

Nachforderungen von Krankenhäusern nach Erstellung einer Schlussrechnung

Urteil des BSG vom 08.09.2009 – B 1 KR 11/09 R 

Die Zulässigkeit von Nachforderungen richtet sich nach dem Rechtsgedanken des § 242 BGB, also nach „Treu und Glauben“. Die Krankenkassen und die Krankenhäuser arbeiten nach Auffassung des BSG ständig professionell zusammen. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit ist von ihnen eine gegenseitige Rücksichtnahme zu erwarten (Rz. 16). Den Krankenhäusern sei zuzumuten, explizit Vorbehalte zu erklären (Rz. 18). Die Krankenkasse könne sich aber nicht durchweg darauf berufen, dass die Schlussrechnung keinen Vorbehalt enthalten habe. Bei offensichtlichem, ins Auge springenden Korrekturbedarf könne das Krankenhaus noch Nachforderungen stellen.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:30:16
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Newsletter Nachforderungen von Krankenhäusern
 

Nachforderungen von Seiten der Krankenhäuser

Urteil des BSG vom 08.09.2009 - B 1 KR 11/09 R 

Das BSG hat es als Verstoß gegen Treu und Glauben bezeichnet, wenn ein Krankenhaus Nachforderungen zwei Jahre nach der Endabrechnung gegenüber den Krankenkassen geltend macht. Das Krankenhaus hätte weder einen Abrechnungsvorbehalt erklärt, noch habe es zeitnah den nicht offenen zu Tage liegenden Abrechnungsfehler korrigiert. Die schriftlichen Urteilsgründe liegen noch nicht vor. Auf die abgedruckte Pressemitteilung des BSG wird verwiesen.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:30:47
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Newsletter Aufwandspauschale
 

Aufwandspauschale auch bei Erhöhung des Abrechnungsbetrages 

Nach wie vor wird von den Krankenkassen die Aufwandspauschale nicht gezahlt, wenn die Prüfung des MDK einen höheren Abrechnungsbetrag ergibt. Das LSG Rheinland-Pfalz hat im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens vollumfänglich die Auffassung des Krankenhauses geteilt. Es hat ausgeführt, dass nach dem Wortlaut des Gesetzes und nach der Gesetzesintention die Krankenkasse verpflichtet ist, die Aufwandspauschale auch dann zu zahlen, wenn die Prüfung des MDK zu einer Erhöhung des Abrechnungsbetrages führt. Der Beschluss ist hier wiedergegeben (Beschluss vom 09.07.2009 - L 5 KR 90/09 NZB).

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:31:05
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Newsletter Mehrleistungen
 

Ausfinanzierung von Mehrleistungen nach § 4 Abs. 4 Satz 4 KHEntgG

In einer interessanten Entscheidung des VG Frankfurt am Main vom 22.06.2009 – Az.: 5 K 1699/08.F (V) – ging es um die Auslegung von § 4 Abs. 4 Satz 4 KHEntgG. Mit dem vorgenannten Urteil hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main den Anspruch des Krankenhauses auf Finanzierung der vollen Mehrkosten bestätigt. Es hat entschieden, dass die Erweiterung einer bestehenden Abteilung um 66 % eine erhebliche Erweiterung der Fachabteilung Neonatologie darstelle und mit der Eröffnung einer größeren organisatorischen Einheit vergleichbar sei. Mit § 4 Abs. 4 Satz 4 KHEntgG ist eine Kostendeckungsgarantie für zusätzliche Leistungen geschaffen worden, um besondere Härten für die Krankenhausträger auszugleichen.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:31:25
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Newsletter NUB
 

Sind neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) neu? 

In einem Schiedsstellenverfahren in Hessen musste sich die Schiedsstelle mit der Frage befassen, ob die Koronare Ballonangioplastie mit einem medikamentenfreisetzenden Ballonkatheter und der antikörperbeschichte Koronarstent neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 6 Abs. 2 KHEntgG sind. Die Schiedsstelle hatte hierzu den GBA nach § 6 Abs. 2 Satz 9 KHEntgG angefragt, der zunächst bestätigte, dass kein Ausschluss der genannten Behandlungsformen vorliegt bzw. bevorsteht. Darüber hinaus äußerte sich aber der GBA dahingehend, dass es sich hierbei nicht um neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Vergleich zu den bisher in der Vergütung berücksichtigten Methoden handelt. Der GBA stellt damit die Beurteilungskompetenz des InEK in Frage, das für die beiden vorgenannten NUB den Status 1 vergeben hat, also die beiden Leistungen als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gekennzeichnet hat, die nicht im DRG-System abgebildet werden. Letztendlich greift der GBA damit auch in die Kompetenz der Vertragsparteien auf Bundesebene ein, die das InEK beauftragt haben, über NUB zu entscheiden. Die Schiedsstelle hat sich mit dieser Fragestellung auseinandergesetzt und gab zu erkennen, dass dies Entscheidungsgegenstand der Vertragsparteien auf der örtlichen Ebene (und damit der Schiedsstelle) sei. Dabei könne sich die Schiedsstelle der Auffassung des GBA anschließen. Möglicherweise habe der Gesetzgeber der Schiedsstelle deshalb das Recht eingeräumt, eine Stellungnahme des GBA einzuholen. Letztendlich musste die Schiedsstelle diese Frage nicht entscheiden, da sie den Antrag aus anderen Gründen zurückwies. Nach meiner Auffassung ist die Sichtweise der Schiedsstelle nicht tragfähig, da über die NUB ausschließlich die Selbstverwaltung auf Bundesebene entscheidet und sich dabei des InEK bedient. Dabei verkennt die Schiedsstelle den Anfragecharakter nach § 6 Abs. 2 Satz 9 KHEntgG. Die Schiedsstelle ist nur befugt, eine Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 137c SGB V einzuholen. Die Stellungnahme nach § 137c SGB V bezieht sich ausschließlich darauf, ob die Untersuchungs- und Behandlungsmethoden für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Gerade dies aber hatte der GBA ausdrücklich positiv in seinem Antwortschreiben an die Schiedsstelle vom 01.07.2009 bestätigt. Dabei verkennt die Schiedsstelle, dass die Stellungnahme des GBA sich nicht darauf bezieht, ob eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode neu ist, sondern darauf, ob die Untersuchungs- und Behandlungsmethode erforderlich ist. Für die NUB ist ausschließlich das Verfahren nach § 6 Abs. 2 KHEntgG vorgesehen.

