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Dokumente in der Rubrik Vergütungsrecht


Kostenerstattungsanspruch nach § 1922 BGB i. V. m. § 13 Abs. 2 SGB V
 

Stirbt ein Patient, der die Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählt hatte, vor Begleichung der Behandlungsrechnung, schließt dies einen Kostenerstattungsanspruch seiner Erben gegen die Krankenkasse nicht aus.

 

BSG, Urteil vom 25.06.2024, B 1 KR 39/22 R

 

– Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 2 SGB V, Gesamtrechtsnachfolge gem. § 1922 Abs. 1 BGB, Teleologische Reduktion von §§ 56, 58, 59 SGB I

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG hat eine Klarstellung zur Anwendung von §§ 56, 58, 59 SGB I im Fall der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V bei Erben eines verstorbenen Patienten getroffen. Danach stehen diese Normen, welche die Sonderrechtsnachfolge im Falle des Todes des Patienten und den Ausschluss von Leistungen regeln, einem Übergang der vom Patienten zu Lebzeiten erworbenen fälligen Kostenerstattungsansprüche und Anwartschaften auf Kostenerstattung auf den Rechtsnachfolger nicht entgegen. Damit wird den Erben höchstrichterlich die Möglichkeit garantiert, die Behandlungskosten eines verstorbenen Patienten, der die Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählt hatte, bei der Krankenkasse geltend zu machen.

 

Sachverhalt

 

Die Klägerin ist Witwe und Erbin des bis zu seinem Tod bei der beklagten Krankenkasse versicherten Patienten. Der Patient hatte gegenüber der Beklagten anstelle der Sach- und Dienstleistungen Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 2 SGB V gewählt. Im April 2019 verstarb der Patient während einer stationären Behandlung. Im Juni 2019 legte die Klägerin bei der Beklagten Rechnungsbelege für verschiedene Behandlungskosten vor und begehrte deren Erstattung.

 

Mit dem Begehren auf Kostenerstattung hatte die Klägerin sowohl bei der Beklagten als auch vor dem Sozialgericht keinen Erfolg. Das daher angerufene LSG verurteilte die Beklagte, die Behandlungskosten des verstorbenen Patienten zu vergüten. Der Anspruch auf Kostenerstattung sei mit dem Tod des Patienten nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Klägerin übergegangen und nicht nach § 59 SGB I erloschen. Die Vorschrift § 59 SGB I regelt, dass Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen mit dem Tod des Berechtigten erlöschen. Ansprüche auf Geldleistungen erlöschen gem. § 59 S. 2 SGB I, wenn sie im Zeitpunkt des Todes weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist.

 

Zwar seien laut dem LSG die Ansprüche im Zeitpunkt des Todes weder festgestellt noch sei ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig gewesen. Ein derartiges Verständnis der Norm sei jedoch verfassungswidrig. Es gebe keinen sachlichen Grund dafür, dass im Erbfall zwar die Zahlungsverpflichtungen des Patienten aus den von ihm geschlossenen Behandlungsverträgen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Klägerin übergehen, seine Erstattungsansprüche gegen die Beklagte nach § 13 Abs. 2 SGB V aber erloschen seien. § 59 S. 2 SGB I sei im Wege der teleologischen Reduktion so auszulegen, dass Kostenerstattungsansprüche nach § 13 Abs. 2 SGB V von dieser Norm nicht erfasst seien.

 

Hiergegen legte die Beklagte Revision ein.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG hat die Revision zurückgewiesen. Zu Recht habe das LSG die Beklagte zur Zahlung verurteilt. Der Klägerin stehen Kostenerstattungsansprüche nach § 1922 Abs. 1 BGB i. V. m. § 13 Abs. 2 SGB V gegen die Beklagte zu.

 

Als Rechtsnachfolgerin habe die Klägerin grundsätzlich nur Ansprüche geltend machen können, die dem Patienten zu Lebzeiten zugestanden haben. Der Patient habe medizinische Leistungen in Anspruch genommen, aus denen er im Fall seines Überlebens eine Erstattung hätte verlangen können. Ein Kostenerstattungsanspruch sei daraus allerdings zu seinen Lebzeiten nur insoweit erwachsen, als er Vergütungsforderungen von zugelassenen Leistungserbringern für Leistungen im Rahmen des Leistungskatalogs bereits beglichen habe. Für den Kostenerstattungsanspruch eines Rechtsnachfolgers gegen die Beklagte genüge es aber, dass der verstorbene Patient insoweit eine Rechtsposition im Sinne einer Anwartschaft auf Kostenerstattung erlangt habe, die nach seinem Tod zum Vollrecht erstarken könne. Sowohl die Kostenerstattungsansprüche als auch die Anwartschaften auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gehen dabei im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 Abs. 1 BGB auf den Rechtsnachfolger über.

 

Die Vorschrift § 13 Abs. 2 SGB V sehe vor, dass sich Patienten für das Kostenerstattungsverfahren entscheiden können. Das Nähere des Verfahrens haben die Krankenkassen in ihren Satzungen zu regeln gem. § 13 Abs 2 Satz 9 SGB V. Die Satzung der Beklagten setze für die Fälligkeit des Kostenerstattungsanspruchs voraus, dass die jeweilige Rechnung beglichen worden sei. Könne ein Patient nicht die Bezahlung der Rechnung nachweisen, dürfe die Beklagte die Kostenerstattung ablehnen. Nach ständiger BSG-Rechtsprechung entstehe ein Kostenerstattungsanspruch nämlich erst, wenn dem Patienten Kosten entstanden seien.

 

Der Tod des Patienten vor Begleichung der Rechnung schließe einen Kostenerstattungsanspruch seiner Rechtsnachfolger gegen die Beklagte jedoch nicht aus. Die Vorschriften §§ 56, 58, 59 SGB I stehen laut dem BSG einem Übergang auf den Rechtsnachfolger der vom Patienten zu Lebzeiten erworbenen fälligen Kostenerstattungsansprüche und Anwartschaften auf Kostenerstattung nicht entgegen, da diese Regelungen keine Anwendung auf die Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V finden. Der Ausschluss der Sach- und Dienstleistungen von der Vererbung beruhe im Wesentlichen darauf, dass es sich um höchstpersönliche Leistungen handle. Das sei bei einem Freistellungsanspruch nicht der Fall. Er sei vielmehr eine Vorstufe zum Erstattungsanspruch, der entstehe, wenn die Forderung vom Patienten selbst beglichen werde. Der Erstattungsanspruch sei wiederum ein Geldleistungsanspruch. Die Anwartschaft auf Kostenerstattung bleibe somit erhalten und könne beim Rechtsnachfolger zum Vollrecht erstarken, wenn das Versicherungsverhältnis durch den Tod des Patienten ende und die noch fehlenden Voraussetzungen (hier die Begleichung einer wirksamen und fälligen Vergütungsforderung) vorliegen. Die Vergütungspflicht müsse daher nicht bereits zu Lebzeiten des Patienten fällig und erfüllt gewesen sein, um bei seinem Rechtsnachfolger den Kostenerstattungsanspruch nach § 1922 BGB i. V. m. § 13 Abs. 2 SGB V entstehen zu lassen.

 

Anmerkungen

 

Das BSG hat die Rechtsposition der Erben gegenüber den Krankenkassen gestärkt. Die den Patienten durch Gesetz eingeräumte Möglichkeit, Kostenerstattung zu wählen, darf nicht dadurch ausgehöhlt werden, dass diese Patienten immer dann keine Leistungen zu Lasten der Krankenkassen in Anspruch nehmen können, wenn die Begleichung einer Rechnung und deren Vorlage nicht mehr während der Zeit der Mitgliedschaft (wie z. B. im Falle des eigenen Todes) realisierbar ist. Nichts anderes kann laut dem BSG wegen des allgemeinen Gleichheitssatzes für den Fall der Rechtsnachfolge von Todes wegen gelten. Es bleibt auch hier dabei, dass für die grundsätzliche Leistungspflicht der Krankenkassen allein der Zeitpunkt der tatsächlichen Inanspruchnahme der Leistung entscheidend ist.

 

Maßgeblich ist, dass zu Lebzeiten des Patienten ein der Sachleistung entsprechender Beschaffungsvorgang erfolgt ist, da Patienten, die Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V gewählt haben, sich medizinische Leistungen von zugelassenen Leistungserbringern selbst beschaffen.

 

  Datum: 11.11.2024 08:25:32
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Schadensersatzanspruch wegen Verlegung ohne sachlichen Grund (II.)
 

Eine medizinisch mögliche Weiterbehandlung im eigenen Krankenhaus hat grundsätzlich Vorrang gegenüber einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus. In diesem Fall ist nicht zu prüfen, ob eine Verlegung wirtschaftlicher gewesen wäre. Wenn ein Krankenhaus einen Patienten* ohne sachlichen Grund verlegt, dann trägt es in der Regel das Risiko der hierdurch verursachten Mehrkosten. Eine solche schuldhafte Pflichtverletzung des Krankenhauses kann insoweit zu einem Schadensersatzanspruch der jeweiligen Krankenkasse führen. Als sachlicher Grund kommen hierfür in Betracht: Zwingende medizinische Gründe, zwingende Gründe in der Person des Patienten sowie übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern (§ 1 Abs. 1 KHG).

 

*Die Bezeichnung Patient umfasst i. Folg. alle Geschlechter

 

BSG, Urteil vom 16.05.2024, B 1 KR 29/22 R

 

Verlegung, sachlicher Grund, Pflichtverletzung, Schadensersatzanspruch, Wirtschaftlichkeitsgebot, Vorrang einer medizinisch möglichen Weiterbehandlung –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

wir hatten Sie bereits in unserem Newsletter vom 04.07.2024 anhand des Terminsberichts über diese Entscheidung des BSG informiert. Nunmehr liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor.

 

Sachverhalt

 

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung im Zusammenhang mit einer Verlegung.

 

Das klagende Krankenhaus behandelte den bei der Beklagten krankenversicherten Patienten seit Februar 2016 stationär und verlegte ihn im März 2016 in ein anderes Krankenhaus zur Weiterbehandlung mittels Radiotherapie. Der Kläger stellte der Beklagten insgesamt 23.003,45 € in Rechnung, welche die Beklagte zunächst beglich, dann aber einen Teilbetrag in Höhe von 11.087,88 € mit einer unstreitigen Forderung verrechnete, weil die Verlegung unwirtschaftlich gewesen sei. Wäre die Bestrahlung im Haus des Klägers durchgeführt worden, hätten sich die Gesamtbehandlungskosten um den verrechneten Betrag verringert.

 

Das Sozialgericht hat die Beklagte zur vollständigen Zahlung nebst Zinsen verurteilt. Das LSG hat die Berufung der Beklagten hiergegen zurückgewiesen. Es war der Ansicht, dass dem Kläger der vollständige Rechnungsbetrag zugestanden habe. Die Voraussetzungen für einen Verlegungsabschlag seien nicht erfüllt gewesen. Der Beklagten stehe auch kein Schadensersatzanspruch zu.

 

Die Revision der Beklagten hatte teilweise Erfolg, da das BSG das LSG-Urteil aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen hat.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG konnte über die Klage nicht abschließend entscheiden. Zwar stehe der Beklagten kein Erstattungsanspruch zu, da der in Rechnung gestellte Vergütungsanspruch zu Recht bestanden habe. Das LSG müsse aber noch prüfen, ob der Beklagten ein Schadensersatzanspruch nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V i. V. m. § 280 Abs 1 BGB zustanden haben könnte, mit dem sie gegenüber der unstreitigen Forderung des Klägers habe aufrechnen dürfen.

 

Auf das zwischen einem zugelassenen Krankenhaus und einer Krankenkasse durch die stationäre Behandlung des versicherten Patienten begründete öffentlich-rechtliche Schuldverhältnis sei § 280 Abs 1 BGB anzuwenden. Aus den Pflichten dieses Schuldverhältnisses sei abzuleiten, dass Krankenhäuser weder die Aufnahme von Patienten ohne sachlichen Grund ablehnen noch deren Verlegung in ein anderes Krankenhaus ohne sachlichen Grund vornehmen dürfen.

 

Nach den gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Behandlungspflicht komme der medizinisch möglichen Weiterbehandlung im eigenen Haus grundsätzlich ein Vorrang gegenüber einer grundlosen Verlegung zu. Als sachliche Gründe für eine Verlegung kommen zwingende medizinische Gründe, zwingende Gründe in der Person des Patienten und übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern in Betracht.

 

In einem mehrstufigen Krankenhausversorgungssystem könne die Verlegung wie im vorliegenden Fall aus einem Krankenhaus einer höheren Stufe in ein Krankenhaus einer niedrigeren Stufe gerechtfertigt sein, wenn und soweit es zur Behandlung des Patienten der besonderen Mittel des Krankenhauses der höheren Stufe nicht (mehr) bedarf und die dortigen Versorgungskapazitäten aktuell für andere Patienten benötigt werden oder für eventuelle neue Patienten eine Behandlungsreserve bereitgehalten werden müssen.

 

Mit einer Verlegung, die durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sei, verletze das Krankenhaus keine Pflicht. Es müsse dazu keine Wirtschaftlichkeitsüberlegungen anstellen. Gebe es für eine Verlegung jedoch keinen sachlichen Grund, verletze das verlegende Krankenhaus regelmäßig schuldhaft seine Behandlungspflicht und – falls es dadurch zu Mehrkosten für die jeweiligen Krankenkasse gekommen sei – auch das Wirtschaftlichkeitsgebot. Nur wenn das grundlos verlegende Krankenhaus aufgrund sorgfältiger Abschätzung ausnahmsweise habe davon ausgehen dürfen, dass die Verlegung keine Mehrkosten verursachen werde, scheide eine schuldhafte Pflichtverletzung aus, auch wenn die Mehrkosten trotzdem entstanden seien.

 

Die Pflicht zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit einer sachgrundlosen Verlegung stelle dabei keine übertriebenen Anforderungen an die Sorgfaltspflichten des verlegenden Krankenhauses dar, da es – soweit kein sachlicher Grund für die Verlegung gegeben sei – den Patienten im eigenen Haus weiter behandeln könne, ohne Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit anstellen zu müssen. Die Weiterbehandlung im eigenen Haus erfordere nämlich grundsätzlich nicht die Prüfung, ob eine Verlegung insgesamt wirtschaftlicher sein könnte.

 

Anmerkungen

 

Das BSG betont den aus der Behandlungspflicht folgenden grundsätzlichen Vorrang einer medizinisch möglichen Weiterbehandlung im eigenen Haus gegenüber einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus. Ein Krankenhaus hat laut dem BSG im eigenen Interesse die Wirtschaftlichkeit einer Verlegung vorab sorgfältig zu prüfen. Die sorgfältig durchgeführte Wirtschaftlichkeitsprüfung hat das Krankenhaus im Streitfall gerichtlich darzulegen und zu belegen. Dies entspricht laut dem BSG der Beweislastregel des § 280 Abs 1 Satz 2 BGB, nach der das Vertretenmüssen desjenigen, der eine Pflichtverletzung begeht, widerlegbar vermutet wird.

 

Ein Krankenhaus muss daher die durch eine unbegründete Verlegung verursachten Mehrkosten tragen, es sei denn, dass es trotz sorgfältiger Wirtschaftlichkeitsprüfung ausnahmsweise davon ausgehen durfte, dass die Verlegung keine Mehrkosten bei der jeweiligen Krankenkasse verursachen würde.

 

  Datum: 08.11.2024 08:16:38
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Der OPS-Kode 8-980 (intensivmedizinische Komplexbehandlung) verlangt eine tägliche und persönliche Anwesenheit der Behandlungsleitung auf der Intensivstation an sieben Tagen in der Woche
 

Die Kodierung einer intensivmedizinischen Komplexbehandlung gemäß OPS 8-980 verlangt als Mindestmerkmal eine Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“. Der Begriff Behandlungsleitung erfordert laut dem BSG, dass ein solcher Facharzt zumindest einmal täglich persönlich auf der Intensivstation anwesend sein muss (auch am Wochenende und an Feiertagen). Im Übrigen muss eine durchgehende Rufbereitschaft bestehen. Eine nur wochentägliche Anwesenheit genügt nicht.

 

BSG, Urteil vom 25.06.2024, B 1 KR 20/23 R

 

– OPS 8-980 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung), zeitliche Dimension der Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG hat die Anforderungen an die Kodierung und Abrechnung des OPS 8-980 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung) in zeitlicher Hinsicht drastisch ausgeweitet. Die Besonderheiten der intensivmedizinischen Behandlung begründen aus Sicht des BSG besondere Anforderungen an die Behandlungsleitung. Daher wird vom BSG die einmal tägliche und persönliche Anwesenheit des Facharztes mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“, welcher die Behandlungsleitung inne hat, auf der Intensivstation verlangt.

 

Sachverhalt

 

Das zugelassene Krankenhaus des Klägers behandelte den bei der beklagten Krankenkasse versicherten Patienten vom 28.12.2015 bis zum 04.02.2016 aufgrund einer Gelbsucht sowie einer bösartigen Neubildung des Nierenbeckens. Der Kläger rechnete den Behandlungsfall gegenüber der Beklagten mit der DRG L36Z ab und verschlüsselte hierbei den OPS 8-980.20 (Intensivmedizinische Komplexbehandlung <Basisprozedur>: 553 bis 1104 Aufwandspunkte). Nachdem die Beklagte diese Rechnung beglichen hatte, beauftragte sie den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung mit der Prüfung der Abrechnung. Schließlich führte die Beklagte eine Verrechnung durch, da die für die Kodierung des OPS 8-980 erforderliche lückenlose Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ an Wochenenden, Feiertagen und in der Urlaubszeit für den streitigen Behandlungszeitraum nicht belegt sei, was zur DRG L09C führe.

 

Die hiergegen erhobene Klage wurde sowohl vom zuständigen Sozialgericht als auch vom Landessozialgericht abgewiesen. Laut dem Landessozialgericht erfordere die Behandlungsleitung des OPS 8-980 durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“, dass ein solcher auch an Wochenenden und Feiertagen täglich persönlich im Krankenhaus anwesend sei. Die beiden auf der Intensivstation des Klägers dienstplanmäßig tätigen Fachärzte mit dieser Zusatzweiterbildung seien ausweislich der vorgelegten Dienstpläne in der Zeit vom 08.01.2016 15:30 Uhr bis 11.01.2016 7:00 Uhr nicht im Dienst gewesen und hätten damit eine Behandlungsleitung nicht wahrnehmen können. Auch eine Rufbereitschaft oder sonstige Maßnahmen zur Ermöglichung einer persönlichen Anwesenheit der Behandlungsleitung hätten nicht bestanden.