Eine ausführlichere Bewertung ist aus der Anlage ersichtlich.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:31:43
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Newsletter Mehrleistungsabschlag
 

Mehrleistungsabschlag nach § 4 Abs. 2a Satz 1 KHEntgG 

Mit Beschluss vom 11.05.2009 hält die Schiedsstelle Niedersachsen einen Preisnachlass in Höhe von 10 % für Mehrleistungen auf der Grundlage von § 4 Abs. 2a Satz 1 KHEntgG für angemessen. Damit bestätigt die Schiedsstelle ihre Spruchpraxis (SK 06/2009). Die Höhe des Abschlages ist heftig umstritten. Insoweit kommt dieser Entscheidung der Schiedsstelle bundesweit große Bedeutung zu. Die Krankenkassen wollten die Mehrleistungen nur mit den variablen Kosten, die sie mit 20,83 % annahmen, vergüten. Der Abschlag beliefe sich somit auf 79,17 %! Zusätzlich griffen die Krankenkassen auf das Finanztableau Krankenhaus (Mehr-)Ausgaben im Jahr 2009 vom BMG (16.12.2008) zurück. Sie errechneten daraus einen fiktiven Abschlagswert von 56,87 %. Beide Vorstellungen wies die Schiedsstelle als nicht angemessen zurück. Sie bestätigte ihre frühere Entscheidung, so dass für Niedersachsen nunmehr eine Spruchpraxis vorliegt. Die Schiedsstelle für Niedersachsen hält einen Abschlag von 10 % des Landesbasisfallwertes für Mehrleistungen grundsätzlich für angemessen. Der Rückgriff auf die variablen Kosten würde nicht dem DRG-System entsprechen. Offensichtlich orientiert sich die Schiedsstelle an das Vorgehen des Gesetzgebers bei der Konvergenzverlängerung, bei dem eine Entlastung der GKV von 10 % im Jahr 2009 erfolgte.

Im Einzelnen wird auf die nichtoffiziellen Leitsätze und die Anmerkungen des Verfassers verwiesen, die im Anhang wiedergegeben sind.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:32:15
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Newsletter Hochrechnung von Einzelfallprüfungen
 

Hochrechnung von Einzelfallprüfungen 

Beschluss der Schiedsstelle Rheinland-Pfalz vom 16.02.2009 - 05/08 S 

In einem interessanten Schiedsstellenverfahren haben die Sozialleistungsträger die kalkulierten DRG-Leistungen nicht akzeptiert. Sie vertraten die Auffassung, dass die bisherigen Einzelfallprüfungen hochzurechnen und von den kalkulierten Leistungen in dieser Höhe abzusetzen sind. Nach Auffassung des Krankenhauses ist eine Hochrechnung von Einzelfallprüfungen rechtlich und sachlich unzulässig. Die Schiedsstelle gab dem Krankenhaus Recht und entschied: „Im übrigen teilt die Schiedsstelle die Auffassung der Antragsgegnerin (Krankenhaus); die von den Antragstellern (Krankenkassen) durchgeführte Hochrechnung wird nicht für zulässig erachtet. Die vom MDK gewonnenen Prüfungsergebnisse hätten für eine Hochrechnung nur geeignet sein können, wenn sie auf Stichproben im eigentlichen Sinne beruht hätten, wenn also der Zufall das bestimmende Auswahlkriterium gewesen wäre. Die bewusste Auswahl, etwa die Auswahl extremer oder typischer Fälle, lässt eine Aussage über die Fallverteilung in der Grundgesamtheit nicht zu. Vorliegend sind aber für die Hochrechnung gerade bewusst ausgewählte, nämlich vom MDK beanstandete Fälle verwendet worden.“

Der Beschluss der Schiedsstelle wird hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:32:40
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Newsletter Nettomethode
 

BVerwG Urteil vom 18.03.2009 – 3 C 14.08: Nettomethode wird vom BVerwG beim Erlösausgleich bestätigt 

Nach dem jüngsten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts werden bestrittene und von den Krankenkassen nicht bezahlte Rechnungen nicht in die Erlösausgleichsberechnung einbezogen. Im Gegensatz zum HessVGH hat das BVerwG in einem beachtenswerten Musterverfahren dem beklagten Land und dem Krankenhaus Recht gegeben und die Auffassung der klagenden Krankenkassen zurückgewiesen. Nach dem Urteil sind Fehlbelegungen, die zu einem Erlösausfall beim Krankenhaus führen, nicht beim Mindererlösausgleich einzustellen, da sie außerhalb des eigentlichen Versorgungsauftrages erbracht wurden. Der Mindererlösausgleich werde daher ohne Einbezug der strittigen Fälle berechnet. Insoweit erhält also das Krankenhaus einen höheren Mindererlösausgleich. Der Leitsatz lautet: "Rechnungsbeträge, die das Krankenhaus (noch) nicht vereinnahmt hat, weil die jeweilige Krankenkasse ihre Zahlungspflicht bestreitet, sind keine ausgleichspflichtigen Erlöse im Sinne des § 12 Abs. 2 Satz 1 BPflV." Gleiches gilt nach Auffassung des Unterzeichners auch für die Erlösausgleiche nach KHEntgG.

Das Urteil ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:33:05
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Newsletter Überprüfung
 

Keine Überprüfung des Krankenhauses erforderlich, ob eine Verlegung von einem Krankenhaus ins andere medizinisch notwendig gewesen ist

BSG-Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KR 10/08 R 

Im vorliegenden Rechtsstreit hat die beklagte Krankenkasse eingewandt, die Verlegung des Patienten von dem Krankenhaus A in das Krankenhaus B wäre medizinisch nicht notwendig gewesen. Das Krankenhaus A hätte den Patienten ausbehandeln können. Das BSG hat entschieden, dass es auf diesen Gesichtspunkt nicht ankomme. Eine Prüfungspflicht des aufnehmenden Krankenhauses hat es verneint. Das aufnehmende Krankenhaus habe lediglich zu prüfen, ob die Krankenhausbehandlung erforderlich sei und ob es selbst im Rahmen seines Versorgungsauftrages diese Behandlung erbringen darf.

Die Regelung in § 60 SGB V sei nicht einschlägig.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:35:31
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Newsletter Untere Grenzverweildauer
 

Unterschreiten der unteren Grenzverweildauer bei DRGs 

Urteil des LSG RLP vom 07.02.2008, L 5 KNK 1/07 

Das LSG RLP musste sich mit der Rechtsfrage beschäftigen, ob es bei der unteren Grenzverweildauer auf die tatsächlich im Krankenhaus verbrachte Verweildauer oder auf die medizinische Notwendigkeit der stationären Behandlung für diese Tage bei Unterschreitung der unteren Grenzverweildauer ankommt. Das LSG RLP stellt auf die tatsächliche Verweildauer ab. Dies begründet es damit, dass die untere Grenzverweildauer ausschließlich dazu diene, Fehlanreize zu vermeiden, die auf medizinisch nicht gerechtfertigte, frühzeitige Entlassungen zurückzuführen sind. Es würde Sinn und Zweck der unteren Grenzverweildauer widersprechen, eine niedrigere als die tatsächliche Verweildauer zu Grunde zu legen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Nähere Einzelheiten können Sie im Abdruck des Urteils ersehen.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:35:57
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Newsletter Abrechnung von ambulanten Operationen
 

Abrechnung von ambulanten Operationen im Krankenhaus anstelle einer vollstationären Krankenhausbehandlung

Urteil des BSG vom 18.09.2008 - B 3 KR 22/07 R

Das BSG hat festgestellt, dass die zunächst vollstationäre Aufnahme des Patienten einer Abrechnung der ambulanten Operation nicht entgegensteht. Die ambulante Behandlung nach § 115b SGB V rechnet ebenso wie die stationäre Versorgung zu den Behandlungsformen, die im zugelassenen Krankenhaus nach Maßgabe seines Zulassungsstatus erbracht werden können (siehe § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Eine irgendwie geartete Sperrwirkung oder Verstoß gegen Grundsätze der Leistungserbringung sieht das BSG im Gegensatz zur Vorinstanz nicht. Das BSG führt aus, dass für die Krankenkasse als Kostenträger nach § 115b Abs. 2 Satz 4 SGB V es ohne Bedeutung ist, ob die ambulant durchführbare Operation im Krankenhaus tatsächlich ambulant oder ohne Grund stationär durchgeführt worden ist. Im Regelfall seien die Qualitätsanforderung, die der EBM anstellt, bei Aufnahme des Patienten im Krankenhaus „übererfüllt“ worden.

Die Urteilsgründe sind hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:36:29
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Newsletter Kalkulation der leistungsgerechten Vergütung
 

Kalkulation der leistungsgerechten Vergütung von Pflegeheimen (2-Stufen-Prüfung)

Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 29.01.2009, Az.: B 3 P 6/08 R 

Nach der jüngsten Rspr. des BSG sind die Vergütungen von Pflegeleistungen der Pflegeheime in zwei Stufen festzulegen (B 3 P 6/08 R). In einer ersten Stufe erfolgt eine Plausibilitätsprüfung der vom Heimträger für den bevorstehenden Pflegezeitraum prognostisch geltend gemachten einzelnen Kosten. Die Pflegekassen überprüfen die Plausibilität und dürfen weitere Unterlagen verlangen. Dabei sind die einzelnen Kostenansätze von den Pflegekassen substantiiert zu bestreiten. Sind die Kostenansätze plausibel, erfolgt in einer zweiten Stufe ein externer Vergleich der geforderten Pflegesätze mit den Pflegesätzen vergleichbarer Pflegeheime aus der Region, um die Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Liegt der geforderte Pflegesatz im unteren Drittel der zum Vergleich herangezogenen Pflegesätze, ist regelmäßig ohne weitere Prüfung von der Wirtschaftlichkeit auszugehen. Liegt der Pflegesatz darüber, sind vom Heimträger dafür geltend gemachte Gründe auf ihre wirtschaftliche Angemessenheit zu prüfen. Die Einhaltung der Tarifbindung und die Zahlung ortsüblicher Gehälter ist dabei immer als wirtschaftlich angemessen zu werten.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:36:58
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Newsletter Praxisanleiter
 

Finanzierung der Mehrkosten nach dem Krankenpflegegesetz (Praxisanleiter) 

In einem Muster-Rechtsstreit hat das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 20.11.2008 - 3 C 39.07) über die Mehrkosten durch die Umsetzung des Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege vom 16.07.2003 entschieden. Zunächst hat das BVerwG festgestellt, dass § 17a Abs. 1 Satz 1 KHG alle Kosten umfasst, die dem Krankenhaus dadurch entstehen, dass es Träger oder Mitträger einer staatlich anerkannten Krankenpflegeschule ist. Das BVerwG hat damit den Vorinstanzen eine Absage erteilt, die die Auffassung vertreten hatten, dass die geltend gemachten Kosten einer Kostenmasse (Ausbildungsstätte oder Ausbildungsvergütungen) zuzuordnen sein muss. Die Finanzierung der „Mehrkosten für Ausbildungsvergütungen“ stelle einen Ausschnitt aus der Gesamt-Finanzierung der Ausbildungskosten des Krankenhauses dar. Zweck dieses Ausschnitts sei, hinsichtlich eines abgrenzbaren Teils der Ausbildungskosten eine bestimmte Kostenposition pauschalierend zu bestimmen, während die Ausbildungskosten im übrigen konkret zu ermitteln seien (Rz. 23). Das BVerwG kommt daher zu dem Schluss, dass die Praxisanleitung der pauschalierenden Regelung durch den Anrechnungsschlüssel unterliege. Die Auszubildenden müssen beaufsichtigt und angeleitet werden. Diese „Praxisanleitung“ als solche sei nicht neu. In dem Rechtsstreit, der das Jahr 2005 betraf, kommt das BVerwG daher zu der Erkenntnis, dass die zusätzlichen Vollkräfte, die für die Praxisanleitung erforderlich sind, durch den Anrechnungsschlüssel abgedeckt seien (Rz. 24). Einen zusätzlichen Finanzierungstatbestand sah das BVerwG jedoch in der besonderen pädagogischen Zusatzqualifikation, der sich die Praxisanleiter im Umfang von 200 Stunden unterziehen müssten. Die Zusatzqualifikation der als Praxisanleiter eingesetzten Pflegekräfte sei verbindlich. Der Aufwand hierfür entziehe sich der pauschalierten Erfassung im Anrechnungsschlüssel nach § 17a Abs. 1 Satz 2 KHG (Rz. 25). Das BVerwG hat daher die Urteile der Vorinstanzen und den Bescheid des beklagten Landes aufgehoben, da diese die Sonderkosten für die pädagogische Weiterbildung nicht anerkannt hatten. Inzwischen haben mehrere Bundesländer Richtlinien für den erforderlichen Einsatz der Praxisanleiter erlassen, die eine bestimmte Stundenzahl an Praxisanleitung vorsieht und damit zu einem höheren Personalaufwand führt. Ob diese quantitative Steigerung und die damit einhergehende qualitativ höherwertige Ausbildung durch die Praxisanleitung noch durch den pauschalierenden Anrechnungsschlüssel abgedeckt ist, bleibt nach wie vor offen. Mit diesen Vorgaben einzelner Bundesländer musste sich das BVerwG noch nicht auseinandersetzen. Es bleibt daher abzuwarten, ob das BVerwG erneut zur Entscheidung über diese Frage ab den Jahren 2006 angerufen wird.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:40:44
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Newsletter medizinisch-leistunsgerechtes Budget
 