 

Hiergegen legte der Kläger Revision ein.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG hat die Revision zurückgewiesen. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht zu. Die Kodierung einer intensivmedizinischen Komplexbehandlung gemäß OPS 8-980 verlange als Mindestmerkmal u. a. eine Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“. Dies erfordere, dass ein solcher Facharzt zumindest einmal täglich persönlich auf der Intensivstation anwesend sei und im Übrigen eine durchgehende Rufbereitschaft bestehe. Dies folge aus einer eng am Wortlaut orientierten und durch systematische Erwägungen unterstützten Auslegung des OPS 8-980. Für den Begriff „Behandlungsleitung“ existiert weder im OPS selbst noch an anderer Stelle ein normativ-determiniertes Begriffsverständnis. Auch der einheitliche wissenschaftlich-medizinische Sprachgebrauch führe zu keinem zwingenden Begriffsverständnis.

 

Bei der daher gebotenen Auslegung nach dem allgemeinsprachlichen Begriffskern unter ergänzender Berücksichtigung systematischer Erwägungen folge laut dem BSG aus dem Wort „Behandlungsleitung“ – und nicht bloß „Behandlung unter Leitung“ oder „Team unter Leitung“ , dass es um eine gesteigerte Verantwortung für die unmittelbare Behandlung der Patienten und nicht nur um die Verantwortung für die Organisation und das Funktionieren der Behandlungseinheit gehe. Eine derartige Verantwortung könne aber nur bei persönlicher Anwesenheit eines über die geforderten Qualifikationen verfügenden, seine Behandlungsleitung für die Dauer der Behandlung tatsächlich ausübenden Facharztes wahrgenommen werden. Der konkrete zeitliche Umfang und die Modalitäten der erforderlichen persönlichen Anwesenheit (auf der Station, im Krankenhaus bzw. am Standort des Krankenhauses, in Rufbereitschaft) können dabei nicht für sämtliche Prozeduren einheitlich festgelegt werden, sondern nur unter Berücksichtigung der besonderen Anforderungen der jeweiligen Behandlung.

 

Wenn es wie beim OPS 8-980 an einer solchen Konkretisierung fehle, sei unter Berücksichtigung der Besonderheiten der in dem jeweiligen Kode beschriebenen Behandlung zu bestimmen, welche Anforderungen an die Anwesenheit und Erreichbarkeit der Behandlungsleitung zu stellen seien, um die fachlich-inhaltliche Verantwortung für die Versorgung der Patienten ausüben und die Leistungen und ärztlichen Tätigkeiten an den Patienten planen, koordinieren und überwachen zu können.

 

Die Besonderheiten der intensivmedizinischen Behandlung begründen besondere Anforderungen an die Behandlungsleitung. Zutreffend haben die Vorinstanzen insofern darauf hingewiesen, dass auf einer Intensivstation lebensbedrohlich erkrankte und akut behandlungsbedürftige Patienten regelmäßig auch am Wochenende aufzunehmen seien und dass sich bei bereits aufgenommenen Patienten relevante Veränderungen unabhängig von Wochentag und Uhrzeit ergeben können. Behandlungsleitende Entscheidungen können deshalb auch unvorhergesehen zu jeder Zeit kurzfristig erforderlich werden. Die Übernahme der fachlich-inhaltlichen Verantwortung für die Versorgung der Patienten, wie sie von der Behandlungsleitung gefordert werde, erfordere daher gegenüber anderen – besser planbaren – Behandlungen ein deutlich höheres Maß an persönlicher Anwesenheit und Erreichbarkeit. Eine nur wochentägliche Anwesenheit, wie sie etwa bei der multimodalen Schmerztherapie als ausreichend angesehen werde, genüge insofern nicht. Eine über die geforderte Qualifikation verfügende und mit der Behandlungsleitung betraute Person müsse vielmehr an jedem Tag der Woche - auch am Wochenende - persönlich auf der Intensivstation zumindest kurzzeitig anwesend sein, um sich einen Überblick über den Zustand der dort behandelten Patienten zu verschaffen und eventuelle Anpassungen des Behandlungsplans anzuordnen. Während der übrigen Zeiten müsse zumindest eine Rufbereitschaft bestehen.

 

Anmerkungen

 

Es ist allen Krankenhäusern dringend anzuraten, ihre zukünftige Dienstplanung für die Intensivstationen an diesem Urteil auszurichten. Demnach müssen die zur Behandlungsleitung vorgesehenen Fachärzte mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ einmal täglich persönlich auf der Intensivstation anwesend sein, damit eine intensivmedizinische Komplexbehandlung abgerechnet werden kann. Daneben muss eine durchgehende Rufbereitschaft eingerichtet sein.

 

Nur so kann den nun vom BSG aufgestellten Anforderungen an die gesteigerte Verantwortung für die unmittelbare Behandlung der Patienten auf der Intensivstation Rechnung getragen werden.

 

Die Entscheidung des BSG ist nicht widerspruchsfrei. Nach ständiger Rechtsprechung – und so auch im Urteil - geht das BSG davon aus, dass bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen sind, diese mit der Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG, aaO Rdz. 14). Darüber geht das BSG hinweg, wenn es nunmehr eigenständig eine zeitliche Dimension für die Anwesenheit der Behandlungsleitung vorgibt. Diese zeitliche Dimension ist nicht ansatzweise im OPS-Kode angesprochen. Zudem zitiert das BSG auszugsweise die Hinweise für die Benutzung des OPS-Kode ab der Version 2021: „Für die Behandlungsleitung kann kodespezifisch der Umfang für die Anwesenheit und Teilnahme an den Teambesprechungen festgelegt werden.“(BSG, aaO Rdz 18). Dabei lässt es außer Acht, dass das BfArM rückwirkend zum 01.01.2021 (also ab 2021) folgende Klarstellung gegeben hat: „Mit der Behandlungsleitung sind keine Vorgaben zur Anwesenheit, Patientenkontakten und Teilnahme an den Teambesprechungen oder Visiten verbunden, sofern keine kodespezifischen Vorgaben hierzu bestehen.“

 

Es hätte daher ausgereicht, dass das BSG im Rahmen eines obiter dictum gegenüber den Vertragsparteien angeregt hätte, künftig die Anwesenheitszeiten der Behandlungsleitung festzulegen. Denkbar ist jedoch auch, dass das BSG ab dem 01.01.2021 die Klarstellungen des BfArM zu Grunde legt. Eine konkrete Aussage hierzu fehlt jedoch im besprochenen Urteil. Nunmehr stellt die Behandlungsleitung im OPS 8-890 ein Strukturmerkmal dar.

 

  Datum: 10.10.2024 11:39:57
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Eine Aufrechnung nach der Übergangsvereinbarung der PrüfvV ist für den Übergangszeitraum mit höherrangigem Recht vereinbar
 

Die in der Übergangsvereinbarung der PrüfvV für einen Übergangszeitraum geregelte Weitergeltung der Aufrechnungsmöglichkeit ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Die Vorschrift § 109 Abs. 6 S. 3 SGB V erlaubt nicht nur die Vereinbarung von Ausnahmen zum Aufrechnungsverbot, sondern lässt auch abweichende Regelungen grundsätzlich zu.

 

BSG, Urteil vom 28.08.2024, B 1 KR 18/23 R

 

– Aufrechnungsverbot nach § 109 Abs. 6 S. 1 SGB V, Aufrechnungsmöglichkeit nach der Übergangsvereinbarung der PrüfvV vom 10.12.2019 –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG hat die Gültigkeit der Regelungen der Prüfverfahrensvereinbarung vom 03.02.2016 (im Folgenden: PrüfvV) und die Übergangsvereinbarung zur PrüfvV vom 10.12.2019 unterstrichen und damit konkludent auch die Rechtsposition der Deutschen Krankenhausgesellschaft und des GKV-Spitzenverbandes gestärkt.

 

Nach § 10 PrüfvV war eine Krankenkasse berechtigt, einvernehmlich festgestellte oder nach § 8 PrüfvV mitgeteilte Erstattungsansprüche mit einem unstreitigen Leistungsanspruch des Krankenhauses aufzurechnen. Durch die Übergangsvereinbarung vom 10.12.2019 wurde die Gültigkeit der Regelungen der PrüfvV verlängert. Die Übergangsvorschriften galten dabei auch für die Überprüfung von denjenigen Patienten, die ab dem 01.01.2020 in ein Krankenhaus aufgenommen worden waren.

 

Gleichzeitig wurde § 109 SGB V am 01.01.2020 um einen Absatz 6 ergänzt, wonach gegen die Forderungen von Krankenhäusern, die aufgrund der Versorgung von ab dem 01.01.2020 aufgenommenen Patientinnen und Patienten entstanden sind, Krankenkassen grundsätzlich nicht mit Ansprüchen auf Rückforderung geleisteter Vergütungen aufrechnen können. Die Aufrechnung ist nur ausnahmsweise möglich, wenn die Forderung der Krankenkasse vom Krankenhaus nicht bestritten wird oder rechtskräftig festgestellt wurde. Jedoch können laut § 109 Abs. 6 S. 3 SGB V in der PrüfvV (als Vereinbarung nach § 17c Absatz 2 Satz 1 KHG ) abweichende Regelungen vorgesehen werden.

 

Im Urteil vom 28.08.2024 musste sich das BSG mit der Problematik dieser sich auf den ersten Blick widersprechenden Vorschriften für den Zeitraum ab dem 01.01.2020 auseinandersetzen.

 

Sachverhalt

 

Der bei der Beklagten versicherte Patient war im Jahr 2021 im klägerischen Krankenhaus stationär behandelt worden, was von der Klägerin entsprechend in Rechnung gestellt worden war. Diese Rechnung vergütete die Beklagte zunächst vollständig. Am 01.12.2021 erklärte die Beklagte die Aufrechnung unstrittiger Behandlungskosten mit der Forderung aus dem Behandlungsfall, nachdem der beauftrage MDK zu dem Ergebnis gelangt war, dass eine stationäre Krankenhausbehandlung medizinisch nicht notwendig gewesen sei. Die Klägerin erhob hiergegen Klage vor dem zuständigen Sozialgericht, da die Abrechnung im Behandlungsfall korrekt kodiert worden sei.

 

Das Sozialgericht verurteilte daraufhin die Beklagte antragsgemäß und stellt fest, dass keine wirksame Aufrechnung vorgelegen habe.

 

Der Aufrechnung durch die Beklagte stehe nach Ansicht des Sozialgerichts ein gesetzliches Aufrechnungsverbot entgegen. Eine vertragliche Ausnahme greife nicht. Im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung am 01.12.2021 habe das gesetzliche Aufrechnungsverbot des § 109 Abs. 6 SGB V existiert. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung sei auch nicht von der gesetzlichen Ausnahme des § 109 Abs. 6 S. 2 SGB V gedeckt, da die Forderung nicht unbestritten oder rechtskräftig festgestellt worden sei.

 

Gemäß § 109 Abs. 6 S. 3 SGB V können in der Vereinbarung nach § 17c Abs. 2 S. 1 KHG zwar abweichende Regelungen vorgesehen werden. Nicht mit § 109 Abs. 6 S. 1 SGB V vereinbar sei aber eine vertragliche Vereinbarung, die das ab dem 01.01.2020 bestehende gesetzliche Aufrechnungsverbot generell ausheble.

 

Für die Beurteilung der vorliegenden Sachlage sei mithin unbeachtlich, dass nach dem eindeutigen Wortlaut der Übergangsprüfverfahrensvereinbarung vom 10.12.2019 eine generelle Aufrechnung weiterhin über den 01.01.2020 hinaus zulässig sein solle. Die am 01.12.2021 erklärte Aufrechnung der Beklagten verstoße gegen das gesetzliche Aufrechnungsverbot des § 109 Abs. 6 Satz 1 SGB V. Die Klägerin habe daher einen Anspruch auf Zahlung der Forderung.

 

Hiergegen legte die Beklagte Revision ein.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Revision der Beklagten hatte Erfolg. Das BSG hob das Sozialgerichtsurteil auf und wies die Sache an das Sozialgericht zurück.

 

Der von der Beklagten erklärten Aufrechnung stehe nicht das Aufrechnungsverbot nach § 109 Abs. 6 S. 1 SGB V entgegen. Die in der Übergangsvereinbarung der PrüfvV für einen Übergangszeitraum geregelte Weitergeltung der Aufrechnungsmöglichkeit nach der Prüfverfahrensvereinbarung 2016 sei mit höherrangigem Recht vereinbar. § 109 Abs. 6 S. 3 SGB V erlaube nicht nur die Vereinbarung von Ausnahmen zum Aufrechnungsverbot, sondern lasse abweichende Regelungen grundsätzlich zu. Damit überlasse der Gesetzgeber die Realisierung des Aufrechnungsverbots letztlich den Vereinbarungspartnern, stärke aber durch die Normierung des Aufrechnungsverbots die Verhandlungsposition der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Die Vereinbarung, das Aufrechnungsverbot übergangsweise zu suspendieren, überschreite die Grenzen des den Vertragsparteien der Prüfverfahrensvereinbarung zugewiesenen normvertraglichen Gestaltungsspielraums jedenfalls nicht. Das BSG könne aber auf Grundlage der Feststellungen des Sozialgerichts nicht abschließend entscheiden, ob der Beklagten der aufgerechnete Erstattungsanspruch zustanden habe.

 

Anmerkungen

 

Gegenwärtig liegt nur der Terminsbericht vor. Jedoch wird bereits daraus deutlich, dass das BSG die Regelungen der Übergangsprüfverfahrensvereinbarung vom 10.12.2019 als rechtmäßig und für mit höherrangigem Recht vereinbar erachtet.

 

§ 109 Abs. 6 S. 3 SGB V erlaubt somit nach dem BSG nicht nur die Vereinbarung von Ausnahmen zum Aufrechnungsverbot gem. § 109 Abs. 6 S. 1 SGB V, sondern gibt den Vertragsparteien das Recht, abweichende Regelungen zu erlassen- wie hier die weitere Aufrechnungsmöglichkeit für einen bestimmten Zeitraum.

 

  Datum: 09.10.2024 09:09:09
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Anspruch auf Aufwandspauschale bei Anerkenntnis des Vergütungsanspruchs durch die Krankenkasse
 

Der Anspruch auf die Aufwandspauschale entsteht, sobald eine Abrechnungsminderung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise faktisch ausgeschlossen ist. Dies ist bei einem Anerkenntnis im gerichtlichen Verfahren der Fall. Es gilt auch hier die zweijährige Verjährungsfrist.

 

BSG, Urteil vom 28.08.2024, B 1 KR 23/23 R

 

Aufwandspauschale gem. § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V a. F., zweijährige Verjährungsfrist nach § 109 Abs. 5 S. 1 SGB V analog

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG hat seine bisherige Rechtsprechung zur Aufwandspauschale bestätigt, wonach das MD-Prüfergebnis für den Anspruch auf die Aufwandspauschale unbeachtlich ist, wenn es im nachfolgenden Gerichtsverfahren keine Bestätigung des geminderten Betrags gibt (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 24/14 R –, juris Rn. 10). Wenn demnach eine Krankenkassen den Vergütungsanspruch im gerichtlichen Verfahren gegen sich anerkennt, kann sie den Anspruch auf Aufwandspauschale nicht mit dem Argument verweigern, dass das Krankenhaus diesen Anspruch früher hätte fordern bzw. einklagen müssen.

 

Sachverhalt

 

Das klägerische Krankenhaus hatte eine bei der Beklagten versicherte Patientin im Jahr 2016 stationär behandelt. Mit der Rechnung für diese Behandlung forderte der Kläger von der Beklagten eine Vergütung in Höhe von 3.141,42 €. Die Beklagte bezahlte die Rechnung zunächst vollständig und leitete eine Prüfung der Verweildauer durch den MD (damals noch MDK) ein. Der MD führte in seinem Gutachten aus, dass die Abrechnung fehlerhaft gewesen sei. Im Jahr 2017 verrechnete die Beklagte daher 1.659,54 € mit unstreitigen klägerischen Forderungen aus anderen Behandlungsfällen. Der Kläger erhob hiergegen Klage vor dem zuständigen Sozialgericht. Der Rechtsstreit endete im November 2020 durch die klägerische Annahme des von der Beklagten erklärten Anerkenntnisses.

 

Im Jahr 2021 stellte der Kläger der Beklagten die Aufwandspauschale gem. § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V in der damals geltenden Fassung vom 23.12.2016 (im Folgenden a. F.) in Höhe von 300,00 € in Rechnung. Die Beklagte wies den Anspruch auf die Aufwandspauschale zurück. Sie war der Ansicht, dass der Kläger die Aufwandspauschale im Rahmen des vorherigen gerichtlichen Vergütungsverfahrens hätte miteinklagen müssen. Nun sei der Anspruch verjährt.

 

Der Kläger erhob daher beim zuständigen Sozialgericht Klage auf Zahlung der Aufwandspauschale nebst Zinsen. Der Anspruch aus § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V a. F. auf die Aufwandspauschale sei nicht verjährt, denn die Verjährungsfrist habe erst mit Abschluss des gerichtlichen Verfahrens und nicht mit Erstellung des MD-Gutachtens oder im Zeitpunkt der Behandlung der Patientin zu laufen begonnen. Entstanden sei der Anspruch erst mit dem Abschluss des Gerichtsverfahrens. Erst dann habe objektiv festgestanden, dass die ursprüngliche Abrechnung insgesamt rechtmäßig gewesen sei. Nach dem Wortlaut des § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V löse erst eine Prüfung, die nicht zu einer Reduzierung des Abrechnungsbetrages führe, die Aufwandspauschale aus. Damit werde eindeutig auf das Ergebnis der Prüfung abgestellt.

 

Das zuständige Sozialgericht hat die Beklagte zur Zahlung der Aufwandspauschale nebst Zinsen verurteilt. Das angerufene Landessozialgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hiergegen legte die Beklagte Revision ein.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG hat die Revision zurückgewiesen. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Zahlungsanspruch der Aufwandspauschale zu. Der klägerische Anspruch gemäß § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V a. F. sei bei der Klageerhebung im Jahr 2021 nicht verjährt gewesen. Der Anspruch sei erst mit dem Zugang des von der Beklagten abgegebenen Anerkenntnisses im November 2020 entstanden. Der Anspruch auf die Aufwandspauschale entstehe, sobald eine Abrechnungsminderung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise jedenfalls faktisch ausgeschlossen sei. Der Eintritt einer Abrechnungsminderung sei ausgeschlossen, wenn die Krankenkasse wie hier in einem gerichtlichen Verfahren den ungeminderten Abrechnungsbetrag anerkannt habe. Die Beklagte habe im November 2020 unstreitig ein Anerkenntnis abgegeben. Damit sei auch der Anspruch auf die Aufwandspauschale entstanden. Die für die Aufwandspauschale analog geltende zweijährige Verjährungsfrist nach § 109 Abs. 5 S. 1 SGB V habe am 31.12.2022 geendet und sei bei der Klageerhebung somit nicht abgelaufen gewesen.

 

Anmerkungen

 

Gegenwärtig liegt nur der Terminsbericht vor.

 

Danach hat das BSG erneut klargestellt, dass es bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung für die Entstehung des Zahlungsanspruchs der Aufwandspauschale nicht auf das Ergebnis des MD-Gutachtens oder die leistungsrechtliche Entscheidung der Krankenkasse ankommt. Vielmehr entsteht der Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale im Fall eines gerichtlichen Vergütungsverfahrens erst mit dessen rechtskräftiger Beendigung. Erst zu diesem Zeitpunkt kann ein Krankenhaus erkennen, dass eine Abrechnungsminderung faktisch ausgeschlossen ist und ihm daher eine Aufwandspauschale zusteht. Dies gilt z.B. bei einem vollen Anerkenntnis des Vergütungsanspruches durch die beklagte Krankenkasse.

 

  Datum: 09.10.2024 08:58:57
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Landesrechtliche Regelungen nach § 112 SGB V für Vergütungstatbestände sind außerhalb der bundesrechtlichen Finanzierungs-Vorschriften unzulässig
 

Die Regelung einer materiell-rechtlichen Vergütung in einem Landesvertrag nach § 112 SGV V außerhalb des bundeseinheitlichen Finanzierungrechts ist nichtig.  Die bundesrechtlichen Vergütungsvorschriften sind abschließend. Eine eigenständige Vergütung einer Erstuntersuchung in einem Landesvertrag ist nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 112 Abs 2 SGB V (Hamburg) gedeckt.

 

BSG, Urteil vom 25.06.2024, B 1 KR 12/23 R

 

– Vergütung Erstuntersuchung, vorstationäre Behandlung gem. § 115a SGB V, § 4 Abs. 6 Satz 3 Landesvertrag (Hamburg), Ermächtigungsgrundlage des § 112 Abs. 2 SGB V, Krankenhausbehandlung nach § 39 Abs. 1 SGB V

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG hat mit seiner neusten Entscheidung klargestellt, dass die Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen bundesrechtlich abschließend geregelt sind. Entgelte, die in bundesrechtlichen Vorschrift nicht aufgeführt sind, dürfen für allgemeine Krankenhausleistungen nicht abgerechnet werden. Erbrachte Leistung wie Aufnahme- oder Erstuntersuchungen können somit nur als vorstationäre Behandlung gem. § 115a SGB V abgerechnet werden, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt werden.

 

Sachverhalt

 

Ein Versicherter der beklagten Krankenkasse kam im Januar 2018 aufgrund einer Kopfverletzung in die Notaufnahme des klägerischen Krankenhauses. Eine vertragsärztliche Verordnung von Krankenhausbehandlung lag nicht vor. In der Aufnahmeuntersuchung diagnostizierten die Krankenhausärzte eine Gehirnerschütterung. Sie empfahlen die stationäre Aufnahme zur weiteren neurologischen Überwachung. Der Patient lehnte die weitere Behandlung trotz medizinischer Notwendigkeit jedoch ab und verließ das Krankenhaus entgegen ärztlichem Rat.

 

Die Klägerin rechnete den Aufenthalt des Patienten nach den Grundsätzen für eine vorstationäre Behandlung ab. Die Beklagte verweigerte die Zahlung, weil es an einer für die Abrechnung einer vorstationären Behandlung erforderlichen vertragsärztlichen Verordnung von Krankenhausbehandlung gefehlt habe. Die Klägerin hielt dem entgegen, der in Hamburg geltende „Vertrag Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung (§ 112 Absatz 1 SGB V zu § 112 Absatz 2 Nr. 1 SGB V)“ vom 19.12.2002 (im Folgenden: Landesvertrag) lasse die Abrechnung als vorstationäre Behandlung ohne Einweisung zu, wenn der Patient nach der Erstuntersuchung die notwendige stationäre Behandlung eigenmächtig ablehne.

 

Das angerufene SG hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Das LSG hat die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil zurückgewiesen. Die von der Klägerin durchgeführte Erstuntersuchung sei gemäß § 4 Abs 6 Satz 3 Landesvertrag „wie“ eine vorstationäre Behandlung abzurechnen. Danach müssen - vergleichbar einer Rechtsfolgenverweisung - nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen einer vorstationären Krankenhausbehandlung vorliegen; die Leistung werde lediglich nach den für diese Behandlung geltenden Sätzen vergütet. Die landesvertragliche Regelung verletze kein Bundesrecht. Insbesondere halte sie sich im Rahmen der den Vertragsparteien nach § 112 SGB V eingeräumten Regelungskompetenz. Sie betreffe nicht ambulante vertragsärztliche Leistungen, sondern die zur allgemeinen Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V gehörende Aufnahmeuntersuchung.

 

Hiergegen legte die Beklagte Revision ein. Sie rügt dabei eine Verletzung von § 115a SGB V. Die Vorschrift definiere den Begriff der vorstationären Behandlung. Sie setze eine ärztliche Einweisung voraus und diene als Annex der vollstationären Versorgung entweder ihrer Vorbereitung oder der Prüfung, ob diese erforderlich sei. Die Voraussetzungen hätten nicht vorgelegen. Eine Aufnahmeuntersuchung könne nicht gesondert, sondern nur als Bestandteil stationärer Behandlung oder im Fall einer ambulanten Notfallbehandlung durch die Notfallpauschale abgerechnet werden. Krankenhäuser seien stets verpflichtet, die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung zu prüfen.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG hat der Revision stattgegeben, die vorinstanzlichen Urteile aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Klägerin stehe der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht zu. Es fehle an einer wirksamen Rechtsgrundlage. § 4 Abs. 6 Satz 3 Landesvertrag sei nicht mit Bundesrecht vereinbar und daher nichtig. Auch auf eine andere Rechtsgrundlage könne der Anspruch nicht gestützt werden.

 

Die in § 112 Abs. 1 SGB V genannten Vertragspartner auf Landesebene seien nicht ermächtigt, über die bundesrechtlich abschließend festgelegten Entgeltarten hinausgehende Entgelttatbestände für allgemeine Krankenhausleistungen festzulegen. Eine eigenständige Vergütung der Erstuntersuchung gem.§ 4 Abs. 6 Satz 3 Landesvertrag sei nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 112 Abs. 2 SGB V gedeckt und stehe nicht im Einklang mit den bundesrechtlichen Vorgaben.

 

Der auf die Ermächtigungsgrundlage des § 112 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGB V gestützte Landesvertrag begründe laut dem LSG durch § 4 Abs. 6 Satz 3 einen Entgelttatbestand, wenn ein Patient nach der Erstuntersuchung die notwendige stationäre Behandlung eigenmächtig ablehnt. Die bis dahin erbrachten Leistungen seien laut dem LSG grundsätzlich wie eine vorstationäre Leistung zu vergüten, falls eine Verordnung gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V nicht vorliegt. Somit handele sich um eine eigenständige Vergütungsregelung für die Erstuntersuchung.

 

Die vom LSG gefundene Auslegung der landesvertraglichen Regelung sei für das BSG zwar grundsätzlich verbindlich, da es sich bei den Regelungen des Landesvertrages um Vorschriften handle, deren Geltungsbereich sich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstrecken würden.

 

Die Vereinbarung eines eigenen Entgelttatbestandes wie für die Aufnahme- oder Erstuntersuchungen sei aber von der Ermächtigungsgrundlage des § 112 Abs. 2 SGB V nicht gedeckt. § 112 Abs. 2 SGB V enthalte keine entsprechende Öffnungsklausel. Das Regelungssystem schließe die vertragliche Begründung eines eigenständigen Vergütungstatbestandes aus. Die gesetzliche Definition der Arten der Krankenhausbehandlung in § 39 Abs. 1 SGB V sei abschließend und durch eine Regelung in einem Vertrag nach § 112 SGB V nicht erweiterbar. Die Vertragspartner der Landesverträge seien nicht ermächtigt, über die bundesrechtlich abschließend festgelegten Entgeltarten hinausgehende Entgelttatbestände für unselbstständige Bestandteile allgemeiner Krankenhausleistungen der DRG-Krankenhäuser festzulegen.

 

Auch soweit das LSG davon ausgehe, dass eine Aufnahmeuntersuchung im Sinne des § 4 Abs. 6 Satz 3 Landesvertrag ein vergütungsrechtlich zulässiger verselbstständigter Teil einer teil- oder vollstationärer Behandlung sei, verstoße dies gegen § 7 KHEntgG. § 7 KHEntgG regle bundesrechtlich abschließend den Katalog von Entgelten für allgemeine Krankenhausleistungen. Entgelte, die in dieser Vorschrift nicht aufgeführt seien, dürfen für allgemeine Krankenhausleistungen nicht abgerechnet werden.

 

Hier habe mangels vertragsärztlicher Verordnung die von der Klägerin erbrachte Leistung nicht als vorstationäre Behandlung gem. § 115a SGB V abgerechnet werden können.

 

Anmerkungen

 

Aufgrund der eindeutigen Entscheidung des BSG ist eine Berufung auf landesvertragliche Vorschriften zur eigenständigen Vergütung von Aufnahme- oder Erstuntersuchungen nicht mehr möglich. Soweit nunmehr eine Abrechnung dieser Untersuchungen erfolgen soll, müssen die Voraussetzungen einer vorstationären Behandlung gem. § 115a SGB V (u.a. Verordnung von Krankenhausbehandlung, Prüfung der Notwendigkeit der vorstationären Behandlung) vollständig erfüllt sein.

 

  Datum: 27.08.2024 09:15:20
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Vereinbarung eines Untersuchungstermins für den Patienten kann bei der Entlassplanung zwingend sein
 

Wenn es die Umstände des Einzelfalls erfordern, ist ein Krankenhaus verpflichtet, die für die Erhaltung der Gesundheit eines Patienten elementaren Anschluss- und Abschlussuntersuchungen selbst zu veranlassen. Ein Krankenhaus muss gerade zum Schutz eines neugeborenen Patienten in Absprache mit den Eltern frühzeitig Kontakt mit dem weiterbehandelnden (Fach-)Arzt aufnehmen und für einen rechtzeitigen Termin für die weitere Untersuchung des Patienten sorgen.

 

BGH, Urteil vom 04.06.2024, VI ZR 108/23

 

– Anforderungen an das erforderliche Entlassmanagement gem. § 39 Abs. 1a SGB V, Befunderhebungsfehler, Beweislastumkehr gem. § 630h Abs. 5 Satz 2 BGB

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der BGH hat in einer aktuellen Entscheidung vom 04.06.2024 klargestellt, dass eine Erblindung eines Frühgeborenen einem Krankenhausträger rechtlich vorgeworfen werden kann, wenn nicht nur versäumt wurde, die Risiken der Erblindung korrekt einzuschätzen, sondern auch keine ausreichende Veranlassung durch das Krankenhaus von entsprechend erforderlichen Untersuchungen nach der Entlassung erfolgt ist. Dies kann bedeuten, dass im Rahmen des Entlassmanagements auch die Vereinbarung eines Untersuchungstermins durch das Krankenhaus selbst erfolgen muss.

 

Sachverhalt

 

Der Kläger wurde im Juli 2016 in der 25. Schwangerschaftswoche in der gynäkologischen Klinik der Beklagten geboren und in der dortigen Klinik für Kinder- und Jugendmedizin versorgt. Beim Kläger bestand ein besonderes Risiko für eine Frühgeborenen-Retinopathie samt sich daraus entwickelnder Netzhautablösung. Aus diesem Grund erfolgten regelmäßige augenärztliche Untersuchungen. Diese ergaben keine Hinweise auf eine Frühgeborenen-Retinopathie. Im Oktober 2016 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen. Der errechnete reguläre Geburtstermin des Klägers wäre der 10. November 2016 gewesen. Die Beklagte empfahl dabei eine augenärztliche Kontrolle in drei Monaten.

 

Am 24. November 2016 wurde beim Kläger in einer anderen Klinik eine Frühgeborenen-Retinopathie diagnostiziert. Das rechte Auge des Klägers war nicht mehr zu behandeln (vollständige Erblindung). Das linke Auge wies eine hochgradige Sehbehinderung auf. Der Beklagten wurde vorgeworfen, die erneute augenärztliche Kontrolle erst nach drei Monaten empfohlen zu haben. Die Abschlussuntersuchung hätte zum errechneten Geburtstermin erfolgen müssen. Bei rechtzeitiger Kontrolle wären die Retinopathie und die Sehschäden verhindert worden.

 

Das angerufene Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 130.000 € nebst Zinsen zu zahlen. Es hat die Ersatzverpflichtung der Beklagten in Bezug auf zukünftige immaterielle und materielle Schäden festgestellt. Hiergegen hat die Beklagte Revision eingelegt.

 

Entscheidungsgründe

 

Der BGH hat das Berufungsurteil des Oberlandesgericht aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Er war aber der Auffassung, dass die Versäumnisse der Beklagten in der gebotenen Gesamtbetrachtung als Befunderhebungsfehler zu qualifizieren seien mit der Folge, dass dem Kläger die in § 630h Abs. 5 Satz 2 BGB angeordnete Beweislastumkehr zu Gute komme. Unterlasse es ein Arzt, einen medizinisch gebotenen Befund rechtzeitig zu erheben oder zu sichern, liege der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit in der unterbliebenen Befunderhebung. Denn die standardwidrig verspätete Erhebung eines Befundes stehe einer Nichterhebung gleich. Die Beklagte sei somit unter den Umständen des Streitfalls verpflichtet gewesen, eine weitere Kontrolluntersuchung der Augen des Klägers rechtzeitig zu veranlassen.

 

Der Krankenhausträger sei gemäß § 39 Abs. 1a SGB V verpflichtet gewesen, im Rahmen der bestehenden Versorgungsstruktur für eine sachgerechte Anschlussversorgung nach der Krankenhausbehandlung zu sorgen. Es sei die Aufgabe des Krankenhauses, in einem Entlassplan die medizinisch unmittelbar erforderlichen Anschlussleistungen festzulegen. Vor diesem Hintergrund sei die Beklagte unter den Umständen des Streitfalls verpflichtet gewesen, die für die Erhaltung der Sehkraft des Klägers elementare augenärztliche Abschlussuntersuchung zu veranlassen. Die Beklagte hätte zum Schutz des ihr anvertrauten Klägers zumindest in Absprache mit den Eltern frühzeitig Kontakt mit einem weiterbehandelnden Augenarzt aufnehmen und für einen rechtzeitigen Termin für die Untersuchung des Klägers, beispielsweise durch Vereinbarung eines Untersuchungstermins, sorgen müssen.

 

Anmerkungen

 

Das BSG hat mit dieser Entscheidung die Patientenrechte gestärkt und gleichzeitig seine ständige Rechtsprechung fortgeführt. Neu ist insoweit die konkrete Forderung des BGH an die Krankenhausträger, im Rahmen der Entlassplanung auch eine weitere Behandlung nötigenfalls vollständig zu organisieren und insoweit für die Vereinbarung eines Untersuchungstermins selbst zu sorgen. Wie der BGH aber festgestellt hat, orientiert sich die Verantwortlichkeit und der Maßstab an die durchzuführenden Entlassmaßnahmen stets an den Umständen des jeweiligen Einzelfalls. Somit kann im Rahmen der Entlassplanung auch von einem Krankenhausträger nur das Verhalten verlangt werden, das aufgrund der jeweiligen medizinischen Gründen des Einzelfalls geboten ist. Dennoch wird durch diese Entscheidung die Bedeutung einer gewissenhaften und rechtzeitigen Entlassplanung besonders deutlich.

 

  Datum: 23.08.2024 08:56:49
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Pflege durch qualifiziertes Personal als medizinisches Erfordernis eines Krankenhausaufenthaltes bei Fehlen einer Sonderpflegeeinrichtung
 

Wenn ein stark pflegebedürftiger Patient nach einer Krankenhausbehandlung entlassen werden müsste, jedoch keine geeignete medizinische Sonderpflegeeinrichtung den Patienten anschließend aufnehmen kann, dann darf der Patient bis zur Aufnahme in eine geeignete Einrichtung stationär im Krankenhaus verbleiben. In diesem Fall scheitert die unmittelbare Entlassung des Patienten nicht an einem unzureichenden Entlassmanagement des Krankenhauses, sondern an mit der Behandlung zusammenhängenden Gründen.

 

SG Wiesbaden, Gerichtsbescheid vom 18.07.2024, S 18 KR 143/21

 

– Entlassmanagement gem. § 39 Abs. 1a SGB V, medizinisches Erfordernis einer nahtlosen Pflege durch qualifiziertes Personal, keine anderweitig verfügbare Pflegealternative –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das Sozialgericht Wiesbaden hat bestätigt, dass ein stark pflegebedürftiger Patient auch nach dem eigentlichen Ende der Behandlung im Krankenhaus weiter behandelt werden darf, wenn eine frühere Aufnahme in eine Sonderpflegeeinrichtung tatsächlich nicht möglich ist. Die spätere Entlassung ist dann nicht auf ein mangelhaftes Entlassmanagement des Krankenhauses zurückzuführen, sondern auf das besondere Pflegebedürfnis des Patienten, welches ein selbstständiges medizinisches Erfordernis für die weitere Krankenhausbehandlung darstellt.