Das medizinisch-leistunsgerechte Budget und die BAT-Berichtigungen 2003 und 2004 

Bereits mit Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.07.2008 - BVerwG 3 C 7.07 - wurde den Krankenhäusern die BAT-Berichtigung 2003 grundsätzlich zuerkannt. Nunmehr hat das BVerwG auch über die BAT-Berichtigung 2004 zu Gunsten der Krankenhäuser entschieden (Urt. vom 16.10.2008 - 3 C 22.07). Die Krankenkassen hatten für die BAT-Berichtigung 2004 keine Rechtsgrundlage gesehen und eingewandt, dass das DRG-System keine BAT-Berichtigung mehr vorsähe. Des Weiteren hatten die Krankenkassen die Gewährung der BAT-Berichtigung an eine Gefährdung des Versorgungsauftrages, den Nachweis eines Defizites im Gesamt-Haus und an die Vorlage der G + V geknüpft. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich eingehend mit der Rechtsgrundlage auseinander gesetzt und festgestellt, dass die nachträgliche BAT-Berichtigung für das Jahr 2004 noch im Jahr 2005 nachgeholt werden kann. Es kommt zu dem Schluss, dass es äußerst ungewöhnlich wäre, wenn die BAT-Berichtigung sich nicht mehr im Erlösbudget 2005 auswirken solle. Es würde der herkömmlichen Abrechnungsweise derartiger Budgetberichtigungen zuwiderlaufen und bedürfte deshalb einer plausiblen Begründung. Eine solche habe der Gesetzgeber nicht angeführt. Das Bundesverwaltungsgericht hat über diesen Rechtsstreit in äußerst kurzer Frist entschieden (in weniger als einem Jahr), so dass den Krankenhäusern Mut gemacht werden kann, ihre Rechte zu suchen. Insgesamt dauerte der Rechtsstreit über drei Instanzen weniger als 3 Jahre. Wer unserer Empfehlung gefolgt ist, kann nunmehr auf gesicherter Basis die BAT-Berichtigung 2003 und 2004 nachholen. Es handelt sich dabei um erhebliche Beträge.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:41:08
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Newsletter Ambulante Notfallbehandlung
 

Ambulante Notfallbehandlung im Krankenhaus - Ungleichbehandlung der Krankenhäuser 

Urteil des BSG vom 17.09.2008, Az.: B 6 KA 46/07 R

Die Revision der beklagten KÄV hat keinen Erfolg gehabt. Das SG hat zutreffend erkannt, dass die im EBM-Ä 2005 enthaltene Differenzierung der Punkzahlen für den Ordinationskomplex im organisierten Notfalldienst (Nr. 01210: 500 Punkte) und für die Notfallbehandlung in Krankenhäusern (Nr. 01218: 200 Punkite) mit höherrangigem Recht nicht vereinbar ist. Der Bewertungsausschuss als Normgeber des EBM-Ä hat das zwischenzeitlich selbst so gesehen und die unterschiedliche Bewertung ab 2008 aufgegeben. Er muss nun auch für die Vergangenheit eine Regelung treffen, die eine Ungleichbehandlung ausschließt. Der Senat hat bereits entschieden, dass Honorarverteilungsregelungen, die - über die Berücksichtigung des Investitionskostenabschlages von 10 % hinaus - eine unterschiedliche Vergütung für die Notfallbehandlungen der Krankenhäuser und für diejenigen der Ärzte im organisierten Notfalldienst vorsehen, das Gleichbehandlungsgebot verletzen. Für die Bewertung der Notfallleistungen im EBM-Ä gilt nichts anderes. Die Versicherten dürfen in sprechstundenfreien Zeiten für ambulante Notfallbehandlungen auch Krankenhäuser in Anspruch nehmen, und diese müssen organisatorisch dafür sorgen, dass in diesen Zeiten Notfallbehandlungen durchgeführt werden können. Damit ist die dargestellte unterschiedliche Bewertung des Ordinationskomplexes nicht vereinbar. Auch die Ausgestaltung der Vergütung der Notfallleistungen im HVV der Beklagten, wonach die Leistungen im Notfalldienst mit einem festen Punktwert (4,0 bzs. 3,3 Ct) zu vergüten sind, ist rechtswidrig. Zwar ist die Beklagte berechtigt, darauf hinzuwirken, dass Notfallbehandlungen in Krankenhäusern nur durchgeführt werden, wenn die Vertragsärzte entsprechende Behandlungen nicht übernehmen können. Die generelle Vorgabe eines geringeren Punktwertes für Notfallbehandlungen im Krankenhaus unabhängig davon, wann diese durchgeführt worden sind, ist aber nicht rechtmäßig. Deshalb muss die Beklagte unter Beachtung der Grundsätze des Senats die Vergütung der Notfallleistungen neu regeln und insoweit neue Honorarbescheide erlassen. Aus den Urteilsgründen ist zu ersehen, dass das BSG den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 Abs. 1 GG in den Vordergrund seiner Entscheidung rückt. Das Grundrecht aus Artikel 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt werden, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten. Sachlich tragfähige Gründe für eine unterschiedliche punktzahlmäßige Bewertung der im Wesentlichen gleichgelagerten Sachverhalte bei ambulanten Notfallbehandlungen im organisierten Notfalldienst einerseits und im Krankenhaus andererseits sind nicht erkennbar (BSG-Urteil, a.a.O., Rdz. 17).