 

Sachverhalt

 

Der bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Patient befand sich in der Zeit vom 27.05.2019 bis zum 14.10.2019 im klägerischen Krankenhaus zur vollstationären Behandlung. Da keine geeignete Sonderpflegeeinrichtung zur Verfügung stand, konnte der Patient erst am 14.10.2019 entlassen werden, obwohl der klägerische Sozialdienst bereits seit dem 26.09.2019 nach einer geeigneten Anschlusspflege gesucht und hierfür mehrere Sonderpflegeheime angeschrieben hatte. Mit Rechnung vom 28.10.2019 bezifferte die Klägerin die Behandlungskosten in Höhe von 191.795,76 € u. a. mit einem Langliegerzuschlag (59 Tage) sowie dem Zusatzentgelt ZE D002 (Hochaufwendige Pflege bei Erwachsenen). Die Beklagte zahlte zunächst die klägerische Rechnung und beauftragte dann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung der Abrechnung. Mit Gutachten vom 02.11.2020 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass die stationäre Krankenhausbehandlung um 12 Tage (03.10.2019 bis 14.10.2019) hätte abgekürzt werden können. Laut dem MDK habe der Sozialdienst früher eine Verlegung des Patienten in eine ambulante Behandlung unter Gewährleistung pflegerischer Versorgung herbeiführen können. Am 10.11.2019 verrechnete daher die Beklagte einen Betrag in Höhe von 16.323,34 € mit weiteren unstreitigen Forderungen der Klägerin.

 

Im Auftrag der Klägerin erhoben wir daraufhin Klage, welcher am 18.07.2024 stattgegeben wurde.

 

Entscheidungsgründe

 

Das SG Wiesbaden war der Auffassung, dass der Klägerin der geltend gemachte Vergütungsanspruch auch in dem streitgegenständlichen Zeitraum vom 03.10.2019 bis zum 14.10.2019 zugestanden habe und die Beklagte mit unstreitigen Forderungen nicht habe verrechnen dürfen.

 

Endet ein zunächst bestehender stationärer Behandlungsbedarf i. S. d § 39 Abs. 1 SGB V, bedürfe es einer Phase der Entlassung, die durch das Entlassungsmanagement geprägt sei. Nach § 39 Abs. 1a SGB V umfasse die Krankenhausbehandlung ein Entlassmanagement zur Unterstützung einer sektorenübergreifenden Versorgung der Patienten beim Übergang in die Versorgung nach der Krankenhausbehandlung. Unter dieser Voraussetzung habe in dem streitgegenständlichen Behandlungszeitraum für die weitere vollstationäre Krankenhausbehandlung ein medizinisches Erfordernis bestanden, weil die Entlassung aufgrund der gebotenen Sonderpflege, u. a. wegen eines absaugpflichtigen Tracheostomas, nur bei nahtloser Pflege durch qualifiziertes Personal in einer Sonderpflegeeinrichtung möglich gewesen sei.

 

Die Beklagte könne sich insoweit nicht darauf berufen, dass nach der BSG-Rechtsprechung kein Anspruch auf stationäre Behandlung bestehe, wenn der Patient zur Sicherstellung der ambulanten Behandlung einer Betreuung durch medizinische Hilfskräfte in geschützter Umgebung bedürfe und eine dafür geeignete Einrichtung außerhalb des Krankenhauses nicht zur Verfügung stehe. Dem stehe laut dem SG Wiesbaden in dem streitgegenständlichen Fall entgegen, dass vorliegend die Betreuung durch eine examinierte Pflegefachkraft und nicht durch eine medizinische Hilfskraft geboten gewesen sei. Soweit der MDK ohne nähere Begründung behauptet habe, dass der Aufenthalt anhand der vorliegenden Unterlagen um 12 Tage hätte abgekürzt werden können, habe die Klägerin substantiiert und nachvollziehbar dargelegt, dass eine frühere Verlegung des Patienten in eine Sonderpflegeeinrichtung im Rahmen des Entlassmanagements i. S. d. § 39 Abs. 1a SGB V nicht möglich gewesen sei. Die Klägerin habe zeitnah sechs Sonderpflegeheime im Umkreis von 50 Kilometern angeschrieben. Die zeitnahe Entlassung des Patienten sei daher nicht an einem unterbliebenen oder unzureichenden klägerischen Entlassmanagement, sondern an mit der Behandlung zusammenhängenden Gründen gescheitert.

 

Anmerkungen

 

Unabhängig vom Anspruch auf Übergangspflege im Krankenhaus für längstens zehn Tage gem. § 39e SGB V besteht ein Anspruch des Krankenhaus auf Behandlungsvergütung, wenn die Pflegebedürftigkeit ein selbstständiges medizinisches Erfordernis darstellt und den weiteren Aufenthalt auch nach dem vorgesehenen Behandlungsende begründet hat. Ein stark pflegebedürftiger Patient soll somit nicht notgedrungen in ungeeignete Einrichtungen ohne entsprechend qualifiziertes Personal entlassen werden müssen, nur weil die Weiterbehandlung im Krankenhaus nicht von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert werden würde. Somit stärkt diese Entscheidung nicht nur die Rechte der Krankenhäuser, sondern auch die Patientenrechte von stark pflegebedürftigen Menschen.

 

  Datum: 06.08.2024 12:08:20
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Anwendbarkeit der GOÄ bei ambulanten Leistungen im Krankenhaus bei Selbstzahlern
 

Der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) setzt nicht voraus            , dass der Vertragspartner des Patienten* ein Arzt* ist, sondern dass die Vergütung für die beruflichen Leistungen eines Arztes geltend gemacht wird. Die GOÄ findet daher auch dann Anwendung, wenn der Behandlungsvertrag mit einer juristischen Person wie einem Krankenhausträger abgeschlossen wurde und ambulante Leistungen durch Ärzte erbracht wurden, die nur im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses tätig wurden und mit dem (selbstzahlenden) Patienten keine Vertragsbeziehung eingegangen sind. Pauschale Vergütungsvereinbarungen sind unzulässig.

 

*Die Bezeichnung Patient oder Arzt umfasst i. Folg. alle Geschlechter

 

BGH, Urteil vom 04.04.2024, III ZR 38/23

 

– Vergütung nach GOÄ, Selbstzahler, bei juristischen Personen angestellte Ärzte, pauschale Vergütungsvereinbarung, Formnichtigkeit –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

der BGH hat mit dieser Entscheidung der mehr als 40 Jahre alten Verordnungsbegründung, wonach die GOÄ nicht für Leistungen durch Einrichtungen wie Krankenhäuser gelte, eine Absage erteilt und hiermit die Patientenrechte gestärkt. Demnach haben Patienten auch als Selbstzahler ein Recht auf eine Vergütung der ärztlichen Leistung, die die GOÄ zu Grunde legt. Pauschale Vergütungsvereinbarungen sind danach unzulässig. 

 

Sachverhalt

 

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer ambulanten Leistung mittels sog. Cyberknife-Verfahren.

 

Der gesetzlich krankenversicherte Kläger befand sich beim beklagten Universitätsklinikum wegen eines Prostatakarzinoms in ärztlicher Behandlung. Kläger und Beklagte vereinbarten, dass das innovative Cyberknife-Verfahren zur Anwendung kommen sollte. Das Cyberknife ist ein aus einem kompakten Linearbeschleuniger bestehendes Bestrahlungsgerät, das eine hochenergetische Präzisionsbestrahlung von Tumoren ermöglicht. Die Behandlung wird in der Regel ambulant durchgeführt. Das Verfahren war in dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) für gesetzlich krankenversicherte Patienten nicht enthalten und gehörte daher grundsätzlich nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Die Beklagte verfügte auch nicht über eine Ermächtigung gemäß § 116b SGB V, das Verfahren im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung anwenden zu dürfen.

 

Im März 2020 lehnte die klägerische Krankenkasse gegenüber dem Kläger die Kostenbeteiligung am Cyberknife-Verfahren ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch samt Klage blieb erfolglos. Die Beklagte informierte den Kläger daneben über eine zusätzliche Ablehnung des Antrags der Beklagten auf Kostenübernahme im Rahmen einer Einzelfallentscheidung und teilte mit, dass der Kläger für die Kosten selbst aufkommen müsse, wenn er die Cyberknife-Behandlung wünsche. Der Kläger unterzeichnete sodann im April 2020 eine pauschale Vergütungsvereinbarung, mit der er bestätigte, die anfallenden Kosten in Höhe von 10.633,00 € nach erfolgter Behandlung zu begleichen. Daraufhin wurde die Cyberknife-Behandlung ambulant durchgeführt.

 

Im Juli 2020 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm eine ordnungsgemäße Rechnung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zu stellen. Die Beklagte berechnete dem Kläger sodann mit der Leistungsbezeichnung „Cyberknife Komplexleistung III“ einen Pauschalbetrag in Höhe von 10.633 €, den der Kläger anschließend vollständig bezahlte. Der Kläger machte danach aber geltend, die Beklagte habe ihn pflichtwidrig nicht darüber aufgeklärt, dass andere gesetzliche Krankenkassen die Kosten für eine Cyberknife-Behandlung übernähmen. Ihm wäre ein Wechsel zu einer dieser Krankenkassen vor dem Behandlungsbeginn ohne weiteres möglich gewesen. Als Pauschalpreisvereinbarung widerspreche die Kostenübernahmeerklärung außerdem den Bestimmungen der GOÄ.

 

Das angerufene Landgericht hat die Beklagte zur Rückzahlung des erhaltenen Honorars nebst Zinsen verurteilt. Nachdem die eingelegte Berufung hiergegen erfolglos blieb, legte die Beklagte Revision ein. Die Revision der Beklagten blieb nunmehr ebenfalls erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

 

Der BGH war der Ansicht, dass die Revision unbegründet sei.

 

Eine wirtschaftliche Aufklärung über die gesetzlichen Krankenkassen, welche die Kosten einer Cyberknife-Behandlung übernähmen, habe die Beklagte zwar nicht geschuldet, da in der im April 2020 vom Klägerin unterzeichneten Kostenübernahmeerklärung die voraussichtlichen Kosten angegeben worden seien. Eine Informationspflicht zur umfassenden wirtschaftlichen Beratung des Patienten besteht insoweit nicht.

 

Der Kläger habe aber einen Anspruch auf Rückzahlung der Vergütung in Höhe von 10.633,00 € nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, da die Kostenübernahmeerklärung als Pauschalpreisvereinbarung wegen Verstoßes gegen § 2 Abs. 2 GOÄ gemäß § 125 BGB nichtig sei. Die GOÄ sei auch auf durch einen angestellten Arzt erbrachte ambulante Leistungen einer juristischen Person anwendbar. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 GOÄ, der auf die beruflichen Leistungen der Ärzte abstelle und nicht zwischen selbständigen und angestellten Ärzten differenziere. Es sei auch äußerst fernliegend, dass die Vergütungsgestaltung ambulanter Behandlungen durch bei juristischen Personen angestellte Ärzte nach dem Willen des Gesetzgebers ohne Regelungen bleiben solle. Nach dem Sinn und Zweck der GOÄ handle es sich hierbei um ein für alle Ärzte zwingendes Preisrecht, welches den Interessen der Ärzte und der zur Zahlung verpflichteten Patienten Rechnung tragen solle. Zudem bestünde eine erhebliche Missbrauchsgefahr, wenn sich Ärzte allein durch die Gründung einer juristischen Person der Bindung an die GOÄ zum Nachteil des Patienten entziehen könnten. Die von einem Arzt im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses erbrachten ambulanten Behandlungsmaßnahmen seien dabei der juristischen Person, die die Behandlung gegenüber dem Patienten vertraglich schulde, selbst aber keine Leistung „persönlich“ erbringen könne, zuzurechnen, so dass die Voraussetzungen einer persönlichen Leistungserbringung im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÄ erfüllt seien.

 

Die Formnichtigkeit der Pauschalpreisvereinbarung sei vorliegend auch nicht ausnahmsweise wegen treuwidrigen Verhaltens des Patienten gemäß § 242 BGB unbeachtlich. Denn die Beklagte hätte die durchgeführte Cyberknife-Behandlung hilfsweise nach der GOÄ (im Wege der Analogberechnung) abrechnen können, wozu sie der Kläger im Juli 2020 ausdrücklich aufgefordert habe. Gemäß § 6 Abs. 2 GOÄ können nämlich selbständige Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen worden seien, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses berechnet werden.

 

Anmerkungen

 

Der BGH widerspricht mit diesem Urteil der bislang teilweise in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung, wonach eine juristische Person als Leistungserbringer und Behandelnder nicht verpflichtet sei, ihre Leistungen gegenüber Selbstzahlern nach der GOÄ abzurechnen und somit freie Preise vereinbaren könne. Laut dem BGH muss auch ein Krankenhaus oder ein MVZ nunmehr selbst bei in der GOÄ nicht aufgeführten ambulanten Leistungen gegenüber einem selbstzahlenden Patienten auf Grundlage der GOÄ im Wege der Analogberechnung abrechnen.

 

Vom BGH nicht behandelt wurde die Frage, ob und inwieweit das Krankenhaus berechtigt war, die ambulante Leistung zu erbringen.

 

  Datum: 05.07.2024 12:12:43
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Ständige Anwesenheit der Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ im OPS 8-980
 

Die im OPS 8-980 verlangte Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ erfordert bei einer intensivmedizinischen Behandlung, dass ein solcher Facharzt zumindest einmal täglich persönlich auf der Intensivstation anwesend ist und im Übrigen eine durchgehende Rufbereitschaft besteht.

 

BSG, Urteil vom 25.06.2024, B 1 KR 20/23 R

 

– OPS 8-980, Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“, tägliche Anwesenheit, Rufbereitschaft–

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG legt in seiner aktuellen Entscheidung vom 25.06.2024 an das Mindestmerkmal des OPS 8-980 „Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin"“ stringente Anforderungen hinsichtlich der Anwesenheit der zuständigen Behandlungsleitung an.

 

Sachverhalt

 

Im klägerischen Krankenhaus wurde eine an einer Gelbsucht und einer bösartigen Neubildung des Nierenbeckens leidende Patientin von Dezember 2015 bis Februar 2016 vollstationär behandelt. Der Kläger rechnete den Behandlungsfall gegenüber der beklagten Krankenkasse nach Maßgabe der Fallpauschale L36Z ab und verschlüsselte hierfür den Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 8-980.20 für eine intensivmedizinische Komplexbehandlung (Basisprozedur).

 

Die Beklagte zahlte den sich daraus ergebenden vollständigen Rechnungsbetrag nur unter Vorbehalt und verrechnete nach durchgeführter MDK-Prüfung einen Teilbetrag mit anderen unstreitigen Forderungen des Klägers. Die Beklagte machte geltend, die für die Kodierung des OPS 8-980 erforderliche lückenlose Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit Zusatzbezeichnung „Intensivmedizin“ an Wochenenden, Feiertagen und in der Urlaubszeit sei für den streitigen Behandlungszeitraum nicht belegt. Die Vergütung berechne sich deshalb nach der geringer bewerteten Fallpauschale L09C.

 

Die daraufhin eingelegte Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Landessozialgericht hat zur Begründung ausgeführt, dass die vom OPS 8-980 verlangte Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ erfordere, dass ein solcher auch an Wochenenden und Feiertagen täglich persönlich im Krankenhaus anwesend sei. Die beiden auf der Intensivstation des Klägers dienstplanmäßig tätigen Fachärzte mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ seien ausweislich der von dem Kläger vorgelegten Dienstpläne in einem Zeitraum von Freitagnachmittag bis Montagfrüh nicht im Dienst gewesen und hätten damit in dieser Zeit eine Behandlungsleitung nicht wahrnehmen können. Auch eine Rufbereitschaft oder sonstige Maßnahmen zur Ermöglichung einer persönlichen Anwesenheit der Behandlungsleitung hätten nicht bestanden.

 

Mit seiner Revision rügte der Kläger eine Verletzung des OPS 8-980. Das BSG hat die Revision des Klägers jedoch nun zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG ist der Ansicht, dass die im OPS 8-980 (Version 2015) verlangte Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ erfordere, dass ein solcher Facharzt zumindest einmal täglich persönlich auf der Intensivstation anwesend sei und im Übrigen eine durchgehende Rufbereitschaft bestehe. Dies folge laut dem BSG aus einer eng am Wortlaut orientierten und durch systematische Erwägungen unterstützten Auslegung des OPS 8-980. Dabei seien auch die Besonderheiten der intensivmedizinischen Behandlung zu berücksichtigen, bei der behandlungsleitende Entscheidungen auch unvorhergesehen zu jeder Zeit kurzfristig erforderlich werden können. Danach sei das Mindestmerkmal in dem streitigen Behandlungsfall nicht erfüllt gewesen. Die beiden im Krankenhaus des Klägers seinerzeit auf der Intensivstation dienstplanmäßig tätigen Fachärzte mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ seien während der Behandlung von Freitagnachmittag bis Montagfrüh beide nicht im Dienst gewesen und haben damit eine Behandlungsleitung nicht wahrnehmen können.

 

Anmerkungen

 

Gegenwärtig liegt nur der Terminsbericht vor. Das Urteil des BSG überrascht, da im OPS-Kode 8-980 (Version 2015) keine Anwesenheitszeiten der Behandlungsleitung vorgesehen sind.

 

Das BSG vermischt das Mindestmerkmal der Behandlungsleitung durch einen Facharzt mit der Zusatzweiterbildung "Intensivmedizin"“ mit dem separaten Mindestmerkmal „Eine ständige ärztliche Anwesenheit auf der Intensivstation muss gewährleistet sein“. Es wird vom Wortlaut explizit nur eine ständige ärztliche Anwesenheit, aber gerade keine Anwesenheit der Behandlungsleitung verlangt. Noch nicht erkennbar ist, ob sich das BSG mit der Klarstellung des BfArM gem. § 295 Abs. 1 Satz 8 und § 301 Abs. 2 Satz 6 SGB V auseinandergesetzt hat, die ab 01.01.2021 gilt. Das BfArM hatte klargestellt, dass mit der Behandlungsleitung in den jeweiligen OPS-Kodes keine Vorgaben zur Anwesenheit, Patientenkontakten und Teilnahme an den Teambesprechungen oder Visiten verbunden sind, es sei denn es bestehen kodespezifische Vorgaben. Es ist daher zurzeit noch offen, ob das BSG Urteil auch für die Zeiträume ab 01.01.2021 Anwendung findet. Insoweit kommt es auf die schriftlichen Urteilsgründe an, die noch nicht vorliegen.