Das Urteil des BSG vom 17.09.2008, Az.: B 6 KA 46/07 R, ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:42:33
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Newsletter Umfang des Versorgungsauftrages
 

Umfang des Versorgungsauftrages

Bekanntlich obliegt die Krankenhausplanung dem Land, das den Krankenhausplan aufstellt und ihn fortschreibt. Dabei werden die Feststellungen über die Aufnahme oder Nichtaufnahme des Krankenhauses in den Krankenhausplan durch Bescheid der zuständigen Behörde getroffen. In jüngster Zeit bestreiten die Krankenkassen häufig den Umfang des Versorgungsauftrages. Hierzu hat das OVG NRW (Beschluss vom 08.01.2008 - 13 A 1571/07) Kernaussagen gemacht, die für Budgetverhandlungen und für die Abrechnung von großer Bedeutung sind. In dem Beschluss wurde festgestellt, dass „ein Krankenhaus unfallchirurgische Leistungen in einer chirurgischen Abteilung erbringen und nach dem gegenwärtigen Entgeltsystem bei den Kassen abrechnen“ kann (Rz. 53 des Urteils). Gerade dies bestreiten häufig die Krankenkassen, sei es bei den Budgetverhandlungen oder bei einem Abrechnungsrechtsstreit. Dabei wird grundsätzlich verkannt, dass den Krankenkassen keine Planungskompetenz zukommt. Dem hat das OVG NRW jedenfalls für die vorgenannten Fachrichtungen einen Riegel vorgeschoben. Im Übrigen schließt sich das Sozialgericht Gelsenkirchen mit Urteil vom 13.05.2008 – S 28 (24) KR 6/07 – uneingeschränkt dem Urteil des OVG NRW an. In diesem Abrechnungsrechtsstreit ging es um die Abrechnung von Knie-TEP bei einem Krankenhaus, das lediglich eine Fachabteilung Chirurgie (allgemein) vorgehalten hat. In diesem (noch nicht rechtskräftigen) Urteil wird bestätigt, dass ein Krankenhaus mit der Fachabteilung Chirurgie auch berechtigt ist, Knie-TEP zu erbringen. Die jüngste Rechtsprechung des OVG NRW und der Sozialgerichte machen Mut, die Schiedsstelle oder die Sozialgerichts anzurufen, wenn von Kassenseite zu Unrecht der Versorgungsvertrag bestritten wird.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:43:22
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Newsletter Brustzentrum
 

Finanzierung von Brustzentren 

Am 17.06.2008 hat die Schiedsstelle Sachsen-Anhalt zu Gunsten des Krankenhauses entschieden und einen Zuschlag nach § 5 Abs. 3 iVm § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 KHG hierzu festgesetzt (Az. S 02/08). In Ergänzung des Schiedsstellenbeschlusses – KHG Rheinland vom 28.03.2007 (Verf. Nr. 3/2006) hat die Schiedsstelle alle in der Gesetzesbegründung (BT-DRUCKS.15/3672 vom 03.09.2004) aufgeführten pflegesatzfähigen Kosten anerkannt. Dies umfasst u.a. den Psychoonkologen, die Tumor-Konferenzen, den Mehraufwand an diagnostischen Verfahren, spezielle Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, verpflichtende Dokumentation und die Zertifizierungskosten. Dabei hat sie sich davon leiten lassen, welche Krankenhausleistungen DRG-relevant und welche nicht DRG-relevant sind. Die vorstehenden Leistungen/Kosten für das Brustzentrum fließen in die DRG-Kalkulation nicht ein, sie sind daher über einen Zuschlag zusätzlich zu berücksichtigen.

Sobald die Entscheidungsgründe vorliegen, wird hierüber berichtet.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:44:03
 
Newsletter Erlösausgleiche
 

Erlösausgleiche nach § 12 Abs. 4 BPflV

Das BVerwG hatte jüngst entschieden, dass Einnahmen eines Krankenhauses, die in Folge des Überschreitens seines Versorgungsauftrages erzielt wurden, nicht in den Mehrerlösausgleich einbezogen werden (BVerwG, Urteil vom 20.12.2007, 3 C 53/06). Ob das Krankenhaus die streitigen Einnahmen letztendlich behalten darf, entscheiden jedoch die Sozialgerichte. Zur Frage des Mindererlösausgleiches nach altem Recht gibt es nunmehr eine Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs (Urteil vom 09.04.2008, 5 UE 1106/07). Gegenstand der Entscheidung war die Frage, ob das Krankenhaus Anspruch auf Mindererlösausgleich nach § 12 Abs. 4 BPflV hat, wenn die Krankenkassen die Zahlung verweigern, da nach ihrer Auffassung der Patient ambulant hätte behandelt werden oder die Behandlung hätte abgekürzt werden können. Überraschenderweise geht der Hess. VGH davon aus, dass mit der Behandlung dieser Patienten der Versorgungsauftrag des Krankenhauses überschritten wurde. Der Kernsatz lautet: „Dürfen danach Erlöse für nichtkrankenhausbehandlungsbedürftige Belegungen bereits nicht in das Budget eingestellt werden, können sie auch nicht Gegenstand des Mindererlösausgleichs nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BPflV sein.“ Die Revision wurde zugelassen.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:44:57
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Newsletter § 116b Abs. 2 SGB V
 

§ 116b Abs. 2 SGB V - Kein Vorrang der niedergelassenen Ärzte im Bereich der ambulanten Versorgung 

In einer bundesweit beachtenswerten Erscheinung hat sich das Sozialgericht Hamburg mit der Beteiligung der KV an dem Verfahren nach § 116b befasst (SG HH, Beschluss v. 08.10.2007 - S 27 KA 140/07 ER). Eine unmittelbare Beteiligung der KV wurde abgelehnt. Nach dem Landeskrankenhausgesetz sei diese keine unmittelbar Beteiligte. Dies könne auch nicht aus § 116b Abs. 2 SGB V hergeleitet werden, wonach die vertragsärztliche Situation zu berücksichtigen sei. Im übrigen gäbe es keinen Vorrang der niedergelassenen Ärzte im Bereich der ambulanten Versorgung. Anm.: Soweit die KV nicht ausdrücklich auf Grund der Krankenhausgesetze der Länder als unmittelbar Beteiligte ausgewiesen ist, kann sich auf diese Entscheidung berufen werden.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:45:29
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Newsletter Integrierte Versorgung
 