 

Kurzfristig könnte auf die geänderten Anforderungen an den OPS 8-980 evtl. durch die formale Übertragung der Behandlungsleitung auf mehrere Fachärzte mit der Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“ reagiert werden.

 

Sobald die schriftlichen Urteilsgründe vorliegen, werden wir Sie weiter informieren.

 

  Datum: 04.07.2024 11:54:09
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Schadensersatzanspruch wegen Verlegung ohne sachlichen Grund
 

Eine medizinisch mögliche Weiterbehandlung im eigenen Krankenhaus hat grundsätzlich Vorrang gegenüber einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus. In diesem Fall sei nicht zu prüfen, ob eine Verlegung wirtschaftlicher gewesen wäre. Wenn ein Krankenhaus einen Patienten* ohne sachlichen Grund verlegt, dann trägt es in der Regel das Risiko der hierdurch verursachten Mehrkosten. Eine solche schuldhafte Pflichtverletzung des Krankenhauses kann insoweit zu einem Schadensersatzanspruch der jeweiligen Krankenkasse führen. Als sachlicher Grund kommen hierfür in Betracht: Zwingende medizinische Gründe, zwingende Gründe in der Person des Patienten sowie übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen, patienten- und bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhäusern (§ 1 Abs. 1 KHG).

 

*Die Bezeichnung Patient umfasst i. Folg. alle Geschlechter

 

BSG, Urteil vom 16.05.2023, B 1 KR 29/22 R

 

Verlegung, sachlicher Grund, Pflichtverletzung, Schadensersatzanspruch, Wirtschaftlichkeitsgebot, Vorrang einer medizinisch möglichen Weiterbehandlung –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG hat seine jüngste Rechtsprechung gemäß der Entscheidung vom 07.03.2023 (B 1 KR 4/22 R) zu der Schadensersatzpflicht eines Krankenhauses im Falle einer unberechtigten Verlegung und damit einhergehender Mehrkosten bestätigt. Wir hatten Sie über dieses Urteil vom 07.03.2023 bereits in unseren Newsletter vom 11.05.2023 und vom 30.06.2023 informiert.

 

Sachverhalt

 

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung im Zusammenhang mit einer Verlegung.

 

Das klagende Universitätsklinikum behandelte den bei der Beklagten krankenversicherten Patienten seit Februar 2016 vollstationär wegen einer Wirbelkörperfraktur als Folge einer malignen Tumorerkrankung mit multiplen Metastasen und verlegte ihn im März 2016 in ein anderes Krankenhaus zur Weiterbehandlung mittels Radiotherapie, die dort bis zum 23.03.2016 durchgeführt wurde und zur Abrechnung einer Fallpauschale führte, die hier nicht streitig ist.

 

Der Kläger stellte der Beklagten daraufhin insgesamt 23.003,45 € in Rechnung, welche die Beklagte zunächst beglich. Später verrechnete sie einen Teilbetrag in Höhe von 11.087,88 € mit einer unstreitigen klägerischen Forderung, weil die Verlegung unwirtschaftlich gewesen sei. Wäre die Bestrahlung im Haus des Klägers durchgeführt worden, hätten sich die Gesamtbehandlungskosten um den verrechneten Betrag verringert.

 

Das Sozialgericht hat die Beklagte zur vollständigen Zahlung nebst Zinsen verurteilt. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Das LSG war der Ansicht, dass dem Kläger der vollständige Rechnungsbetrag zugestanden habe. Die Voraussetzungen für einen Verlegungsabschlag seien nicht erfüllt gewesen. Die eng am Wortlaut auszulegenden Abrechnungsbestimmungen erforderten nicht, dass die Verlegung medizinisch notwendig sei. Das Wirtschaftlichkeitsgebot werde allein durch die Vertragsparteien nach § 17b Absatz 2 Satz 1 KHG konkretisiert. Die Grundsätze des fiktiven wirtschaftlichen Alternativerhaltens ständen dem nicht entgegen, weil erst nachträglich erkennbar sei, ob die Verlegung höhere Kosten verursache. Der Beklagten stehe auch kein Schadensersatzanspruch zu. Die Verlegung von einem Krankenhaus der Maximalversorgung in ein Krankenhaus der Regel- oder Schwerpunktversorgung sei nicht durch ökonomische Interessen veranlasst, sondern sachgerecht und zweckmäßig, wenn die vom Maximalversorger vorgehaltene besondere personelle und apparative Ausstattung nicht mehr benötigt werde.

 

Die Revision der Beklagten hatte nun teilweise Erfolg, da das BSG das LSG-Urteil aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen hat.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG war der Ansicht, dass dem Kläger zwar der streitige Vergütungsanspruch in voller Höhe zugestanden habe, denn ein Verlegungsabschlag sei nicht zu berücksichtigen und der Vergütungsanspruch sei bei einer Verlegung nicht davon abhängig, ob diese notwendig gewesen sei.

 

Das BSG konnte aber anhand der bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden, ob der Beklagten eventuell ein Schadensersatzanspruch zustehe. In Fortführung der Rechtsprechung zu den Grundlagen und Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs der Krankenkasse im Zusammenhang mit einer Verlegung (siehe Bundessozialgerichtsurteil vom 07.03.2023 (B 1 KR 4/22 R)) betont das BSG den aus der Behandlungspflicht folgenden grundsätzlichen Vorrang einer medizinisch möglichen Weiterbehandlung im eigenen Haus gegenüber einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus.

 

Aufgrund dieses Vorrangverhältnisses erfordere eine Weiterbehandlung im eigenen Haus grundsätzlich nicht eine Prüfung, ob eine Verlegung wirtschaftlicher gewesen wäre. Eine solche Wirtschaftlichkeitsprüfung sei laut dem BSG auch dann nicht erforderlich, wenn die Verlegung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sei. Neben zwingenden medizinischen Gründen könne eine Verlegung auch durch zwingende Gründe in der Person des Patienten oder - beispielsweise in einem mehrstufigen Krankenhausversorgungssystem - durch übergeordnete Gründe der Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung gerechtfertigt sein.

 

Wenn ein Krankenhaus einen Patienten aber ohne sachlichen Grund verlegt, dann trage es in der Regel das Risiko der dadurch verursachten Mehrkosten. Eine schuldhafte (Behandlungs-)Pflichtverletzung des Krankenhauses scheidet in einem solchen Fall nur dann aus, wenn das grundlos verlegende Krankenhaus trotz sorgfältiger Wirtschaftlichkeitsprüfung ausnahmsweise davon ausgehen durfte, die Verlegung werde keine Mehrkosten verursachen. Nicht entscheidend sei demgegenüber, ob das verlegende Krankenhaus die entstehenden Kosten im Einzelnen im Voraus abschätzen konnte.

 

Anmerkungen

 

Gegenwärtig liegt lediglich der Terminsbericht vor. Danach muss ein Krankenhaus die durch eine unbegründete Verlegung verursachten Mehrkosten tragen, es sei denn, dass es trotz sorgfältiger Wirtschaftlichkeitsprüfung ausnahmsweise davon ausgehen durfte, dass die Verlegung keine Mehrkosten bei der jeweiligen Krankenkasse verursachen würde.

 

Insoweit gilt die bisherige Rechtsprechung zum (verschuldensabhängigen) Schadensersatzanspruch der Krankenkasse nach § 69 Absatz 1 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 280 Absatz 1 BGB wegen einer ungerechtfertigten Verlegung weiter fort.

 

  Datum: 24.05.2024 09:58:53
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Unterschrift unter der Abrechnungs-Sammelerklärung
 

Soweit der Honorarverteilungsmaßstab einer Kassenärztlichen Vereinigung verlangt, dass eine Abrechnungs-Sammelerklärungen nur durch den ärztlichen Leiter eines MVZ zu unterschreiben ist, genügt die alleinige Unterschrift des Geschäftsführer des MVZ nicht und die Einrichtung verliert insoweit ihren Honoraranspruch. Derartige Formvorschriften sind mit höherrangigem Recht vereinbar.

 

BSG, Urteil vom 13.12.2023, B 6 KA 15/22 R

 

– Honorarverteilung gem. § 87b Abs 1 Satz 2, Abs 2 SGB V, Honorarverteilungsmaßstab, Garantiefunktion der Unterschrift bei der Abrechnungs-Sammelerklärung

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

das BSG hatte sich mit der Frage nach der „richtigen“ Unterschrift auf der Abrechnungs-Sammelerklärung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) zu befassen, wobei die Rechtsprechung des BSG nicht nur für ein MVZ, sondern auch für Vertragsärzte und Krankenhäuser interessant ist.

 

Sachverhalt

 

Die Klägerin betrieb ein MVZ. Mit Bescheid vom 14.02.2014 hatte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) die Honorarbescheide für die Quartale 2/2013 und 3/2013 aufgehoben und das gesamte Honorar (insgesamt 135.819,69 Euro) zurückgefordert, da die Abrechnungs-Sammelerklärungen nicht - wie es ihr Honorarverteilungsmaßstab (HVM) verlangt - vom ärztlichen Leiter des MVZ unterschrieben worden war, sondern nur vom klägerischen Geschäftsführer. Den von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies die Beklagte zurück.

 

Klage und Berufung hiergegen blieben ebenfalls erfolglos. Laut dem LSG habe die Beklagte die Honorarbescheide berichtigen und die gezahlten Honorare zurückfordern dürfen. Die Abrechnungen seien formal fehlerhaft gewesen, weil die Abrechnungs-Sammelerklärungen nicht durch den ärztlichen Leiter des MVZ unterzeichnet worden seien, sondern von dem klägerischen Geschäftsführer, der selbst weder angestellter Arzt des MVZ noch Vertragsarzt gewesen sei. Das im HVM geregelte Unterschriftserfordernis sei hierbei mit höherrangigem Recht vereinbar. Träger der vertragsärztlichen Zulassung und der damit verbundenen Rechte und Pflichten sei das MVZ. Der ärztliche Leiter trage dabei die Verantwortung für die ärztliche Steuerung der Betriebsabläufe und die Gesamtverantwortung gegenüber der KÄV.

 

Mit der Revision rügte die Klägerin eine Verletzung von § 87b Abs 1 Satz 2, Abs 2 SGB V. Nach dieser Vorschrift sei die Beklagte aus Sicht der Klägerin lediglich ermächtigt, in ihrem HVM Regelungen über die Modalitäten der Honorarverteilung zu treffen, etwa Regelungen über die Form und den Zeitpunkt der Abrechnung. Dies beinhalte jedoch nicht das Recht, die Anspruchsberechtigung als solche zu regeln, so dass bei einem MVZ ausschließlich der ärztliche Leiter die Unterschrift unter der Abrechnungs-Sammelerklärung zu leisten habe.

 

Das BSG hat die erhobene klägerische Revision zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG war der Ansicht, dass der Bescheid vom 14.2.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides weder formell noch materiell rechtswidrig gewesen sei. Die Beklagte habe die Honorarabrechnungen des MVZ für die Quartale 2/2013 und 3/2013 zutreffend vollständig aufgehoben, da die von dem MVZ eingereichten Abrechnungs-Sammelerklärungen nicht von einem ärztlichen Leiter unterzeichnet gewesen seien.

 

Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellung sei § 106a Abs 2 SGB V. Danach stelle die KÄV die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen fest. Die insofern durchgeführte Abrechnungsprüfung ziele auf die Feststellung ab, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots - erbracht und abgerechnet worden seien.

 

Die Befugnis zu Richtigstellungen bestehe dabei auch für bereits erlassene Honorarbescheide und bedeute eine (teilweise) Rücknahme des Honorarbescheides. Die Auffassung des LSG sei nicht zu beanstanden. Vertragsärztliche Leistungen müssen nicht nur rechtmäßig erbracht, sondern auch rechtmäßig abgerechnet werden. Auch eine ordnungsgemäß erbrachte Leistung könne damit Gegenstand einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung sein, wenn bei ihrer Abrechnung - mit Ausnahme bloßer Formvorschriften ohne materiellen Gehalt - Regelungen des Vertragsarztrechts verletzt worden seien.

 

Laut den Regelungen der HVM sei durch die Unterschrift zu bestätigen, dass der Unterzeichner die Verantwortung für die Erfüllung der Abrechnungsvoraussetzungen trage, weil er sie selbst erfülle oder sich von deren Erfüllung persönlich überzeugt habe. Bei einem MVZ und bei Krankenhäusern sei dabei die Unterschrift des ärztlichen Leiters erforderlich. Aus Sicht des BSG führe sogar ohne explizite Regelung im HVM das Fehlen einer Unterschrift oder die Unterschrift einer unzuständigen Person unter der Abrechnungs-Sammelerklärung zur zwingenden sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarabrechnung, da die Abgabe einer ordnungsgemäßen Abrechnungs-Sammelerklärung keine Formvorschrift, sondern vielmehr eine eigenständige Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs auf Vergütung der erbrachten Leistungen sei.

 

Wenn die Garantiefunktion der Abrechnungs-Sammelerklärung mangels (korrekter) Unterschrift gar nicht erst entstanden sei und somit eine Voraussetzung für die Festsetzung des Honoraranspruches fehle, sei der auf der Honorarabrechnung beruhende Honorarbescheid rechtswidrig. Auch entspreche es der ständigen BSG-Rechtsprechung, dass die KÄV im HVM Regelungen zu den Modalitäten der Abrechnung gemäß § 87b Abs 1 Satz 2 treffen dürfe. Das Erfordernis im HVM, die Abrechnungs-Sammelerklärung eines MVZ von dessen ärztlichem Leiter unterschreiben zu lassen, verstoße insbesondere nicht gegen höherrangiges Recht. Anders als der nichtärztliche Geschäftsführer eines MVZ habe der ärztliche Leiter die medizinische Fachkompetenz, die ihn zur Überprüfung befähigt, ob die von den einzelnen Ärzten angegebenen Behandlungsvorgänge so stattgefunden haben können und somit als Grundlage für eine stimmige Quartalsabrechnung taugen. Mit seiner Unterschrift erkläre der Unterzeichner, dass nach eigener Überprüfung die Angaben in der Abrechnungs-Sammelerklärung zutreffend seien.

 

Anmerkungen

 

Diese BSG-Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass die formellen Voraussetzungen für die Entstehung eines Vergütungsanspruchs ebenso zu beachten sind wie materielle Voraussetzungen.

 

Bei einem MVZ und bei Krankenhäusern ist die Unterschrift des ärztlichen Leiters unter der Abrechnungs-Sammelerklärung zwingend erforderlich, soweit dies von den Regelungen des Honorarverteilungsmaßstabs der jeweils zuständigen KÄV verlangt wird. Andernfalls darf die Vergütung versagt oder bereits erlassenen Honorarbescheide wieder zurückgenommen und das gesamte Honorar zurückgefordert werden.

 

  Datum: 23.05.2024 08:55:10
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Fehlende medizinische Begründung bei AOP-Eingriffen und Rücksichtnahmepflicht der Krankenkassen
 

Die stationäre Behandlungsnotwendigkeit bei grundsätzlich ambulant erbringbaren Eingriffen nach dem AOP-Katalog kann sich auch aus mitgeteilten Nebendiagnosen oder Begleiterkrankungen ergeben. Einer weiteren medizinischen Begründung bedarf es in diesen Fällen dann nicht. Daneben kann eine Krankenkasse aufgrund der Rücksichtnahmepflicht aus § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB vor Beauftragung des MD verpflichtet sein, das jeweilige Krankenhaus ausdrücklich aufzufordern, eine medizinische Begründung oder einen Kurzbericht zu übersenden.

 

LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.01.2024, L 10 KR 7/22 KH

 

Aufwandspauschale gem. § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V, § 115b SGB V (AOP-Katalog), Mitteilungspflicht aus § 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V, Rücksichtnahmepflicht aus § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB, Anforderung einer medizinische Begründung oder eines Kurzbericht durch die Krankenkassen –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

da mehrere Krankenkassen immer häufiger damit argumentieren, dass sie nach dem BSG-Urteil vom 07.03.2023 (B 1 KR 11/22 R) generell keine Pflicht mehr zur Anforderung einer medizinischen Begründung oder eines Kurzbericht bei Eingriffen nach dem AOP-Katalog treffe, sollte diesem Einwand mit Bezug auf das folgende LSG-Urteil zukünftig entgegengetreten werden. In dieser Entscheidung hat das LSG dem häufigen Einwand der Krankenkassen widersprochen, wonach bei AOP-Eingriffen stets eine medizinische Begründung erforderlich und daher (auch bei einem für das Krankenhaus positiven MD-Gutachten) keine Aufwandspauschale gem. § 275c Abs. 1 S. 2 SGB V zu entrichten sei.

 

Sachverhalt

 

Das von uns vertretene Krankenhaus (Klägerin) führte bei einer Patientin eine Arthroskopie mit Teilresektion des Innen- und Außenmeniskus, Reduktion des Hoffa-Körpers sowie Glättung des Knorpels durch. Nach einem regelhaftem Operationsverlauf zeigten sich bei der Patientin postoperativ eine Kreislaufderegulation sowie eine verstärkte Blutung, woraufhin die Klägerin sie zur Beobachtung stationär aufnahm. Die Klägerin machte gegenüber der beklagten Krankenkasse keine näheren Angaben zum Grund der Aufnahme, nachdem sie bereits mit der Abrechnung als Nebendiagnose u. a. eine Komplikation infolge des Eingriffes (T81.0 „Blutung und Hämatom als Komplikation eines Eingriffes, andernorts nicht klassifiziert“) kodiert hatte.