Barmer Hausarztvertrag ist kein Vertrag zur integrierten Versorgung 

Die schriftliche Begründung des Bundessozialgericht (Urteil vom 06.02.2008, B 6 KA 27/07 R) zum Barmer Hausarztvertrag liegt nunmehr vor. Demnach ist der sogenannte Barmer Hausarztvertrag kein Vertrag über eine "integrierte Versorgung" im Sinne von § 140a SGB V.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:45:51
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Newsletter Umwandlung von Beleg- in Hauptabteilung
 

Umwandlung von Beleg- in Hauptabteilung 

Viele Krankenhäuser tragen sich mit dem Gedanken, aus strategischen Gründen vorhandene Belegabteilungen in Hauptabteilungen umzuwandeln. Veranlassung hierzu können verschiedene Aspekte geben, z.B. unzureichende Vergütung der Belegärzte, Stabilisierung der Leistungsstruktur und die Möglichkeiten verstärkter Kooperation mit Vertragsärzten nach § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV. Über die rechtliche Zulässigkeit der Umwandlung durch Entscheidung des Krankenhausträgers hatte vor kurzem die Schiedsstelle für die Festsetzung von Krankenhauspflegesätzen in Hessen zu entscheiden. Mit Beschluss vom 12.02.2008 (Sch. 20/2007 (2007) hat die Schiedsstelle uneingeschränkt bejaht, dass die krankenhausinterne Umwandlung einer chirurgischen Beleg- in eine Hauptabteilung rechtlich zulässig und vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses gedeckt ist. Diese Grundsatzentscheidung ist uneingeschränkt zu begrüßen. Es wird empfohlen, die Umstrukturierung einer Beleg- in eine Hauptabteilung zusätzlich im Vorfeld mit der Planungsbehörde und der Genehmigungsbehörde abzustimmen, auch wenn dies aus planungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht notwendig ist.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:46:08
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Newsletter Berücksichtigung von Kodiereffekten
 

Berücksichtigung von Kodiereffekten nach § 4 Abs. 4 Satz 3 KHEntgG 

In einer bundesweit ersten Entscheidung hat sich die Schiedsstelle für die Festsetzung der Krankenhauspflegesätze für Rheinland-Pfalz am 25.02.2008 (Az.: 11/07 S) mit der Berücksichtigung von Kodiereffekten befasst. Nach der Regelung in § 4 Abs. 4 Satz 3 KHEntgG werden zusätzliche Leistungen pauschaliert mit der entsprechenden Veränderung der Summe der effektiven Bewertungsrelationen bewertet, soweit diese u.a. nicht auf eine bereits eingetretene, veränderte Kodierung von Diagnosen und Prozeduren zurückzuführen sind. Häufig unterstellen die Krankenkassen allgemeine Kodiereffekte, die auf ein Jahr für Jahr sich besserndes Kodierverhalten der Krankenhausärzte zurückzuführen sei. Dabei stützen sie sich auf die sogenannte „Ludwigshafener-Liste“, die inhaltlich zueinander gehörende DRGs zu virtuellen Basisgruppen zusammenfasst. Die sich daraus ergebenden Bewertungsrelationen werden dann von den Krankenkassen als Kodier-Potential unterstellt und von den geltend gemachten Mehrleistungen in Abzug gebracht. Mit Beschluss vom 25.02.2008 (Az.: 11/07 S) erteilte die Schiedsstelle der pauschalen Methode der Krankenkassen eine Absage. Zunächst geht die Schiedsstelle davon aus, dass die Krankenkassen den Nachweis einer bereits eingetretenen veränderten Kodierung führen muss. Es müssen konkret eingetretene Veränderungen im Bereich der Kodierung festgestellt werden. „Vermutungen oder angenommene Potentiale nach der ‚Ludwigshafener Liste’ reichen hierfür nicht aus.“ Da das Krankenhaus eine Leistungsverlagerung von einer Belegabteilung hin zu einer Hauptabteilung mit höher bewerteten DRGs festgestellt hatte, läge kein Kodiereffekt vor, wie die Krankenkassen unterstellten. Es handelte sich im vorliegenden Fall dann tatsächlich um eine Leistungsveränderung. Die Schiedsstelle setzte daher die von dem Krankenhaus geltend gemachte Leistungsveränderung in voller Höhe an. Die Entscheidung ist bemerkenswert. Zum einen geht sie richtig davon aus, dass die Beweis- und Darlegungslast für eine eingetretene, veränderte Kodierung bei den Krankenkassen liegt. Dies folgt bereits daraus, dass dies ein Einwand ist, der sich zu Gunsten der Krankenkassen auswirkt. Können die Krankenkassen den Nachweis führen, dass eine veränderte Kodierung bereits eingetreten ist, würde sich die Anzahl der zusätzlich geltend gemachten Bewertungsrelationen (Leistungen) verringern, so dass im Abschnitt B2 lfd. Nr. 12 AEB ein geringerer Betrag einzustellen wäre. Zum zweiten setzt sich die Schiedsstelle mit der sogenannten „Ludwigshafener Liste“ auseinander. Aus der Anwendung der „Ludwigshafener Liste“ kann höchsten auf ein gewisses Potential von Kodiereffekten geschlossen werden. Eine virtuelle Zusammenfassung von Basisgruppen und der Schluss auf ein Upcoding-Potential reicht nach Auffassung der Schiedsstelle nicht aus, da § 4 Abs. 4 Satz 3 KHEntgG bereits dem Wortlaut nach auf eine eingetretene, veränderte Kodierung abstellt. Auch dies ist richtig. Des Weiteren haben die Krankenkassen im konkreten Fall keine detaillierte Analyse der Zusammenführung von Basisgruppen nach der „Ludwigshafener Liste“ vorgenommen. In dieser Liste waren somit auch DRGs abgebildet, die abhängig sind von Beatmungszeiten, dem Geburtsgewicht oder anderen nicht von der Kodierung abhängigen Parametern.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:46:29
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Newsletter Integrierte Versorgung
 

Barmer Hausarztvertrag und DAK-Fallmanagement-Vertrag im Akutkrankenhaus sind keine Verträge über integrierte Versorgung