 

Die Beklagte beglich zwar die klägerische Rechnung, teilte der Klägerin aber mit, dass die abgerechnete Leistung nach dem Katalog ambulant durchführbarer Operationen, sonstiger stationsersetzender Eingriffe und stationsersetzender Behandlungen gemäß § 115b SGB V (AOP-Katalog) grundsätzlich ambulant zu erbringen und eine vollstationäre Krankenhausbehandlung nur indiziert sei, wenn sich im konkreten Einzelfall zwingende medizinische Gründe dafür ergäben, dass die besonderen Mittel eines Krankenhauses notwendig und ambulante Behandlungsmaßnahmen nicht ausreichend oder nicht möglich seien. Die Klägerin habe daher bereits zum Zeitpunkt der Abrechnung die medizinischen Gründe für die Abrechnung mitteilen müssen.

 

Der sodann von der Beklagten beauftragte MD kam zu dem Ergebnis, dass sich im Verlauf des Operationstages Schmerz mit vermehrter Förderung durch die bei der Operation eingelegte Redon-Drainage und eine Kreislaufdepression ergeben habe. Angesichts dessen sei die postoperative stationäre Aufnahme plausibel. Die Abrechnung der Klägerin sei daher korrekt gewesen.

 

Die Klägerin forderte daraufhin von der Beklagten die Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 €. Dies lehnte die Beklagte ab. Die Prüfung habe sie eingeleitet, da die abgerechnete Leistung regelhaft der ambulanten Versorgung zuzuordnen sei. Die Klägerin sei ihrer Pflicht, die stationäre Behandlungsbedürftigkeit zu begründen, nicht nachgekommen. Aus diesem Grund lehne die Beklagte die Zahlung der Aufwandspauschale ab.

 

Die Klägerin erhob deshalb Klage vor dem Sozialgericht, welches die Beklagte zur Zahlung der Aufwandspauschale verurteilte. Laut dem Sozialgericht habe eine fehlerhafte Abrechnung hier nicht vorgelegen und sei auch von der Beklagten nicht geltend gemacht worden. Aus Sicht des Gerichts sprechen auch erhebliche Gründe dafür, dass die Klägerin vorliegend keine näheren Angaben zum Grund der Aufnahme machen musste, nachdem sie bereits mit der Abrechnung in einer Nebendiagnose u. a. eine Komplikation infolge des Eingriffs kodiert habe.

 

Gegen diese Entscheidung legte die Beklagte Berufung ein. Das LSG Nordrhein-Westfalen hat die Berufung jedoch zurückgewiesen.

 

Entscheidungsgründe

 

Das LSG Nordrhein-Westfalen entschied, dass die Klägerin die MD-Prüfung nicht durch eine fehlerhafte Abrechnung veranlasst habe. Zwar führe nicht nur eine fehlerhafte Abrechnung zum Fortfall des Anspruchs auf Aufwandsentschädigung, sondern auch ein anderes Fehlverhalten des Krankenhauses, das ursächlich für eine MD-Beauftragung sei.

 

Vorliegend bestünden laut dem LSG aber erhebliche Bedenken, ob die Abrechnung der Klägerin tatsächlich fehlerhaft gewesen sei. Eine Abrechnung sei dann fehlerhaft, wenn ein Krankenhaus seine Mitteilungspflichten aus § 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V verletze und insbesondere einen Aufnahmegrund nicht mitteile. Zur hiernach gebotenen Information gehöre auch, dass das Krankenhaus in den Fällen, in denen regelhaft eine ambulante Behandlung ausreichend sei, nicht nur eine Aufnahmediagnose benenne, die die ärztliche Behandlung rechtfertigen könne, sondern auch Angaben zu Begleiterkrankungen oder zu sonstigen Gründen mache, die Anlass für die stationäre Versorgung des Patienten hätten geben können. Ohne solche Angaben, warum ausnahmsweise eine stationäre Behandlung erforderlich gewesen sei, würden Informationen über den „Grund der Aufnahme“ fehlen i. S. d. § 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V und damit eine zentrale Angabe, die eine Krankenkasse für die Abrechnungsprüfung benötige.

 

Zwar habe die Klägerin hier der Beklagten den Grund der Aufnahme weder ausdrücklich in den nach § 301 SGB V übermittelten Daten mitgeteilt noch habe sie eine medizinische Begründung eingereicht.

 

Aus Sicht des LSG habe die Klägerin vorliegend aber keine näheren Angaben zum Grund der Aufnahme machen müssen, nachdem sie bereits eine Komplikation infolge des Eingriffs als Nebendiagnose kodiert habe. Ergänzende Angaben seien immer dann entbehrlich, wenn sich die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung bereits aus den Angaben zu Begleiterkrankungen ergebe. Allein der Umstand, dass überhaupt eine Komplikation kodiert worden sei, belege, dass der Eingriff nicht „regelhaft“ verlaufen sei.

 

Letztlich sei die Frage der Fehlerhaftigkeit für das LSG hier aber nicht ausschlaggebend. Denn selbst wenn die Abrechnung der Klägerin fehlerhaft gewesen wäre, wäre es der Beklagten nach § 241 Abs. 2 BGB (Rücksichtnahmepflicht) jedenfalls verwehrt gewesen, sich gegenüber dem Anspruch auf die Aufwandspauschale hierauf zu berufen. Unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalls habe die Beklagte vielmehr gegen die ihr obliegenden Rücksichtnahmepflichten verstoßen, indem sie unmittelbar den MD beauftragt habe, obwohl sie stattdessen auch nur eine medizinische Begründung nachfordern bzw. einen Kurzbericht nach den Vorschriften des Sicherstellungsvertrages hätte einholen können.

 

Es sei in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass die Vertragsbeziehungen zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen in partnerschaftlicher Weise zu gegenseitiger Rücksichtnahme nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verpflichte und dass diese Sonderrechtsbeziehung auch wechselseitig bestehende Ansprüche begrenzen könne.

 

Da die Beklagte zusätzlich sogar davon ausgegangen sei, dass die Rechnung nicht fällig gewesen sei, erschließe sich nicht ohne Weiteres, weshalb sie dennoch den MD unmittelbar beauftragt habe, anstatt zunächst einen Kurzbericht bzw. eine medizinische Begründung bei der Klägerin anzufordern.

 

Das LSG wolle mit alledem nicht sagen, dass die Krankenkassen vor Beauftragung des MD stets oder auch nur regelmäßig eine medizinische Begründung oder einen Kurzbericht bei dem Krankenhaus anzufordern hätten, um nicht gegebenenfalls ihre Rücksichtnahmepflichten zu verletzen. Entscheidend seien insoweit allein die Umstände des jeweiligen Einzelfalls.

 

Dass die Beklagte berechtigt gewesen sei, unmittelbar den MD einzuschalten, bedeute aber nicht, dass sie sich nicht im Rahmen des § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB entgegenhalten lassen müsse, dass sie dies getan habe, obwohl ihr mit der Anforderung eines Kurzberichts bzw. einer medizinischen Begründung mildere Mittel zur Verfügung gestanden haben.

 

Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts verlange insoweit keine andere Beurteilung. In dem von der Beklagten angeführten Urteil vom 07.03.2023 (B 1 KR 11/22 R) habe das Bundessozialgericht vielmehr selbst ausgeführt, dass der Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale ausscheide, wenn das Krankenhaus seine Pflicht verletzt habe, auf Verlangen der Krankenkassen [!] eine medizinische Begründung für die Dauer der Krankenhausbehandlung zu geben, und es dadurch das Prüfverfahren veranlasst habe.

 

Vorliegend habe die Beklagte aber weder eine medizinische Begründung noch einen Kurzbericht angefordert, sondern unmittelbar und sehenden Auges eine MD-Abrechnungsprüfung veranlasst.

 

Anmerkungen

 

Das LSG hat klargestellt, dass ein Krankenhaus gem. § 301 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V bei AOP-Eingriffen nicht nur die Aufnahmediagnosen, sondern auch Angaben zu Begleiterkrankungen oder zu sonstigen Gründen machen muss, die Anlass für die stationäre Versorgung des Patienten gaben bzw. hätte geben können. Ergänzende Angaben können jedoch dann entbehrlich sein, wenn sich die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung bereits aus den Abrechnungsdaten oder anderen Mitteilungen ergibt.

 

Ob diese Angaben im Einzelfall zur Begründung der stationären Behandlungsnotwendigkeit genügen, muss im Zweifelsfall ein Gericht entscheiden.

 

Gleichzeitig hat das LSG die BSG-Rechtsprechung insoweit konkretisiert, dass die Krankenkassen nicht generell von der Anforderung einer medizinischen Begründung oder eines Kurzbericht beim Krankenhaus absehen können.

 

Vielmehr betraf laut dem LSG das BSG-Urteil vom 07.03.2023 (B 1 KR 11/22 R) ausdrücklich nur den Fall, dass von einem Krankenhaus auf Verlangen der Krankenkassen eine medizinische Begründung für die Dauer der Krankenhausbehandlung gefordert wird. Somit kann nicht von einer generellen Pflicht der Krankenhäuser zur Abgabe einer medizinischen Begründung ausgegangen werden.

Das LSG machte aber deutlich, dass die Krankenkassen vor Beauftragung des MD nicht immer oder regelmäßig eine medizinische Begründung oder einen Kurzbericht bei dem Krankenhaus anfordern müssen, um nicht ihre Rücksichtnahmepflichten aus § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB zu verletzen. Entscheidend seien vielmehr die Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Es verbleibt somit eine „rechtliche Grauzone“.

  Datum: 22.05.2024 10:00:43
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Der GKV – Spitzenverband ermittelt auf falscher Grundlage die Prüfquote für die Krankenhäuser
 

Der GKV-Spitzenverband hat festgelegt, dass die Krankenkassen bei ihrer Meldung das Datum der ersten leistungsrechtlichen Entscheidung zu Grunde legen müssen. Im Hinblick auf die Regelungen in § 275c SGB V ist dies rechtswidrig.

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

aus der konkreten Beratung von Krankenhäusern wissen wir, dass der GKV-Spitzenverband den gesetzlichen Krankenkassen vorgibt, die Anzahl abgeschlossener Prüfungen (AP) und die Anzahl unbeanstandeter Schlussrechnungen (US) auf der Grundlage der Leistungsentscheidung durch die Krankenkasse im zu betrachtenden Quartal zu melden. Wörtlich heißt es hierzu in einem Schreiben an unsere Rechtsanwaltskanzlei: „Für die Zuordnung zum betrachteten Quartal ist das Datum der ersten leistungsrechtlichen Entscheidung der Krankenkasse maßgeblich. … Auf den Zugang der leistungsrechtlichen Entscheidung beim Krankenhaus kommt es für die Meldung der Krankenkasse an den GKV-Spitzenverband nicht an.“

 

Diese Meldepraxis verstößt gegen die gesetzlichen Vorschriften in § 275c SGB V. So regelt § 275c Abs. 2 Satz 4 SGB V, dass die quartalsbezogene Prüfquote vom GKV-Spitzenverband für jedes Quartal auf der Grundlage der Prüfergebnisse des vorvergangenen Quartals ermittelt wird. Die näheren Regelungen stellen auf den Anteil unbeanstandeter Abrechnungen durch den Medizinischen Dienst geprüfter Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlungen ab. Auch die Vorschrift für die Veröffentlichung dieser Daten und der zulässigen Prüfquote beziehen sich auf die Prüfung durch den Medizinischen Dienst. Das Abstellen des GKV-Spitzenverbandes auf die danach folgende erste leistungsrechtliche Entscheidung ist somit unzulässig. Diese können sogar von dem MD Prüfergebnis abweichen.

 

Durch diese Ermittlungspraxis werden die Prüfquote und die darauf basierenden Aufschlagszahlungen („Strafzahlungen“) im Endergebnis verfälscht.  Dies kann für das einzelne Krankenhaus sehr nachteilig sein.

 

Empfehlung

 

Wir empfehlen, gegen die Festlegung der Prüfquote (Bescheid des GKV-Spitzenverbandes im Wege der Allgemeinverfügung) Widerspruch einzulegen und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung bei Gericht zu erwirken, da nach § 275c Abs. 5 Satz 1 SGB V der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat. Wird dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung Rechnung getragen, würde die festgestellte Prüfquote zunächst keine Rechtswirkung entfalten. Über das weitere Procedere beraten wir Sie gerne.

 

  Datum: 11.03.2024 14:22:11
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Warnhinweis: 1–Monatsfrist für den Widerspruch gegen die Ermittlung der Prüfquote durch den GKV- Spitzenverband
 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

bekanntlich veröffentlicht der GKV-Spitzenverband die zulässige quartalsbezogene Prüfquote, die für die Prüfung von Schlussrechnungen für vollstationäre Krankenhausbehandlung durch den MD gilt, auf seiner Homepage. Diese veröffentlichte Prüfquote für jedes Krankenhaus ist auch maßgebend für die Höhe der Strafzahlung nach § 275 c Abs. 3 SGB V.

 

Seit dem 3. Quartal 2023 ist der GKV- Spitzenverband dazu übergegangen, der Veröffentlichung der ermittelten Prüfquoten eine Rechtbehelfsbelehrung beizufügen (Anlage). Dies bedeutet, dass Krankenhäuser, die Bedenken gegen die richtige Ermittlung der Prüfquote haben, fristgerecht innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Prüfquote durch den GKV-Spitzenverband Widerspruch einlegen müssen. Die Bedenken können sich nach hier vorliegenden Erfahrungen daraus ergeben, dass die einzelnen Krankenkassen die Angaben gegenüber dem GKV-Spitzenverband bezüglich der Schlussrechnungen, die unbeanstandet geblieben sind, nicht richtig und/oder nicht vollständig gemacht haben. Dieser Frage lohnt sich in jedem Falle nachzugehen, wenn die in § 275 c Abs. 2 Satz 4  SGB V aufgeführten Schwellenwerte tangiert werden, also es bei richtiger Angabe zu einer niedrigeren Prüfquote als ausgewiesen kommen würde.  

 

In diesen Fällen empfiehlt es sich, zur Fristwahrung zunächst Widerspruch einzulegen, wobei die Begründung nachgeholt werden kann. Dabei ist zu beachten, dass die Einlegung des Widerspruchs durch E-Mail nicht ausreichend ist. Es empfiehlt sich daher, den Widerspruch per Post mittels Einschreiben/ Rückschein an die Postadresse des GKV-Spitzenverband zu senden, damit man einen Zugangsnachweis hat (GKV-Spitzenverband, Reinhardtstraße 28, 10117 Berlin). Für die sach-und fachgerecht zu fertigende Begründung sollte anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden.

 

Die nächste Veröffentlichung der Prüfquoten durch den GKV-Spitzenverband erfolgt voraussichtlich Ende Februar 2024.

 

  letzte Änderung: 23.02.2024 11:29:28
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Verweigerung der Zahlung der Krankenhausvergütung durch die KK
 

1) Vorrangig für die Kodierung von Diagnosen ist das Systematische Verzeichnis. Das Alphabetische Verzeichnis unterstützt lediglich die Verschlüsselung.

 

2) Den KK ist es nicht verwehrt, die Zahlung der Krankenhausvergütung zu verweigern, wenn und soweit für sie feststeht, dass der Vergütungsanspruch nicht besteht. Die KK ist weder verpflichtet, ein Prüfverfahren durchzuführen noch muss sie sich auf den Erstattungsanspruch verweisen lassen. Mit der Verweigerung der Zahlung gehen die KK jedoch Risiken ein.

 

BSG, Urteil vom 12.12.2023, Az: B 1 KR 1/23 R

 

- Verschlüsselung von Diagnosen, Systematisches Verzeichnis, Alphabetisches Verzeichnis, Vorrang, Verweigerung der Zahlung, Risiken der KK, kompensatorisches Beschleunigungsgebot

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

vordergründig geht es in dem Urteil des BSG um das Verhältnis des Systematischen Verzeichnisses zum Alphabetischen Verzeichnis der ICD-10-GM Klassifikation. Dabei kommt dem Systematischen Verzeichnis Vorrang zu. Der wichtigste Teil des Urteils befasst sich jedoch mit der Zahlungsfrist und den daraus resultierenden Folgen, wenn die KK die Zahlung verweigert. Ein in seinen gravierenden Auswirkungen noch nicht abschätzbares Urteil.

 

Sachverhalt

 

Eine Patientin wurde im Krankenhaus der Klägerin im Frühjahr 2014 u.a. wegen einer Rechtsherzinsuffizienz behandelt. Als Hauptdiagnose wurde I50.01 (sekundäre Rechtsherzinsuffizienz) und als Nebendiagnose u.a. R09.2 (Atemstillstand) verschlüsselt. Das Krankenhaus stellte am 07.04.2014 der KK die DRG F62A in Rechnung. Die beklagte KK leistete lediglich Teilzahlung auf der Grundlage der DRG F62B und beauftragte den SMD mit einer Prüfung. Dieser kam zur Auffassung, dass die Nebendiagnose R09.2 nicht belegt sei. Die KK teilte sodann dem Krankenhaus unter Bezugnahme auf das SMD Gutachten mit, dass ein darüber hinausgehender Zahlungsanspruch nicht bestehe. Dieses Schreiben ging dem Krankenhaus am 07.10.2014 zu.

 

Das SG hat die KK zur Restzahlung verurteilt; auf die Berufung der KK wurde die Entscheidung des SG vom LSG aufgehoben und die Klage abgewiesen- bis auf den Anspruch des Krankenhauses auf Verzugszinsen für den Zeitraum vom 23.04. bis 07.10.2014. Die Revision des Krankenhauses blieb erfolgslos.

 

Entscheidungsgründe

 

Zunächst musste das BSG entscheiden, wie zu verfahren ist, wenn das Alphabetische Verzeichnis in Widerspruch zum Systematischen Verzeichnis der ICD – 10- GM steht. Hierzu stellt das BSG fest, dass das Alphabetische Verzeichnis lediglich die Verschlüsselung nach dem Systematischen Verzeichnis unterstützt. Somit kommt Letzterem bei Widersprüchlichkeiten Vorrang zu.

 

Entscheidend war vorliegend, dass nach den Feststellungen des LSG weder ein Atemstillstand noch ein Herz-Lungen- Versagen vorlag. Somit konnte die Nebendiagnose R09.2 nach dem Systematischen Verzeichnis nicht kodiert werden.

 

Des Weiteren  musste sich das BSG mit dem Argument befassen, dass der Code J 96 in seinem Exklusivum auf den Atemstillstand  (R09.2) bei respiratorischer Insuffizienz hinweist. Diese Auffassung hat das BSG zurückgewiesen mit dem Argument, für systematische Erwägungen sei nur Raum, soweit der Wortlaut des in Rede stehenden Codes kein eindeutiges Ergebnis liefere.

 

Kerninhalt der weiteren Urteilsgründe war jedoch die Fragestellung, welche Bedeutung der Zahlungsfrist für die Krankenhausvergütung zukommt. Das Krankenhaus hatte insoweit eingewandt, dass eine Kürzung der Rechnung durch die KK nicht zulässig gewesen sei, da sie innerhalb der bestehenden Zahlungsfrist keine substantiierten und der Höhe nach bezifferten Einwände geltend gemacht hat.

 

Zunächst geht das BSG davon aus, dass es der KK verwehrt ist, die Begleichung der Krankenhausrechnung unter Hinweis auf eine noch nicht abgeschlossene MD Prüfung zu verweigern. Steht jedoch für die Krankenkasse fest, dass der Vergütungsanspruch nicht besteht, kann sie die Zahlung verweigern. Der Kernsatz des BSG lautet hierzu: „Die KK ist weder verpflichtet, ein Prüfverfahren durchzuführen (…) noch muss sie sich auf die Geltendmachung eines Erstattungsanspruches verweisen lassen“ (BSG, aaO, Rdz 31).

 

Ergänzend weist das BSG auf die Risiken für die KK hin, wenn sie die Zahlung der Krankenhausvergütung verweigert. Unterliegt die KK im Rechtsstreit, muss sie Verzugszinsen zahlen und ggf. Schadensersatz an das Krankenhaus leisten. Verzichtet die KK sogar auf ein Prüfverfahren durch den MD, beschränkt sich die Amtsermittlungspflicht des Gerichts. Somit wäre die Erhebung und Verwertung derjenigen Daten, die nur im Rahmen des Prüfverfahrens durch den MD erhoben werden können, dem Gericht verwehrt. Daraus können für das Krankenhaus Beweiserleichterungen bis hin zur Beweislastumkehr resultieren.

 

Anmerkungen

 

Das BSG hat richtigerweise dem Systematischen Verzeichnis Vorrang vor dem Alphabetischen Verzeichnis der ICD-10-GM zuerkannt.

 

Für die tägliche Praxis der Abrechnung sind jedoch die Ausführungen des BSG zur Zahlungsverweigerung durch die KK wichtiger. Auch wenn das BSG zunächst davon ausgeht, dass der Vorleistungspflicht des Krankenhauses die fristgerechte Zahlung der KK entspricht (sog. kompensatorisches Beschleunigungsgebot), relativiert es im Folgenden die Zahlungsverpflichtung der KK. Besteht aus Sicht der KK ein Einwand bezüglich der Rechnung, kann sie die Zahlung verweigern oder nur Teilzahlung leisten. Sie muss nicht erst auf das Ergebnis des MD Gutachtens abwarten, sondern kann sich bereits vorher auf bestimmte Einwände beziehen und diese sogar erst im Laufe des Gerichtsverfahrens „spezifizieren“.  Nach den Urteilsgründen muss die KK nicht einmal zwingend ein Prüfverfahren durch den MD einleiten. Damit wird den KK „Tür und Tor“ geöffnet, Einwände zu erheben, seien sie berechtigt oder nicht berechtigt, um zunächst keine Zahlung leisten zu müssen. Somit läuft auch der postulierte Grundsatz des kompensatorischen Beschleunigungsgebotes ins Leere. 

 

Gewiss weist das BSG auf die Risiken der Zahlungsverweigerung durch die KK hin. Diese sind jedoch wesentlich geringer als das Risiko das das Krankenhaus trägt. Im Grunde geht die KK nur das Risiko ein, Verzugszinsen zahlen zu müssen, bei dem Krankenhaus steht jedoch die ganze Liquidität auf dem Spiel. Hinzukommt, dass das Krankenhaus bei Zahlungsverweigerung den Klageweg beschreiten muss und nicht die KK (siehe Aufrechnungsverbot nach § 109 Abs. 6 Satz 1 SGB V).  Die Verhältnisse werden also ins Gegenteil verkehrt.

 

  Datum: 15.02.2024 07:56:46
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BSG gibt enge Auslegung zur kurzzeitigen Notfallbehandlung auf (Schockraum-Urteil)
 

Die konkludente stationäre Aufnahme eines Patienten liegt bei einer kurzzeitigen Notfallbehandlung und anschließender zeitnaher Verlegung in ein anderes Krankenhaus dann vor, wenn der Einsatz der krankenhausspezifischen personellen und sächlichen Ressourcen im erstangegangenen Krankenhaus eine hohe Intensität aufweist. Die kurzzeitige Notfallbehandlung auf einer Schlaganfallstation dürfte im Regelfall eine stationäre Aufnahme begründen (Indizwirkung).

 

BSG, Urteil vom 29.08.2023, Az: B 1 KR 15/22 R

 

- vorstationäre Behandlung, stationäre Aufnahme, kurzzeitige Notfallbehandlung, Verlegung, Schlaganfalleinheit, Schockraum-

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

die Rechtsprechung des BSG ging bisher bei einer kurzzeitigen Notfallbehandlung davon aus, dass hier eine ambulante Notfallbehandlung anzunehmen ist, auch wenn parallel zur Aufnahmediagnostik personelle und sächliche Ressourcen des Krankenhauses in hohem Maß erforderlich waren (Schockraum Urteil vom 18.05.2021, Az.: B 1 KR 11/20 R). Diese enge Auslegung gibt das BSG ausdrücklich auf und lässt nunmehr für eine konkludente stationäre Aufnahme auch eine kurzzeitige Notfallbehandlung im erstangegangenen Krankenhaus bei zeitnaher Verlegung in ein anderes Krankenhaus unter bestimmten Voraussetzungen ausreichen.

 

Sachverhalt

 

Ein Patient wurde in das Krankenhaus der Klägerin notfallmäßig durch den Rettungsdienst wegen Verdacht auf Schlaganfall eingeliefert. Der Zeitablauf der durchgeführten Maßnahmen im Krankenhaus stellte sich wie folgt dar:

 

16:44 Uhr Einlieferung

ab 16:45 Uhr Einleitung schlaganfallspezifischer diagnostischer Maßnahmen; Feststellung eines akuten Hirnenfarktes.

 

17:07 Uhr Lysetherapie

 

17:45 Uhr Verlegung in ein anderes Krankenhaus zur Durchführung einer Thrombektomie und Fortsetzung der Lysetherapie

 

Für die ergriffenen Maßnahmen rechnete das Krankenhaus die Fallpauschale DRG B 70I (Aproplexie, ein Belegungstag) ab. Die beklagte Krankenkasse schaltete den MDK ein. Dieser kam zur Auffassung, dass eine prästationäre Behandlung vorgelegen habe. Daraufhin verrechnete die Krankenkasse den ursprünglich gezahlten Rechnungsbetrag mit einer anderen Forderung.

 

Die erhobene Klage des Krankenhauses blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Das BSG hob die beiden Urteile auf und verurteilte die Krankenkasse zur Zahlung.

 

Entscheidungsgründe

 

Ausgangspunkt des Urteils ist die ständige Rechtsprechung des BSG, wonach als Aufnahme die organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses verstanden wird. Dies ist immer der Fall, wenn der Patient auf Grund des Behandlungsplanes mindestens einen Tag und eine Nacht ununterbrochen im Krankenhaus versorgt werden soll. Dabei kommt es nicht auf die tatsächliche, sondern auf die prognostizierte Behandlungsdauer zum Zeitpunkt der Aufnahmeentscheidung an. Eine einmal auf Grundlage der Aufnahmeentscheidung des Krankenhausarztes erfolgte physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Krankenhaus-Versorgungssystem kann grundsätzlich nicht rückwirkend entfallen (BSG, aaO, Rdz 14).

 

Die Aufnahmeentscheidung erfolgt konkludent nach außen hin durch die Einweisung auf eine bestimmte Station, die Zuweisung eines Bettes oder durch Erstellen entsprechender Aufnahmeunterlagen  oder Ähnliches dokumentiert. Die Aufnahmeentscheidung muss dabei weder ausdrücklich erklärt noch förmlich dokumentiert werden (BSG, aaO, Rdz 15, 16).

 

In der Folge nimmt das BSG von seiner engen Auslegung von § 39 SGB V Abstand, wie sie im Schockraum Urteil zum Ausdruck kam (BSG, Urteil vom 18.05.2021, Az.: B1 KR 11/20). Das BSG hatte bisher eine ambulante Notfallbehandlung angenommen, auch wenn die personellen und sächlichen Mittel des Krankenhauses in hohem Maße in Anspruch genommen wurden. Es kommt zur Auffassung, dass eine konkludente stationäre Aufnahme in das Krankenhaus bei einer kurzzeitigen Notfallbehandlung und nachfolgender Verlegung in ein anderes Krankenhaus vorliegt, wenn der Einsatz der krankenhausspezifischen personellen und sächlichen Ressourcen eine hohe Intensität aufweist. Die hohe Intensität kann sich auch aus dem Einsatz verschiedener und in ihrem engen zeitlichen und örtlichen Verbund nur stationär verfügbarer diagnostischer Maßnahmen ergeben (BSG, aaO, Rdz 18, 21). 

 

Im vorliegenden Fall geht das BSG davon aus, dass die kurzzeitige Notfallbehandlung auf einer Schlaganfallstation im Regelfall eine stationäre Aufnahme begründet (Indizwirkung).

 

Anmerkungen

 

Die damalige Entscheidung des BSG aus 2021 (Schockraum Urteil) hatte die Fachwelt überrascht, da man davon ausgehen konnte, dass eine Notfallbehandlung in einem Schockraum die intensivste Form der Krankenhausbehandlung darstellen kann. Umso erfreulicher, dass das BSG von der sehr engen Auslegung nunmehr Abstand nimmt. Entscheidend ist nunmehr, ob der Einsatz kurzzeitiger Maßnahmen (hier während 1 Stunde), hohe Intensität aufweist. Dies umfasst diagnostische und/oder therapeutische Maßnahmen, die ambulant nicht in gleicher Weise regelhaft verfügbar sind.

Abschließend gibt das BSG noch einen Hinweis für künftige Abrechnungen von kurzzeitigen vollstationären Notfallbehandlungen mit Verlegung des Patienten. Der Vergütungsanspruch werde erst dann fällig, wenn aus den mit der Abrechnung  mitgeteilten Daten der konkrete intensive Mitteleinsatz deutlich werde. Nicht immer reiche hierzu die Kodierung von OPS- und Diagnoseschlüsseln aus. Die Krankenhäuser sollten daher den intensiven Mitteleinsatz dokumentieren und der Krankenkasse mitteilen. Für den Fall, dass der geplante intensive Mitteleinsatz nicht verwirklicht werden konnte, muss der Behandlungsplan dargestellt und erläutert werden und dargelegt werden, dass er noch Verwirklichungschancen hatte und warum es nicht zu seiner Durchführung kam.

  Datum: 13.02.2024 10:49:29
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Auslegung der DKR D002f – Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes
 

Liegen bei Aufnahme ins Krankenhaus mehrere Leiden objektiv vor, die stationär behandlungsbedürftig sind, sind diese zur Bestimmung der Hauptdiagnose nach dem Grad ihres Ressourcenverbrauchs zu gewichten. Der höhere Ressourcenverbrauch bestimmt die Hauptdiagnose. Das gilt unabhängig davon, welche Leiden bei der Aufnahmeuntersuchung erkannt wurden oder erkennbar waren.

 

BSG, Urteil vom 29.08.2023, Az.: B 1 KR 25/22 R

 

- Mehrere Leiden, Bestimmung Hauptdiagnose, Veranlassung des stationären Aufenthalts, DKR D002f, Ressourcenverbrauch-

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

werden Patienten im Rahmen des stationären Krankenhausaufenthaltes wegen verschiedener Leiden behandelt, stellt sich die Frage nach der zu kodierenden Hauptdiagnose. Die Grundregel ist in der DKR D002f enthalten. Dabei hat nach Auffassung des BSG eine objektive Betrachtungsweise zu erfolgen, die ex-post anzustellen ist.

 

Sachverhalt

 

Eine Patientin wurde bei dem klagenden Krankenhaus vom 22.11.2013 bis 02.01.2014 stationär behandelt. Die Aufnahme erfolgte wegen einer neu aufgetretenen Schwäche des Nervus facialis links und Dysarthrie (kombinierte Sprech- und Stimmstörung) bei Schlaganfallverdacht. Zur Entfernung eines unter der harten Hirnhaut liegendem Blutergusses wurde die Schädeldecke eröffnet und der Bluterguss entfernt. Im Verlauf der weiteren stationären Behandlung wurde bei der Patientin am 09.12.2013 eine hochgradige Enge der Aortenklappe diagnostiziert. Daraufhin wurde am 18.12.2013 eine Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) durchgeführt. Die Aortenklappenstenose bestand bei der Patientin schon längere Zeit.

 

Das Krankenhaus kodierte als Hauptdiagnose die Aortenklappenstenose (ICD-10-GM I35.0). Dies steuerte die DRG F98Z (Komplexe minimalinvasive Operationen an Herzklappen) an. Diese wurde der Abrechnung zu Grunde gelegt.

 

Der von der beklagten Krankenkasse eingeschaltete MDK setzte als Hauptdiagnose ICD-10-GM I62.02 (Subdurale Blutung < nichttraumatisch > chronisch) an.  Entscheidend sei die DKR D002f, die auf den Zeitpunkt der Aufnahme abstelle. Eine zum Zeitpunkt der Aufnahme nicht erkannte Erkrankung könne nicht als Hauptdiagnose kodiert werden. Es komme ausschließlich auf die Hauptdiagnose an, die Veranlassung für die stationäre Aufnahme gegeben habe. Dies führe daher zu der DRG B02D (Komplexe Kraniotomie), die geringer vergütet werde.

 

Die Vorinstanzen gaben dem Krankenhaus recht. Das BSG wies die Revision der Krankenkasse zurück.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG legt die DKR D002f wie folgt aus: Der zentrale Begriff in der DKR D002f sei die „Veranlassung“ des stationären Krankenhausaufenthaltes. Damit sei die ursächliche Auslösung des stationären Behandlungsgeschehens gemeint.

 

Die DKR D002f enthalte als weiteres Definitionsmerkmal der Hauptdiagnose den Begriff „nach Analyse“. Dieser Begriff stelle allein auf die objektive ex-post-Betrachtung der Aufnahmegründe am Ende der Krankenhausbehandlung ab. Auf die ex-ante vorliegenden Informationen bei Aufnahme des Patienten komme es nicht an. Maßgeblich sei allein die objektiv zutreffende ex-post-Betrachtung.

 

Für den zu entscheidenden Fall stellt das BSG fest, dass objektiv zum Zeitpunkt der Aufnahme zwei Leiden vorgelegen hatten, die stationär behandlungsbedürftig waren. Da es auf die objektive Beurteilung ankomme, sei nicht relevant, welche Leiden bei der Aufnahmeuntersuchung erkannt wurden bzw. erkennbar gewesen sind (BSG, aaO, Rdz 19). Die Veranlassung des stationären Aufenthalts sei nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht subjektiv ex-ante, sondern objektiv ex-post zu beurteilen.

 

Da zum Zeitpunkt der Aufnahme der Patientin bereits eine Aortenklappenstenose objektiv vorgelegen habe, sei die Kodierung der Hauptdiagnose ICD-10-GM I35.0 und die Abrechnung des Krankenhaus richtig, insbesondere weil das Krankenhaus für die TAVI mehr Ressourcen  als für die Bohrlochtrepanation mit Hämatomevakuation verbrauchte.

 

Anmerkungen

 

Nach dem Urteil kommt es für die Kodierung der Hauptdiagnose ausschließlich auf die objektive Behandlungssituation zum Zeitpunkt der Aufnahme in das Krankenhaus an, die ex-post („nach Analyse“) festzulegen ist. Nicht relevant ist, ob die Erkrankung von dem aufnehmenden Arzt bereits erkennbar gewesen ist. Kommen zum Zeitpunkt der Krankenhausaufnahme zwei oder mehrere Hauptdiagnosen in Betracht, sei für die Bestimmung der Hauptdiagnose der höhere Ressourcenverbrauch maßgeblich. Die zeitliche Abfolge der stationären Behandlung spiele dagegen keine Rolle.

 

  Datum: 02.02.2024 07:59:57
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Keine Strafzahlung vor dem 01.01.2022
 

Es ist nicht zulässig, für eine vor dem 01.01.2022 eingeleitete Rechnungsprüfung von den Krankenhäusern eine Aufschlagszahlung nach § 275 c Abs. 3 SGB V zu erheben.

 

BSG, Urteil vom 19.10.2023, B 1 KR 8/23 R

 

– Aufschlagszahlung, Strafzahlung, Einleitung der Rechnungsprüfung, leistungsrechtliche Entscheidung der KK-

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

wir hatten Sie bereits anhand des Terminsberichts über die Grundsatzentscheidung des BSG zeitnahe informiert. Nunmehr liegen die schriftlichen Urteilsgründe vor.

 

Sachverhalt

 

Das Krankenhaus behandelte im September 2020 eine Patientin, die bei der beklagten Krankenkasse versichert war. Die Krankenkasse bezahlte zunächst die Krankenhausrechnung und beauftragte anschließend am 10.12.2020 den MD mit einer Prüfung. Mit Gutachten vom 01.02.2022 kam der MD zur Auffassung, dass die Rechnung zu kürzen sei. Den daraus resultierenden Erstattungsanspruch der KK akzeptierte das Krankenhaus, nicht aber die geltend gemachte Aufschlagszahlung von 300,00 €, die mit Bescheid von Seiten der KK geltend gemacht wurde. Der Widerspruch des Krankenhauses blieb erfolglos. Das angerufene SG hob den Bescheid auf und ließ die Sprungrevision zum BSG zu. Dieses bestätigte die Auffassung des Krankenhauses.

 

Entscheidungsgründe

 

Zunächst stellt das BSG heraus, dass die Auslegung von § 275 c Abs.3 SGB V nach den allgemein anerkannten Auslegungsmethoden zu erfolgen hat. Das für Vergütungsvorschriften geltende Erfordernis einer strengen Wortauslegung greife hier nicht (BSG, aaO, Rdz 20).