Mit Spannung wurden die Entscheidungen des Bundssozialgerichts in vorgenannten Sachen erwartet. Am 06.02.2008 hat das BSG mit Urteil vom 06.02.2008 (B 6 KA 27/07 R) festgestellt, dass der sog. Barmer Hausarztvertrag kein Vertrag über eine „integrierte Versorgung“ im Sinne des § 140a SGB V darstellt. Des Weiteren hat das BSG zum DAK-Fallmanagement-Vertrag erkannt, dass Verträge, die lediglich das Fallmanagement im Akutkrankenhaus verbessern sollen, kein alternatives Versorgungsangebot gegenüber der Regelversorgung darstellen. Insoweit handelt es sich bei den DAK-Fallmanagement-Verträgen um keine Verträge über integrierte Versorgung (B 6 KA 5/07 R, B 6 KA 6/07 R). Dem gegenüber sind Verträge zwischen Akutkrankenhäusern und Trägern von Einrichtungen der stationären Rehabilitation Integrationsverträge im Sinne des § 140 a SGB V. Da die BEK und die DAK jeweils Kürzungen auch im Krankenhausbereich im Wege der Anschubfinanzierung nach § 140d SGB V vorgenommen haben, sind den Krankenhäusern die Kürzungsbeträge zurückzuerstatten. Daher sollten sowohl die BEK als auch die DAK unverzüglich aufgefordert werden, eine Rückabwicklung der Kürzungsbeträge vorzunehmen, soweit sie die vorgenannten Verträge betreffen. Dabei sollte gleichzeitig den betreffenden Krankenkassen eine konkrete Frist zur Rückerstattung gesetzt werden. Im Übrigen sind die vorenthaltenen Beträge nach den Landesverträgen nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V zu verzinsen; dies sind im Regelfall 2 Prozentpunkte Zinsen über dem jeweiligen Diskontsatz.

Die schriftliche Begründung des BSG liegt zur Zeit noch nicht vor; sobald diese vorliegt, wird hierüber noch einmal berichtet werden.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:46:55
 
Newsletter Integrierte Versorgung
 

Kürzung von Krankenhausrechnungen wegen integrierter Versorgung 

In einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten wegen integrierter Versorgung weigern sich die Krankenkassen, die Verträge zur integrierten Versorgung vorzulegen. Ohne Vertrag kann jedoch nicht beurteilt werden, ob es sich tatsächlich um Verträge handelt, die die Bestimmungen in §§ 140a ff. SGB V erfüllen. In einer ersten Entscheidung hat das Sozialgericht Speyer ohne weitere Beweiserhebung die beklagte Krankenkasse zur Rückzahlung verurteilt, da diese sich weigerte, die Verträge vorzulegen.

Das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 14.12.2007 - S 11 KR 772/04.K ist auszugsweise hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:47:20
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Newsletter Aufwandspauschale
 

Aufwandspauschale (100 €) nach § 275 Abs. 1c SGB V

Die Aufwandspauschale soll nach der Gesetzesbegründung ungezielten und übermäßigen Begutachtungen entgegenwirken. Teilweise weigern sich Krankenkassen, die Aufwandspauschale zu zahlen, z.B. wenn Veränderungen der Kodierungen vorgenommen werden und dies nicht zu einer Minderung des Rechnungsbetrages führt. Diese Rechtsauffassung ist falsch. Das BMG hat mit Schreiben vom 12.12.2007 ausgeführt, dass ausnahmslos die 100 € fällig werden, wenn der Rechnungsbetrag nicht gemindert wird.

Das Schreiben des BMG ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:47:44
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Newsletter Beschluss des Großen Senats vom 25.09.2007 (GS 1/06)
 

Beschluss des Großen Senats vom 25.09.2007 (GS 1/06) 

Der Große Senat des Bundessozialgerichts hat unter Vorsitz des Präsidenten Dr. h. c. Matthias von Wulffen über wichtige Grundsatzfragen für die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung entschieden. Nunmehr liegt die ausführliche Begründung (14 Seiten) des Großen Senats vor. Danach entscheidet, ob dem Versicherten ein Anspruch auf Gewährung vollstationärer Krankenhausbehandlung als Sachleistung zusteht und darin eingeschlossen die Entscheidung, ob eine stationäre Behandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist, nicht das Krankenhaus, sondern die Krankenkasse, gegen die sich der Anspruch richtet. Für eine Einschränkung der Kontrollbefugnisse der Krankenkassen und des Gerichts in der Weise, dass von der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung auszugehen ist, wenn der Krankenhausarzt sie bejaht und seine Einschätzung fachlich vertretbar ist, bietet das Gesetz nach der Begründung des Großen Senats keine Grundlage. Ein solcher Vorrang lasse sich aus den gesetzlichen Regelungen nicht herleiten. Allerdings hat der Große Senat herausgestellt, dass bei einer nachträglichen Fehlbelegungsprüfung nicht rückschauend aus der späteren Sicht des Gutachters zu urteilen ist, sondern die Frage zu stellen ist, „ob sich die stationäre Aufnahme oder Weiterbehandlung bei Zugrundelegung der für den Krankenhausarzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Kenntnisse und Informationen zu Recht als medizinisch notwendig dargestellt hat.“

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:47:59
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Newsletter Leistungserbringung
 

Leistungserbringung eines niedergelassenen Neurochirurgen in einem Beleg-Krankenhaus 

Die Schiedsstelle für die Festsetzung der Krankenhauspflegesätze in Hessen (Sch. 14/2007 (2006)) hatte u.a. darüber zu entscheiden, ob ein Beleg-Krankenhaus berechtigt ist, im Rahmen seines Fachgebietes „Chirurgie/Unfallchirurgie“ Bandscheibenoperationen im HWS- und LWS-Bereich durch einen niedergelassenen Neurochirurgen erbringen zu lassen. Einwände der Krankenkassen hat die Schiedsstelle zurückgewiesen und festgestellt, dass die Heranziehung eines niedergelassenen Neurochirurgen grundsätzlich dem Krankenhaus auf Grund seiner innerorganisatorischen Kompetenz und Verantwortungshoheit obliegt. Das Krankenhaus habe nach § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG das Recht, Leistungen Dritter „hinzuzukaufen“. Es sei Sinn und Zweck der Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 2 KHEntgG, dem Krankenhaus die Möglichkeit zu eröffnen, seine bestehende Leistungsfähigkeit noch zu optimieren. Den Begriff der konsiliarärztlichen Tätigkeit dürfte man nicht auf ausschließlich beratende Tätigkeit einengen. Konsiliararztverträge würden eine rechtlich zulässige Möglichkeit eröffnen, das Leistungsspektrum des Krankenhauses zu erweitern. Allerdings müsse der Versorgungsauftrag streng beachtet werden, was hier nicht in Frage stehe.

Der Schiedsspruch ist auszugsweise wiedergegeben.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:48:21
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Newsletter Nachkodierung
 

Grundsatzentscheidung des Schleswig-Holsteinischen LSG zur Nachkodierung 

In einer wichtigen Grundsatzentscheidung hat sich das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht mit Urteil vom 10.10.2007 – L 5 KR 27/07 – mit der Frage befasst, ob ein Krankenhaus seine ursprüngliche Rechnung an die Krankenkasse nachträglich zu seinen Gunsten abändern darf, wenn eine interne Überprüfung ergeben hat, dass eine andere (höhere) DRG zur Abrechnung kommen musste. Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht hat in dieser bundesweit ersten Entscheidung dem Krankenhaus Recht gegeben. Danach ist eine Nachkodierung zulässig und die Abänderung der Ursprungsrechnung möglich. Diese erfreuliche Entscheidung begegnet von vornherein Versuchen der Krankenkassen, eine Korrektur von fehlerhaften Rechnungsstellungen zu verhindern. Die Krankenkasse verfolgte mit diesem Fall – und einer Vielzahl von anderen anhängigen Fällen – gerichtlich durchzusetzen, dass ausschließlich den Krankenkassen das Recht zusteht, im Nachhinein – gegebenenfalls bis zu vier Jahren – Rechnungen zu beanstanden. Diesem Ansinnen der Krankenkassen hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht eine deutliche Absage erteilt.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:48:42
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Newsletter Ungleichbehandlung
 

Ungleichbehandlung der Krankenhäuser bei der ambulanten Notfallversorgung 

Die Krankenhäuser werden bei der ambulanten Notfallversorgung in der Vergütung erheblich schlechtergestellt als die Vertragsärzte, die die gleiche Leistung erbringen. Kürzlich hat das Sozialgericht des Saarlandes mit Entscheidung vom 24.09.2007 - S 2 KA 242/07 - festgestellt, dass die Ungleichbehandlung um 150 % sich sachlich nicht rechtfertigen lässt. Sie hat daher die beklagte KV antragsgemäß zur Neubescheidung verurteilt. Mit dieser - wohl bundesweit ersten Entscheidung - gibt das SG den Krankenhäusern Recht. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Näheres können Sie aus der beigefügten Entscheidung ersehen.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:49:01
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Newsletter Leistungspflicht der Krankenkassen
 

Entscheidung des Großen Senats des BSG zur Leistungspflicht der Krankenkassen bei Krankenhausbehandlung vom 25.09.2007 

Der Große Senat des BSG hat auf Vorlage des 1. Senats über zentrale Fragen der Leistungspflicht der Krankenkassen entschieden und damit eine Kehrtwendung bei der Übernahme der Krankenhausbehandlungskosten vorgenommen. Die sog. Einschätungsprärogative des behandelnden Krankenhausarztes wird verneint. Der Große Senat des BSG hat folgenden Beschluss gefasst (GS 1/06): 1. Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich nach medizinischen Erfordernissen. Reicht nach den Krankheitsbefunden eine ambulante Therapie aus, so hat die Krankenkasse die Kosten eins Krankenhausaufenthalts auch dann nicht zu tragen, wenn der Versicherte aus anderen, nicht mit der Behandlung zusammenhängenden Gründen eine spezielle Unterbringung oder Betreuung benötigt und wegen eines Fehlens einer geeigneten Einrichtung vorübergehend im Krankenhaus verbleiben muss. 2. Ob eine stationäre Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist, hat das Gericht im Streitfall uneingeschränkt zu überprüfen. Es hat dabei von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes auszugehen. Eine „Einschätzungsprärogative“ kommt dem Krankenhausarzt nicht zu.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:49:27
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Newsletter Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen gegenüber dem Krankenhaus
 

Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen gegenüber dem Krankenhaus

Vertragsärzte stellen den Krankenhäusern teilweise ihre Leistungen in Rechnung mit dem Hinweis, dass sie im Rahmen der vor- bzw. nachstationären Behandlung für das Krankenhaus tätig geworden sind. Eine Abrechnung kommt nur dann in Betracht, wenn ein echter Auftrag von dem Krankenhaus erteilt wurde. Für den nachstationären Bereich hat dies das BMG mit Schreiben vom 15.02.2007 ausdrücklich klargestellt. Das Schreiben des BMG ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:51:37
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Newsletter Erlösausgleich
 

Vierjährige Verjährungsfrist bei Erstattungsansprüchen der Krankenkassen - Erlösausgleich vier Jahre vorläufig stellen. 

Das BSG hat mit Urteil vom 28.02.2007 (Az. B 3 KR 12/06 R) entschieden, dass Erstattungsansprüche der Krankenkassen wegen Überzahlung auch einer vierjährigen Verjährungsfrist unterliegen. Die Krankenhäuser sollten daher darauf achten, dass die Erlösausgleiche vier Jahre lang vorläufig gestellt werden. Ab 01.04.2007 gilt für die Einleitung eines Prüfungsverfahrens eine sechswöchige Ausschlussfrist gemäß § 275 Abs. 1 c SGB V.

Das Urteil des BSG ist hier wiedergegeben.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:52:41
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Newsletter Abrenzung Verbringung/Verlegung
 

Abrenzung Verbringung/Verlegung

Urteil des BSG vom 28.02.2007 - B 3 KR 17/06 R 

In seiner ersten Entscheidung zur Abgrenzung Verbringung/Verlegung stützt sich das BSG darauf, ob die Verantwortung für die Gesamtbehandlung vollständig auf das aufnehmende Krankenhaus übergegangen ist. Damit scheidet der Patient aus den stationären Behandlungsabläufen und der Gesamtverantwortung des abgebenden Krankenhauses aus und wird in die stationären Abläufe des aufnehmenden Krankenhauses integriert. Es ist daher darauf zu achten, dass auch das verlegenden Krankenhaus eine Entlassungsanzeige an die Krankenkasse sendet und dokumentiert, dass der Patient aus seinem Verantwortungsbereich entlassen worden ist. Gleiches gilt für das aufnehmende Krankenhaus, das zu dokumentieren hat, dass es die Gesamtverantwortung für die weitere Behandlung übernommen hat.

  letzte Änderung: 05.10.2018 13:53:03
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