 

 Aus dem bloßen Wortlaut von § 275 c Abs.3 SGB V ergebe sich kein Hinweis auf die zeitliche Anwendbarkeit. Dieser beziehe sich auf die Erfüllung der Verpflichtung zur Zahlung („Ab dem Jahr 2022“), nicht auf die Entstehung dieser Verpflichtung.

 

Allerdings bestehe nach der inneren Systematik der Regelungen von § 275 c Abs. 2 und 3  SGB V ein untrennbarer Zusammenhang  zwischen Rechnungsprüfung, Prüfquote und Aufschlagzahlungen. In den Jahren 2020 und 2021 habe eine feste Prüfquote von 5 % bzw. 12,5 % bestanden. Erst ab dem Jahr 2022 sei eine dynamisierte Prüfquote und Aufschlagszahlung eingeführt worden. Für die Zuordnung einer Prüfung zur geltenden Prüfquote ist der Zeitpunkt der Prüfungseinleitung gem. § 275 c Abs.2 Satz 3 SGB V maßgeblich (BSG, aaO, Rdz 25). Die Höhe der Aufschlagzahlung ist nach der Gesetzteskonzeption von der krankenhausindividuellen quartalsbezogenen Prüfquote abhängig. Der von der KK für maßgeblich gehaltene Zeitpunkt der leistungsrechtlichen Entscheidung würde dazu führen, dass für Prüfungen, die innerhalb fester Prüfquoten (vor dem 01.01.2022) durchgeführt werden, später eine Aufschlagszahlung erhoben würde, für die keine Berechnungsregel existiere (BSG, aaO, Rdz 28).

 

Anmerkungen

 

Das BSG hat § 275 c Abs.3 SGB V einer umfassenden Prüfung nach den Auslegungsregeln für Gesetze unterzogen und kommt nach systematischer Auslegung zu dem Schluss, dass ein untrennbarer Zusammenhang zwischen Rechnungsprüfung, Prüfquote und Aufschlagszahlung (Strafzahlung) bestehe. Dieses System gelte erst ab 01.01.2022 und fände für den Zeitraum fester Prüfquoten keine Anwendung. Es komme daher nicht auf die leistungsrechtliche Entscheidung, sondern auf die Einleitung der Rechnungsprüfung an, die nach außen durch die Vergabe des Prüfauftrages der KK an den MD entstehe.

 

Ein kleiner Seitenhieb kommt in der Begründung zum Schluss zum Ausdruck. Danach sei bereits in der Gesetzesbegründung zum COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz vom 27.03.2020 der Hinweis enthalten, dass durch die Streichung des Aufschlags für die Jahre 2020 und 2021 Mindereinnahmen in Höhe von rund 370 Millionen Euro für die KK zu erwarten seien.

 

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nunmehr ab dem 29.12.2022 die Strafzahlung nicht mehr durch Bescheid, sondern im Wege elektronischer Datenübertragung geltend gemacht wird.

 

  Datum: 19.01.2024 08:32:52
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Bedeutung der S2-Leitlinie bei der Abrechnung der extrakorporalen Photopherese (ECP)
 

Die Durchführung der ECP erfordert die Mittel eines Krankenhauses und ist daher nur stationär erbringbar.

 

SG Detmold, Urteil vom 30.10.2023, S 16 KR 574/22- nicht rechtskräftig-

 

– Stationäre Behandlungsnotwendigkeit der extrakorporalen Photopherese, S2-Leitlinie ECP

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

in einer aktuellen Entscheidung musste sich das Sozialgericht Detmold mit der medizinischen Notwendigkeit einer stationären Behandlung bei einer extrakorporalen Photopherese (ECP) befassen. Es hat dies uneingeschränkt auf Grundlage der S2- Leitlinie ECP bejaht.

 

Sachverhalt

 

Eine Patientin erhielt im November 2019 im klägerischen Krankenhaus an zwei Tagen ihren dritten Zyklus einer Extrakorporalen Photopherese (ECP) nach einer Lungentransplantation im Jahr 2016.

 

Die beklagte Krankenkasse beglich zunächst die hierfür in Rechnung gestellte Vergütung und beauftragte dann den Medizinischen Dienst mit einer Abrechnungsprüfung. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die medizinische Notwendigkeit der stationären Behandlung nicht vorgelegen habe; die ECP hätte ambulant durchgeführt werden können. Daraufhin rechnete die Beklagte mit einer unstreitigen Forderung gegenüber der Klägerin auf.

 

Die von uns vertretene Klägerin erhob Klage vor dem Sozialgericht Detmold und bekam nun Recht.

 

Entscheidungsgründe

 

Das Sozialgericht Detmold entschied, dass die Aufrechnung nicht rechtmäßig war. Die stationäre Durchführung des dritten Zyklus der ECP-Behandlung sei medizinisch erforderlich gewesen.

 

Bei der ECP-Behandlung handelt es sich um ein Verfahren, bei dem die weißen Blutzellen durch eine Zellseparation, eine sogenannte Apherese, in einen Beutel gesammelt werden. Die Zellen werden anschließend mit einem Medikament versetzt, welches die Zellen empfindlich für UV -Licht macht und danach mit UV- A Licht bestrahlt. Durch diese Bestrahlung werden die Zellen zu verschiedenen Wirkmechanismen beeinflusst und in ihrer negativen Immunantwort gehemmt. Die bestrahlten Zellen werden dem Patienten als Infusion dann zurück transfundiert. Die ECP-Behandlung dauert mehrere Stunden und findet immer an zwei aufeinanderfolgenden Tagen statt (so wörtlich SG Detmold).

 

Im vorliegenden Fall schloss sich das Sozialgericht Detmold dem gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten an. Der Sachverständige hatte eine ambulante Erbringung der ECP für unmöglich gehalten und bezog sich hierbei auf die geltende konsentierte S2-Leitlinie ECP.

 

So ergebe sich aus der S2-Leitlinie ECP, dass die ECP-Einheit unter der Leitung eines Facharztes mit klinischer Erfahrung und der Durchführung und Indikationsstellung der ECP sowie nachgewiesener Geräteeinweisung und Behandlungsschulung erfolgen solle. Aus den weiteren Anforderungen bezüglich personeller, gerätetechnischer sowie räumlicher Anforderungen folge, dass diese nur durch Krankenhäuser erbracht werden könne. Der Aufwand übersteige auch in zeitlicher Hinsicht die Möglichkeiten einer ambulanten Durchführbarkeit. Sowohl die Nachbeobachtung könne viel Zeit in Anspruch nehmen als auch die Stabilisierung des Blutdrucks. Die Behandlung selbst dauere ebenfalls bis zu vier Stunden. Es bedürfe daher die Mittel eines spezialisierten Zentrums im Sinne eines Krankenhauses.

 

Darüber hinaus ergebe sich hier die stationäre Behandlungsbedürftigkeit für das Gericht auch aus der konkreten Durchführung der Behandlung. Hier wurde ein spezielles Portsystem verwendet, welches die hohe Blutflussrate überhaupt ermöglichte. Aufgrund der Verwendung dieses speziellen Portsystems sowie der Behandlung an zwei aufeinander folgenden Tagen sei im vorliegenden Fall die stationäre Behandlung erforderlich gewesen. Der große venöse Zugang, der die hohe Blutflussrate ermöglichte, berge das Risiko einer Infektion. Bei der Patientin war das Risiko auch besonders erhöht, da sie aufgrund ihrer transplantierten Lunge mit Immunsuppressivern behandelt wurde.

 

Anmerkungen

 

Der Verweis in diesem Urteil des Sozialgerichts Detmold auf den Inhalt der geltenden S2-Leiflinie ECP gilt auch über den dort  entschiedenen Einzelfall hinaus. Liegen  die Voraussetzungen der S2-Leitlinie ECP vor, muss man von einer regulären stationären Behandlungsnotwendigkeit ausgehen.

 

Insoweit war die Auffassung des MD von vornherein fragwürdig, der in Verkennung der S2 -Leitlinie ECP von einer ambulanten Behandlungsmöglichkeit ausging und auch den schlechten Allgemeinzustand der Patientin verkannte.

 

  Datum: 21.12.2023 08:07:59
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Kein eigenes Fehlverhalten bei nur eingeschränkter Auswahlmöglichkeit von Schlüsselkennzahlen zur Benennung des Entlassungsgrundes
 

Kann ein Krankenhaus einen Entlassungsgrund nicht eindeutig der Krankenkasse mitteilen, da es für den jeweiligen Grund keine entsprechende, rahmenvertraglich vereinbarte Schlüsselkennzahl gibt, stellt dies keine fehlerhafte Angabe dar, die als Veranlassung einer MD-Prüfung angesehen werden kann.

 

Sozialgericht Detmold, Urteil vom 16.11.2023, S 24 KR 298/23- nicht rechtskräftig

 

–Aufwandspauschale gem. § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V a. F., Fehlverhalten eines Krankenhauses, Abrechnung mit Schlüsselkennzahlen, Entlassungsgrund, Entlassung auf eigenen Wunsch –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

in einem aktuellen Urteil des Sozialgerichts Detmold wurde verdeutlicht, dass ein vom Krankenhaus nicht korrekt übermittelter Entlassungsgrund für den Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale unschädlich ist, wenn das Krankenhaus nicht in der Lage war, eine Schlüsselkennzahl zu wählen, die den Entlassungsgrund inhaltlich korrekt und eindeutig widerspiegelte.

 

Sachverhalt

 

Das von uns vertretende Krankenhaus hatte im August 2019 einen Patienten behandelt und eine entsprechende Rechnung für diesen Behandlungsfall gestellt. Der Patient war hierbei bereits unmittelbar vor dieser Behandlung bei der Klägerin stationär behandelt worden, hatte aber auf „eigenen Wunsch“ hin das Krankenhaus wieder verlassen. Die beklagte Krankenkasse war daher der Ansicht, dass eine gemeinsame Abrechnung der Behandlungsfälle unter Anwendung der Wiederaufnahmeregelung der Fallpauschalenvereinbarung hätte erfolgen müssen und leitete ein Prüfverfahren durch den Medizinischen Dienst (MD) ein. Dieser kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die klägerische (getrennte) Abrechnung korrekt gewesen sei. Eine Fallzusammenführung sei nicht möglich gewesen. Die Wiederaufnahme sei hier zwar aufgrund einer Komplikation erfolgt. Diese habe aber nur auftreten können, weil der Patient die entsprechende Behandlung im Erstaufenthalt abgelehnt habe und auf eigenen Wunsch letztendlich entlassen worden sei.

 

Die Klägerin stellte der Beklagten daraufhin wegen der erfolgten MD-Prüfung, die nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt hatte, eine Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 € in Rechnung. Die Beklagte lehnte die Zahlung ab, da von der Klägerin nicht der korrekte Entlassungsgrund im Vorgängerfall angegeben worden sei. Sie hätte sonst die Möglichkeit einer Fallzusammenführung nicht prüfen lassen.

 

Das angerufene Sozialgericht Detmold hat der Klage nunmehr stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung der Aufwandspauschale verurteilt.

 

Entscheidungsgründe

 

Das Sozialgericht Detmold ist der Ansicht, dass die erforderlichen Voraussetzungen von § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V a.F. hier vorgelegen haben. Der Anspruch auf die Aufwandspauschale setze voraus, dass die Krankenkasse eine Abrechnungsprüfung durch den MD im Sinne des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V veranlasst habe, dem Krankenhaus durch eine Anforderung von Sozialdaten durch den MD gemäß § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V ein Aufwand entstanden sei, die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt habe und das Prüfverfahren nicht durch eine nachweislich fehlerhafte Angabe seitens des Krankenhauses veranlasst worden sei.

 

Dem Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale könne hier entgegen der Ansicht der Beklagten nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs wegen eines eigenen klägerischen Fehlverhaltens entgegengehalten werden. Insbesondere habe die Klägerin das Prüfverfahren nicht durch fehlerhafte Angaben veranlasst.

 

Es könne nicht positiv festgestellt werden, dass die Klägerin im Wege der elektronischen Übermittlung unrichtige Angaben zum Entlassungsgrund vorgenommen habe.

 

Zu den Pflichtangaben gem. § 301 SGB V gehören u. a. der Tag und die Uhrzeit sowie der Grund für die Entlassung. Hierbei werden Schlüsselkennzahlen verwendet. Neben „Behandlung regulär beendet“ („01“) finde sich „Behandlung aus sonstigem Grund beendet“ („03“) sowie „Behandlung gegen ärztlichen Rat beendet“ („04“). Ein Schlüsselkennzeichen für „Behandlung auf eigenen Wunsch beendet“ bzw.  „Entlassung auf eigenen Wunsch“ gebe es nicht.

 

Dass die Klägerin die Art der Entlassung nicht weiter „aufschlüsseln“ konnte, verletze keine Obliegenheitspflicht, sondern sei strukturell bedingt. Die rahmenvertraglich vereinbarten Schlüsselkennzahlen böten keine Möglichkeit die „Entlassung auf eigenen Wunsch“ speziell abzubilden.

 

Anmerkungen

 

Das Urteil hebt hervor, dass nicht jede „Ungenauigkeit“ der Abrechnungsgrundlagen den Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale entfallen lässt. Gerade in Fällen, in denen ein Krankenhaus infolge der vorgegebenen Schlüsselkennzahlen nicht in der Lage ist, den jeweiligen Einzelfall spezifisch in der Abrechnung abzubilden, besteht keine andere Option zur Darstellung des Behandlungsfalles. Dies kann daher nicht als fehlerhafte Angabe gewertet werden, die zu einer MD- Prüfung Veranlassung geben könnte.

 

  Datum: 19.12.2023 08:48:30
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Abrechenbarkeit einer durch Dritte (Vertragsärzte) ausgeführten Strahlentherapie als allgemeine Krankenhausleistung gem. § 2 Abs 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG
 

Bei der Strahlentherapie handelt es sich zwar um eine allgemeine Krankenhausleistung, die ein Krankenhaus auch durch Dritte erbringen kann. Dies führt aber nicht automatisch dazu, dass die Prozedur kodierfähig wird, wenn ihre Erbringung nicht vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst ist.

 

BSG, Urteil vom 29.08.2023, B 1 KR 18/22 R

 

– Allgemeine Krankenhausleistung durch Dritte gem. § 2 Abs 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG, Unterscheidung zwischen allgemeinen und  kodierfähigen  Krankenhausleistungen, Versorgungsauftrag, Verbot vertragsärztlicher Parallelbehandlung –

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

in diesem Urteil des BSG wird streng zwischen allgemeinen und  kodierfähigen  Leistungen unterschieden. Für die Kodierfähigkeit von Leistungen des Krankenhauses und damit für die Abrechnung ist der Versorgungsauftrag des Krankenhauses maßgeblich.

 

Sachverhalt

 

Das klägerische Krankenhaus war im Krankenhausplan H. für 2015 u. a. mit dem Fachgebiet „Innere Medizin“ aufgenommen worden. Das Fachgebiet „Strahlentherapie“ wird in diesem Krankenhausplan eigens ausgewiesen. Die Klägerin verfügte über keine Abteilung für Strahlentherapie.

 

Eine bei der beklagten Krankenkasse versicherte Patientin war an einem metastasierenden Gebärmutterkrebs erkrankt und befand sich im Jahr 2015 vor der stationären Aufnahme deswegen in ambulanter Strahlentherapie eines Vertragsarztes. Im Juli 2015 wurde die Patientin bei der Klägerin wegen des Gebärmutterkrebses vollstationär behandelt, wobei die zuvor ambulant begonnene Strahlentherapie fortgesetzt und der Beklagten mit der Fallpauschale E08C (Strahlentherapie etc.) in Rechnung gestellt wurde. Nach Abrechnung des stationären Aufenthaltes durch die Klägerin gegenüber der Beklagten zahlte diese nur einen Teilbetrag und teilte mit, dass die Klägerin nicht berechtigt gewesen sei, die vom Vertragsarzt durchgeführten strahlentherapeutischen Leistungen abzurechnen. Diese seien vielmehr in alleiniger Verantwortung und Organisation der Praxis erbracht worden. Zudem habe die Klägerin keinen Versorgungsauftrag für die Strahlentherapie.

 

Das angerufene Sozialgericht hat die Beklagte zur Zahlung der restlichen Vergütung verurteilt. Das LSG hat die hiergegen erhobene Berufung der Beklagten zurückgewiesen, da die strahlentherapeutischen Behandlungen vom Versorgungsauftrag der Klägerin für „Innere Medizin“ umfasst seien.

 

Die Beklagte legte sodann gegen das LSG-Urteil Revision beim BSG ein.

 

Entscheidungsgründe

 

Das BSG gelangt zu dem Ergebnis, dass die Revision begründet und die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung verurteilt worden sei. Die geltend gemachte Vergütung scheitere daran, dass die Klägerin keinen Versorgungsauftrag für die Erbringung strahlentherapeutischer Leistungen habe und daher nicht zur entsprechenden Abrechnung berechtigt gewesen sei.

 

Bei der Strahlentherapie handele es sich zwar um eine allgemeine Krankenhausleistung. Sie sei aber nicht als Prozedur kodierfähig gewesen, weil ihre Erbringung nicht vom Versorgungsauftrag des Krankenhauses umfasst gewesen sei.

 

Nach § 2 Abs 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG gehöre zu den allgemeinen Krankenhausleistungen auch die vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig seien.

 

Die Klägerin trage während der stationären Behandlung trotz der Hinzuziehung von Dritten für die Patientin die Gesamtbehandlungsverantwortung. Die Leistung des Hinzugezogenen stelle sich auch nach außen als Leistung der Klägerin gegenüber der Patientin dar. Zum Anspruch der Patientin auf eine stationäre Behandlung gehöre auch die Abdeckung ihres akuten, ohne die stationäre Aufnahme ambulant abzudeckenden Behandlungsbedarfs. Hierzu sei die Klägerin verpflichtet.

 

Die von der Klägerin veranlasste Strahlentherapie durch einen Vertragsarzt sei jedoch nicht kodierfähig gewesen. Vom Krankenhaus veranlasste Leistungen Dritter seien